Medizinische Mikrobiologie: Reoviridae
Rotavirus
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Rotaviren oder Rota-Viren gehören zur Familie der Reoviridae. Sie wurden 1973 in Dünndarmbiopsien von erkrankten Kindern entdeckt. Rotaviren sind die häufigste Ursache für schwere Diarrhoen. Bei klinisch relevanten Durchfallerkrankungen sind Rotaviren mit einem Anteil von 35-52% vertreten. In den Entwicklungsländern sterben insbesondere wegen der unzureichenden medizinischen Versorgung nach Schätzungen der WHO etwa 850.000 Kinder im Jahr an einer Rotavirus-induzierten Dehydratation. Rotaviren sind auch im Tierreich weit verbreitet, so haben z.B. Rotavirusinfektionen von Kälbern im veterinärmedizinischen Bereich eine große wirtschaftliche Bedeutung.
Eigenschaften: Rotaviren sind 76nm große RNA-Viren mit einem doppelschaligen Kapsid. Eine Hülle ist nicht vorhanden. Das Genom besteht aus 11 doppelsträngigen RNA-Segmenten von 0,6 bis 3,3kb Länge. Jedes dieser Segmente kodiert ein virales Protein. Durch die Segmentierung des Genoms besteht die Möglichkeit der Reassortantenbildung. Es existieren eine Reihe von Serotypen, Einteilung ist komplex und umfasst Gruppen, Subgruppen, G- und P-Typen.
Klinik: Die Infektion mit Rotaviren erfolgt meist klassisch fäkal-oral. Kontaminierte Lebensmittel oder in einigen Ländern kontaminiertes Trinkwasser spielen eine Rolle. Nach einer Inkubationszeit von 1-3 Tagen treten die klinischen Symptome, häufig Erbrechen, gefolgt von hohem Fieber und Durchfall auf. Bei schweren Krankheitsverläufen kann die Diarrhoe zur lebensbedrohlichen Exsikkose führen und zum Tod innerhalb weniger Stunden durch Dehydratation. Die übliche Erkrankungsdauer kann 6 bis 8 Tage betragen.
Epidemiologie: Rotaviren sind weltweit verbreitet. Bis zum Ende des dritten Lebensjahres haben die meisten Kinder (>90%) bereits eine Rotavirusinfektion durchgemacht. Im Laufe der ersten Lebensjahre werden infolge von Kontakten mit Rotaviren zunehmend Antikörper gebildet. Frühere Erkrankungen können bei einer späteren Reinfektion mit demselben bzw. anderen Rotaviren-Typen vor erneuter Erkrankung schützen. Im Erwachsenenalter treten Erkrankungen vor allem als Reisediarrhoe auf, wobei ca. 20% der Reisediarrhoen durch Rotaviren bedingt sein. Die schwersten Krankheitsverläufe sind in der Altersgruppe zwischen 6 Monaten und 2 Jahren zu finden. In den gemäßigten Klimazonen sind Rotavirusinfektionen hauptsächlich während der Wintermonate zu beobachten, da sich die Erreger im warmen, trockenen Klima der geheizten Wohnungen leichter verbreiten. Außer bei Kindern sind schwere Erkrankungen durch Rotavirusinfektion bei alten Menschen oder Immunsupprimierten zu verzeichnen.
Diagnose: Der Nachweis von Rotaviren erfolgt aus dem Stuhl meist mittels ELISA, Elektronenmikroskopie oder PCR. Virusisolierung, RNA-Elektrophorese und Nukleinsäurehybridisierungsreaktion sind nur in wenigen Laboratorien etabliert. Sofortdiagnostik ist heute mittels Schnelltests ebenfalls möglich.
Prophylaxe: Vorbeugend ist die Einhaltung allgemeiner Hygienestandards, wobei Desinfektionsmaßnahmen im Normalfall wenig Erfolg haben. Als Schutzwirkung ist das Vorhandensein von Antikörpern im Darm entscheidender. Eine Schluckimpfung gegen Rotaviren wurde 1998 in den USA in den normalen Impfplan aufgenommen, aufgrund des Verdachts auf Zunahme von Nebenwirkungen in Form von Darm-Invaginationen jedoch 1999 wieder zurückgezogen. Nach intentiven klinischen Studien sind seit dem 2. Quartal 2006 wieder Rotavirus-Impfungen für unter 3-Jährige in Europa und USA zugelassen, es stehen 2 Impfstoffe unterschiedlicher Hersteller zur Verfügung. Ohne Impfung erkrankt bis zum 5. Lebensjahr nahezu jedes Kind an Rotaviren. Eine spezielle Therapie existiert nicht.
Therapie: Die wichtigste Maßnahme bei einer Exsikkose <5% ist die orale Flüssigkeitszufuhr mit Glucosehaltiger Elektrolytlösung. Gelegentliches Erbrechen spricht nicht dagegen. Ggf. kann eine Magensonde gelegt werden. Wichtig ist es rechtzeitig zu erkennen, wann die Flüssigkeits- und Eletrolytzufuhr intravenös fortgesetzt werden muß. Indikationen für die i.v.-Gabe sind: Schock (bei >10% Exsikkose), die Unfähigkeit der ausreichenden oralen Flüssigkeitszufuhr, Säuglinge mit deutlich beeinträchtigtem Allgemeinzustand und schwere Malnutrition.
Von der Einnahme von Antidiarrhoika ist abzuraten, da diese die Ausscheidung des Erregers verzögern und den Krankheitsverlauf verlängern. Infizierte Kinder dürfen keine öffentlichen Gemeinschaftseinrichtigen, wie z.B. Kindertagesstätten, besuchen. Eine Infektion ist der Kindertagesstätte zu melden.
Weblinks: RKI - Rotaviren
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