Medizinische Mikrobiologie: Hepadnaviridae
Hepadnaviridae sind eine Familie hepatotroper DNA-Viren mit einer zirkulären, teilweise doppelsträngigen DNA. Der Hauptvertreter dieser Familie ist das Hepatitis-B-Virus (HBV).
Die Hepadnaviren werden zu den Pararetroviren gezählt, da sie wie die Retroviren ihr Genom über eine prä-genomische RNA (pgRNA) mittels einer Reversen Transkriptase in DNA umschreiben. Die Virionen enthalten, im Gegensatz zu den Retroviren, keine RNA sondern DNA. Grundsätzlich werden die heute bekannten Hepadnaviren in zwei Genera unterschieden.
Orthohepadnaviren
[Bearbeiten]Außer dem Hepatitis B Virus (HBV) des Menschen werden die Viren der Erdhörnchen (Ground squirrel; GSHV), der Waldmurmeltiere (Woodchuck; WHV), der Orang-Utans (Orang-Utan Hepatitis B Virus; OHV) und der Wollaffen (Woolly monkey; WMHBV) dem Genus der Orthohepadnaviridae, der Hepadnaviren der Säugetiere, zugeordnet.
Hepatitis-B-Virus (HBV)
[Bearbeiten]Hepatitis-B-Virus | ||||||||||
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Systematik | ||||||||||
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Morphologie | ||||||||||
umhüllt, ikosaedrisch |
Mit etwa 350 Millionen chronisch infizierter Menschen gehört die Hepatitis B neben der Tuberkulose und HIV zu den häufigsten Infektionskrankheiten der Welt.
Erreger: Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein etwa 42nm großes, partiell doppelsträngiges DNA-Virus mit einer Lipoproteinhülle, die das Hepatitis-B-Oberflächen-Antigen HBsAg (hepatitis-B-surface-antigen) enthält. Mittlerweile sind einige klinisch bedeutsamen Virusvarianten und -mutanten entdeckt worden, wie beispielsweise die sogenannte Prä-Core-Mutante ("HBe-minus"-Mutante). Diese Virus ist nicht mehr in der Lage, das HBeAg zu bilden, das als diagnostischer Marker eine Rolle spielt. Die betroffenen Patienten weisen daher trotz oft hoher Virusvermehrung (Replikation) kein HBeAg auf. Das HBV enthält weiterhin das HBc-Antigen (c für core).
Vorkommen: Das HBV kommt endemisch in Südostasien und im tropischen Afrika vor. Dank der seit einigen Jahren durchgeführten Impfkampagnen ist das Vorkommen in Nord- und Westeuropa, USA, Kanada, Mexiko und südlichen Regionen Südamerikas auf unter 0,1% der chronischen Virusträger gefallen.
Übertragung: Eine Übertragung ist durch Blut, bluthaltigen Speichel, Samenflüssigkeit und Scheidensekret möglich. Die Eintrittspforten sind kleinste Verletzungen der Haut oder Schleimhaut. Risikofaktoren sind ungeschützter Geschlechtsverkehr, intravenöser Drogenkonsum, berufliche Tätigkeit im Gesundheitswesen, Erhalt von Blutprodukten ohne vorherige HBV-Testung, weiterhin zahnärztliche und invasive medizinische oder kosmetische Maßnahmen (Tätowierung, Piercing). Unter Kleinkindern kann die Infektion etwa durch Kratzen oder Beißen weitergegeben werden. Auch die Gegenstände des täglichen Lebens, wie zum Beispiel Rasierapparate oder Nagelscheren können eine Übertragung ermöglichen. Häufigster Übertragungsweg ist aber der Geschlechtsverkehr und die vertikale Infektion unter der Geburt von der zumeist chronisch infizierten (HbsAg-positiven) Mutter auf das Kind. HBV-positive Mütter können ihre Kinder gefahrlos stillen, wenn diese simultan geimpft wurden.
Jedes Spenderblut wird in der Regel auf Hepatitisviren getestet, deshalb sind Ansteckungen durch Transfusionen nahezu ausgeschlossen.
Das Risiko der Infektion durch einer Nadelstichverletzung bei bekannt positiver HBV-Infektion liegt bei etwa 30% und ist damit drastisch höher als z.B. bei HIV.
Verlauf: Die Inkubationszeit beträgt 40 bis 160 Tage. Der Verlauf wird vor allem von der Immunantwort bestimmt. Definitionsgemäß spricht man von einer chronischen Hepatitis B, wenn die Symptome einer durch HBV verursachten Leberentzündung sowie entsprechende viralen Marker länger als 6 Monate persistieren, was in 5 bis 10% der Fälle der Fall ist. Die Chronifizierung kann sich entweder im Anschluss an eine akute Hepatitis B oder auch primär entwickeln. Mit sinkendem Alter nimmt die Chronifizierungsrate stetig zu und ist bei Neugeborenen am höchsten. Diese werden bei einer Infektion in über 90% der Fälle zu chronischen Virusträgern. Noch bei vierjährigen Kindern verläuft die Hälfte aller Infektionen chronisch. Bei etwa einem Viertel aller chronischen Hepatitis-B-Erkrankungen ist ein progredienter Verlauf zu beobachten, Leberkarzinome oder Leberzirrhose können folgen. Bis zu 25% der Erkrankten sterben an den Folgekrankheiten der Hepatitis B (Leberzirrhose, Leberzellkarzinom). Etwa 5% der HBV-Infizierten sind zusätzlich an Hepatitis D erkrankt, wobei die sekundäre HDV-Infektion schwerer verläuft (second-hit) als die simultane HBV-HDV-Infektion.
Bei einer Hepatitis B-Infektion in der Schwangerschaft hat die Schwangerschaft keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf bei der Mutter und auch das Kind wird nicht infiziert. Erst mit der Geburt droht eine vertikale Transmission.
Symptome: Die Krankheit kann sich in Gelbsucht (weniger als 50%), Fieber, Abgeschlagenheit, Bauchschmerzen und Verdauungsbeschwerden äußern. In vielen Fällen verläuft die Infektion auch subklinisch.
Diagnose: Die Sicherung der Diagnose und Differenzierung der Krankheitsausprägung erfolgt mit dem serologischen Antigen- (HBs, HBe) und Antikörpernachweis (Anti-HBc, Anti-HBs, Anti-HBe), evtl. strebt man auch einen Nachweis viraler DNA an.
Antigene: Der Nachweis von Virus-Antigenen (HBs-Ag, HBe-Ag) spricht für eine virale Aktivität, das Virus repliziert sich und man muß von einer akuten oder chronischen Hepatitis B ausgehen. Patienten mit HBe-Ag im Blut sind hoch ansteckend aber auch bei alleinigem HBs-Ag im Blut besteht Ansteckungsgefahr (wegen der möglichen HBe-Minus-Variante muß ein negatives HBe auch nichts heißen).
Antikörper: Anti-HBs sind Zeichen einer Ausheilung, da sie meßbar auftreten, nachdem das HBs-Antigen eliminiert wurde (HBs-Serokonversion). Man findet sie auch nach erfolgreicher Hepatitis B Impfung. Anti-HBs zeigt also eine Immunität gegen das HBV an. Anti-HBc-IgM spricht für das Vorliegen einer akuten Hepatitis. Anti-HBcIgG findet man sowohl im späteren akuten Stadium, bei der chronischen Infektion wie auch nach einer Ausheilung. Anti-HBe können in der Heilungsphase einer akuten Hepatitis auftreten, nachdem das HBe eliminiert wurde (HBe-Serokonversion). Ihr Auftreten bei chronischer Hepatitis zeigt eine Verbesserung und eine verminderte Ansteckungsgefahr an.
Serokonversion: Beim akuten Verlauf eliminieren die erscheinenden Antikörper das Antigen, d.h. im Test fällt das Antigen ab, die Antikörper werden positiv. Bei HBe ist das etwa 3 Wochen nach Krankheitsbeginn der Fall. HBs fällt nach sechs Wochen ab, wobei oft erst weitere 3 bis 6 Monate später das anti-HBs nachweisbar wird. Die HBs-Serokonversion unterbleibt (d.h. HBs persistiert) in etwa 10 bis 20% der Fälle, was man als chronische Infektion deutet. Zum HBe: Leider gibt es auch HBe-Minus-Mutanten, so dass negative HBe- oder anti-HBe-Werte keine Aussage liefern.
Siehe zur Tabelle auch die Serologie-Kurven unter Wong's Virology - Hepatitis B oder Infekt.ch.
HBV-Serologie - Typische Konstellationen
Transaminasen | anti-HBc-IgM | anti-HBc-IgG | HBs | Anti-HBs | HBe | anti-HBe | Diagnose: |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Leberzell-
schädigung |
Frische Infektion | Infektion hat stattgefunden | Virus-
vermehrung |
Abgelaufene Infektion (oder Z.n. Impfung) | Virus-
vermehrung |
? | |
n | - | - | - | - | - | - | kein Erregerkontakt |
n | - | - | - | + | - | - | Z.n. HBV-Impfung |
n | - | - | + | - | - | - | unspezifische Reaktion -> Nachkontrolle |
n oder + | - | - | + | - | + | - | Akute HBV-Infektion ohne Immunantwort (vor Serokonversion, Immunsuppression, neonatale Infektion), unspez. Reaktion |
n oder + | + | + | + | - | + | - | Frische Infektion oder chronischer Schub. |
n oder + | + | + | + | - | - | + | Frische Infektion mit HBe-Serokonversion (günstiger). |
n oder + | + | + | - | - | - | +/- | Kürzlich abgelaufene Infektion (Diagn. Fenster HBs -> anti-HBs), Chronifizierung ohne Anti-HBs noch nicht sicher auszuschließen. |
n | + | + | - | + | - | + | Kürzlich abgelaufene Infektion |
n | - | + | - | + | - | +/- | Ausgeheilte, länger zurückliegende Infektion |
n oder + | - | + | + | - | + | - | Chronische Infektion |
n oder + | - | + | + | - | - | + | Chronische Infektion mit HBe-Serokonversion |
n oder + | - | + | - | - | - | +/- | Infektion hat kürzlich stattgefunden (diagn. Fenster HBs-Serokonversion) oder sehr alt. Auch HBV-Infektion mit low level HBs-Ag oder Prä-S-Mutante möglich. |
Transaminasen | anti-HBc-IgM | anti-HBc-IgG | HBs | Anti-HBs | HBe | anti-HBe | Diagnose |
Quelle: Fachaerzte.com - Hepatitis-Serologie
DNA: Früher hat man die DNA-Messung bei Hepatitis B zur Diagnose unklarer Fälle oder zur Abschätzung der Ansteckungsgefahr eingesetzt. Heute ist die Messung auch für die Diagnose und Beobachtung der chronischen Hepatitis wichtig. Wenig Virus-DNA im Blut spricht für eine ruhende Infektion, viel DNA für eine aktive chronische Hepatitis.
Nach den Mutterschaftsrichtlinien erfolgt eine Bestimmung von HBsAg in der 32-36. SSW (möglichst kurz vor der Entbindung).
Therapie: Im Akutstadium (d.h. in den ersten Monaten nach der Infektion) wird eine Hepatitis B gewöhnlich nur symptomatisch therapiert, da die Erkrankung in 90-95% der Fälle von selbst ausheilt.
Für eine chronische Hepatitis B stehen inzwischen mehrere Medikamente zur Verfügung, die allerdings i.d.R. keine Heilung versprechen, sondern nur den Verlauf verbessern können: Interferon-alpha und pegyliertes Interferon (das Interferon wird mit einem verzweigten Polyethylen-Glykol-(PEG)-Molekül versehen, so dass es als Depotpräparat nur einmal pro Woche verabreicht werden muss), Lamivudin und Adefovirdipivoxil. Weitere Wirkstoffe werden zur Zeit in Studien geprüft.
Selten (bis zu 3%) kann unter der Interferon-Therapie auch das HBsAg aus dem Blut verschwinden, was einer Heilung gleichkommt. Welcher Patient wann therapiert werden muss und mit welchem Medikament, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei sehr mildem Verlauf wird eine chronische Hepatitis B meist nur beobachtet.
Vorbeugung: Eine Impfung (aktive Immunisierung) ist möglich, wird bei allen Kindern und Jugendlichen empfohlen und ist als Bestandteil in den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (StIKo) der Bundesrepublik Deutschland im Impfkalender enthalten. Vor allem Personen in Heil- und Pflegeberufen, Dialysepatienten, Promiskuitive, Drogenabhängige, nach HBV-Exposition (Stichverletzung) und Reisende in Risikogebiete sollten nicht auf den Impfschutz verzichten.
Zur Vorbeugung der beschriebenen hohen perinatalen Infektionsgefahr bei infizierter Mutter (aufgrund des Schwangeren-Screenings sollte eine mütterliche Infektion bekannt sein) sollte das Kind innerhalb von 12 Stunden nach der Geburt eine Simultanimpfung (aktiv und passiv) bekommen. Dieser Impfschutz muss einen Monat nach der 1. Impfung durch eine 2. und abschließend 6 Monate nach 1. Impfung durch eine 3. Impfung mit dem Hepatitis-B-Impfstoff wiederum in kindgemäßer Dosierung.
Weblinks: