Pharmakologie und Toxikologie: Virostatika

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Neben der Behandlung durch Virosstatika sind die aktive Immunisierung und die Infektionsvermeidung (z.B. bei HIV) die wichtigsten Maßnahmen gegen virale Infektionen.

Angriffspunkte[Bearbeiten]

Angriffspunkt Wirksstoffe Anwendung
Fusion mit der Wirtsmembran Fusionsinhibitoren
  • Enfuvirtid
HIV
Uncoating Uncoating- und Penetrationshemmer
  • Amantadin
Influenza
Reverse Transkriptase (RT) Nukleotidische Reverse Transkriptase-Hemmer (NRTI)
  • Adefovir
Hepatitis B
Nukleosidische Reverse Transkriptase-Hemmer (NRTI)
  • Lamivudin (3TC)
Hepatitis B, HIV
Reverse Transkriptase-Hemmer

Nukleosid-Analoga (NRTI):

  • Zidovudin/Azidothymidin (AZT)
  • Didanosin (DDI)
  • Zalcitabin (DDC)
  • Stavudin (D4T)
  • Abacavir

Nukleotid-Analoga (NRTI):

  • Tenofovir

Nicht-Nukleosid-Analoga (NNRTI):

  • Nevirapin
  • Efavirenz
  • Delaviridin
HIV
Integration in das Wirtsgenom Anti-Sense
  • Fomivirsen
CMV-Retinitis
Transkription/Translation Nucleosid-Analoga DNA-Polymerase-Hemmer
  • Aciclovir
  • Brivudin
  • Famciclovir
  • Penciclovir
  • Valaciclovir
HSV, VZV
Nucleosid-Analoga Polymerase-Hemmer
  • Ganciclovir
  • Valganciclovir

Nucleosid-Analoga Polymerase-Hemmer

  • Cidofovir

Pyrophosphat-Analoga

  • Foscarnet
CMV
Nukleosid-Analoga
  • Ribavirin
Hepatitis C
Reifung Protease-Hemmer
  • Saquinavir
  • Nelfinavir
  • Ritonavir
  • Indinavir
  • Amprenavir
  • Darunavir
HIV
Virusausschleusung Neuraminidaseinhibitoren
  • Zanamivir (Relenza®)
  • Oseltamivir (Tamiflu®)
Influenza
Zytokine Interferone:
  • Interferon-α-2a
  • Interferon-α-2b
  • Interferon-β-1a
  • Interferon-β-1b
  • Interferon-γ-1β
Hepatitis B und C

Anm.: Die NRTI sind bis auf Adefovir und Tenofovir Nukleosid-Analoga.

Virostatika gegen HSV und VZV[Bearbeiten]

Aciclovir[Bearbeiten]

Aciclovir.
Guanosin.

W.: Aciclovir (Acycloguanosin) wird durch die virale Thymidinkinase zu Aciclovir-Monophosphat phosphoryliert. Zelluläre Kinasen wandeln Aciclovir-P in Aciclovir-Triphosphat um. Aciclovir-3P ist ein Strukturanalogon des Guanosin-3P, bindet mit hoher Affinität an die virale DNA-Polymerase und führt zum Kettenabbruch. Gute Wirkung gegen HSV, weniger gut gegen VZV (Varizellen).

Eigenschaften: Wegen der notwendigen Aktivierung durch die virale Thymidinkinase wirkt Aciclovir spezifisch in virusbefallen Zellen, allerdings nur bei Virusvermehrung (statisch!).

Aciclovir-Lösungen sind stark alkalisch, bei pH 7 ist Aciclovir schlecht wasserlöslich.

UAW.: Irritation der Venen bei i.v.-Gabe, Nephrotoxizität (Kristallurie), neurologische Störungen, Transaminasenanstieg, evtl. GI-Beschwerden, allergische Reaktionen.

PK.: El. renal

WW.: Probenecid verzögert die Aciclovir-Ausscheidung -> Anstieg des Aciclovirspiegels.

Anw.: HSV (Lippenherpes, Herpes genitalis, Herpes ophtalmicus, Herpesinfektionen bei Immunkompromitierten) und VZV (Zoster ophthalmicus, generalisierter Zoster, Zoster bei Immunkompromitierten, nicht bei Windpocken). Unwirksam gegen EBV und CMV, die keine Thymidinkinase kodieren.

Appl.: p.o., i.v. (langsam!), topisch

KI.: SZ, Cave bei Niereninsuffizienz

Zu beachten!: Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (Niere!), keine Bolusgabe (Infusionsdauer mind. 1 h). Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz.

Valaciclovir[Bearbeiten]

Valinester von Aciclovir. Valaciclovir ist ein Prodrug und wird in Aciclovir umgewandelt. Im Vgl. zu Aciclovir hat es eine bessere Bioverfügbarkeit.

Famciclovir[Bearbeiten]

W.: als Guanosin-Analogon wie Aciclovir (aber intrazellulär 10x längere HWZ des Triphosphats). Auch gegen EBV und CMV wirksam.

Eigenschaften: Prodrug, Umwandlung durch Esterase und Oxidase in das aktive Penciclovir

UAW.: Gastrointestinal, neurologisch

Anw.: HSV (Herpes genitalis), VZV (Herpes zoster)

Appl.: p.o.

Penciclovir[Bearbeiten]

W.: als Guanosin-Analogon, wie Aciclovir (aber intrazellulär 10x längere HWZ des Triphosphats). Auch gegen EBV und CMV wirksam.

Anw.: HSV (Lippenherpes)

Appl.: nur topisch

Brivudin[Bearbeiten]

W.: Thymidin-Analogon (u.a. ist die Desoxyribose durch Arabinose ersetzt). Wirksam gegen HSV-1 (nicht HSV-2), VZV

UAW.: Gastrointestinal, neurologisch

Appl.: p.o.

WW.: 2-Fluoruracil (Zunahme der Toxizität)

Virostatika gegen CMV[Bearbeiten]

Ganciclovir und Valganciclovir[Bearbeiten]

W.: Ganciclovir und das Prodrug Valganciclovir wirken ähnlich wie Penciclovir als Guanosin-Analoga. Ganciclovir wird in CMV-infizierten Zellen durch CMV-kodierte Kinasen zum Monophosphat phosphoryliert. Die Blockade der DNA-Polymerase ist allerdings auch in nicht-infizierten Zellen zu beobachten. Ganciclovir ist prinzipiell wirksam gegen HSV, VZV und CMV wird aber wegen der UAW fast nur bei CMV eingesetzt.

UAW.: hämatotoxisch (Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie), neurologisch (Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen), gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe), im Tierexperiment kanzerogen und teratogen

Anw.: Bei CMV-Infektionen und nur bei Immundefizienz oder Immunsuppression: schwere CMV-Infektionen, CMV-Retinitis, Therapieversuche bei schwerer EBV-Infektion

KI.: SS + SZ, Zytopenie

Cidofovir[Bearbeiten]

W.: Cidofovir ist ein Nukleotid-Analogon des Desoxy-Cytosin-Monophosphats (dCMP)

UAW.: nephrotoxisch (Prophylaxe: NaCl-Infusion und Probenecid p.o.), hämatotoxisch, terato- und kanzerogen

Anw.: Ersatzmedikament für die CMV-Retinitis bei AIDS-Patienten (nicht bei Nierenfunktionsstörungen).

KI.: Nierenfunktionsstörungen

Appl.: in Abständen von 2 Wochen (lange Halbwertszeit)

Foscarnet[Bearbeiten]

W.: Das Pyrophosphat-Analogon hemmt virale DNA-Polymerasen an der Pyrophosphat-Bindungsstelle. Wirksam gegen CMV und Herpes-Viren.

UAW.: nephrotoxisch, gastrointestinal, hämatologisch, neurologisch, Knochenstörungen, Überempfindlichkeitsreaktionen (Exanthem, Temperaturanstieg)

Anw.: Alternative zu Ganciclovir und Cidofovir bei schweren CMV-Infektionen, Anwendung bei schweren Infektionen mit Aciclovir-resistenten Herpes-Viren im Rahmen von AIDS.

Komb.: Foscarnet kann mit Zidovudin kombiniert werden.

Appl.: i.v.

Dos.: Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörungen

Antiretrovirale Therapie[Bearbeiten]

Infektionszyklus von HIV: HIV bindet mit seinen Glykoproteinen gp120 und gp41 an die CD4- und CCR5-Rezeptoren der CD4-positiven Zielzelle (T-Helfer-Zellen u.a.). Nach der Aufnahme des Nucleokapsids setzt das Virus seinen einzelsträngigen vRNA-Strang frei (Uncoating), der durch die mitgebrachte Reverse-Transkriptase um die komplementäre cDNA zum vRNA-cDNA-Doppelstrang komplettiert wird. Die RNase H und die RT bauen den RNA-Strang ab und den komplementären DNA-Strang auf, so dass nun ein DNA-Doppelstrang vorliegt. Dieser wird durch die Integrase in das Wirtsgenom integriert und nennt sich nun Provirus. Das Provirus liefert bei der Transkription sowohl vRNA, die direkt in die neuen Viren eingebaut wird, als auch mRNA, die für Struktur- und Regulatorproteine des Virus kodiert. Die translatierten Proteine werden durch Proteasen zurechtgeschnitten und organisieren sich mit der vRNA zu neuen Viren (assembly), die nun durch Knospung (budding) ausgeschleust werden.

Fusionsinhibitoren[Bearbeiten]

Enfuvirtid[Bearbeiten]

W.: Enfuvirtid ist ein Peptid aus 36 Aminosäuren und verhindert die Bindung von gp41 an das CD4-Molekül der CD4-Zelle.

UAW.: meist gut verträglich; Kopfschmerzen, Übelkeit, lokale Reaktionen an der Einstichstelle.

Anw.: HIV im Rahmen einer Kombinationstherapie.

Appl.: nur parenteral

Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI)[Bearbeiten]

Wirkstoffe: Zidovudin/Azidothymidin (AZT), Didanosin (DDI), Zalcitabin (DDC), Stavudin (D4T), Lamivudin (3TC), Abacavir, Adefovir, Tenofovir

W.: Allen RTI fehlt die 3'-OH-Gruppe, so dass es nach Bindung an die RT zum Kettenabbruch kommt.

Zidovudin[Bearbeiten]

Zidovudin/Azidothymidin (AZT) ist der Prototyp der Nukleos/tidischen Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI).

W.: Zidovudin wird durch die intrazellulärer Phosphorylierung zum Triphosphat (Thymidin-Analogon) biologisch aktiv und hemmt die RT-abhängige Ergänzung der RNA von neu (!) in die Zelle eintretenden Retroviren in cDNA.

UAW.: UAW sind nicht sicher von Krankheitssymptomen zu unterscheiden; Unverträglichkeitsreaktionen, hämatotoxische, neurotoxische und gastrointestinale Störungen. Auftretende Myopathien sind ein Grund für einen Therapieabbruch.

WW.: Die Wirkung von AZT kann abgeschwächt werden durch: Stoffwechseländerungen mit ungenügender Phosphorylierung, Verdrängung durch endogene Nukleoside, Dosierungsfehler und Resistenzbildung durch Modifikation der RT.

Komb.: mit Lamivudin = Combivir

Anw.: HIV

Alternative: Stavudin (nicht mit AZT kombinieren, da als Thymidin-Analoga gleicher Angriffspunkt).

Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI)[Bearbeiten]

Wirkstoffe: Nevirapin, Efavirenz, Delaviridin

W.: NNRTI hemmen die RT von HIV-1 (nicht HIV-2) allosterisch, die DNA-Synthese wird nicht abgebrochen (rasche Resistenzentwicklung, 100% Kreuzresistenz).

WW.: Metabolisierung über CYP3A, CYP2D6, CYP2C9 u.a.

Anw.: bei HIV, nur in Kombination

KI.: SS (Fehlbildungen)

Proteaseinhibitoren[Bearbeiten]

Wirkstoffe: Saquinavir, Nelfinavir, Ritonavir, Indinavir, Amprenavir, Lopinavir, Darunavir, Atazanavir

W.: Hemmung der Reifung von HIV-Virusprotein. Bekannt seit 1996, d.h. begrenzte Erfahrung.

UAW.: Übelkeit, Erbrechen, Transaminasenanstieg, Stoffwechselstörungen, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, allergische Reaktionen, Neutropenie, Nierenfunktionsstörungen, Fettumverteilungsstörungen

Anw.: HIV in Kombinationstherapie

CCR5 Co-Rezeptor-Antagonisten[Bearbeiten]

Der HIV-1 Subtypus R dockt an den CD4 und den CCR5 Rezeptoren gleichzeitig an. Eine Blockierung dieses Co-Rezeptors hemmt selektiv diesen Subtypus von HIV-1. Der andere - seltenere, aber virulentere - Subtypus von HIV-1 Subtypus X wird durch diese Medikamente nicht beeinflußt und vermehrt sich weiter.

Maraviroc[Bearbeiten]

UAW.: UAW sind nicht sicher von Krankheitssymptomen zu unterscheiden; vermehrtes Infektionsrisiko; Risiko der Vermehrung der besonders virulenten HIV-1 X-Viren.

Anw.: Nur zugelassen (seit November 2007) bei Resistenzbildung gegen über NRTIs, NNRTIs und PIs; keine ausreichende Langzeiterfahrung mit diesem Medikament; Reservemedikament

Hepatitis-Virostatika[Bearbeiten]

Adefovir[Bearbeiten]

W.: Das Nukleotid-Analogon hemmt virale DNA-Polymerasen von HBV, CMV und HSV

UAW.: Nephrotoxisch, Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen.

Anw.: Chronische HBV-Infektion, v.a. bei Lamivudin-Resistenz

Appl.: Adefovir parenteral, das Prodrug Adefovirdipivoxil p.o.

Lamivudin (3TC)[Bearbeiten]

W.: Cytidin-Analogon, NRTI, siehe oben bei HIV.

Anw.: HIV, HBV

(Anm.: HBV ist wie HIV ein Retrovirus.)

Ribavirin[Bearbeiten]

W.: Das Nukleosid-Analogon hemmt die GTP-Synthese, damit auch die DNA-Synthese. Wirksam gegen HCV (in Kombination mit IF) und viele andere Viren.

Anw.: Chronische HCV-Infektion, RSV, virale hämorrhagische Fieber (Lassa)

Appl.: parenteral oder p.o.

Interferone[Bearbeiten]

Influenza-Virostatika[Bearbeiten]

Neuraminidase-Hemmer[Bearbeiten]

Wirkstoffe: Zanamivir, Oseltamivir (Prodrug)

W.: Neuraminidasehemmer blockieren die Freisetzung (budding) von Influenzaviren aus der Wirtszelle. Wirksam fast nur in der Frühphase der Infektion.

UAW.: V.a. auf neuropsychiatrische Störungen bei Oseltamivir[1]

Anw.: Influenza (in Ausnahmefällen)

Amantadin[Bearbeiten]

W.: Hemmung des Uncoating bei Influenza A und C (Anwendung auch bei Morbus Parkinson)

UAW.: gastrointestinal, neurologisch, selten Hautreaktionen.

Anw.: Grippe-Prophylaxe bzw. Frühphase; Wegen der Möglichkeit der Impfung ist die Indikation stark eingeschränkt.

Quellen[Bearbeiten]

  1. . “European Medicines Agency statement on safety of Tamiflu”. European Medicines Agency Press office, March 23 2007. Doc. Ref. EMEA/134566/2007.




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