Wikis in Organisationen: Kontrolle
Wikis zeichnen sich durch niedrige Zutrittsbarrieren aus, um möglichst vielen Nutzern eine einfache und aktive Mitarbeit zu ermöglichen. Um in dieser Kultur der Offenheit dennoch die Qualität der Bearbeitung sicherstellen zu können, sind alle Änderungen durch alle Nutzer gegenseitig nachvollziehbar. Technisch betrachtet können Inhalte in einem Wiki gar nicht verändert werden, den bei jeder Bearbeitung wird eine neue Version des bestehenden Inhalts angelegt und als aktueller Version allen anderen Nutzern gezeigt. Dies hat zwei Vorteile: einerseits lässt sich jede vorhergegangene Version wiederherstellen und andererseits lassen sich alle Änderungen präzise betrachten.
In einem Prozess von sozialer Kontrolle begutachten Nutzer ihre Änderungen gegenseitig und greifen ein wenn Fehler passieren oder helfen Inhalt zu ergänzen. Dieser qualitätsschaffende Mechanismus, der Peer-Review, ist darauf ausgelegt, jede Änderung zu beobachten, zu bewerten, zu hinterfragen und falls fehlerhaft, rückgängig zu machen.
Im Vergleich zu anderen Dokumentations- oder Kommunikationssystemen konzentrieren sich Wikis vor allem auf die transparente Darstellung von Änderungen. Dagegen werden Änderungen an Datenbeständen auf Festplatten oder Aktenordnern seltenst kontrolliert, noch existieren überhaupt Systeme diese Änderungen einsehen zu können. Werden Änderungen nur mündlichen kommuniziert, sind diese für Außenstehende gar nicht nachvollziehbar.
Monitoring
[Bearbeiten]Um potentielle Fehler zu finden und zu verbessern, die bei jeder Arbeitsweise und auch bei einer offenen entstehen, müssen diese Änderungen überwachbar sein. Dazu ist es wichtig das die Software nicht nur mitteilt das etwas verändert wurde, sondern auch was verändert wurde.
Änderungsdarstellung
[Bearbeiten]Mit einem Änderungsprotokoll werden die Unterschiede zwischen zwei Texten zeilen- bzw. abschnittsweise einander gegenübergestellt (auch Diff-Darstellung genannt). Versionsverwaltungen sind erprobte Werkzeuge aus der modernen Softwareentwicklung und helfen Entwicklern Änderungen an großen Mengen von Quellcode nachzuvollziehen. So kann synoptisch einfach nachvollzogen werden, welche einzelnen Textstellen verändert wurden. Dies erleichtert den Aufwand der Gegenkontrolle, da nicht eine gesamte neue Version gelesen werden muss, sondern nur die wirklichen Veränderungen. Änderungen lassen sich zeilenweise am besten verstehen, wobei die eigentliche Änderung in beiden verglichenen Versionen unterschiedlich farbig dargestellt werden sollten. Wird in einer 20 seitigen Dokumentation nur ein Rechtschreibfehler geändert, wird in der Änderungsdarstellung nur die Zeile die den Fehler enthielt dargestellt und der Rechtschreibfehler und dessen Verbesserung selbst markiert. Eine Sichtung von vielen Änderungen ist so schnell erledigt. Finden größere und inhaltliche Änderungen an einem Dokument statt, müssen auch nur die Änderungen und nicht alle 20 Seiten gelesen werden.
Die Funktion der Änderungsdarstellung gibt es auch in anderer Software. Moderne Textverarbeitungsprogramme bieten ebenfalls die Möglichkeit zur Nachverfolgung von Änderungen, dies ist oft unübersichtlich, nicht auf Mehrbenutzer ausgelegt, meist nur optional zuschaltbar und es gibt keine Benachrichtigungsmöglichkeit.
Benachrichtigung
[Bearbeiten]Wikis können die Nutzer auf unterschiedliche Weisen über Änderungen benachrichtigen:
- selektive Beobachtung
- weil nicht alle Benutzer alle Änderungen reviewen können, wollen und sollen, kann eine Auswahl von zu beobachtenden Artikeln zusammen gestellt werden. Jeder Artikel kann von jedem Benutzer zu seiner Beobachtungsliste hinzugefügt werden. Finden an diesen Artikeln Änderungen statt, wird der Nutzer benachrichtigt.
- die meisten Wikis bieten jedem Benutzer eine persönliche Beobachtungsliste oder Beobachtungsfunktion in einem Dashboard an
- oder es können thematische oder kategorische (z. B. Abteilung) Beobachtungslisten angelegt werden, welche von mehreren Personen beobachtet werden.
- Recent Changes
- erfahrene User und vor allem Wikigärtner können auch alle Änderungen und Neuerungen einsehen: Jede Verbesserung eines Rechtschreibfehlers, Verschiebungen, große inhaltliche Änderungen und gegebenenfalls auch Vandalismus. Bei gut funktionierenden Wikis sind das sehr viele Änderungen. Aber mit etwas Übung gelingt es aber schnell jede Änderung zu bewerten und nur im Fehlerfall zu reagieren. Der zeitliche Aufwand der Kontrolle ist ein Bruchteil der Zeit zur Erstellung der Inhalte.
Nutzer werden über unterschiedliche Kanäle informiert:
- e-Mail oder RSS
- die meisten Wikis haben die Möglichkeit sich per eMail oder auch RSS benachrichtigen zu lassen, wenn einzelne Artikel geändert wurden. Vor allem in kleinen und selten geänderten Wikis können sich User aktiv informieren lassen wenn etwas geändert wurde.
- Übersichtsseiten oder Dashboard
- Die meisten Wikis bieten ihren Usern eigene Seiten an, welche die persönliche Beobachtungsliste oder gesamte Recent Changes anzeigen und auf die neueste Version, aber auch direkt auf die Änderungsdarstellung verlinken.
Priorität
[Bearbeiten]In jedem gut funktionierenden Wiki kommt es zu einer hohen Anzahl an Änderungen, die nicht alle mit der gleichen Priorität beobachtet werden müssen. Neben der Selektion auf bestimmte Bereiche durch Beobachtungslisten lassen sich Änderungen an sich priorisieren. Um nicht jede kleine oder triviale Änderung, wie z.B Rechtschreibfehler, zwangsweise mitgeteilt zu bekommen, gibt es in den meisten Softwares die Funktion kleine Änderungen zu markieren. Werden so kleine Änderungen vom bearbeitenden Nutzer markiert, können Nutzer, die andere Änderungen begutachten, diese dann ausblenden. Dieses System bedarf natürlich Vertrauen in die Nutzer welche diese kleinen Änderungen durchführt.
Kollaboratives Monitoring
[Bearbeiten]Nicht jede Änderung muss von jedem Nutzer geprüft werden. Nutzer beobachten Artikel nur selektiv und daher kann es vorkommen, dass einige Artikeländerungen nicht beachtet werden. Auch zeitlich lassen sich nicht immer alle Änderungen verfolgen. Aber auch bei sehr vielen Änderungen muss sichergestellt sein, dass, nach dem Vier-Augen-Prinzip, mindestens eine Person diese begutachtet.
Teilweise ermöglicht es Wikisoftwares Änderungen als überprüft zu kennzeichnen und das anderen Nutzern zu zeigen[1]. So können alle Änderungen, die noch von niemanden betrachtet wurden, selektiv nach-geprüft werden. So wird sichergestellt das mindestens eine Person eine Änderung geprüft hat, ohne dass Wikigärtner alle Änderungen kontrollieren müssen.
Freigabe
[Bearbeiten]Anstatt Änderungen passiv zu monitoren und Änderungen grundsätzlich jedem anderen Nutzer zu zeigen, können Änderungen auch erst nach einer Sichtung durch eine spezielle Nutzergruppe freigeschaltet werden.
Ein Wiki beschleunigt den Änderungsprozess und erlaubt grundsätzlich jedem Teilnehmer Änderungen. Dieser offene Prozess ermöglicht es allen Mitgliedern aktiv und verantwortlich zu agieren. Findet diese gegenseitige Kontrolle aber nicht statt, kann es passieren dass falsche Informationen im Umlauf sind und weiterverbreitet werden. Man kann den offenen Wikiprozess beschränken und ein technisches Freigabesystem vorschalten. Dann können Änderungen eingetragen werden, müssen aber von einem verantwortlichen Mitglied freigeschalten werden.
Zwar hat in jeder Organisation eine definierte Person oder Abteilung die Verantwortung, doch erzeugt man damit einen Flaschenhals im Veränderungsprozess, wenn nur diese definierte Gruppe jeweilige Änderungen freischalteten kann. Besser ist es wenn nach dem Vier-Augen-Prinzip eine generelle Gruppe alle Änderungen freischalten darf. Eine solche Sichtergruppe kann beispielsweise aus allen regulären fest-angestellten Mitarbeiten bestehen, die Änderungen von Auszubildenden, Werkstudenten oder freiberuflichen Mitarbeitern freigeben.
Findet diese Freischaltung zögerlich oder gar nicht statt, wirkt das demotivierend auf das Bearbeiten und Erstellen neuer Einträge. Freigabesysteme sind ein erhebliches Hemmnis für die Dynamik der Nutzer. Daher sollte man, wenn eine solche Funktion unabdingbar ist, diese erst nutzen wenn sich in einem Wiki eine ständige und dauerhafte Nutzung abzeichnet.
Kennzeichnung
[Bearbeiten]Um den Trägheit eines technischen Freigabesystem zu verhindern, aber dennoch eine Unterscheidung in geprüftes und spontan gesammeltes Wissen zu haben, kann man auch neue oder strittige Inhalte markieren und diese Markierung von einem Verantwortlichen entfernen lassen.
Eine neue Seite oder Abschnitt kann mit einer Überschrift (z.B. noch zu prüfen von Horst Maier), einer Kategorie oder einem Textbausteine prominent kennzeichnet (groß über dem Inhalt) werden.
Diese Lösung benötigt keine zusätzliche technische Funktion, sondern nur eine Konvention. Die Information ist vorbehaltlich erreichbar und Inhaltsverantwortlichen ist es möglich "ihre" Inhalte zu kontrollieren.
Soziale Kontrolle
[Bearbeiten]Bei aller Freude über die transparente Organisation darf man nicht vergessen, dass diese Transparenz auch Gläsernheit bedeutet. Eine so große Sammlung an Informationen lässt nicht nur konkrete Rückschlüsse auf die Organisation zu, sondern auch auf deren Mitglieder und deren Teilnahmewillen, Partizipation und vor allem Arbeitsqualität.
Soziale Kontrolle innerhalb einer Gruppe ist immer, auch ohne digitale Hilfsmittel, vorhanden und auch gewollt. Gegenseitiger Austausch von positiven und negativen Erfahrungen ist ein wichtiger Prozess zum gemeinsamen Lernen und zur Qualitätsverbesserung. Soziale Kontrolle kann aber auch zu sozialer Ausgrenzung oder Bloßstellung führen, wenn Fehler von Nutzern herausgehoben werden und nicht an deren Verbesserung gearbeitet wird.
Über die Versionskontrolle eines Wikis sind auch alle Fehler und Fehlverhalten aller Nutzer dauerhaft einsehbar und lassen sich statistisch Auswerten. Datenschutz heißt hier nicht nur das Informationen nur an Berechtigte gelangen, sondern auch das nicht alle Zusammenhänge des Benutzerverhaltens ausgewertet werden, welche ausgewertet werden könnten. In einem funktionierendem Wiki lässt sich zwar ablesen wer viel positives beisteuert, aber auch wer wenig oder qualitativ schlechtes hinzufügt.
Kontrollverlustängste
[Bearbeiten]Wikis verändern die Organisationskultur, vor allem die Arbeitsweise. Der klassische Weg, Kommunikation und Information durch ein Prüfsystem laufen zu lassen und zu validieren, wird umgedreht und durch einen nacheilenden Prüfprozess ersetzt. Dieses Vorgehen wird in der Autoindustrie oder der Softwareherstellung (Beta-Version) längst erfolgreich angewandt. Wichtig ist nun, dass alle Nutzer verstehen, dass es ein Prüfsystem gibt. Und durch Gardening sicher zu stellen dass dieses auch genutzt wird.