Soziologische Klassiker/ Das soziologische Dorf/ Neofunktionalismus

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Neofunktionalismus[Bearbeiten]

In der Theorie des Neofunktionalismus gibt es verschiedene Strömungen, die allesamt auf einer kritischen Weiterentwicklung des Parsons'schen Strukturfunktionalismus bestehen.

Der Begründer des Neofunktionalismus als einer neuen Theorierichtung ist Jeffrey C. Alexander. Er versucht die Defizite Parsons' durch Anschluss an andere Klassiker, wie zum Beispiel Richard Münch sowie durch neue Fragestellungen auszugleichen. [1]


Anfänge des Neofunktionalismus[Bearbeiten]

Alexander selber weist jedoch darauf hin, dass die Tradition der kritischen Erweiterung des Strukturfunktionalismus von Parsons weiter zurückreicht. Als Väter bzw. erste "Neo-Funktionalisten" sind Shmuel Noah Eisenstadt und Neil Smelser zu nennen, sie selbst sahen sich jedoch als Anwender der Parsons'schen Theorie. Als erste theoretische Manifestation des Neofunktionalismus ist das Werk von Eisenstadt/Curelaru "The Form of Sociology - Paradigms and Crisis", erschienen 1976 in New York, zu nennen, in diesem Werk wird der Ansatz Parsons bewusst modifiziert. Eisenstadt und Curelaru kritisieren hautpsächlich die einseitige Lösung des Ordnungsproblems bei Parsons (Verlinkung).
Parsons sieht die Arbeitsteilung und die damit verknüpften normativen und organisatorischen Regelungen als ausreichend für die Herstellung der sozialen Ordnung.
Eisenstadt/Curelaru weisen darauf hin, dass häufig soziale Probleme aus der Arbeitsteilung entstehen, diese sind empirisch beobachtbar. [2]


Forschungsprogramm von Alexander[Bearbeiten]

Alexander entwirft sein Modell multidimensionalen Handelns in direktem Anschluss an Eisenstadts Analysen, im Gegensatz zu Eisenstadt jedoch bewegt sich Alexander explizit auf der metatheoretischen Ebene. Er sieht Handeln eben als „multidimensional“ an, da er „Handeln nicht als entweder instrumentell oder normativ“ begreift, „sondern als beides zu gleich“. Handeln solle auch nicht als eindimensional gelten, sondern durch interne und externe Strukturen geordnet dargestellt werden. Er hat als Analyseinstrument, welches sich sowohl für Mikro- als auch für Makroprozesse eignet, einen Handlungsbezugsrahmen ausgearbeitet: personality, cultural system & social system -> action (interpretation/strategization). Es ist unschwer zu erkennen, dass Alexander die 3 Handlungsumwelten von den drei Systemen Parsons herleitet (Persönlichkeit, kulturelles und soziales System.

Er entwickelte seine neofunktionalistische Theorie zunächst, um einseitige Theorien in der Soziologie kritisch zu analysieren. Bei Parsons Strukturfunktionalismus sei beispielsweise der Akteurs völlig ausgeblendet. [3] Er beabsichtigt in seiner Theorie, die Dichotomie der Mikro- und Makroebene zu durchbrechen, indem er einerseits eine Akteursperspektive und andererseits historische und empirische Materialien miteinbezieht. Sein Fokus liegt jedoch auf der makrotheoretisch-empirischen Perspektive. Alexander verbessert den Normativitätsansatz Parsons, jedoch erachtet er den Konsens nach wie vor als wichtig.
Jeffrey Alexanders Verdienst ist vor allem das Verbinden bzw. der Versuch des Verbindens verschiedenster gesellschaftlicher Theorieansätze - lt. Alexander sollen Gesellschaftstheoretiker die Krisen ihrer Zeit nicht nur erklären, sondern auch verstehen. [4]

Kritik[Bearbeiten]

Die Kritik, die häufig an Alexanders' Ansatz des Neofunktionalismus angebracht wird, ist dass er die Elemente des analytischen Bezugsrahmens (für sein Modell multidimensionalen Handelns) aus anderen Theorieansätzen herleitet. Es wird zwar durchaus als positiv und auch durch die Tradition gestützt erachtet verschiedene Theorieansätze miteinander zu verknüpfen, doch wird von Alexander selbst keine systematische Begründung dafür geliefert. Er hat auch seine Theorie nicht vollständig ausgearbeitet, wie er selber sagt, das heißt der Ansatz des Neofunktionalismus ist beim Programm Alexanders' stehen geblieben und auch nicht von anderen SoziologInnen weiter ausgearbeitet worden - dies wäre jedoch durchaus sinnvoll. [5]

Literatur[Bearbeiten]

  • Balog, Andreas (2001):
    "Neue Entwicklungen in der soziologischen Theorie. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis der Grundprobleme"
    Stuttgart
  • Schmid, Michael (2003):
    "Der Neofunktionalismus. Nachruf auf ein Forschungsprogramm In: Jetzkowitz/Stark (Hrsg.): Soziologischer Funktionalismus. Zur Methodologie einer Theorietradition. S 279-303"
    Opladen
  • Treibel, Annette (2006):
    "Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart. Kapitel II: Theorie sozialer Systeme (Luhmann, Münch, Alexander). S 25-51. 7. Auflage"
    Wiesbaden

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Vgl. Treibel, 2006, S.47
  2. Vgl. Balog, 2001, S.257ff
  3. Vgl. Balog, 2001, S. 263ff
  4. Vgl. Treibel, 2006, S. 47f
  5. Vgl. Balog, 2001, S 282f sowie Schmid, 2003, S 279ff