Die Substantive der o-Deklination haben das grammatische Geschlecht Maskulinum (bei Endungen auf -us oder -(e)r) oder Neutrum (bei Endungen auf -um).
Entgegen allen anderen Deklinationen hat der Vokativ der o-Deklination im Singular eine eigene Form. In der Regel lautet die Endung -e (z.B amice), nach einem -e im Stamm jedoch -i (z.B. Pompei von Pompeius) nach einem -i im Stamm entfällt die Endung (z.B. wird Gaius zu Gai) (Ausführlicheres s.u. „weitere Anmerkungen“). Der Vokativ Plural entspricht der Form des Nominativ Plural.
- Ebenso sind Baumnamen weiblich, wie z. B. populus („die Pappel“; nicht zu verwechseln mit populus (m.) = „das Volk“!), malus („der Apfelbaum“; nicht zu verwechseln mit malus = „schlecht“!) und fagus („die Buche“). Ferner ist auch humus („der Boden“) feminin.
- vulgus („das Volk“) und virus („das Gift, der Schleim“) sind neutrum.
- locus = „der Ort“ hat 2 verschiedene Plurale:
loci (m.) bedeutet: „die Stellen (z.B. in Büchern)“
loca (n.) bedeutet: „die Orte, Plätze; die Gegend“
Die Formen im Gen., Dat. und Abl. Pl. sind daher bei locus in der männlichen und sächlichen Form gleich.
Die Formen auf -us und -um werden folgendermaßen gebildet:
Kasus
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Nominativ
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Genitiv
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Dativ
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Akkusativ
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Ablativ
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Vokativ
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Singular
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Plural
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serv-us
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„der Sklave“
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serv-i
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„die Sklaven“
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serv-i
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„des Sklaven“
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serv-orum
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„der Sklaven“
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serv-o
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„dem Sklaven“
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serv-is
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„den Sklaven“
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serv-um
|
„den Sklaven“
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serv-os
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„die Sklaven“
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serv-o
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„mit dem Sklaven“
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serv-is
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„mit den Sklaven“
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serv-e
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„Sklave!“
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serv-i
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„Sklaven!“
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Singular
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Plural
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templ-um
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„der Tempel“
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templ-a
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„die Tempel“
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templ-i
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„des Tempels“
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templ-orum
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„der Tempel“
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templ-o
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„dem Tempel“
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templ-is
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„den Tempeln“
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templ-um
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„den Tempel“
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templ-a
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„die Tempel“
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templ-o
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„mit dem Tempel“
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templ-is
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„mit den Tempeln“
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templ-um
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„Tempel“
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templ-a
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„Tempel“
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Die Formen auf -er und -ir werden folgendermaßen gebildet (zum Wurzel-e bei puer s.u. bei „Sprachgeschichtlicher Hintergrund“):
Kasus
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Nominativ
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Genitiv
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Dativ
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Akkusativ
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Ablativ
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Vokativ
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Singular
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Plural
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puer
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„der Junge“
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puer-i
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„die Jungen“
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puer-i
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„des Jungen“
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puer-orum
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„der Jungen“
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puer-o
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„dem Jungen“
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puer-is
|
„den Jungen“
|
puer-um
|
„den Jungen“
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puer-os
|
„die Jungen“
|
puer-o
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„mit dem Jungen“
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puer-is
|
„mit den Jungen“
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puer
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„Junge“
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puer-i
|
„Jungen“
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Singular
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Plural
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ager
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„der Acker“
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agr-i
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„die Äcker“
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agr-i
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„des Ackers“
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agr-orum
|
„der Äcker“
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agr-o
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„dem Acker“
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agr-is
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„den Äckern“
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agr-um
|
„den Acker“
|
agr-os
|
„die Äcker“
|
agr-o
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„mit dem Acker“
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agr-is
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„mit den Äckern“
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ager
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„Acker“
|
agr-i
|
„Äcker“
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Kasus
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Nominativ
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Genitiv
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Dativ
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Akkusativ
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Ablativ
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Vokativ
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Singular
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Plural
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vir
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„der Mann“
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vir-i
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„die Männer“
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vir-i
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„des Mannes“
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vir-orum
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„der Männer“
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vir-o
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„dem Mann(e)“
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vir-is
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„den Männern“
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vir-um
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„den Mann“
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vir-os
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„die Männer“
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vir-o
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„mit dem Mann“
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vir-is
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„mit den Männern“
|
vir
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„Mann“
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vir-i
|
„Männer“
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- deus hat verschiedene Formen gebildet, die sich durch die Kontraktionsstufen von bis zu 3 Vokalen hintereinander erklären: z.B. Vok. Sg.: dive (später Deus o. Dee)
Kasus
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Nominativ
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Genitiv
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Dativ
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Akkusativ
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Ablativ
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Vokativ
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Singular
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Plural
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de-us
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„der Gott“
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d-ii/d-i
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„die Götter“
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de-i
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„des Gottes“
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de-um
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„der Götter“
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de-o
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„dem Gott“
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d-is
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„den Göttern“
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de-um
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„den Gott“
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de-os
|
„die Götter“
|
de-o
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„mit dem Gott“
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d-is
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„mit den Göttern“
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div-e
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„Gott“
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d-i
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„Götter“
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- der Gen. Sg. der Substantive auf -ius oder -ium endet auf -i. Allgemein ausgedrückt: endet der Stamm auf einen Vokal, kommt es zur Kontraktion (Zusammenziehung) mit dem Vokal der Endung (-ii > -i usw.). Bsp.: Lucius bildet den Gen. Luci.
- der Vok. Sg. der Substantive auf -ius oder -eus endet auf -i. Auch hier kommt es zur Kontraktion (Zusammenziehung) von Vokalen des Stammes und der Endung (-ii > -i usw.). Bsp.: Gaius bildet den Vok. Gai, Pompeius den Vok. Pompei, deus den Vok. di.
- der alte Gen. Pl. auf -um (ursprl. -om) tritt noch in amtlichen Ausdrücken auf: deus („der Gott“) bildet die Form deum, von vir („der Mann“) abgeleitete Wörter erzeugen solche Formen wie decemvirum („der Decemvirn, des Zehnmännerkollegs“).
Die Bezeichnung o-Deklination leitet sich davon ab, dass die Wortstämme ursprünglich auf -o auslauteten. Dies erkennt man am besten am Gen. Pl.: servorum besitzt die Endung -rum (vgl. die Anmerkung oben über den alten Gen. Pl.), der Stamm lautet also servo-, der alte Nom. Sg. auf -os entwickelte sich zu -us, der alte Akk. Sg. -om zu -um.
Das Gleiche gilt auch für die Wörter auf -r, hier jedoch fiel zuerst das -o- und dann das -s weg. Stand vor dem -r noch ein weiterer Konsonant, wurden zwischen diesen beiden ein -e- eingefügt, damit das Wort wieder vernünftig ausgesprochen werden konnte. Daraus erklären sich folgende Entwicklungsstufen (Wörter mit * sind Zwischenformen, keine richtigen Wörter):
- Nom. Sg.: *pueros > *puers > puer; daher der Gen. Sg.: pueri
- Nom. Sg.: *agros > *agrs > *agr > ager; daher der Gen. Sg.: agri (ähnlich: vir)
Das -e- in puer gehört zur Wurzel, daher bleibt es dort, bei ager ist das nicht der Fall, es ist durch Lautbildung entstanden. So erklären sich auch solche Stämme wie agro- und Genitive wie agri (im Gegensatz zu pueri).
In der deutschen Übersetzung sind die Artikel und Endungen von der Deklination und dem Geschlecht im Deutschen abhängig oder allgemein ausgedrückt: von der Zielsprache. So lautet der Nom. Sg. templum im Deutschen „der Tempel“, weil er im Deutschen als männlich und nicht als sächlich aufgefasst wird. Außerdem wird hier beim Ablativ ein Ablativus sociativus oder Ablativus instrumentalis angenommen.
In den obigen Deklinationstabellen ist der Trennstrich „-“ immer zwischen Wurzel und Wortausgang (nicht der Endung!). Also gehört das -o- des Gen. Pl. -orum noch zum Wortstamm, die Endung lautet nur -rum. Dazu muss man die Wurzeln und Stämme des jeweiligen Wortes kennen:
- servus: Wurzel serv- / Stamm servo-
- deus: Wurzel de- / Stamm deo-
- templum: Wurzel templ- / Stamm templo-
- puer: Wurzel puer- / Stamm puero-
- ager: Wurzel agr- / Stamm agro-
- vir: Wurzel vir- / Stamm viro-
Das -i- und das -o- ist in allen Formen lang (also auch in -is, -os usw.).