Natur: Einleitung
Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand. Charles Darwin
Ein Weltbild setzt sich durch
[Bearbeiten]Die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör geschafft hat Sigmund Freud Die Zukunft einer Illusion
Es gibt viele Weltbilder, die man zur Grundlage des eigenen Denkens machen kann. Das naturwissenschaftliche Weltbild ist dabei vielleicht eine Ausnahme. Kein anderes Weltbild war bisher so erfolgreich. Kein anderes Weltbild kann sich einer so weiten Verbreitung in den Schulen, Medien und in unseren Köpfen erfreuen. Die Sprache des naturwissenschaftlichen Weltbildes ist leise, aber unüberhörbar. Viele andere Weltbilder bauen auf dem naturwissenschaftlichen Weltbild auf oder müssen ihre eigenen Grundlagen den naturwissenschaftlichen Tatsachen anpassen.
Grundlegende Eigenschaften
[Bearbeiten]Man muss den Begriff naturwissenschaftlich im Kontext folgender grundlegender Sätze sehen:
Es hat vielleicht den Anschein, dass das naturwissenschaftliche Weltbild ein in sich stimmiges und abgeschlossenes System von Naturgesetzen ist. Das ist nicht der Fall. Es gibt noch viele offene Fragen in diesem Weltbild, und auch grundlegende Dinge sind keineswegs endgültig geklärt. Offenheit wird also notgedrungen zu einer Tugend dieses Weltbildes, denn es kann sich immer wieder einmal etwas ändern und die offensichtlichen Widersprüche sind ein Ansporn zur Weiterentwicklung.
Zu den offenen Fragen gibt es in diesem Wikibuch ein eigenes Kapitel: Offene Fragen des naturwissenschaftlichen Weltbildes
Kein anderes Weltbild unterzieht die eigenen Grundlagen immer wieder einer so fundamentalen Kritik. Die Kritik reicht aber auch nach außen. Alle anderen Weltbilder werden dieser bohrenden Kritik und der Suche nach der Wahrheit unterworfen.
Zur Kritik am naturwissenschaftlichen Weltbild gibt es in diesem Wikibuch ein eigenes Kapitel: Kritik am naturwissenschaftlichen Weltbild
Die Mathematik ist eigentlich keine Naturwissenschaft. Sie hat sich aber als die universelle Sprache erwiesen, in der die Gesetze der Natur am knappsten zu beschreiben sind.
Die Vernunft, das klare, folgerichtige Denken ist Grundlage jeder Naturwissenschaft, auch wenn dies nicht immer so erscheinen mag. Der rationale Grundgedanke ergibt sich schon aus der Charakterisierung des Weltbildes als mathematisch, denn die Logik ist ein Teilgebiet oder eine Grundlage der Mathematik.
Der rationale Grundgedanke geht darüber aber noch hinaus: Er lehnt alle unüberprüfbaren, überirdischen Begründungen ab: Im naturwissenschaftlichen Weltbild geht alles mit rechten Dingen zu. Bei ungelösten Fragen der Natur ist es bislang immer erfolgreicher gewesen, nach einer natürlichen Erklärung zu suchen und auf übernatürliche Erklärungen zu verzichten.
Das Emotionale in den Naturwissenschaften
[Bearbeiten]- Henry David Thoreau
„Die Hochzeit der Seele mit der Natur macht den Verstand fruchtbar und erzeugt die Phantasie.“
Dass das naturwissenschaftlichen Weltbild aber durchaus auch emotional sein kann, mögen die weiteren Sätze zeigen:
Die belebte und unbelebte Natur ist die entscheidende Lebensgrundlage für uns Menschen. Wenn die Natur so eine wichtige Bedeutung für den Menschen hat, weshalb machen wir sie dann eigentlich nicht zur Basis unserer Überzeugungen ?
Wenn wir zum Himmel schauen, dann sehen wir die Sterne, den Mond, die Sonne und die Planeten. Sie folgen auf ihrer Bahn durch den Weltraum relativ einfachen Gesetzen, die völlig ohne unser Zutun ablaufen. Diese Gesetze zeigen uns die Gleichförmigkeit und Unabänderlichkeit in manchen Bereichen der Natur.
Wenn wir die große Vielfalt der Lebewesen auf dieser Erde anschauen, so lehrt sie uns den Reichtum der Formen und Überlebensstrategien, die Kompliziertheit, die Abhängigkeit und die Anpassungsfähigkeit.
Die Natur macht sich das Zufallsprinzip zunutze, um eine große Vielfalt von Formen zu entwickeln und daraus dann geeignete auszuwählen, d.h. die Natur war und ist auch heute noch schöpferisch tätig.
Die Natur hat einen wichtigen Beitrag zur Frage nach der Sinnbewertung unseres Tuns gegeben, denn die Selektion von besser an die Umwelt angepassten Lebensformen ist auch eine Art Sinnbewertung. Vieles menschliche Tun muss sich dem Überlebensprinzip unterwerfen und erhält dadurch einen für jeden verstehbaren Sinn. Vielen mag dieser Überlebenstrieb als Sinn des Lebens zu einfach sein. Sie können einen oder viele weitere Sinngebungen für ihr Leben finden. Trotzdem ist das Überleben ein zentraler Aspekt des Lebendigen.
Die Natur zeigt uns viele Tricks und Möglichkeiten zum Überleben auch in einer lebensfeindlichen Umgebung auf. Sie ist also unsere große Lehrmeisterin, von der es noch sehr viel zu lernen gilt. Hat man wieder einen ihrer Tricks erkannt und eventuell für den Menschen nutzbar gemacht, so belohnt sie uns mit einem Hochgefühl, an ihrem Wissenschatz teilzuhaben.
Die Natur hat schon vor dem Menschen die Sprache erfunden, wie sie beispielsweise im genetischen Code verwirklicht ist. Sie hat die Gesetze der Informationstheorie berücksichtigt, denn sie hat beispielsweise durch Redundanz und Fehlerkorrektur die Speicherung und Übertragung von Informationen sicher und steuerbar gemacht.
Bei all dem muss sich der Mensch der Natur weder überlegen noch unterlegen vorkommen. Die Natur ist keine Person, kein Gott. Man braucht sich von ihr nicht ständig wie von einem großen Bruder beobachtet zu fühlen. Die Natur hat keine eigene Persönlichkeit und kein eigenes Bewusstsein.
Dennoch kann man zur Natur ein durchaus gefühlsbetontes Verhältnis entwickeln. Diese Gefühle zur Natur können sehr heiter und fröhlich sein. Leider werden sie aber heute häufig durch eine Traurigkeit belastet, die aus der Einsicht der unnötigen Zerstörung von Teilen der Natur durch uns Menschen herrührt.
Der Mensch hat sehr erfolgreich seine eigene Kultur entwickelt, die über die Natur hinaus geht. Möglichkeiten und Probleme, die aus dieser schöpferischen Leistung des Menschen, der Kultur, herrühren, sind den Naturgesetzen unterworfen. Trotzdem hat der Mensch in diesem Gebiet einen Bereich geschaffen, den er in gewissen Grenzen selbst gestalten kann.