Wikijunior Europa/ Sowjetunion

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Russische Föderation

Anhang

Glossar
Projektdefinition

Das Staatsgebiet der Sowjetunion.
Die Flagge der Sowjetunion.

Die Sowjetunion (ausführlich: Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, abgekürzt: SU oder UdSSR) war von 1922 bis 1991 das größte Land der Erde und reichte von der Ostsee und dem Schwarzen Meer über den Ural und Sibirien bis zum Pazifik. International übernahm die Russische Föderation Rechte und Pflichten der UdSSR.[1]

Die Hauptstadt war Moskau. Die Währung war der Rubel.

Ein paar Fakten

Übersichtskarte.

Die meisten Angaben über Landschaft und Klima sowie über die Bevölkerung findet ihr in den Kapiteln über die heutigen Staaten. Hier stehen Informationen, die für die Sowjetunion wichtig waren.

Land und Leute

Die Sowjetunion bestand nach dem Zweiten Weltkrieg aus diesen Teilstaaten, die 1991 selbständige Staaten wurden (Litauen 1990).

Flagge Unionsrepublik der UdSSR
Heutiger Staat
Fläche km² Einwohner (1989) Hauptstadt
Russische SFSR
Russische Föderation
17.075.200  147 Mio.  Moskau
Teilstaaten in Europa
Weißrussische SSR
Weißrussland
207.600  10,1 Mio.  Minsk
Estnische SSR
Estland
45.226  1,5 Mio.  Tallinn
Lettische SSR
Lettland
64.589  2,6 Mio.  Riga
Litauische SSR
Litauen
65.301  3,7 Mio.  Vilnius
Moldauische SSR
Moldawien
33.843  4,3 Mio.  Chișinău
Ukrainische SSR
Ukraine
603.700  51,7 Mio.  Kiew
 Teilstaaten zwischen Europa und Asien
Armenische SSR
Armenien
29.800  3,3 Mio.  Eriwan
Aserbaidschanische SSR
Aserbaidschan
86.600  7,0 Mio.  Baku
Georgische SSR
Georgien
69.700  4,3 Mio.  Tiflis
Kasachische SSR
Kasachstan
2.717.300  16,7 Mio.  Alma-Ata
 Teilstaaten in Asien
Kirgisische SSR
Kirgisistan
198.500  4,3 Mio.  Frunse [2]
Tadschikische SSR
Tadschikistan
143.000  5,1 Mio.  Duschanbe
Turkmenische SSR
Turkmenistan
488.100  3,5 Mio.  Aschgabad
Usbekische SSR
Usbekistan
447.400  19,9 Mio.  Taschkent
  UdSSR insgesamt 22.402.223  286,7 Mio.  Moskau

Erläuterungen

  • Unionsrepublik: Name der Unionsrepublik
  • Heutiger Staat: Staat, der nach Auflösung (1991) der Sowjetunion entstanden ist oder die Unabhängigkeit von der UdSSR erklärt hat
  • SFSR: Sozialistische Föderative Sowjetrepublik
  • SSR: Sozialistische Sowjetrepublik

In der gesamten Sowjetunion hatten die Russen die dominierende Stellung. In allen Teilrepubliken gab es einen großen Anteil an Russen; sie machten oft die Hälfte der Bevölkerung aus. Ebenso war Russisch die vorherrschende Sprache auch dort, wo es nicht die Amtssprache war. Die Hauptsprache der Teilrepubliken wurde ebenfalls wie eine Amtssprache benutzt. Außerdem gab es zahlreiche Minderheiten mit eigenen Sprachen.

Die Sowjetunion war atheistisch eingestellt. Die Ausübung der Religion war immer wieder verboten oder unterlag umfangreichen staatlichen Einschränkungen. Zahlreiche Priester wurden ermordet oder in Arbeitslager deportiert. Erst in den späten 1980er Jahren wurde die staatliche Haltung wieder etwas lockerer, bis schließlich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Religionsfreiheit kam.

Wichtige Personen

Lenin – Wladimir I. Uljanow (1870–1924)

Lenin war ein kommunistischer Politiker in Russland (KPdSU). Er war die treibende Kraft: um eine straff organisierte Partei aus Berufsrevolutionären („Kaderpartei“) aufzubauen, um in der Oktoberrevolution die Macht zu übernehmen und um sie im Bürgerkrieg (auch mit massivem Terror) zu sichern.

Stalin – Josef W. Dschugaschwili (1878–1953)

Stalin war seit 1922 Generalsekretär der KPdSU, setzte sich nach Lenins Tod innerhalb der KPdSU gegen Trotzki durch und übernahm nach und nach auch die wichtigsten staatlichen Funktionen. Während seiner Regierungszeit errichtete Stalin eine totalitäre Diktatur mit umfangreichem Terror bis zu seinem Tod.

Leo Trotzki (1879–1940)

Trotzki (eigentlich: Lew D. Bronstein) war ein kommunistischer Theoretiker und Revolutionär, der viele Jahre mit Lenin zusammenarbeitete. Nach der Oktoberrevolution übernahm er verschiedene Funktionen. Nach Lenins Tod unterlag er im Machtkampf innerhalb der KPdSU gegen Stalin, wurde 1927 verbannt, ging 1929 ins Exil und wurde 1940 im Auftrag Stalins in Mexiko ermordet.

Lawrenti Beria (1899–1953)

Beria war ab 1938 Chef der Geheimdienste der Sowjetunion. Auch wenn bei seiner Amtsübernahme die längste Zeit der „Stalinschen Säuberungen“ bereits vorbei war, war er verantwortlich für zahlreiche Verbrechen und Massenmorde wie dem Massaker von Katyn und für die Deportationen mehrerer Volksgruppen in den 1940er Jahren, in deren Folge mindestens eine halbe Million Menschen starben. Kurz nach Stalins Tod wurde er verhaftet und erschossen.

Nikita S. Chruschtschow (1894–1971)

Chruschtschow war von 1953 bis 1964 Parteichef der KPdSU. Zunächst Anhänger Stalins, auch bei dessen „Säuberungen“, kritisierte er 1956 in einer „Geheimrede“ den Personenkult um Stalin und seine Verbrechen. Sein Verhalten in der Kuba-Krise 1962 brachte die Welt an den Rand des Dritten Weltkriegs. Fehlende wirtschaftliche Erfolge und schlechte Personalpolitik führten zum Verlust des Rückhalts im Zentralkomitee. Er wurde 1964 als Parteichef und Ministerpräsident abgesetzt; er war der erste und einzige Parteichef, der „in Rente“ ging und nicht während seiner Amtszeit starb.

Leonid I. Breschnew (1907–1984)

Breschnew gilt als „Generalsekretär der Stagnation“. Die Meinungsfreiheit wurde wieder massiv eingeschränkt, die Strafen bei politischen Gesetzesverstößen deutlich verschärft und Stalin in besserem Licht dargestellt. Im August 1968 sorgte Breschnew durch die Invasion von Truppen für das Ende der Reformbewegung in der Tschechoslowakei. Mit der „Breschnew-Doktrin“ wurden die Vormacht der Sowjetunion und die begrenzte Souveränität der anderen Ostblockstaaten festgeschrieben.

Michail S. Gorbatschow (* 1931)

Gorbatschow wollte nach der Erstarrung unter Breschnew die Sowjetunion modernisieren. Dazu benutzte er Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umstrukturierung) in der politischen Arbeit. Er erkannte die politischen Fehler seit Stalins Zeiten und die Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges an. Auch distanzierte er sich von der „Breschnew-Doktrin“; dadurch konnten die Länder des Warschauer Pakts ihre Staatsform künftig selbst bestimmen. Diese neue Freiheit führte 1989 zu den friedlichen Revolutionen in Osteuropa, beendete den Kalten Krieg und ermöglichte die deutsche Wiedervereinigung. Er erhielt 1990 den Friedensnobelpreis.

Boris N. Jelzin (1931–2007)

Jelzin wurde im Juni 1991 zum Präsidenten der russischen Teilrepublik (RSFSR) gewählt (er amtierte bis 1999). Im August 1991 während des Putsches gegen Gorbatschow nahm er öffentlich Stellung gegen die Putschisten und sorgte mit Unterstützung der Bevölkerung für das Scheitern des Putsches. Im November 1991 verbot Jelzin die KPdSU auf dem Gebiet der RSFSR. Nach der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine im Dezember erklärten Jelzin und seine Amtskollegen aus der Ukraine und Weißrussland die Auflösung der Sowjetunion.

Einige Daten

In Russland galt bis Anfang 1918 noch der Julianische Kalender, der zu diesem Zeitpunkt um 13 Tage hinter dem Gregorianischen Kalender „herhinkte“. Bei Kalenderdaten aus der Zeit davor muss deshalb immer gesagt werden, welcher Kalender gemeint ist. Die folgende Aufstellung bezieht sich auf den Gregorianischen Kalender.

12.03.1917 Die „Februarrevolution“ beendet die Zarenherrschaft in Russland. An die Stelle der Zarenherrschaft tritt zunächst ein Nebeneinander von Parlament (Duma) und Räten (russ. Sowjet). Die Duma setzt eine Provisorische Regierung ein. 27.02.1917 nach dem Julianischen Kalender.
07.11.1917 Mit der „Oktoberrevolution“ übernehmen die Kommunisten (Bolschewiken) unter Führung Lenins die Macht. 25.10.1917 nach dem Julianischen Kalender.
30.12.1922 Gründung der Sowjetunion
05.03.1953 Tod Stalins, Ende des stalinistischen Terrors
25.02.1956 Geheimrede Chruschtschows auf dem 20. Parteitag der KPdSU, in der er die Verbrechen Stalins aufdeckte und verurteilte.
04.10.1957 Der erste Satellit „Sputnik 1“ wurde in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht.
12.04.1961 Der erste bemannte Weltraumflug: Juri Gagarin umkreiste einmal die Erde.
11.03.1985 Gorbatschow wird Generalsekretär.
19.08.1991 Putschversuch in Moskau; gescheitert am Widerstand der Bevölkerung unter Führung von Boris Jelzin
21.12.1991 Erklärung von Alma-Ata über die Auflösung der Sowjetunion

Geschichte

Die Entstehung

Der für das Russische Reich (Zarenreich) ungünstige Verlauf des Ersten Weltkriegs hat die sozialen Spannungen verschärft. Das führte zur Februarrevolution 1917, in der der Zar und sein Adel entmachtet wurden. Die liberale Übergangsregierung wurde in der kommunistischen Oktoberrevolution unter der Führung Lenins vertrieben; die Kommunistische Partei setzte rigoros ihren Machtanspruch durch.

Dies führte zu einem Bürgerkrieg (von 1917 bis 1920, teilweise bis 1922) zwischen der „Roten Armee“ unter Trotzkis Führung und der „Weißen Armee“, einer gemischten Gruppe von Adligen, Konservativen, Demokraten, gemäßigten Sozialisten und Nationalisten. Der Krieg wurde von beiden Seiten erbittert und brutal besonders auch gegen die Zivilbevölkerung geführt; insgesamt acht Millionen Menschen verloren ihr Leben. Die Beteiligung anderer Länder trug sehr zu seiner Länge und Heftigkeit bei. Den Sieg erzielten die „Roten“, die einen großen Teil der Länder des bisherigen Russischen Reiches wieder zu einem Staat vereinten. Dieser Staat wurde ab Dezember 1922 zur Sowjetunion.

Die Entwicklung

Von Lenin zu Stalin

Lenins Tod 1924 führte zu einem erbitterten Nachfolgekampf, in dem sich Stalin, seit 1922 Generalsekretär der Kommunistischen Partei, gegen Trotzki durchsetzte. Stalin festigte seine Macht durch gezielten Terror gegen seine Widersacher (von 1926 bis 1927 Trotzki u.a. und von 1929 bis 1930 gegen Bucharin u.a.) sowie gegen jeden, der im Verdacht stand, mit ihnen zu sympathisieren.

Gleichzeitig wurde die Industrialisierung vorangetrieben, nachdem Russland unter den Zaren ein rückständiges, feudalistisches Agrarland geblieben war.[3] Ab 1928 wurde die Wirtschaft Fünfjahrplänen unterworfen und die Landwirtschaft kollektiviert. Der Widerstand der Bauern, als „Kulaken“ diffamiert, wurde rücksichtslos gebrochen. Die Folgen einer riesigen Hungersnot an der Wolga, in der Ukraine und im ganzen Land kostete mehrere Millionen Menschen das Leben.

Terror unter Stalin

Während seiner Regierungszeit verstärkte Stalin die totalitäre Diktatur. Er ließ während der „Stalinschen Säuberungen“ (1936–1939) vermeintliche und tatsächliche Gegner verhaften, in Schau- und Geheimprozessen zu Zwangsarbeit verurteilen oder hinrichten. Millionen weiterer Sowjetbürger und ganze Volksgruppen besetzter Gebiete wurden umgesiedelt oder in Strafarbeitslager („Gulag“) deportiert. Viele wurden dort ermordet oder kamen durch die unmenschlichen Bedingungen ums Leben.

Zu Stalins Erfolgen wird die sowjetische Industrialisierung gezählt. Unter seiner Regierung wurde die Sowjetunion von einem rückschrittlichen Agrarstaat zur Weltmacht. Als wichtiger Partner zuerst des nationalsozialistischen Deutschlands im Hitler-Stalin-Pakt und später der Alliierten hatte er einen entscheidenden Einfluss auf Beginn und Verlauf des Zweiten Weltkrieges sowie auf die Nachkriegsgestaltung Europas.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen alle Länder, die die Sowjetunion vom nationalsozialistischen Deutschland befreit hatten, unter die Vorherrschaft der Sowjetunion oder wurden annektiert: Estland, Lettland, Litauen, Ukraine und Weißrussland wurden Teil der UdSSR; Polen, DDR, Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien wurden Teil des Ostblocks. Nur Jugoslawien, das sich unter Tito selbst befreit hatte, konnte die Vorherrschaft der Sowjetunion verhindern.

Chruschtschow und Breschnew

Nach Stalins Tod 1953 gab es zwar innen- und außenpolitisch etwas Lockerung. Aber der „Kalte Krieg“ mit dem Wettstreit der Systeme (Kommunismus im Ostblock gegen Liberalismus der westlichen Staaten) und Aufrüstung auf beiden Seiten wurde fortgesetzt. Auch hat die Sowjetunion die Freiheitsbewegungen in den Ostblockländern mit militärischer Gewalt unterdrückt (DDR 1953, Ungarn 1956, Polen 1956/1970/1980, Tschechoslowakei 1968). Wirtschaft und Technik wurden weiterentwickelt (Erdölförderung, Chemieindustrie, Elektrifizierung, Weltraumforschung), und auch die Landwirtschaft sollte produktiver werden.

Aber die Sowjetunion litt an den Schwächen der Planwirtschaft und der damit verbundenen Bürokratie. Auch das Wettrüsten zwischen Ost und West verstärkte diese Probleme. Das Bemühen der UdSSR, trotz einer erheblich geringeren Wirtschaftskraft bei der militärischen Aufrüstung mit den NATO-Staaten zu konkurrieren, belastete die Volkswirtschaft erheblich und führte zu Konflikten in der Partei- und Staatsführung, welche Schwerpunkte zu bevorzugen seien: Schwerindustrie, Leichtindustrie, Landwirtschaft oder Konsumgüterindustrie.

Die Auflösung

Unter Gorbatschow wurden die Probleme der Sowjetunion deutlich. Er versuchte mit seiner Politik von Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umgestaltung), Wirtschaft und Gesellschaft zu modernisieren. Auch in der Bevölkerung wurde nun immer offener Kritik geäußert. Die Parteiführung wollte die Kontrolle über die weitere Gestaltung behalten, wurde jedoch von der Entwicklung überrollt.

Außenpolitisch verzichtete Gorbatschow auf die Breschnew-Doktrin, dass die Ostblockstaaten nur begrenzt souverän seien. Dies führte 1989 zu den fast immer friedlichen Revolutionen in Osteuropa.[4] Gorbatschow plante weder den Zerfall des Warschauer Paktes noch den der Sowjetunion, aber er akzeptierte das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Im März 1990 erklärte Litauen seine Unabhängigkeit, im Laufe des Jahres 1991 alle anderen Teilrepubliken der UdSSR. Schließlich übergab Gorbatschow im Dezember 1991 das Amt des Staatspräsidenten der SU, das er seit Anfang 1990 ausübte, an Jelzin, den Präsidenten der russischen Teilrepublik. Am 26. Dezember 1991 wurde die Auflösung der Sowjetunion beschlossen; am 31. Dezember beendete sie ihre Existenz.

Das politische System

Die grundlegenden politischen Entscheidungen wurden von der wichtigsten politischen Institution des Landes, der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), getroffen. – Die Strukturen und die Namen der Gremien haben sich immer wieder einmal geändert; aber die Grundlagen blieben so bestehen, wie es hier beschrieben ist.

KPdSU – „die“ Partei

Die KPdSU war die einzige Partei in der Sowjetunion und deshalb die relevante politische Macht; sie hatte bis zu 19 Millionen Mitglieder (1987). Das höchste Organ war der Parteitag, der aber (seit 1961) nur einmal innerhalb von fünf Jahren einberufen werden musste. Er legte die Linie der Partei in der Innen- und Außenpolitik fest und wählte das Zentralkomitee als höchstes Parteigremium für die Zeit zwischen den Parteitagen.

Das Zentralkomitee (ZK) musste mindestens einmal in sechs Monaten zu einer Plenarsitzung zusammentreten. Es befasste sich u.a. mit der Personalpolitik der Partei und wählte den Generalsekretär, das Politbüro und die Mitglieder des Sekretariats des ZK. Das Sekretariat des ZK führte die laufende Arbeit des ZK aus und lenkte die Arbeit der zentralen staatlichen Organisationen; beispielsweise war ein ZK-Sekretär dem jeweiligen Ministerium gegenüber weisungsberechtigt.

Das Politbüro und der Generalsekretär führten die Partei und bestimmten ihre politische Arbeit.

Die staatliche Struktur

Formal war die Sowjetunion eine Union ziemlich selbständiger Teilstaaten. Tatsächlich wurde das Land überwiegend zentralistisch regiert. Auf allen Ebenen (Gemeinden, Regionen, Teilrepublik, SU) gab es „Räte“ (russisch: Sowjets) als gewählte Volksvertretungen. In der Regel gab es nur einen Kandidaten, der von der KPdSU oder (unter ihrer Kontrolle) von ihrer Jugendorganisation oder von der Gewerkschaft aufgestellt war.

Das Parlament der Sowjetunion hieß Oberster Sowjet. Es bestand (seit 1977) aus 750 direkt „gewählten“ Mitgliedern und 750 Vertretern der Teilrepubliken und autonomer Regionen. Er wählte den Ministerrat und das Präsidium des Obersten Sowjets. Während der Oberste Sowjet nur zweimal jährlich tagte, war das Präsidium ständig das gesetzgebende Organ. Sein Vorsitzender war das Staatsoberhaupt. Der Ministerrat dagegen hatte die ausführende Gewalt.

Der Oberste Sowjet und sein Präsidium waren sowohl für die Verwaltung und Gerichtsbarkeit des Landes als auch für die Wirtschaft zuständig.[5] Entscheidend war aber immer der Einfluss der KPdSU und ihrer Vertreter.

Kommunismus, Marxismus-Leninismus

Der Kommunismus ist eine politische Zielvorstellung, die auf der Kritik von Karl Marx und Friedrich Engels am kapitalistischen System im 18. und 19. Jahrhundert beruht.

Damals wurden die Arbeiter in den Ländern der Industrialisierung (vor allem England und Frankreich, später ebenso Deutschland) von den Kapitalisten – den Besitzern der Unternehmen – ausgebeutet: Kinder von sieben Jahren mussten in Bergwerken arbeiten, ein Arbeitstag dauerte mehr als 12 Stunden, niedrigste Löhne, kein Urlaub, keine Krankenversicherung, keine Altersversorgung. Dagegen setzten Marx und Engels die Vorstellung, dass die Arbeiterklasse sich organisieren müsse, um in einer Revolution die politische Macht zu erobern und die Kapitalistenklasse zu enteignen. Diese Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln (Boden, Fabriken, Maschinen etc.) sei die wichtigste Voraussetzung für eine Entwicklung zum Kommunismus.

Nach und nach würden die Klassengegensätze und die Klassen selbst verschwinden. Die kommunistische Gesellschaft wäre eine klassenlose Gesellschaft, in der die freie Entwicklung eines jeden Menschen die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. Auf dem Weg dahin müssten die Arbeiter über die Ausbeuter herrschen („Diktatur des Proletariats“). Marx und Engels erwarteten, dass diese Entwicklung zuerst in den industrialisierten Ländern einsetzen würde, die ausgebeuteten Arbeiter über eine Revolution die Macht ergreifen würden und den Weg zum Kommunismus beschreiten würden. – Alle diese Überlegungen können als Marxismus zusammengefasst werden.

Tatsächlich waren die sozialistischen Parteien in den Industriestaaten mehr an der konkreten Verbesserung der Lage der Arbeiter interessiert als an einer ungewissen Zukunft.[6] Die marxistische Revolution blieb aus; stattdessen entwickelte sich ein Ausgleich der Interessen zwischen Arbeitern und Kapitalisten.

Aus dieser Entwicklung zogen Lenin, Trotzki und Stalin den Schluss, dass die kommunistische Revolution von einer revolutionären Partei eingeleitet werden müsste, notfalls auch in einem wenig industrialisierten Land wie Russland. Die Partei müsse aktiv werden und der Arbeiterklasse zur Macht verhelfen. Wenn sich die Arbeiter nicht selbst organisieren (oder es wie in Russland zu wenig Arbeiter gibt), dann müsse die kommunistische Partei anstelle der Arbeiter auftreten und die Diktatur des Proletariats einführen. – Alle diese Überlegungen wurden von Stalin als Marxismus-Leninismus zusammengefasst und in der Sowjetunion (und auch in der DDR) als offizielle Weltanschauung vertreten.


Wikipedia hat einen Artikel zum Thema:
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Siehe auch

Über Wikipedia gibt es weitere Informationen zur Sowjetunion, beispielsweise:

Allgemeine Übersichten

Zur Geschichte

Personen

Einzelthemen


Hinweise

  1. Weil die Russische Sowjetrepublik die größte Teilrepublik war, wurde in den westlichen Ländern die Sowjetunion sehr oft als „Russland“ oder „Sowjetrussland“ und die Sowjetbürger als „Russen“ bezeichnet. Beide Formulierungen waren aber falsch.
  2. Der heutige Name von Frunse lautet Bischkek.
  3. Unter Feudalismus versteht man eine Gesellschaft, in der die meisten Einwohner Bauern waren. Sie waren aber nicht Eigentümer des Bodens, sondern abhängig von den „Feudalherren“, oft als Leibeigene. In Russland wurde die Leibeigenschaft erst 1861 abgeschafft.
  4. Es gab nur vereinzelt Übergriffe von Polizei und Armee, wie in der DDR um den 7. Oktober herum oder in der Tschechoslowakei etwa am 17. November. Die große Ausnahme war Rumänien, in dem der Terror der Staatssicherheitspolizei Securitate von Teilen der Armee gebrochen werden musste und der Diktator Nicolae Ceaușescu nach einem kurzen Schauprozess hingerichtet wurde.
  5. Dabei gab es sehr viele Einzelministerien, die oft für sehr differenzierte Aufgaben (z.B. Elektrotechnische Industrie oder Hoch- und Tiefbaumaschinen) verantwortlich waren. Siehe unter Zusammensetzung des Ministerrats.
  6. In Deutschland gab es innerhalb der SPD von 1890 bis 1918 Auseinandersetzungen, ob die SPD eine revolutionäre Partei sein solle oder sich vor allem für Reformen in der Gesellschaft einsetzen solle. Diese Auseinandersetzungen endeten mit der Gründung der revolutionären KPD zum 1. Januar 1919; von da an ist die SPD endgültig eine reformistische Partei innerhalb der bestehenden Gesellschaft.