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Fall 9a Lösung

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Autor: Christoph Schröder - zur Vorgängerversion vgl. die Autor:innen-Liste

Notwendiges Vorwissen: Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, Prüfung eines Freiheitsgrundrechts, Religionsfreiheit

Behandelte Themen: Glaubensfreiheit (Art. 4 I, II GG), Staatliche Neutralitätspflicht

Zugrundeliegender Sachverhalt: OpenRewi/ Grundrechte-Fallbuch/ Fall 9

Schwierigkeitsgrad: Zwischenprüfungsklausur (mittlerer Schwierigkeitsgrad)


Die Verfassungsbeschwerde der G gegen die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) hat - vorbehaltlich des Annahmeverfahrens gem. §§ 93a ff. BVerfGG - (Aussicht auf) Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.

Klausurtaktik

Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde führt deren Zulässigkeit und Begründetheit wegen des vorgeschalteten Annahmeverfahrens nach §§ 93a ff. BVerfGG nicht automatisch zum Erfolg. Daher bietet es sich an, dies in einem klarstellenden Nebensatz anzudeuten, ohne darauf im weiteren Verlauf der Prüfung einzugehen.

A. Zulässigkeit

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I. Zuständigkeit

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Gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG ist das Bundesverfassungsgericht für die Entscheidung über Verfassungsbeschwerden - und damit auch jene der G - zuständig.

Weiterführendes Wissen

Innerhalb des Bundesverfassungsgerichts ist für Verfassungsbeschwerden grundsätzlich der Erste Senat zuständig (§ 14 I 1 BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch gem. § 14 IV 1 BVerfGG durch Plenumsbeschluss eine abweichende Zuständigkeitsverteilung vornehmen, wenn dies infolge einer nicht nur vorübergehenden Überlastung eines Senats unabweislich geworden ist.

II. Beschwerdefähigkeit[1] und Prozessfähigkeit[2]

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Beschwerdefähig ist gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG jede:r Grundrechtsträger:in oder Träger:in von grundrechtsgleichen Rechten ("jedermann"). Die G als natürliche Person ist grundsätzlich Trägerin von Grundrechten und damit beschwerdefähig. Mangels gegenteiliger Angaben - insbesondere einer etwaigen Minderjährigkeit - ist sie auch prozessfähig.

Weiterführendes Wissen

Im Gegensatz beispielsweise zu § 62 VwGO enthält das BVerfGG keine gesetzlichen Vorgaben zur Prozessfähigkeit. Gleichwohl wird allgemein davon ausgegangen, dass der:die Beschwerdeführer:in im Rahmen der Verfassungsbeschwerde prozessfähig sein muss, wobei sich die h. M. einschließlich des BVerfG dem Grunde nach an dem Prozessrecht orientiert, das dem Ausgangsverfahren zugrunde lag[3], hier also § 62 I Nr. 1 VwGO, §§ 104 ff. BGB. Eine schematische Übertragung verbietet sich jedoch.[4] Vielmehr richtet sich die Prozessfähigkeit "nach der Ausgestaltung der in Anspruch genommenen Grundrechte und deren Beziehung auf das im Ausgangsverfahren streitige Rechtsverhältnis".[5] Bei der Religionsfreiheit wird mitunter zur Begründung der Prozessfähigkeit Minderjähriger auf § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (RelKErzG) abgestellt, wonach Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr selbst über ihr religiöses Bekenntnis bestimmen können.[6]

III. Beschwerdegegenstand

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Beschwerdegegenstand ist gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG jeder Akt öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 1 III GG. Hierzu zählen insbesondere gerichtliche Entscheidungen als Akte der Judikative, womit in der Entscheidung des BayVGH ein tauglicher Beschwerdegegenstand vorliegt.

Klausurtaktik

Wichtig ist es hier, nicht durcheinander zu kommen. Zwar geht die grundrechtsbeeinträchtigende Wirkung für die G letztlich von der "Auflage" im Einstellungsbescheid vom 3.3.2021 aus. Gleichwohl wendet sie sich hier gegen die bestätigende Gerichtsentscheidung des BayVGH, so dass (nur) diese Beschwerdegegenstand ist. Die ursprünglich belastende Behördenentscheidung (hier die Auflage) kann jedoch von der:dem Beschwerdeführer:in ebenfalls in die Verfassungbeschwerde mit einbezogen werden (sog. doppelter Streitgegenstand).[7] Mangels Auswirkungen auf die weitere Prüfung ist hierauf jedoch nicht näher einzugehen.

IV. Beschwerdebefugnis

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G müsste auch beschwerdebefugt sein. Dies setzt zunächst voraus, dass sie durch die Entscheidung des BayVGH möglicherweise in ihren Grundrechten verletzt wird (Möglichkeitstheorie) sowie selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen ist.

1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung

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Es erscheint nicht von vornherein bei jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die G durch die gerichtliche Aufrechterhaltung der "Auflage" mit dem Verbot des Tragens eines Kopftuches als Ausdruck des religiösen Bekenntnisses bei Amtshandlungen mit Außenkontakt in ihrer Religions-/Glaubensfreiheit aus Art. 4 I, II GG verletzt wird. Auch eine Verletzung der Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I iVm Art. 1 I GG, sowie von Art 3 III GG erscheint zumindest möglich.

2. Eigene, unmittelbare und gegenwärtige Beschwer

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Die Gerichtsentscheidung des BayVGH wurde der G als Inhaltsadressatin persönlich zugestellt und führt mithin zu einer eigenen Beschwer.

Mangels weiterer erforderlicher Vollzugsakte ist die G auch unmittelbar beschwert. An der gegenwärtigen Beschwer könnte vor dem Hintergrund gezweifelt werden, dass die G noch gar nicht mit Amtshandlungen mit Außenkontakt betraut wurde. Dies steht der Gegenwärtigkeit jedoch nicht entgegen, da die G sich nun bereits in der Zivilstation befindet und eine Sitzungsvertretung unter diesen Umständen gerade zum jetzigen Zeitpunkt für sie nicht möglich ist bzw. schon keine Übertragung entsprechender Aufgaben an sie erfolgt. Wegen der gerichtlichen Entscheidung kann sie daher in der gerade stattfindenden Zivilstation ohne Einhaltung der Auflage keine Amtshandlungen mit Außenkontakt vornehmen und ist somit gegenwärtig betroffen.

Klausurtaktik

Die Kriterien "eigene, unmittelbare und gegenwärtige Beschwer" sind bei Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen regelmäßig unproblematisch gegeben, so dass Ausführungen hierzu knapp zu halten sind. Tiefergehende Ausführungen sind insbesondere in den Fällen der Rechtssatzverfassungsbeschwerde zu tätigen.

V. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität

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G müsste gem. § 90 II 1 BVerfGG den Rechtsweg erschöpft haben. Sie wendet sich gegen das letztinstanzliche Urteil des bayrischen VGH, sodass keine weiteren Rechtsmittel gegeben sind.

VI. Form

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Gem. §§ 23 I 1, 2 Hs. 1, 92 BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde schriftlich einzureichen und mit einer Begründung zu versehen. Von einer ordnungsgemäßen Begründung ist hier ausweislich des Sachverhalts auszugehen. Fraglich ist jedoch, ob die Übermittlung der Beschwerdeschrift mittels Fax dem Schriftlichkeitsgebot des § 23 I 1 BVerfGG gerecht wird. Schriftlich meint im Ausgangspunkt zunächst das Versehen eines Schriftstückes mit einer eigenhändigen Namensunterschrift (vgl. § 126 I BGB). Bei - wie hier erfolgter - Übermittlung eines eigenhändig unterschriebenen Schriftstücks mittels Telefax könnte man dies wohl bereits bejahen. Ungeachtet dessen ist "schriftlich" i.S.d. § 23 I 1 BVerfGG weiter zu verstehen als § 126 I BGB, da Formvorschriften im Prozessrecht nicht zum Selbstzweck erhoben werden dürfen. Das Schriftformerfordernis soll vielmehr die Identität des:der Beschwerdeführer:in und dessen:deren Willen zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde sicherstellen.[8] Bei der Übermittlung einer eigenhändig unterschriebenen Erklärung mittels Telefax sind diese Anforderungen gewahrt, da die Identität des:der Absender:in angesichts dessen:deren Unterschrift zweifelsfrei bestimmt werden kann und auch der Wille zu prozessualem Handeln klar hervortritt. Darauf, dass G das Faxgerät ihrer Eltern verwendet hat, kommt es insoweit nicht an. Denn die hinreichende Identifikation der G erfolgt hier über den Inhalt der Beschwerdeschrift und nicht über die Zuordnung zu einem bestimmten Faxgerät.

§ 23 I 1 BVerfGG ist somit gewahrt und die Verfassungsbeschwerde wurde formgerecht erhoben.

VII. Frist

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Ausweislich des Sachverhalts hat G die Verfassungsbeschwerde fristgerecht eingelegt

VII. Zwischenergebnis

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Die von G erhobene Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

B. Begründetheit

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Die Verfassungsbeschwerde der G ist begründet, soweit sie durch die letztinstanzliche Entscheidung des BayVGH tatsächlich in ihren Grundrechten verletzt ist.

I. Prüfungsmaßstab

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Der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist bei Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen insoweit begrenzt, als dass das Bundesverfassungsgericht nicht als "Superrevisionsinstanz" fungiert. Es prüft mithin nicht die richtige Anwendung des einfachen (Fach-)Rechts, sondern nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die jeweils angegriffene Gerichtsentscheidung. Entscheidend ist, ob der BayVGH hier ein Grundrecht übersehen, eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage herangezogen oder die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte verkannt hat.[9]

Klausurtaktik

Bei Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen ist stets der begrenzte Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts darzustellen, auch wenn sich dies auf die nachfolgende Grundrechtsprüfung letztlich nicht auswirkt. Dem Bundesverfassungsgericht wird zwar mitunter vorgeworfen, diese eigenen Maßstäbe nicht einzuhalten und sich tiefgreifend in die Fachgerichtsbarkeit einzumischen,[10] aber in einer Klausur haben Ausführungen hierzu zu unterbleiben.

Examenswissen: Das Bundesverfassungsgericht ist bei seiner Begründetheitsprüfung nicht an den Vortrag des:der Beschwerdeführer:in gebunden. Vielmehr kann es auch Grundrechte (und sonstiges Verfassungsrecht) prüfen, die gar nicht geltend gemacht wurden.[11] Damit wäre Art. 4 I, II GG hier auch zu prüfen gewesen, wenn sich G nur auf die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) berufen hätte. Der gestellte Sachverhalt gibt meist dennoch im Wesentlichen vor, welche Grundrechtspositionen (vertieft) zu erörtern sind.

II. Verletzung von Art. 4 I, II GG

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Art. 4 I, II GG wurde hier durch die Entscheidung des BayVGH verletzt, wenn in dessen Schutzbereich eingegriffen wurde und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist.

Klausurtaktik

Es empfiehlt sich, hier mit der möglichen Verletzung von Art. 4 I, II GG zu beginnen. Zum einen, da Art. 4 I, II GG als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht (hierzu nach nachfolgend) den Betroffenen grundsätzlich eine "stärkere" Rechtsposition einräumt. Zum anderen, da es vorliegend - auch hinsichtlich einer etwaigen Beeinträchtigung der Berufsfreiheit - spezifisch um den Glauben der G geht, womit man Art. 4 I, II GG prima facie als spezieller einstufen kann.

1. Schutzbereich

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a) Sachlicher Schutzbereich
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Auf den ersten Blick beinhalten Art. 4 I und II GG zahlreiche eigenständige Grundrechtsgewährleistungen (Glaube, Gewissen, religiöses und weltanschauliches Bekenntnis, Religionsausübung). Gleichwohl wird überwiegend davon ausgegangen, dass Art. 4 I und II GG einen einheitlichen (sachlichen) Schutzbereich der Glaubensfreiheit bilden. Schließlich können die einzelnen Gewährleistungen im Detail nicht sinnvoll voneinander getrennt werden. Geschützt wird die innere Freiheit, einen Glauben zu haben oder nicht zu haben (forum internum), sowie die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden, zu verbreiten und glaubensgeleitet zu leben (forum externum).[12] Abszustellen ist dabei im Einzelfall auf das Selbstverständnis des:der jeweiligen Grundrechtsträger:in, sofern dieses nicht offensichtlich in keiner Weise plausibel ist.

Klausurtaktik

Angesichts der offensichtlichen Anerkennung des Islams als Glaube bzw. Religion erscheint eine - mitunter schwer fassbare - Definition des Merkmals des Glaubens bzw. der Religion hier entbehrlich.

Nach dem Selbstverständnis der G und ihrem Verständnis des Islams ist es ihr verwehrt, in der Öffentlichkeit - und damit auch bei Amtshandlungen mit Außenkontakt - ohne Kopftuch aufzutreten. Beeinträchtigt ist damit jedenfalls ihr Wunsch, glaubensgeleitet zu leben. Zwar werden auch innerhalb des Islam unterschiedliche Auffassungen zum Bedeckungsgebot vertreten, maßgeblich ist hier jedoch das individuelle Glaubensverständnis der G, das angesichts der Verbreitung einer strengeren Auslegung des Islam (Kopftuchgebot in Form eines Nikab) jedenfalls nicht offensichtlich unplausibel ist.[13]

Der sachliche Schutzbereich ist somit eröffnet.

Weiterführendes Wissen

Die These des einheitlichen Schutzbereichs von Art. 4 I, II GG ist nicht ganz unbestritten.[14] Insbesondere wird dagegen angeführt, dass alle religiös oder weltanschaulich motivierten Verhaltensweisen trotz deren unterschiedlicher Schutzwürdigkeit unter den identischen Schutz gestellt werden. Dem ist jedoch zu widersprechen, da die Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin einen flexiblen Maßstab für die Berücksichtigung "qualitativer" Unterschiede zwischen einzelnen Verhaltensweisen bereit hält. In einer Klausur ist es - wie auch bei der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) - nicht erforderlich, die These vom einheitlichen Schutzbereich in Frage zu stellen oder besonders zu begründen.

b) Persönlicher Schutzbereich
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Art. 4 I, II GG schützt "jedermann" und damit grundsätzlich alle Grundrechtsträger:innen wie auch die G. Die Eingliederung der G in den staatlichen Aufgabenbereich durch das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis in Form des Rechtsreferendariats steht ihrer Grundrechtsberechtigung dabei nicht entgegen.[15] Eine Ablehnung der staatlichen Grundrechtsbindung im Binnenverhältnis zu seinen Beamt:innen und Angestellten ist in Art. 1 III GG schon nicht angelegt und auch sonst nicht zu rechtfertigen.

Klausurtaktik

Ob mit dem sachlichen oder persönlichen Schutzbereich begonnen wird, ist grundsätzlich nicht von Bedeutung. Gleichwohl bringt der hier gewählte Aufbau Vorzüge bei der Prüfung der Grundrechtsverletzung juristischer Personen (Art. 19 III GG). Dort kommt es nämlich darauf an, ob das jeweils zu prüfende Grundrecht seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist. Da hierbei der konkrete Gewährleistungsgehalt und die Natur des jeweiligen Grundrechts relevant wird, müsste in diesen Fällen der sachliche Schutzbereich bei der Prüfung der Voraussetzungen von Art. 19 III GG im persönlichen Schutzbereich zumindest teilweise vorweggenommen werden. Um auf diese Details nicht bei jeder Klausur gesondert achten zu müssen, empfiehlt es sich, einheitlich den hiesigen Aufbau zu wählen.

2. Eingriff

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In das Grundrecht der Glaubensfreiheit müsste eingegriffen worden sein. Dies setzt nach dem klassischen Eingriffsbegriff ein finales, unmittelbares, rechtlich regelndes und mit Befehl und Zwang durchsetzbares staatliches Handeln voraus.[16]

Hier wird durch die Entscheidung des BayVGH im einstweiligen Rechtsschutz das staatlich angeordnete Verbot des Tragens religiös geprägter Symbole oder Kleidungsstücke aufrechterhalten. Damit teilt die Gerichtsentscheidung den Charakter als unmittelbarer, finaler und imperativer Eingriff in die Glaubensfreiheit der G.

Klausurtaktik

Sofern - wie hier - bereits der klassische Eingriffsbegriff zu einem Eingriff führt, kann ein Erörtern des modernen Eingriffsbegriffs unterbleiben.

3. Rechtfertigung

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Der Eingriff in die Glaubensfreiheit der G könnte jedoch gerechtfertigt sein, wenn Art. 4 I, II GG einschränkbar, die beschränkende Rechtsgrundlage verfassungsgemäß und die auch Anwendung der Rechtsgrundlage im Einzelfall verfassungsgemäß ist.

a) Einschränkbarkeit
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Art. 4 I, II GG enthält keinen geschriebenen Gesetzesvorbehalt und kann damit prima facie nicht eingeschränkt werden (sog. vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht).

Es wird jedoch mitunter dafür plädiert, Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 I WRV oder die Schrankenregelungen anderer Grundrechte (Art. 2 I GG, Art. 5 II GG) (sog. Schrankenleihe) heranzuziehen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach der Systematik der Grundrechte - im Gegensatz etwa zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vgl. Art. 52 I 1 GRCh) - deren etwaige Schranken bereits im jeweiligen Artikel selbst mitgenannt werden (Prinzip der Schrankenspezialität). Die Heraushebung von Art. 2 I GG und Art. 5 II GG als allgemeine Schrankenregelungen auch für andere Grundrechte - wie hier Art. 4 I, II GG - würde dieser gesetzgeberischen intendierten Zuordnung zuwiderlaufen und ist demnach abzulehnen. Die Heranziehung von Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 I WRV überzeugt überdies nicht, weil Art. 135 S. 3 WRV, der einen Gesetzesvorbehalt vorsah, gerade nicht in das Grundgesetz inkorporiert wurde.

Mithin wird die Glaubensfreiheit in Art. 4 I, II GG vorbehaltlos gewähreistet. Vorbehaltlos bedeutet jedoch nicht "schrankenlos".[17] Eine Rechtfertigung von Eingriffen durch kollidierendes Verfassungsrecht bleibt möglich. Dem steht auch nicht der Wortlaut von Art. 4 I GG ("unverletzlich") entgegen. Denn es besteht bereits begrifflich ein gradueller Unterschied zu - nach allgemeiner Auffassung nicht legitimierbaren - Eingriffen in die Menschenwürde (Art. 1 I 1 GG) ("unantastbar"). Im Übrigen zeigt ein systematischer Vergleich mit anderen Grundrechtsgewährleistungen (Art. 13 I GG, Art. 2 II 2 GG), dass der Ausdruck "unverletzlich" nicht zu einer fehlenden Beschränkbarkeit führt (vgl. nur Art. 2 II 3 GG).

Auch in diesen Fällen der Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrechts muss jedoch eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage bestehen, um dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 III GG) Rechnung zu tragen.

Weiterführendes Wissen

Dass der Vorbehalt des Gesetzes auch für vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte gelten muss, lässt sich durch einen Erst-Recht-Schluss begründen. Wenn schon "schwächere", nach dem Verfassungstext einschränkbare Grundrechte einer gesetzlichen Beschränkungsgrundlage bedürfen, muss dies erst recht für die grundsätzlich nur unter strengeren Voraussetzungen einschränkbaren vorbehaltlosen Grundrechte gelten. Ansonsten könnten vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte im Ergebnis leichter eingeschränkt werden.

b) Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage
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Rechtsgrundlage des Eingriffs in die Glaubensfreiheit der G ist hier Art. 57 AGGVG (i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG) als formelles (Landes-)Gesetz.

Fraglich ist jedoch, ob die Norm ihrerseits verfassungsgemäß ist. Denn nur eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage vermag es, Grundrechte wirksam einzuschränken.

aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit
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Mangels gegenteiliger Angaben besteht an der formellen Verfassungsmäßigkeit kein Zweifel. Insbesondere liegt die Gesetzgebungskompetenz mangels eines Kompetenztitels zugunsten des Bundes gem. Art. 30, 70 GG bei den Ländern.

Klausurtaktik

Sofern der Sachverhalt keine Probleme hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit aufwirft, genügt ein solcher feststellender Satz.

Examenswissen: Eine Verletzung des Zitiergebots (Art. 19 I 2 GG) wurde hier schon nicht gerügt und ein Eingehen hierauf kann bei fehlenden Hinweisen im Sachverhalt im Rahmen fremder Normenkomplexe (AGGVG, BayRiStAG) nicht erwartet werden. Ohnehin ist das Zitiergebot nach h. M. auf vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte nicht anwendbar.[18] Der Prüfungsstandort des Zitiergebots kann sowohl in der formellen als auch in der materiellen Verfassungsmäßigkeit gesehen werden.

bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit
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Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG könnte jedoch materiell verfassungswidrig sein. Dies könnte hier insbesondere aus einer Verletzung der Glaubensfreiheit gem. Art. 4 I, II GG resultieren.[19]

Durch die Anordnung des Verbots, sichtbar religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen, wird in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit eingegriffen (vgl. oben). Fraglich ist jedoch, ob der Eingriff hier gerechtfertigt, also insbesondere verhältnismäßig ist. Dies ist dann der Fall, wenn mit kollidierendem Verfassungsrecht ein legitimes Ziel verfolgt wird, und Art. 57 AGGVG i. V. m. Art. 11 II BayRiStAG geeignet, erforderlich und angemessen ist, dieses Ziel zu erreichen. Im Ergebnis ist somit eine Abwägung mit den widerstreitenden Verfassungsgütern vorzunehmen, die im Sinne der praktischen Konkordanz alle Verfassungsgüter einem schonenden Ausgleich zuführt, ohne eine der Rechtspositionen zu bevorzugen oder maximal zu behaupten.[20]

In Betracht kommt hier eine Rechtfertigung aufgrund des Gebots weltanschaulich-religiöser Neutralität (dazu (1)), der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege (dazu (2)) und der negativen Glaubensfreiheit Dritter (dazu (3)) als gegenüber der positiven Glaubensfreiheit der G kollidierende Verfassungsgüter. Diese Belange müssen im Rahmen einer Gesamtabwägung im Sinne der praktischen Konkordanz (dazu (4)) mit der Glaubensfreiheit der Betroffenen in Einklang gebracht werden.

Hinweise zur Fallprüfung

In der Klausur sind an dieser Stelle stets die potentiell kollidierenden Verfassungsgüter zu identifizieren. Diese erst an späterer Stelle in die Prüfung einzubauen ist unsauber.

(1) Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität

(a) Herleitung und Maßstäbe

Eine etwaige staatliche Neutralitätspflicht in Glaubensfragen lässt sich dem Text des Grundgesetzes nicht unmittelbar entnehmen. Gleichwohl ergibt sich aus einer Gesamtschau von Art. 4 I, Art. 3 III 1, Art. 33 III GG sowie Art. 136 I, IV, Art. 137 I WRV i.V.m. Art. 140 GG, dass der Staat als Heimat aller Bürger:innen zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichtet ist. Vereinfacht gesprochen ist der Staat dazu verpflichtet, alle Religionen und Weltanschauungen gleich zu behandeln und keine Privilegierung oder Ausgrenzung anhand eines bestimmten Glaubens vorzunehmen. Denn wenn der Staat in den genannten Bestimmungen des Grundgesetzes für sich beansprucht, ein Nebeneinander aller Glaubensrichtungen gewährleisten zu wollen, kann er sich nicht einseitig selbst zugunsten einer bestimmten Glaubensrichtung positionieren. Ihm ist es mithin untersagt, sich ausdrücklich oder konkludent mit einer bestimmten Glaubensrichtung oder Weltanschauung zu identifizieren (sog. Identifikationsverbot).[21]

Neutralität bedeutet aber - entgegen der Auffassung der G - nicht eine generelle Distanzierung des Staates von den Kirchen und die Lossagung von jeglicher Religiosität. Es findet keine jegliche Verbannung der Religionen aus dem öffentlichen Raum statt, vielmehr finden diese hierin ihren Platz, wie auch schon das Grundgesetz selbst in der Präambel (Satz 1), Art. 4 I, II, Art. 7 III 1 GG, Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV zum Ausdruck bringt; selbiges gilt auch für die Bayerische Verfassung (Präambel, Art. 131 II, Art. 143 ff. BayVerf.).[22] Der Staat ist durch Art. 4 I, II GG gar dazu verpflichtet, die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung zu sichern (sog. fördernde Neutralität).[23] Die Grenze bildet jedoch stets das Identifikationsverbot.

Weiterführendes Wissen

Im Einzelnen ist hier vieles streitig, wobei die Details in einer Klausurbearbeitung nicht erwartet werden können. Einzig das Identifikationsverbot kann als allgemein konsentiert und auch für eine verfassungsrechtliche Prüfung operationabel angesehen werden.[24] Die Herstellung von Normbezug ist zwar grundsätzlich wünschenswert, es kann jedoch nicht erwartet werden, dass sämtliche der hier zur Herleitung herangezogenen Normen des Grundgesetzes erkannt und genannt werden. Für eine gute Klausurbearbeitung genügt die Herleitung allein aus Art. 4 I, Art. 3 III 1 GG.

(b) Anwendung auf Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG

Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG könnte als Ausdruck des Identifikationsverbots die Glaubensfreiheit der Betroffenen Rechtsreferendar:innen in verfassungsrechtlich legitimer Weise beschränken. Entscheidend ist zunächst, ob in der von Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG erfassten Situation überhaupt ein "staatliches" Handeln vorliegt, denn nur ein solches vermag das Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität zu aktivieren. Das Handeln der Rechtsreferendar:innen müsste demnach hier als Handeln des (bayerischen) Staates anzusehen sein. Derartiges staatliches Handeln ist im Einzelfall von rein privater Grundrechtsausübung der jeweiligen Amtsträger:innen zu unterscheiden.[25]

(Heute) unstreitig ist, dass die Eingliederung in den Staatsapparat den jeweils handelnden Amtsträger:innen nicht die Grundrechtsberechtigung nimmt. Damit scheidet die Zuordnung eines Verhaltens eines:einer Amtsträger:in zur individuellen Grundrechtssphäre (und nicht zur staatlichen Sphäre) nicht per se aus. Dies gilt grundsätzlich auch bei äußerlichem Auftreten als Amtsträger:in gegenüber Dritten. So hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in den Fällen des Tragens von Kopftüchern durch Lehrkräfte an staatlichen Schulen einen Verstoß gegen das Identifikationsverbot verneint.[26] Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Staat sich nicht jede bei Gelegenheit der Amtsausübung vorgenommene Glaubensbetätigung als eigene Positionierung zurechnen lassen muss.[27] Dies lässt sich damit begründen, dass der Staat zwangsläufig mangels eigener Handlungsmöglichkeit durch Amtswalter:innen agiert und eine stete Zurechnung als Handlung des Staates als solcher dazu führen würde, dass die Grundrechtssubjektivität der Einzelnen für den Staat handelnden Personen wegen der Verpflichtung zu weltanschaulich-religiöser Neutralität konterkariert würde. Im Ergebnis könnte der Staat nämlich keine Amtswalter:innen mehr einstellen, die ihre religiöse Überzeugung offen nach außen tragen, ohne einen Neutralitätsverstoß befürchten zu müssen.

Fraglich ist somit, ob sich das Tragen religiöser Symbole und Kleidungsstücke im Rahmen des Rechtsreferendariats bei Wahrnehmung von Amtshandlungen mit Außenkontakt - vergleichbar dem Tragen eines Kopftuchs als Lehrkraft in der Schule - als rein private Grundrechtsausübung oder als staatliche Identifikation mit dem Islam darstellen würde. Gegen die Annahme einer Identifikationswirkung spricht, dass das Tragen religiöser Symbole oder Kleidungsstücke durch Rechtsreferendar:innen gerade nicht auf eine staatliche Anordnung zurückzuführen ist, sondern auf einer autonomen Entscheidung der Grundrechtsträger:innen beruht.[28] Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Situation vor Gericht ein besonderes äußeres Gepräge eigen ist. Für eine:n objektive:n Betrachter:in liegt das äußere Auftreten der staatlichen Funktionsträger:innen bei Amtshandlungen mit Außenkontakt (z.B. Verhandlungen oder auch Vernehmungen) im Verantwortungsbereich des Staates, ohne, dass es auf tatsächliche interne Anordnungen ankäme. Der Staat nimmt schon durch die Verpflichtung zum Tragen einer Amtstracht und die wesentlichen Förmlichkeiten etwa des Gerichtsprozesses (z.B. besonderes Eintreten des Spruchkörpers in den Sitzungssaal) maßgeblich und erkennbar Einfluss auf das äußere Erscheinungsbild seiner Vertretungspersonen, sodass das Erscheinungsbild der staatlichen Funktionsträger:innen inklusive etwaiger religiöser Symbole oder Kleidungsstücke dem Auftreten des Staates selbst gleichkommt. Insoweit unterscheidet sich auch die formalisierte Situation vor Gericht, die den einzelnen Amtsträger:innen auch in ihrem äußeren Auftreten eine klar definierte, Distanz und Gleichmaß betonende Rolle zuweist, vom pädagogischen Bereich, der in der staatlichen Schule auf Offenheit und Pluralität angelegt ist.[29]

Das Handeln der Rechtsreferendar:innen ist damit wegen der Besonderheiten der justiziellen Tätigkeit als Handeln des (bayerischen) Staates anzusehen, so dass das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität insoweit berührt und als Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Glaubensfreiheit dem Grunde nach einschlägig ist, so dass Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG ein legitimes verfassungsimmanentes Ziel verfolgt.

Klausurtaktik

Eine andere Auffassung ist hier ebenso gut vertretbar. Etwa kann auf eine bloße Berührung des Mäßigungsgebots aus Art. 33 V GG - das im Ergebnis nicht zu einer Rechtfertigung führt - abgestellt werden.[30] Die Tiefe der hier dargestellten Argumentation kann in einer Klausursituation selbstverständlich nicht erwartet werden.

Weiterführendes Wissen

Das Bundesverfassungsgericht knüpft in seiner Entscheidung zum Kopftuchverbot für eine Rechtsreferendarin in Hessen begrifflich wenig überzeugend daran an, dass dem Staat das Handeln der Rechtsreferendarin wegen des äußeren Gepräges der Tätigkeit „zugerechnet“ werden könne.[31] Entscheidend ist vielmehr die staatliche "Identifikation" mit Glaubensbekundungen der Amtsträger:innen, die über eine bloße Zurechnung hinausgeht. Im Ergebnis dürfte aber trotz der missverständlichen Begrifflichkeiten dasselbe gemeint sein. Erwägenswert ist, ob die obige Argumentation nur für Verhandlungen im engeren Sinne (vgl. Art. 11 II 1 Alt. 1 BayRiStAG), nicht aber bei den übrigen Amtshandlungen mit Außenkontakt gilt (Art. 11 II 1 Alt. 2 BayRiStAG), so dass bei letzteren das Neutralitätsgebot nicht berührt wäre. Im Gegensatz aber etwa zu Verwaltungsbeamt:innen treten Richter:innen und Staatsanwält:innen im amtsbezogenen Außenkontakt stets in hervorgehobener - durch die staatliche Stellung geprägter - Funktion auf und konkretisieren nach dem äußeren Erscheinungsbild unmittelbar den Staatswillen (etwa bei Vernehmungen oder Durchsuchungen). Insoweit ist es gleichwohl durchaus legitim, anderer Auffassung zu sein.

(2) Funktionsfähigkeit der Rechtspflege

Auch die vom OLG-Präsidenten ins Feld geführte Funktionsfähigkeit der Rechtspflege findet sich als Belang nicht unmittelbar im Text des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht zählt sie zu den Grundbedingungen des Rechtsstaats und weist auf deren feste Verankerung im Wertesystem des Grundgesetzes (Art. 19 IV, Art. 20 III, Art. 92 GG) hin.[32] Dem ist zuzustimmen, da ohne eine funktionierende Justiz - der ja auch eine grundrechtsschützende Funktion zukommt - sämtliche andere Verfassungspositionen nicht hinreichend durchsetzbar wären.

Fraglich ist, ob sich dem Belang der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege auch Vorgaben für das äußerliche Erscheinungsbild für den Staat handelnder Personen entnehmen lassen. Klar ist, dass die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege untrennbar mit deren Objektivität verknüpft ist. Nur eine unabhängige, objektive Justiz schafft hinreichendes Vertrauen des:der Einzelnen in die Funktionalität des Gesamtsystems. Die erkennbare Distanzierung der einzelnen Richter:innen von individuellen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen bei Ausübung des Amtes stärkt insoweit dieses Vertrauen in die Objektivität der Justiz insgesamt. Die öffentliche Kundgabe von Religiosität ist im Gegensatz hierzu geeignet, das Gesamtbild der Justiz - das gerade durch eine besondere persönliche Zurücknahme der zur Entscheidung berufenen Amtsträger:innen geprägt ist - zu beeinträchtigen.[33]

Damit ist auch der Belang der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege als kollidierendes Verfassungsrecht berührt.

Klausurtaktik

Eine andere Auffassung ist ebenso vertretbar, insbesondere, wenn man eine staatliche "Identifizierung" mit den Glaubensbekundungen der Amtsträger:innen ablehnt.

(3) Negative Glaubensfreiheit Dritter

Hier könnte die Beschränkung der Glaubensfreiheit durch Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG auch wegen der negativen Glaubensfreiheit derjenigen Personen gerechtfertigt sein, die sich den religiöse Symbole oder Kleidungsstücke tragenden Richter:innen und Staatsanwält:innen in einer etwaigen Verhandlung gegenüber sehen. Die Glaubensfreiheit nach Art. 4 I, II GG schützt nämlich nicht nur die aktive Glaubensbetätigung, sondern auch die Freiheit, fremden Glaubensbetätigungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben.[34] In einer Gesellschaft wie derjenigen nach dem Grundgesetz, die einen Raum für unterschiedliche Glaubensüberzeugungen schafft, besteht aber kein Recht des Einzelnen, von fremden Glaubensbekundungen gänzlich verschont zu bleiben.[35] Ansonsten würde die Glaubensfreiheit aller anderen Grundrechtsträger:innen entwertet.

Etwas anderes gilt jedoch in Situationen, in denen staatlicherseits eine unausweichliche Situation geschaffen wird, in der Dritte den Glaubensbekundungen anderer ausgesetzt sind. Hierin besteht durch die ungewollte und nicht durch den Einzelnen zu verhindernde Konfrontation mit fremden Glaubensbekundungen eine Belastung, die einer grundrechtlich relevanten Beeinträchtigung gleichkommt.[36] Genau eine solche Situation hat Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG im Blick. Sofern sich ein:e Betroffene:r etwa in einer gerichtlichen Verhandlung oder sonstigen Auseinandersetzung mit der Justiz den jeweiligen Amtsträger:innen gegenüber sieht, kann er:sie sich der Situation nicht durch ein Ausweichen entziehen (im Strafprozess ist der:die Angeklagte gar zur Anwesenheit während der gesamten mündlichen Verhandlung verpflichtet, vgl. § 231 I 1 StPO).

Damit ist auch die negative Glaubensfreiheit von Dritten als kollidierendes Verfassungsrecht zur Rechtfertigung der Beschränkung der Glaubensfreiheit etwaiger Rechtsreferendar:innen heranzuziehen.

Klausurtaktik

Eine andere Auffassung ist gleichermaßen vertretbar. Hier könnte insbesondere angeführt werden, dass sich das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit auch in der unausweichlichen Situation von Schüler:innen staatlicher Schulen (Stichwort Schulpflicht) gegenüber Kopftuch-Tragenden Lehrkräften gegen eine Beeinträchtigung der negativen Glaubensfreiheit ausgesprochen hat.[37] Sofern die "Unausweichlichkeit" der Situation mithin tragend für die Beeinträchtigung der negativen Glaubensfreiheit sein soll, erscheint es nicht unmittelbar einleuchtend, zwischen der unausweichlichen Situation vor Gericht und der unausweichlichen Situation in der Schule (Schulpflicht) zu unterscheiden.[38] Überdies wird die Heranziehung negativer Freiheiten zur Rechtfertigung der Beeinträchtigung positiver Freiheiten teils grundsätzlich kritisch gesehen.[39] Wie bereits zuvor gilt auch hier, dass das grundsätzliche Erkennen des Belangs der negativen Glaubensfreiheit Dritter und dessen argumentative Bewältigung - in Grundzügen - für eine gute Klausurbearbeitung genügt ohne die hier dargestellte Argumentationstiefe zu erreichen. Schließlich handelt es sich bei den konfligierenden Verfassungspositionen insgesamt um sehr "unscharfe" und keineswegs allgemein konsentierte Kriterien.

(4) Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen im Sinne praktischer Konkordanz

Somit ist eine Abwägung der durch Art. 57 AGGVG i.V.m. Art 11 II BayRiStAG beeinträchtigten Glaubensfreiheit von Rechtsreferendar:innen mit dem Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der negativen Glaubensfreiheit Dritter vorzunehmen.

Entscheidend ist somit, ob das Gewicht des entgegenstehenden kollidierenden Verfassungsrechts die Schwere des Eingriffs in die Glaubensfreiheit zu rechtfertigen vermag.

Die Beschränkung der Glaubensfreiheit wiegt insoweit auf Seiten der Rechtsreferendar:innen durchaus schwer. Durch Art. 57 AGGVG i.V.m. Art 11 II BayRiStAG werden insbesondere auch Kopftücher erfasst. Dieses wird von den jeweiligen Gläubigen zur Befolgung einer als verbindlich empfundenen Pflicht getragen, für die es im Christentum und auch in den meisten anderen Glaubensrichtungen kein Äquivalent gibt. Mithin stünden muslimische Rechtsreferendarinnen insoweit schlechter als Staatsbedienstete, deren Glauben keine besondere Kleidung vorschreibt oder solche, die gar keinen religiösen Geboten folgen (Atheisten). Zudem besteht abseits des Referendariats kein anderer Weg für Jurist:innen, das Zweite Staatsexamen anzustreben, so dass Betroffene der Belastungswirkung auch nicht ausweichen können.[40]

Andererseits stellt v. a. das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates ein Verfassungsgut von immenser Bedeutung dar. Die Trennung von Staat und Religion und die daraus folgende Verpflichtung zu religiös-weltanschaulicher Neutralität sind fundamentale Staatsstrukturprinzipien. Denn der Staat kann ohne durch ihn selbst "vorgelebte" Neutralität ein friedliches und geordnetes Zusammenleben verschiedener Glaubensrichtungen nicht gewährleisten und damit wesentliche durch das Grundgesetz vorgegebene Ziele nicht erreichen. Es erscheint angesichts dieses enormen Stellenwerts daher schon grundsätzlich fraglich, das Neutralitätsgebot überhaupt einer Abwägung mit der individuellen Glaubensfreiheit einzelner Betroffener zuzuführen. Jedenfalls erscheint es gerechtfertigt, ihm prinzipiellen Vorrang gegenüber anderen Verfassungsgütern - wie hier der Glaubensfreiheit - einzuräumen.[41] Schon aus diesem Grund muss die Glaubensfreiheit der Rechtsreferendar:innen hier zurücktreten.

Im Übrigen wird die mit Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG verbundene Belastung dadurch abgeschwächt, dass sie nur auf einzelne wenige Tätigkeiten während des Referendariats (z.B. Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft) beschränkt ist und auch nur temporär wirkt (v. a. für die ersten beiden Ausbildungsstationen in Form der Straf- und Zivilstation).[42] In den restlichen - den großen Teil der Referendarausbildung ausmachenden - Ausbildungsabschnitten bzw. praktischen Tätigkeiten darf der Glaubensbekundung ohne Einschränkungen nachgegangen werden.

Somit überwiegen hier die kollidierenden Verfassungsgüter gegenüber der individuellen Glaubensfreiheit und ein Verstoß von Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG gegen Art. 4 I, II GG liegt nicht vor.

Weiterführendes Wissen

Angesichts des teilweise offen formulierten Art. 11 II BayRiStAG ("Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können") könnte bei gegenteiligem Abwägungsergebnis (insbesondere bei Ablehnung der Betroffenheit der Neutralitätspflicht) auf eine mögliche verfassungskonforme Auslegung eingegangen werden.

cc) Zwischenergebnis
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Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG sind verfassungsgemäß.

Klausurtaktik

Das Herausarbeiten der widerstreitenden Verfassungspositionen und deren argumentative Abarbeitung und Gewichtung gegeneinander im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage stellt den Schwerpunkt der Klausur dar. Die an eine Klausurbearbeitung zu stellenden Anforderungen unterschreiten die hiesigen Ausführungen - die als "Musterlösung" zu verstehen sind - jedoch deutlich.

c) Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts
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Auf Anwendungsebene bleibt die Frage, ob der BayVGH in seiner Entscheidung Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG in verfassungswidriger Weise auf den Einzelfall des Kopftuchverbots zulasten der G durch die "Auflage" in ihrem Einstellungsbescheid vom 3.3.2021 angewendet hat.

Dies ist hier jedoch nicht ersichtlich. Der OLG-Präsident hat durch die "Auflage" letztlich nur die von Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG vorgezeichnete Abwägung nachvollzogen. Auch im konkreten Einzelfall der G wiegt das Neutralitätsgebot des Staates - das der Zulassung von Kopftüchern als religiöse Kleidungsstücke bei Amtshandlungen mit Außenkontakt entgegensteht - schwerer als ihre Glaubensfreiheit, unabhängig davon, dass sie persönlich ein besonderes Interesse an den für sie ohne Kopftuch nicht möglichen Tätigkeiten hegt.

4. Zwischenergebnis

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Die G ist durch die Entscheidung des BayVGH nicht in ihrer Glaubensfreiheit aus Art. 4 I, II GG verletzt, da der insoweit vorliegende Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

III. Verletzung von Art. 12 I GG

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Zwar ist neben Art. 4 I, II GG wegen des Kontextes der Referendarausbildung auch Art. 12 I GG in Form der Ausbildungsfreiheit beeinträchtigt. Art. 12 I GG kommt jedoch in hiesigem Kontext kein weitergehender Schutz zu als dem vorbehaltlos gewährleisteten Art. 4 I, II GG, so dass wegen der entgegenstehenden gewichtigen Belange der Neutralitätspflicht, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der negativen Glaubensfreiheit Dritter eine Verletzung von Art. 12 I GG ausscheidet.

Klausurtaktik

Art. 12 I GG kann bereits bei der materiellen Verfassungsmäßigkeit von Art. 57 AGGVG i.V.m. Art 11 II BayRiStAG angesprochen werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde hier jedoch darauf verzichtet.

Weiterführendes Wissen

Im Falle der direkten Anwendung von Art. 11 II BayRiStAG, also einem Kopftuchverbot für Richter:innen und Staatsanwält:innen, das faktisch einem Berufsverbot gleichkommt, liegt eine eigenständige Bedeutung von Art. 12 I GG hingegen durchaus nahe.

IV. Verletzung von Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG

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Auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der G wäre hier jedenfalls entsprechend den obigen Ausführungen gerechtfertigt.

V. Verletzung von Art. 3 III GG

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Das Verbot des Tragens religiöser Kleidung und Symbole könnte eine Verletzung der speziellen Gleichheitsrechte aus Art. 3 III 1 GG darstellen. Dies setzt voraus, dass Ungleichbehandlungen wegen der in Art. 3 III 1 GG genannten Merkmale vorliegen und diese nicht gerechtfertigt sind. In Betracht kommen insofern Ungleichbehandlungen wegen des Glaubens (Art. 3 III 1 Var. 6 GG) und Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts (Art. 3 III 1 Var. 1 GG).

1. Ungleichbehandlung

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Eine Ungleichbehandlung ist jede ungleiche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte. Dies ist entgegen früher vertretener Ansichten auch dann der Fall, wenn die Regelung nur indirekt zu einer Benachteiligung einer der Vergleichsgruppen führt.

Der Begriff des Glaubens ist gleich zu verstehen, wie der gleichlautende Begriff in Art. 4 GG. Geschlecht i. S. d. Art. 3 III 1 Var. 1 GG erfasst neben einer Ungleichbehandlung von Frauen und Männern auch solche anderer Geschlechter, von Personen ohne Geschlecht oder aufgrund des Wechsels der geschlechtlichen Zuordnung.[43]

Klausurtaktik

Da hier hinsichtlich des Merkmals des Geschlechts eine Ungleichbehandlung entlang der binären Kategorien Frau-Mann in Rede steht, kann grds. auch anhand des gleichermaßen einschlägigen Art. 3 II GG geprüft werden, woraus sich hier jedoch i. Erg. keine Unterschiede ergeben.

Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG verbietet vorliegend ohne Rücksicht auf den spezifischen Glauben oder das Geschlecht der Referendar:innen ein Tragen von religiöser Bekleidung oder Symbole bei der Vornahme von Amtshandlungen. Eine Ungleichbehandlung liegt damit de jure nicht vor. Gleichwohl könnte eine indirekte Ungleichbehandlung gegeben sein.

Das Verbot betrifft vorwiegend Anhänger:innen solcher Glaubensrichtungen, die religiöse Gebote zum sichtbaren Tragen aufstellen, wohingegen Anhänger:innen anderer Glaubensrichtungen durch das Verbot nicht, bzw. nur weniger intensiv betroffen sind. So gehört es beispielsweise unter Angehörigen des islamischen Glaubens verbreiteter Überzeugung an, dass dieser ein Gebot zum Tragen einer Kopf- und – mit erheblich geringerer Verbreitung – auch einer Gesichtsverhüllung enthält. Ein vergleichbares Gebot findet sich etwa in christlichen Glaubensvorschriften in aller Regel nicht.

Auch hinsichtlich einer Benachteiligung wegen des Geschlechts stellt das Verbot nicht unmittelbar auf diese Kategorie ab, jedoch sind ganz überwiegend weibliche Anhängerinnen des islamischen Glaubens betroffen, denen das Tragen eines Kopftuches untersagt wird. Damit liegt auch insofern eine indirekte, faktische Ungleichbehandlung vor.

2. Rechtfertigung

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Die Ungleichbehandlungen müssten gerechtfertigt sein, was nach h. M. aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts möglich ist. Insofern kommt es auf eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Abwägung zwischen den widerstreitenden Rechtsgütern an. Auch insofern (vgl. o.) dient die Ungleichbehandlung der Wahrung des staatlichen Neutralitätsgebotes und der Wahrung einer offenen Kommunikation. Diese Gründe überwiegen auch die Intensität der Ungleichbehandlung. Diese sind somit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Klausurtaktik

Die Prüfung der Rechtfertigung erfolgt hier nur knapp, da sich aus Art. 3 III 1 GG nach herkömmlicher Auffassung für den vorliegenden Fall keine weitergehenden Anforderungen gegenüber dem bereits geprüften Eingriff in Art. 4 I GG ergeben. Entscheidend ist lediglich, dass von den Bearbeiter:innen gesehen wird, dass neben den angesprochenen Freiheitsgrundrechten auch die Gleichheitsgrundrechte betroffen sind.

VI. Zwischenergebnis

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G ist nicht in ihren Grundrechten verletzt und die Verfassungsbeschwerde ist folglich unbegründet.

C. Gesamtergebnis

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Die Verfassungsbeschwerde der G gegen die Entscheidung des BayVGH ist zwar zulässig, aber unbegründet und hat damit keinen Erfolg.

Landesspezifisches Wissen für Bayern

Hier war nur nach den Erfolgsaussichten der Bundesverfassungsbeschwerde der G gefragt. G hätte daneben gegen die Entscheidung des BayVGH auch Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) nach Art. 66, 120 BayVerf. erheben können (vgl. § 90 III BVerfGG). Zwar sind nach Art. 66, 120 BayVerf. nur Handlungen einer "Behörde" taugliche Beschwerdegegenstände. Der Begriff der Behörde ist jedoch teleologisch weit auszulegen und erstreckt sich auch auf alle bayerischen Gerichte (vgl. Art. 51 I 2 VfGHG).[44] Wenn sich G direkt gegen Art. 11 II BayRiStAG und Art. 57 AGGVG wenden wollte, stünde ihr die Popularklage gem. Art. 98 S. 4 BayVerf. zum bayerischen Verfassungsgerichtshof offen. Als wesentlicher Unterschied zur (Bundes-)Verfassungsbeschwerde ist dies auch ohne Erschöpfung des Rechtswegs oder Beachtung etwaiger Subsidiarität möglich. Bundes(rechtssatz)verfassungsbeschwerde und Popularklage können nebeneinander eingelegt werden, vgl. § 90 III BVerfGG.[45]

Weiterführende Studienliteratur

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Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte

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  • Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
    • Rechtswegerschöpfung bzw. Subsidiarität setzen nicht zwingend die Erschöpfung des Hauptsacherechtswegs voraus
    • Dem/der Beschwerdeführer:in kann auch ohne expliziten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde gewährt werden
  • Begründetheit der Verfassungsbeschwerde
    • Art. 4 I, II GG stellt ein einheitlich zu verstehendes Grundrecht der Glaubensfreiheit dar
    • Art. 4 I, II GG kann (nur) durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden
    • Kollidierendes Verfassungsrecht mit der Glaubensfreiheit können insbesondere das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität, die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die negative Glaubensfreiheit Dritter sein
    • Die Neutralitätspflicht im Sinne des Grundgesetzes bedeutet keine gänzliche Verbannung von Religionen aus dem öffentlichen Raum, vielmehr liegt ihm das Konzept der sog. fördernden Neutralität zugrunde.
    • Art. 12 I GG kommt bei spezifisch glaubensbezogenen Beschränkungen von Rechtsreferendar:innen keine eigenständige Bedeutung zu bzw. ist ein Eingriff aus denselben Erwägungen gerechtfertigt

Erwartungshorizont - Gewichtung der Klausurabschnitte

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Erwartungshorizont Grundlagen
Kriterien des Erwartungshorizontes Beherrscht Ordentlich Lückenhaft Ungenügend
Gutachtenstil
Stil und Ausdruck
Prüfungsaufbau
Aufgabenstellung
beachtet
Obersätze
Problemschwerpunkte
und -argumentation
Erwartungshorizont Klausur
Kriterien des Erwartungshorizontes Beherrscht Ordentlich Lückenhaft Ungenügend Gewichtung in %
Grundlagen, s.o. 20
Zulässigkeit 25
Allg. Zulässigkeitsvoraussetzungen 10
Form, Frist 15
Begründetheit 55
Glaubensfreiheit, Art. 4 I, II GG 50
Schutzbereich, Eingriff 15
Rechtfertigung 35
Weitere Grundrechte (Art. 12 I, 2 I, 1 I GG) 5

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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Zusatzmaterial / Weiterentwickelte Fälle

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Fußnoten

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  1. Alternativ kann der Begriff "Beteiligtenfähigkeit" oder "Beschwerdeberechtigung" gewählt werden.
  2. Alternativ "Verfahrensfähigkeit".
  3. Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 18.6.1986, Az. 1 BvR 857/85 = NJW 1986, 3129.
  4. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 90 Rn. 169.
  5. BVerfG, Beschl. v. 18.7.1979, Az. 1 BvR 655/79 = NJW 1979, 2510.
  6. Manssen, Staatsrecht II, 17. Aufl. 2020, § 4 Rn. 79; vorsichtiger Ebert, ZJS 2015, 485 (486) ("Indizwirkung") .
  7. Fleury, VerfProzessR, 10. Aufl. 2015, Rn. 298.
  8. Vgl. zur Parallelproblematik bei § 81 I 1 VwGO Verwaltungsrecht in der Klausur / § 1 Die Eröffnung der gutachterlichen Prüfung, Rn. 55.
  9. Vgl. Lehrbuch/ Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde.
  10. Reichenbach, NStZ 2018, 170.
  11. BVerfG, Beschl. v. 11.4.2018, Az. 1 BvR 3080/09, Rn. 27 = BVerfGE 148, 267; Walter, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 92. EL 2020, Art. 93 Rn. 401.
  12. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 78. Ausführlich dazu Lehrbuch/ Religion & Familie/ Religions-, Weltanschauungs- und Gewissensfreiheit - Art. 4 GG/Schutzbereich/Sachlicher Schutzbereich.
  13. So auch BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 80.
  14. Vgl. stellvertretend Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 310.
  15. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 1 BvR 1333/17, Rn. 79; Lehrbuch/ Religion & Familie/ Religions-, Weltanschauungs- und Gewissensfreiheit - Art. 4 GG/Schutzbereich/Persönlicher Schutzbereich.
  16. Näher Lehrbuch/ Prüfung Freiheitsgrundrecht/ Schutzbereich & Eingriff.
  17. Unglückliche Wortwahl daher bei BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 1 BvR 1333/17, Rn. 110.
  18. Siehe nur BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990, Az. 1 BvR 407/87, Rn. 95.
  19. Ein Verstoß gegen das Gebot der Bestimmtheit bzw. Normenklarheit liegt hingegen fern. Art. 57 AGGVG i.V.m. Art. 11 II BayRiStAG lässt hinreichend klar erkennen, welche Verhaltensweisen untersagt sind. Ohnehin sind die Anforderungen an einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz sehr hoch.
  20. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.5.1995, Az. 1 BvR 1087/91, Rn. 51.
  21. Zum Ganzen BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 87 f..
  22. Friedrich, NVwZ 2018, 1007 (1009).
  23. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 88.
  24. So auch Friedrich, NVwZ 2018, 1007 (1010).
  25. Brosius-Gersdorf/Gersdorf, NVwZ 2020, 428 (428 f.).
  26. BVerfG, Beschl. v. 27.1.2015, Az. 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10, Rn. 112.
  27. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 89.
  28. Brosius-Gersdorf/Gersdorf, NVwZ 2020, 428 (429).
  29. Zum Ganzen BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 90.
  30. So Brosius-Gersdorf/Gersdorf, NVwZ 2020, 428 (432); Hecker, NVwZ 2020, 423 (424).
  31. BVerfG, Beschl. v. 24.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 90.
  32. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 91.
  33. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 91 f..
  34. BVerfG, Beschl. v. 16.5.1995, Az. 1 BvR 1087/91, Rn. 34.
  35. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 94.
  36. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/71, Rn. 95.
  37. BVerfG, Beschl. v. 27.1.2015, Az. 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, Rn. 104 f..
  38. Zum Ganzen Brosius-Gersdorf/Gersdorf, NVwZ 2020, 428 (431).
  39. Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 313.
  40. Zum Ganzen BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 103.
  41. Zum Ganzen überzeugend Brosius-Gersdorf/Gersdorf, NVwZ 2020, 428 (432).
  42. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17, Rn. 104 f..
  43. vgl. BVerfGE 147, 1 (Rn. 59 f.); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 138 mwN.
  44. Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff/, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 120 Rn. 17.
  45. § 90 III BVerfGG erfasst trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts auch landesverfassungsrechtliche Rechtsbehelfe, die einen individuellen Grundrechtsschutz gewährleisten und damit auch die bayerische Popularklage, vgl. Niesler, in: BeckOK-BVerfGG, 10. Ed. 1.1.2021, § 90 Abs. 3 Rn. 5.