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Die Substitutionsregel ist eine Methode zur Bestimmung von bestimmten und unbestimmten Integralen. Diese wird aus der Kettenregel der Ableitung mit Hilfe des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung gewonnen. Durch diese Regel wird das ursprüngliche Integral in ein anderes Integrationsproblem überführt, welches idealerweise leichter zu lösen ist.
Leider gibt es im Allgemeinen keine „Formeln“ zur Bestimmung von Stammfunktionen, wie es zum Beispiel bei Ableitungen der Fall ist. Jedoch können aus den Ableitungsregeln über den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung Umformungsregeln für Integrale gewonnen werden. Die Substitutionsregel ist ein solches Beispiel: Wir wissen, dass die Kettenregel für eine Funktion mit differenzierbaren Funktionen und gilt. Daher muss umgekehrt eine Funktion mit der Zuordnungsvorschrift die Funktion als Stammfunktion besitzen. Dies kann für die Integralrechnung ausgenutzt werden.
Beispiel (Umkehrung Kettenregel)
Sei die Funktion gegeben. Wir erkennen, dass die vordere Funktion genau die Ableitung der Funktion ist, die „innerhalb“ des Sinus steht. Setzen wir , und , so ist von der Form . Nach der Kettenregel hat eine Stammfunktion die Gestalt . Die Stammfunktion von lautet . Daraus folgt, dass eine Stammfunktion von ist. Durch Ableiten von können wir dies leicht verifizieren. Für das Integrationsproblem folgt nun mit dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung:
Damit die Substitutionsregel aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung hergeleitet werden kann, nehmen wir alle Voraussetzungen des Hauptsatzes an:
Satz (Substitutionsregel)
Sei ein reelles Intervall. Seien und zwei stetig differenzierbare Funktionen. Es ist dann
Insbesondere gilt
Beweis (Substitutionsregel)
Sei ein reelles Intervall sowie und stetig differenzierbar. Nach der Kettenregel gilt für die Ableitung der zusammengesetzten Funktion :
Dann folgt aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung (HDI):
Das Ziel bei der Substitution ist es, einen Integranden der Form durch Anwendung der Substitutionsmethode in den „einfacheren“ Integranden umzuwandeln.
Gegeben sei das Integral . Der Integrand ist hier . Wichtig ist es nun zu erkennen, dass die „äußere“ Funktion ein Vielfaches der Ableitung der „inneren“ Funktion ist. Genauer gilt und damit . Daher „packen“ wir den Faktor zur „äußeren“ Funktion , d.h. wir setzen . Wir können nun die Substitutionsregel anwenden:
Auch unbestimmte Integrale mit können über die Substitutionsregel bestimmt werden. Das Vorgehen ist im Wesentlichen dasselbe wie bei der Berechnung von bestimmten Integralen. Jedoch besitzen unbestimmte Integrale keine Integrationsgrenzen und so fällt die Bestimmung der neuen Integrationsgrenzen weg. Auch muss am Ende die neue Variable zurücksubstituiert werden. Im Einzelnen lauten die Schritte:
Suche den Ausdruck im Integranden. Definiere diesen Ausdruck als deine neue Variable .
Bilde die erste Ableitung und ersetze durch .
Nach Anwendung der Substitutionsregel muss in der bestimmten Stammfunktion die Variable wieder durch ersetzt werden.
Beispiel
Wir bestimmen das unbestimmte Integral .
Wir erkennen, dass für (Funktion in der Klammer) gilt: (Dreifaches der Funktion hinter der Klammer). Daher substituieren wir .
Es folgt . Nach umgestellt, erhalten wir . Deswegen ersetzen wir durch . So erhalten wir:
Schließlich ersetzen wir wieder durch und erhalten
Warnung
In Schritt 2 in dem Beispiel passiert die Magie: Durch unsere Wahl heben sich im zweiten Ausdruck die -Terme auf. Hätten wir eine andere Wahl für getroffen, bliebe hier möglicherweise ein Ausdruck in übrig. In dem Fall dürfen wir nicht aus dem Integral herausziehen oder Ähnliches, da über die Definition von von der Integrationsvariable abhängt! Tritt dieser Fall auf, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht eine andere Substitution oder man invertiert , falls möglich, und setzt den Ausdruck in das Integral ein und hofft, dass das somit entstehende Integral einfacher zu lösen ist als das ursprüngliche. Das Erraten einer passenden Substitution erfordert viel Übung!
Bestimme die folgenden bestimmten/unbestimmten Integrale:
Lösung (Bestimmte/unbestimmte Integrale)
Teilaufgabe 1:
Teilaufgabe 2:
Teilaufgabe 3:
Teilaufgabe 4:
Aufgabe (Bestimmtes Integral)
Berechne folgendes bestimmte Integral: .
Lösung (Bestimmtes Integral)
Zunächst spalten wir das Integral folgendermaßen auf:
Rechtes Integral: Wir erkennen, dass im Zähler die Ableitung des Nenners steht. Also ist hier und . Daher substitutieren wir . Dann gilt , oder umgestellt . Die Grenzen ersetzen wir durch und . Insgesamt ergibt sich:
Linkes Integral: Dieses ist etwas schwieriger. Wir schreiben den Integranden um, damit wir eine ähnliche Substitution wie oben machen können. Dies erreichen wir, indem wir im Zähler und Nenner ausklammern und anschließend kürzen:
Nun steht im Zähler wieder die Ableitung des Nenners. Wir wählen daher die Substitution . Dann gilt , oder umgestellt . Die Grenzen ersetzen wir durch und . Es ergibt sich:
Insgesamt folgt:
Alternative Lösung:
Diese Lösung geht schneller, benötigt aber einen nicht ganz offensichtlichen Unformungstrick. Durch einfügen von erhalten wir für den Integranden:
Damit folgt
Da vordere Integral leicht zu lösen, das hintere entspricht dem hinteren von der Lösung oben. Mit der Substitution von oben und dem HDI folgt daher
Aufgabe (Integration von Potenzen von Funktionen)
Zeige: Sei differenzierbar und , dann gilt: und
Welche Stammfunktionen ergeben sich für die Fälle , und ?
Warum wurde der Fall ausgeschlossen?
Beweis (Integration von Potenzen von Funktionen)
Teilaufgabe 1: Mit der Substitution gilt
Teilaufgabe 2: Im Fall gilt
bzw.
Im Fall gilt
bzw.
Im Fall gilt
bzw.
Teilaufgabe 3: Im Fall handelt es sich um die logarithmische Integration von oben, und es gilt
bzw.
Der Betrag kann weggelassen werden, da wir hier vorausgesetzt haben.
„Umgekehrte“ Variante der Substitutionsregel mit Beispielen
Wir haben oben die Substitutionsregel verwendet, um ein Integral der Form in ein neues Integral der Form zu überführen, das leichter zu lösen ist. Formal haben wir dazu definiert und durch ersetzt. Es gibt aber auch Integrale, die sich auf umgekehrtem Wege bestimmen lassen: Man will also ein Integral der Form in ein Integral der Form umwandeln, wozu man durch substituiert. Um dabei die Integrationsgrenzen richtig zu „verschieben“, muss man die Urbilder und bestimmen. Damit diese eindeutig sind, muss man die Umkehrbarkeit von voraussetzen. Meist lassen sich die Urbilder durch die Umkehrfunktion bestimmen. Die Umkehrbarkeit von erzwingen wir durch zwei zusätzliche Bedingungen: und ist surjektiv. Dann gilt: . Die „umgekehrte“ Variante der Substitutionsregel lautet also
Satz (Substitutionsregel)
Sei ein reelles Intervall mit , und stetig differenzierbar und surjektiv mit . Dann ist umkehrbar, und es gilt
sowie
Hinweis
Ist die Ableitung nur in einzelnen isolierten Punkten gleich null, und sonst überall ungleich null, so ist ebenfalls umkehrbar. In diesem Fall ist die Substitutionsregel ebenfalls anwendbar.
Der Beweis funktioniert ähnlich wie bei der Standardversion oben. Wir müssen allerdings noch die Umkehrbarkeit von begründen.
Beweis (Substitutionsregel Variante 2)
ist stetig und ungleich null. Mit dem Zwischenwertsatz ist somit überall positiv oder negativ. Also ist streng monoton und nach Voraussetzung stetig, also injektiv. Da nach Voraussetzung auch surjektiv ist, ist die Funktion bijektiv und damit umkehrbar.
Ähnlich zu oben folgt mit der Kettenregel und dem Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung:
Wir wollen auch diese Variante an einem Beispiel veranschaulichen.
Beispiel (Umgekehrte Substitutionsregel)
Sei folgendes Problem gegeben:
Bei diesem Integral ist es entscheidend, zu erkennen, dass sich der Integrand durch die Substitution vereinfacht. Aus dem trigonometrischen Pythagoras folgt nämlich . Damit löst sich die Wurzel auf. Wir müssen nur beachten, dass wir wegen noch ein multiplizieren müssen. Die Substitution ist nach dem Hinweis von oben auch zulässig, denn für alle und der Randpunkt ändert an der Bijektivität von nichts. Damit erhalten wir
Dieses Integral kann nun mit Hilfe von Partielle Integration berechnet werden, oder mit Hilfe der Formel
die sich mit Hilfe der Additionstheoreme zur Trigonometrie ergibt. Damit ist
Hinweis
Neben der oben angeprochenen Möglichkeit mittels partieller Integration zu lösen, gibt es noch zwei weitere Möglichkeiten unser Ausgangsintegral , ohne unsere Substitution , zu lösen. Zum einen könnten wir auch direkt partiell Integrieren, dazu müssen wir den Integrand als schreiben. Zum anderen ist das Integral auch über die Euler-Substitution lösbar, welche wir im Kapitel Fortgeschrittene Substitutionen besprechen werden.
Rezept zur Anwendung der „umgekehrten“ Substitutionsregel
Um hier die Wurzel „wegzusubstituieren“ müssen wir, wegen dem Faktor , als Substitution wählen. Dann ist erneut stetig diffbar und bijektiv auf . Damit erhalten wir
Mit Hilfe der Formel
ergibt sich nun, genau wie oben
Teilaufgabe 2:
Bei diesem Integral steht unter der Wurzel der Term . Wegen ist es hier sinnvoll die Substitution zu wählen. Dann gilt . Diese Substitution ist erneut zulässig, denn für alle . Damit ist umkehrbar mit . Damit erhalten wir
Dieses Integral kann nun mit Hilfe der Formel
vereinfacht werden. Damit ist
Nun möchten wir gerne zurücksubstituieren. Um auf einen „schönen“ Ausdruck zu kommen, stört uns aber der Faktor innerhalb des . Um diesen los zu werden wenden wir die Formel
Zu Anfang sollte man irgendwo schon mal gehört haben, was mit einer Funktion f(x) passiert, wenn man in diese eine andere Funktion f(g(x)) einsetzt. Natürlich sollen f(x) und g(x) differenzierbar sein.
Antwort: f(x) bleibt quasi gleich und wird nur versetzt, gezerrt und gestaucht (und verdreht bei nicht monotonem g).
Um sich davon zu überzeugen, betrachte man bspw.
Dort, wo g(x) stärker als die Identität x steigt, wird f(x) gestaucht. Dort, wo g(x) langsamer als die Identität steigt, wird f(x) gestreckt.
Um sich davon zu überzeugen, betrachte man bspw.
Man kann das vielleicht auch wie folgt nachvollziehen:
Angenommen, wir haben 2 reelle Funktionen f und g (differenzierbar und mit Intervallen als Definitionsmengen, g monoton) und wir wollen wissen, was mit f passiert, wenn man in diese g einsetzt.
Zuerst bemerke man, dass das ganze nur einen Sinn hat, wenn die Bildmenge von g eine Teilmenge der Definitionsmenge von f ist, denn sonst wäre f(g(x)) nicht definiert.
D.h. g(x) durchläuft das Definitionsintervall von f. Dort, wo g(x) stark steigt, durchläuft es das Intervall schnell, dort wo es schwach steigt, durchläuft es das Intervall langsam.
Dort, wo g(x) stark steigt, werden viele Zahlen aus dem Definitionsbereich von f pro Argumentenabschnitt von g durchlaufen. Wo g(x) schwach steigt, sind es pro Argumentenabschnitt wenige Zahlen.
D.h. bei starkem Anstieg von g wird ein einst großes Argumentenintervall von f innerhalb eines viel kleineren Intervalls "verarbeitet", f wird gestaucht. Ein einst kleines Teilintervall wird jetzt während eines viel größeren Intervalls verarbeitet, f wird also gestreckt.
Hierzu betrachte man
(evtl. animieren)
D.h. dort, wo g stark steigt, wird f gestaucht, dort, wo g schwach steigt, wird f gestreckt.
Angenommen, wir wollen nun irgendein ein Integral berechen:
Nun betrachte man, was passiert, wenn man g(x) in f(x) einsetzt.
(evtl. Animation einfügen)
Das gleiche passiert mit den Treppenfunktionen
mithilfe welcher versucht wird das Integral zu approximieren bzw. zu berechen
(evtl. animieren)
Offensichtlich verändert sich dabei der Flächeninhalt einer solchen Treppenfunktion. Um den Flächeninhalt aber trotzdem gleich zu halten, könnte man nun versuchen, die Rechtecke in ihrer Höhe zu modifizieren. Mit etwas Überlegung ist dies auch gar nicht so schwer:
Das Intervall, welches vorher die Länge
hatte, hat nun die Länge
(Monotonie vorausgesetzt). D.h. das Intervall, welches nun die Länge
hat, hatte vorher die Länge
. Wenn man annimmt, das neue Intervall b-a wäre kleiner als das alte g(b)-g(a), so würde das alte Intervall um den Faktor
verkleinert werden.
Damit das entsprechende Rechteck trotzdem noch den gleichen Flächeninhalt hat, müsste man es in seiner Höhe um das reziproke dieses Faktors vergrößern. Vergrößern heißt multiplizieren, als Formel
.
Wenn die Intervalle bei
immer kleiner werden, so nähert sich der Vergößerungsfakor immer mehr g'(y) an, was einen schließlich auf die Vermutung