Aus Deutschland in die USA umziehen: Arbeiten in den USA

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Arbeiten in den USA!? Ein Erfahrungsbericht[Bearbeiten]

Ich habe in zwei sehr unterschiedlichen Situationen in den USA gearbeitet. Einmal für ein Jahr als Gastwissenschaftler mit einem Stipendium an der University of California at Berkeley und dann in der Industrie für eine „alte“ Firma: Corning Incorporated. Corning produziert Autokatalysatorsubstrate, Glasfasern für Datenübertragung, Spezialgläser (z. B. für LCD-Monitore), Spiegelsubstrate und mehr. Die Glaskolben für Edisons erste Glühbirnen kamen auch von Corning.

Im Falle des Gastwissenschaftlers fehlten viele Komponenten, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zwangsläufig dazugehören: Amerikanische Krankenversicherung, Beiträge zur Renten-/Sozialversicherung (social security tax), Beiträge zum persönlichen Rentenplan (401k plan) und vieles mehr.

Der größte Unterschied hing mit der besonderen wirtschaftlichen Situation zusammen, die zur Zeit meiner Arbeitsaufnahme bei Corning bestand. 2000 war die Telekommunikationsblase maximal aufgebläht und Corning bestand zu 50% aus Photonics (optische Verstärker, Dispersionskompensationsmodule und viele andere aktive Netzwerkkomponenten in der Entwicklung). Gegen Ende des Jahres wurde es deutlich, dass exponentielles Wachstum nicht ewig dauert, insbesondere wenn der Bedarf an Produkten schon für Jahre gedeckt ist. Ab 2001 gab es logischerweise halbjährliche „Korrekturen“ der Mitarbeiterzahl, die das Wort „Arbeitsplatzsicherheit“ fest im Bereich der Sagen und Fabeln ansiedelten. Es war brutal. Immobilienpreise purzelten ins Nichts (keine Käufer = null Wert!), gekündigte Ausländer mit Visum, aber ohne Arbeitgeber mussten das Land innerhalb weniger Wochen verlassen, und da die meisten Leute gerade erst angestellt worden waren, gab es nur begrenztes severance pay (= freiwillige Gehaltszahlung des Arbeitgebers über das Beschäftigungsende hinaus). Ich denke, das war die heftigste Variante einer Einführung in das corporate America nach dem Ende der Sklaverei. Jetzt – 2007 – befindet sich Corning in erfolgreicherem Wasser und ich genieße die Vorteile einer großen Firma mit Tradition in den USA. Mehr dazu folgt später, wenn ich die verschiedenen Komponenten der Bezahlung (compensation) beschreibe.

Hier ist meine Liste der wichtigen Punkte rund ums Arbeiten in den USA:

  • Anfangsprämie/Sign-on bonus
    • Eine zu verhandelnde pauschale Summe, die die Firma dem neuen Mitarbeiter zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zahlen kann. Bar oder Aktienoptionen.
    • Die Bargeldvariante ist sehr hilfreich, um anfänglich erhöhte Kosten (in einem neuen Land) abzufangen.
  • Umzugshilfe/Relocation assistance. Kann das Leben wirklich sehr vereinfachen, wenn die Firma hier ein gutes Umzugspaket anbietet und die entsprechende Erfahrung hat, es umzusetzen.
    • Hilfe bei der Beantragung des Visums.
    • Übernahme der Reisekosten.
    • Vorübergehende Unterbringung (möbliertes Apartment). Wir haben USD 200 für eine Erstbefüllung unseres Kühlschranks bekommen, nicht unbedingt nötig, aber schon irgendwie nett.
    • Übernahme von Mietwagenkosten.
    • Organisation und Bezahlung des Umzuges, eventuell Transport einer begrenzten Menge von Dingen mit dem Frachtflieger anstatt mit dem Schiff.
    • Lagerung der Möbel etc., bis man etwas Passendes zum Wohnen gefunden hat.
    • Zahlen von „points“ für eine Haushypothek. Dies reduziert den Zinssatz der Hypothek. Die Zahlung ist üblicherweise daran gebunden, dass der neue Mitarbeiter am alten Wohnort Wohneigentum hat(te).
  • Das benefits package (zusätzliche Leistungen) enthält (hoffentlich) viele Leistungen jenseits des Gehaltes. Die Faustregel ist: je größer die Firma desto besser das Paket. Und es gilt auch: Wenn die Firma strauchelt, kann das Paket schrumpfen.
    • Preiswerte Versicherungen. Kranken-, Zahn- (ist in den USA getrennt von der Krankenversicherung), Invaliditäts-, Lebens-, Unfall-, Rechtsschutz- und Pflegeversicherung.
    • Beiträge zum privaten Rentenplan (Stichwort 401(k)). Üblicherweise nach folgendem Prinzip: Zahlt der Mitarbeiter Beiträge, dann gibt der Arbeitgeber etwas dazu. Die Arbeitgeberanteile gehen erst nach einigen Jahren in den Besitz des Arbeitnehmers über (= vesting, ein Mittel gegen job hopping). Dieser Plan basiert auf Aktien, und der Arbeitgeber bestimmt üblicherweise, in welche Aktien/Fonds investiert werden kann. Hier gab es in der Vergangenheit extreme Fälle von fehlender diversification. So hatten z. B. viele Enron-Mitarbeiter lediglich Enronaktien in ihrem 401(k)-Plan. Mit dem Untergang der Firma waren die Konten dann wertlos, und die Mitarbeiter können nach der Pensionierung bis ans Ende ihrer Tage bei WalMart Kunden begrüßen und mit einem Einkaufswagen beglücken. Es gibt eine immer wieder neu festgesetzte, altersabhängige Obergrenze, bis zu der unversteuertes Geld verwendet werden kann, darüberhinaus kann nur versteuertes Geld verwendet werden.
    • Der pension plan ist ein Sparplan. Die Firma kann z. B. einen festen Prozentsatz des Gehaltes (zusätzlich zum Gehalt) monatlich auf ein verzinstes Konto einzahlen. Hier gilt wieder, dass der ersparte Betrag erst nach einigen Jahren in den Besitz des Mitarbeiters übergeht. Darüber hinaus kann der Prozentsatz mit der Anstellungsdauer steigen.
    • Die Möglichkeit, unversteuertes Geld in flexible spending accounts einzuzahlen. Dies kann dann für Krankheitskosten, die nicht von der Versicherung gedeckt werden, und Aufwendungen für Kindergarten (child care) verwendet werden. Nicht benutztes Geld geht verloren. Ich habe keine Idee, wer das Geld in dem Falle bekommt!? Außerhalb dieser Konten können Krankheitskosten erst von der Steuer abgesetzt werden, wenn der Betrag 7% des Einkommens überschreitet. Das sollte im Normalfall nicht passieren (knock on wood!).
  • Im ersten Jahr hat man üblicherweise die Freude, drei Einkommensteuererklärungen (tax return) machen zu dürfen. Eine in Deutschland, eine für den jeweiligen Bundesstaat der USA (state tax) und eine für die USA (federal tax). In den USA ist das nicht so schwierig, ich würde aber dennoch empfehlen, das im ersten Jahr einer Firma wie H&R Block zu überlassen. Das ist billig im Vergleich zu einer Steuerberatung in Deutschland und eine gute Vorlage fürs Selbermachen in den folgenden Jahren.

Expertise zu ausländerspezifischen Fragen sollte man allerdings nicht erwarten.

Anmerkung eines weiteren Autors: Bei H&R Block Premium gibt es einzelne Experten für internationales Steuerrecht. Bei der Terminvereinbarung kann man gezielt danach fragen. Notfalls mehrere Büros anrufen.

So ist mir bis heute unklar, ob reguläre Einkünfte in Deutschland für den amerikanischen tax return relevant sind.

Anmerkung: für US tax returns muß das Welteinkommen angegeben werden, also auch Einkünfte in Deutschland (z.B. aus Immobilien oder Kapitalvermögen)

Umgekehrt ist es meines Wissens der Fall. (siehe auch Steuern)

Anmerkung: Deutsche Staatsbürger können, auch bei gewöhnlichem Aufenthalt in USA von mehr als 183 Tagen im Kalenderjahr, in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig sein. Einnahmen aus Immobilien in Deutschland, oder Betriebsstätten/Unternehmen mit Sitz in Deutschland, werden weiterhin in Deutschland versteuert. Dabei gezahlte Steuern gibt man dann bei der Einkommensteuererklärung in USA an. Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den USA schützt vor doppelter Besteuerung. Einkommensteile auf die bereits deutsche Einkommensteuer gezahlt wurde, werden in USA nicht erneut besteuert - müssen aber trotzdem in den tax returns aufgelistet werden.
  • Wer in den USA angestellt ist und dort lebt, muss Beiträge zur Sozialversicherung machen (social security tax). Die besteht aus zwei Anteilen, einer Rentenversicherung (z. Zt. 6,2% des Gehaltes bis zu USD 97.500/Jahr in 2007) und einem Beitrag zur Alters-Krankenversorgung/medicare (1,45% ohne Grenze) nach der Pensionierung. Man sammelt in diesem System Punkte (typischerweise 4 pro Jahr) und ist nach Erreichen von 40 Punkten rentenberechtigt. Es gibt ein deutsch-amerikanisches Rentenabkommen, das ich ausgedruckt irgendwo in meinem Büro rumliegen habe. Ich glaube, ein Punkt dieses Abkommens dreht sich um die gegenseitige Anerkennung von Anrechnungszeiten. Eine Langzeitstabilität ist für das amerikanischen System, wie in Deutschland auch, nicht gegeben. Der Kollaps ist aber für später als in Deutschland prognostiziert. Derzeit wird Mittelschichtlern in den USA empfohlen, zum retirement neben der social security etwa 1 bis 2 Millionen Dollar im Säcklein zu haben (nest egg = typischerweise Aktien, Fonds, Festverzinsliches, Grundbesitz, etc.), um über die Runden zu kommen. Und nein, der Wert des bewohnten eigenen Hauses (primary residence) zählt nicht zu dieser Summe. (siehe auch Rente und Altersvorsorge)

Zum Schluss noch einige Worte dazu, wie es denn so ist, in Amerika zu arbeiten. Zunächst mein disclaimer: Das Folgende basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen mit einer Firma, das Risiko der Verallgemeinerung trägt der Leser.

Ich war angenehm überrascht, wie freundlich und hilfsbereit die Leute in der Uni und später in der Firma waren. Der Gedanke, dass auch Mitarbeiter der eigenen Firma Kunden deiner Arbeit sein können, ist verbreitet und hilft enorm, die Fronten bezüglich der Aufgaben und Erwartungen zu klären. Der freundliche Umgang mit Kunden hat eine höhere Priorität, als es in Deutschland der Fall zu sein scheint. Das kann man besonders leicht in Warenhäusern feststellen, wo man nicht stundenlang der Konversation zwischen Verkäufern lauschen muss, bevor man bedient wird. In einer großen Firma ist vieles sehr formalisiert, z. B. das Verfahren rund um sicherheitsrelevante und fortbildende Lehrgänge. Neue Initiativen/Programme bekommen üblicherweise mehrwortige Namen, deren Prägnanz Ausländern häufig abgeht. Diese Namen werden üblicherweise abgekürzt (ich habe das Gefühl, dass mittlerweile alle möglichen Kombinationen aus drei Buchstaben vergeben sind) und final kann sich niemand mehr erinnern, wofür die Abkürzung eigentlich stand.

Der Umstand, dass es in den USA so etwas wie eine Berufsausbildung nicht gibt, hat mich erstaunt. Training etwa für Jobs in der Produktion findet im Job statt und dementsprechend dünn sind die Kenntnisse insbesondere jüngerer Mitarbeiter. Sind diese Stellen dann einer Gewerkschaft (union) zugeordnet, bestimmt diese, wer auf welche Stelle gesetzt wird. Kompetenz spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle. Und ich dachte immer, das wäre nur bei Politikern und ähnlichen Jobs so …

Anmerkung eines weiteren Autors: Während MINT Absolventen in Deutschland meist nach Tarifgruppen bezahlt werden, gilt der Beruf in den USA schon als "professional" (=Außer-Tarif). D.h. man muss sich sein Gehalt & Bonus "verdienen". Gehaltsverhandlungen/Beurteilungen einfacher Sachbearbeiter haben in den USA dasselbe Flair wie die Gehaltsverhandlung eines deutschen Abteilungsleiters: "Warum sollen wir Ihnen so viel bezahlen." Dies trägt leider nicht zur Kollegialität innerhalb des Teams bei, da ständig versucht wird, besser dazustehen als der Kollege. Meiner Meinung nach leidet darunter die Produktivität des ganzen Teams (und letztlich der Firma).