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Wir betrachten nun die harmonische Reihe. Wir werden zunächst deren Konvergenz- bzw. Divergenzverhalten untersuchen. Anschließend beschäftigen wir uns mit dem asymptotischen Wachstumsverhalten der Reihe. Außerdem werden wir einige Varianten der Reihe, wie die alternierende harmonische Reihe und die verallgemeinerte harmonische Reihe untersuchen.
In der untenstehenden Grafik sind die ersten Partialsummen dieser Reihe aufgetragen.
Ist die Folge der Partialsummen beschränkt? Durch die Grafik lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Der Anstieg der Partialsummen, d.h. die Differenz zwischen und wird für größer werdende immer kleiner. Dennoch ist nicht klar, ob wir eine Zahl finden können, so dass für alle gilt .
Eine andere Frage ist, ob die Reihe konvergiert, d.h. ob die Folge der Partialsummen gegen eine reelle Zahl konvergiert. Die Folge der Partialsummen ist streng monoton steigend: Für alle gilt
Wir wissen, dass monotone Folgen genau dann konvergieren, wenn sie beschränkt sind. Also ist auch hier die entscheidende Frage, ob die Folge der Partialsummen beschränkt ist.
Wir betrachten nochmal unsere Grafik. Diesmal konzentrieren wir uns auf einen anderen Aspekt: Kennen wir Funktionen von nach , die so ähnlich aussehen wie die Folge der Partialsummen der harmonischen Reihe?
Die roten Punkte sehen fast so aus wie der Logarithmus, nur verschoben. Wir sehen zwar nicht den Teil des Logarithmus für , wo für gilt . Der Teil für sieht aber sehr ähnlich aus.
Über den Logarithmus wissen wir, dass . Da die Folge der für ungefähr so aussieht wie , können wir vermuten, dass , d.h. die harmonische Reihe konvergiert nicht.
Wie kommt man auf den Beweis? (Divergenz der harmonischen Reihe)
Die Folge ist monoton fallend. Wenn ist, ist . Dementsprechend können wir die Summanden geschickt nach unten abschätzen:
An der letzten Reihe können wir erkennen, dass die Abschätzung gegen unendlich strebt und damit divergiert. Da wir nach unten abgeschätzt haben, muss auch divergieren. Um den Beweis formal richtig zu führen, zeigen wir direkt, dass die Partialsummenfolge divergiert. Da jeweils Summanden zusammengefasst werden, betrachten wir nur die Teilfolge . Hier ist der Vorteil, dass wir alle Summanden schön zusammenfassen können.
Beweis (Divergenz der harmonischen Reihe)
Sei beliebig. Wir betrachten die Partialsummenfolge
Damit ist
Dies zeigt, dass die Folge gegen unendlich strebt und somit divergiert. Eine Folge divergiert, wenn eine Teilfolge von ihr divergiert. Weil die Teilfolge der harmonischen Reihe divergiert, muss auch die harmonische Reihe divergieren.
Wir haben uns oben schon überlegt, dass die Partialsummen der harmonischen Reihe ähnlich wie der natürliche Logarithmus anwachsen. Tatsächlich gilt
Es gilt sogar noch mehr: Die Differenz strebt gegen eine feste Zahl:
Im Kapitel zur Logarithmusfunktion werden wir diese Grenzwerte beweisen. Diese Zahl ist die sogenannte Euler-Mascheroni-Konstante. Sie wurde zum ersten Mal vom Mathematiker Leonhard Euler 1734 verwendet[1]. Bislang konnte nicht bewiesen werden, ob diese Zahl rational oder irrational ist. Niemand weiß es!
Da diese Reihe alternierend ist, d.h. die Summanden abwechselnd positives und negatives Vorzeichen haben, nehmen die Partialsummen der Reihe nicht beliebig zu, sondern konvergieren gegen einen festen Wert. Wir zeigen zunächst, dass die Reihe konvergiert, um danach den Grenzwert genauer zu untersuchen.
Satz (Konvergenz der alternierenden harmonischen Reihe)
Die alternierende harmonische Reihe konvergiert.
Beweis (Konvergenz der alternierenden harmonischen Reihe)
Die Konvergenz der alternierenden harmonischen Reihe kann mithilfe des Leibniz-Kriteriums nachgewiesen werden. Die Reihe ist alternierend und die Folge der Beträge der einzelnen Summanden ist eine monoton fallende Nullfolge. Daher konvergiert die Reihe nach dem Leibniz-Kriterium.
Alternativ lässt sich die Konvergenz der alternierenden harmonischen Reihe erneut mit Hilfe des Cauchy-Kriteriums zeigen. Siehe dazu die entsprechende Übungsaufgabe.
Der Grenzwert der alternierenden harmonischen Reihe ist . Im Kapitel zur Logarithmusfunktion werden wir diese Behauptung mithilfe des Grenzwerts herleiten.
Alternativ kann der Grenzwert mit Hilfe einer Taylorreihe gezeigt werden. Ich möchte dir den Beweis bereits hier vorstellen, wobei du diesen aber gerne überspringen kannst. Man startet mit der Taylorreihe von :
Man kann zeigen, dass diese Reihe für alle gegen die Funktion konvergiert. Nun setzt man und erhält als Ergebnis:
Solltest du diesen Beweis nicht verstehen, ist es nicht schlimm . Wie gesagt: Zunächst musst du hierfür lernen, was die Taylorreihe ist.
Die Reihe der reziproken Quadratzahlen ist konvergent, weil die Folge aller Partialsummen monoton steigend und nach oben beschränkt ist. Sie ist monoton steigend, weil für alle natürlichen Zahlen gilt:
Weiter ist für und damit lässt sich auch die Beschränkheit beweisen, denn es gilt:
Es gilt: . Es gibt etliche Möglichkeiten, dies zu zeigen. Allerdings benötigen alle Beweise weiterführende Hilfsmittel wie Taylorreihen, Fourrierreihen oder Integrationstheorie. Siehe hierzu den Wikipedia-Artikel „Basler Problem“, in dem diese Reihe und ihr Grenzwert detaillierter besprochen werden.
Für erhält man die harmonische Reihe, welche divergiert. Für erhält man die Reihe . Da die Reihe für konvergiert, kann man mit Hilfe des Majorantenkriteriums zeigen, dass die allgemeine harmonische Reihe ebenfalls für alle konvergiert. Im Kapitel „Beschränkte Reihen und Konvergenz“ werden wir schließlich beweisen, dass die allgemeine harmonische Reihe für konvergiert.