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Freiheitsberaubung

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Autor:innen: Jan-Martin Schneider

Notwendiges Vorwissen: Kein Vorwissen



Die Freiheitsberaubung (§ 239 StGB)[1] macht in der PKS nur 0,1 % aller erfassten Fälle im Bundesgebiet aus.[2]

§ 239 StGB steht im 18. Abschnitt des StGB, der die Straftaten gegen die persönliche Freiheit enthält. In Bezug auf das juristische Studium des Strafrechts kommt § 239 StGB eine didaktische Funktion im BT Bereich zu. So dient § 239 StGB dem Verständnis der Delikte des 18. Abschnitts und damit zugleich dem Erlernen des Systematisierung des Strafgesetzbuchs in Bezug auf die Delikte gegen die Freiheit der Person, deren Schutz bereits verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG (→ OpenRewi/Grundrechte Lehrbuch[3]) ggf. 104 GG grundrechtlich abgesichert ist.

§ 239 ist zum einen ein Erfolgsdelikt. Zum anderen lässt sich § 239 StGB in Abgrenzung zu den Zustandsdelikten als sog. Dauerdelikt[4] beschreiben, da es die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes umfasst.[5] Als examensrelevant eingestuft werden kann § 239 StGB auch aufgrund der Entscheidungen des BVerfG zu den sog. Patientenfixierungen und der Bedeutung des rechtfertigenden Notstandes gem. § 34 StGB in diesen Konstellationen.[6]

A. Rechtsgut des § 239 StGB

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§ 239 StGB schützt die Fortbewegungsfreiheit des Einzelnen (im Einzelnen umstritten, s. Box 1).[7] § 239 ist kein Spezialfall der Nötigung (→ OpenRewi/Strafrecht BT/3. Kapitel, § 11), sondern ein eigenständiges Delikt mit einem speziellen Anwendungsbereich.

Erforderlich ist lt. Rspr. eine "vollständige Aufhebung der Freiheit" des Einzelnen sich forzubewegen.[8] Grob betrachtet wird nur die " körperliche Bewegungsfreiheit" geschützt.[9] Allerdings lässt sich diese grobe Aussage konkretisieren (dazu im Folgenden).

Im Umkehrschluss ist die geistige, künstlerische oder sonstwie geartete Freiheit von § 239 StGB nicht betroffen oder umfasst. Eine Auslegung des § 239 StGB dahingehend, dass auch die geistige Freiheit umfasst wäre, verstieße gegen das Analogieverbot im Strafrecht. [10]

Dabei ist zu unterscheiden, wie sich die Einwirkung auf das Tatopfer verhält. Es kann Tatopfer geben, die nur eingeschränkt zur Bildung eines Fortbewegungswillens fähig sind (Betrunkene, Bewusstlose, Schlafende, Kranke) und auch solche, die überhaupt noch nicht oder nicht mehr (jung [z-B. Säugling]) vs. alterschwach/alterskrank [z.B. Demenzkranker]) zur Bildung eines solchen Willens fähig sind. Daher entwickelten sich verschiedene Auffassungen, ob es auf den aktuellen, einen potentiellen oder eher einen, von einem grundsätzlichen Wollen geprägten Fortbewegungswillen ankommt. Dieser Streit hat für die Klausur Bedeutung, da er darüber entscheidet, ob das Rechtsgut tatsächlich (schon) verletzt ist.

Weiterführendes Wissen

Es ist strittig, ob nur die aktuelle Fortbewegungsfreiheit oder die potentzielle (also jederzeit vorhandelne und mögliche Fortwegung) von § 239 StGB geschützt wird. [11] Grunsätzlich uneinig sind sich die Auffassungen, da die erste Meinung auf die objektiv mögliche Wahrnehmung einer Fortbewegung abstellt und die zweite Auffassung auf den inneren Willen des Opfers im Tatmoment.

Eine Auffassung vertritt daher, dass jede Art der Fortbewegung erfasst sei, also die tatsächlich denkbare, letztlich einfach mögliche (potenzielle) Fortbewegung. Die Person müsse immer darüber stimmen können, wo sie sich gerade aufhalte. Dies sei objektiv ermittelbar.

Eine andere Auffassung stellt auf die konkrete Situation ab und sieht nur die aktuelle (letztlich die aktuell mögliche) Fortbewegungsfreiheit als Rechtsgut an. Demnach müsste immer ermittelt werden, ob das Opfer willensmäßig dazu in der Lage ist, sich fortbewegen zu wollen. Es kommt also auf den natürlichen Willen des Opfers an. [12]

Wenn man mit der zweiten Auffassung verlangt, dass das Opfer immer einen Fortbewegungswillen äußern können muss, werden zu hohe Hürden für den § 239 Abs. 1 StGB geschaffen. Damit werden Verhaltensweisen aus dem Tatbestand ausgeschieden, in denen das Opfer sich möglicherweise hilflos in den Fängen von Täter:innen befindet. Der zweiten Auffassung ist somit nicht zu folgen. Für die erste Auffassung spricht, dass es nicht ernsthaft darauf ankommen darf, ob das Opfer realisiert, dass es in seiner Fortbewegung beschränkt wird. Es kommt allein darauf an, ob das Opfer sich ganz grundsätzlich immer fortbewegen könnte, wenn es das wollte.

Ein nicht sofort ersichtlicher, offen zu Tage tretender Fortbewegungswille ist also kein zwingendes Indiz für die Ablehnung der Betroffenheit der Fortbewegungsfreiheit des Einzelnen. Nur ein fehlender Fortbewegungswille, der sich aus den Umständen oder Eigenschaften der Person klar ergibt, ist ein Indiz für die Ablehnung der Betroffenheit der Fortbewegungsfreiheit. Einige in der Literatur nennen hierfür das Beispiel eines höchstens einjährigen Kindes, das sich noch nicht von selbst fortbewegen kann (Laufen und Fortrobben noch nicht erlernt) und daher auch kein Tatopfer sein könne.[13] Grundsätzlich muss aber auch immer bedacht werden, dass Schwerbewegungsfähige (Kranke, Ältere, etc.) einen Fortbewegungswillen bilden können und aus dem Schutzbereich des Tatbestandes ausgenommen würden, wenn man nur die aktuell, mögliche Fortbewegungsfreiheit als Schutzgut zementieren würde.[14] Es ist somit stattdessen auf die potentielle Bewegungsfreiheit als Schutzgut des § 239 Abs. 1 StGB abzustellen.[15]

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B. Objektiver Tatbestand

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"(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Der objektive Tatbestand kann nur dann erfüllt sein, wenn das Tatopfer nicht mit dem Handeln des:der Täters:in einverstanden ist. Dies ist der Fall, wenn gegen oder ohne den Willen des Tatopfers gehandelt wird (ähnlich, wie bei § 123 StGB). Wenn das Tatopfer sein:ihr Einverständnis gegeben hat, kann somit der Tatbestand von vornhinein nicht verwirklicht werden. Es scheidet folglich nicht erst die Rechtswidrigkeit des Handelns des:der verdächtigten Täters:in aus, sondern bereits die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns.

I. Tatobjekt

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Tatobjekt, also das Opfer auf welches sich die freiheitsbeschränkenden Handlungen richten kann bei § 239 StGB jeder Mensch sein. Die Tatobjektsqualität wird im Gesetzestext explizit adressiert.

II. Tathandlung

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§ 239 StGB kennt zwei unterschiedliche Tathandlungen:

  • Zunächst ist die Variante des"Einsperrens" genauer zu betrachten (→ 1.)
  • Anschließend soll die Auffangalternative "auf andere Weise" beleuchtet werden (→ 2.).

1. Einsperren

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Die Tathandlung des Einsperrens stellt die Hauptvariante des § 239 Abs. 1 StGB dar. Diese Tatbestandsvariante erschließt man sich mit einem Beispielsfall leichter:

Beispiel

Beispielsfall: "Vater und Sohn" (angelehnt an einen Fall d. Reichgerichts v. 28.11.1882)

Vater (V) hat aufgrund seines Erbes von seiner Mutter dem eigenen Sohn (S) ein Wohnrecht bis zu seinem 18. Lebensjahr zu gewähren. V und S zerstritten sich vor dem Volljährigkeitsgeburstag des S heftig. Daraufhin entschloss sich V den S noch am Tag seines Geburtstags zum Auszug zu bewegen. S, völlig überrumpelt von dieser Entscheidung, wusste nicht, wo er im teuren Berlin so schnell eine neue Mietwohnung finden sollte. Er entschloss sich daher zeitweilig in die Gartenlaube zu ziehen und hoffe V werde dies nicht bemerken. V sah allerdings abends wie das Licht aus dem Gartenhäuschen brannte als er am besagten Tag von der Arbeit kam. Er machte S eine Szene und schrie lauthals er werde die Hütte zunageln und S drin schmorren lassen bis er noch heute sein Grundstück verlasse. S schrie ggelichsam um Hilfe und wurde hysterisch. Er hörte wie V einen neben der Hütte stehenden Balken nahm und damit die Tür zuhielt während er weiter brüllte. Eine Gruppe Jugendlicher, leicht angetrunken und auf dem Weg zu einer Party bekam das Geschehen mit und kritisierte V heftig für sein Geschrei: "Ey Alter, chill mal! Komm mal wieder runter oder willste ne Anzeige kassieren wg. Ruhestörung?" Y, aus der Gruppe sah daraufhin, dass V wieder den Balken wegnahm und S rausließ. S beschuldigte V ihn der Freiheit beraubt zu haben. V verteidigte sich hinterher, dass das Zuhalten viel zu kurz für ein Einsperren gewesen sei. Hat V sich gem. § 239 StGB strafbar gemacht?

-> für die Lösung s. unter II. 1. und für die "Probleme rund um die Dauer" s. unten II. 3.

Originalfall nachlesen: RG v. 28.11.1882

Es gibt mehrere Möglichkeiten sich dem Verb und damit der Tathandlung anzunähern. Das RG stellte vornehmlich auf den allgemeinen Sprachgebrauch ab und definierte wie folgt:

Beispiel: "Jemanden einsperren heißt nach dem gemeinen Sprachgebrauche, [...] [16] , eine Person durch äußere Vorrichtungen hindern, aus dem Raume, in welchem sie verweilt, sich willkürlich zu entfernen, und eingesperrt ist ein Mensch, sobald er auf diese Weise objektiv gehindert ist, von seiner persönlichen Freiheit des Bewegens von einer Stelle zur anderen Gebrauch zu machen."[17]

Diese Definition des RG wird im Ansatz - Abstellen auf den Wortlaut - heute immer noch aktzeptiert und ist auch in der Klausur brauchbar. Sie klingt aber teils altmodisch und wurde auch geringfügig weiterentwickelt sowie teilweise stärker am Telos des § 239 StGB ausgerichtet:

Definition: Einsperren meint nach heute vertretener Auffassung das Verschließen von Ausgangswegen und Alternativen, wobei der Tatbestand nach h.M. bereits dann verwirklicht sein soll, wenn das Opfer den Raum, indem es sich aufhält gar nicht mehr oder nur in Verbindung mit unzumutbaren Mitteln bzw. auf unzumutbare Weise verlassen könnte.[18]

Beispiel: Unzumutbar ist es bspw. wenn A nur noch aus dem dritten Stock springen kann und dabei hoffen muss, dass er den Sturz überlebt.

Für diese Tatvariante kommt es nicht darauf an, ob das Tatopfer noch besonders viel oder nur noch besonders wenig Fortbewegungsfreiheit hatte; d.h. auch eine bereits auf einen geringen Raum reduzierte Bewegungsfreiheit kann nochmals eingeschränkt werden.

Beispiel: Zunächst kann sich das Tatopfer B noch im gesamten, abgeschlossenen Haus des Täters bewegen. Nach einem Ausbruchsversuch sperrt der:die Täter:in das Opfer in einen Haustrakt mit nur zwei, miteinander verbundenen Räumen.

Zudem ist es nicht entscheidend, ob die Einsperrung (also gemessen an der Örtlichkeit, Zeitlichkeit) unüberwindbar ist. Auch eine überwindbare Einsperrung, die dem Tatopfer aber nicht bekannt ist, oder bekannt ist, aber nicht von ihm bedient werden kann (spezielle Öffnungskonstruktion z.B. bei einem Fahrstuhl oder Zug, etc.) kann für das Einsperren genügen.[19]

Das Einsperren bzw. diese erste Variante der Freiheitsberaubung muss sprachlich zum sog. "Aussperren" abgegrenzt werden.

Aussperren meint umgangssprachlich das Fernhalten vom Inneren eines Gebäudes oder Raumes, letztlich eines mit Wänden von der Außenwelt abgetrennten Bereiches öffentlicher oder privater Art. Gelegentlich wird ergänzend die Unmöglichkeit des Zutritts zur Abgrenzung vom Einsperren genannt.[20]

Beispiel: A wird von einem speziell abgesperrten Weg auf einen Art zeremoniellen Weg geleitet. Er hat aufgrund der Absperrungen zu beiden Seiten keine Möglichkeit nicht zum Zielort zu gehen. Umkehren kann er nicht, da er gesagt bekommen hat, dass, wenn er umkehre "Schlimmes zu befürchten habe". [21]

-> Entscheidend ist, dass vorliegend dem A nur ein Weg, nämlich jener nach vorne offen steht. Damit wird A faktisch dazu gezwungen, den von ihm verhassten Ort aufzusuchen. Dies soll bereits eine ausreichende Einschränkung der Bewegungsfreiheit sein, die § 239 Abs. 1 StGB genügt.

a) durch aktives Tun
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Das Einsperren kann durch das Zuziehen und/oder das Abschließen/Verschließen, das Verbauen/Verbarrikadieren erfolgen. Ein aktives Tun kennzeichnet sich zumeist durch die Aufwendung von Energie (physikalischer und/oder körperbezogener-physikalischer) Kraftentfaltung (z.B. das Umdrehen eines Schlüssels im Schloss).

Fallbeispiel

"Mehrfachberaubung"

Pfarrer (P) ist von B bereits in die Sakristei gesperrt worden, da B das Geld aus der in der Kirche augestellten Spenendenbox entwenden will und P Gegenwehr leisten wollte. Als B bemerkt, dass es noch eine weitere Möglichkeit gibt den P noch weiter hinten in der Kirche einzusperren, nämlich in einem engen Nebenraum zur Sakristei, geht B zurück und zwingt P mit vorgehaltenem Messer (P fürchtet um sein Leben) den engeren Raum zu betreten. B schließt diesen Raum danach von außen ab.

Fallfrage: Strafbarkeit des B nach § 239 StGB?

Wiederholung

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b) durch Unterlassen
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Das bewusste Zufallenlassen einer nur wieder per Schlüssel entriegelbaren Tür/das Zugehenlassen eines Tors, im Wissen das noch Personen auf dem Grundstück oder im Gebäude sind, stellen potentielle Ausführungsarten des Einsperrens durch Unterlassen dar.

Hierbei ist zu betonen, dass das Nichtaufwenden von Energie und/oder Kraft ein Indiz für ein Unterlassen, also ein Indiz gegen die Verwirklichung eines Tuns ist.

2. Beraubung der Freiheit "auf andere Weise"

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Die Begrifflichkeit der Beraubung der Freiheit eines Menschen "auf andere Weise" ist sehr weit und erfasst jede Art der Verwirklichung eines Tuns oder Unterlassens, welches die Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit eines anderen Menschen in vollständigerweise bewirkt.[22]

Weiterführendes Wissen

Streit besteht in der Beantwortung der Frage, ob es ausreicht, dass lediglich eine Erschwerung der Fortbewegungsfreiheit eintritt.

Eine Auffassung geht davon aus, dass für die Bewertung, ob eine bloße Erschwerung ausreiche auf die konkrete Tatfrage des Einzefalls abgestellt werden müsse. Im Umkehrschluss bedeutet diese Auffassung damit aber, dass grds. eine bloße Erschwerung als nicht von vornhinein untauglich für eine Verwirklichung der Tatbestandsvariante des Beraubens der Freiheit auf andere Weise anzusehen ist. Dieser Auffassung liegt seit 2015 z.B. ein Fall zugrunde, indem diese Frage von der Lit. bejaht wurde. Er spielte in Syrien. Eine junge Frau wurde vom Angeklagten an der Rückreise nach Deutschland gehindert, wo sie zuvor gewohnt hatte. Die Verweigerung der Zustimmung des Angeklagten für die Ausreise der noch Minderjährigen und die entgegen der Weitläufigkeit des Staatsgebiets Syriens nicht gegebene Erweiterung ihrer Freiheitsrechte sind somit eine Erschwerung der vollständigen Ausbübung ihrer Fortbewegungsfreiheit und mithin ausreichend. [23]

Eine andere Auffassung geht davon aus, dass eine bloße Erschwerung der Ausübung der Fortbewegungsfreiheit nicht schon ausreiche. Im Falle eines großen Staatsgebiets - von mehreren tausend Quadratkilometern Fläche - könne man nicht davon ausgehen, eine vollständige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit sei gegeben. Gerade das Abstellen auf die Aufhebung der vollständigen Einschränkung sichere aber den Schutzzweck ab und verhindere dass der Tatbestand überdehnt wird.

a) Tatmittel

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Als Tatmittel zur Bewerkstelligung einer Freiheitsberaubung kommen verschiedene Ausführungsarten in Betracht. Insbesondere die Anwendung von Gewalt oder die Ausübung einer Drohung - beides Handlungsformen der Nötigung gem. § 240 StGB - kommen als Tatmittel infrage. Hierbei muss aber bedacht werden, dass § 239 StGB kein lex specialis zu § 240 StGB darstellt, sondern einen eigenen Anwendungsbereich hat (s. aber zum Konkurrenzverhältnis → G.).

Für die Anwendung einer Drohung zur Verwirklichung des § 239 StGB kommt es zudem darauf an, dass - äquivalent zu § 253/255 StGB - eine Gefahr für Leib oder Leben erzielt wird.[24]

b) Geeignetheit für den Taterfolg

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Das Handeln des:der Täterin muss grds. für den Taterfolg geeignet sein.

Die Erweiterung der Fortbewegungsfreiheit bzw. die Ermöglichung oder die Hilfe bei der Wiedererlangung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit sind kontradiktorisch zum durch den Gesetzgeber inkriminierten Verhalten. Verhaltensweisen, die also nicht auf eine Beschränkung/Einschränkung/ggf. bloße Erschwerung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit zielen, sind als ungeeignet für die Erreichung des Taterfolgs zu qualifizieren.

Fallbeispiel

"Unruhiger Unterricht" [25]

Lehrer (L) hat in sechsten Stunde Musik in der pubertierenden Klasse 7. Er will ein Hörspiel über den Violinisten Paganini gestalten. Dies gelingt nicht, da die Schüler:innen zu unruhig sind. Um Ruhe zu stiften lässt L die Schüler:innen einen Text abschreiben. Es kommt zu weiteren Störungen durch einige Querulant:innen. Bevor der Unterricht zu Ende geht ordnete L an, "dass die Schüler die von ihnen verfassten Texte einzeln und nacheinander bei ihm abzugeben hätten. Zu diesem Zweck setzte er sich noch vor Ende der Unterrichtsstunde mit einem Stuhl in den Bereich der Öffnung der Tür, die von dem Klassenzimmer auf den Gang führt. Hierbei hat er eine Gitarre auf dem Schoß, da er die Zeit bis zum Ende der Unterrichtsstunde nutzen wollte, um auf dieser neue Saiten aufzuziehen." Die Schüler trauen sich teilweise nicht nach draußen zu gehen und fühlen sich eingesperrt.

Strafbarkeit des L nach § 239 StGB?

Falllösung: L könnte sich einer Freiheitsberaubung schuldig gemacht haben, indem er sich vor den Klassenraum setze und den Schüler:innen damit ein physisches Hindernis im Bereich der Öffnung der Tür bereitete.

Dann müsste L die Schüler:innen eingesperrt haben. Einsperren meint das Verschließen von Ausgangswegen und Alternativen, wobei der Tatbestand nach h.M. bereits dann verwirklicht sein soll, wenn das Opfer den Raum, indem es sich aufhält gar nicht mehr oder nur in Verbindung mit unzumutbaren Mitteln bzw. auf unzumutbare Weise verlassen könnte. Vorliegend setzte sich L in den Bereich der Tür. Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass es den Schüler:innen unmöglich war an L vorbeizukommen. Sie fühlten sich lediglich subjektiv eingesperrt. Indes hat L ihnen aber die Möglichkeit gelassen aus dem Raum zu gelangen und zwar unter der Bedingung, dass sie den abgeschriebenen Text abgeben. Es fehlt für das Einsperren somit an der Qualität eines echten physichen Hindernisses. Die Schüler:innen waren folglich nicht eingesperrt.

Die Verwicklichung des Tatbestandes würde auch daran scheitern, dass L kein physisches Hindernis herstellen wollen, "indem er seine Anweisung, die Texte einzeln bei ihm abzugeben, im Hinblick auf einen gewollten oder lediglich in Betracht gezogenen Rückstau der Schüler vor der Tür erteilt hätte, so dass es insoweit am Tatvorsatz fehlt.

Hilfsweise kann auf die zweite Variante eingegangen werden. Dann müsste L den Schüler:innen die Freiheit auf andere, sonstige Weise genommen haben. Die Begrifflichkeit der Beraubung der Freiheit eines Menschen "auf andere Weise" ist sehr weit und erfasst jede Art der Verwirklichung eines Tuns oder Unterlassens, welches die Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit eines anderen Menschen in vollständigerweise bewirkt. Die Anweisung den Klassenraum nicht vor Fertigstellung des Abschreibens zu verlassen, könnte eine derartige Handlung darstellen.

Allerdings ist zweifelhaft, ob die Anweisung, den Klassenraum nicht vor Abgabe der Texte zu verlassen ausreicht. Hypothethisch ist das Verlassen im hiesigen Fall jederzeit mlgich. Zudem sind im erzieherischen Bereich derartige Bedingungen nicht ungewöhnlich, sondern gerade noch sozialadäquat, um ein gewisses Maß an Disziplin im schulischen Bereich durchsetzen zu können. D.h. die Variante wäre auch dann nicht erfüllt, "wenn die Schüler [der Anordnung] aus Angst vor disziplinarischen Konsequenzen nachgekommen sein sollten." Denn eine solche Auslegung der Vorschrift würde zu einer Entgrenzung der Strafbarkeitsvoraussetzungen – insbesondere im schulischen Bereich – führen. Erforderlich ist daher eine Tathandlung, die zu einer physischen oder psychischen Zwangswirkung führt, die es dem Betroffenen – ähnlich wie im Falle des Einsperrens – unmöglich macht, seinen Aufenthaltsort zu verlassen. Hiervon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein" Somit hat sich L im Ergebnis nicht gem. § 239 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Nach weiteren Strafbarkeiten war nicht gefragt.

3. Probleme rund um die Dauer

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In der Klausur können Probleme rund um die zeitliche Dauer der (potentiell im SV angelegten, ggf. verwirklichten) Freiheitsberaubung angelegt sein.

Es wird in Lit. und Rspr. diskutiert, wie lange eine Beraubung der Freiheit eines Menschen mindestens angedauert haben muss. Daher ist es für das Gutachten und die Klausur entscheidend einige Richtwerte für die eigene Niederschrift zu kennen.

Eine pauschale Freiheitsberaubungs-Mindestformel, die man für das eigene Gutachten auswendig lernen kann gibt es, soweit ersichtlich nicht. Jedoch gibt es Anhaltspunkte und Faustformeln, die man bei der Lösung des SV im Gutachten parat haben sollte.

Die bekannteste, vom RG schon 1882 aufgestellte Formel lautet in etwa: Eine Freiheitsberaubung könnte verwirklicht sein, wenn die Beraubung die Länge eines Vater-Unsers-Gebetsspruchs überdauert.[26] In der Klausur ist es also wichtig zu wissen, dass keine besonders kurze Zeitspanne ausreicht. Besonders kurz ist eine Zeitspanne, wenn sie nur wenige Momente, ggf. Sekunden andauert und verstreicht, ohne dass man als Opfer die Länge der Einschränkung wirklich wahrnimmt/wahrnehmen kann. Als Beispiel für einen Fall, indem gerade diese besondere Kürze der Zeitspanne nicht zur Verwirklichung des § 239 StGB führt, wird in der Studienliteratur das Erteilen von Ohrfeigen nach dem Festhalten einer Person genannt. [27]

Eine vorübergehende Beschränkung der Freiheit reicht bereits aus.[28] Bleibt eine Beschränkung der Freiheit zeitlich unerheblich, bspw. im Falle eines kurzen Festhaltens reicht dies noch nicht aus.[29]

Als zweiter Faustformellwert kann die Struktur des § 239 StGB genutzt werden. § 239 Abs. 3 StGB erwähnt Zeiträume. Diese zeitraumbezogenen Worte deuten darauf hin, dass eine immer länger andauernde Zeitspanne ein Indiz für die Verwirklichung des § 239 StGB sein kann.

Klausurtaktik

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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass

III. Taterfolg

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1. Vollendung

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Die Tat ist vollendet, wenn das Tatopfer einen Freiheitsverlust real erlitten hat und das Rechtsgut nicht nur gefährdet ist. Die Vollendung kann mit der Dauer der Freiheitsberaubung zusammenhängen, muss aber nicht zwangsläufig an einem Mindestwert festgemacht werden.

Zusätzlich zur Vollendung ist die Beendung von Bedeutung.

Die Tat ist beendet, wenn der Freiheitsverlust (das rechtliche Negativum, die die persönliche Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigende Zeitspanne) aufgehoben ist und eine uneingeschränkte Ausübung der Freiheit durch das Tatopfer wieder möglich ist.

2. Versuch, § 239 II StGB

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"(2) Der Versuch ist strafbar."

In Bezug auf den Versuch ist auszuführen, dass dieser explizit vorgesehen ist und somit die Vergehen[30] gem. §§ 12 Abs. 2, 23 Abs. 1 StGB ausdrücklich durch das Gesetz als strafbar bestimmt werden. Dies ist bei § 239 Abs. 3 und 4 StGB anders, denn hier liegen Verbrechen vor und diese sind gem. §§ 12, 23 Abs. 1 StGB ohne ausdrückliche Bestimmung strafbar.

Fallbeispiel

O wohnt in einer WG. Er hat einen Tag lang nicht den Abwasch gemacht, weshalb die anderen drei WG-Bewohner:innen auf O stinksauer sind. O ist eines Mittags derart in seinen neuen Roman vertieft, dass er nicht bemerkt, wie ihn seine WG Bewohner in seinem Raum einschließen. Sie wollen damit verhindern, dass er zu seiner geliebten Anglistik Vorlesung gehen kann. Tatsächlich hört O, da er In-Ear Kopfhörer verwendet und mit einer Playlist im Hintergrund liest, nicht einmal den Schlüssel im Schloss. Nach ca. 4 Stunden schließt A, ein WG-Bewohner die Tür wieder auf, lässt die Tür aber geschlossen. O ist derart vertieft, dass er liest bis es schon dunkel wird und die Vorlesung bereits vorbei ist. O steht dann auf und geht durch die nicht abgeschlossene Tür raus.

Strafbarkeit der WG-Bewohner:innen nach § 239 StGB?

Lösungsvorschlag: Die WG-Bewohner:innen könnten sich, indem sie O vier Stunden in seinem WG-Raum einschlossen, wg. § 239 Abs. 1, 2, 22 StGB strafbar gemacht haben.

Die Tat dürfte nicht vollendet sein. O hat nichts davon mitbekommen, dass er keine Chance hatte den Raum zu verlassen.

Der Versuch müsste strafbar sein. Gem § 239 Abs. 2 StGB ist der Versuch des § 239 Abs. 1 StGB strafbar.

Dann müssten die WG-Bewohner:innen den Tatentschluss gefasst haben O einzusperren, § 239 Abs. 1 1. Alt. StGB.

Die Bewohner:innen hatten vor, dass O den Raum als Strafe für das Nichterledigen des Abwasches nicht verlassen können sollte, damit er seine Anglistik Vorlesung verpassen würde. Durch das Abschließen des Raumes hätte O den Raum nicht verlassen können. Hätte O sich aus dem Raum hinaus begeben wollen, hätte er ihn nicht verlassen können.


Examenswissen: Zwar kann der Versuch gem. § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB milder bestraft werden als die Vollendung, dennoch fragt sich wie der Versuch einer Freiheitsberaubung kriminelles Unrecht darstellen kann. Zumindest bewegt sich die Kriminalisierung des Gesetzgebers hier auf heiklem Terrain, denn ein es ist selten feststellbar, dass die geschützten Rechtsgüter tatsächlich konkret gefährdet sind.


Eine versuchte Freiheitsberaubung erfordert auf Täter:innenseite die Möglichkeit die Handlung noch abbrechen zu können, bzw. von Opferseite aus eine Handlung, die verhindert, dass der:die Täter:innen es schaffen bspw. das Einsperren zu vollenden.

IV. Tatbestandsausschluss bei Einverständnis

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Klausurtaktik

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C. Subjektiver Tatbestand

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Für die Verwirklichung des § 239 Abs. 1 StGB muss Vorsatz nachgewiesen werden, wobei ein bedingter Vorsatz genügt.

Der:die Täter:in muss einerseits wissen und andererseits wollen, dass die Fortbewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird.[31]

Fallbeispiel

"Festhaltebefugnis"

A meint ein Recht zu haben B an Ort und Stelle festhalten zu dürfen, da dieser eine Handlung begangen haben könnte, die potentiell strafbar ist. B hat, was A nicht weiß, indes nichts mit der Handlung, die A meint gesehen zu haben, zu tun.

Prüfen Sie nur die Ebene des Vorsatzes und erläutern Sie, welche Norm des StGB AT hier herangezogen werden kann!

Lösungsvorschlag:

A könnte sich in einer, dem Tatbestandsirrtum ähnlichen Situation befunden haben, da er dachte, dass er eine Befugnis habe B festzuhalten, § 16 Abs. 1 StGB. Ein Tatbestandsirrtum liegt vor, wenn der:die Täter:in einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Dann handelt er:sie nicht vorsätzlich. A nahm an, dass er zum Festhalten befugt sei. Demgemäß nahm er nicht an jemanden seiner Freiheit zu berauben. In Anwendung von § 16 Abs. 1 S. 1 StGB handelte A folglich nicht vorsätzlich.

D. Rechtswidrigkeit

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Grundsätzlich indiziert die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit.

1. Rechtfertigungsgründe

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Grundsätzlich indiziert die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit. Auf dieser dritten Ebene des Deliktsaufbaus ist also im Rahmen des § 239 StGB zu prüfen, ob zugunsten des:der Täter:in ein Rechtfertigungsgrund vorliegen könnte (zur Folge 2.). Dafür müsste zunächst ein Rechtfertigungsgrund vorliegen. Infrage kommen (a) Berufliche Befugnisse sowie (b) die allgemeinen Rechtfertigungsgründe des Strafrechts und des Bürgerlichen Rechts/Öffentlichen Rechts.

a) Berufliche Befugnisse

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Berufliche Befugnisse können z.B. ein Recht zum Festhalten beinhalten (z.B. ein zivilrechtliches Betretungsrecht) oder ein Verhalten erlauben, welches im Falle der Handlung von Nichtberufsausübenden tatbestandsmäßig und rechtswidrig wäre.

Ein Entfallen der Rechtswidrigkeit ist also immer dann sehr genau in der Klausur zu untersuchen, wenn ein Berufsausübender (Polizist:inn, Feuerwehrmann/frau, Angestellte:r in einer psychischen Heilanstalt, etc.) vorkommt und eine Handlung vornimmt, die unter eine Tatbestandsalternative fallen könnte.

Fallbeispiel

"Patientenfixierung"

Zu unterscheiden sind davon bspw. private Handlungen von pflegenden Angehörigen. Ein früh vom BGH entschiedener Fall kann hier genannt werden.

Lesehinweis: vgl. BGHSt 13, 197 Zeitweilige Einsperrung einer geisteskranken Familienangehörigen als Selbsthilfemaßnahme | § 239 StGB

b) Anwendung genereller Rechtfertigungsgründe

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Im Rahmen des § 239 StGB lassen sich aus Klausurerstellersicht außerdem allgemeine Rechtfertigungsgründe abprüfen, wobei hierbei auf die aus den AT Vorlesungen bekannten §§ 32 StGB, 228 BGB (ZR), 904 BGB (ZR), 34 StGB (StR), 127 StPO (StR/ÖR) einzugehen ist. Die Anwendung genereller Rechtfertigungsgründe im Rahmen des § 239 StGB soll nun anhand eines Fallbeispiels eingeübt und anschaulicher dargestellt werden. Zur Wiederholung wird folgender Rechtfertigungsgrund aus der Strafprozessordnung - inklusive Aufbau - in Erinnerung gerufen: § 127 StPO.

Fallbeispiel

"Der Instagram Star"

A besucht einen Laden in einem Kaufhaus. Er ist ein bekannter Blogger und "Instagrammer". Er nimmt an, dass er sich an der Ware im Laden einfach bedienen kann, da er ja "sowieso" über den Laden Werbung unter seinen "Zig Millionen" Follower:innen machen wird. B beobachtet A bei seinen Handlungen. Er kennt A nicht, aber seine Handlungen kommen ihm verdächtig vor, da A sich häufiger umschaut und nicht zur Kasse geht. Als er sieht, wie A den Laden offensichtlich ohne zu bezahlen verlassen will, geht er auf A zu und hält ihn auf. Er will ihn solange festhalten bis die Polizei alamiert und eingetroffen ist. Das wird lt. herbeigelaufenen Kaufhausdetektiv ca. 15 Minuten dauern. B geht davon aus, dass er A festhalten darf. A windet sich und erleidet einige Schmerzen am Handgelenk. Strafbarkeit des B ?

Erforderliche Strafanträge sind gestellt. §§ 223ff. StGB sind nicht zu prüfen.

Falllösungsskizze:

Die Lösungsskizze soll auf die wesentlichen Punkte der gutachterlichen Lösung hinweisen, wobei sie keine abschließende Musterlösung darstellt.


B könnte sich einer Freiheitsberaubung gem. § 239 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben, indem er vehement durch Festhalten des A verhinderte, dass dieser den Laden verlassen konnte.

Dann müsste B zunächst tatbestandsmäßig gehandelt haben.

A. Objektiver Tatbestand

B müsste den Instagram Star A eingesperrt oder ihm seine Freiheit auf sonstige Weise beraubt haben, § 239 Abs. 1 StGB.

Einsperren meint nach heute vertretener Auffassung das Verschließen von Ausgangswegen und Alternativen, wobei der Tatbestand nach h.M. bereits dann verwirklicht sein soll, wenn das Opfer den Raum, indem es sich aufhält gar nicht mehr oder nur in Verbindung mit unzumutbaren Mitteln bzw. auf unzumutbare Weise verlassen könnte. Zwar befinden sich A und B in den Räumlichkeiten des Ladens in einem Kaufhaus, doch dies allein führt nicht zu einem Einsperren durch Festhalten. Das Einsperren müsste durch die Umgebung eine Wirkung entfalten, die freiheitsberaubend wirkt, was nur gegeben wäre, wenn B den A in einem kleinen Raum (z.B. Abstellraum) oder dergleichen gezerrt und die Tür abgeschlossen oder versperrt hätte. Die Alternative des Einsperrens ließt somit nicht vor.

B könnte A aber hingegen der Freiheit auf sonstige Weise beraubt haben (Auffangalternative). Die Begrifflichkeit der Beraubung der Freiheit eines Menschen "auf andere Weise" ist sehr weit und erfasst jede Art der Verwirklichung eines Tuns oder Unterlassens, welches die Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit eines anderen Menschen in vollständigerweise bewirkt. Damit fällt grds. auch ein bloßes Festhalten eines anderen Menschen unter diese Alternative. Erforderlich ist lt. Rspr. eine "vollständige Aufhebung der Freiheit" des Einzelnen sich fortzubewegen.[8] Grob betrachtet wird nur die " körperliche Bewegungsfreiheit" geschützt.[9] Darüber hinausgehend verlangt eine vorzugswürdige Auffassung, dass der potentielle Fortbewegungswille bereits geschützt sei. Hierfür spricht insbesondere, dass ansonsten Kranke, Kleinkinder und Alter Menschen, deren Willensbildung eingeschränkt sein kann, nicht ausreichend durch § 239 StGB geschützt wären. A wollte sich aus dem Laden entfernen und "windete" sich lt. Sachverhalt im Haltegriff des B. Er zeigte damit für jeden wahrnehmbar, dass er nicht nur einen potentiellen Fortbewegungswille hatte, sondern sich aktuell entfernen wollte. B schränkte diesen aktuellen Fortbewegungswille durch sein Festhalten ein. Der Streit, ob bereits eine bloße Erschwerung der Fortbewegungsfreiheit ausreicht, wird durch die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht ausgelöst. Mithin hat B den A auf andere Weise (durch Festhalten an Ort und Stelle im Laden) der Freiheit beraubt.

Damit hat B den objektiven Tatbestand verwirklicht.

B. Subjektiver Tatbestand

Zudem müsste B zumindest mit dolus eventualis in Bezug auf die Beraubung der Freiheit des A auf andere Weise gehandelt haben, wobei er den Willen gehabt haben müsste die Fortbewegungsfreiheit vollständig (zumindest kurzweilig) aufzuheben.

B handelte mit dolus eventualis, wenn er ernsthaft mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung rechnete, dennoch handelte und die eventuelle Deliktsverwirklichung billigend in Kauf nahm. B war sich der Umstände der Tatbegehung bewusst, wollte A festhalten und als potentiellen Täter für die Polizei und die anstehende Strafverfolgung "sichern", handelte also in Kenntnis der vorsatzbegründenden Umstände und nahm die Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit des A in Kauf, handelte somit mit bedingtem Vorsatz.

C. Rechtswidrigkeit

B müsste zudem rechtswidrig gehandelt haben. Grundsätzlich indiziert die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit, aber dies ist dann nicht der Fall, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift.

Vorliegend kommt zugunsten des B die rechtfertigende Wirkung des Jedermannsfestnahmerechts gem. § 127 Abs. 1 S. 1 StPO infrage.

Dies setzt voraus, dass B bei Festnahme des A ein Festnahmerecht hat, eine Festnahmelage vorliegt und Festnahmegrund sowie Festnahmehandlung verhältnismäßig sind. Zu guter Letzt müsste B auch ein subjektives Rechtfertigungselement aufweisen.


I. Festnahmerecht, § 127 I 1 StPO

Das Festnahmerecht des B könnte sich aus § 127 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StPO ergeben. Demgemäß ist jedermann befugt eine Person, die auf frischer Tat betroffen oder verfolgt ist und die der Flucht verdächtig ist oder deren Identität nicht sofort festgestellt werden kann, auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festnehmen.

1. Festnahmelage

Dafür müsste aber eine Festnahmelage vorgelegen haben. Wann die Lage zur Festnahme vorliegt ergibt sich aus dem Gesetz. Infrage kommt, dass A auf frischer Tat betroffen ist (§ 127 Abs. 1 S. 1 1. Alt StGB).

Zunächst verlangt der Gesetzeswortlaut sodann eine Tat. Was genau der Gesetzgeber mit Tat meint, ist streitig.

2. Tat

Es stehen sich zwei Auffassungen mit eigenen Argumenten gegenüber. Eine Auffassung verlangt, dass eine Straftat vorliegen muss. Die zweite Auffassung möchte das Vorliegen eines Tatverdachts ausreichen lassen.

Für die erste Auffassung spricht, dass der Begriff der Tat nur materiell-rechtlich ausgelegt werden könne, da er nicht genutzt werden dürfe, um dem:der Einzelnen Rechte an die Hand zu geben, die normalerweise nur staatlichen Behörden zustehen würden (wie bspw. Ermittlungsbefugnisse). Es stelle einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, wenn keine Straftat verlangt würde, sondern nur ein Tatverdacht.

Für die zweite Auffassung spricht, dass es für den Staatsbürger, bzw. jedermann nicht möglich ist gedanklich "durchzuprüfen", ob der Ertappte bzw. Festzuhaltende im strafrechtlichen Sinne eine Straftat begangen hat. Das Jedermannsfestnahmerecht wäre bei Bejahung der ersten Auffassung nicht mehr als eine leere Hülse für jedermann und drohte faktisch leerzulaufen, dabei soll es eigentlich die Strafverfolgung sicherstellen, in den Fällen, in denen ein:e Täter:in inflagrante delicto (während des Delikts) ertappt wird. Somit ist in einem strafprozessualen Sinne unter Tat bloß das Vorliegen eines Tatverdachts zu verstehen, denn B hier auch hatte, da er laienhaft unjuristisch annahm, dass ein "Stehlen" d.h. ein Diebstahl (i.S.d. § 242 StGB) vorliegt.

Auf frischer Tat betroffen ist, wer bei Begehung einer rechtswidrigen Tat oder unmittelbar danach am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe gestellt wird. B hat A unmittelbar am Tatort "gestellt" und anschließend festgehalten. Somit ist eine Tat gegeben und der A auf frischer Tat betroffen gewesen.

3. Festnahmegrund

Strafprozessual liegt ein Festnahmegrund immer dann vor, wenn eine Situation droht, in der der:die Täter:in nicht mehr aufgeklärt werden kann (Fluchtgefahr). Vorliegend wollte A sich aus dem Laden entfernen, damit wäre die Aufklärung eines potentiellen Diebstahls nicht unwesentlich erschwert worden. Mithin lag ein Festnahmegrund vor.

4. Festnahmehandlung

Es müsste eine Festnahmehandlung erfolgt sein, die in eine verhältnismäßige realiter erfolgte Festnahme einmündete.

5. Realiter erfolgte Festnahme

Die Festnahme des A müsste auch durch B erfolgt sein. Festnahme bedeutet, dass der Verdächtige festgehalten und damit verhindert wird, dass er sich entfernt.[32] B hielt A in dem Moment fest als dieser Anstalten machte den Laden ohne zu bezahlen verlassen zu wollen und verhinderte damit, dass A sich entfernte. Somit ist die Festnahme erfolgt.

a.) Geeignetheit

Die Handlung des B müsste auch geeignet gewesen sein. Dies ist dann gegeben, wenn das Ziel der Feststellung der Identität des A zur Strafverfolgung des auf frischer Tat Betroffenen erreicht werden kann. Vorliegend war das Festhalten geeignet das Ziel zu erreichen.

b.) Erforderlichkeit

Die Festnahme müsste auch erforderlich gewesen sein. Erforderlich ist die Festnahme, wenn keine anderen, ebenso geeigneten Mittel existieren, die in ihrer Gesamtsaldierung milder ausfallen und den Betroffenen nicht derart stark beeinträchtigen.

Mildere Mittel waren in dem Instinktmoment, indem B handelte nicht ersichtlich. Der Wachmann kam erst herbeigelaufen und war nicht schon vor Ort. B hätte zwar nach ihm oder allgemein nach Hilfe rufen können, was aber in diesem Moment nicht milder gewesen wäre, da es A in Aufruhr hätte versetzen können, sodass dieser sich möglicherweise noch schneller fortbewegt hätte, um fluchtartig dem Zugriff zu entkommen. Somit war die Festnahme auch erforderlich.

c.) Allgemeine Verhältnismäßigkeit der Festnahme

Verhältnismäßig ist eine Maßnahme, die im Rahmen der Abwägung der miteinander in Konflikt stehenden Interessen ergibt, dass das beeinträchtige Interesse hinter der Durchsetzung eines geeigneten, erforderlichen und angemessenen Interesses zurücktreten muss. Jenes Interesse kann vorliegend nicht vornherein verneint werden und zudem ist die Festnahme auch angemessen, da die verursachte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG, § 223 Abs. 1 StGB) des A nur geringfügig und für eine kurze Dauer beeinträchtigt ist. Dass sich ein, in der Bewegungsfreiheit eingeschränkter Mensch, der entgegen seinen Willen an einem Ort festgehalten wird, protestierend und sich "windend" dagegen währt ist einzukalkulieren - ebenso eine geringe und erforderliche Gegenwehr gegen diese Befreiungsversuche, denn ansonsten könnte nicht jedermann das Festnahmerecht ausüben, da jede noch so kleine Maßnahme bereits eine unverhältnismäßige Festnahme wäre. Mithin ist die Festnahme auch verhältnismäßig.

II. Subjektives Rechtfertigungselement

B kannte die Umstände die seine Rechtfertigungslage erst entstehen ließen und er handelte auch in dem Wissen und Wollen der Ermöglichung einer Zuleitung des A an die staatlichen Behörden der Strafverfolgung. Im Ergebnis lag bei B somit auch ein subjektives Rechtfertigungselement vor.

D. Ergebnis

Folglich hat sich B nicht gem. § 239 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

2. Folge

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Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, entfällt die Rechtswidrigkeit. Die Prüfung im Gutachten ist dann einzustellen und im Ergebnis festzuhalten, dass sich der:die Täter:in nicht strafbar gemacht hat.

Klausurtaktik

Damit ist bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes grundsätzlich festgestellt, dass die Handlung, da sie gerechtfertigt ist, kein Unrecht im Sinne des Strafrechts darstellt. Im Fall "Instagram Star" wurde ersichtlich, dass das Jedermannsfestnahmerecht einer der beliebtesten Aufhänger für die Prüfung des § 239 StGB in den Anfängerübungen ist.

E. Schuld

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F. Qualifikationen § 239 Abs. 3, 4 StGB

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Die Absätze drei und vier des § 239 StGB stellen Verbrechenstatbestände da. Dies wird dadurch deutlich, dass die angedrohte Freiheitsstrafe "von einem Jahr bis zu zehn Jahren" bzw. " nicht unter drei Jahren" lautet.

I. Einordnung als Erfolgsqualifikation

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Grundsätzlich unterscheidet man Grunddelikt und Qualifikationstatbestand. Im Fall der Absätze drei und vier des § 239 StGB werden als Erfolgsqualifikationstatbestände eingestuft. Entscheidend ist demnach die schwere Folge, die auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes folgt. Für die Verwirklichung der schweren Folge muss dem:der Täter:in lediglich Fahrlässigkeit i.S.d. § 18 StGB zulast gelegt werden können.

II. § 239 Abs. 3 StGB

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"(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

  1. das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
  2. durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht."

§ 239 Abs. 3 enthält zwi gesetzliche Untergliederungen.

1. § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB

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In Nr. 1 des § 239 Abs. 3 StGB wird eine zeitliche Komponente verlangt, die konkretisierungsbedürftig ist. Eine Woche lässt sich in Tage, Stunden und Minuten - sogar Sekunden umrechnen. Eine Woche sind 7 Tage - oder anders ausgedrückt 168 Stunden.[33] Die rechnerische Konkretisierung kann dann Bedeutung bekommen, wenn jemand nach sechs Tagen und 23 Stunden und 40 Minuten eine andere Person frei lässt, um bewusst der schweren Freiheitsberaubung zu entgehen. Diese sog. Wochenfrist hat durchaus Konsequenzen auf die subjektive Tatseite des:der Täter:in.

Examenswissen: Durch diesen Orientierungswert können Täter:innen sich der Erfassung durch § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB theoretisch entziehen. Allerdings ist diese Frist gesetzlich notwendig, um den Bestimmtheitsgrundsatz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips zu wahren (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG).

Wenn man sich diesen fiktiven Sachverhalt vor Augen führt, wird deutlich, dass eine gewissere planerische Tätigkeit hinter dieser Form der schweren Freiheitsberaubung steckt, weshalb auch gefordert wird, dass der:die Täterin bzgl. Nr. 1 Vorsatz haben müsse, da es sich um keine besondere Folge i.S.d. § 18 StGB handele.[34]

Der:die Täter:in muss das Opfer seiner:ihrer Freiheit berauben.

2. § 239 Abs. 3 Nr. 2 StGB

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Das Unrecht steigert sich in Nr. 2 des § 239 StGB potentiell nochmals. Der Gesetzgeber sieht für die Beeinträchtigung der höchstschutzwürdigen Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit zunächst denselben Strafrahmenspielraum, wie bei § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB vor. Doch aufgrund der Betroffenheit weiterer Rechtsgüter wird in der Praxis die Tendenz vermutlich zu einer deutlicheren Ausschöpfung des Strafrahmens gehen.

Durch die Tat

Während der Tat

Eine schwere Gesundheitsschädigung (vgl .auch § 221 Abs. 2 Nr. 2)

Klausurtaktik

§ 226 StGB kriminalisiert die schwere Körperverletzung. Damit ist § 226 Abs. 1 Var 1-3 StGB zwar eine Hilfe in der Prüfung, ob eine schwere Gesundheitsschädigung vorliegt. § 239 Abs. 3 Nr. 2 StGb ist aber nicht identisch mit § 226 Abs. 1 StGB.

Das Verb "verursachen" knüpft an allgemeine Kausalitätsgesichtspunkte an. Entweder muss die Tat selbst (also die Freiheitsberaubung, z.B. in einem besonders engen Raum, in dem das Opfer die Beine nicht ausstrecken kann) oder eine Handlung , die während der Tat begangen wird (z.B. regelmäßiger Nahrungsentzug, Schläge oder starke Kühlung) zur schweren Folge, der Gesundheitsbeeinträchtigung geführt haben, letztlich also kausal für die Folge gewesen sein.

Eine Gesundheitsschädigung wird des:der Täterin wird dann nicht mehr kausal sein, wenn ein Fall der überholenden Kausalität vorliegt. In Bezug auf die Ebene der objektiven Zurechnung im objektiven Tatbestand kann sich die Gesundheitsschädigung als eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers darstellen.[35]

Klausurtaktik

In den sog. Fluchtfällen, in denen das Opfer flieht, um dem Täter zu entkommen, sich dabei aber selbst verletzt und letztlich verletzt in eine Falle gelockt wird, in der es dann eingesperrt wird, ist daran zu denken die Frage aufzuwerfen, ob sich die möglicherweise schwere Gesundheitsschädigung des Opfers noch als das Werk des:der Täter:in darstellt. Klausureinleitung des Problems: Fraglich ist, ob die im Rahmen der Flucht aufgetretene Verletzung des Opfers dem:der Täterin noch objektiv zurechenbar ist. Es könnte ein Fall der sog. eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bzw. ein atypischer Kausalverlauf vorliegen. Diese Rechtsfiguren führen dazu, dass die Zurechnung nicht gelingt.

Die Handlungen während der Tat können den gesamten Unrechtsgehalt des Geschehens verschieben, sodass letztlich konkurrenzrechtlich andere Delikte gegeben sein könnten, z.B. "§§ 239 a, 239b, 234, 234a, 235" StGB.[36]

III. § 239 Abs. 4 StGB

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"(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren."

§ 239 Abs. 4 ist, vergleichbar zu Abs. 3 (s.o.) ein Erfolgsqualifikationstatbestand. Abs. 4 ähnelt §§ 227, 251 und 306ff. StGB.

Examenswissen: Im Examen sind gerade in der mündlichen Prüfung Fragen allgemeiner Art beliebt, um ein Grundverständnis des StGB abzufragen. Eine Frage kann z.B. lauten: Welche Erfolgsqualifikationstatbestände gibt es im StGB? Es lohnt sich § 239 Abs. 4 StGB in einer Paragraphenkette auswendig zu lernen und zusammen mit §§ 227, 251, 206ff. StGB zu nennen.

1. Erfolgsqualifikation

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Für den Eintritt der schweren Folge (Tod einer, der durch eine von § 239 StGB erfassten Handlung/Unterlassung betroffenen Person) ist lediglich Fahrlässigkeit erforderlich. § 18 StGB.

Wiederholung

Wenn das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe knüpft, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt. (§ 18 StGB)

2. Tod des Opfers

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Fallbeispiel

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G. Konkurrenzen

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Zwingt ein:e Täter:in sein/ihr Opfer zur Duldung der Freiheitsentziehung, ist § 239 Abs. 1 StGB vorrangig gegenüber § 240 StGB.[37]

§ 239 tritt dann zurück, wenn die Freiheitsberaubung nur eine typische Begleiterscheinung neben der anderen, vorrangig verwirklichten Tat ist.[38]

Aufbauschemata

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H. Wissen für das zweite Staatsexamen

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Von Bedeutung sind vor allem Fragen rund um das Ermittlungsverfahren (Lag überhaupt eine Freiheitsberaubung vor?, Welche Ermittlungsmaßnahmen wurden angewendet und waren jene verhältnismäßig?) und die Beweisbarkeit einer Freiheitsberaubung in der Hauptverhandlung.

Ein aktuelles Urteil des BVerfG zu einer dem Art. 19 Abs. 4 GG und dem rechtlichen Gehör des Opfers im Strafverfahren genügenden Strafverfolgung bei einer willenswidrigen Fixierung (mögliche Freiheitsberaubung) einer Patientin zum Zwecke von (zwingend) medizinisch indizierten Behandlungen sollte aufgearbeitet werden.[39]

Zudem kann es wichtig sein die richtige Strafverfolgungskompetenz zu erörtern. Dabei sind Ermittlungen zugunsten von Privatpersonen und Personen des öffentlichen Lebens - insbesondere des bundespolitischen Lebens (hohe Staatsämter) - voneinander zu trennen:

Examenswissen: Wenn der:die Bundespräsidenten:in, oder Mitglieder der Bundesregierung, des Deutschen Bundestages und/oder des Bundesverfassungsgerichts, Gäste der Verfassungsorgane des Bundes aus anderen Staaten oder der Leitungen und Mitglieder der bei der Bundesrepublik Deutschland beglaubigten diplomatischen Vertretungen der Freiheit beraubt wurden und klar ist, dass der:die Täter:in aus politischen Motiven gehandelt hat und die Tat bundes- oder außenpolitische Belange berührt sind, ist gem. § 4 Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) das Bundeskriminalamt in Wiesbaden für die Strafverfolgung zuständig. In allen anderen Fällen des Betroffenseins von Staats- oder EU-Bürgern gelten die allgemeinen Regeln der Strafverfolgung in der StPO und dem GVG.

I. Weiterführende Studienliteratur

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Online Ressourcen zu § 239 StGB:

Siehe https://www.juralib.de/mindmap/7214 Mindmap zu § 239 (kostenlos abrufbar).

Strafrechts Fälle, in: Olivia Czerny/Tino Frieling (Hrsg.), Digitales Fallbuch der Bucerius Law School, http://bucerius-fallbuch.de/. (freier Content)

Benutzername: gast Passwort: bucerius.

FAU Nürnberg (Hrsg.),"Sammlung examensrelevanter Entscheidungen (SEE)" für Externe (Anmeldung kostenlos, danach 12 Monate verfügbarer Content)

https://www.studon.fau.de/studon/register.php?code=PYBvcYKNy9.


Literatur/Karteikarten:

  • Eifert, Verfassungsrechtliche Anforderungen an Zwangsbehandlungen im Maßregelvollzug bei Patientenverfügung, JURA(JK), 2021(12), 1532, Art. 2 II 1, 2 I i. V. m. 1 I GG.
  • Janick Haas/Marie Thamar Hänke, StR-Anfängerhausarbeit zum Allgemeinen Teil Ein Hauch von »Saw« – Der erzwungene Überlebenskampf, 2021(12), 1508–1521.
  • Ziegler, Femme fatale, JuS 2018, 883ff.

J. Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte

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  • das haben wir gelernt
  • und das haben wir gelernt

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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Einführung zum Besonderen Teil

Erster Teil: Nichtvermögensdelikte

1. Kapitel: Straftaten gegen das Leben

§ 1: Mord und Totschlag, §§ 211, 212

§ 2: Tötung auf Verlangen, § 216

§ 3: Fahrlässige Tötung, § 222

§ 4: Aussetzung, § 221


2. Kapitel: Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

§ 5: Einfache Körperverletzung, § 223

§ 6: Gefährliche und schwere Körperverletzung, §§ 224, 226

§ 7: Fahrlässige Körperverletzung, § 229

§ 8: Körperverletzung mit Todesfolge, § 227

§ 9: Beteiligung an einer Schlägerei, § 231

§ 10: Körperverletzung im Amt, § 340


3. Kapitel: Straftaten gegen die persönliche Freiheit

§ 11: Nötigung, § 240

§ 12: Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, §§ 113 ff.

§ 13: Freiheitsberaubung, § 239

§ 14: Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme, §§ 239a, 239b


4. Kapitel: Urkundendelikte

§ 15: Urkundenfälschung, § 267

§ 16: Fälschung technischer Aufzeichnungen und beweiserheblicher Daten, §§ 268, 269

§ 17: Mittelbare Falschbeurkundung, § 271

§ 18: Urkundenunterdrückung, § 274


5. Kapitel: Straßenverkehrsdelikte

§ 19: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, § 315b

§ 20: Gefährdung des Straßenverkehrs, §§ 315c, 315d

§ 21: Trunkenheit im Verkehr, § 316

§ 22: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142


6. Kapitel: Brandstiftungsdelikte

§ 23: Einfache Brandstiftung, § 306

§ 24: Schwere und besonders schwere Brandstiftung, §§ 306a, 306b

§ 25: Brandstiftung mit Todesfolge, § 306c

§ 26: Fahrlässige Brandstiftung, § 306d

§ 27: Herbeiführen einer Brandgefahr, § 306f


7. Kapitel: Beleidigungsdelikte

§ 28: Beleidigung, § 185

§ 29: Üble Nachrede, § 186

§ 30: Verleumdung, § 187


8. Kapitel: Straftaten gegen die Rechtspflege

§ 31: Aussagedelikte, §§ 153ff

§ 32: Falsche Verdächtigung und Vortäuschen einer Straftat, §§ 164, 145d

§ 33: Strafvereitelung und Strafvereitelung im Amt, §§ 258, 258a


Zweiter Teil: Eigentums- und Vermögensdelikte

9. Kapitel: Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Diebstahl und Unterschlagung

§ 34: Sachbeschädigung, §§ 303 ff.

§ 35: Hausfriedensbruch, § 123

§ 36: Einfacher Diebstahl, § 242

§ 37: Besonders schwerer Fall des Diebstahls, § 243

§ 38: Qualifikationen des Diebstahls, §§ 244, 244a

§ 39: Unterschlagung, § 246


10. Kapitel: Betrug und Untreue

§ 40: Betrug, § 263

§ 41: Computerbetrug, § 263a

§ 42: Untreue, § 266

§ 43: Weitere examensrelevante Delikte des 22. Abschnitts, §§ 266b, 265a, 265


11. Kapitel: Raub und Räuberischer Diebstahl

§ 44: Einfacher Raub, § 249

§ 45: Schwerer Raub, § 250

§ 46: Raub mit Todesfolge, § 251

§ 47: Räuberischer Diebstahl, § 252

§ 48: Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, § 316a


12. Kapitel: Erpressung und Räuberische Erpressung

§ 49: Erpressung, § 253

§ 50: Räuberische Erpressung, § 255


13. Kapitel: Anschlussstraftaten

§ 51: Begünstigung, § 257

§ 52: Hehlerei, § 259

§ 53: Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte, § 261


Fußnoten

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  1. Straftatenschlüssel: 232100.
  2. Vom 01.01.2020-31.12.2020 wurden 4.487 Fälle erfasst, vgl. V. 1.0 T-01 Bund Fälle.
  3. Felix Würkert, in: Hahn/Petras/Wienfort/Valentiner (Hrsg.), Grundrechte. Ein offenes Lehrbuch, Handlungsfreiheit Art. 2 I GG, A., https://de.wikibooks.org/w/index.php?title=OpenRewi/_Grundrechte-Lehrbuch/_Handlungsfreiheit_-_Art._2_I_GG&oldid=977316 , Version vom 03.11.2021.
  4. Wieck-Nood, in: MüKO StGB, § 239 StGB, 4. Auflage 2021, Rn. 8, 9.
  5. Besondere Relevanz hat die Charaktisierung als Dauerdelikt für die Verjährungsfristen der § 78ff. StGB.
  6. BVerfGE 149, 293 - 346.
  7. Auch "persönliche" Fortbewegung genannt, vgl. Wieck-Noodt in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 239 StGB, Rn. 7.
  8. 8,0 8,1 Vgl. Wieck-Noodt, Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 239 StGB, Rn. 5, 8.
  9. 9,0 9,1 Hilgendorf, in Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf (Hrsg.), Strafrecht Besonderer Teil, 4. Aufl., 2021, § 9, Rn. 8: "gehört wie die körperliche Unversehrtheit zu den elementaren Rechtsgütern".
  10. Hilgendorf, in Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf (Hrsg.), Strafrecht Besonderer Teil, 4. Aufl., 2021, § 9, Rn. 12-13.
  11. Dazu SK-StGB/Wolter, Bd. 4., 9. Aufl., 2017, § 239, Rn. 3
  12. Ablehnend Hilgendorf in Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf (Hrsg.), Strafrecht Besonderer Teil, 4. Aufl., 2021, § 9, Rn. 13
  13. Vgl. Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 44. Auflg., 2020, § 8 IV. 1., Rn. 345.
  14. Hefendehl, § 239 trotz mangelnden Fortbewegungswillens?, Strafrecht-Online.org, https://strafrecht-online.org/problemfelder/bt/-239/obj-tb/-239-trotz-mangelndem-fortbewegungswillen/.
  15. BGhSt 31, 116 = NJW 1984, 673.
  16. "welchen verlassen zu wollen der Geschichte der Gesetzesvorschrift sowie dem Zwecke und Inhalte derselben für den Gesetzgeber keine Veranlassung vorgelegen hat"
  17. RG v. 18.11.1882 Rn. 4
  18. Vgl. Jäger, Examens-Repititorium, Strafrecht Besonderer Teil, 8. Auflg., C. F. Müller, 2019, § 3, Rn. 112.
  19. Vgl. Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 44. Auflg., 2020, § 8 IV. 2., Rn. 347.
  20. DWDS, "aussperren"[1].
  21. Hilgendorf, in Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf (Hrsg.), Strafrecht Besonderer Teil, 4. Aufl., 2021, § 9, Rn. 19 (ähnliche Auffassung).
  22. BGH NJW 1993, 1807 (1807).
  23. Vgl. NStZ 2015, 645 (646, 647)
  24. Vgl. BGH NStZ 1993, 1807 (1809); siehe auch Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 44. Auflg., 2020, § 8 IV. 2., Rn. 347.
  25. nachgebildet nach LG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2017 - 5 Ns 63/16, https://openjur.de/u/2152325.html
  26. RG v. 28.11.1882. oder via Permalink abrufbar: https://openjur.de/u/686023.html.
  27. Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil 1, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 44. Auflg., 2020, § 8 IV. 2., Rn. 349.
  28. BGHSt 14, 314, 315 = NJW 1960, 1629.
  29. BGH, Beschluss vom 03.12.2002 - 4 StR 432/02.
  30. § 239 Abs. 1 sieht eine geringere Freiheitsstrafe als ein Jahr als Mindestmaßstrafe vor : "...wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Somit ist § 239 Abs. 1 StGB ein Vergehen und kein Verbrechen.
  31. Vgl. RGSt 6, 231, 232; LKStGB/Träger/Schluckebier, Bd. 6, 11. Auflg., 2005, [Stand 1.9.2001], § 239, Rn. 28.
  32. KK-StPO/Schultheis, 8. Aufl. 2019, StPO § 127 Rn. 24
  33. Dazu SK-StGB/Wolter, Bd. 4., 9. Aufl., 2017, § 239, Rn. 19ff.
  34. Dazu SK-StGB/Wolter, Bd. 4., 9. Aufl., 2017, § 239, Rn. 20ff.
  35. Dazu SK-StGB/Wolter, Bd. 4., 9. Aufl., 2017, § 239, Rn. 22 nennt die "waghalsige Flucht und den Suizid".
  36. Vgl. dazu vertiefend SK-StGB/Wolter, Bd. 4., 9. Aufl., 2017, § 239, Rn. 19ff.
  37. Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil, 4. Aufl., 2021, Kapitel 3, § 11, Rn. 22.
  38. Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil, 4. Aufl., 2021, Kapitel 3, § 11, Rn. 22.
  39. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2020 - 2 BvR 1763/16 -, Rn. 1-66.