Einfacher Diebstahl
Autor: Kilian Wegner
Notwendiges Vorwissen: Da für eine Prüfung der §§ 242 ff. StGB erörtert werden muss, in wessen Eigentum eine weggenommene Sache steht und wer ggf. einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Sache hat, sollten die Grundlagen des Mobiliarsachenrechts und des Schuldrechts (Allgemeiner Teil) vor der Lektüre dieses Abschnitts studiert werden.
Obwohl die Zahl der polizeilichen erfassten Diebstähle seit Jahren sinkt, handelt es sich bei diesem Delikt immer noch um den statistisch bedeutsamsten Straftatbestand in der Bundesrepublik Deutschland. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind für das Jahr 2019 insgesamt 1.822.212 Fälle erfasst, was etwa einem Drittel aller in der PKS erfassten Straftat entspricht.[1] Entsprechend hoch ist auch die Bedeutung des Diebstahls für Prüfungen im Studium sowie der Ersten und Zweiten Juristischen Prüfung. Die Prüfungsrelevanz des § 242 StGB ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass der ebenfalls häufig abgeprüfte Raub (§ 249 StGB, → § 44) alle Tatbestandsmerkmale des § 242 StGB enthält. Daher ist für die Prüfungsvorbereitung eine intensive Auseinandersetzung mit dem Delikt ratsam.
Im Strafgesetzbuch bildet das Diebstahlsstrafrecht gemeinsam mit der Unterschlagung (→ § 38) den 19. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs. Grundtatbestand des Diebstahls ist dabei § 242 StGB, der in diesem Abschnitt behandelt wird. Für besondere Begehungsweisen dieses Grundtatbestands (sog. schwere Fälle) ordnet § 243 StGB einen verschärften Strafrahmen an (→ § 36). Zudem finden sich in den §§ 244, 244a StGB Qualifikationstatbestände des Diebstahls (→ § 37).
A. Deliktsstruktur und Verwirklichungsphasen
[Bearbeiten]Im objektiven Tatbestand setzt der Diebstahl gem. § 242 Abs. 1 StGB voraus, dass eine fremde bewegliche Sache weggenommen wird (dies wird sogleich unter → C. näher erläutert).
Der subjektive Tatbestand des Diebstahls (dazu im Detail unter → D.) enthält neben dem üblichen Vorsatzerfordernis zusätzlich das besondere subjektive Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht. Die fremde bewegliche Sache muss also mit dem Ziel weggenommen werden, sie sich selbst oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Ob diese Zueignung tatsächlich gelingt, spielt keine Rolle. Mit der Wegnahme ist der Diebstahl also bereits vollendet.
Dass die Zueignung beim Diebstahl nur beabsichtigt und nicht wirklich erfolgt sein muss, unterscheidet den Tatbestand von vielen anderen Delikten, bei denen objektiver und subjektiver Tatbestand vollständig kongruent sind. So muss sich z. B. der Vorsatz beim Totschlag exakt auf die objektiven Tatbestandsmerkmale (Handlung, Erfolg, Kausalität, objektive Zurechnung) beziehen. Wegen dieser dem Diebstahl eigentümlichen Inkongruenz bezeichnet man ihn auch als sog. "kupiertes Erfolgsdelikt". Diese Bezeichnung leitet sich von dem französischen Verb "couper" (abschneiden) ab und spielt darauf an, dass der Tatbestand gerade keinen objektiven Zueignungserfolg voraussetzt, sondern nur eine entsprechende Absicht. Man kann insofern davon sprechen, dass der Gesetzgeber den objektiven Zueignungserfolg aus dem Gesetz "kupiert" (abgeschnitten) hat. Ganz ähnlich erklärt sich die in der Literatur ebenfalls häufig zu findende Formulierung, wonach der Diebstahl ein Delikt mit überschießender Innentendenz sei. Mit "Innentendenz" ist hier der subjektive Plan der Täter:in gemeint, eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten zuzueignen. Diese Tendenz wird "überschießend" genannt, weil sie aus dem subjektiven Tatbestand bildlich gesprochen "herausragt", ohne im objektiven Tatbestand eine Entsprechung zu finden.
Die Phase, in der eine Sache bereits weggenommen, aber noch nicht endgültig zugeeignet wurde, wird als sog. Beendigungsphase des Diebstahls bezeichnet. Als typisches Beispiel hierfür gilt die Flucht mit einer gestohlenen Sache, die erst mit der endgültigen Sicherung der Beute im Diebesversteck abgeschlossen ist. Die Rechtsfigur der Beendigungsphase ist bedeutsam für die Berechnung der Verjährungsfrist, da diese gem. § 78a S. 1 StGB erst mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt. Nach h. M. ist in der Beendigungsphase außerdem noch eine Beteiligung an einem Diebstahl als Gehilfe oder Mittäter möglich (näher → F.). Ferner soll die Verwirklichung eines qualifizierenden Merkmals i. S. v. §§ 244, 244a StGB in der Beendigungsphase noch zu einer Qualifikation des bereits vollendeten Diebstahls führen (dazu → § 37). Eine Rolle spielt die Rechtsfigur der Beendigungsphase außerdem bei Notwehr gegen einen Diebstahl (→ E.) und auf Ebene der Konkurrenzen (→ H.) .
B. Rechtsgut
[Bearbeiten]Welches Rechtsgut der § 242 Abs. 1 StGB schützen soll, ist im Detail umstritten.
I. Eigentum
[Bearbeiten]Einigkeit besteht zunächst darüber, dass der Tatbestand jedenfalls dem Schutz des Rechtsguts Eigentum dient. Damit ist allerdings nicht das Eigentum als formale dingliche Position gemeint, da diese durch einen Diebstahl im Normalfall nicht verloren geht: Auch nach einer Wegnahme bleibt die Eigentümer:in formal betrachtet Eigentümer:in. Selbst wenn die gestohlene Sache später an einen gutgläubigen Dritten veräußert wird, verhindert es § 935 Abs. 1 BGB im Regelfall, dass die Bestohlene dadurch das Eigentum an der Sache verliert. Vom Diebstahlstatbestand geschützt ist vielmehr die aus der formalen Eigentumsposition fließende faktische Befugnis der Eigentümer:in, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen (vgl. § 903 BGB).
II. Gewahrsam
[Bearbeiten]Seit jeher umstritten ist, ob darüber hinaus auch der bloße Gewahrsam an der Sache als zusätzliches Rechtsgut von § 242 Abs. 1 StGB geschützt wird. Hier sind drei verschiedene Konstellationen zu unterscheiden:
1. Schutz des berechtigten Gewahrsams
[Bearbeiten]Zunächst gibt es Fälle, in denen eine Sache einer Nicht-Eigentümer:in gestohlen wird, die jedoch berechtigten Gewahrsam über die Sache hat.
Beispiel: A ist Eigentümerin eines Motorrads und leiht dieses an B. T nimmt es der B heimlich weg.
Wenn die Wegnahme in einer solchen Konstellation nicht nur als Angriff auf das Eigentum (im Beispiel: von A), sondern auch auf den berechtigten Gewahrsam der Nicht-Eigentümer:in (im Beispiel: von B) angesehen wird, hätte das praktisch zur Folge, dass sowohl A als auch B durch den Diebstahl verletzt und gem. §§ 77 ff. StGB strafantragsbefugt wären. Dies wäre von Bedeutung, wenn die weggenommene Sache geringwertig ist oder die Wegnahme in einem familiären Kontext passiert, weil dann gem. §§ 247, 248a StGB jeweils ein Strafantragserfordernis entsteht.
Die Rechtsprechung hat mehrfach betont, auch den berechtigten Gewahrsam als Schutzgut des § 242 Abs. 1 StGB anzusehen.[2] Kernargument ist hier, dass sich der im Vergleich zur Unterschlag erhöhte Strafrahmen des Diebstahls nur durch die Mehrzahl der verletzten Rechtsgüter beim Diebstahls erklären lassen.
In der Literatur wird die Aufnahme des berechtigten Gewahrsams in den Kreis der von § 242 Abs. 1 StGB geschützten Rechtsgüter dagegen zunehmend abgelehnt.[3] #Argumente werden noch ergänzt#.
In der Klausur muss der Streit, ob der berechtigte Gewahrsam als Rechtsgut von § 242 Abs. 1 StGB geschützt wird, nur angesprochen werden, wenn die Prüfungsaufgabe die Frage aufwirft, wer Verletzter des Diebstahls ist. In der Universität und der Ersten Juristischen Prüfung sind solche Aufgaben äußerst selten und werden sich – wenn überhaupt – nur mit Blick auf die §§ 247, 248a StGB stellen. In der Zweiten Juristischen Prüfung kommen Fragestellungen rund um das Strafantragserfordernis dagegen häufiger vor. Hier kann zudem auch hinsichtlich des Instituts der Nebenklage oder des Klageerzwingungsverfahrens fraglich sein, wer als Verletzter eines Diebstahls zu qualifizieren ist.
2. Schutz des unberechtigten Gewahrsams
[Bearbeiten]Eng verwandt mit der vorstehend behandelten Fallkonstellation ist das Szenario, in dem eine Sache einer Person weggenommen wird, die ihrerseits nur unberechtigten Gewahrsam an der Sache hat.
Beispiel: A ist Eigentümerin eines I-Phones, das ihr von B gestohlen wird. T nimmt es der B später heimlich weg.
#Unterschied zu Konstellation 1 und Behandlung in der Klausur wird ergänzt.#
3. Schutz des Gewahrsams an nicht verkehrsfähigen Sachen
[Bearbeiten]#wird ergänzt#.
C. Objektiver Tatbestand
[Bearbeiten]I. Tatobjekt: Fremde bewegliche Sache
[Bearbeiten]Tatobjekt des Diebstahls ist eine (für den Täter) fremde bewegliche Sache. Ob die Sache einen materiellen oder zumindest immateriellen Wert hat, spielt nach ganz h. M. keine Rolle.[4]
1. Sacheigenschaft
[Bearbeiten]Der Begriff der Sache i. S. v. § 242 Abs. 1 StGB ist strafrechtsautonom und unabhängig von den Vorgaben des BGB (vgl. dort § 90 BGB) auszulegen,[5] wenngleich die Unterschiede zwischen dem strafrechtlichen und dem zivilrechtlichen Sachbegriff sehr gering sind. Definiert ist eine Sache in beiden Fällen als körperlicher Gegenstand. Darunter fällt jede Materie unabhängig von ihrem Aggregatzustand (fest, flüssig, gasförmig), nicht aber der elektrische Strom als reiner Elektronenfluss.[6] Die unbefugte Entziehung elektrischer Energie ist daher in § 248c StGB gesondert unter Strafe gestellt. Forderungen (und damit insbesondere auch Buch- und Giralgeld auf Bankkonten) sind mangels Körperlichkeit ebenfalls kein taugliches Tatobjekt des Diebstahls. Auch sonstige Rechte wie z. B. Urheber-, Patent- oder Markenrechte können nicht gestohlen werden, so dass ihre Verletzung nur nach Spezialtatbeständen wie z. B. §§ 143 ff. MarkenG, § 142 PatentG oder §§ 106 ff. UrhG bestraft werden kann. Dasselbe gilt für elektronische Daten, deren Entwendung allenfalls durch Sondertatbestände wie § 202a StGB oder § 148 TKG bestraft wird. Taugliche Tatobjekte des Diebstahls können aber die physikalischen Datenträger sein (z. B. Festplatten), auf denen die Daten gespeichert sind.
2. Beweglichkeit der Sache
[Bearbeiten]Eine Sache ist beweglich, wenn es im Tatzeitpunkt möglich ist, sie von ihrem jeweiligen Standort zu entfernen. Dass der Täter die Sache möglicherweise erst noch beweglich machen muss (z. B. durch Fällen eines Baumes, dessen Holz dann weggenommen wird), ist dabei unschädlich und schließt eine Strafbarkeit wegen Diebstahls nicht aus. Was "beweglich" i. S. v. § 242 Abs. 1 StGB ist, bestimmt sich also rein faktisch und nicht nach der normativen zivilrechtlichen Differenzierung gem. §§ 93 ff. BGB.[7]
3. Fremdheit der Sache
[Bearbeiten]Fremd ist eine Sache dann, wenn sie zumindest auch im (ggf. Mit- oder Gesamthands)Eigentum einer anderen Person als dem Täter steht.
Nicht fremd und damit nicht taugliche Tatobjekte des Diebstahls sind demnach Sachen, an denen niemand Eigentum hat. Dazu zählen insbesondere herrenlose Sachen.
II. Tathandlung: Wegnahme
[Bearbeiten]D. Subjektiver Tatbestand
[Bearbeiten]E. Rechtswidrigkeit
[Bearbeiten]F. Täterschaft und Teilnahme
[Bearbeiten]G. Versuch
[Bearbeiten]H. Konkurrenzen
[Bearbeiten]Prozessuales / Wissen für die Zweite Juristische Prüfung
[Bearbeiten]Weiterführende Studienliteratur
[Bearbeiten]Fußnoten
[Bearbeiten]- ↑ PKS 2019 Jahrbuch, Band 4, S. 81.
- ↑ BGHSt 10, 400. #weitere nachweise werden ergänzt#
- ↑ #Nachweise werden noch eingefügt.#
- ↑ RGSt 44, 207, 209; BGHSt 5, 378; BGH NJW 1977, 1460; nach BVerfG NJW 2020, 2953, 2954 ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich.
- ↑ So schon RGSt 32, 179.
- ↑ RGSt 29, 111, 116; 32, 165, 185 f. #check#
- ↑ Kindhäuser/Böse, BT II, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 12.