Gitarre: Vom Akkord zum Powerchord

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Theorie[Bearbeiten]

Was ist überhaupt ein Powerchord?

Als Tonbeispiele gehen wir mal von einem C-Powerchord aus. Meist wird ein Powerchord mit einer nachgestellten 5 dargestellt. Also C5 oder C(5) oder auch C5; seltener als Cno3. Powerchords bestehen nur aus dem Grundton (C) und Quinte (G) Eine Quinte (aus dem lateinischen: der Fünfte) ist von einem Grundton ausgehend der 5. Ton in einer Tonleiter. Von C ausgehend zählt man: C D E F G. Also ist G die Quinte von C. So kommt auch die 5 zustande, welche man den Powerchords nachstellt.

Sehr oft wird noch die Oktave [1] (C') mit zu den beiden Tönen gespielt. Die Oktave ist aber nichts anderes als eine Verdopplung des Grundtons. (also C+G oder C+G+C'). Obwohl man insgesamt 3 Töne spielt, zählen für die Harmonie nur der Grundton und die Quinte. Wer wissen will, warum die Quinte so besonders gut zu dem Grundton passt, der sollte sich mal eingehender mit dem Thema Obertöne befassen. Doch die physikalischen Hintergründe (Akustik) würden den Rahmen dieses Kapitels sprengen.

Etwas seltener besteht ein Powerchord aus Grundton (C) und der Quarte abwärts (G): G+C entspricht der Umkehrung der Quinte C+G.

Grundton (C) und Quinte(G) (bzw. deren Umkehrung) kommen bei allen Dur- und Moll-Akkorden vor. Es stellt bei Akkorden gewissermaßen das Grundgerüst dar.[2]

Die meisten Akkorde bestehen also aus Grundton (C) und reiner Quinte (G). Bei den normalen Dur- und Moll-Akkorden kommt noch die Terz [3] (E oder Eb) mit hinzu. [4]

Dem Powerchord fehlt jedoch diese Terz (kein E, kein Eb). So kommt es auch zu der Akkordbezeichnung Cno3. Man kann also einem einzelnen Powerchord nicht ansehen, ob er zu Dur oder Moll gehört. Für sich alleine ist ein Powerchord also (ton-)geschlechtslos. Diese Unbestimmtheit kann durchaus Absicht sein. Aber es heißt nicht zwingend, dass Powerchords immer außerhalb von Dur und Moll existieren. Die fehlenden Harmonien, die über Dur oder Moll entscheiden, werden oftmals von den andren Instrumenten oder von der Gesangsstimme geliefert. [5] Oft lässt sich auch aufgrund der Nachbar-Akkorde herauslesen, um welches Tongeschlecht es sich handelt und ob der Powerchord eher ein abgespeckter Dur-Akkord oder ein abgespeckter Moll-Akkord ist.

Die Ableitung über einen Barré-Akkord[Bearbeiten]

Da es sich nur um zwei Töne handelt (C+G), gibt es gar nicht so viele Griffmöglichkeiten. Wenn man sich beim Spielen nur auf die vier tiefen Saiten der Gitarre beschränkt, kann man ganze Stücke mit nur einer Fingerstellung begleiten!

Natürlich muss man dazu wissen, wo man diesen Fingersatz hinsetzen muss. Und dazu muss man sich auf dem Griffbrett auskennen. Wer vorher schon Barré-Akkorde gespielt hat (siehe Rockdiplom), ist dem „Anfänger“ in Sachen Position der Powerchords natürlich klar im Vorteil.

Ein Powerchord kann man sich nämlich als einen abgespeckten Barré-Akkord vorstellen.

Anstelle des gesamten Barré-Zeigefingers wird also nur der Grundton (Zeigefinger) mit der Quinte (Ringfinger) gespielt, und sehr oft kommt noch die Oktave (kleine Finger) mit hinzu.

Wie man sieht, ist ein Powerchord letztlich viel einfacher zu greifen, als ein Barré-Akkord. Jedoch die Sache hat einen kleinen Nachteil. Weil ein Powerchord-Akkord so leicht zu greifen ist, fangen viele E-Gitarrenspieler zuerst mit Powerchords an. Man hat schnell ein paar gute Effekte auf die E-Gitarre gebracht. Aber alle Grundlagen, was die elementare Harmonielehre angeht, müssen hinterher mühsam nachgearbeitet werden. Doch Powerchords können gerade Anfänger zu einer gewissen Faulheit verleiten, sich weitere Griffe und Fähigkeiten anzueignen.

Wer vorher schon die Grundakkorde und die Barré-Akkorde gelernt hat, der hat es da wesentlich einfacher. Wer noch keine Barré-Akkorde können sollte, braucht sich aber nicht zu ärgern, denn die Powerchords sind dafür eine prima Vorübung. Doch lasse dich von den ersten Erfolgen nicht dazu verleiten, es mit den anderen Grundlagen nicht mehr so genau zu nehmen.

Anwendung in der Praxis[Bearbeiten]

Die Powerchords gehören wie die Barré-Griffe zu den verschiebbaren Akkorden. Die Besonderheit bei den Powerchords ist, dass sie sich nicht nur horizontal (Bünde), sondern auch vertikal (E- und A-Typ[6]) verschieben lassen! Daher sollte man sich zumindest ein wenig auf dem Griffbrett orientieren können. Für den Anfang genügt es jedoch, sich die Lage der Töne auf den oberen beiden Saiten einzuprägen.

Griffbrett mit ganzen Noten
Griffbrett mit ganzen Noten

Wer Barré-Akkorde schon beherrscht, kann sich das Lernen vereinfachen, da er sowohl den Namen als auch die Position des Barré-Akkordes schon kennt, und von diesem nur den Grundton und die Quinte (5) sowie die Oktave (8 bzw. 1) zu spielen braucht, um einen gleichnamigen Powerchord zu haben (natürlich ohne Dur und Moll).

Später, wenn man über eine Dur- oder Mollpentatonik improvisieren möchte, dann kann der Powerchord eine gute Orientierung bilden, da er als eine Art Rückgrat sowohl eines Akkordes als auch einer Improvisationsskala dienen kann.[7]

Anschlagtechniken[Bearbeiten]

Die Schwierigkeit bei den Powerchords liegt darin, dass spezielle Anschlagtechniken benötigt werden, um den Akkord gut klingen zu lassen.

So dürfen hier ausschließlich die gegriffenen Saiten angespielt werden. Zum einen sollte man daher üben, nur zwei bzw. drei Nachbarsaiten zu treffen, zum anderen sollte man die Saiten, die nicht mitgespielt werden, abdämpfen. Dieses erreicht man am einfachsten, indem der Finger, der z.B. die A-Saite (= tiefste gegriffene Saite im Powerchord) greift, die daneben liegende tiefe E-Saite leicht mit der Spitze des Zeigefingers berührt, so dass sie nicht mehr mitschwingen kann.

Bei Powerchords spielt man meist mit einem Plektrum. Man kann auch zum Üben nur mit den Fingern anschlagen, aber es klingt oft zu dumpf. Zum anderen mögen die Finger nicht unbedingt die schnellen Rhythmen aus dem Rock/Metal-Genre. Das Plektrum nutzt sich nicht so schnell ab wie die Fingerkuppen.

Mitunter werden Powerchords aber gewollt mit Dämpfung gespielt. In diesem Fall wird der Handballen der anschlagenden Hand nahe der Brücke leicht auf die Saiten gelegt. Damit erreicht man zum Beispiel, dass darauffolgende ungedämpfte Powerchords oder sonstige Zwischenstücke auf den höheren Melodiesaiten viel stärker hervortreten. Durch Änderung von Druck und Position des Auflagepunkts lässt sich die Dämpfung und damit der Klang steuern. Wichtig ist dabei, dass die Dämpfung gleichmäßig über alle am Akkord beteiligten Saiten verteilt ist.

Man kann Powerchords auch abdämpfen, indem man die Finger der linken Hand kurzfristig etwas anhebt. Dadurch entsteht der perkussive (rhythmisch betonte), knackige Sound von Rhythmuslinien in Rock, Pop und Heavy Metal. Wie "fett" das ganze klingt, entscheidet die Anschlaghärte und der Verzerrungsgrad des Verstärkers.

Beim Spielen von Powerchords werden meist Downstrokes (also abwärts gerichtete Schläge) gespielt. Erst wenn man schneller spielt (z.B. bei Triolen bzw. Tripletts) nimmt man den Wechselschlag (aufeinanderfolgende Auf- und Abschläge).

Powerchords auf den verschiedenen Saiten[Bearbeiten]

Powerchord mit Grundton auf der E-Saite Der kleine Finger (4) ist die Oktave des Grundtons (1) und kann auch weggelassen werden (wird sehr oft verwendet)
Powerchord mit Grundton auf der A-Saite Der kleine Finger (4) ist die Oktave des Grundtons (1) und kann auch weggelassen werden (wird sehr oft verwendet)
Powerchord mit Grundton auf der D-Saite Der kleine Finger (4) ist die Oktave des Grundtons (1) und kann auch weggelassen werden. Wegen der Stimmung zwischen der G- und H-Saite rutscht die Oktave einen Bund weiter. (wird seltener verwendet)
Powerchord mit Grundton auf der G-Saite Der kleine Finger (4) ist die Oktave des Grundtons (1) und kann auch weggelassen werden. Wegen der Stimmung zwischen der G- und H-Saite rutschen Quinte und Oktave einen Bund weiter. (wird seltener verwendet)
Powerchord mit Grundton auf der B-Saite (wie beim C-Dur-Akkord) (wird seltener verwendet)

Am beliebtesten sind jedoch die beiden ersten Powerchords-Formen, die sich auf die oberen vier Saiten beschränken. Also die E- und die A-Form. Besonders Anfänger reicht es oftmals aus, sich mit denen vorerst zu begnügen.

Die wichtigsten Powerchords auf dem Griffbrett[Bearbeiten]


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    {e,1\6 f,\6 fis,\6 g,\6 
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      \\
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   >> 
%  \mark "4x"
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Da Powerchords naturgemäß sehr sparsam klingen, kommen sie fast ausschließlich in Verbindung mit übersteuerten Verstärkern zum Einsatz. Verzerrt können diese Akkorde von "crunchig" bis "Kampfjet im Tiefflug" klingen.

Ihr großer Vorteil liegt in der Einfachheit und Verschiebbarkeit der Griffmuster, wodurch sie sich sehr schnell spielen lassen. Die Verschiebbarkeit führt außerdem dazu, dass man Slides mit ganzen Akkorden anstatt nur mit einzelnen Noten durchführen kann, was zu einem interessanten Klangbild führt.


  1. Eine Oktave (lat.: der Achte) ist von einem Grundton ausgehend der 8. Ton in einer Tonleiter. Von C ausgehend zählt man: C D E F G A H C. Also ist das hohe C die Oktave vom tiefen C.
  2. Es gibt zwar neben der reinen Quinte (G) noch eine verminderte (Gb) und eine übermäßige (G#) Quinte, doch diese wollen wir vorerst außer acht lassen, da diese eigentlich nicht mehr zu den Powerchords gezählt werden. Verminderte oder übermäßige Intervalle klingen zudem etwas schräg und werden daher eher selten gespielt. Es reicht, davon schon mal etwas gehört zu haben.
  3. Eine Terz (lat: der Dritte) ist von einem Grundton ausgehend der 3. Ton in einer Tonleiter. Von C ausgehend zählt man: C D E. Also ist E (ungeachtet der Vorzeichen) die Terz von C.
  4. Die Terz entscheidet in einem Akkord, ob es sich um Dur oder Moll handelt, je nach dem, ob es sich um eine große (E) Dur-Terz oder eine kleine (Eb) Moll-Terz handelt.
  5. Wer schon einmal Klavier o.ä. gespielt hat, der kennt wahrscheinlich den Oktavgriff (C+C') bzw. den Quint-Oktavgriff (C+G+C') als Begleittechnik. Die linke Hand spielt als Begleitung nur den Grundton (C), die Quinte (G) und die Oktave (C'), während der Rest des Akkordes (E oder Eb) von der rechten Hand gespielt werden. Scherzhaft wird der Quint-Oktavgriff(C+G+C') manchmal auch "Affengriff" genant, da man beim Piano ganz schön die Finger spreizen muss. Die Gitarre mit dem Powerchord übernimmt also in einer Band die ähnliche Rolle, wie die linke Hand beim Piano-Spieler. Später einmal kann dieses Hintergrundwissen dazu verwendet werden, um beispielsweise einen Klavier-Begleitsatz auf zwei Gitarren zu übertragen.
  6. E-Typ: 1.) Ein Akkord, der so aussieht, wie ein E-Akkord (Dur oder Moll) der mit einem Capo in einen entsprechenden Bund verschoben wurde. Nur, dass anstelle eines Capos der Zeigefinger verwendet wird. 2.) Eine Skala o.a. die sich von dem Akkordtyp ableiten lässt. siehe: Akkordformen
  7. Bei der Improvisation werden sehr oft Akkordtöne umspielt, oder die Akkordtöne bilden den Ausgangs- oder Zielpunkt einer Improvisation. Grundton und Quinte (die zusammen den Powerchord ergeben) sind natürlich wichtige Akkordtöne. Mit diesen hat man ein Minimalgerüst, an dem man seine Improvisation „aufhängen“ kann. Mit dem Powerchord im Blick verliert man auch bei der Improvisation nicht den Bezug zum Akkord.