Klassengröße – gestern und heute/ Klassengröße in Deutschland
-Inhaltsverzeichnis-
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Exkurs: Klassengrößen in der Deutschen Demokratischen Republik
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Es sei im folgenden ein kleiner Exkurs über die Entwicklung der Klassengrößen in der DDR gestattet. Dies soll dem Vergleich mit den Statistiken der Bundesrepublik dienen. Zuvor eine kurze Erklärung der berücksichtigten Schularten:
- a) Zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschulen: Dies war die grundlegende Schulform der DDR für alle weiterführenden Bildungswege und die berufliche Tätigkeit (1989 ca. 2 Mio. Schüler).
- b) Erweiterte allgemeinbildende polytechnische Oberschulen: Diese Schule führte in zwei Jahren zur Hochschule und baute auf der unter a) genannten auf (1989 ca. 20 Tsd. Schüler).
- c) Spezialschulen: Dieser Schultyp glich dem unter a), allerdings mit verstärktem Unterricht in bestimmten Fächern. Abschluß ist die Reifeprüfung (1989 ca. 1600 Schüler).
- d) Sonderschulen: Diese Schulen bildeten Kinder mit psychischen oder physischen Störungen aus (1989 ca. 64000 Schüler. Die Sonderschulen der DDR hatten Klassengrößen, die in den Bereich fallen, der durch bisherige Statistiken zu diesem Schultyp umrahmt wurde.
- ,e) Berufsausbildung mit Abitur (Betriebe hatten eigene Klassen mit Fächern für Abitur; Schülerzahl wurde auf max. 23 festgelegt, ab 1975 war der Drang nach einem Abschluss für ein Hochschulstudium enorm gestiegen, so dass es mehr Bewerbungen wie zu Typ d gab.
In der folgenden Tabelle sind die Klassengrößen für die eben genannten Oberschultypen zu entnehmen.
Zehnklassige POS |
Erweiterte POS | |||
---|---|---|---|---|
Jahr |
Klassengröße |
Schülerzahl |
Klassengröße |
Schülerzahl |
1955 |
27,7 |
1,7 Mio |
25,2 |
107 Tsd. |
1960 |
25,3 |
1,9 Mio |
25,3 |
82 Tsd. |
1965 |
27,6 |
2,3 Mio |
26,1 |
85 Tsd. |
1970 |
27,7 |
2,5 Mio |
25,1 |
55 Tsd. |
1975 |
26,2 |
2,6 Mio |
21,3 |
48 Tsd. |
1980 |
22,6 |
2,2 Mio |
20,4 |
46 Tsd. |
1985 |
20,7 |
1,9 Mio |
18,0 |
43 Tsd. |
1989 |
21,3 |
2,0 Mio |
16,6 |
40 Tsd. |
Quelle: Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1990 (vgl. RYTLEWSKI & OPP DE HIP, 1987b, S. 155f).
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass in beiden Schularten die Klassengrößen in den letzten 35 Jahren abgenommen haben. Besonders auffällig ist die Veränderung bei der erweiterten POS. Diese Entwicklung kann gerade beim letztgenannten Schultyp z.T. durch die Abnahme der Schülerzahlen an der Erweiterten POS erklärt werden.
Die Spezialschulen hatten - wie bereits genannt - die Ausbildung auf bestimmte Fächer konzentriert. Dazu gehören (in Klammern die Schülerzahlen und Klassengrößen für 1989): Mathematik/Naturwissenschaften/Technik (2790, 16,9), Fremdsprachen (6496, 20,0), Musik (1683, 17,0), Bühnentanz/Artistik (280, 12,2) und Sport (10053, 10,2). Es fällt auf, dass die meisten Schüler in Spezialschulen für Sport gingen, und dass dort die Klassen mit ca. 10 Schülern weitaus am kleinsten waren (Quelle: s. Tab. 3.11).
Finanzierung
[Bearbeiten]Die Finanzierung des derzeitigen Schulwesens interessiert hier für den Primarbereich sowie für den Sekundarbereich I und II. Der Bund bezahlt im Primarbereich Modellversuche zur Hälfte, Ausbildungsförderung zu 65% und ist verantwortlich für die Einrichtung überbetrieblicher Lehrwerkstätten. Das Land finanziert die Lehrer zu 100% und gibt Zuschüsse zu Schulbau, Lehr- und Lernmitteln sowie zur Ausbildungsförderung (35%). Das Land finanziert ebenfalls 50% der Kosten der Modellversuche, gibt Zuschüsse an Privatschulen und für den Schülertransport. Die Gemeinde muss das nichtlehrende Personal zu 100% finanzieren, ebenso den Schulbau und die Schulunterhaltung, Lehr- und Lernmittel und den Schülertransport (MÄDIG, 1984, S.265).
Intendierte Veränderungen der durchschnittlichen Klassengröße beeinflussen über die Planungsgröße Schüler-Lehrer-Relation den Lehrerbedarf und damit die Höhe der Bildungsausgaben des Landes. Die Schüler-Lehrer-Relation (RE) (als Planungsgröße) gibt an, für wieviel Schüler jeweils eine Lehrerplanstelle bereitgestellt wird. Klassengröße wirkt sich also nicht direkt auf die Finanzierung aus, wie oft behauptet wird (HALL & CARROLL, 1973; STERN, 1987).
Die determinierenden Faktoren sind:
- die durchschnittliche Klassen-/ Gruppen-/ Kursgröße (F),
- das Angebot an durchschnittlichen Wochenstunden je Lehrer (Lehrerwochenstunden) (A),
- der Bedarf an Unterrichtsstunden je Klasse pro Woche (Schülerwochenstunden) (B).
In welchem Zusammenhang diese Faktoren stehen und von welchen Größen sie ihrerseits abhängen, veranschaulicht Abbildung 3.5.
Anhand der nachstehenden Formel lassen sich die Zusammenhänge quantitativ darstellen (Brief von der BLK vom 2.10.1990):
das bedeutet aber für die Klassengröße:
Die Forderung, durch Einstellung einer größeren Zahl von Lehrern eine Verkleinerung der Klassen zu erreichen, setzt also voraus, dass die beiden anderen Faktoren konstant bleiben. Die bedeutet aber auch, dass die Klassengröße gesenkt werden könnte, wenn (a) Lehrer mehr arbeiten würden, oder wenn (b) die Klassen weniger Unterricht erhalten würden.
Ist z.B. an Grundschulen ein Bedarf von 30 Schülerwochenstunden zu decken und ist für 20 Schüler eine Lehrerstelle mit durchschnittlich 25 Wochenstunden vorgesehen, dann ergibt sich ein Wert von 24 für die durchschnittliche Klassengröße. Ist nun beabsichtigt, die Klassengröße auf 22 zu senken, dann verringert sich RE (bei Konstanz von A und B) auf 18,3. Bei einer erwarteten Schülerzahl an Grundschulen von z.B. 280.000 in einem Bundesland wären dann etwa 15.000 Planstellen erforderlich. Das sind 1.300 Planstellen mehr als bei der ursprünglichen Schüler-Lehrer-Relation von 20. Die damit verbundenen personellen Mehraufwendungen würden sich bei den gegenwärtigen Plankostenansätzen - legt man nur ein Haushaltsjahr zugrunde - auf knapp 115 Mio. DM belaufen.[1]
Probleme bei der Personalbedarfsplanung bzw. Lehrerstellenzuweisung anhand der Kennzahl Schüler-Lehrer-Relation stellen sich dann ein, wenn größere Abweichungen bei den einzelnen in die Kennzahl eingehenden Faktoren vom Durchschnitt (Richtwert) auftreten. Aufgrund sinkender Schülerzahlen traf dies für die Klassengröße zu. Je mehr Schulen mit unterdurchschnittlicher Klassengröße zugelassen werden, desto mehr Schulen müssen überdurchschnittlich große Gruppen bilden. Ist dies nicht möglich, dann erfolgt der Ausgleich über andere Faktoren, in der Praxis vor allem durch Reduzierung der erteilten Unterrichtsstunden. Ein Beispiel soll den Zusammenhang verdeutlichen: In einem Einzugsbereich seien 1200 Hauptschüler zu versorgen. Bei einem Richtwert für die Klassengröße von 30 und einem Wert für die Lehrerwochenstunden von 28 kann bei einer Schüler-Lehrer-Relation von 24 ein Bedarf an 35 Wochenstunden gedeckt werden. Sind nun aber aufgrund sinkender Schülerzahlen statt 40 Klassen (= 1200 : 30) 48 Klassen gebildet worden, d.h., ist die Klassengröße auf durchschnittlich 25 Schüler zurückgegangen, dann können bei Zugrundelegung desselben Wertes für die Schüler-Lehrer-Relation und die Lehrerwochenstunden nur noch knapp 29 Schülerwochenstunden erteilt werden. (Zum Problem der Lehrerbedarfsplanung bei sinkenden Schülerzahlen vgl. Hessisches Institut für Bildungsplanung und Schulentwicklung (HIBS), 1982, insbes. 74ff).
Die BLK teilt in ihrem Schreiben an den Verfasser vom 5.9.1990 mit, dass die "durchschnittliche Klassengröße bei den planerischen Arbeiten der BLK etwa zum Lehrerbedarf eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Die BLK hat sich bei solchen Arbeiten stets auf die Schüler-Lehrer-Relationen gestützt, ohne dabei zu verkennen, dass die durchschnittliche Klassengröße - wie auch der Unterrichtswochenstundenbedarf und das Stundendeputat der Lehrer - die Schüler-Lehrer-Relation maßgeblich beeinflusst."
Im Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission aus dem Jahre 1973 errechnete für die folgenden Jahre folgende Schüler-Lehrer-Relationen:
1970 |
1975 |
1980 |
1985 | |
---|---|---|---|---|
Elementarbereich |
20,4 |
18,0 |
17,0 |
17,0 |
Primarbereich |
37 |
33-30 (30,3) |
25-22 (23,4) |
23-19 (19,9) |
Sekundarbereich I |
23,2 |
22-21 (22,3) |
22-20 (19,9) |
20-18 (16,1) |
Sekundarbereich II |
15,6 |
14 (14,1) |
14 (13,6) |
14-12 (12,2) |
Sonderschulen |
15,6 |
14 (11,8) |
12 (8,7) |
11 (6,9) |
Man kann zwei Dinge festhalten: (1) Im Bildungsgesamtplan wird eine Verbesserung der Lehrer-Schüler-Relation im Primarbereich gefordert
(S. 22). Dies ist umgesetzt worden, auch in den anderen Breichen. (2) Die Prognosewerte werden meistens unterschritten. Dies bedeutet aber, dass die Personal-Ausgaben pro Schüler gestiegen sein müssen. Sie werden weiterhin steigen müssen, wenn man die Klassen nicht wieder größer werden lassen will.
Ergänzungen
[Bearbeiten]- ↑ Zu den Ausgaben im Schulsystem siehe HAUG, 1983, 1984
- ↑ Der BLK sei an dieser Stelle sehr herzlich für Ihre Unterstützung gedankt.