Verwaltungsrecht in der Klausur/ Die Fälle / Fall 5

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§ 3 Übungsfälle zur Verpflichtungsklage

Fall 5: Verpflichtungsklage auf polizeiliches Einschreiten wegen Schmähkritik

Autor der Ursprungsfassung ist Eva Skobel

Dieser Fall ist unter der Creative-Commons-Lizenz BY-SA 4.0 offen lizenziert.


37 Der Fall ist angelehnt an VG Düsseldorf, Urt. v. 24.6.2014, Az.: 27 K 7499/13 = MMR 2015, 352.

38 Lernziele/Schwerpunkte: Verpflichtungsklage, Schutznormtheorie, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Anwendungsbereich von § 59 III RStV, Rückgriff auf die Generalklausel bei fehlender spezialgesetzlicher Eingriffsbefugnis, Anspruch auf polizeiliches Einschreiten, Schmähkritik und unwahre Tatsachenbehauptungen, Ermessensreduzierung auf Null

Sachverhalt[Bearbeiten]

39 Die 16-jährige Schülerin Johanna Jarsson (J) organisiert in der rheinland-pfälzischen Stadt M die jeden Freitag während der Schulzeit stattfindenden „Fridays for Future“-Demonstrationen, in denen Schüler*innen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels fordern. Auf diesen Demonstrationen hält J auch Reden. In ihrer Freizeit liest J gerne den Blog des wie sie in M wohnenden Xaver Xantl (X), der eine über Rheinland-Pfalz hinausgehende Verbreitung findet.

Zu ihrem Entsetzen muss J eines Tages feststellen, dass X auf seinem Blog auch über die „Fridays for Future“-Demonstrationen in M berichtet und diese scharf kritisiert. In seinem Beitrag bezeichnet X J unter Namensnennung als „dumme Sau“, „nicht lebenswert“, „Dreck“ und „Abschaum“. Dabei bezieht er sich ausdrücklich nicht auf deren politisches Engagement. Weiterhin behauptet er, J sei wegen dem freitäglichen Schuleschwänzen von der Schule verwiesen worden. Dies trifft nicht zu, was dem mit einem an Js Schule unterrichtenden Lehrer bekannten X auch bewusst war.

Darauf schreibt J dem X, dessen Anschrift und sonstige Kontaktdaten sie dem Blog entnommen hat, eine E-Mail. Darin fordert sie ihn auf, den Beitrag oder zumindest die oben dargestellten Formulierungen sowie die Behauptung, sie sei von der Schule verwiesen worden, zu löschen und deren Verbreitung auch in Zukunft zu unterlassen.

Nachdem X sich weigert hält J jeden weiteren Versuch, ihn zu den gewünschten Löschungen zu bewegen, für aussichtslos. Sie wendet sich daher an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) als der nach § 3 I des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland zuständigen Aufsichtsbehörde[1] und beantragt den Erlass einer Löschungsanordnung gegen X bezüglich der von ihr in dem Antrag aufgeführten genannten Äußerungen.

Die ADD lehnt dies mit J am 06.02.2019 bekanntgegebenen Verwaltungsakt ab. Sie ist der Ansicht, J müsse vor den Zivilgerichten gegen X vorgehen. Außerdem könne sie bereits mangels einschlägiger Ermächtigungsgrundlage keine Löschungsanordnung treffen. § 59 III RStV ermächtige sie gerade nicht, bei Verstößen gegen die allgemeinen Gesetze bzw. gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre Maßnahmen zu ergreifen. Weitere Ermächtigungsgrundlagen kämen nicht in Betracht. Des Weiteren seien die von X getätigten Äußerungen von dessen Meinungsfreiheit sowie der Informationsfreiheit der Besucher*innen des Blogs geschützt. Durch das Organisieren der Demonstrationen und das öffentliche Auftreten auf diesen habe sich J in die Öffentlichkeit begeben und müsse daher auch scharfe Kritik hinnehmen.

J formuliert sofort nach Bekanntgabe des Bescheids ein Widerspruchsschreiben. Als sie dieses am folgenden Tag zur Post bringen will erleidet sie auf dem Weg zum Briefkasten unverschuldet einen Verkehrsunfall. Dessen Folgen machen es ihr für die nächsten Wochen unmöglich, sich weiter um die Angelegenheit zu kümmern. Auch Js Eltern sind unverschuldet am Einlegen eines Widerspruchs gehindert. Erst am 07.03.2019 geht es J gut genug, dass sie, vertreten durch ihre Eltern, Widerspruch einlegen kann. Die ADD weist den Widerspruch als unzulässig zurück.

Zwei Tage nach Erhalt des Widerspruchsbescheids erhebt J, vertreten durch ihre Eltern, Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht. Sie trägt vor, dass die ADD, selbst wenn sie sich nicht auf § 59 III RStV stützen könne, zumindest nach der ordnungsbehördlichen Generalklausel des § 9 I POG Rheinland-Pfalz gegen X vorgehen könne. Dessen Beleidigungen und Verleumdungen seien auch nicht von der Meinungsfreiheit geschützt.

Die ADD hält die Klage bereits für unzulässig. J habe das Widerspruchsverfahren nicht fristgerecht durchgeführt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei mangels Antrag der J nicht möglich. Weiterhin sei es, unterstellt sie könne gegen den Beitrag des X vorgehen, allein ihre Sache, ob und in welcher Form sie dies auch tatsächlich tue. J habe keinen Anspruch auf Erlass einer Löschungsanordnung.

Hat die Klage der J Aussicht auf Erfolg?

Bearbeitungshinweis: Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Blog des X um ein Telemedium im Sinne von §§ 54 ff. RStV handelt. Normen des Jugendmedienschutzstaatsvertrags sind außer Acht zu lassen.

Auszug Rundfunkstaatsvertrag (RStV)

§ 54 Allgemeine Bestimmungen

(1) 1Telemedien sind im Rahmen der Gesetze zulassungs- und anmeldefrei. 2Für die Angebote gilt die verfassungsmäßige Ordnung. 3Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind einzuhalten.

§ 59 Aufsicht

(2) Die Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien einschließlich der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre mit Ausnahme des Datenschutzes wird durch nach Landesrecht bestimmte Aufsichtsbehörden überwacht.

(3) 1 Stellt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen mit Ausnahme der § 54, § 55 Abs. 2 und 3, § 56, § 57 Abs. 2 oder der Datenschutzbestimmungen des Telemediengesetzes fest, trifft sie die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter. 2Sie kann insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen. 3Die Untersagung darf nicht erfolgen, wenn die Maßnahme außer Verhältnis zur Bedeutung des Angebots für den Anbieter und die Allgemeinheit steht. 4Eine Untersagung darf nur erfolgen, wenn ihr Zweck nicht in anderer Weise erreicht werden kann. 5Die Untersagung ist, soweit ihr Zweck dadurch erreicht werden kann, auf bestimmte Arten und Teile von Angeboten oder zeitlich zu beschränken. […].7Die Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre bleiben unberührt.

(4) 1Erweisen sich Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nach § 7 des Telemediengesetzes als nicht durchführbar oder nicht Erfolg versprechend, können Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten nach Absatz 3 auch gegen den Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes gerichtet werden, sofern eine Sperrung technisch möglich und zumutbar ist.

(5) Wird durch ein Angebot in Rechte Dritter eingegriffen und ist für den Dritten hiergegen der Rechtsweg eröffnet, sollen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Sinne von Absatz 3 nur erfolgen, wenn dies aus Gründen des Gemeinwohls geboten ist.

(6) 1Für den Vollzug dieses Abschnitts ist die Aufsichtsbehörde des Landes zuständig, in dem der betroffene Anbieter seinen […] Wohnsitz […] hat. […]

Auszug Telemediengesetz (TMG)

§ 7 Allgemeine Grundsätze

(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

Auszug Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) Rheinland-Pfalz

§ 1 Aufgaben der allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei

(1) 1Die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei haben die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. […]

(2) Die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei haben ferner die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen durch andere Rechtsvorschriften übertragen sind.

(3) Der Schutz privater Rechte obliegt den allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei nach diesem Gesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne ordnungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.

§ 2 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen haben die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

(2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.

§ 4 Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen

(1) Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen sie zu richten.

§ 9 Allgemeine Befugnisse

(1) 1Die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die §§ 9a bis 42 ihre Befugnisse besonders regeln. […]

(2) 1Zur Erfüllung der Aufgaben, die den allgemeinen Ordnungsbehörden oder der Polizei durch andere Rechtsvorschriften übertragen sind (§ 1 Abs. 2), haben diese die dort vorgesehenen Befugnisse. 2Soweit solche Rechtsvorschriften Befugnisse nicht regeln, haben diese die Befugnisse, die ihnen nach diesem Gesetz zustehen.

§ 89 Allgemeine Ordnungsbehörden

(3) Landesordnungsbehörde ist die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion.

Lösungsgliederung[Bearbeiten]

40 A. Zulässigkeit

I. Verwaltungsrechtsweg
II. Statthafte Klageart 65
III. Klagebefugnis
IV. Vorverfahren
V. Klagegegner
VI. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit
VII. Form und Frist
VIII. Zwischenergebnis

B. Notwendige Beiladung des X

C. Begründetheit

I. Rechtmäßigkeit einer Löschungsanordnung
1. Ermächtigungsgrundlage
2. Formelle Rechtmäßigkeit
3. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Öffentliche Sicherheit und Ordnung
b) Gefahr
c) Störer
d) Ermessen
aa) Entschließungsermessen
bb) Auswahlermessen
(1) Legitimer Zweck
(2) Geeignetheit
(3) Erforderlichkeit
(4) Angemessenheit
II. Ermessensreduzierung auf Null
III. Zwischenergebnis

D. Ergebnis

Lösungsvorschlag[Bearbeiten]

41 Die Klage der J hat Aussicht auf Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.

A. Zulässigkeit[Bearbeiten]

42 Die Klage ist zulässig, wenn die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen.

I. Verwaltungsrechtsweg[Bearbeiten]

43 Der Verwaltungsrechtsweg müsste eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisungen richtet sich dies nach § 40 I 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsrechtsweg für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht-verfassungsrechtlicher Art eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn die streitentscheidenden Normen dem öffentlichen Recht angehören. Nach der modifizierten Subjektstheorie sind Normen des öffentlichen Rechts solche, die lediglich einen Träger öffentlicher Gewalt als solchen verpflichten.[2] Streitentscheidend sind hier § 59 III RStV bzw. § 9 I POG, die mit der nach Landesrecht zuständigen Behörde bzw. den allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei ausschließlich Träger öffentlicher Gewalt verpflichten. Es liegt daher eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Diese ist mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit auch nicht-verfassungsrechtlicher Art. Abdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

II. Statthafte Klageart[Bearbeiten]

44 Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren der J (§ 88 VwGO). J begehrt den Erlass einer Löschungsanordnung der ADD gegen X. Bei dieser handelt es sich um eine behördliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Rechtswirkung nach außen. Die Löschungsanordnung ist somit ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG. Den Erlass einer solchen Anordnung kann J mit einer Verpflichtungsklage nach § 42 I Alt. 2 VwGO im Unterfall der Versagungsgegenklage erreichen, die hier statthaft ist.

III. Klagebefugnis[Bearbeiten]

45 J müsste nach § 42 II VwGO klagebefugt sein. Dafür muss sie geltend machen können, durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts in ihren Rechten verletzt zu sein. Dies wäre allerdings nur möglich, wenn § 9 I POG und/oder § 59 III RStV ein Recht auf Erlass der begehrten Löschungsanordnung vermitteln können. Bei beiden Normen handelt es sich um Grundlagen für ordnungsbehördliches Einschreiten, die primär die Eingriffsverwaltung betreffen und keine Ansprüche begründen. Allerdings können auch solche Normen einen Anspruch auf behördliches Einschreiten vermitteln. Ob dies der Fall ist, ist nach der Schutznormtheorie zu beurteilen. Ausschlaggebend ist, ob die betreffende Norm zumindest auch Individualrechtsgüter des Anspruchstellers schützt. Normen, die lediglich im Interesse der Allgemeinheit bestehen und nicht das Ziel verfolgen, einem von diesem abgrenzbaren Personenkreis Rechte zu verleihen, können keine Ansprüche vermitteln. Ob eine Norm auch Individualrechtsgüter schützt und der Anspruchsteller zum geschützten Personenkreis gehört ist durch Auslegung zu ermitteln.[3] § 9 I POG schützt die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Zur öffentlichen Sicherheit gehören u.a. auch die Rechtsgüter des Einzelnen. Damit dient § 9 I POG nicht nur dem Schutz öffentlicher Interessen, sondern auch dem der Rechtsgüter einzelner Personen. Mithin handelt es sich um eine Schutznorm, die einen Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten begründen kann. Ergibt sich die Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus einer Gefährdung oder Verletzung von Individualrechtsgütern, hat der Betroffene einen Anspruch darauf, dass die Behörde ermessensfehlerfrei über ein Einschreiten entscheidet.[4]

§ 59 III RStV dient dazu, die Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien, einschließlich der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre mit Ausnahme des Datenschutzes, sicherzustellen. Mit der Erwähnung von gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre wird hier ebenfalls ein Individualrechtsgut geschützt. Damit kann auch § 59 III RStV einen Anspruch auf behördliches Einschreiten vermitteln.

Als diejenige, deren Rechtsgüter von einem Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit bzw. Gesetze zum Schutz der persönlichen Ehre betroffen sind, gehört J auch zum geschützten Personenkreis. Somit besteht unabhängig davon, welche Norm letztlich einschlägig ist, die Möglichkeit eines Anspruchs der J. Allerdings ist zu beachten, dass § 9 I POG der handelnden Behörde Ermessen einräumt. Damit kann die Vorschrift grundsätzlich auch nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung vermitteln. Bei § 59 III 1, 2 RStV steht die Auswahl der zu treffenden Maßnahmen ebenfalls im Ermessen der Behörde.[5] Lediglich wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, kann eine konkrete Maßnahme verlangt werden. Da eine solche Ermessensreduzierung auf Null jedoch im Bereich des Möglichen liegt, ist auch insofern J den Erlass einer konkreten Löschungsanordnung begehrt die Möglichkeit eines Anspruchs gegeben. J ist daher klagebefugt nach § 42 II VwGO.

IV. Vorverfahren[Bearbeiten]

46 Nach § 68 I, II VwGO ist vor Erhebung der Verpflichtungsklage ein Vorverfahren durchzuführen, wenn ein Antrag auf Vornahme des begehrten Verwaltungsakts abgelehnt wurde. Dieses Vorverfahren müsste J ordnungsgemäß durchgeführt haben, insbesondere darf ihr Widerspruch nicht verfristet gewesen sein. Nach § 70 I VwGO ist der Widerspruch binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, einzulegen. Der ablehnende Bescheid wurde J am 06.02.2019 bekanntgegeben, sodass die Frist entweder nach §§ 31 I VwVfG, 188 II BGB oder §§ 57 II VwGO, 222 I ZPO, 188 II BGB am 06.03.2019 endete. J hat jedoch erst am 07.03.2019 Widerspruch erhoben und damit die Frist des § 70 I VwGO nicht eingehalten.

Allerdings könnte ihr nach § 60 I VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein. Nach dieser Norm ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Gemäß § 70 II VwGO gilt § 60 VwGO auch im Widerspruchsverfahren. J war durch einen Unfall unverschuldet an der Einhaltung der Widerspruchsfrist gehindert. Auch ihre gesetzlichen Vertreter trifft kein Verschulden, das sich J zurechnen lassen müsste. Allerdings ist nach § 60 II 1 VwGO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Einen entsprechenden Antrag hat J nicht gestellt. Nach § 60 II 4 VwGO ist es jedoch ausreichend, wenn die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird. Durch Nachholung der versäumten Rechtshandlung gibt der Betreffende konkludent zum Ausdruck, dass er das Verfahren fortsetzen und etwaige prozessuale Nachteile aus der Fristversäumung, insbesondere die Unzulässigkeit der vorgenommenen Rechtshandlung, soweit möglich beseitigt wissen will. Ein expliziter Antrag auf Wiedereinsetzung ist daneben nicht mehr erforderlich. Das Gericht hat trotz des Wortes „kann“ in § 60 II 4 VwGO hier auch keinen Ermessensspielraum, sondern muss die Wiedereinsetzung gewähren.[6] J hat sobald es ihr dafür gut genug ging, also unmittelbar nach Wegfall des Hindernisses, Widerspruch eingelegt und damit die versäumte Rechtshandlung nachgeholt. Ein Wiedereinsetzungsantrag war somit nicht erforderlich. Fraglich ist jedoch, ob das Verwaltungsgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren kann, wenn die Voraussetzungen des § 60 VwGO vorliegen, oder ob dazu nur die Widerspruchsbehörde in der Lage ist. Nach § 60 IV VwGO entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat, über den Antrag auf Wiedereinsetzung. Im Verwaltungsprozess hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage auch über die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs zu entscheiden. Diese gehört zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen. Das Verwaltungsgericht ist nicht daran gehindert, aus Gründen der Prozessökonomie und des effektiven Rechtsschutzes die Klage bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 VwGO als zulässig anzusehen, auch wenn es an einer positiven behördlichen Wiedereinsetzungsentscheidung fehlt (a.A. vertretbar). Ansonsten müsste die Widerspruchsbehörde erst zur Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verpflichtet werden.[7] J ist somit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und der Widerspruch war daher nicht verfristet.

J hat das Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt.

V. Klagegegner[Bearbeiten]

47 Richtiger Klagegegner ist nach § 78 I Nr. 1 VwGO das Land Rheinland-Pfalz als Rechtsträger der ADD

Lösungshinweis: Der Prüfungspunkt kann auch in der Begründetheit als sog. Passivlegitimation geprüft werden.[8]

VI. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit[Bearbeiten]

48 J ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligungsfähig. Als Minderjährige ist sie in der Geschäftsfähigkeit beschränkt und nicht nach § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig.[9] Sie hat sich jedoch durch ihre Eltern als gesetzliche Vertreter nach § 1629 I BGB vertreten lassen. Das Land Rheinland-Pfalz ist als juristische Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligungsfähig. Die Prozessfähigkeit des Landes richtet sich nach § 62 III VwGO.

VII. Form und Frist[Bearbeiten]

49 Die Klagefrist nach § 74 I, II VwGO hat J eingehalten. Von der Einhaltung der Form des § 81 I 1 VwGO ist auszugehen.

VIII. Zwischenergebnis[Bearbeiten]

50 Die Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor und die Klage ist zulässig.

B. Notwendige Beiladung des X[Bearbeiten]

51 X könnte nach § 65 II VwGO notwendig beizuladen sein. Eine Beiladung ist notwendig, wenn am streitgegenständlichen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass eine Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass von der Entscheidung unmittelbar und zwangsläufig Rechte eines Dritten betroffen werden. Ein Fall einer solchen notwendigen Beiladung ist die Konstellation, dass der Kläger den Erlass eines an einen bestimmten Dritten gerichteten, diesen belasteten Verwaltungsakt begehrt.[10] Hier klagt J auf Erlass eines an X gerichteten, diesen belasteten Verwaltungsakt, der zwangsläufig dessen Rechte betrifft. Somit ist X nach § 65 II VwGO notwendig beizuladen.

C. Begründetheit[Bearbeiten]

52 Die Klage ist begründet, soweit die Ablehnung der Löschungsanordnung rechtswidrig war und J in ihren Rechten verletzt hat und die Sache spruchreif ist (§ 113 V 1 VwGO). Dies ist der Fall, wenn J einen Anspruch auf Erlass der Löschungsanordnung gegen X hat. Dieser Anspruch setzt wiederum voraus, dass eine solche Anordnung rechtmäßig wäre und das Ermessen auf Null reduziert ist.

Aufbauhinweis: Es wäre ebenso vertretbar, einen Anspruchsaufbau zu wählen. Dann würde zunächst die Anspruchsgrundlage bestimmt und danach die Anspruchsvoraussetzungen (also die Tatbestandsmerkmale der Anspruchsgrundlage) geprüft. Zum Schluss wird dargestellt, ob der Verwaltung noch ein Gestaltungsspielraum verbleibt oder die Sache (bei gebundenen Entscheidungen oder einer Ermessensreduzierung auf Null) spruchreif ist.[11]

I. Rechtmäßigkeit einer Löschungsanordnung[Bearbeiten]

53 Die begehrte Löschungsanordnung müsste rechtmäßig sein. Dies ist der Fall, wenn eine taugliche Ermächtigungsgrundlage vorliegt und die Anordnung formell und materiell rechtmäßig wäre.

1. Ermächtigungsgrundlage[Bearbeiten]

54 Als Ermächtigungsgrundlage kommt zunächst § 59 III 1 und 2 RStV in Betracht. § 59 III 1 RStV ermächtigt die zuständige Behörde, bei Verstößen gegen die in § 59 II RStV genannten Bestimmungen die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter des Telemediums zu treffen. Nach § 59 III 2 RStV kann die zuständige Behörde Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen. Bei dem Blog des X handelt es sich laut Bearbeitungshinweis um ein Telemedium nach §§ 54 ff. RStV. Allerdings ist zu beachten, dass § 59 III RStV ausdrücklich nicht für Verstöße gegen § 54 RStV gilt. § 54 I 3 RStV regelt die Pflicht von Telemedien zur Einhaltung der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre. Wird gegen diese Pflicht verstoßen, ist § 59 III RStV nicht anwendbar. X hat möglicherweise gegen Gesetze zum Schutz der persönlichen Ehre verstoßen, indem er in seinem Blog J beleidigende (§185 StGB) und verleumdende (§ 187 StGB) Äußerungen getätigt hat. Weitere Verstöße gegen Vorschriften des RStV sind nicht ersichtlich. Damit ist § 59 III 1 und 2 RStV hier nicht einschlägig. (a.A. vertretbar).[12] (Lösungshinweis: Kenntnis des in der Fußnote dargestellten Problems kann nicht erwartet werden, ausreichend ist eine saubere Arbeit mit §§ 54 und 59 RStV.)

Allerdings bleiben nach § 59 III 7 RStV die Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur Durchsetzung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre unberührt. § 59 III RStV ist nur insoweit spezieller, als es um die Überwachung der Einhaltung der von § 59 III RStV erfassten für Telemedien geltenden Bestimmungen der §§ 55 ff. RStV geht.[13] Bei den allgemeinen Gesetzen und den Gesetzen zum Schutz der persönlichen Ehre entfaltet § 59 RStV keine Sperrwirkung und wenn Sonderrecht keine Sperrwirkung hat, kommt der ordnungsbehördlichen Generalklausel Auffangwirkung zu.[14] D.h., dass auf die ordnungsbehördliche Generalklausel nach dem jeweils einschlägigen Polizei- bzw. Ordnungsbehördengesetz zurückgegriffen werden kann, wenn Telemedien gegen Gesetze zum Schutz der persönlichen Ehre und sonstige allgemeine Gesetze verstoßen.[15] Mithin ist § 9 I POG die hier einschlägige Ermächtigungsgrundlage. Diese ist auch für die ADD als Landesordnungsbehörde nach § 89 III POG anwendbar. Gemäß § 9 II POG können sich allgemeine Ordnungsbehörden auch zur Erfüllung von Aufgaben, die ihnen nach anderen Vorschriften als dem POG übertragen sind, auf § 9 I POG berufen, wenn die erwähnten Vorschriften ihre Befugnisse nicht spezieller regeln. Hier hat die ADD als die nach Landesrecht zuständige Behörde zwar gemäß § 59 II RStV die Aufgabe, die Einhaltung der allgemeinen Gesetze und gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre durch Telemedien durchzusetzen, die Ermächtigungsgrundlage wurde jedoch dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht überlassen. Somit liegt ein Fall des § 9 II POG vor und dieser eröffnet den Rückgriff auf § 9 I POG.

2. Formelle Rechtmäßigkeit[Bearbeiten]

55 Die sachliche Zuständigkeit der ADD zur Durchsetzung der Bestimmungen für Telemedien des RStV mit Ausnahme des Jugendmedienschutzes resultiert aus § 3 I des Landesgesetzes zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 59 VI RStV.

Allerdings könnte sich hier etwas Anderes aus § 1 III POG ergeben. Danach obliegt den allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei der Schutz privater Rechte nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne ordnungsbehördliche oder polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.[16] Ansonsten sind die Ordnungsbehörden nicht zuständig. Hintergrund ist, dass Private eine Verletzung ihrer Rechte vorrangig auf dem Rechtsweg durch Inanspruchnahme des Störers abstellen sollen, anstatt dafür ordnungsbehördliche Ressourcen in Anspruch zu nehmen. Den Ordnungsbehörden obliegt primär der Schutz öffentlicher Interessen.[17] Ein entsprechender Gedanke findet sich in § 59 V RStV. Nach dieser Vorschrift sollen, wenn ein Angebot in Rechte Dritter eingreift und für den Dritten der Rechtsweg eröffnet ist, Anordnungen der Aufsichtsbehörde i.S.v. § 59 III RStV nur erfolgen, wenn dies aus Gründen des Gemeinwohls geboten ist. Hier wäre J ein gerichtliches Vorgehen gegen X möglich gewesen und dieses hätte Aussicht auf Erfolg gehabt. Allerdings gilt die Vorrangigkeit gerichtlichen Rechtsschutzes nicht, wenn, wie hier, neben der Verletzung privater Rechte zugleich ein Verstoß gegen Strafgesetze vorliegt. In einem solchen Fall sind auch öffentliche Interessen berührt, die ein Einschreiten der Ordnungsbehörden auch bei der Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz einzuholen, rechtfertigen. Es ist ausreichend, dass der objektive Tatbestand des Strafgesetzes verwirklicht wird. Ob es sich wie bei §§ 185 und 187 StGB um Antragsdelikte handelt spielt keine Rolle.[18] Auch bei § 59 V RStV ist ein Einschreiten aus Gründen des Gemeinwohls geboten, wenn das Angebot des Telemediums gegen Strafgesetze verstößt.[19] Damit steht § 1 III POG der Zuständigkeit der ADD nicht entgegen.

Lösungshinweis: Die Frage, ob einem Einschreiten der Ordnungsbehörde die Möglichkeit zivilgerichtlichen Rechtsschutzes entgegensteht, kann auch erst in der materiellen Rechtmäßigkeit geprüft werden, nämlich bei der Frage, ob beim Tätigwerden zum Schutz privater Rechte eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht.[20]

3. Materielle Rechtmäßigkeit[Bearbeiten]

56 Fraglich ist, ob eine Löschungsanordnung materiell rechtmäßig wäre. Hierfür müssten die Voraussetzungen des § 9 I POG vorliegen und eine Löschungsanordnung ermessensfehlerfrei möglich sein.

a) Öffentliche Sicherheit und Ordnung[Bearbeiten]

57 Dafür müsste zunächst eines der von der Norm aufgeführten Schutzgüter in Form der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung betroffen sein. Die öffentliche Sicherheit umfasst dabei die geschriebene Rechtsordnung, Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen und die Rechtsgüter des Einzelnen.[21] Hier könnte die Rechtsordnung betroffen sein, wenn die Äußerungen des X gegen §§ 185 bzw. 187 StGB und damit gleichzeitig dessen Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre aus § 54 I 3 RStV verstoßen würde. § 185 StGB stellt Beleidigungen, also die Kundgabe von Miss- oder Nichtachtung gegenüber dem Betroffenen oder Dritten, unter Strafe. Mit der Bezeichnung als „dumme Sau“, „Dreck“, „Abschaum“ und „nicht lebenswert“ hat X öffentlich seine Missachtung der J kundgetan. Allerdings ist zu beachten, dass bei der Anwendung des § 185 StGB die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen ist. Bei den dargestellten Äußerungen handelt es sich um Werturteile und damit Meinungen, die grundsätzlich von der Meinungsfreiheit geschützt werden. Ob die Meinungsfreiheit bei Beleidigungsdelikten bereits zu einer Einschränkung des Tatbestands führt oder erst auf Rechtfertigungsebene, im Rahmen von § 193 StGB oder eines eigenen Rechtfertigungstatbestands, relevant wird, ist umstritten.[22] Allerdings tritt bei Schmähkritik die Meinungsfreiheit, ohne dass eine weitere Abwägung erforderlich wäre, hinter das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i.V.m. 1 I GG und gegebenenfalls die Menschenwürde nach Art. 1 I GG der von der Schmähkritik betroffenen Person oder Personen zurück. Dabei ist der Begriff der Schmähkritik zum Schutz der Meinungsfreiheit eng auszulegen. Insbesondere bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage ist sie die Ausnahme. Schmähkritik liegt vor, wenn es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern nur noch die Person angegriffen und in ihrer Würde verletzt werden soll.[23] Dies ist bei der Bezeichnung von Menschen als „Abschaum“ oder „Dreck“ oder der Bezeichnung als „dumme Sau“ der Fall. Die Äußerungen haben keinen Bezug zu dem politischen Engagement der J und den „Fridays for Future“-Demonstrationen. Zumindest die Bezeichnung als „nicht lebenswert“, mit der J der Achtungsanspruch als Mensch abgesprochen und ihr Lebensrecht als gleichberechtigte Person innerhalb der staatlichen Gemeinschaft negiert wird, betrifft zudem deren nicht abwägungsfähige Menschenwürde. Mithin steht die Meinungsfreiheit des X der Wertung seiner Äußerungen als Beleidigung nicht entgegen.

Verleumdung gemäß § 187 StGB ist die Verbreitung einer unwahren Tatsache, die eine andere Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wider besseres Wissen. Ein Schulverweis und damit verbundene Auswirkungen auf die schulische Laufbahn werden nach objektiven Maßstäben überwiegend negativ bewertet und die Information darüber ist geeignet, J in der Achtung der Leser*innen von Xs Blog sinken zu lassen. Zwar stellt der Verweis angeblich „nur“ die Reaktion der Schule auf das Schuleschwänzen der J dar, sodass dieser keine Regelverstöße, die sie nicht tatsächlich begangen hat, unterstellt werden, der Hinweis, dass J von der Schule verwiesen wurde, ist jedoch geeignet, dass Leser*innen die Schwere des Fernbleibens vom Unterricht strenger bewerten und negative Rückschlüsse auf den Ausbildungsstand bzw. die Schulkarriere der J ziehen. Ein Schulverweis wird vielfach als Scheitern des betreffenden Schülers wahrgenommen und wirkt sich abträglich auf dessen Ansehen aus. Dass J von der Schule verwiesen wurde ist auch unwahr und wird von X wider besseres Wissen verbreitet. Mithin liegt auch eine Verleumdung nach § 187 StGB vor.

Neben dem Verstoß gegen Strafgesetze ist auch die Ehre der J betroffen. Somit besteht auch eine Beeinträchtigung von Individualrechtsgütern.

Die öffentliche Sicherheit ist beeinträchtigt.

b) Gefahr[Bearbeiten]

58 Als nächstes müsste eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegen. Gefahr meint einen Zustand, in dem aus der ex-ante-Perspektive eines verständigen Amtswalters bei ungehindertem Geschehensablauf die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in absehbarer Zeit besteht.[24] Unter die Gefahr im polizeirechtlichen Sinne fällt jedoch auch die Situation, in der der Schaden bereits eingetreten ist. Dann darf die Ordnungsbehörde erst recht tätig werden und den Schaden beseitigen. Diese Lage wird als Störung bezeichnet.[25] Hier haben die Verstöße gegen §§ 185 und 187 StGB und die Ehrverletzung bereits stattgefunden. Mithin liegt eine Störung und damit eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne vor.

c) Störer[Bearbeiten]

59 Die ordnungsbehördliche Generalklausel ermächtigt die Polizei und allgemeinen Ordnungsbehörden lediglich zu einem Vorgehen gegen für die Gefahr Verantwortliche, also Störer im polizeirechtlichen Sinne, oder Nichtstörer unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands. Für die polizeiliche Verantwortlichkeit von Betreibern von Internetangeboten gelten die allgemeinen Vorschriften über Störer und Nichtstörer, die gegebenenfalls durch die Vorschriften der §§ 7 ff. TMG ergänzt werden. Inwieweit die entsprechenden Vorschriften des TMG Auswirkungen auf die polizeirechtliche Störerverantwortlichkeit haben oder lediglich die straf- und deliktsrechtliche Haftung betreffen ist allerdings umstritten.[26] Handlungsstörer nach § 4 POG ist derjenige, der die Gefahr unmittelbar verursacht hat.[27] Hier hat X die rechtswidrigen Inhalte verfasst und online gestellt und ist damit als Handlungsstörer einzuordnen. Nach 7 I TMG sind Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen uneingeschränkt verantwortlich.[28] X hält auf seinem Blog eigene Informationen zur Nutzung bereit, zu denen auch die von J gerügten gehören. Damit ist er als Contentprovider anzusehen und die §§ 7 ff. TMG stehen seiner Verantwortlichkeit nicht entgegen. Auf die Frage, ob sie die polizeiliche Verantwortlichkeit beeinflussen und Polizei- und Ordnungsbehördengesetze unter die allgemeinen Gesetze, für die 7 ff. TMG für Host- und Accessprovider die Haftung einschränken, fallen, kommt es somit nicht an.[29]

d) Ermessen[Bearbeiten]

60 Weiterhin müsste die Löschungsanordnung auch eine pflichtgemäße Ausübung des den Ordnungsbehörden von § 9 I POG eingeräumten Ermessens sein. Hier ist zwischen Entschließungs- und Auswahlermessen zu differenzieren.

aa) Entschließungsermessen[Bearbeiten]

61 Entschließungsermessen betrifft die Frage, ob die Ordnungsbehörden überhaupt tätig werden. Besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist von den Ordnungsbehörden zu prüfen, ob ein Einschreiten der effektivste Weg zur Beseitigung der Gefahr ist oder z.B. zu einer Eskalation und Verschlimmerung der Situation führen oder das Einschreiten gegen eine gravierendere Gefahr verhindern würde.[30] Gründe, aus denen ein Vorgehen der ADD gegen X ermessensfehlerhaft sein sollte, sind nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, wenn man annimmt, dass das Entschließungsermessen beim Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit intendiert in Richtung des Einschreitens ist.[31]

Damit wäre eine Löschungsverfügung gegen X eine pflichtgemäße Ausübung des Entschließungsermessens.

bb) Auswahlermessen[Bearbeiten]

62 Auswahlermessen betrifft die Frage, welche von mehreren möglichen Maßnahmen die Ordnungsbehörde ergreifen soll. Hier spielt der auch in § 2 POG normierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine wichtige Rolle. Ein Verstoß gegen diesen begründet einen Ermessensfehler in der Variante der Ermessensüberschreitung.[32]

= (1) Legitimer Zweck =[Bearbeiten]

63 Legitimer Zweck einer Löschungsverfügung ist die Abstellung des Verstoßes gegen §§ 185, 187 StGB sowie der Verletzung von Js Ehre.

= (2) Geeignetheit =[Bearbeiten]

64 Eine Löschungsanordnung ist geeignet, den Verstoß gegen §§ 185 und 187 StGB sowie die Verletzung der Ehre der J zu beenden, indem die Äußerungen nach erfolgter Löschung nicht mehr zur Kenntnis genommen werden können.

= (3) Erforderlichkeit =[Bearbeiten]

65 Die Löschungsanordnung müsste auch erforderlich sein. Dies ist der Fall, wenn kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung steht. Als alternatives Mittel käme in Betracht, X lediglich zur Einschränkung des Zugangs zu seinem Blogbeitrag oder der Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu verpflichten. Dies wäre jedoch nicht gleich effektiv. Die rechtswidrigen Äußerungen könnten dann immer noch zur Kenntnis genommen werden und das Ansehen der J beeinträchtigen. Eine Anordnung zur Zugangseinschränkung, die sich nicht auf die konkret rechtswidrigen Formulierungen, sondern den Blogbeitrag als Ganzes bezieht, wäre schon kein milderes Mittel. Von ihr wären auch rechtmäßige Inhalte betroffen.

Daher wäre eine Löschungsanordnung auch erforderlich.

= (4) Angemessenheit =[Bearbeiten]

66 Die Löschungsanordnung müsste auch angemessen sein. Dies ist durch eine Abwägung der durch die Löschungsanordnung geschützten Interessen mit denjenigen an der Aufrechterhaltung des Angebots zu ermitteln. Dabei sind die Wertigkeit der jeweiligen Interessen und die Schwere ihrer Beeinträchtigung die maßgeblichen Abwägungskriterien.

Hier kann sich X zumindest für die betroffenen Werturteile auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG berufen. Die bewusst unwahre Tatsachenbehauptung, dass J von der Schule verwiesen worden sei, wird demgegenüber nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Erwiesen und bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen tragen nichts zur zutreffenden Meinungsbildung bei. Wird verlangt, dass der Äußernde die Unwahrheit der Information kennt, führt ein Verbot unwahrer Tatsachenbehauptungen auch nicht dazu, dass Personen von der Weiterverbreitung von Informationen, deren Wahrheitsgehalt sie nicht beurteilen bzw. nachprüfen können, abgehalten werden.

Mit der Kritik an den „Fridays for Future“-Demonstrationen geht es um eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, bei der eine Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede spricht. Allerdings steht bei Bezeichnungen wie den von X verwendeten, wie oben dargestellt, nicht die Auseinandersetzung über das Thema Klimawandel und die auf den „„Fridays for Future“-Demonstrationen vorgebrachten Forderungen, sondern alleine die persönliche Diffamierung und Schmähung der J im Vordergrund. Es fehlt an einem schützenswerten Beitrag zur Meinungsbildung. Dem gegenüber stehen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der J und deren Menschenwürde. Zumindest sofern J durch die Bezeichnung als „nicht lebenswert“ das Lebensrecht abgesprochen wird ist nicht nur ihre Ehre, sondern auch ihre Menschenwürde betroffen. Eine Äußerung betrifft die Menschenwürde, wenn sie nicht nur einzelne Persönlichkeitsrechte verletzt und beispielsweise dem Betroffenen Mängel unterstellt, sondern die Subjektqualität eines Menschen grundsätzlich in Frage stellt. Dies ist der Fall, wenn er als „unterwertiges Wesen“ ohne Lebensrecht behandelt bzw. bezeichnet wird.[33] Derartige Bezeichnungen müssen auch Personen, die sich freiwillig in die Öffentlichkeit begeben und zum Teil einer öffentlichen Debatte, wie derjenigen über die Beurteilung der „Fridays for Future“-Demonstrationen, machen, nicht hinnehmen. Die Menschenwürde als Wurzel der Grundrechte ist mit keinem anderen Grundrecht abwägungsfähig, sodass die Meinungsfreiheit ihr gegenüber stets zurücktritt.[34] Somit muss die Meinungsfreiheit des X hinter den Interessen der J zurücktreten.

Die Informationsfreiheit der Leser*innen des Blogs schützt auch den Zugang zu rechtswidrig veröffentlichten und strafbaren Informationen, solange diese sich in einer allgemein zugänglichen Quelle befinden. Die Informationsfreiheit fordert eine gegenüber dem von der Meinungsfreiheit umfassten Veröffentlichungsvorgang eigene Interessenabwägung.[35] Es wird nicht nach der Art der Information unterschieden, sodass wahre und unwahre Tatsachenbehauptungen ebenso umfasst sind wie Werturteilte. Die Löschung von der Allgemeinheit zugänglichen Inhalten im Internet stellt eine Hinderung der Unterrichtungsmöglichkeit der Internetnutzer und somit einen Eingriff in die Informationsfreiheit dar.[36] Jedoch kann auch die Informationsfreiheit zum Schutz entgegenstehender Grundrechte, wie dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, eingeschränkt werden. Hier wird der soziale Geltungsanspruch der J auch und gerade dadurch beeinträchtigt, dass Dritte den Beitrag des X zur Kenntnis nehmen und sich durch ihn in ihrem Urteil über J möglicherweise beeinflussen lassen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild einer Person in der Öffentlichkeit auszuwirken. Dazu gehören auch verfälschende und Darstellungen von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung, wie z.B. unzutreffende Behauptungen über schulisches Scheitern.[37] Zudem befindet sich J als Jugendliche noch in der Phase der Persönlichkeitsentwicklung. Diese könnte durch den Beitrag des X und etwaige Reaktionen darauf beeinträchtigt werden. Mithin wiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der J besonders schwer. Insbesondere die Verletzung der Menschenwürde durch die Bezeichnung als „nicht lebenswert“ wiegt auch schwerer als die Informationsfreiheit. Wie bereits dargestellt kann die Menschenwürde nicht mit anderen Grundrechten abgewogen werden, sondern genießt stets den Vorrang. Bei der Behauptung des Schulverweises ist zu berücksichtigen, dass das Informationsinteresse an unwahren Tatsachenbehauptungen nur gering ist. Diese können nicht zu einer verfassungsrechtlich vorausgesetzten zutreffenden Informierung und Meinungsbildung beitragen, sondern täuschen.[38] Daher überwiegen die entgegenstehenden Interessen der J auch die Informationsfreiheit der Leser*innen des Blogs.

Somit wäre eine Löschungsanordnung auch angemessen.

Sie wäre verhältnismäßig und somit eine pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens.

Eine Löschungsanordnung wäre rechtmäßig

II. Ermessensreduzierung auf Null[Bearbeiten]

67 Damit J einen Anspruch auf Erlass der Löschungsanordnung hat müssten sowohl das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen auf Null reduziert sein.

Eine Ermessensreduzierung auf Null kann sich aus den Grundrechten der J (hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde) und der für diese bestehende staatliche Schutzpflicht ergeben. Voraussetzung für eine solche Ermessensreduzierung auf Null ist, dass die Schädigung oder Gefährdung eines Grundrechts so schwer wiegt, dass die Ordnungsbehörde eingreifen muss. Maßgeblich dafür sind die Wertigkeit des bedrohten Rechtsguts, das Ausmaß des diesem drohenden oder bereits eingetretenen Schadens, die mit dem ordnungsbehördlichen Tätigwerden verbundene Risiken und der Aufwand der begehrten behördlichen Maßnahme.[39]

Gegen eine Ermessensreduzierung auf Null spricht, dass J die Möglichkeit verbleibt, X zivilrechtlich in Anspruch zu nehmen. Sie wird also nicht schutzlos gestellt, wenn die ADD den Erlass der gewünschten Löschungsanordnung verweigert.[40] Mit der Menschenwürde der J ist allerdings ein besonders hochwertiges Rechtsgut betroffen.[41] Zwar betreffen Fälle eines Anspruchs auf ordnungsbehördliches Einschreiten häufig Gefahren für Leib und Leben[42] und nicht „lediglich“ die Ehre, allerdings geht es bei den Bezeichnungen als „Abschaum“, „Dreck“ und „nicht lebenswert“ um eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, die den menschenwürderelevanten Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrifft. Hinzu kommt, dass auch schon bei Verletzung von Sachwerten und mittel- bis niedrigrangigen Rechtsgütern eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen wurde.[43]

Weiterhin wäre der Aufwand für den Erlass einer Löschungsverfügung gering. Der Urheber der rechtswidrigen Äußerungen ist bekannt und es geht lediglich um eine Person, gegenüber der eine Verfügung erlassen werden müsste. Weiterhin führt die Löschungsanordnung auch nicht zur Unterdrückung rechtmäßiger Äußerungen, wenn sie nicht den gesamten Blogbeitrag, sondern nur die von J gerügten rechtswidrigen Äußerungen betrifft. Es kommt also nicht zu Grundrechtseinbußen seitens X oder seiner Leser*innen.
Der von X für die Vornahme der Löschung erforderliche Aufwand ist nur gering. Die Abwägung führt somit zu einer Verpflichtung zum Einschreiten. (Lösungshinweis: a.A. vertretbar, wenn angenommen wird, dass eine Ermessensreduzierung auf Null nur bei schweren Gefahren für Leib und Leben in Frage kommt und/oder ausscheidet, wenn der Anspruchsteller auch den Privatrechtsweg mit Aussicht auf Erfolg beschreiten kann.).

Hinsichtlich des Auswahlermessens sind keine Maßnahmen ersichtlich, die die Grundrechte der J gleich wirksam schützen wie die von ihr begehrte Löschungsanordnung. Mithin bleibt der ADD auch bei der Wahl der Mittel kein Ermessensspielraum.

Somit ist von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.

III. Zwischenergebnis[Bearbeiten]

68 J hat einen Anspruch auf die begehrte Löschungsanordnung. Die Klage ist begründet.

D. Ergebnis[Bearbeiten]

69 Die Klage ist zulässig und begründet und hat somit Aussicht auf Erfolg.



Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Seit dem 28.12.2018 ist die Landeszentrale für Medien und Kommunikation die zuständige Aufsichtsbehörde. Für die Bearbeitung des Falls soll jedoch von der Zuständigkeit der ADD für die Durchsetzung der Bestimmungen für Telemedien des RStV mit Ausnahme des Jugendmedienschutzes ausgegangen werden.
  2. S. Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 1 Rn. 171.
  3. S. R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 83 f.; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl. 2019, Rn. 498 ff.
  4. S. Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 3 Rn. 122 ff. sowie W.-R. Schenke, Polizei und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 104.
  5. Schulz, in: Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 59 RStV Rn. 44, 47.
  6. Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 60 Rn. 66; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke VwGO, 25. Aufl. 2019, § 60 Rn. 24.
  7. BVerwG, Urt. v. 8.3.1983, Az.: 1 C 34/80 = NJW 1983, 1923 (1923 f.); Urt. v. 9.12.1988, Az.: 8 C 38/86 = NVwZ 1989, 648 (650); Beschl. v. 14. 9. 1998, Az.: 8 B 154–98 = NVwZ-RR 1999, 538 (539); Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 70 Rn. 33; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 70 Rn. 13; a.A.: VGH Mannheim, Urt. v. 3.10.1972, Az.: V 134/72 = NJW 1973, 273.
  8. S. zum Streitstand Creemers, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 416 ff.
  9. J könnte nach § 62 I Nr. 2 VwGO prozessfähig sein, wenn aus ihrer Grundrechtsmündigkeit eine entsprechende Prozessfähigkeit abgeleitet wird, dafür: Creemers, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 437 sowie Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 62 Rn. 10. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da J wirksam von ihren Eltern vertreten wurde.
  10. VGH Mannheim, Beschl. v. 21.7.2014, Az.: 10 S 1663/11; Kintz, in: Posser/Wolff, VwGO; 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 65 Rn. 16; Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 65 Rn. 22.
  11. S. dazu Lemke, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 3 Rn. 58 ff.
  12. Es wird angenommen, dass es sich beim Ausschluss des gesamten § 54 RStV in § 59 III RStV um ein in der Anwendung zu berichtigendes Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt und Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörde nur bei Verstößen gegen § 54 II und III RStV ausgeschlossen sein sollten (so VG Gelsenkirchen, Urt. v. 20.11.2007, Az.: 14 K 171/07 = ZUM-RD 2008, 377 (380 ff.); Volkmann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 59 RStV Rn. 31; Schulz, in: Binder/Vesting Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 59 RStV Rn. 42). Hierfür spricht, dass die Rechtslage nach § 22 II des altem MDStV, nach dem nur Verstöße gegen die § 54 II und III RStV entsprechenden Normen und gerade nicht Verstöße gegen allgemeine Gesetze und gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre von der Aufsichtsbefugnis ausgenommen waren, mit Einführung des § 59 RStV nicht geändert werden sollte. Allerdings hat der Gesetzgeber reagiert, indem er § 59 III 7 RStV erlassen hat, wonach Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur Durchsetzung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre von § 59 III RStV unberührt bleiben. Daraus lässt sich schließen, dass die Durchsetzung dieser Vorschriften gerade nicht nach § 59 RStV, sondern nach dem allgemeinen Ordnungsrecht, erfolgen soll (VG Düsseldorf, Urt. v. 24.6.2014, Az.: 27 K 7499/13 = MMR 2015, 352 (353); Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei und Ordnungsrecht, 2018, 3. Teil 2. Kapitel Rn. 1737). Laut der Begründung zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sollen sich die Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung der allgemeinen Gesetze nach den dort genannten Regelungen richten und keine eigene rundfunkvertragliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden (s. http://www.urheberrecht.org/law/normen/rstv/RStV-10/materialien/).
  13. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, Rn. 387.
  14. http://www.urheberrecht.org/law/normen/rstv/RStV-10/materialien/; Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei und Ordnungsrecht, 2018, 3. Teil 2. Kapitel Rn. 1730, 1737.
  15. VG Düsseldorf, Urt. v. 24.6.2014, Az.: 27 K 7499/13 = MMR 2015, 352 (353); Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei und Ordnungsrecht, 2018, 3. Teil 2. Kapitel Rn. 1730, 1737.
  16. Zur Privatrechtsklausel im Polizei- und Ordnungsrecht s. auch Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1068.
  17. Schoch, Jura 2013, 468 (469 f.).
  18. Kniesel/Braun/Keller, Besonderes Polizei und Ordnungsrecht, 2018, 3. Teil 2. Kapitel Rn. 1745; Ruthig, in: Hufen/Jutzi/Proelß, Landesrecht Rheinland-Pfalz, 8. Aufl. 2018, § 4 Polizei- und Ordnungsrecht Rn. 32; Pieroth/Schlink/Kniesel/Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 3 Rn. 41 ff.; zweifelnd: Muckel, Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2019, S. 140 f.
  19. Schulz, in: Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 59 RStV Rn. 75; a.A. Fiedler, in: Beck’scher Onlinekommentar zum Informations- und Medienrecht, 25. Ed. 2019, § 59 RStV Rn. 40.
  20. Diesen Weg wählt z.B. Wernsmann, JuS 2002, 582 (583); ein entsprechendes Vorgehen schlägt auch Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2016, § 4 Rn. 28 vor.
  21. S. näher Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1087 sowie Schoch, Jura 2013, 468 (468).
  22. S. dazu Fahl, NStZ 2016, 313 (315); Roxin, Strafrecht AT I, 4. Aufl. 2006, § 18 Rn. 50.
  23. BVerfG, Beschl. v. 26.6.1990, Az.: 1 BvR 1165/89 = BVerfGE 82, 272 (284); Beschl. v. 10.10.1995, Az.: 1 BvR 1476/91 = BVerfGE 93, 266 (294); Beschl. v. 29.7.2003, Az.: 1 BvR 2145/02 = NJW 2003, 3760 (3760); Beschl. v. 29.6.2016, Az.: 1 BvR 2646/15 = NJW 2016, 2870 (2870 f.).
  24. S. zum Gefahrenbegriff im Polizei- und Ordnungsrecht Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1102, 1107 sowie Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 69.
  25. Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1115; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 92; Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 7 Rn. 15.
  26. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, Rn. 394.
  27. S. Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1121 ff.; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2017, § 5 Rn. 335 ff.
  28. Hoffmann/Volkmann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 7 TMG Rn. 32.
  29. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, Rn. 395.
  30. Ruthig, in: Hufen/Jutzi/Proelß, Landesrecht Rheinland-Pfalz, 8. Aufl. 2018, § 4 Polizei- und Ordnungsrecht Rn. 82; Goldhammer, in: Beck’scher Onlinekommentar Sicherheitsrecht Bayern, 10. Ed. 2019, Art. 5 PAG Rn. 16.
  31. So Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2016, § 8 Rn. 160.
  32. So Eisentraut, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 1137.
  33. BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010, Az.: 1 BvR 369/04 = NJW 2010, 2193 (2195).
  34. BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010, Az.: 1 BvR 369/04] = NJW 2010, 2193 (2194 f.).
  35. BVerfG, Beschl. v. 3.10.1969, Az.: 1 BvR 46/65 = BVerfGE 27, 71 (85 f.); Volkmann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 59 RStV Rn. 18.
  36. Volkmann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 59 RStV Rn. 18.
  37. S. BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005, Az.: 1 BvR 1696/98 = BVerfGE 114, 339 (346); VG Düsseldorf, Urt. v. 24.6.2014, Az.: 27 K 7499/13 = MMR 2015, 352 (354).
  38. BVerfG, Beschl. v. 3.6.1980, Az.: 1 BvR 797/78 = BVerfGE 54, 208 (219); Beschl. v. 13.4.1994, Az.: 1 BvR 23/94 = BVerfGE 90, 241 (249), ständige Rechtsprechung.
  39. BVerwG, Urt. v. 18.8.1960, Az.: I C 42.59 = BVerwGE 11, 95 (97); W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 100 f.
  40. Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10 Aufl. 2017, § 6 Rn. 395 verlangt für eine Ermessenreduzierung auf Null dass keine anderweitige Schutzmöglichkeit besteht.
  41. Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Kap. E Rn. 116 nehmen bei Betroffenheit der Menschwürde stets eine Pflicht zum polizeilichen Einschreiten an.
  42. VG Berlin, Beschl. v. 6.4.1981, Az.: 1 A 87/81 = NJW 1981, 1748 (1749) hält eine Ermessensreduzierung auf Null grundsätzlich nur bei Gefahren für Leib und Leben für möglich.
  43. Pieroth/Schlink/Kniesel/Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 10 Rn. 41 ff.; zu den vertretenen Meinungen: Rachor/Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Kap. E Rn. 115.