Wir entwickeln neue, interaktive Formate für die Hochschulmathematik. Nimm dir maximal 15 Minuten Zeit, um an unserer Umfrage teilzunehmen.
Mit deinem Feedback machen wir die Mathematik für dich und andere Studierende leichter zugänglich!
Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine stärkere Form der Stetigkeit. Sie leitet sich aus dem Epsilon-Delta-Kriterium der Stetigkeit ab und spielt insbesondere bei der Approximation von Funktionen eine wichtige Rolle.
Die gleichmäßige Stetigkeit baut auf dem Epsilon-Delta-Kriterium der Stetigkeit auf, weshalb wir dieses zunächst wiederholen:
Eine Funktion mit ist genau dann stetig an der Stelle , wenn es zu jedem ein gibt, so dass für alle mit erfüllt ist.
In jeden noch so kleinen Epsilon-Schlauch um liegen alle Funktionswerte einer hinreichend kleinen Umgebung um . Ein Epsilon-Schlauch ist ein Bereich bis mit um :
Eine Funktion ist genau dann an der Stelle stetig, wenn es für jeden noch so kleinen Epsilon-Schlauch ein gibt, so dass alle Funktionswerte von im Bereich von bis in diesen Epsilon-Schlauch liegen:
Dieses kann dabei sowohl von der vorgegebenen Funktion , dem Wert , als auch von der betrachteten Stelle abhängen. Die nächste Grafik zeigt ein Beispiel, bei dem der gefundene -Wert zwar für klein genug, für jedoch zu groß ist:
Daher müssen wir das nahe dem Punkt kleiner wählen und bezeichnen die -Werte an den Punkten und entsprechend mit und . Wir sehen, dass das in der Definition der Stetigkeit von der betrachteten Stelle abhängen kann. Dies ist in nachfolgender Grafik illustriert:
Das Epsilon-Delta-Kriterium garantiert uns so die Approximierbarkeit einer stetigen Funktion . Für jeden Maximalfehler und jede betrachtete Stützstelle finden wir ein , so dass sich der Funktionswert für jedes Argument im Deltabereich von um maximal unterscheidet. Für jedes Argument mit kann als Annäherung von mit einem maximalen Fehler von verwendet werden. Folgende Abbildung illustriert dies für einige eingezeichnete Stellen :
Jedoch hängen die gefundenen -Werte von der betrachteten Stelle ab. Deswegen sind die Rechtecke in der obigen Grafik auch unterschiedlich groß. Um eine gleichmäßigere Approximation zu erhalten, können wir zusätzlich fordern, dass alle Rechtecke in der Approximation gleich groß sein sollen. D.h. der -Wert soll für jedes gleich sein. Obige Abbildung sähe dann wie folgt aus:
Dies ist die Kernidee der gleichmäßigen Stetigkeit. Bei ihr findet man für ein vorgegebenes ein globales, so dass egal welche Stelle man betrachtet, jeder Funktionswert aus dem Delta-Bereich einen Abstand kleiner als von besitzt. Damit erhalten wir folgende Definition der gleichmäßigen Stetigkeit einer Funktion , welche eine gleichmäßige Approximierbarkeit ermöglicht:
Für jedes existiert ein (unabhängig von der Stelle ), so dass für jede Stelle und jedes Argument mit die Ungleichung erfüllt ist.
Damit können wir die formale Definition der gleichmäßigen Stetigkeit wie folgt aufschreiben:
Definition (Gleichmäßige Stetigkeit)
Eine Funktion ist gleichmäßig stetig auf D, falls zu jedem ein existiert, so dass sich für alle Stellen und für alle Argumente mit einem Abstand kleiner als von die Funktionswerte und um weniger als unterscheiden. In Quantorenschreibweise lautet die Definition der gleichmäßigen Stetigkeit:
Anders formuliert heißt dies, dass es zu jedem ein gibt, so dass alle Paare mit die Ungleichung erfüllen.
Die kommentierte Variante der Quantorenschreibweise lautet:
Vergleicht man die Epsilon-Delta-Definition der gleichmäßigen und der normalen Stetigkeit in Quantorenschreibweise, so fällt auf, dass zwei Quantoren vertauscht sind:
Das beruht darauf, dass bei der gleichmäßigen Stetigkeit das gefundene ein globales Delta ist, welches unabhängig von der Stelle ist. Um diese Unabhängigkeit auszudrücken, muss der Existenzquantor „“ vor dem Allquantor „“ für die Stützstellen erscheinen.
Herleitung der Negation der gleichmäßigen Stetigkeit
Eine Funktion heißt nicht gleichmäßig stetig, wenn es mindestens ein existiert, bei dem es egal für welches jeweils mindestens zwei Argumente und mit einem Abstand kleiner als gibt, so dass die Funktionswerte und mindestens einen Abstand von haben.
Gleichmäßige Stetigkeit ist eine globale Eigenschaft
Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine globale Eigenschaft einer Funktion. Dies bedeutet, dass es nur Sinn ergibt, die gleichmäßige Stetigkeit für eine Funktion als Ganzes zu betrachten. Im Gegensatz dazu ist die normale Stetigkeit eine lokale Eigenschaft. Es ist möglich, die Stetigkeit einer Funktion an nur einer Stelle zu betrachten bzw. zu definieren. Bei der gleichmäßigen Stetigkeit ist dies unmöglich.
Diese Tatsache ergibt sich aus der Definition: Bei der gleichmäßigen Stetigkeit finden wir ein globales, dessen Delta-Bereich um jede Stützstelle für eine ausreichende Approximation sorgt. Für eine einzelne Stelle ergibt es keinen Sinn zu sagen, dass das gefundene Delta eine globale Gültigkeit hat. Man braucht hier nur eines zu finden.
Um das Epsilon-Delta-Kriterium zu visualisieren, zeichnen wir um den betrachteten Punkt ein Rechteck mit der Höhe und der Breite . Um das Epsilon-Delta-Kriterium zu erfüllen, muss der Graph komplett im Inneren, aber nie direkt ober- oder unterhalb des Rechtecks verlaufen:
Nehmen wir als Beispiel die Quadratfunktion und betrachten die Stelle . Egal wie klein vorgegeben ist, wir finden stets ein , so dass der Graph komplett im Inneren des --Rechtecks liegt:
Wenn im Gegenzug die Funktion wie beim Beispiel der Vorzeichenfunktion unstetig ist, so finden wir ein , bei dem der Graph stets Werte direkt ober- oder unterhalb des Rechtecks besitzt – egal wie klein gewählt wird. Bei der Vorzeichenfunktion im Punkt ist dies zum Beispiel bei der Wahl der Fall:
Für gibt es bei der Vorzeichenfunktion für Funktionswerte, die oberhalb bzw. unterhalb des --Rechtecks liegen (rot eingezeichnete Punkte).
Egal wie klein man das wählt, gibt es Punkte im Graphen, die sich oberhalb bzw. unterhalb des --Rechtecks befinden.
Bei der gleichmäßigen Stetigkeit ist das unabhängig von der betrachteten Stelle. Damit muss der Graph komplett im Inneren des Rechtecks verlaufen, egal mit welchen Punkt des Graphen als Mittelpunkt man es betrachtet. Sprich: Für jedes muss es ein geben, so dass man das --Rechteck beliebig am kompletten Graphen entlang verschieben kann, ohne dass es Funktionswerte direkt ober- bzw. unterhalb des Rechtecks gibt:
Bei einer nicht gleichmäßig stetigen Funktion ist dies nicht möglich. Nehmen wir als Gegenbeispiel die Quadratfunktion. Für ein beliebiges können wir kein setzen, so dass der Graph überall komplett im Inneren des --Rechtecks verläuft, egal wo wir dieses Rechteck ansetzen. Zwar kann bei -Werten in der Nähe der Null der Graph im Inneren des Rechtecks liegen, weil sich dort die Quadratfunktion wenig ändert, aber je mehr wir das Rechteck nach rechts verschieben, desto stärker ist der Anstieg der Quadratfunktion. Irgendwann ist dieser so stark, dass Funktionswerte direkt oberhalb bzw. unterhalb des --Rechtecks liegen. Damit ist die Quadratfunktion ein Beispiel einer stetigen Funktion, die nicht gleichmäßig stetig ist:
Die gleichmäßige Stetigkeit ist eine Verschärfung der normalen Stetigkeit. Dies bedeutet, dass jede gleichmäßig stetige Funktion auch stetig ist. Die Umkehrung gilt aber nicht. Es gibt stetige Funktionen wie die Quadratfunktion , die nicht gleichmäßig stetig sind. Also:
Wir müssen zeigen, dass eine gleichmäßig stetige Funktion in jedem Punkt stetig ist. Dazu wird uns ein beliebiges und gegeben und wir müssen ein finden, so dass aus die Ungleichung folgt. Nun können wir die Definition der gleichmäßigen Stetigkeit anwenden. Wir erhalten ein , so dass für alle mit gilt, dass . Da diese Implikation für alle Punkte gilt, gilt sie insbesondere auch für und . Das gefundene durch die gleichmäßige Stetigkeit kann also als für die normale Stetigkeit verwendet werden.
Die Quadratfunktion ist stetig, aber nicht gleichmäßig stetig
Wie wir gesehen haben, ist jede gleichmäßig stetige Funktion auch stetig. Die Umkehrung dessen gilt jedoch nicht, weshalb wir als Beispiel nochmals die Quadratfunktion betrachten:
Wie wir im Abschnitt Visualisierung bereits gesehen haben, können wir für ein beliebiges kein festes setzen, so dass der Graph überall komplett im Inneren des --Rechtecks verläuft, egal wo wir dieses Rechteck ansetzen. Je weiter wir das Rechteck nach rechts verschieben, desto stärker der Anstieg der Quadratfunktion, so dass Funktionswerte direkt oberhalb bzw. unterhalb des --Rechtecks liegen.
Die können wir auch anhand der Epsilon-Delta-Definition der gleichmäßigen Stetigkeit sehen: . Wir wollen die Negation dieser Aussage beweisen und wollen somit zeigen: und . Betrachten wir und nehmen wir an es gäbe ein , sodass für alle reellen Zahlen mit gälte. Betrachten wir nun ein welches wir später festlegen werden. Wir nehmen die Zahlen und . Nun gilt per Konstruktion .
Wir werden nun zeigen, dass gilt.
Somit gilt weiter
Wählen wir nun so können garantieren, dass . Somit haben wir gezeigt, dass
nicht gleichmäßig stetig ist.
Baustelle: Beispiel gleichmäßig stetige Funktionen
Die Identitätsfunktion ist gleichmäßig stetig, weil wenn gilt, können wir zeigen, wenn wir wählen.
Oben haben wir gesehen, dass die Quadratfunktion auf den reellen Zahlen nicht gleichmäßig stetig ist. Schränken wir hingegen die Funktion auf ein abgeschlossenes Intervall ein, wird diese neue Funktion gleichmäßig stetig. Es gilt also zum Beispiel, dass
gleichmäßig stetig ist. Wir zeigen dies wie folgt: Es gilt
weil gilt. Damit können wir wählen und erhalten, so dass für alle mit die Abschätzung gilt.
Die Wurzelfunktion ist gleichmäßig stetig auf . Betrachte:
Sei beliebig vorgegeben. Dann ist eine geeignete Wahl:
Seien mit .
Ohne Einschränkung können wir annehmen, dass .
Dann ist auch , also folgt .
Wir wollen nun sehen, dass gilt.
Nach Voraussetzung wissen wir, dass . Damit bekommen wir:
Insgesamt haben wir also . Weil nach Voraussetzung und auch gilt, können wir aus dieser Gleichung die Wurzel ziehen und erhalten , also , was wir oben sehen wollten. Damit haben wir bewiesen, dass gleichmäßig stetig ist.
Das nächste Beispiel ist nicht gleichmäßig stetig, es handelt sich um die Funktion
welche immer schneller gestreckte Sinuswellen in der Nähe von Null darstellt. Angenommen, wäre gleichmäßig stetig, dann könnten wir ein geeignetes aus der Definition finden. Für wird die Frequenz von jedoch immer schneller, so dass nahe Null immer eine ganze Periode der Sinusfunktion im -Ball enthalten ist. Da der Abstand zwischen dem Maximum und dem Minimum einer Sinuswelle gleich ist, kann die Bedingung
niemals überall erfüllt sein, wenn ist. Dies wird noch einmal im folgenden Bild illustriert:
Wie wir gesehen haben, ist nicht jede stetige Funktion auch gleichmäßig stetig. Dies trifft jedoch zu, wenn wir den Definitionsbereich einer stetigen Funktion auf ein abgeschlossenes, kompaktes Intervall einschränken:
Satz (Heine-Cantor für )
Jede stetige Funktion ist gleichmäßig stetig.
Beweis (Heine-Cantor für )
Wir wählen einen indirekten Beweis und nehmen an, die Funktion sei nicht gleichmäßig stetig. Das heißt, es gibt ein und zu jedem gibt es zwei Punkte , so dass und .
Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß besitzt die beschränkte Folge eine konvergente Teilfolge , deren Grenzwert im Intervall enthalten ist. Dieser ist wegen ebenfalls Grenzwert der Folge .
Aus der Stetigkeit von folgt und . Daher gibt es ein , so dass und für alle . Daraus folgt nun für alle im Widerspruch zu unserer Annahme für alle . Daher war die gemachte Annahme falsch und es folgt die gleichmäßige Stetigkeit.