Umgangsformen: Anrede
Grundsätzliches
[Bearbeiten]Die übliche Anrede im Umgang zwischen zwei Menschen lautet "Herr Meier" oder "Frau Schulze". Trifft man sich, so begrüßt man sich auch mit den entsprechenden Formeln, z. B. mit "Guten Tag, Herr Meier". Mehr zum Grüßen siehe im dortigen Kapitel "Grüßen und Vorstellen".
Das Ansprechen mit dem Vornamen ist unter Kindern oder unter Klassenkameraden üblich, drückt aber unter Erwachsenen im normalen Miteinander eine ganz besondere Vertrautheit aus. Im Regelfall ist das "Herr..." mit dem "Sie" gekoppelt, die Ansprache mit dem Vornamen mit dem "Du" gekoppelt. Sprechen Sie einen Unbekannten mit "Du" an, so wirkt dies sofort als Unhöflichkeit, ja kann sogar in Einzelfällen von Ihrem Gegenüber als Beleidigung angesehen werden, deshalb behandeln wir dieses Kapitel jetzt einmal etwas genauer:
Siezen und Duzen
[Bearbeiten]Wann wird also gesiezt und geduzt?
Das Sie bedeutet immer einen Abstand, der auch wohltuend sein kann, während ein Du immer eine Vertrautheit herstellt.
Das Du ist daher innerhalb bestimmter Vergemeinschaftungsformen (politischer Parteien, Glaubensgemeinschaften, Arbeitskollegien, Clubs, im Internet u.ä) oft die normale Anredeform, wenn besonderer Wert z. B. auf ein gemeinschaftliches Miteinander gelegt wird und gehorcht dort spezifischen Regeln, die von denen des Alltags, die hier beschrieben werden sollen, mitunter stark abweichen. Ebenso gibt es umgekehrt auch stark formalisierte Gesellschaften, in denen das Du grundsätzlich als inadäquat wirkt.
Auch im Alltag kann die Präferenz der Anrede mit Du oder Sie stark von weltanschaulichen Gegebenheiten abhängig sein, wie sie etwa innerhalb eines spezifischen Milieus wirken. Hierbei sind alle denkbaren Schattierungen anzutreffen (von absoluter Ablehnung des Sie, über eine ausgewogene Verteilung beider Anredeformen, bis hin zu Umgangserwartungen, bei denen das Du praktisch ausgeschlossen ist). Allgemeingültige Regeln für alle Bereiche der deutschsprachigen Gemeinschaften lassen sich daher nicht formulieren. Die Wahl der richtigen Anrede ist deshalb ein wichtiger Indikator für ein angemessenes Taktgefühl, d.h. ein Gespür dafür, welche Umgangsform in der jeweiligen Umgebung erwünscht, bzw. adäquat ist.
Wenn man jemanden im Alltag nicht persönlich kennt oder sich bezüglich der Regeln umgebenden Vergemeinschaftung unsicher ist, empfiehlt es sich, immer zu siezen! Das Duzen eines Fremden ist strenggenommen eine Kundgabe der Nichtachtung und damit eine Beleidigung, die sogar juristische Konsequenzen haben kann, wenn man an den Falschen gerät, und auch sonst kann es einem passieren, dass man bei ungerechtfertigter Vertrautheit recht schroff zurechtgewiesen wird, auch von jüngeren Leuten.
Das Du wird nach der klassischen Lehre immer vom Älteren dem Jüngeren, von der Dame dem Herrn, vom Ranghöheren dem Rangniedrigeren angeboten. Selbstverständlich kann man das Du auch höflich ablehnen mit den Worten: „Seien Sie mir nicht böse, aber ich möchte vorerst lieber noch beim Sie bleiben.“
Sie sollten selber wissen, wem Sie das Du anbieten - zu vorschnell angeboten, kann es auch für eine Distanzlosigkeit ihrerseits sprechen, die bei anderen nicht gerne gesehen wird! Ratsam ist auch mitunter, den Chef bei der Arbeit nicht zu duzen, auch wenn das Du angeboten wird: Sollte das gute Verhältnis in irgendeiner Hinsicht gestört sein, kann eine Auseinandersetzung leicht persönlicher werden, als man möchte. Ansonsten sollte man ein angebotenes "Du" vom Chef annehmen, auch wenn man älter ist als dieser. Man ist jedoch nicht verpflichtet dazu, kann im Zweifelsfall sogar die höfliche Form einklagen.
Eine Zwischenform ist manchmal auch eine angebrachte Lösung: Das Sie und der Vorname! Man kann diese Form zum Beispiel gegenüber den bereits erwachsenen Freunden seiner Kinder oder Enkel verwenden, allerdings ist diese Form vielfach als „Dienstboten-Sie“ verpönt, da es eine höfliche Distanz vorgaukelt, die in der Praxis nicht besteht (Vgl. Hamburger Sie). Eine andere Zwischenform ist die zweite Person Plural (Ansprache mit „Ihr“) oder die dritte Person Singular (Ansprache mit „Er“), die - je nach Region - häufig noch von älteren Menschen benutzt wird. Bei der Verwendung dieses häufig so genannten Hamburger Sie ist jedoch dieselbe Vorsicht geboten, wie beim "Duzen", da die Verwendung des Vornamens bei der Anrede als ehrverletztend und damit als Beleidigung empfunden und geahndet (§185 StGB) werden kann. Diese Mischform (Siezen + Vorname) hat sich bei in Deutschland ansässigen Firmen angelsächsischen Ursprungs zwar eingebürgert, ist rechtlich aber mindestens fragwürdig und kann von einem Fremden, der so angesprochen wird, als Zeichen der Missachtung und damit in vergleichbarer Weise als ehrverletzend (Beleidigung) empfunden werden, wie das "Duzen", da man sich hier des Vornamens bedient, was im deutschen Kulturraum nur sehr vertrauten Personen, mit denen man intimeren Kontakt hat, angemessen ist.
Wenn man in einer Firma neu anfängt, sollte man sich den Gepflogenheiten anpassen. Wenn sich alle Mitarbeiter auf einer Ebene duzen, sollte man sich nicht ausschließen, jedoch ist es oft ratsam, erst vorsichtig anzufragen, ob ein Duzen in Ordnung ist oder darauf warten, dass man aufgefordert wird, die Kollegen auch zu duzen. Mitunter ist es in deutschen Tochterunternehmen ausländischer Gesellschaften üblich, dass sich sämtliche Mitarbeiter von der untersten bis zur höchsten Rangstufe duzen.
An der Universität und in der Schule gilt unter Kameraden und Kommilitonen das Du; gegenüber Lehrern und Dozenten in der Regel das Sie.
Für Erwachsene gilt: Normalerweise siezt man einen Jugendlichen und nennt ihn beim Vornamen, wenn er 16 Jahre oder älter ist, es sei denn, man hat das „Gewohnheitsrecht“ und kennt sich noch von früher! Wenn jemand 18 Jahre alt ist und somit volljährig, wird er selbstverständlich mit Nachnamen genannt und gesiezt!
Weiteres zur Anrede
[Bearbeiten]Völlig aus der Mode gekommen ist die Anrede ausschließlich mit Nachnamen, etwa "Hallo, Schulze!" und das zu Recht, denn hier gab es mittlerweile verschiedene Gerichtsurteile, die diese Anrede als unhöflich angesehen haben. Als "Herr Schulze" oder "Frau Schulze" angesprochen zu werden, ist das Minimum, das man normalerweise verlangen kann.
Übrigens gehören die Namenszusätze auch unbedingt zum Namen und somit zur Anrede oder Ansprache dazu: Ein Herr Professor oder einen Herrn Doktor sollte man auch so anreden, z. B. mit "Herr Professor Schulze" oder "Herr Doktor Schulze". Menschen mit Diplom gibt es allerdings schon soviele, daß sich die Anrede "Herr Diplom-Ingenieur Schulze" nicht durchgesetzt hat.
Bei Personen des ehemaligen Adels ist es etwas komplizierter: Adelsprädikate wie "Prinz" oder "Graf" sind keine Titel, können aber als Namensbestandteile in der Anrede durchaus genannt werden. Eigentlich heißt es dann "Guten Abend, Herr Prinz von Wolkenstein" oder "Guten Morgen, Frau Gräfin von Wolkenstein". Auf diese Anrede hat die betreffende Person sogar Anspruch. Sie klingt sperrig und entspricht nicht der historischen Anrede. Man kann daher stattdessen z. B. die Formen "Guten Abend, Prinz Wolkenstein" oder "Gräfin von Wolkenstein" verwenden. Dies klingt allerdings so, als sei ein Prinz etwas besseres als jeder andere "Herr". Auf eine solche Anrede hat der Betroffene keinen rechtlichen Anspruch.
Häufig wird auch die Form "Herr/Frau von Wolkenstein verwendet" und akzeptiert.
Das vollständige Weglassen der Adelsprädikate ist z.T. individuell von den Trägern erwünscht ("Herr und Frau Wolkenstein"), z. T. wird dies auch als Unhöflichkeit empfunden.