Betrag, Maximum und Minimum – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Aus Wikibooks

Nachdem wir in den vergangenen Kapiteln die Anordnungsaxiome eingeführt haben, führen wir nun die ersten Begriffe ein, die direkt auf der Ordnung der reellen Zahlen aufbauen.

Maximum und Minimum[Bearbeiten]

Definition[Bearbeiten]

Das Maximum zweier Zahlen gibt die größere der beiden Zahlen zurück, während das Minimum die kleinere Zahl zurückgibt. Beide Funktionen sind folgendermaßen definiert:

Definition (Maximum)

Definition (Minimum)

Es ist genauso möglich, das Maximum und Minimum von endlich vielen Zahlen anzugeben. Hierzu definieren wir

und

Beachte, dass es nur möglich ist, das Maximum und Minimum von endlichen Mengen auszurechnen. Für eine Verallgemeinerung des Maximums und Minimums auf unendliche Mengen werden wir später die Begriffe vom „Supremum“ und vom „Infimum“ einführen.

Charakteristische Eigenschaften von Minimum und Maximum[Bearbeiten]

Das Maximum und das Minimum erfüllen folgende Eigenschaften für beliebige reelle Zahlen , und , welche für diese Funktionen charakteristisch sind:

Satz (Maximum und Minimum sind genauso groß, wie die größte, bzw. kleinste Zahl die sie enthalten.)

Jede reelle Zahl, die größer ist als das Maximum zweier beliebiger reellen Zahlen und , ist auch größer als beide Zahlen. Umgekehrt gilt auch: Jede reelle Zahl, die kleiner ist als das Minimum zweier beliebiger reellen Zahlen und ist auch kleiner als beide Zahlen.

Beweis (Maximum und Minimum sind genauso groß, wie die größte, bzw. kleinste Zahl die sie enthalten.)

Beweisschritt:

Nach der Definition des Maximums gilt . Hier müssen wir also zwei Fälle untersuchen: und den umkehrten Fall. Durch die Trichotomie muss hier gelten , da und bereits im ersten Fall betrachtet werden.

Fall 1:

Da nun nach Definition des Maximums gilt können wir einsetzen und erhalten damit die immer wahre Aussage . Daher wissen wir nun durch die Trichotomie und können über die Transitivität folgern. (Beachte, das nach Definition und äquivalent sind.)

Fall 2: ("sonst")

Im zweiten Fall können wir setzen und wir wissen bereits, dass sein muss. Also können wir schreiben . Die Transitivität sagt uns, dass wir diesen Ausdruck auch als schreiben können. Der Ausdruck ist aber nach der Definition von immer Wahr.

Beweisschritt:

Analog zur obigen Fallunterscheidung sollten wir auch hier untersuchen, wie sich welcher Fall auswirkt. Setzt man die jeweilige Bedingung für das Maximum ein, ergibt sich eine wahre Aussage für beide Fälle:

Fall 1:

Fall 2: ("sonst")

Beweisschritt:

Betrachten wir zunächst wieder die Definition des Minimums so fällt auf, dass wir wieder zwei Fälle beachten müssen: und das "sonst". Im Sinne der Trichotomie muss hier gelten da und durch den ersten Fall ausgeschlossen werden.

Fall 1:

Nach Definition des Minimums können wir in diesem Fall einsetzen. Da wir außerdem noch wissen, dass gelten muss, erhalten wir und durch die Transitivität .

Fall 2: ("sonst")

Ähnlich dem ersten Fall können wir und das Minimum gleichsetzen (), was nach der Definition des Minimums gelten muss. Daher muss gelten. Durch die Transitivität der Relation können wir das zu auseinander ziehen. Auch der Ausdruck ist immer wahr, da immer dann wahr ist, wenn auch wahr ist (Siehe Definition von ).

Beweisschritt:

Setzt man die jeweilige Bedingung für in den zu zeigenden Ausdruck ein, so erhalten wir für die beiden möglichen Fälle immer eine wahre Aussage.

Fall 1:

Fall 2: ("sonst")


Diese Eigenschaften werden in der Analysis genutzt, um obere bzw. untere Schranken auszurechnen. Wenn beispielsweise eine Variable gleichzeitig größer oder gleich und größer oder gleich sein soll, so definieren wir . Dann ist nämlich garantiert, dass und .

To-Do:

Abschnitt muss ausgebaut werden:

  • Frage muss beantwortet werden: Warum sind die obigen Äquivalenzen charakteristisch für das Maximum und das Minimum?

Betrag [Bearbeiten]

Definition[Bearbeiten]

Erklärung des Betrags. (YouTube-Video vom Kanal Quatematik)
Verlauf der Betragsfunktion.

Der Betrag (auch Betragsfunktion oder Absolutbetrag genannt) gibt den Abstand einer Zahl zur Null zurück. Er ist definiert über:

Definition (Betrag)

Der Betrag einer reellen Zahl ist definiert durch

ist der Abstand zwischen und .

In der Analysis werden wir den Betrag vor allem in der Form kennen lernen. Dieser Term gibt den Abstand der Zahlen und und damit eine Art „Fehler“ zwischen und wieder. In der Analysis werden wir diesen Abstand verwenden, um das Konzept des Grenzwertes zu beschreiben.

Verständnisfrage: Warum ist ?

Wegen Trichotomie ist entweder , oder .

Fall 1:

Aus folgt , also und damit . Es ist dann

Fall 2:

Ist , dann ist auch , weil Null ihr eigenes Negative ist. Entsprechend ist

Fall 3:

Aus folgt , also und damit . Es ist dann

Charakteristische Eigenschaft[Bearbeiten]

Für das Maximum und Minimum haben wir folgende charakteristische Eigenschaft kennen gelernt:

Aus dieser können wir eine für Beweise nützliche Eigenschaft für Beträge ableiten. Ersetzt man nämlich durch , ergibt sich:

Daraus folgt:

Es ist also genau dann , wenn und ist. Analog ist genau dann , wenn und .

Eigenschaften (Übersicht)[Bearbeiten]

Es folgt eine Zusammenfassung aller wichtigen Eigenschaften des Betrags. Dabei habe ich auch die Form aufgeführt, die dir in den Beweisen der Analysis oft begegnen wird:

Eigenschaft des Betrags Eigenschaft für den Abstand

Beweise der Betragseigenschaften[Bearbeiten]

Die Null ist die einzige Zahl mit Betrag null[Bearbeiten]

Satz (Die Null ist die einzige Zahl mit Betrag null)

Es ist genau dann der Betrag einer Zahl 0, wenn die Zahl selbst 0 ist. Es gilt also

Beweis (Die Null ist die einzige Zahl mit Betrag null)

Beweisschritt:

Für ist .

Beweisschritt:

Nach der Definition des Betrags folgt aus , dass ist. Nun impliziert die beiden Ungleichungen und . Damit folgen aus die beiden Ungleichungen und . Nach Multiplikation von der Ungleichung mit erhalten wir . Damit haben wir die beiden Bedingungen und . Mit der Antisymmetrie der Kleiner-Gleich-Relation („Aus und folgt “) erhalten wir .

Alternativer Beweis (Die Null ist die einzige Zahl mit Betrag null)

Beweisschritt:

Für ist .

Beweisschritt:

Gegeben sei . Nach der Definition des Betrags ist . Somit ist oder . Für bzw. gibt es nichts mehr zu beweisen. Andererseits folgt aus bzw. , dass ist (Spiegelung bei Bildung des Negativen). Da aber das Negative der Null die Null selbst ist, folgt aus , dass ist. In beiden Fällen oder folgt also , womit dieser Beweisschritt gezeigt ist.

Multiplizität[Bearbeiten]

Satz (Multiplizität)

Es ist .

Beweis (Multiplizität)

Fall 1: und beliebig

Es ist .

Fall 2: beliebig und

Es ist .

Fall 3: und

Es folgt und damit .

Fall 4: und

Es folgt und damit . Wegen ist . Somit haben wir .

Fall 5: und

Es folgt und damit . Wegen ist . Somit haben wir .

Fall 6: und

Es folgt und damit .

Dreiecksungleichung[Bearbeiten]

Satz (Dreiecksungleichung)

Für alle reellen Zahlen und ist .

Beweis (Dreiecksungleichung)

Aus und folgt („Monotonie der Addition“). Analog folgt aus und , dass , also ist (wiederum „Monotonie der Addition“). Da entweder oder ist, ist auch .

Die Dreiecksungleichung werden wir vor allem nutzen, um Abstände nach oben abzuschätzen. In die Differenz kann nämlich ein Term eingeschoben werden, also

Der Abstand kann also über die Abstände und nach oben abgeschätzt werden. Der obige Trick wird in der Analysis häufig verwendet.

Abschätzung des Abstands nach unten[Bearbeiten]

Satz (Abschätzung des Abstands nach unten)

Es ist .

Beweis (Abschätzung des Abstands nach unten)

Es ist

und damit nach Umformung der Ungleichung

Analog folgt aus

die Ungleichung

Insgesamt ist also sowohl als auch kleiner als . Damit ist

Betrag des Quotienten[Bearbeiten]

Satz (Betrag des Quotienten)

Für Quotienten ist

Beweis (Betrag des Quotienten)

Es ist wegen der Multiplizität des Betrags:

Durch Multiplikation von auf beiden Seiten der Gleichung erhalten wir die zu beweisende Gleichung.

Alternativer Beweis (Betrag des Quotienten)

Gegeben sei . Wegen der Multiplizität des Betrags gilt: . Wir haben somit: . Durch Multiplikation von auf beiden Seiten der Gleichung erhalten wir die zu beweisende Gleichung.

Beweise der Abstandseigenschaften[Bearbeiten]

Abstand mit Betrag Null[Bearbeiten]

Satz (Abstand mit Betrag null)

Der Abstand zwischen und ist genau dann null, wenn und identisch sind. Es gilt also

Beweis (Abstand mit Betrag null)

Gegeben sei . Sei nun , so dass ist. Da die Null die einzige Zahl mit dem Betrag null ist, gilt:

Durch Rücksubstitution ergibt sich:

bzw.

Multiplizität des Abstands[Bearbeiten]

Satz (Multiplizität des Abstands)

Es ist .

Beweis (Multiplizität des Abstands)

Gegeben sei . Sei nun , so dass . Daraus folgt (Multiplizität des Betrags und Rücksubstitution):

Dreiecksungleichung für den Abstand[Bearbeiten]

Satz (Dreiecksungleichung für den Abstand)

Für alle reellen Zahlen und ist .

Beweis (Dreiecksungleichung für den Abstand)

Gegeben seien und . Sei nun und , so dass . Wegen der Dreiecksungleichung gilt nun: . Durch Rücksubstitution erhalten wir: bzw. .

Abschätzung des Abstands nach unten[Bearbeiten]

Satz (Abschätzung des Abstands nach unten)

Es ist .

Beweis (Abschätzung des Abstands nach unten)

Es ist

und damit nach Umformung der Ungleichung

Analog folgt aus

die Ungleichung

Insgesamt ist also sowohl als auch kleiner als . Damit ist

Betrag des Quotienten[Bearbeiten]

Satz (Betrag des Quotienten)

Für Quotienten ist

Beweis (Betrag des Quotienten)

Gegeben sei . Sei , so dass . Nun aber gilt (Betrag des Quotienten): . Daraus folgt (durch Rücksubstitution), dass .