Wo man im Alltag, in der Natur und Technik Auftrieb erleben kann

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Die Asymmetrie ist entscheidend[Bearbeiten]

Stromlinienbild

Im vorhergehenden Kapitel wurde gezeigt, wie bei der Umströmung eines Hindernisses wegen der sich beschleunigenden Luft der Druck senkrecht zur Strömung abnimmt. Bei einer vollkommen symmetrischen Umströmung (Kugel, ebene Platte, stromlinienförmiger Körper) heben sich diese senkrechten Kräfte gegeneinander auf. Dies verdeutlich die nebenstehende Abbildung. Sie zeigt den Verlauf der Stromlinien bei einer vollkommen symmetrischen, idealen Umströmung einer Kugel. Man sieht ober- und unterhalb der Kugel, dass dort die Stromlinien enger beieinander liegen als im ungestörten Teil der Strömung. In dem Bereich mit enger beieinanderliegenden Stromlinien ist die Strömungsgeschwindigkeit erhöht und der statische Druck entsprechend verringert. Durch die symmetrische Umströmung gibt es aber keine resultierende Druckdifferenz und deshalb keine resultierende Kraft senkrecht zur Strömung.

Das Modell der Strömung deutet an: Nur bei einer Asymmetrie in der Umströmungssituation entsteht eine resultierende Kraft senkrecht zur Strömungsrichtung. Diese Kraft ist abhängig von der Relativgeschwindigkeit und der Ausprägung der Asymmetrie. Ursachen für Asymmetrie können vielfältig sein:

  1. Unsymmetrische Form des umströmten Körpers
  2. Schräge Anströmung des Körpers (Anstellwinkel)
  3. Rotation bei einem symmetrischen Körper
  4. Unsymmetrische (divergierende) Strömung

Das wird im Folgenden durch unterschiedliche Beispiele illustriert.

Wäsche im Wind[Bearbeiten]

Zeichnung von Otto Lilienthal

Lilienthal benennt in seinem Buch folgende alltägliche, aber doch erstaunliche Beobachtung zum Aufrieb:

Die auf freiem Platze im Winde zum Trocknen auf der Leine hängende Wäsche belehrt uns ebenso wie die an horizontaler Stange wehende Fahne, daſs alle nach oben gewölbten Flächen einen starken Auftrieb im Winde erfahren und trotz ihres Eigengewichtes gern über die Horizontale hinaussteigen. Das kleine Bildchen Fig. 55 wird manchen an einen oft gehabten Anblick erinnern.[1](S.127)

Fahne im Wind[Bearbeiten]

Flaggen im Wind

Lilienthal wendet seine Erkenntnis des Auftriebs gewölbter Flächen auch auf die vertikale Situation einer Stofffahne an.

Auch das immerwährende Flattern der Fahnen an vertikaler Stange im starken Winde ist auf die genannten Eigenschaften gewölbter Flächen zurückzuführen. Die steife Wetterfahne aus Blech stellt sich ruhig in die Windrichtung. Nicht so die Fahne aus Stoff. ...(sie) flattert in groſsen Wellenwindungen hin und her. Die Erklärung ist folgendermaſsen zu denken: Bei der Fahne aus Stoff bildet sich ein labiles Verhältnis, denn die geringste entstehende Wölbung nach einer Seite verstärkt den Winddruck nach dieser Seite eben auf Grund der uns jetzt bekannten Eigenschaften gewölbter Flächen, wodurch die Wölbung sich vergröſsert...bis der Winddruck...die Wölbung durchklappt...Dieses Hin- und Herklappen der Wölbung von rechts nach links ruft das Flattern der Fahnen hervor und ihre immer gleichen Wellenbewegungen. [1](S.128)

Die Fahne ist ein Beispiel dafür, dass Auftrieb auch waagerecht wirken kann, und zwar senkrecht zur asymmetrischen Strömung.

Segelboot[Bearbeiten]

Segelyacht mit gewölbten Segeln

Bei der entsprechend gewählten Anordnung auf einem Segelboot wird der "waagerechte Auftrieb" zum Vortrieb genutzt. Lilienthal schreibt dazu:

Nachdem wir gesehen haben, welche gewaltigen Unterschiede sich einstellen, wenn eine vom Winde schräg unter spitzem Winkel getroffene Fläche nur wenig aus der Ebene sich durchwölbt, so ist es erklärlich, daſs man nur schwache Annäherungen an die Wirklichkeit erhalten kann, wenn man die Segelleistung der Schiffe unter Annahme ebener Segel berechnet, und daſs man sich nicht wundern darf, wenn der Segeleffekt derartige Berechnungen weit übertrifft.[1](S.144)

Papierdrachen[Bearbeiten]

Fesseldrachen

Anders als Vogelflügel, Wäsche im Wind oder Segel haben die meisten Papierdrachen keinerlei Wölbung. Der Auftrieb wird hier hauptsächlich durch eine schräge Anströmung erreicht. Oft findet man die Erklärung, dass es sich hierbei um eine Art „Reflexion“ des Windes an der schrägen Ebene handelt. Im Bild der asymmetrischen Umströmung dagegen lautet die Erklärung, dass durch den Anstellwinkel eine asymmetrische Umströmung um Ober- und Unterseite den Auftrieb bewirkt, ganz so wie man auch bei einem Flugzeug den Auftrieb durch eine Vergrößerung des Anstellwinkels vergrößern kann.[1](S.80)

Rotation eines Balles[Bearbeiten]

Eine rotierenden Kugel erzeugt eine asymmetrische Umströmung

Während bei der symmetrischen Umströmung eines ruhenden Balles sich die Kräfte senkrecht zur Strömung aufheben, ändert sich dies bei einem rotierenden Ball. Die nebenstehende Grafik illustriert, wie die Drehung einer Kugel oder eines Zylinders die Symmetrie der Umströmung verändert und zu einer resultierenden Kraft senkrecht zur Strömung führt. Dieser Effekt wurde 1852 ausführlich von Heinrich Gustav Magnus (1802–1870) erklärt und trägt daher seinen Namen.
Bei allen professionellen Ballspielen ist die Drehung des Balles oder der Kugel von entscheidender Bedeutung für die Flugbahn oder das Verhalten beim Aufprall. Im Ballsport finden sich dafür verschiedene Namen

usw.

Flettner Rotor[Bearbeiten]

Yacht mit Flettner-Rotor, Berlin 1931

Neben dem Sport gab es auch Versuche der technischen Anwendung des Magnus-Effektes zur Erzeugung von Vortrieb, vor allem in der Seefahrt. Das Bild zeigt eine Rotor-Yacht mit dem imposanten Aufbau des Flettner-Rotors auf den Gewässern des Wannsees 1931. Diese Konstruktion ist nach ihrem Erfinder Anton Flettner (1885 - 1961) benannt. Auch wenn jeweils nur die Seitenwindkomponente für den Vortrieb genutzt werden kann, hat diese Konstruktion einen guten Wirkungsgrad zwischen eingesetzter Energie für die Rotation und erzielbarer Vortriebsleistung.

Plymouth A-A-2004, 1930

Das Prinzip rotierender Zylinder wurde deswegen auch versuchsweise in Flugzeugen eingesetzt. Gegenüber einer vergleichbaren Flügelfläche hat ein Flettner-Rotor einen ca 10 fach höheren Auftrieb. Der Ersatz der Flügelfläche durch einen Flettner-Rotor hat aber einen gravierenden Nachteil, nämlich die fehlenden Segelflugeigenschaften im Falle eines Motorausfalls! [2]

Asymmetrischer Luftstrom[Bearbeiten]

Im begrenzten Luftstrahl eines Föns erfährt ein Ball durch einseitige Anströmung Auftrieb

In allen bisherigen Beispielen war die Ursache der asymmetrischen Strömung eine Asymmetrie der umströmten Körper, entweder durch ihre Form oder durch Rotation. Als letztes Beispiel für asymmetrische Umströmung soll noch einmal die symmetrische, ruhende Kugel vom Anfang dieses Kapitels betrachtet werden. Diese vollkommen symmetrische Form kann auch ohne Drehung einen Auftrieb erfahren, wenn die Strömung eine Asymmetrie aufweist. , also z.B. im divergierenden Luftstrahl eines Föns.
Dass der Ball - anders als beim Magnus-Effekt - hier keine Rotation aufweisen muss (auch wenn diese sich manchmal einstellt), demonstrieren folgende Experimente mit asymmetrischen Strömungen:

Die asymmetrische, einseitige Umströmung von Hindernissen erklärt nicht nur die obigen Beispiele, sondern auch die Art von Sturmschäden, wenn kräftige, horizontale Winde einzelne Dachziegel oder ganze Hausdächer abdecken. Bei der Umströmung eines Hausdaches beschleunigt sich die Luft und entsprechend sinkt der Druck. So herrscht über dem umströmten Dach ein geringerer Druck als der Luftdruck (der ruhenden Luft) im Haus. Diese Druckdifferenz kann das Dach "abheben" lassen. In der Realität haben aber noch weitere Faktoren einen Einfluss auf Sturmschäden, z.B. Gebäudehöhe, Gebäudeöffnungen, Art der Dachdeckung, Dachform und -neigung etc. [3].

Weiterführender Gedanke[Bearbeiten]

Insbesondere für den "schwebenden Ping-Pong-Ball" findet sich gelegentlich die Erklärung durch den Coanda-Effekt. Dieser tritt aber nur bei Flüssigkeiten wegen ihrer Eigenschaft der Adhäsion auf und nicht bei Luftströmungen, weil Gase keine Adhäsion zeigen.

Literatur und Weblinks[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Otto Lilienthal, Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst als Beitrag zur Systematik der Flugtechnik, 1889, Deutsches Textarchiv
  2. Whirling Spools Lift This Plane, Popular Science Monthly, Nov 1930, S.26, googlebooks
  3. Windschäden am geneigten Dach, Baunetz Wissen, abgerufen am 6. Februar 2022