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Gleichberechtigungsauftrag - Art. 3 II GG

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Autorin: Sué González Hauck

Notwendiges Vorwissen: Allgemeiner Gleichheitssatz

Lernziel: Struktur des Art. 3 II GG verstehen, Art. 3 II GG in der Prüfung anwenden können

Eine hervorgehobene Stellung innerhalb der besonderen Gleichheitssätze nimmt Art. 3 II GG ein. Der darin enthaltene Gleichberechtigungsauftrag enthält zum einen ein besonderes Diskriminierungsverbot, das sowohl vor unmittelbarer als auch vor mittelbarer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts schützt (Art. 3 II 1 GG). Zum anderen enthält Art. 3 II 2 GG den Auftrag an die Gesetzgebung, aktiv auf die tatsächliche Verwirklichung der Gleichberechtigung der Geschlechter hinzuwirken (Art. 3 II 2 GG). Schließlich enthält Art. 3 II GG auch Schutzpflichten, die darauf gerichtet sind, die Gleichberechtigung der Geschlechter auch gegenüber Privaten durchzusetzen.

A. Diskriminierungsverbot, Art. 3 II 1 GG

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I. Formelle Gleichheit: Art. 3 II 1 GG als Differenzierungsverbot

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Art. 3 II 1 GG ist zunächst darauf gerichtet, formelle Gleichheit zwischen Männern und Frauen zu gewährleisten. Er enthält also ein formelles Verbot der rechtlichen Differenzierung nach dem Geschlecht. Dieses Verbot gilt, wie die meisten grundrechtlichen Gewährleistungen, nicht absolut. Ein Verstoß gegen das formelle Differenzierungsverbot ist also nur dann im Ergebnis verfassungswidrig, wenn er nicht gerechtfertigt ist.

1. Verbot der Differenzierung nach dem Geschlecht

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Das Verbot der unmittelbaren Ungleichbehandlung schützt vor einer direkten Anknüpfung an das Geschlecht.

Art. 3 II 1 GG enthält zunächst ein Differenzierungsverbot.[1] Die Norm „verbietet grundsätzlich und ein für allemal die rechtliche Differenzierung nach dem Geschlecht“, also eine „Differenzierung nach dem Vergleichspaar Mann-Frau“.[2]

Beispiel zu unmittelbarer Ungleichbehandlung: Die deutlichsten Beispiele für Verstöße gegen dieses in Art. 3 II 1 GG enthaltene Differenzierungsverbot sind die diskriminierenden familienrechtlichen Regelungen, die mittlerweile aus dem BGB verschwunden sind. Zu solchen Normen des BGB, die bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes[3] im Jahr 1958 galten, zählte beispielsweise der § 1354 I BGB a.F., der besagte, dass „dem Manne die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten“ zustehe. Des Weiteren bestimmte der § 1356 BGB in seiner bis 1958 geltenden Fassung, dass die Frau berechtigt und verpflichtet sei, „das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten“ (Abs. 1) und „[z]u Arbeiten im Hauswesen und im Geschäfte des Mannes“ verpflichtet sei, „soweit eine solche Thätigkeit nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist“. Die Geschichte des § 1356 BGB zeigt zugleich, dass mit dem Gleichberechtigungsgesetz nicht auf einen Schlag formelle Gleichberechtigung im Familienrecht erreicht wurde. Bis 1977 galt § 1356 I BGB in der folgenden Fassung: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist“.

Sacksofsky identifiziert anhand der frühen Rechtsprechung des BVerfG vier wesentliche Merkmale des in Art. 3 II 1 GG enthaltenen Differenzierungsverbots: Erstens verbiete es die Anknüpfung unterschiedlicher Rechtsfolgen an Geschlechtsunterschiede. Zweitens komme es nicht darauf an, an welches Geschlecht angeknüpft werde und ob damit eine Benachteiligung verbunden sei. Drittens folge aus dem formalen Charakter des Differenzierungsverbots, dass geschlechtsneutral formulierte Rechtsnormen nicht von dem Differenzierungsverbot erfasst seien. Viertens lasse sich das Differenzierungsverbot verstehen als ein Gebot formaler Gleichstellung, das letzlich zum Ziel habe, eine Rechtsordnung zu schaffen, in der das Merkmal Geschlecht nicht vorkommt.[4]

Insgesamt dient das in Art. 3 II 1 GG enthaltene Differenzierungsverbot also dazu, formelle Gleichheit herzustellen.

Teilweise wird vorgeschlagen, auch Regelungen, die an „typische Begleitmerkmale“ eines Geschlechts anknüpfen, also an Umstände, die (vermeintlich) nur bei einem Geschlecht vorkommen, als Verstöße gegen das der formellen Gleichheit verpflichtete Differenzierungsverbot zu verstehen.[5]

Beispiel zur Anknüpfung an „typische Begleitmerkmale“: Ein typisches Beispiel sind Regelungen, die an Schwangerschaft oder Mutterschaft anknüpfen.

Aus systematischen Gründen ist es jedoch vorzugswürdig, klar zwischen einer formellen Anknüpfung an das Geschlecht einerseits und faktischer oder mittelbarer Benachteiligung eines Geschlechts andererseits zu unterscheiden. Das BVerfG unterscheidet bei Regelungen, die geschlechtsneutral formuliert sind, aber gleichwohl überwiegend Frauen treffen, nicht danach, ob diese überwiegende Betroffenheit aufgrund „natürlicher“ oder gesellschaftlicher Unterschiede gegeben ist. Anders als bei einer formellen Anknüpfung an das Geschlecht prüft das BVerfG in diesen Fällen aber zusätzlich, ob eine faktische Benachteiligung gegeben ist.[6]

2. Rechtfertigung einer Differenzierung nach dem Geschlecht

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Nicht jede Differenzierung nach dem Geschlecht ist im Ergebnis verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen das in Art. 3 II 1 GG enthaltene Differenzierungsverbot kann im Einzelfall gerechtfertigt sein. Die Rechtfertigungsprüfung folgt strukturell der Prüfung anhand der „neuen Formel“ bei Art. 3 I GG. Es ist also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. An den legitimen Zweck für eine Differenzierung sind dabei jedoch erhöhte Anforderungen zu stellen. Die Ungleichbehandlung muss entweder zwingend geboten sein - wobei dieser Rechtfertigungstatbestand zunehmend restriktiv ausgelegt wird - oder der Verwirklichung kollidierenden Verfassungsrechts dienen.

a) Zwingende Gründe für eine Ungleichbehandlung
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Die Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG spiegelt den gesellschaftlichen Wandel wider, der sich im Hinblick auf das Verständnis der Verhältnisse der Geschlechter zueinander seit den Anfangsjahren der Bundesrepublik vollzogen hat. In einer Entscheidung aus den 1950er Jahren hielt es das BVerfG beispielsweise noch für selbstverständlich, dass „im Bereich des Familienrechts im Hinblick auf die objektiven biologischen oder funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses auch eine besondere rechtliche Regelung erlaubt oder sogar notwendig ist“.[7]

In der jüngeren Rechtsprechung hat das BVerfG zwar nicht vollständig Abstand genommen von der Idee der „natürlichen“ Unterschiede, die eine Differenzierung nach dem Geschlecht rechtfertigen können; es legt diese Ausnahme jedoch zunehmend restriktiv aus und achtet darauf, solche zwingenden Gründe von lediglich sozial verankerten Rollenbildern zu unterscheiden.[8] Eine entsprechende Formulierung aus der jüngeren Rechtsprechung lautet etwa: „An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind mit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach entweder nur bei Männern oder nur bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind“.[9]

Klausurtaktik

Gerade in der frühen Rechtsprechung des BVerfG hat es Ungleichbehandlungen, die auf vermeintlich objektiven und „natürlichen“ Unterschieden beruhen, aus dem Anwendungsbereich des Art. 3 II GG komplett ausgenommen, wie etwa in der sehr problematischen Homosexuellen-Entscheidung.[10] Die neueren Formulierungen, in denen etwa von „zwingender Erforderlichkeit“ die Rede ist, deuten eher auf eine Verortung auf Rechtfertigungsebene hin.

b) Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht
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Eine Norm kollidierenden Verfassungsrechts, die eine formelle Ungleichbehandlung der Geschlechter rechtfertigen kann, ist insbesondere der in Art. 3 II 2 GG enthaltene Gleichstellungsauftrag. Dieser erlaubt es, „faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen“.[11]

Examenswissen: Die Frage, ob Frauenquoten verfassungsrechtlich zulässig sind, kann in der Klausur wie folgt diskutiert werden: Zunächst stellt eine Regelung, die Frauen bevorzugt, einen Verstoß gegen das in Art. 3 II 1 GG enthaltene Differenzierungsverbot dar. Dieser könnte jedoch aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts gerechtfertigt sein. Enthielte Art. 3 II 2 GG keinen konkreten Auftrag an die Gesetzgebung, faktische Nachteile auszugleichen und somit auf die Herstellung tatsächlicher und nicht nur formeller Gleichheit hinzuwirken, so entfaltete diese Norm neben Art. 3 II 1 GG keinerlei Wirkung. Art. 3 II 2 GG kann daher grundsätzlich herangezogen werden, um eine formelle Ungleichbehandlung der Geschlechter zu rechtfertigen. Ob die formelle Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist, muss anhand einer Abwägung der betroffenen Verfassungsgüter ermittelt werden. Welche Verfassungsgüter wie intensiv betroffen sind, hängt von dem Anwendungsbereich und der konkreten Ausgestaltung der Quote ab.

Hinsichtlich des Anwendungsbereichs ist insbesondere zu unterscheiden, ob die Quotenregelung für den öffentlichen Dienst, für die Privatwirtschaft, oder für politische Parteien gilt. Bei Quoten für den öffentlichen Dienst ist insbesondere Art. 33 II GG in die Abwägung einzustellen, bei Quoten für die Privatwirtschaft die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG und die durch Art. 2 I GG geschützte Privatautonomie. Quoten, die sich politische Parteien nicht selbst geben, sondern zu deren Einhaltung sie gesetzlich verpflichtet werden, sind an Art. 21 GG und Art. 38 GG zu messen.

Bei der konkreten Ausgestaltung der Quote ist danach zu unterscheiden, ob es sich, wie in den meisten Fällen, um eine Verfahrensregelung handelt, die auf Chancengleichheit gerichtet ist, oder um eine Regelung, die einen bestimmten Frauenanteil fest vorschreibt und damit Ergebnisgleichheit anstrebt. Eine auf Chancengleichheit gerichtete Verfahrensregelung ist gegenüber einer auf Ergebnisgleichheit gerichteten festen Quote ein milderes Mittel, wobei im Einzelfall genau zu prüfen ist, ob die Regelung auch gleich wirksam ist.

II. Mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

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Art. 3 II 1 GG schützt nicht nur vor einer unmittelbaren Anknüpfung an das Geschlecht, sondern auch vor mittelbarer oder faktischer Diskriminierung. Eine solche kommt in Betracht, wenn geschlechtsneutral formulierte Regelungen typischerweise ein Geschlecht betreffen.

Beispiel zu mittelbarer Diskriminierung: Faktisch oder mittelbar diskriminierend können beispielsweise Regelungen sein, die auf Teilzeitbeschäftigte Anwendung finden, da Frauen sehr viel häufiger in Teilzeit beschäftigt sind als Männer.

Klausurtaktik

Das BVerfG zieht in Fällen, die eine mittelbare oder faktische Benachteiligung betreffen, Art. 3 II 2 GG ergänzend heran, um zu bekräftigen, dass sich Art. 3 II GG allgemein auch auf die Lebenswirklichkeit erstreckt und auf tatsächliche und nicht nur formelle Gleichberechtigung gerichtet ist. Aus zwei Gründen empfiehlt es sich, in der Klausur die Prüfung der mittelbaren Diskriminierung auf Art. 3 II 1 GG zu stützen und Art. 3 II 2 GG ebenfalls nur ergänzend heranzuziehen: Erstens hat das BVerfG die Figur der mittelbaren Diskriminierung bereits vor der Einführung des Art. 3 II 2 GG aus der bis dahin allein in Art. 3 II GG enthaltenen Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ abgeleitet. Zweitens enthält Art. 3 II 2 GG für sich genommen nach der herrschenden Meinung keine subjektiven Rechte, sondern einen allgemeinen Auftrag an die Gesetzgebung.

1. Vorliegen einer mittelbaren Benachteiligung

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Eine mittelbare Diskriminierung kommt immer dann in Betracht, wenn eine Rechtsnorm nicht direkt an das Geschlecht anknüpft, sondern formell auf Menschen aller Geschlechter anwendbar ist. Auch eine Norm, die geschlechtsneutral formuliert ist, kann also gegen Art. 3 II 1 GG verstoßen.

Dass auch solche geschlechtsneutral formulierten Normen grundsätzlich gegen Art. 3 II 1 GG verstoßen können, ergibt sich daraus, dass das Gebot der Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht nur auf formelle Gleichheit, sondern auch auf die Angleichung der Lebensverhältnisse zielt.[12]

Eine mittelbare Diskriminierung und damit ein Verstoß gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art. 3 II 1 GG liegt vor, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Norm überwiegend Personen eines Geschlechts betrifft und dadurch eine geschlechtstypische faktische Benachteiligung entsteht.[13]

2. Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung

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Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung sind niedriger als bei einer unmittelbaren Diskriminierung. Es genügt nach der Rechtsprechung des BVerfG, „wenn die diskriminierende Regelung auf hinreichenden sachlichen Gründen beruht“.[14]

B. Gleichberechtigungsauftrag, Art. 3 II 2 GG

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Schon vor der Einführung des Art. 3 II 2 GG hatte das BVerfG in seiner Rechtsprechung den Art. 3 II GG so entwickelt, dass sein Regelungsgehalt über die rein formelle Gleichberechtigung hinausging. In der berühmten Entscheidung zum Nachtarbeitsverbot heißt es dazu: „Der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ will nicht nur Rechtsnormen beseitigen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale anknüpfen, sondern für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzen. Er zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse. So müssen Frauen die gleichen Erwerbschancen haben wie Männer. Überkommene Rollenverteilungen, die zu einer höheren Belastung oder sonstigen Nachteilen für Frauen führen, dürfen durch staatliche Maßnahmen nicht verfestigt werden. Faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, dürfen wegen des Gleichberechtigungsgebots des Art. 3 Abs. 2 GG durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden“.[15]

Diese Haltung des BVerfG hatte sich jedoch erst nach und nach aus einem zunächst rein formellen Gleichheitsverständnis heraus entwickelt. Gerade der letzte Teil der oben zitierten Passage aus dem Urteil zum Nachtarbeitsverbot, der einen Auftrag zum Ausgleich faktischer Nachteile durch formell begünstigende Regelungen beschreibt, blieb in Literatur und Praxis umstritten und wurde von den Instanzgerichten nicht einheitlich umgesetzt. Daher schlug die Gemeinsame Verfassungskommission die Ergänzung des Art. 3 II GG durch die nunmehr in Art. 3 II 2 GG enthaltene Formulierung vor.[16]

Art. 3 II 2 GG begründet anders als Art. 3 II 1 GG nach herrschender Meinung kein subjektives Recht, sondern einen primär an die Gesetzgebung gerichteten Förderauftrag mit dem Charakter einer Staatszielbestimmung.[17]

C. Grundrechtliche Schutzpflichten aus Art. 3 II GG

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Aus Art. 3 II GG ergeben sich nicht nur Abwehrrechte gegen eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung und ein allgemeiner Auftrag an die Gesetzgebung, sondern auch Schutzpflichten. Die Gesetzgebung ist also verpflichtet, für die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch gegenüber Privaten zu sorgen.

Wie für Schutzpflichten typisch, hat die Gesetzgebung einen breiten Gestaltungsspielraum. Es obliegt der Ausgestaltungsbefugnis der Gesetzgebung, über die "Art und Weise, wie der Staat seine Verpflichtung erfüllt, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken".[18] Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass Regelungen, die zum Schutz vor Diskriminierung dienen sollen, ihrerseits faktische Diskriminierungen zur Folge haben können. Diese gilt es, so weit wie möglich, zu vermeiden.[19]

Beispiel zur Umsetzung von Schutzpflichten: Zur Umsetzung der Schutzpflichten dienen etwa einfachgesetzliche Diskriminierungsverbote, wie sie in § 611 BGB a.F. enthalten waren und heute im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) enthalten sind.[20] Regelmäßig sind sie jedoch nicht ausreichend, sodass auch in materieller Hinsicht darauf hinzuwirken ist, dass keine faktische Diskriminierung entsteht.

D. Konkurrenzen

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Bei den in Art. 3 II 1 und Art. 3 III GG enthaltenen Diskriminierungsverboten handelt es sich um Konkretisierungen des allgemeinen Gleichheitssatzes.[21] Als besondere Gleichheitssätze haben Art. 3 II und III GG Vorrang gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 I GG. Fällt ein Lebenssachverhalt in den Anwendungsbereich von Art. 3 II oder III GG, so ist nach der Prüfung der jeweiligen besonderen Ausprägung des Gleichheitssatzes kein Raum mehr für eine Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes.[22] Mehrere spezielle Gleichheitssätze sind grundsätzlich nebeneinander anwendbar.[23]

Weiterführendes Wissen

Art. 3 II und III GG sind nicht die einzigen Normen des Grundgesetzes, die sich als besondere Gleichheitssätze verstehen lassen und die daher gegenüber Art. 3 I GG als speziellere Normen Vorrang haben. Ein weiteres Beispiel für eine solche besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist Art. 6 V GG, der nichteheliche Kinder vor Diskriminierung schützt.[24]

E. Parallele Regelungen im Völker- und Europarecht

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Wie im Antidiskriminierungsrecht allgemein stammen viele Impulse für die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter aus dem Völker- und Europarecht. Das BVerfG hat sich in der Vergangenheit bei der Auslegung des Art. 3 II GG wiederholt auf völker- und europarechtliche Normen und auf die Rechtsprechung des EuGH bezogen, insbesondere in Fällen, die eine mittelbare oder faktische Diskriminierung zum Gegenstand hatten. [25]

I. Europarecht

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Aus dem unionsrechtlichen Primärrecht sind insbesondere Art. 21, 23 GrCh und Art. 157 AEUV relevant. Neben dem Art. 21 GrCh, der in einer Reihe besonderer Diskriminierungsverbote auch die Diskriminierung wegen des Geschlechts verbietet, enthält Art. 23 GrCh einen Gleichstellungsauftrag, der Art. 3 II GG ähnelt: „Die Gleichheit von Frauen und Männern ist in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen. Der Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen“. Art. 157 AEUV verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen.

Weiterführendes Wissen zu sekundärrechtlichen Normen

Auf sekundärrechtlicher Ebene sind insbesondere die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ("Gender-Richtlinie") und die Richtlinie 2004/113/EG zur Gleichstellung der Geschlechter auch außerhalb der Arbeitswelt hervorzuheben. Gemeinsam mit der Antirassismusrichtlinie (2000/43/EG) und der Rahmenrichtlinie Beschäftigung (2000/78/EG) bilden sie den unionsrechtlichen Rahmen für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

II. Völkerrecht

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Besonders wichtig im System des völkerrechtlichen Schutzes vor sexistischer Diskriminierung ist das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau,[26] das auch unter der englischen Abkürzung CEDAW für Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women bekannt ist. Eine Besonderheit der CEDAW besteht darin, dass diese Konvention nicht nur Verbote der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung enthält, sondern auch eine Verpflichtung, bestehenden Vorurteilen und stereotypen Rollenverteilungspraktiken entgegenzuwirken (Art. 5 lit. a, Art. 10 lit. c CEDAW).

Weiterführende Studienliteratur

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  • Lena Foljanty / Ulrike Lembke, Feministische Rechtswissenschaft: Ein Studienbuch, 2. Aufl. 2012 (3. Aufl. angekündigt für 2021).
  • Diskussionsbeiträge zu Paritätsgesetzen auf dem Verfassungsblog und JuWiss-Blog

Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte

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  • Art. 3 II 1 GG schützt vor unmittelbarer Ungleichbehandlung von Männern und Frauen.
  • Art. 3 II 1 GG schützt auch vor mittelbarer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
  • Art. 3 II 2 GG enthält darüber hinaus einen Auftrag zur Herstellung tatsächlicher Gleichheit.
  • Eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts ist in der Regel nur gerechtfertigt, wenn sie auf kollidierendes Verfassungsrecht gestützt werden kann.
  • Zur Rechtfertigung einer formellen Ungleichbehandlung kann insbesondere der Auftrag aus Art. 3 II 2 GG herangezogen werden.

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Inhaltsverzeichnis des Buches

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Abschnitt 1 - Allgemeine Grundrechtslehren

Abschnitt 2 - Aufbau der Prüfung eines Freiheitsgrundrechts

Abschnitt 3 - Grundrechtsschutz und Dritte

Abschnitt 4 - Verfahren, Konkurrenzen, Prüfungsschemata

Abschnitt 5 - Grundrechte im Mehrebenensystem

Abschnitt 6 - Einzelgrundrechte des Grundgesetzes

Fußnoten

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  1. BVerfG Urteil v. 18.12.1953, Az.: 1 BvL 106/53, Rn. 40 = BVerfGE 3, 225; BVerfG Beschl. v. 21.5.1974, Az.: 1 BvL 22/71 und 21/72, Rn. 97 = BVerfGE 37, 217.
  2. BVerfG Beschl. v. 21.5.1974, Az.: 1 BvL 22/71 und 21/72, Rn. 97 = BVerfGE 37, 217.
  3. Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 18.6.1957, BGBl. I 1957, 609.
  4. Zum Ganzen: Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 26-27.
  5. Langenfeld, in: Maunz/Dürig GG, 92. EL August 2020, GG Art. 3 Abs. 2 Rn. 25.
  6. BVerfG, Beschl. v. 27.11.1997, Az.: 1 BvL 12/91, Rn. 36 = BVerfGE 97, 35 - Hamburger Ruhegeldgesetz.
  7. BVerfG, Urt. v. 18.12.1953, Az.: 1 BvL 106/53, Rn. 42 = BVerfGE 3, 225.
  8. BVerfG, Urt. v. 28.1.1992, Az.: 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91, Rn. 59 = BVerfGE 85, 191 - Nachtarbeitsverbot.
  9. BVerfG, Urt. v. 28.1.1992, Az.: 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91, Rn. 56 = BVerfGE 85, 191 - Nachtarbeitsverbot; BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005, Az.: 2 BvR 524/01, Rn. 25 = BVerfGE 114, 357.
  10. BVerfG, Urt. v. 10.5.1957, Az.: 1 BvR 550/52, Rn. 142 = BVerfGE 6, 389 - Homosexuelle
  11. BVerfG, Beschl. v. 24.1.1995, Az.: 1 BvL 18/93 und 5,6,7/94, 1 BvR 403, 569/94, Rn. 65 = BVerfGE 92, 91.
  12. BVerfG, Beschl. v. 18.11.2003, Az.: 1 BvR 302/96, Rn. 111 = BVerfGE 109,64 - Mutterschaftsgeld II; BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005, Az.: 2 BvR 524/01, Rn. 25 = BVerfGE 114, 357.
  13. BVerfG, Beschl. v. 5.4.2005, Az.: 1 BvR 774/02, Rn. 53 = BVerfGE 113,1 - Kindererziehungszeiten in der Altersversorgung.
  14. BVerfG Beschl. v. 5.4.2005, Az.: 1 BvR 774/02, Rn. 53 = BVerfGE 113,1 - Kindererziehungszeiten in der Altersversorgung.
  15. BVerfG Urteil v. 28.1.1992, Az. 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91, Rn. 54 = BVerfGE 85, 191 - Nachtarbeitsverbot.
  16. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 5.11.1993, BT-Drs. 12/6000, S. 49.
  17. Gröpl, in: Studienkommentar GG, Art. 3, Rn. 70.
  18. BVerfG Beschl. v. 18.11.2003, Az. 1 BvR 302/96, Rn. 114 = BVerfGE 109, 64 - Mutterschaftsgeld II.
  19. Ebd.
  20. BVerfG, Beschl. v. 18.11.2003, Az.: 1 BvR 302/96, Rn. 114 = BVerfGE 109, 64 - Mutterschaftsgeld II.
  21. BVerfG Urteil v. 18.12.1953, Az.: 1 BvL 106/53, Rn. 39 = BVerfGE 3, 225; .
  22. BVerfG Beschl. v. 14.4.1959, Az.: 1 BvL 23, 34/57, Rn. 42 = BVerfGE 9, 237; Langenfeld, in: Maunz/Dürig GG, 92. EL August 2020, Art. 3 Abs. 2 Rn. 14.
  23. Kischel, in: Epping/Hillgruber BeckOK GG, 46. Ed. 15.2.2021, Art. 3 Rn. 2.
  24. BVerfG Beschl. v. 29.1.1969, Az.: 1 BvR 26/66, Rn. 20 = BVerfGE 25, 167.
  25. BVerfG Beschl. v. 27.11.1997, Az.: 1 BvL 12/91, Rn. 36 = BVerfGE 97, 35 - Hamburger Ruhegeldgesetz; BVerfG Beschl. v. 18.11.2003, Az.: 1 BvR 302/96, Rn. 112 = BVerfGE 109, 64 - Mutterschaftsgeld II.
  26. Übereinkommen v. 18. 12. 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, BGBl. II 1985, 1234.