Klassengröße – gestern und heute/ Klassengröße in der Bundesrepublik
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Klassengrösse in der Bundesrepublik
[Bearbeiten]Der historische Rückblick ist mit Kapitel 2 keineswegs abgeschlossen. Da aber die Geschichte der Bundesrepublik hineinreicht bis in die Gegenwart, erschien es angebracht, dieser Phase der zeitlichen Entwicklung ein eigenes Kapitel zu widmen. Hinzu kommt, dass in diesem Kapitel nicht nur die rein historische Entwicklung, sondern auch der aktuelle Status sowie bildungspolitische Fragen von Klassengröße angesprochen werden sollen. Vorerst aber einige Anmerkungen zur historischen Ausgangssituation, denn mit dem Zweiten Weltkrieg war wieder einmal ein gravierender Einschnitt in der Entwicklung gegeben. Nach dem Zusammenbruch war das Ziel der Besatzungspolitik die Demokratisierung des deutschen Bildungs- und Erziehungswesens. Dazu gehörte die Entlassung der Nazi-Lehrer, die 'Säuberung' der Lernmittel und eine vorübergehende Schließung aller Schulen. In der britischen und französischen Besatzungszone wurden ca. 25% aller Lehrer entlassen, in der sowjetischen waren es 20.000 Lehrer, in der amerikanischen Besatzungszone mussten 50 bis 75%, örtlich sogar bis zu 90% der Lehrer ihren Dienst quittieren. Diese konsequente Durchführung der Entnazifizierung wurde in den Westzonen allerdings immer mehr aufgeweicht, bis zur teilweisen Rückgängigmachung (SCHNORBACH, 1983, S. 188). KLEEMANN kommt deshalb zu einem resignativen Fazit hinsichtlich des Versuchs, bildungspolitisch neue Maßstäbe zu setzen: "Nach dem Zusammenbruch von 1945 hatte sich in den Ländern eine stärkere Reformbereitschaft im Hinblick auf eine Demokratisierung des Bildungswesens gezeigt, die von den Militärregierungen unterstützt wurde. Aber mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem Rückzug der Alliierten beschleunigte sich der politische Restaurationsprozess, und die alten traditionsgebundenen Ordnungsvorstellungen festigten sich wieder" (KLEEMANN, 1977, S. 153). Dieses weitreichende Fazit müßte auch für den Problembereich Klassengröße gelten, etwa so, daß sich bezüglich der Messzahlen und der Klassengröße nichts getan hat. Dies soll es in diesem Kapitel geprüft werden.
Im ersten Abschnitt werden die Publikationen der zwei bedeutendsten Institutionen der Politikberatung bezüglich der Frage der Klassengröße durchgesehen: der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen und der Deutsche Bildungsrat. Im zweiten Abschnitt werden die Verordnungen und Gesetze zur Klassengröße referiert, wobei ausser auf die Messzahlen ein besonderes Augenmerk auf die Haltung der KMK gelegt wird. Im dritten Abschnitt wird die Haltung der politischen Gruppierungen wie Parteien, Kirchen und Gewerkschaften - soweit zugänglich - dargelegt, es folgt die Entwicklung der Klassengrößen von 1950 bis heute. Schließlich wird die Finanzierungsfrage angesprochen.
Klassengröße aus der Sicht von Institutionen der Politikberatung
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"Der Schulmeister ist uns trotz aller, meist berechtigten, Kritik doch in Summa eine liebe Gestalt" (Ostwald, 1928, S. 411).
Die jüngste deutsche Bildungsgeschichte ist u.a. dadurch gekennzeichnet, daß es in verschiedenen Zeitabschnitten z.T. unterschiedliche Institutionen der Politkberatung gegeben hat.[1] Soweit sie für die Themenstellung relevant sind, wurden ihre Publikationen, Empfehlungen etc. auf die Frage der Klassengröße hin durchgesehen. Die Empfehlungen und Stellungnahmen des Wissenschaftsrates wurden in die Analyse nicht mit einbezogen, weil es sich hier thematisch nicht um den sekundären, sondern um den tertiären Bereich handelt.
Der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen
[Bearbeiten]Der Deutsche Ausschuss wurde am 22.9.1953 in Bonn konstituiert. Seiner Gründung gingen diverse Sitzungen voraus wie die Sitzung des Schulausschusses des Deutschen Städtetages 1948, die Konferenz "Universität und Schule" 1951, die Arbeitstagung über Schulreformfragen des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten 1951. Dieser Ausschuss darf nicht verwechselt werden mit dem Deutschen Ausschuss für Erziehung und Unterricht, der eher ein Privatverein zur Zeit der Weimarer Republik war und u.a. von KERSCHENSTEINER geleitet wurde (SCHWARTZ, 1930, Band 3, S. 1075)
Im Paragraph 1 seiner Satzung ist die Aufgabe des Deutschen Ausschusses wie folgt beschrieben: "Der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen hat die Aufgabe, die Entwicklung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens zu beobachten und durch Rat und Empfehlen zu fördern. Innerhalb dieser Aufgabenstellung bestimmt der Ausschuss selbst sein Arbeitsprogramm und gibt sich Richtlinien für seine Arbeitsweisen" (zit. n. KLEEMANN 1977, S.22).
SCHORB & FRITZSCHE (1966) haben Vorgeschichte, Durchführung und Erfolg der Reichsschulkonferenz von 1920 und des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen miteinander verglichen. Die Konferenz von 1920 war eine große Diskussion von Standpunkten, Meinungen und Interessen, der Deutsche Ausschuss hingegen ließ ein umfangreiches Empfehlungs- und Gutachtenwerk zurück. Die Parallelen, Gemeinsamkeiten und Abweichungen sind von den Autoren detailliert beschrieben worden. Erwähnenswert ist nur, dass organisatorische Faktoren wie die Klassengröße keinerlei Berücksichtigung gefunden haben.
Die "Empfehlungen und Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen" sind eine Sammlung von 29 Einzelgutachten zu den Themenkreisen: Erziehung vor der Schulzeit, Schulwesen, Lehrerbildung, Erwachsenenbildung und Einzelfragen, wobei die Schule am weitaus häufigsten thematisiert wird. Der Deutsche Ausschuß hat folgende Empfehlungen und Gutachten gegeben:
- 1954 Empfehlung betr. Spätestheimkehrer
- 1954 Empfehlung zum 9. Schuljahr
- 1954 Zu der Entschließung der Ministerpräsidenten vom 5.u.6.2.54
- 1954 Empfehlung zur Errichtung von Versuchsschulen
- 1954 Empfehlung zu Fragen des Privatschulwesens
- 1954 Empfehlung zur Errichtung von musischen höheren Schulen
- 1955 Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung
- 1955 Stellungnahme zum "Abkommen zwischen den Ländern der BRD zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens vom 17.02.55"
- 1955 Gutachten über die Ausbildung der Lehrer- und Volksschulen
- 1956 Osteuropa in der Deutschen Bildung
- 1956 Empfehlung aus Anlaß des Aufbaus der Bundeswehr
- 1956 Gutachten über Selbstkontrolle illustrierter Zeitschriften
- 1956 Die Volksschule auf dem Lande
- 1957 Empfehlung zum Ausbau der Volksschule
- 1957 Schulreife und Schulkindergarten
- 1957 Gutachten zur Erziehung im frühen Kindesalter
- 1958 Folgerungen aus dem Gutachten über die Ausbildung der Lehrer an Volksschulen für die gegenwärtigen kulturpolitischen Erörterungen (unveröff.)
- 1959 Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinbildenden öffentlichen Schulwesens
- 1960 Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung
- 1960 Erklärung aus Anlaß der antisemitischen Ausschreitungen
- 1960 Empfehlungen für eine Wehrakademie der Bundeswehr
- 1960 Zur Diskussion des Rahmenplans - Kritik und Antwort
- 1962 Zur religiösen Erziehung und Bildung in den Schulen
- 1962 Bemerkungen zur Arbeit der Grundschule
- 1962 Empfehlungen zum Aufbau der Förderstufen
- 1964 Empfehlungen zum Aufbau der Hauptschule
- 1964 Gutachten über das berufliche Ausbildungs- und Schulwesen
- 1964 Empfehlungen für die Neuordnung der höheren Schule
- 1965 Gutachten zur Ausbildung von Lehrern
- 1965 Zum Abschluß der Ausschussarbeit.
Man wird sicher zugestehen dürfen, daß die Aufgaben insbesondere zu Beginn der Bundesrepublik in einem anderen Bereich lagen, als dem der Klassengröße, dennoch muß es verwundern, daß diese Planungsvariable in den Gutachten nicht zu finden ist.
Allgemein interessant ist die Frage, inwieweit die Vorschläge des Deutschen Ausschusses Berücksichtigung fanden in den Beschlüssen, Entschließungen und sonstigen Verlautbarungen der Kultusministerkonferenz. Dieser Frage widmet sich insbesondere KLEEMANN (1977). Sie wird in Abschnitt 3.2.1 aufgegriffen, weil eine Empfehlung zur Klassengröße ja nicht gleichbedeutend mit ihrer bildungspolitischen Umsetzung ist.
Der Deutsche Bildungsrat
[Bearbeiten]Der Deutsche Bildungsrat wurde am 15.7.1965 durch ein Abkommen zwischen Bund und Ländern gegründet. Verlängert wurde er am 15.7.1970 um weitere 5 Jahre, beendet schließlich am 14.7.1975 (zur Geschichte siehe HECKEL, 1967; BECKER, 1980, S. 179ff). Er bestand aus der sog. Bildungskommission und der Regierungskommission. Seine Tätigkeit ist dokumentiert in drei Schriftenreihen: Die Empfehlungen enthalten Meinungen und Vorschläge, die auf Beratungen der Bildungskommission basieren. Die Gutachten und Studien und die Materialien zur Bildungsforschung enthalten Auftragsarbeiten, die Grundlage der Beratungen waren. Im folgenden werden die Einzelpublikationen dieser drei Reihen aufgelistet. Wenn sich Teile der Publikationen auf das Problemfeld Klassengröße beziehen, dann werden diese kursiv dargestellt.
Reihe: Gutachten und Studien der Bildungskommission[2]
[Bearbeiten]Auf die Angabe des Jahres der Publikationen folgt die Nummer des Bandes, schließlich der Titel des Gutachtens.
1967 01 Die öffentlichen Ausgaben für Schulen in der BRD 1965-1970
- In diesem Band befinden sich nur Angaben zur Schüler-Lehrer-Relation von 1961,1965 und 1970 (Tab. 3).
1968 02 Die Gliederung des deutschen Schulwesens
- Hier werden nur Formen von Kleinklassen angesprochen.
1969 03 Differenzierung im Sekundarschulwesen
1969 04 Begabung und Lernen
- 15 Zeilen zur Klassengröße
1969 05 Sozialprodukt, öffentliche Haushalte und Bildungsausgaben in der Bundesrepublik
- Hier werden die tatsächlichen Zahlen der Schüler-Lehrer-Relation bzw. Klassengröße von 1961 bis 1970 denen der Bedarfsplanung gegenübergestellt. Es zeigt sich, daß die tatsächlichen Werte bei allen Schularten höher lagen als die angezielten.
1969 06 Ausgabenberechnung für Ganztagsschulen
- In diesem Bericht werden der Berechnung der Ausgaben für Ganztagsschulen Klassengrößen von 40 Schüler pro Klasse zugrundegelegt. Diese Werte liegen nur im Gymnasium etwas niedriger.
1969 07 Schuleintrittsalter, Schulfähigkeit und Lesereife
- Die Autorin setzt die optimale Größe auf 25 Schüler pro Klasse fest wegen der sich entwickelnden Gruppendynamik und der möglichen individuellen Förderung.
1969 08 Didaktik als Aufgabe der Universität
1970 09 Die Ausbildung von Ingenieuren für Landbau, Gartenbau und verwandte Bereiche
1970 10 Gutachten und Materialien zur Fachhochschule
1970 11 Zur Situation der Lehrlingsausbildung
1970 12 Lernziele der Gesamtschule
1970 13 Rechtfragen der Gesamtschule - Lehrer- und Raumbedarf in Gesamtschulen
- Hier wird die Klassengröße nur in einer Hinsicht angesprochen: Fachkurse müssen sich aus Schülern von so vielen Parallelklassen zusammensetzen, daß die Kursgröße einer normalen Klassenstärke entspricht.
1970 14 Öffentliche Verantwortung für berufliche Bildung
1970 15 Finanzierungsalternativen der beruflichen Aus- und Weiterbildung
1971 16 Materialien und Analysen zum Fachschulbereich
- In diesem Gutachten wurden nur sporadisch Klassengrößenangaben zu Fachschulen gemacht.
1971 17 Materialien und Dokumente zur Lehrerbildung
1971 18 Der Finanzbedarf eines expandierenden Vorschulsystems
- Größe der Kindergarten, die anzustreben ist: 15-20 Kinder
1971 19 Fondsfinanzierte Berufsausbildung
1971 20 Kompetenz und Lastenverteilung im Schulsystem
- Zitat: "Während für manche Lehrinhalte und -methoden Großgruppen von 120 oder mehr Schülern geeignet sind, ist für andere die Kleingruppe von 3 bis 4 Schülern optimal."
1974 21/1 Dimensionen der Schulleistung
1974 21/2 Dimensionen der Schulleistung
1972 22 Bildungsforscher in der Schule
1972 23 Lernen und Verwalten
1973 24 Entscheidungsprozesse in der Curriculumentwicklung
1973 25 Sonderpädagogik 1: Behindertenstatistik, Früherkennung, Frühförderung
- "Nicht zuletzt wäre zu fragen, ob nicht überfüllte Grundschulklassen, häufiger Lehrerwechsel und steigende Leistungserwartungen Kinder zu Schulversagern machen" (S. 163).
- "... der Anfangsunterricht ... müßte in Klassen erfolgen, die maximal 20-22 Kinder umfassen..." (S. 167)
1973 26 Wirtschaftslehre
1973 27 Kooperation von Elementar- und Primärbereich
- In diesem Band sind Einzelgutachten über verschiedene Länder enthalten. Es ergaben sich folgende Hinweise: Frankreich: geplante Klassengröße école maternelle: 45 Kinder, tatsächlich: 50; geplante Klassengröße Elementarbereich: 35 Kinder, tatsächlich: 40; England: durchschnittliche Klassengröße infant school: 28,5
1973 28 Bildungsurlaub als Teil der Weiterbildung
1974 29 Verknüpfung berufs- und studienbezogener Bildungsgänge
1974 30 Sonderpädagogik 2: Gehörlose - Schwerhörige
- Das Gutachten schlägt vor:
- Vorschulbereich: 5 Kinder, nicht wie vorgesehen 8
- Primarbereich: 5-6 Schüler, ein Lehrer, ein sonderpädagogischer Assistent
- ansonsten: 10-12 Schüler
- Das Gutachten schlägt vor:
1974 31 Die Situation von Abendgymnasien und Kollegs in der Bundesrepublik Deutschland
1974 32 Abitur - und kein Studium
1974 33 Weiterbildungsinformationssystem
1974 34 Sonderpädagogik 3: Geistigbehinderte - Lernbehinderungen - Verfahren der Aufnahme
- Vorschlag des Gutachtens: Kleinstgruppenunterricht 4-6 Schüler
1974 35 Sonderpädagogik 4: Verhaltensgestörte - Sprachbehinderte - Körperbehinderte
- Ausland: Klassengröße schwankt zwischen 6 und 20
Schulorganisatorische Maßnahmen (auch Klassengröße) uneinheitlich in Bundesländern
Klassenfrequenzen einzelner Klassen für Behinderte in der BRD:
Geistigbehinderte 8
Verhaltensgestörte 12
Sprachbehinderte 12
Körperbehinderte 8
Lernbehinderte 16
Schwerhörige 10
Sehbehinderte 12
- Ausland: Klassengröße schwankt zwischen 6 und 20
1974 36 Bildungsplanung und Finanzplanung
1975 37 Sonderpädagogik 7: Berufsausbildung behinderter Erwachsener
1974 38 Die Bedeutung verschiedener Lernorte in der beruflichen Bildung
1975 39 Verfassungsrechtliche Probleme der Neuordnung des Bildungswesens im Sekundarbereich
1974 40 Spiel und Kommunikation in der Sekundarstufe II
1975 41 Fremdsprachenunterricht in der Sekundarstufe II
1975 42 Chancengleichheit durch Bildung?
1976 43 Reifeprüfung, Berufliche Vollzeitschulen, Berufausbildung im öffentlichen Dienst
1974 44 Berufliche Bildungsgänge und Studienbefähigung
1975 45 Abitur - und kein Studium (Teil 2)
1975 46 Umrisse und Perspektiven der Weiterbildung
1975 47 Die Eingangsstufe des Primarbereichs (Band 1: Ansätze zur Entwicklung)
- Das Gutachten enthält Vergleiche zwischen den Bundesländern 1969-71 auch hinsichtlich der Klassengrößen. Es werden kleinere Klassen für die Eingangsstufe gefordert.
1975 48/1 Die Eingangsstufe des Primarbereichs (Band 2/1: Spielen und Gestalten)
- Die hohen Klassengrößen in den Eingangsstufenklassen werden als "Notstand" charakterisiert.
1975 48/2 Die Eingangsstufe des Primarbereichs (Band 2/2: Soziales Lernen und Sprache)
- Hinweis darauf, wieviele Kinder Vorschulsendungen gemeinsam sehen sollen (10 Kinder)
1975 49 Die Eingangsstufe des Primarbereichs (Band 3: Perspektiven und Modelle)
- Zu den diskutierten Modellen gehört die Innere Differenzierung, die wegen der zum Zeitpunkt der Publikationen üblichen Klassenmesszahlen kaum möglich sei.
1975 50 Bildungsforschung - Probleme - Perspektiven - Prioritäten (Teil 1)
1975 51 Bildungsforschung - Probleme - Perspektiven - Prioritäten (Teil 2)
1975 52 Sonderpädagogik 5: Blinde - Sehbehinderte - Mehrfachbehinderte
- Forderung der KMK: 10 Schüler, angemessen: 8 Schüler (S. 96)
Klassen mit einem integrierten, blinden Kind sollten nicht mehr als 20-25 Schüler haben (S. 123)
- Forderung der KMK: 10 Schüler, angemessen: 8 Schüler (S. 96)
1975 53 Sonderpädagogik 6: Sozialpädiatrische Zentren
1975 54 Lernen im Jugendalter
1976 55 Gesamtschule und dreigliedriges Schulsystem
1976 56 Curriculare Tendenzen im Englischunterricht des 5. und 6. Schuljahres seit 1963
1976 57 Entwicklungstendenzen im Beschäftigungssystem
1976 58 Zur Standortplanung von Bildungseinrichtungen
1976 59 Curriculum-Entwicklung
1977 60 Schulbesuch und Bildungsreform 1960-1972
In den immerhin 60 Gutachten wurde der Themenkreis Klassengröße zwar öfter angesprochen, aber im einzelnen nicht erschöpfend behandelt. Es fällt auf, dass präzisere Forderungen in ganz speziellen Gebieten (Sonderpädagogik, Eingangstufe Primarbereich usw.) vorgelegt worden sind. In den Gutachten zum allgemeinbildenden Schulsystem gibt es keinerlei Diskussionen um den Problemkreis Klassengröße. Dieses Ergebnis stützt die in Kapitel 1 begründete Vermutung, daß der wissenschaftliche Stellenwert der Klassengröße nicht hoch anzusetzen ist.
Reihe: Empfehlungen der Bildungskommission
[Bearbeiten]Die zweite Angabe bezieht sich auf die Sitzung, auf der die Empfehlung ausgesprochen wurde.
1967 08 Zum Lehrermangel in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern an den Gymnasien
- Es werden nur Schätzwerte für die Bedarfsplanung für Gymnasien angegeben: 14,1 Schüler je Lehrer.
1967 08 Sicherung der öffentlichen Ausgaben für Schulen bis 1970
1968 13 Einrichtung von Schulversuchen mit Ganztagsschulen
- Lehrerbedarf pro Schüler höher in Ganztagsschulen
1968 13 Sicherung der öffentlichen Ausgaben für Schulen bis 1975
1969 19 Zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung
1969 19 Einrichtung von Schulversuchen mit Gesamtschulen
- Als Empfehlung für die Größe von Kerngruppen wird 30 Schüler angegeben.
1969 20 Zum Schulbau
- Diese Empfehlung berührt an zwei Stellen die Klassengröße: einmal bei dem Rat, Räume flexibel zu gestalten, weil die Klassenverbände in Zukunft abgelöst würden, zum anderen beim Hinweis darauf, daß die Räume nicht zu groß gebaut werden müßten, weil die Klassengrößen zukünftig ohne hingesenkt würden.
1969 20 Zur Neugestaltung der Abschlüsse im Sekundarschulwesen
1970 27 Strukturplan für das Bildungswesen
- Der Strukturplan für das Bildungswesen aus dem Jahre 1970 ist als Schlüsseldokument anzusehen. Es faßte zum ersten Mal die unterschiedlichen Teile des Bildungssystems zu einem einheitlichen Konzept zusammen. Die Strukturvorschläge des Bildungsrates führten schließlich 1970 zu einem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern, durch den die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung gegründet wurde. Diese erstellte den Bildungsgesamtplan (1973).
- Im Strukturplan wird vereinzelt die Klassengröße angesprochen. So z.B. für den Primarbereich, in dem Klassen nicht mehr als 25 Schüler haben sollten (S. 131), weil die Eigeninitiative der Schüler sonst nicht möglich wäre (S. 134). Auch fordert der Strukturplan eine Senkung der Klassengröße in der Sekundarstufe I (S. 157).
1973 28 Zur Einrichtung eines Modellprogramms für Curriculum-Entwicklung im Elementarbereich
1973 30 Zur Reform von Organisation und Verwaltung im Bildungswesen
1973 31 Zur Planung berufsqualifizierender Bildungsgänge im tertiären Bereich
1973 34 Zur pädagogischen Förderung Behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher
- für Flexibilisierung der Klassengrößen (S. 73)
Differenzierung in kleinen Klassen eher möglich (S. 132)
Meßzahlen für unterschiedliche Behindertengruppen (S. 135, 153)
- für Flexibilisierung der Klassengrößen (S. 73)
1973 35 Zur Förderung praxisnaher Curriculum-Entwicklung
1974 37 Aspekte für die Planung der Bildungsforschung
1974 38 Zur Neuordnung der Sekundarstufe II. Konzept für eine Verbindung von allgemeinen und beruflichem Lernen
Auch für diese Reihe muss man festhalten, dass der Themenkreis Klassengröße nicht ausreichend behandelt wurde: Abgesehen vom Strukturplan (maximal 25 Schüler im Primarbereich und generelle Senkung in der Sekundarstufe I) und vom Bereich Sonderpädagogik wird man eine ausführliche Diskussion in den Empfehlungen nicht finden. Also auch hier wieder ein Indiz für den geringen Stellenwert der Klassengröße in der Bildungsberatung.
Reihe: Materialien zur Bildungsplanung[3]
[Bearbeiten]Die zweite Angabe bezieht sich auf die Nummerierung des Heftes.
1971 01 Reform der Sekundarstufe II. Teil A: Versuche in der gymnasialen Oberstufe
- In diesem Heft werden aus jedem Bundesland Versuche vorgestellt, die in den Oberstufen einzelner Gymnasien durchgeführt wurden. Es handelt sich hier nicht mehr um typische Klassen, sondern um Kurse. Die Gruppengröße wurde selten alleine besprochen, sondern meist im Zusammenhang mit anderen Faktoren: Lehrerbedarf, leistungssschwache Schüler etc.
1973 03 Bildungschancen und Umwelt I
1974 04 Bildungschancen und Umwelt II
1975 05 Berufliche Grundbildung. Ausbildung der Ausbilder
1976 06 Schulversuche zur Integration behinderter Kinder in den allgemeinen Unterricht
- In diesem Heft sind diverse einzelfallbezogene Forschungsprojekte vorgestellt, die alle von geringeren Klassengrößen für behinderte Kinder ausgehen. Für diese Schüler wurde überwiegend mit sog. Kleinklassen gearbeitet.
Eine weitere wichtige Publikation: der Bericht '75. Entwicklungen im Bildungswesen (auch als Kurzfassung publiziert).
- Aufbau sozialer Bindungen in kleinen Klassen vermutlich günstiger (S. 45)
Also bieten auch die Materialien wenig Ansatzpunkte, die zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Problemkreis Klassengröße führen könnten.
Fasst man den Ertrag der Durchsicht dieser drei Publikationsreihen unter dem Aspekt Klassengröße zusammen, so muss eher Ernüchterung eintreten: Klassengröße taucht sehr selten auf, und wenn, dann nur als ein Faktor schulischer Realität. Gutachten über die Wirkung der Klassengröße gibt es nicht. Es fällt allerdings auf, dass in allen drei Reihen im Bereich der Sonderpädagogik verhältnismäßig präzise Forderungen aufgestellt wurden. Dennoch: Klassengröße spielt in der Bildungsberatung eine periphere Rolle. Es gilt im folgenden zu prüfen, inwieweit die entscheidenden Institutionen und der Gesetzgeber den Problembereich Klassengröße zum Gegenstand ihrer Beratungen und Entscheidungen gemacht haben.
Ergänzungen
[Bearbeiten]- ↑ Diese und die anderen genannten Institutionen der Politikberatung sind detailliert beschrieben von der Arbeitsgruppe Bildungsbericht des MPI für Bildungsforschung (Arbeitsgruppe, 1990)
- ↑ Die Gutachten und Studien sind alle beim Klett-Verlag in Stuttgart erschienen. Sie sind nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommen worden.
- ↑ Die Materialien zur Bildungsplanung sind alle beim Westermann-Verlag in Braundschweig erschienen. Sie sind nicht in das Literaturverzeichnis aufgenommen worden.