Was wir am Beispiel Auftrieb über Physik lernen können
Dieses Buch steht im Regal Physik.
Der Modellcharakter der Physik
[Bearbeiten]Die hier vorgenommene Betrachtung zum dynamischen Auftrieb an Flugzeugen, aber auch die dabei verwendeten Konzepte wie "kinetische Gastheorie", "ideale Strömung" oder Prinzipien wie die "Bernoulli-Gleichung" ermöglichen einen Blick auf das Verhältnis von Physik und Wirklichkeit. Eine solche Betrachtung soll dieses Buch abrunden.
Zur Beschreibung des Phänomens "innerer Druck" in Gasen hat sich im Laufe der wissenschaftlichen Diskussion am Ende das Modell des Idealen Gases durchgesetzt. Es ist verständlich, dass dieses Modell nicht der Wirklichkeit entspricht. Besonders deutlich wird das am Modell der idealen, reibungsfreien Strömung. Mit seiner Hilfe kann man die Grundlagen des Auftriebs verstehen, andererseits ist dieses Modell aber nicht in der Lage, den Luftwiderstand in einer Strömung zu erklären.
Die in der Physik (und anderen Wissenschaften) typische Methode „Wissen zu schaffen“, d.h. Erklärungen zu finden und technische Anwendungen zu ermöglichen, hat sehr schön der Physiker Heinrich Hertz (1857 – 1894) in seinem Buch „Die Prinzipien der Mechanik (1894)“ mit folgenden Worten beschrieben:
- "Wir machen uns innere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände, und zwar machen wir sie von solcher Art, dass die denknotwendigen Folgen der Bilder stets wieder Bilder seien von den abgebildeten Gegenständen.“[1](S.1).
Beispiel Gas
[Bearbeiten]- In der Wirklichkeit existieren reale Gase und Gasgemische mit Atomen und Molekülen
- Das Modell ist das "Ideale Gas" mit kleinen Kugeln
- Die denknotwendige Folge ist die allg. Zustandsgleichung
- Sie entspricht der beobachtbaren Folge, dass bei gleichen Volumina (d.h. gleicher Menge ) der Druck in verschiedenen realen Gasen derselbe ist und in einem großen Bereich nur von der Temperatur abhängt.
Dabei bilden unsere Modelle von einem wirklichen Gegenstand meist nur einen Aspekt dieses Gegenstandes ab, und zwar so, dass logische Folgen, die wir aus unserem Modell ziehen, als Konsequenz in der Wirklichkeit beobachtbar sind. Darüber hinaus muss es keine weitere Übereinstimmung zwischen Modell und wirklichem Gegenstand geben. Die in der Wirklichkeit beobachtbaren Konsequenzen müssen nicht unbedingt einer natürlichen Situation entspringen sondern können auch (und werden meist) erst durch entsprechende Experimente hervorgerufen.
Letztlich bleibt es ein Geheimnis, warum Modellvorstellungen - innere Bilder in Verbindung mit mathematischer Logik - mit dem Mechanismus der experimentellen Überprüfung so erfolgreich sind. Mit dieser Methode haben Wissenschaft und Technik den Menschen sogar bis zum Mond fliegen lassen.
Beispiel Strömung
[Bearbeiten]In Bezug auf das Thema dieses Buches kann die Hertz'sche Beschreibung der Modellvorstellung in der Physik folgendermaßen angewendet werden:
- Die Wirklichkeit ist die Bewegung eines Flugzeugs durch Luft
- Das Modell ist die asymmetrische "Ideale Strömung" (reibungsfrei, wirbelfrei, etc...)
- Die denknotwendige Folge ist ein Druckunterschied senkrecht zur Strömung
- Sie entspricht der beobachtbaren Folge des Auftriebs
In diesem Prozess sind laut Hertz stets „Verschiedene Bilder derselben Gegenstände ... möglich, und diese Bilder können sich nach verschiedenen Richtungen unterscheiden“[1] (S.2) Bei der Auswahl eines geeigneten Modells kommen zwei Kriterien zum Einsatz. Ein Modell soll...
- ...mit möglichst wenigen Annahmen auskommen
- ...möglichst viele beobachtbare Folgen beschreiben
Weil diese beiden Kriterien nicht immer gleich gut erfüllt werden können, werden in der Physik oft verschiedene Modelle und Erklärungen für denselben Gegenstand parallel benutzt. Es kommt darauf an, was man erreichen möchte. Will man z.B. eine einfache anschauliche Erklärung für den Auftrieb finden, wählt man eher ein einfaches Modell mit wenigen Annahmen. In diesem Buch wurde z.B. dazu die ideale Strömung nach Bernoulli benutzt. Möchte man dagegen bei der Neukonstruktion eines Flugzeuges ein optimales Flügelprofil entwerfen, wählt man eher ein Modell, welches möglichst viele beobachtbare Folgen beschreibt und genaue Rechnungen ermöglicht. Dies ist im vorliegenden Fall das Modell des "induzierten Widerstandes".
Literatur und Weblinks
[Bearbeiten]- ↑ 1,0 1,1 H.Hertz, Gesammelte Werke, Bd. III, Die Prinzipien der Mechanik, Leipzig 1894, archive org, abgerufen am 2. Februar 2022