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Klausurkonzeption

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Autor:innen: Ammar Bustami/Katharina Goldberg

Die OpenRewi-Fallbücher wurden von erfahrenen Klausur- und Übungsfallersteller:innen verfasst. Diese waren im laufenden Schreibprozess dazu aufgerufen, ihre Vorgehensweise zu dokumentieren und in diesen gemeinsamen Beitrag zu einer guten Klausur- und Übungsfallerstellung zusammenzutragen. Auf diese Weise ist ein Leitfaden entstanden, der zwei unterschiedliche Adressat:innengruppen anspricht: Zum einen sollen künftige Übungsfall- und Klausurersteller:innen hier Hinweise erhalten und einen Leitfaden dazu, wie didaktisch sinnvolle Übungsfälle und Klausuren praktisch erstellt werden können. Zum anderen sollen Studierende die Möglichkeit haben, einen Blick in die „Blackbox“ der Klausurerstellung zu werfen. Damit können diese Hinweise zur Klausurkonzeption für die Prüfungsvorbereitung auf beiden Seiten nützliches Wissen vermitteln.

Übungsfälle und Klausuren dienen unterschiedlichen Zwecken: Während bei Übungsfällen das Erlernen von Falllösungstechnik und juristischen Inhalten im Vordergrund steht, wird eben dieses Erlernte in der Klausur abgefragt. Übungsfälle verfolgen damit einen didaktischen Zweck, während Klausurfälle diesen Fokus nicht haben (müssen). Die folgenden Hinweise werden daher in einen Allgemeinen Teil, einen Teil zur Übungsfallerstellung und einen Teil zur Klausurerstellung unterteilt.

A. Allgemeiner Teil

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Klausuren und Übungsfälle für Arbeitsgemeinschaften zu erstellen ist eine der Kernaufgaben von wissenschaftlichen Mitarbeitern an Lehrstühlen. Durch Klausuren soll geprüft werden, ob die Studierenden das in der Vorlesung und den Arbeitsgemeinschaften erlernte Wissen zu den unterschiedlichen Grundrechten an einem konkreten Fall anwenden können.

Neben der inhaltlichen Fragestellung spielt auch die Darstellung der Lösung eine große Rolle. Klausuren in den Grundrechten werden im Gutachtenstil geschrieben. Dabei dient das Gutachten mit seinen sich wiederholenden vier Schritten dazu, alle Probleme eines Falles strukturiert zu erfassen und sich gegenüber anderen Teilnehmern der juristischen Debatte in einer abgesprochenen Sprach- und Schreibform auszudrücken. Dies erfolgt in verschiedenen Stilarten, von denen der Gutachtenstil der wichtigste ist.

Für den Lernerfolg gerade im Selbststudium ist es unerlässlich, Studierende als Lernende entsprechend ihres jeweiligen Ausbildungsstandes ernst zu nehmen und auch abzuholen. Dafür ist es wichtig, ihnen gegenüber transparent über die Fallgestaltung zu sprechen. Dazu gehört, das Anforderungsniveau eines Bearbeitungsvorschlags für die Studierenden transparent zu machen, aber auch an anderen Stellen auf einer Metaebene Prozesse, Abschnitte und Qualität von Fall- und Falllösungspassagen anzusprechen und damit nachvollziehbar zu machen. Dieser Hinweis ist hier vorweggestellt, wird aber in diesem Abschnitt an verschiedenen Stellen illustriert.

Außerdem ist es ein wichtiger Bestandteil der juristischen Ausbildung, dass diese gesellschaftliche Vielfalt abbildet. Daher sollten Fälle und Falllösungen in geschlechtergerechter Sprache formuliert werden (siehe auch allgemein hier) und verschiedene und vielfältige Lebenssituationen Einzug in die Fallerstellung finden.

Das hier vorliegende Fallbuch folgt den didaktischen Grundlinien von OpenRewi.

I. Themenfindung

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Gute Ideen für das Thema einer Klausur oder eines Übungsfalls finden sich zum Beispiel in der Rechtsprechung des BVerfG. Dieses veröffentlicht besonders relevante Entscheidungen in seiner Entscheidungssammlung BVerfGE. Aber auch andere Gerichtsurteile, die in der Literatur aktiv besprochen werden, eignen sich als Klausurvorlage. Jedes Urteil ist in eine Sachverhaltsdarstellung und eine rechtliche Würdigung unterteilt. In der Wiedergabe des Sachverhalts werden häufig die Argumente der Parteien dargestellt. Hieraus lassen sich zugespitzte Argumente für die eigene Falllösung oder alternative Lösungswege ziehen. Auch die Rechtsprechung der Vorinstanzen kann hier gute Impulse liefern (siehe zum Beispiel Fall 5, Fall 7 oder Fall 8).

Eine andere gute Quelle sind Konstellationen in noch anhängigen Beschwerden. Schwierig ist dabei natürlich, dass kein Urteil als Grundlage dienen kann oder zumindest keine höchstrichterliche Rechtsprechung den Weg vorgibt, sondern sich (im besten Fall) Argumente nur aus den veröffentlichten Beschwerden und/oder Aufsätzen zur Problematik herausziehen lassen. Natürlich können Fallersteller auch selbst argumentieren und lösen, es fehlt dabei aber an der eigenen „Absicherung“, nichts Wichtiges zu übersehen oder gegebenenfalls andere Schwerpunkte als später das BVerfG zu setzen. Gleichzeitig erhebt ein solcher Fall weniger den Anspruch auf „Vollständigkeit“, womit dann auch transparent umgegangen werden sollte. Ein weiterer Nachteil (oder Vorteil?) ist, dass sich hier nach Veröffentlichung der Entscheidung eine Überarbeitung / Anpassung der ersten Falllösung anbietet. Zudem ermöglicht es den Studierenden, ihr Wissen fernab vorgegebener Sachverhalte und höchstrichterlicher Lösungen anzuwenden. Es kommt somit weniger auf Auswendiggelerntes und eher auf eigenständige Argumentation und Subsumtion an, was wiederum die Abstraktionsfähigkeit und den Umgang mit Unbekanntem fördert (siehe zum Beispiel Fall 4).

II. Wiederverwendung bereits erstellter (frei lizenzierter) Inhalte

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Für die Erstellung einer Klausur oder eines Übungsfalls kann auch auf etablierte beziehungsweise vorhandene Fälle zurückgegriffen werden. So können beispielsweise die im Grundrechte-Fallbuch von OpenRewi erstellten Inhalte aufgrund der CC-BY-SA-Lizenz verwendet und abgeändert werden. Bei der Verwendung von Materialien unter dieser Lizenz muss allerdings immer der Ursprungsautor genannt werden („BY“-Element in unserer CC-Lizenz).

Ob Fälle anderer Autoren, die nicht unter einer freien Lizenz stehen, als Grundlage für eigene Fallgestaltungen verwendet werden können, ist mit diesen persönlich beziehungsweise mit dem zuständigen Lehrstuhl abzuklären. Bereits erstellte Fälle zu verwenden erleichtert die Arbeit erheblich, birgt aber die Gefahr, dass die Studierenden den Fall bereits kennen. Diese Methode ist daher gut für Übungsfälle und weniger gut für Klausurfälle geeignet.

III. Die verschiedenen Arten von Sachverhalten

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Für eine komplette Klausur sind sowohl Sachverhalt als auch Lösungsskizze zu erstellen. Für deren Entwicklung gibt es unterschiedliche Herangehensweisen: Entweder kann zunächst der Sachverhalt und aus diesem heraus dann die Lösungsskizze entwickelt werden. Eine andere Herangehensweise ist jedoch, den Sachverhalt „aus der Lösung heraus“ zu entwickeln (so geschehen bei Fall 4). Dann steht am Anfang nur ein ganz grobes Gerüst des Sachverhalts, das dann kontinuierlich im Laufe der Lösungserstellung ergänzt wird. Hierbei ist eine Herausforderung, Widersprüche zu vermeiden, wenn etwas an der Lösung geändert wird.

Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Sachverhalten, die sich unter anderem in ihrer Länge, der Ausführlichkeit der Argumente und den Hinweisen auf Schwerpunkte unterscheiden können.

Kurze Sachverhalte legen den Fokus darauf, aus wenigen Informationen möglichst viele eigene Ideen zu generieren. Argumente (zum Beispiel im Rahmen der Verhältnismäßigkeit) müssen die Klausurbearbeiter vor allem selbst finden bzw. sich selbst überlegen. Mit einem kurzen Sachverhalt kann Wissen abgefragt werden, das Studierende in der Vorlesung oder durch Selbststudium erworben haben sollen – vor allem „Standardwissen“ kann so abgefragt werden. Kurze Fälle sind daher gut dafür geeignet, bereits vorhandenes „Standardwissen“ abzufragen, bergen aber die Gefahr, Wissen für „Standardwissen“ zu halten, das (noch) gar nicht zu solchen geworden ist (dazu sogleich).

Lange Sachverhalte zeichnen sich dadurch aus, dass schon sehr viele Argumente und Probleme im Sachverhalt eingebaut sind. Es spiegelt sich im Sachverhalt selbst schon ein Großteil der erwarteten Lösung wieder. Hier kommt es für die Studierenden vor allem darauf an, den Sachverhalt gut auszuwerten und die Argumente und Probleme zu erkennen, sie aber auch sinnvoll und „richtig“ (oder zumindest überzeugend) in der Falllösung einzubauen. Ein Vorteil eines solchen längeren Sachverhalts kann sein, dass vor allem sehr komplexe (oder noch nicht „entschiedene“) (Nicht-Standard-)Fälle den Studierenden direkt mit einigen Argumenten (beider „Seiten“) an die Hand gegeben werden können. Nachteile langer Sachverhalte sind, dass die Studierenden viel Zeit brauchen, diese zu durchdringen und stark aufpassen müssen, keine relevanten Informationen zu übersehen. Lange Sachverhalte sind für Anfangssemester und Fortgeschrittene geeignet.

Eine Gefahr besteht darin, als Fallersteller eine Klausur mit einem kurzen Sachverhalt in der Annahme zu stellen, dass die Argumente bzw. die Vorgehensweise den Studierenden bekannt sein müssten. Beim Erstellen des Falles muss daher stets reflektiert werden, ob es sich bei dem abgefragten Wissen um „Standardwissen“ handelt, das Studierende im Kopf haben müssen oder doch eher um „Spezialwissen“ – hier ist dann eher ein langer Sachverhalt angebracht. Ansonsten besteht die Gefahr, einen Fall zu produzieren, der frustriert, weil der/die Studierende:r „nie selbst auf diese Lösung gekommen wäre“.

IV. Flexibilität in der Falllösung

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Ausgangspunkt der hier angestellten Überlegungen ist, dass die Lösung eines Falles kein Manifest ist, sondern stets nur ein Bearbeitungsvorschlag.

Oft sind andere Ansichten vertretbar. Ein didaktisch sinnvolles Studium sollte Studierenden nicht vermitteln, es gelte bestimmte, vorher festgelegte „richtige Lösungen“ zu reproduzieren. Vielmehr sollten sie dazu ermutigt werden, mittels der vorhandenen juristischen Methodik (Gutachtenstil, Technik zum Meinungsstreit, Auslegungsmethoden) eigene oder im Sachverhalt angelegte Argumente zu entwickeln und zu einer argumentativ gut fundierten Lösung zu führen. Zwar bauen Übungs- und Klausurfälle oftmals auf bestehender Rechtsprechung auf, an der sich dann auch die Musterlösung beziehungsweise der Bearbeitungsvorschlag orientieren dürfte. Doch sollte eine auf methodische Fähigkeiten und Argumentationen gerichtete Lehre dabei stets auch die Möglichkeit zu alternativen Lösungswegen eröffnen und aufzeigen. Entsprechende Hinweise (zum Beispiel „Eine andere Ansicht ist mit entsprechender Argumentation vertretbar.“) sollten sich daher in der Lösung sowohl von Übungsfällen als auch von Klausurfällen wiederfinden. Dies ermutigt zu kritischem Denken und Hinterfragen und stellt gleichzeitig eine entsprechende Transparenz her: Insbesondere wenn es für eine entgegengesetzte (Minder-)Meinung eines höheren Begründungsaufwands bedarf, sollte dies aus dem Lösungsvorschlag hervorgehen. Für Korrektoren können entsprechende Hinweise besonders hilfreich sein, da sonst oftmals nur der einfachere Weg über das vermeintlich festgelegte Lösungsschema von Korrektoren mit der vollen beziehungsweise einer hohen Punktzahl bewertet wird. Hierzu kann es insbesondere kommen, wenn Korrekturzeiten kurz sind und/oder die Studierenden den Korrektoren nicht bekannt sind. Diese strukturellen Probleme zu antizipieren ist eine der Aufgaben der Fallerstellung.

Bei der Frage nach der in der Lösung vertretenen Ansicht spielen oftmals auch klausurtaktische Erwägungen eine Rolle: Sind beispielsweise in der Zulässigkeit bei einem Problempunkt verschiedene Ansichten vertretbar, tut die bearbeitende Person in der Regel gut daran, den Lösungsweg zu wählen, der zur Zulässigkeit führt, um ein Hilfsgutachten zu vermeiden. Sowohl in Übungs- als auch in Klausurfällen können bei besonders streitigen Prüfungspunkten entsprechende (Korrektur-)Hinweise hilfreich sein, die erläutern, ob und inwiefern eine „andere Ansicht“ zu einem anderen Prüfungsaufbau führen würde. Dies ist weniger problematisch, wenn es sich „nur“ um die in beide Richtungen argumentierbare Entscheidung am Ende der Verhältnismäßigkeitsprüfung handelt. Dort dürften bei vielen Klausuren am Ende unterschiedliche Ergebnisse vertretbar sein (unverhältnismäßig / verhältnismäßig → begründet / unbegründet → Aussicht auf Erfolg / keine Aussicht auf Erfolg).

Besonders bei der Arbeit im digitalen Format (zum Beispiel bei Wikibooks) zeigen sich die Stärken des digitalen Mediums für die Darstellung einer solchen Flexibilität. So können alternative Aufbauwege parallel zueinander dargestellt werden, oder die Argumente eines Meinungsstreits können abhängig davon umsortiert werden, welchen Lösungsweg die Studierenden einschlagen möchten. Auf diese Weise kann ein „Hilfsgutachten“ vermieden werden. Außerdem lässt sich hier die Argumentationsfähigkeit (Argumente führen zum Ergebnis hin) fördern, da ein anderer Lösungsweg nur Sinn ergibt, wenn die einzelnen Abschnitte nicht beliebig aneinander gereiht werden. Selbst wenn sich solche Alternativaufbauwege technisch nicht gut darstellen lassen, können hier zusätzliche Hinweise (bei Wikibooks beispielsweise durch Hinweiskästen zur „Klausurtaktik“) eingefügt werden (siehe zum Beispiel Fall 1).

Die Vielfalt von Meinungen muss sich auch in der Gewichtung der Punkte für die Gesamtnote widerspiegeln. Eventuell vorgegebene Bewertungsmatrizen dürfen folglich niemals absolut gesetzt werden.

B. Das Erstellen von Übungsfällen

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Das Erstellen von Übungsfällen erfüllt immer einen didaktischen Zweck. Sich selbst über diesen Zweck bei der Fallerstellung im Klaren zu sein ist besonders wichtig. Lernziele sind auf der einen Seite Erlernen des Umgangs mit bestimmten juristischen Problemen, auf der anderen Seite aber auch das Erlernen der Falllösungstechnik. Hierfür können unterschiedliche Arten von Übungsfällen erstellt werden, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Auch kann das Lernziel sein, den Umgang mit (Original-)Klausuren zu erlernen und zu trainieren. Dieser Typ von Übungsklausuren ist identisch mich „echten“ Klausuren und wird daher hier nicht gesondert behandelt, sondern richtet sich nach den unter C. dargestellten Grundsätzen.

I. Erlernen der Falllösungstechnik

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Das Erlernen der Falllösungstechnik fordert Studierende in vielen verschiedenen Dimensionen (siehe hierzu näher den Aufsatz von Schmidt/Musumeci). Zu nennen sind hier die Fach-, Methoden-, Argumentations- Textsorten-, Rezeptions- und Sprachdimension. In jeder dieser Dimensionen müssen sie unterschiedliche Fähigkeiten erlernen. Das Erlernen dieser Fähigkeiten geschieht nicht plötzlich, sondern wird vom ersten Semester bis zum Examen trainiert. Übungsfälle bieten eine gute Gelegenheit, einzelne dieser Fähigkeiten in jedem Fall konkret zu trainieren.

Dies kann analog im Rahmen einer Übungseinheit durch Abfragen, Erklärung und Diskussion erfolgen. Für die Studierenden kann im digitalen Format mit interaktiven Elementen sichtbar gemacht werden, was gerade unbewusst in ihren Köpfen passiert. In OpenRewi verwenden wir beispielsweise folgende interaktive Elemente:

  • Die Beherrschung des Gutachtenstils kann an bestimmten Stellen im Gutachten durch ein Quiz in digitaler oder analoger Form abgefragt werden. Dazu wird aus dem konkreten Fall herausgezoomt und auf einer Metaebene abgefragt, bei welchem Schritt der Subsumtion sich der Studierende gerade befindet. Auch die Wichtigkeit einzelner Arbeitsschritte kann so abgefragt und herausgestellt werden (siehe für die Schritte des Gutachtenstils die didaktische Aufarbeitung zu Fall 1.).
  • Auch die Herkunft (aber auch die Bewertung und Einordnung) von Argumenten kann mit einem Quiz reflektiert werden. Dafür kann an entscheidenden Stellen in der Argumentation die Entstehungsgeschichte und Herkunft eines Arguments und seiner Gegenargumente abgefragt werden. So kann beispielsweise bestimmt werden, ob es sich bei einem durch die Parteien vorgebrachten Argument um ein Wortlaut-Argument, ein historisches Argument, ein teleologisches Argument oder ein Argument mit ganz anderer Herkunft handelt. Mit dem detaillierten Blick auf solche Argumentationsmuster erlangen die Studierenden im Rahmen ihrer Argumentationskompetenz neue Fähigkeiten.
  • Mit Memory-Spielen, Wissenstests und anderen Quiztypen können beispielsweise Definitionen abgefragt werden (siehe Fall 5).
  • Als Zwischenschritt zwischen Lesen des Falls und ausformulierter Falllösung kann der Weg von Sachverhalt zur Lösung illustriert werden. Dies geht zum Beispiel mit der Formulierung von „Vorfragen“, in denen abgefragt wird, welche Schwerpunkte der Fall hat. Damit wird der Blick der Studierenden für eine gute Schwerpunktsetzung geschult und sie verinnerlichen, diese Frage(n) sich selbst im richtigen Moment zu stellen und nicht einfach „drauf los“ zu schreiben. Außerdem wird damit der Blick dafür geschärft, worauf Korrektoren von Klausuren bei ihrer Korrektur achten (siehe für eine ausführliche solche Anleitung auch Fall 1 zur Sachverhaltsauswertung und zur Lösungsskizze sowie mit einem korrigierten Bearbeitungsbeispiel).

Übungen, die in Präsenz stattfinden, lassen sich über unterschiedliche technische Anbieter problemlos durch diese digitalen Elemente ergänzen. So kann beispielsweise durch QR-Codes auf die oben aufgeführten Wikibooks-Elemente vom Smartphone aus zugegriffen werden und die jeweilige digitale Übung in die Präsenzlehre integriert werden.

II. Adressatengerechte Falllösung

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Bei der Erstellung von Falllösungen ist eine der Haupt-Herausforderungen der Balance-Akt zwischen reiner Fallbearbeitung und zusätzlicher Wissensvermittlung. Fallersteller befinden sich an diesem Punkt gegebenenfalls in einem Konflikt in ihren Rollen als Lehrende bzw. Wissenschaftler: Als Lehrende wissen sie, dass gerade für Anfangssemester nur bestimmte Mengen an Stoff handhabbar und damit erlernbar sind. Als Wissenschaftler haben sie weitreichende eigene (auch kritische) Gedanken zu Problemstellungen entwickelt, die sie gerne kommunizieren möchten.

In Bezug auf die Studierenden ist ein weiterer Konflikt dem Ausbildungssystem geschuldet: Einerseits sollen die Studierenden auf eine Staatsprüfung vorbereitet werden, in der die Beherrschung von viel Wissen und einer ganz spezifischen Technik abgefragt wird. Auf der anderen Seite handelt es sich um ein Universitätsstudium, woraus ein Anspruch wissenschaftlicher und kritischer Aufbereitung aktueller und grundlegender Fragen erwächst. Diese Konflikte müssen bei der Erstellung von Falllösungen gelöst werden. Grundsätzlich sollte dabei gelten: Ein Fallbuch ist kein Lehrbuch – oder genauer: Ein Klausurfall ist keine abstrakte Darstellung!

Ein Übungsfall kann zwar einerseits den Anspruch haben, den Studierenden das (auch abstrakte Wissen) „am Fall“ beizubringen, was zu vermehrtem abstrakten Wissen und/oder überfrachteten „Definitions“-Abschnitten führen kann. Andererseits sollte die Falllösung dabei aber stets die methodisch saubere Gutachtenlösung anhand des konkreten Falls im Blick haben. Zu viel abstraktes Wissen in eine Lösung zu integrieren, kann sowohl den Effekt haben, Studierende zu entmutigen (wenn der Erwartungshorizont nicht klargestellt wird), als auch einen falschen Eindruck von einer (klausurnahen) Falllösung vermitteln. Daher sollte ein Übungsfall klar zwischen eigentlicher Falllösung und darüber hinausgehenden didaktischen oder inhaltlichen (Zusatz-)Hinweisen unterscheiden. Neben den im Folgenden dargelegten graphischen Mitteln kann für eine solche Trennung für weiterführendes abstraktes Wissen insbesondere auf das dazugehörige (OpenRewi-)Lehrbuch Bezug genommen (beziehungsweise verlinkt) werden.

III. Zusatzhinweise außerhalb des Gutachtens

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Um die Trennung zwischen ausformulierter Falllösung und zusätzlichen Hinweisen zu verdeutlichen, kann und sollte mit graphisch deutlich unterscheidbaren Formatierungen gearbeitet werden. Im digitalen Format (wie bei den OpenRewi-Büchern in Wikibooks) bieten sich dafür insbesondere verschiedene Formatierungsarten an. In analogen Falllösungen kann ebenfalls mit Boxen, Farben, eingerücktem Text, Fußnoten oder unterschiedlichen Schriftarten gearbeitet werden.

1. Didaktische und klausurtaktische Hinweise

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Um die inhaltliche Falllösung von zusätzlichen didaktischen Hinweisen zu lösen, bieten sich ausgelagerte klausurtaktische Hinweise beispielsweise in einem solchen...

Klausurtaktik

...didaktischen Hinweiskasten...

...an. Vorteile solcher Kästen sind, dass die Lösung selbst nicht unnötig überfrachtet wird; auf Wikibooks lassen sich die Hinweise zudem problemlos „wegklappen“. Inhaltlich können dort zum Beispiel alternative Lösungswege aufgezeigt, Hinweise zu Sachverhaltsauswertung oder Schwerpunktsetzung, aber auch Einblicke in die „Korrektorensicht“ gegeben werden. Dabei hängt es maßgeblich vom Klausurtyp und dem Geschmack der Klausursteller ab, wie viele solcher Hinweise in die Klausur mit welcher Ausführlichkeit eingebaut werden (für viele Kästen siehe zum Beispiel Fall 2; für eher wenige Kästen siehe zum Beispiel Fall 6).

2. Weiterführendes Wissen vs. unnötiges Wissen

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Aus dem erwähnten Zielkonflikt zwischen den Rollen als Lehrperson und Wissenschaftler ergibt sich die Frage nach dem Umfang und der Ausführlichkeit von vertiefenden Informationen für die Studierenden. In jedem Fall sollten solche zusätzlichen inhaltlichen Informationen sehr deutlich von der eigentlichen Falllösung abgegrenzt werden. Das kann typischerweise über die Nutzung von Fußnoten erfolgen oder es werden in einer separaten Ebene solche...

Weiterführendes Wissen

...Hinweiskästen mit inhaltlicher Vertiefung...

...eingeführt. Auch hier ist ein Vorteil auf Wikibooks, dass sie automatisch „weggeklappt“ sind und damit den Lesefluss nicht stören. Hier können sich die Fallersteller zum Beispiel auch kritisch zur rezipierten Rechtsprechung äußern und den Studierenden dadurch aufzeigen, dass diese durchaus auch andere Ansichten vertreten können. Wie ausführlich, weitreichend und kompliziert die dortigen Vertiefungshinweise sind, hängt maßgeblich von der Thematik des Falls, der Zielgruppe (Anfangssemester oder Examenskandidaten) und dem Lernziel ab, aber auch von der Komplexität und Bekanntheit der Materie bei Studierenden. Dennoch sollte stets im Hinterkopf behalten werden, dass eine Falllösung keinen wissenschaftlichen Fachaufsatz ersetzen kann.

3. Fußnoten in Übungsfällen

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Bei der Erstellung der Falllösung muss zudem im Blick behalten werden, welche Rolle die dortigen Fußnoten haben können und sollen. Auch hier können Fallersteller in den Zielkonflikt zwischen Lehrperson und Wissenschaftler geraten. Da es sich bei Übungsfällen in der Regel jedoch nicht um wissenschaftliche Fachaufsätze handelt, können Quellenangaben (im Rahmen akademischer Redlichkeit) eher sparsam eingesetzt werden. Gerade bei klassischen und unstreitigen Definitionen genügt oftmals ein einmaliger Verweis auf ein entsprechendes Lehrbuch (zum Beispiel die Stelle im OpenRewi-Lehrbuch). Bei Fällen, die sich maßgeblich an einer aktuellen Entscheidung orientieren, genügen teilweise auch Verweise nur auf diese konkrete Entscheidung. Bei besonders problematischen und streitigen Punkten können dagegen auch ausführlichere Quellenangaben in den Fußnoten erfolgen, um die unterschiedlichen Auffassungen und Streitstände für die Studierenden gezielt nachvollziehbar zu machen. Dabei ist es grundsätzlich im Sinne breiter und bildungsgerechter Zugänglichkeit prioritär frei verfügbare Quellen zu nutzen.

V. Erwartungshorizont und Bewertung

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Insbesondere für das Selbststudium ist es sinnvoll, den Erwartungshorizont und die Bewertung für die Studierenden aufzuführen. Im OpenRewi-Fallbuch werden die Schwerpunkte des Falles und der Erwartungshorizont im Fließtext (oder zum Beispiel in Klausurtaktik-Kästen) aufgezeigt. Eine alternative Möglichkeit für die Darstellung des Erwartungshorizonts als Hilfestellung für eine Bewertung können Bewertungsmatrizen sein.

Die Erstellung von Bewertungsmatrizen in Übungsfällen kann für Studierende sinnvoll sein, die den Übungsfall lösen und danach eine Selbsteinschätzung vornehmen wollen. Zudem sind sie auch eine Hilfestellung für Studierendengruppen, die im Peer-Feedback-Verfahren gemeinsam Fälle lösen und sich gegenseitig korrigieren. Bewertungsmatrizen in Übungsfällen können ganz unterschiedliche ausgestaltet werden. Sie können engmaschig alle Probleme eines Falles abbilden oder grob dazu dienen, die einzelnen Abschnitte in ihrer Gewichtung (diese ist dann anzugeben) zu bewerten. Eine Bewertungsmatrix hilft dabei, eine bessere Selbsteinschätzung vornehmen zu können. Damit diese aber gelingt ist es zugleich empfehlenswert, der Bewertungsmatrix eine Erklärung zur Seite zu stellen.

Beispielhaft folgende Original-Bewertungsmatrizen und ein dazu erstellter Erklärungstext:

Erwartungshorizont Grundlagen
Kriterien des Erwartungshorizontes Beherrscht Ordentlich Lückenhaft Ungenügend
Gutachtenstil
Stil und Ausdruck
Prüfungsaufbau
Aufgabenstellung
beachtet
Obersätze
Problemschwerpunkte
und -argumentation
Erwartungshorizont Klausur
Kriterien des Erwartungshorizontes Beherrscht Ordentlich Lückenhaft Ungenügend Gewichtung in %
Grundlagen, s.o.
Zulässigkeit
Klagebefugnis
Begründetheit
Grundrecht 1
...
...

Erklärung: Die hier aufgeführten Bewertungsmatrizen dienen didaktischen Zwecken. Sie sollen für eine Selbstkorrektur oder eine Korrektur im Peer-Feedback-Verfahren eine Grundlage für konstruktives Feedback darstellen. Durch ein gewissenhaftes Ausfüllen der Matrizen können Studierende (vor allem in den Anfangssemestern) erkennen, bei welchen Themen im Bereich der Grundlagen oder im Bereich der konkreten Klausur sie noch Wiederholungsbedarf haben oder ihr Wissen und Können bereits erfolgreich einsetzen. Auch wird durch solche Matrizen noch einmal ein Fokus auf die Struktur einer Fallprüfung gelegt, die gerade Studierende in den Anfangssemestern so besser verinnerlichen können.

Eine alternative Bewertungsmatrix findet sich in Fall 1. Im OpenRewi Grundrechte-Fallbuch wurde auf Bewertungsmatrizen verzichtet, da sich hiermit zwar die Schwerpunkte eines Falles abbilden lassen, die Qualität der Argumentation, die für die Ausbildung besonders wichtig ist, jedoch nur schwer abgebildet werden kann.

C. Das Erstellen von Klausuren

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I. Konkretes Erstellen der Klausur

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Klausuren können im Grundsatz ebenso wie Übungsfälle erstellt werden. Sie dienen dazu, dass durch die Studierenden bereits erworbene Wissen nachträglich abzufragen und haben daher keinen didaktischen Fokus. Bei ihrer Erstellung ist es noch viel wichtiger sich regelmäßig zu versichern, an welche Zielgruppe sich die Klausur richtet. Ist sie für Studierende (Zwischenprüfung, 1. oder 2. Staatsexamen?) oder Praktiker gedacht? Welches Wissen sollte die jeweilige Gruppe zum Zeitpunkt der Klausur haben? Bei der Klausurerstellung ist es umso wichtiger, den abstrakten Schwierigkeitsgrad dann mit konkreten Inhalten zu füllen (Länge der Klausur, zu behandelnde Probleme je nach Ausbildungsstand).

II. Korrekturassistenten als Adressaten

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Bei der Verschriftlichung von Klausurfall und -lösung ist zudem die Gruppe der Korrekturassistenten als Adressaten in den Blick zu nehmen. Diese sind an vielen Universitäten als Externe damit beauftragt, Klausuren zu korrigieren. Ihnen muss durch die Lösungsskizze deutlich werden, welche Schwerpunktsetzung in der Klausur erwartet wurde und welchen Erwartungshorizont es darüber hinaus zu erfüllen galt. Nur auf diese Weise kann eine möglichst gleiche, an den Vorstellungen der Klausurersteller ausgerichtete Korrektur durch mehrere Korrekturassistenten erfolgen. Erwartungshorizont und Schwerpunkte können beispielsweise in einem kurzen vorgeschalteten Text kommuniziert werden.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Korrekturassistenten meist pro korrigierter Klausur bezahlt werden. Sie korrigieren manchmal nur 20, gelegentlich aber auch 200 Klausuren. Es kann daher (leider) vorkommen, dass manche Korrekturassistenten gelegentlich oberflächlich über Klausuren lesen und nur bestimmte „Schlüsselbegriffe“ abhaken. Damit auch Lösungen abseits des vorgeschlagenen Lösungswegs gewürdigt werden und eine richtige Bewertung erfahren, ist es wichtig, auch den Korrekturassistenten gegenüber transparent die Erwartungen an die Studierenden zu kommunizieren.

III. Bewertungsmatrizen in Klausuren

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Bewertungsmatrizen in Klausuren können für die Korrektoren (ob lehrstuhlintern oder Korrekturassistenten) erstellt werden. Aus ihnen kann hervorgehen, für die Bearbeitung welcher Punkte und Schwerpunkte der Klausur es wieviele Punkte gibt. Dabei gibt es grobe Matrizen („Zulässigkeit: max. 6 Punkte, Begründetheit: max. 12 Punkte“) und ausdifferenzierte Bewertungsmatrizen, die auch die Form und die Gewichtung der einzelnen Problemschwerpunkte festlegen. Ob Matrizen eine sinnvolle Ergänzung von Klausurfällen sind, ist umstritten.

Für das Erstellen solcher Matrizen spricht, dass Korrektoren damit eine „Schablone“ an die Hand bekommen und alle ihnen vorliegenden Klausuren „gleich“ bewerten können. Gerade an großen Universitäten mit wenigen Korrekturassistenten, die jeweils viele Klausuren korrigieren, kann eine Bewertungsmatrix der Qualitätssicherung der Korrektur und der Gleichbehandlung aller dienlich sein.

Problematisch an Matrizen ist, dass ein Fall selten nur eine richtige Lösung kennt. Matrizen können damit den Irrglauben fördern, dass ein Klausurersteller eine „Musterlösung“ erstellt – vielmehr kann es sich immer nur um einen Lösungsvorschlag handeln. Mit guten Argumenten kann in jeder Falllösung ein anderer Weg eingeschlagen werden. Dies zu bewerten und gegebenenfalls auch zu honorieren ist schwer möglich, wenn sich starr an eine Bewertungsmatrix gehalten wird. Es besteht daher die Gefahr, dass eigenständig denkende und frei argumentierende Studierende durch das Bestehen einer Bewertungsmatrix in der Bewertung der Klausur benachteiligt werden.

Der Einsatz von Bewertungsmatrizen in Klausuren sollte daher immer gut abgewogen werden. Außerdem müssen die beteiligten Korrektoren über den richtigen Einsatz der jeweiligen Matrix unterrichtet werden.

Dieser Text wurde von der Initiative für eine offene Rechtswissenschaft OpenRewi erstellt. Wir setzen uns dafür ein, Open Educational Ressources für alle zugänglich zu machen. Folge uns bei Twitter oder trage dich auf unseren Newsletter ein.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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Zusatzmaterial / Weiterentwickelte Fälle

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Fußnoten

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