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Klassengröße – gestern und heute/ 1918–1933: Die Statistik

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Statistik

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Im folgenden geht es darum, zumindest grobe (z.T. nicht deckungsglei­che) Zahlen zur Schulwirklichkeit zu präsentieren.

Seit der Jahrhundertwende wurden die Statistiken nur noch alle fünf Jahre erfasst. Diese Regelung wurde unterbrochen durch den Ersten Welt­krieg und de facto abgeschafft in der NS-Zeit. Im folgenden werden die zu­gänglichen Zahlen nach Schularten getrennt dargestellt. Die Heterogenität der Schularten blieb im Prinzip bestehen. Das höhere Schulwesen zeichnete sich z.B. 1931/32 noch durch eine große Heterogenität aus. In der Statistik des Deutschen Reiches (Band 438, S. 26f) werden noch 16 Schularten für Knaben (neben den sonstigen) und 11 Schularten für die Mädchen unter­schieden.


a) Das Höhere Schulwesen

Von allen Schultypen könnten nach wie vor die kleinsten Klassen für die höheren Schulen nachgewiesen werden, und zwar sowohl die höheren Schu­len für Knaben als auch für Mädchen.

In der Zeit vor der Wirtschaftskrise lagen die Klassengrößenzahlen noch etwas günstiger. So nennen KOPPPELMANN (1940, S. 148) und SCHOLTZ (1985, S. 76) für 1926 die Zahl 26. Ähnliche Ergebnisse lassen sich an fol­gender Statistik entnehmen. Eine Übersicht über die Knabenanstalten gibt Tabelle 2.22

Tabelle 2.22
Klassengrößen 1886 bis 1911 für die öffentlichen Volksschulen für Hessen-Nassau, Rheinprovinz und Pfalz
(freundlicherweise zusammengestellt vom Stat. Landesamt Rheinland-Pfalz)
Jahr
Klassengröße
Klassen
Schüler
1921
26,7
17819
474917
1926
26,8
20591
551588
1931
28,0
18922
530073

Die Zahl der Schüler hatte sich von 1913 bis 1921 fast verdoppelt, stieg bis 1926 weiter und blieb bis 1931 nahezu konstant. Die Klassengrößen stie­gen zu Beginn der dreißiger Jahre, wohl als eine Folge der Wirtschaftskrise (vgl. PETZINA et al., 1978, S. 167).

Gegen Ende der 20er Jahre nahm auch die Verweildauer der Schüler des höheren Schulsystem zu, weil die Arbeitsmarktchancen so gering waren, d.h., dass Schüler die Schule nicht so früh verließen (ZYMEK, 1979, S. 187). Dies könnte dadurch erklärt werden, dass Kriegswaisen eine Erziehungsbei­hilfe bekamen, die in dieser Zeit ein kleines, aber notwendiges Zubrot wa­ren.


b) Das Mittlere Schulwesen

Die Angaben über die Schülerzahlen zwischen den Ausgaben der Statistik des Deutschen Reiches schwanken für die mittleren Schulen, vermutlich, weil es nach wie vor eine Definitionsfrage für die Bildungsstatistiker war, was als mittlere Schule galt, und was nicht. Mittlere Schulen sind nach Band 438 der Statistik des Deutschen Reiches kaum vom höheren Schulwe­sen zu unterscheiden. Als mittlere Schulen wurden die Schulen betrachtet, die über das Ziel der Volksschule hinausgingen, aber nach Landesrecht nicht als höhere Schule anerkannt waren. Zu ihnen gehörten sehr unter­schiedliche Schultypen wie Mittelschulen, Bürgerschulen, Rektoratsschulen, höhere Mädchenschulen und Töchterschulen[1] usw.(Band 438, S. 21; Stand 1933). Der Band 487 dagegen erfasst als Mittelschule nur noch die Mittel- und Rektoratsschulen, deshalb liegen die Schülerzahlen auch unter denen des Bandes 438. Die alten Zahlen wurden in der neuen Statistik umgerech­net. Mädchen und Knaben hielten sich bei den Schülerzahlen in etwa die Waage.


Tabelle 2.23
Öffentliche Mittlere Schulen
Jahr
Klassengröße
Klassen
Schüler
1911
30,7
5331
163715
1921
32,0
6576
210344
1926
28,9
6400
183582
1931
29,4
5497
161551
1932
31,1
5266
163999

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 487 (und eigene Berechnungen)

Auch in den öffentlichen mittleren Schulen sank die Schülerzahl ab Mitte der zwanziger Jahre. Die Klassengrößen hielten sich nahezu konstant bei um die 30 Schüler (vgl. PETZINA et al., 1978, S. 166).

Wie auch schon in der Phase des Kaiserreichs kann man auch hier zei­gen, dass es teilweise erhebliche regionale Unterschiede bezüglich der Klas­sengröße gegeben hat: Für das Jahr 1922 lassen sich aus einer Tabelle in SCHWARTZ (1930, Band 3, S. 713) für das mittlere Schulwesen folgende Klassengrößen errechnen.

Die Statistik zeigt gewaltige Unterschiede zwischen den einzelnen Län­dern. In Oldenburg war die Klasse durchschnittlich dreimal so groß wie in Mecklenburg-Strelitz. Über die Gründe können nur Vermutungen angestellt werden. Es kann angenommen werden, dass in bestimmten nicht-industriali­sierten Gegenden die Nachfrage nach mittleren Ausbildung noch nicht sehr angewachsen war, allerdings kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die hohen Klassengrößen auch auf der Tatsache beruhten, dass zu wenig Fi­nanzmittel zur Verfügung standen.


Tabelle 2.24
Klassengrößen des Jahres 1922 für das Mittlere Schulwesen für verschiede­ne Länder
Land
Schüler
Klassen
Klassengröße
Mecklenburg-Strelitz
267
19
14,05
Walbeck
210
14
15,00
Lippe
550
32
17,19
Bayern
5154
255
20,21
Mecklenburg-Schwerin
9604
447
21,49
Thüringen
5061
205
24,69
Preußen
276875
10708
25,86
Baden
4390
169
25,98
Hamburg
2124
78
27,23
Braunschweig
2956
90
32,84
Anhalt
6249
190
32,89
Lübeck
4395
128
34,34
Hessen
3315
91
36,43
Württemberg
6845
187
36,60
Oldenburg
1359
33
41,18
Gesamt
329354
12646
26,04

Legende: In der Originaltabelle befindet sich ein Fehler für Hessen, er wurde korrigiert; Tabelle sor­tiert nach Klassengröße (eigene Berechnungen). Lübeck kam erst 1937 zu Preußen.

Attraktive Verhältnisse herrschten nach wie vor in der privaten mittleren Schule vor. Dazu folgende Statistik.

Tabelle 2.25
Öffentliche Mittlere Schulen
Jahr
Klassengröße
Klassen
Schüler
1911
12,6
4049
51017
1921
16,1
4132
66531
1926
14,8
3045
44925
1931
14,3
2105
29999
1932
14,0
2156
30092

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 487 (und eigene Berechnungen)


Auch für das private mittlere Schulwesen ist ein Sinken der Schülerzah­len zu verzeichnen. Die Klassengrößen waren ca. nur halb so groß wie die des öffentlichen Schulsystems.

Eine ähnliche Veränderung wie bei den höheren Knabenanstalten liegt auch für die Mädchenanstalten vor, die Klassengrößen sind mit jenen der Knabenanstalten vergleichbar.


Tabelle 2.26
Höhere öffentliche und private Mädchenanstalten
Jahr
Klassengröße
Klassen
Schülerinnen
1926
249032
1931
28,3
8753
247862

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 438


c) Das Volksschulwesen

Die Veränderung der Statistiken für die Volksschule kann für die drei Erhebungsjahre in der nächsten Tabelle entnommen werden. Es zeigt sich, dass die Schülerzahlen im Gegensatz zum mittleren und höheren Schulwesen zu Beginn der dreißiger Jahre wieder zunehmen. Die Klassengrößen verän­derten sich nahezu parallel zu den Schülerzahlen. Gegenüber der Endsitua­tion im Kaiserreich ist eine durchschnittliche Verringerung der Klassengrö­ßen zu beobachten. Die Durchschnittswerte fielen unter 50, ja seit der zwei­ten Hälfte der Zwanziger Jahre sogar unter die von TEWS angegebene "Idealzahl" von 40.

Die neue politische Zusammensetzung der Parlamente und Stadtverordne­tenversammlungen sowie die Verpflichtung der Weimarer Republik zur So­zialstaatlichkeit verfehlten offensichtlich ihre Wirkung nicht.[2] Allerdings zeigt sich an der Tabelle auch, dass die Veränderung der Anzahl der Schü­ler/-innen zusätzlich durch den Geburtenrückgang zu erklären ist (ZYMEK, 1989, S. 176f). Dies führte auch zu einem Rückgang der Anzahl der Klas­sen.


Tabelle 2.27
Die Öffentliche Volksschulen
Jahr
Klassengröße
Klassen
Schüler
1921
42,9
207185
8894486
1926
35,3
188708
6661794
1931
38,8
195456
7590073

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 438 (und eigene Berechnungen; vgl. PETZINA et al., 1978, S. 163)


Tabelle 2.28
Klassengrößen 1919 bis 1931 für die öffentlichen Volksschulen für Hessen-Nassau, Rheinprovinz und Pfalz (freundlicherweise zusammengestellt vom Stat. Landesamt Rheinland-Pfalz)
Jahr
Hessen-Nassau
Rheinprovinz
Pfalz
1919
52,2
1921*
42,1
48,8
1926*
36,7
40,9
1928*
37,5
1931*
39,4
44,1
1931
44,3
1934
47,8

Legende: * bedeutet: Volksschulen mit Hilfsschulen mit dem Lernziel der Volksschule

Die Aufstellung weist regionale Unterschiede auf, wenngleich diese sich in einem gewissen Rahmen hielten (+-10). Deutlich ist der Einschnitt er­kennbar, der in der großen Wirtschaftskrise die Klassengröße anschwellen ließ. Der Abstand zu den mittleren und erst recht zu den höheren Schulen ist nicht zu übersehen.


Um zu zeigen, wie die Klassengrößen gestreut vorlagen, soll im folgen­den die Verteilung der Klassengrößengruppen für das Jahr 1931 gezeigt werden.


Tabelle 2.29
Klassengrößengruppen im Jahr 1931 (Band 438, S. 88ff)
Größengruppen
- 30
31-40
41-50
51-60
61-70
+ 70
Deutsches Reich
41766
63924
55201
22862
5927
1348
Öffentliche Schulen
40828
63590
55035
22828
5922
1348
Privatschulen mit
Anerkennung
227
107
59
17
2
0
Sonstige Privatschulen
711
227
107
17
3
0

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 438


Betrachtet man in der vorstehenden Tabelle insbesondere die Extrem­gruppen, dann muss man feststellen, dass es gegen Ende der Weimarer Repu­blik in den öffentlichen Schulen noch viele Klassen mit mehr als 70 Schü­lern gab. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass auch eine verhältnis­mäßig große Anzahl von Klassen mit unter 30 Schülern existierte. Die Lage der Privatschulen war zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zum öffentlichen Schulsystem sehr günstig: Klassen mit über 60 Schülern waren eher die Ausnahme.

Die Volksschulen hatten noch zwei Arten von Klassen, die dem normalen Lehrplan nicht entsprachen, die Hilfsschulklassen (s.u.) und die sog. Auf­bauklassen, die über den Volksschulabschluss hinausführen sollten. Gehobe­ne oder Aufbauklassen wurden auf die 7. oder 8. Klasse der Volksschule aufgesetzt und gingen in ihrem Lehrplan über das Bildungsziel der Volks­schule hinaus. Diese Klassen hatten in den öffentlichen Volksschulen eine durchschnittliche Klassengröße von 27,4, in den privaten von 19,5, also ist hier eine kleinere Klassengröße gegenüber den normalen Volksschulklassen zu verzeichnen, und es fällt auf, dass wieder die Privatschulen kleinere Klas­sen hatten (Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 438)


d) Das Sonderschulwesen

Hilfsschulen waren entweder eigenständige Schulen, oder es gab Hilfs­schulklassen an Volksschulen (s.o.)


Tabelle 2.30
Die Hilfsschulklassen
Jahr
Klassengröße
Klassen
Schüler
1931
19,9
3400
67.723
1931
20,6
977
20.106

Legende: a=Hilfsschule, B=Hilfsklassen an Volksschulen
Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 438


Die Klassengrößen lagen bei den Klassen in Hilfsschulen und bei den Hilfsklassen an Volksschulen nahezu identisch bei 20 Schülern pro Klasse.

Anhand dieser Tabelle kann gezeigt werden, dass das Privatschulsystem nicht die Vorteile aufwies wie für andere Schularten: Die Klassengrößen la­gen fast gleich. Zwischen den einzelnen Schultypen gibt es konzeptuelle Un­terschiede, die sowohl im Privatschul- als auch für das öffentliche System beobachtet werden können.


Tabelle 2.31
Klassengrößen in "Schulen für besondere pädagogische Zwecke" im Deut­schen Reich 1931/32 (öffentlich und privat)
Art der Anstalt
Klassengröße
Klassen
Schüler
öff. Blindenanstalten
9,6
120
1159
priv. Blindenanstalten
11,2
10
112
öff. Taubstummenanst.
9,4
552
5172
priv. Taubstummenanst.
9,5
101
963
öff. Fürsorgeerziehungsanst.
21,5
136
2918
private Fürsorgeerziehungsanst. 22,4
568
12773
öff. Anst. für körperl. und geistig zurückgebl. Kinder 14,1
169
2384
priv. Anst. für körperl. und geistig zurückgebl. Kinder 14,8
316
4688

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Band 438

Auch für diese Schultypen zeigen sich wieder die starken Unterschiede zwischen den Regionen. Als Beispiel zum Abschluss seien wieder die beiden Provinzen Hessen-Nassau und die Rheinprovinz angeführt.


Tabelle 2.32
Klassengrößen für das Hilfsschulwesen in Hessen-Nassau und der Rhein­provinz 1931
  Hessen-
Nassau
Rhein-
provinz
Schulen in Blindenanstalten:
8,0
11,2
Schulen in Taubstummenanstalten:
9,6
9,9
Schulen in Rettungshäusern/Fürsorgeerziehung:
17,3
28,7
Schulen in Anstalten für geistig und körperlich zurückgebliebene:
23,0
15,6

Quelle: Preußische Statistik, Band 176: Das gesamte niedere Schulwesen im Jahre 1901

Die Klassengrößen fallen nicht besonders aus dem Rahmen, mit Aus­nahme der Schulen in Rettungshäusern etc. in der Rheinprovinz.



Die Finanzierung

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Wie bereits betont, wurden die Schulen durch Reich, Länder und Ge­meinden finanziert. Am 14.2.1924 allerdings entzog sich das Reich durch die Dritte Steuernotverordnung dieser seiner Pflicht, was zwangsläufig die Finanzierung des Schulsystems schwieriger machte (SCHWARTZ, 1931, Band 4, S. 471), zumal seit 1919 auch das Schulgeld in einzelnen Ländern aufge­hoben worden war (z.B. im Preußischen Schulbedarfsgesetz vom 14.8.1919) (KAHLERT, 1978, S. 98).

Der deutsche Städtetag schlug 1921 als Ergebnis einer gemeinsamen Sit­zung von Schul- und Finanzausschuss folgende Einsparungsmöglichkeiten u.a. vor:

  • Verschärfung der Auslese an den höheren Schulen
  • Zurückhaltung bei Schulversuchen
  • Vergrößerung der Klassenzimmer bei Neubauten
  • Heraufsetzung der Klassengrößen
  • Steigerung des Arbeitsmaßes der Lehrer (KAHLERT, o.J., S. 8f)

Auch wenn es sich "nur" um Vorschläge handelte: Es ist erkennbar, dass die Klassengrößen während der Weimarer Republik zur Diskussion standen, wenn es um die Bewältigung von Krisensituationen ging.

Auch in der Weimarer Republik konnte man eine klare Differenz in den Finanzierungsmöglichkeiten zwischen Stadt- und Landgemeinden so wie schon im 19. Jahrhundert beobachten. So berichtet Kahlert (o.J., S. 11), dass die fünf größten Städte in Baden etwa 20% aller Volksschullehrer als sog. übergesetzliche Lehrer aus eigenen Mitteln besolden konnten, was den Landgemeinden nie möglich gewesen wäre.

Angaben über die Zusammenhänge zwischen Erziehungssystem und Fi­nanzwirtschaft gibt es erstaunlicherweise sehr selten. Eine Ausnahme ist die präzise Arbeit von KAHLERT (o.J.), der die Auswirkungen der Weltwirt­schaftskrise auf das Schulsystem beschrieben hat. Üblicherweise wird der Beginn der Weltwirtschaftskrise auf das Jahr 1929 datiert. Und obwohl sich die rückläufige Konjunktur bereits 1928 bemerkbar machte, schlug sie auf dem Bildungssektor erst 1930 durch: Die Budgets stiegen 1929 noch an, stagnierten 1930 und begannen 1931 zu sinken. Selbst das Jahr 1929 muss noch als Aufbauperiode für das Bildungssystem betrachtet werden. Beispiele dafür sind das Studienratsgleichstellungsgesetz vom 20.5.1929, die Planung, im Frühjahr 1933 sieben neue pädagogische Akademien einzurichten und die Klassengrößen in der Unterstufe höherer Schulen zu senken (KAHLERT, o.J; Centralblatt, 1929, S. 142, 239, 314, 354).

Den Einbruch der Weltwirtschaftskrise in der langfristigen Veränderung der Ausgaben für Schulen und Hochschulen machen folgende Zahlenanga­ben deutlich.


Abbildung 2.6: Ausgaben für Schulen und Hochschulen 1871 - 1937 (nach KAHLERT, 1978, S. 87; in Mio.)'


Das Bildungsbudget erreichte 1929 sein Maximum (185 Mark pro Schü­ler, bereinigt) und fiel danach drastisch ab (1932: 150 Mark pro Schüler) (KAHLERT, 1978, S. 95).

Den Folgen der Weltwirtschaftskrise suchte man im weiteren wie folgt zu begegnen:

  • Frühpensionierung von Lehrern
  • Erhöhung der Pflichtstundenzahl pro Lehrer
  • Erhöhung der Klassengrößen
  • Kürzung der Stundentafeln
  • Einstellung von Hilfslehrern anstelle von Lehrern (KAHLERT, 1978, S. 95f).

Die Erste Notverordnung vom 1.12.1930 sah ausdrücklich eine Fest­schreibung künftiger Haushalte am Plafond des Jahres 1931 vor. Für das Bildungswesen kamen beträchtliche Schulgelderhöhungen, in der zweiten Phase (1931-1933) drastische Ausgabenkürzungen zur Geltung. KAHLERT (o.J., S. 13f) berichtet, dass die Schulgelderhöhungen bei den Pädagogen und Bildungspolitikern selten auf entschiedenen Widerstand gestoßen seien, weil das Schulgeld unterschwellig als Steuerungsmittel dazu benutzt wurde, den Zustrom zur höheren Schule einzudämmen.


Die Gesamtausgaben in Reichsmark im Deutschen Reich (Reich, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände) sind in Tab. 2.33 enthalten.


Tabelle 2.33
Gesamtausgaben im Deutschen Reich (in Mio. Reichsmark)
Jahr
Volks- und Fortbil­dungs
schulen
Mittlere und
höhere Schulen
Schulen
insgesamt
1925/26
1238
437
1798
1926/27
1394
478
1918
1928/29
1661
606
2380
1929/30
1781
608
2562
1939/31
1651
576
2390
1931/32
1372
485
1988
1932/33
1190
408
1704


Es zeigt sich, dass die höheren Schulen die meisten Ausgaben "schluckten", besonders im Vergleich zum "Stiefkind" Mittleres Schulwe­sen. Auch an dieser Tabelle werden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise deutlich, und zwar bei allen hier aufgelisteten Schularten.

In ihrem Referentenmaterial vom Jahre 1931 betonte die SPD die Un­gleichgewichtigkeit der Kürzungen: Die Universität sei vom Abbau über­haupt nicht betroffen worden. Bei den höheren Schulen betrügen die Etat-Kürzungen nur ein halbes Prozent. Obwohl die Schülerzahl gegenüber 1925 um über 4.500 gesunken sei, dementsprechend 250 Lehrerstellen sich hätten einsparen lassen, seien nur 50 Lehrerstellen abgebaut worden. Bei den Volksschulen dagegen ist die Schülerzahl zum gleichen Zeitpunkt um 11.000 gestiegen, hier würden aber 300 Lehrerstellen abgebaut werden, in­dem die Pflichtstundenzahl der Lehrer und die Schülerzahl der Klassen ent­sprechend erhöht worden sei (auf 32 Stunden und 48 Kinder). Die Erspar­nisse betrügen hier 3 bis 4%. Am schlimmsten sei es der Berufsschule er­gangen ... Hier habe man sich nicht mit der Erhöhung der Pflichtstunden­zahl der Lehrer und der Klassenfrequenz begnügt, sondern auch die Wo­chenstundenzahl der Schüler von 8 auf 6 und für ungelernte um 4 Stunden herabgesetzt" (SCHNORBACH, 1983, S. 51).

Durch die Notverordnungspolitik wurden bis Ende 1931 Gehaltskürzun­gen für die Lehrerschaft zwischen 20 und 30% durchgeführt. Allein in Preußen wurden 1931 über 7.200 Schulstellen eingezogen. Durch Heraufset­zen der Klassenmesszahl auf 60 Kinder für eine Planstelle wurden weitere Stellen eingespart (Erlass des preußischen Kultusministeriums vom 30.9.1931; im Zentralblatt 1931, Nr. 8). Die Schulverwaltung der Länder und Gemeinden wollten dadurch die Kosten in Anbetracht ihrer schlechten Finanzlage massiv senken. Da half auch nicht die offensive Forderung der systemoppositionell eingestellten KPD, die 1931 einen Antrag in den Preu­ßischen Landtag einbrachte, bei dem die Klassenmesszahlen auf höchstens 30 Kindern in der Grundschule und 24 Kindern in den oberen Klassen ge­fordert wurden (HOHENDORF, 1954, S. 183).

Das preußische Kultusministerium hat über das Centralblatt für die ge­samte Unterrichtsverwaltung in Preußen (1931) darauf hingewiesen, dass die Erlasse zur Maximalgröße von Klassen aus den Sparjahren 1922/23 noch Gültigkeit besäßen, zudem wurde in Einzelfällen die Schülerhöchstzahl je Klasse heraufgesetzt. Diese Verordnung stammte vom 26.2.1931. Am 30.9 desselben Jahres wurden sämtliche Bestimmungen über die Besetzung von Schulklassen und Klassenbesuchszahlen aufgehoben, womit man versuchte, Konsequenzen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise zu ziehen.


Die Verschlechterung der Finanzlage führte dazu, dass selbst in zentralen Fächern wie Deutsch und Rechnen Abstriche von den Lehrplanrichtlinien hingenommen werden mußten, zudem sind die Klassenfrequenzen erhöht und die Stundentafeln gekürzt worden (KAHLERT, o.J., S. 20).




Fazit Weimar

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Die für unseren Zusammenhang entscheidende Frage, ob und inwieweit während der Weimarer Republik im Vergleich zum Deutschen Kaiserreich wirklich die Klassengrößen eine Senkung erfuhren, ist nicht so einfach zu beantworten, weil es sehr darauf ankommt, welche Jahre man zum Ver­gleich heranzieht.

NOHL & PALLAT gehen zumindest von entsprechenden Anstrengungen der Länder und Gemeinden aus: "Innere Reformen setzen gewisse äussere Bedingungen voraus. In Erkenntnis dieses Zusammenhanges haben Länder und Gemeinden trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit Erfolg dar­auf hingearbeitet, dass die Schülerzahlen in den einzelnen Klassen gesenkt wurden, um die erzieherische Arbeit zu erleichtern" (NOHL & PALLAT, 1933, Band 4, S. 299). Diese Aussage bezieht sich auf Durchschnittswerte, so dass nicht geklärt ist, inwieweit die Streuung ab- oder sogar zugenommen hat.

Fest steht jedenfalls, daß die große Wirtschaftskrise eine Rückentwick­lung bedeutete. Partiell müssen die Klassengrößen wieder so angestiegen sein, dass diese den Stand vor 1914 erreichten.

Die Senkung der Klassengröße ist jedoch vor allem auf das Ineinander­greifen zweier Faktoren zurückzuführen: auf den Geburtenrückgang (ZYMEK, 1989, S. 176f), der seit der Jahrhundertwende mit steigender Ten­denz zu beobachten ist, und auf das Sozialstaatsprinzip, das die Weimarer Republik trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise zumindest zeitweise zu verwirklichen trachtete.

Zu einem eindeutigen Rückschritt kam es nach 1930. Auch im Hinblick auf Klassenmesszahlen und die Arbeitslosigkeit der Junglehrer[3], die Ver­minderung der Gesamtausgaben für Schulen, die Herabsetzung der Wochen­stundenzahl der Schüler, die Schließung Pädagogischer Akademien, die Er­höhung der Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte und die Kürzung der Besol­dungen (vgl. z.B. KAHLERT, 1978) - ein Faustschlag ins Gesicht der vielen Reformpädagogen und -pädagoginnen. Waren sie es doch, die in jenen Jah­ren auf die neue Republik große Hoffnungen setzten und für weitreichende Änderungen in der Schulwirklichkeit eintraten.

Allerdings, das muss wiederholt werden, gab es auch Umsetzungsschwie­rigkeiten, wenn es um die Realisierung der großen reformpädagogischen Ideen ging, wie auch MOOG betont: "Das öffentliche Schulwesen konnte in seiner Organisation die Gedanken der Schulreformbewegung nicht einfach aufnehmen, da das eine völlige Umwälzung bedeutet hätte" (MOOG, 1967, S. 489). So blieb die Schule, trotz vielversprechender reformerischer Ansätze, während der ganzen Weimarer Republik in einer krisenhaften Situation (vgl. dazu die Meinung von SCHOLTZ, 1973, S. 16), was sich auch auf die Klas­sengröße auswirken musste. Es bestand eine Diskrepanz zwischen re­formpädagogischem Anspruch und schulischer Wirklichkeit. Die Forderung der Reformpädagogik nach einer "Pädagogisierung der Schule" und auch der Gesellschaft konnte nicht eingelöst werden (TENORTH, 1988, S. 206ff).


Glaubt man der Literatur, so hatte in der Weimarer Republik das von der sog. kleinen Koalition (Zentrum, Deutschen Demokratische Partei und SPD) geführte Land Preußen eine gewissen Vorreiterrolle in der Schulpolitik inne. WILHELM faßt die Veränderung für Preußen wie folgt zusammen: "Preußen hatte als das weitaus größte Land durch sein schritt- und stufenweises Re­formwerk, das sich fast über das ganze Jahrzehnt erstreckte, teils unmittel­bar die Richtung gewiesen, teils mittelbar zur fortlaufenden Auseinanderset­zung genötigt. Es ist bereits 1921 mit eigenen Richtlinien für die Grund­schule vorangegangen und hat von 1922 bis 1929 fast alle Bereiche der Schul- und Hochschulbildung mit neuem Geist durchdrungen" (1987, S. 196).





Ergänzungen

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  1. Im Band 438 der Statistik des Deutschen Reiches wurden die Höheren Mädchenanstalten zum höheren Schulsystem gerechnet. Der Verfassungsrechtler HUBER (VI, S. 966) ordnete alle Mädchenschulen zu den Höheren Schulen.
  2. Den Begriff Sozialstaatlichkeit gab es damals natürlich noch nicht.
  3. "Ein besonderes Problem war die seit Mitte der zwanziger Jahre immer mehr verschärfende sog. 'Junglehrer-Not', die öfters vom Reichstag aufgegriffen wurde. Schon vor Beginn der Wirtschaftskrise wartete allein in Preußen die ungewöhnlich hohe Zahl von 29000 Lehrern auf Anstellung... Für eine Schulreform (Herabsetzung der Klassenfrequenzen etc.) hätten also genügend Lehrer zur Verfügung gestanden" (FÜHR, 1972, S. 59).



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