Diagramm für Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung und Ruck eines Objekts. Der Ort ist die türkise Linie. Die Geschwindigkeit (violett) steigt, ist dann zwischen

und

konstant und fällt dann wieder auf Null ab. Sobald die Geschwindigkeit abfällt, wird die Beschleunigung (grün) negativ. Ein Ruck spielt sich nur in nicht konstant beschleunigten Bereichen ab und ist eine Stufenfunktion. Deshalb ist die Ableitung des Rucks auch Null (bei den Sprungstellen ist die Ableitung nicht definiert).
Die Ableitung
beschreibt die momentane Änderungsrate der Funktion
. Nun kann man die abgeleitete Funktion
wieder ableiten, vorausgesetzt, dass diese wieder differenzierbar ist. Die gewonne Ableitung der Ableitung wird zweite Ableitung bzw. Ableitung zweiter Ordnung genannt und mit
oder
bezeichnet. Dies lässt sich beliebig oft durchführen. Wenn die zweite Ableitung wiederum differenzierbar ist, so erhält man die dritte Ableitung
, danach die vierte Ableitung
usw..
Diese höheren Ableitungen gestatten Aussagen über den Verlauf eines Funktionsgraphen. Die zweite Ableitung sagt zum Beispiel aus, ob ein Graph oben gekrümmt („konvex“) oder nach nach unten gekrümmt („konkav“) ist. Bei konvexen Graphen von differenzierbaren Funktionen nimmt seine Steigung kontinuierlich zu. Hierfür ist
eine hinreichende Bedingung. Wenn nämlich die zweite Ableitung stets positiv ist, dann muss die erste Ableitung kontinuierlich wachsen. Analog folgt aus
, dass der Graph konkav ist und die Ableitung monoton fällt.
Um die Aussagekraft höherer Ableitungen genauer zu verdeutlichen betrachten wir die Funktion
mit
, welche den Ort
eines Autos zum Zeitpunkt
angeben soll. Wir wissen schon, dass wir die Geschwindigkeit des Autos zum Zeitpunkt
mit der ersten Ableitung berechnen können:
. Was sagt nun die Ableitung
von
aus? Diese ist die momentane Änderungsrate der Geschwindigkeit und damit die Beschleunigung des Autos. Es beschleunigt mit
.
Nun kann man diese zweite Ableitung wieder ableiten, wodurch wir die momentane Änderungsrate der Beschleunigung
erhalten. Diese wird in der Fahrdynamik Ruck genannt und sagt aus, wie schnell ein Auto die Beschleunigung erhöht oder wie schnell es die Bremsung einleitet. Ein großer Ruck entsteht zum Beispiel bei einer Notbremsung. Da
bei einer Notbremsung ist, ist der Graph der Geschwindigkeit
konvex – die Geschwindigkeit fällt immer stärker. Die vierte Ableitung
sagt uns wiederum, dass der Ruck keine momentane Änderungsrate hat.
Die Menge aller
-fach stetig differenzierbaren Funktionen mit Definitionsbereich
und Wertebereich
wird mit
notiert. Insbesondere besteht
aus den stetigen Funktionen. Falls wir die Funktion
beliebig oft ableiten können, so schreiben wir
. Ist
, so können wir kürzer
beziehungsweise
schreiben. Es gilt:
Lösungen:
- wahr
- falsch
- falsch
- falsch
- wahr
- wahr
Beispiele für höhere Ableitungen[Bearbeiten]
Ableitungen der Potenzfunktion[Bearbeiten]
Ableitungen der Exponentialfunktion[Bearbeiten]
Ableitungen der Sinusfunktion[Bearbeiten]
Verständnisfrage: Wie lauten analog die Ableitungen von
?
Übungsaufgaben zu höheren Ableitungen[Bearbeiten]
Ableitungen der natürlichen Logarithmusfunktion[Bearbeiten]
Aufgabe (Ableitungen der natürlichen Logarithmusfunktion)
Zeige, dass die natürliche Logarithmusfunktion
beliebig oft differenzierbar ist und für alle
gilt:
Beweis (Ableitungen der natürlichen Logarithmusfunktion)
Aussageform, deren Allgemeingültigkeit für
bewiesen werden soll:
1. Induktionsanfang:
2. Induktionsschritt:
2a. Induktionsvoraussetzung:
2b. Induktionsbehauptung:
2c. Beweis des Induktionsschritts:
Genau einmal differenzierbare Funktion[Bearbeiten]
Aufgabe (Genau einmal differenzierbare Funktion)
Zeige, dass folgende Funktion einmal, jedoch nicht zweimal differenzierbar ist:
Lösung (Genau einmal differenzierbare Funktion)
Die Funktion

mit

für

und

.
Diese Funktion ist in allen Punkten
differenzierbar, denn für alle
in der Umgebung
für
bzw.
für
gilt
und folglich gilt nach der Produktregel und der Kettenregel
Für
erhalten wir
Denn für alle
gilt
und ist somit beschränkt. Damit ist die Ableitungsfunktion
Diese Funktion ist jedoch nicht in
differenzierbar. Dazu betrachten wir die Folgen
und
, wobei wir für alle
definieren
Dann gilt
und
. Weiter gilt für alle
Also gilt
Aber
Folglich existiert der Grenzwert
nicht und damit ist
in
nicht differenzierbar.
Ergänzungsfrage: Ist
stetig in
?
Rechenregeln für höhere Ableitungen[Bearbeiten]
Die Linearität der Ableitung „vererbt“ sich auch auf höhere Ableitungen: Sind
und
differenzierbar, und
, so ist bekanntlich auch
differenzierbar mit
Sind nun
und
sogar zweimal differenzierbar, so gilt
Führen wir dies fort, so erhalten wir
Beweis (Linearität höherer Ableitungen)
Aussageform, deren Allgemeingültigkeit für
bewiesen werden soll:
1. Induktionsanfang:
2. Induktionsschritt:
2a. Induktionsvoraussetzung:
2b. Induktionsbehauptung:
2c. Beweis des Induktionsschritts:
Leibniz-Regel für Produktfunktionen [Bearbeiten]
Wir vesuchen nun eine allgemeine Formel für die
-te Ableitung der Produktfunktion
zweier beliebig oft differenzierbarer Funktionen zu
und
zu bestimmen. Durch mehrmaliges anwenden der Faktor-, Summen- und Produktregel erhalten wir für
unmittelbar
Setzen wir
und
, und statt den Ableitungen von
und
die entsprechenden Potenzen von
und
, so sehen wir eine eindeutige Analogie zum binomischen Lehrsatz:
Diese Analogie können wir uns allgemein so überlegen:
Wir ordnen für jedes
der Ableitung
die Potenz
, und der Ableitung
die Potenz
zu. Dabei entspricht die
-te Ableitung
der
-ten Potenz
. Die Ableitung des Terms
lautet mit der Produktregel
Der Ausdruck
entspricht in unserer Analogie nun der Summe
. Diesen Term erhalten wir aus
durch Multiplikation mit
. Denn mit dem Distributivgesetz gilt
Also entspricht die Anwendung der Produktregel der Multiplikation mit der Summe
. Damit wird der
-ten Ableitung
die Potenz
zugeordnet. Aus dem binomischen Lehrsatz
ergibt sich somit
Beweis (Leibniz-Regel für Ableitungen)
Aussageform, deren Allgemeingültigkeit für
bewiesen werden soll:
1. Induktionsanfang:
2. Induktionsschritt:
2a. Induktionsvoraussetzung:
2b. Induktionsbehauptung:
2c. Beweis des Induktionsschritts: