Kunstfreiheit - Art. 5 III GG

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Autor: Jaschar Kohal

Notwendiges Vorwissen: Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung, Meinungsfreiheit

Lernziel: Schutzbereichsdefinition der Kunstfreiheit beherrschen, Schranken der Kunstfreiheit verstehen, Klausurtaktik anhand typischer Fälle einordnen

Die in Art. 5 III GG vorzufindende Kunstfreiheit ist eine objektiv wertentscheidende Norm[1]. Als solche hat sie eine weitreichende Ausstrahlungswirkung für die gesamte Rechtsordnung. So ist sie eine regelmäßig zu beachtende Grundsatznorm bei Ermessensentscheidungen oder auch bei zivilrechtlichen Generalklauseln (mittelbare Drittwirkung)[2]. Auch und gerade aber schützt sie das individuelle Verhalten von Künstler:innen.[3]

Weiterführendes Wissen

Nach der nationalsozialistischen Verfolgung sogenannter „entarteter Kunst“ kann die Implementierung der sehr offen formulierten Kunstfreiheit im Grundgesetz als expliziter Gegenentwurf hierzu verstanden werden. Auch die fehlenden Grundrechtsschranken und das damit hohe Schutzniveau lassen dies vermuten. Tatsächlich aber kannte bereits die Weimarer Reichsverfassung mit ihrem Art. 142 eine zum heutigen Art. 5 III GG sehr ähnlich lautende Norm.[4] Im Zuge his- torischer Auslegung ist der repressiv-propagandistische Umgang der Nationalsozialisten mit der Kunstfreiheit zu berücksichtigen.[5] Die EMRK kennt explizit keine Kunstfreiheit (der Schutz wird über die Meinungsfreiheit gewährleistet), jedoch die GR-Charta (Art. 13).

A. Schutzbereich[Bearbeiten]

I. Sachlicher Schutzbereich[Bearbeiten]

Für das Verständnis der Kunstfreiheit sind der Kunstbegriff und dessen Reichweite essenziell.

1. Kunstdefinition[Bearbeiten]

Die Definition des Kunstbegriffs ist umstritten.[6] Im Zuge der autarken Auslegung verfassungsrechtlicher Begriffe ist es dem einfachen Gesetzgeber verwehrt den Begriff "Kunst" auf Verfassungsebene vorzugeben.[7] Die juristische Methodik ist hier mit dem Problem konfrontiert, einen Schutzbereich definieren zu müssen, gleichzeitig jedoch abhängig von der Definition die Reichweite des Schutzes abzuschwächen.[8]

Weiterführendes Wissen

Es ist wichtig sich zu verinnerlichen, wieso genau dieses Definitionsproblem auftaucht: Für die Rechtsanwendung muss eine Kunstdefinition vorliegen, da anderenfalls keine Differenzierung zwischen anderen grundrechtsrelevanten Handlungsweisen und solcher, die unter die Kunstfreiheit fallen, vorgenommen werden kann.

Dem weltanschaulich neutralem Staat (Art. 20 Abs. 1 GG – Demokratieprinzip) ist es jedoch verwehrt, zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst zu unterscheiden.[9] Dieses Ergebnis wird durch die historischen Eingangsüberlegungen weitergehend bestätigt: Eine Aufteilung in „gute“ und „schlechte“ bzw. „schützenswerte“ und „nicht schützenswerte“ Kunst soll nach Möglichkeit vermieden werden.

Drei Definitionsannäherungen wurden vom BVerfG mit der Zeit entwickelt. Diese Definitionen widersprechen sich untereinander nicht, sondern akzentuieren un- terschiedliche Aspekte von Kunst. Die Definitionen finden regelmäßig neben- einander Anwendung und dienen zur Operationalisierung der Feststellung, ob Kunst vorliegt.[10]

Klausurtaktik

In den allermeisten Fällen dürfte der formale Kunstbegriff bereits für eine brauchbare Subsumtion ausreichen. Es bietet sich folgendes Vorgehen an:

  1. Kurze Definition aller drei Kunstbegriffe
  2. Subsumtion unter den formalen Kunstbegriff
  3. Darlegung, dass dieser der Engste aller Kunstbegriffe ist und dementsprechend die Voraussetzungen bei allen drei Kunstbegriffen damit vorliegen.

Beispiel: Ein Gemälde, eine Statue und klassische Musikwerke sind in ihrer Kunsteigenschaft so anerkannt, dass keine tiefgreifenden Erläuterungen notwendig sind. Anders aber bei teilweise „Gangstarap“ oder Videospielen als Kunstgattung, welche diese Anerkennung gerade erst in Ansätzen erstritten haben.

Hier bietet es sich an, die unterschiedlichen Kunstbegriffe zu deklinieren um dann aufzuzeigen, dass bereits der enge-formale Kunstbegriff einschlägig ist. Damit sind auch "erst recht" die Anforderungen an die anderen Kunstbegriffe erfüllt.

a) Materialer Kunstbegriff[Bearbeiten]

In seiner Mephisto-Entscheidung[11] äußerte sich das BVerfG zur Kunstdefinition wie folgt: „Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.“[12] Die Frage nach der Kunstqualität ist entsprechend abhängig von dem Inhaltsgehalt des fraglichen Werks.[13]

b) Formaler Kunstbegriff[Bearbeiten]

Der formale Kunstbegriff konzentriert sich zur Bestimmung der Kunstqualität auf die zur Erzeugung des Kunstwerks notwendige Handlung, beispielsweise „Malen, Bildhauen oder Dichten“[14]. Hierbei ist problematisch, dass nur schon als solche anerkannte Kunstformen unter diese Definition fallen. Dies führt zu dem Pro- blem, dass neue Phänomene nicht adäquat erfasst werden können und der Schutzbereich entsprechend restriktiv ausgelegt wird. Verfassungsrechtliche Begriffe dürfen, im Regelfall, nicht durch den einfachen Gesetzgeber definiert werden. Auch müssen die Definitionen so weit sein, dass sie die fraglichen Schutzbereiche nicht a priori derart verkürzen, dass lediglich Mehrheitsauffassungen geschützt werden. Der formale Kunstbegriff läuft hierbei Gefahr, neue, gerade in der Entwicklung befindliche, oder auch noch nicht anerkannte Kunstformen zu diskriminieren, indem ihnen der Schutz verwehrt wird.

Beispiel: Art brut“ oder auch „Outsider Art“ (also Kunst, welche von Laien erschaffen wurde); nach mathematischen Modellen erzeugte Musik/Bilder[15]

c) Offener Kunstbegriff[Bearbeiten]

Letztlich behält sich das BVerfG auch vor, den Kunstbegriff völlig offen zu definieren. Hierbei ist auf die "Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts"[16] abzustellen. Entsprechend macht gerade die Vielschichtigkeit der Interpretation ein Werk als Kunst aus. Dieser offene Kunstbegriff ist die logische Konsequenz aus der bereits beschriebenen Schwierigkeit, Kunst überhaupt zu definieren.

Beispiel: Ein pornografischer Roman ist nach dem offenen Kunstbegriff auf etwaige tiefergehende Interpretationsschichten ("Mannigfaltigkeit") zu überprüfen, was auch auf weitreichendere Interpretationen schließen lässt.

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2. Reichweite[Bearbeiten]

Regelmäßig diskussionswürdig ist die Reichweite des Grundrechts. Grundsätzlich wird hier zwischen "Werk- und Wirkbereich" unterschieden. Unter den Werkbereich fallen die für das künstlerische Endprodukt notwendigen Handlungen und damit der Entstehungsprozess. Der Wirkbereich hingegen schützt die Möglichkeit der Zurschaustellung des Kunstwerkes (Verbreitung, Veröffentlichung, Werbung).[17]

Klausurtaktik

In den allermeisten Fällen dürfte der formale Kunstbegriff bereits für eine brauchbare Subsumtion ausreichen. Sofern der Sachverhalt explizit eine bestimmte Kunstgattung erwähnt und diese klassischerweise auch als solche anzuerkennen ist, sind keine weiteren Ausführungen notwendig.

3. Schutzbereichseinschränkungen[Bearbeiten]

Diskutiert wird, ob Kunstaktionen, welche unmittelbar in fremde Rechte eingreifen, noch zum Schutzbereich zugehörig sind. Hierbei ist insbesondere an ungenehmigte Graffiti-Kunst zu denken, welche auf fremdes Eigentum gesprüht wird.

Examenswissen: Eine Auffassung möchte hier bereits die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs verneinen. Sie beruft sich darauf, dass eine solch evidente Überschreitung fremder Interessen schon nicht als zum Schutzbereich eines Grundrechts zugehörig angesehen werden kann.[18] Die Mehrheit erachtet den Schutzbereich wohl als eröffnet, sieht aber etwaige Eingriffe (beispielsweise Verurteilung wegen Sachbeschädigung) als gerechtfertigt an.[19]

II. Persönlicher Schutzbereich[Bearbeiten]

Der persönliche Schutzbereich weist keine Besonderheiten auf. Die Kunstfreiheit kann von "jedermann" geltend gemacht werden.[20] Auch juristische Personen können sich grundsätzlich nach Art. 19 Abs. 3 GG auf die Kunstfreiheit berufen.[21]

Beispiel: Buchverlage, Filmverleiher, Musikveranstalterinne

Weiterführendes Wissen

Die Mehrheit der Autor:innen behandelt an dieser Stelle Fragen zur Reichweite des Grundrechts.[22] Richtigerweise sind diese Ausführungen aber eine Frage des sachlichen Schutzbereichs und sollten entsprechend auch nur dort erörtert werden.[23] Dies erklärt sich daraus, dass sich der Schwerpunkt dieser Erweiterungen des Personenkreises letztlich direkt aus der eigentlich sachlichen Tätigkeit ergibt. Beide Wege sind aber natürlich gut vertretbar.

B. Eingriff[Bearbeiten]

Eingriffe in die Kunstfreiheit weisen keine Besonderheiten auf. Denkbar sind auch faktische Eingriffe.

Beispiel: Faktischer Eingriff durch staatliche Unterstützung (insb. finanzielle) bestimmter Kunstformen.

C. Rechtfertigung[Bearbeiten]

I. Einschränkbarkeit der Kunstfreiheit[Bearbeiten]

Der Wortlaut der Kunstfreiheit zeigt keine Einschränkungsmöglichkeiten auf. In Betracht kommen aber verfassungsimmanente Schranken (kollidierendes Verfassungsrecht).[24] Typische Fallkonstellationen sind hierbei Persönlichkeitsrechte Dritter (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)[25], Eigentum (Art. 14 GG)[26], auch aber das Ansehen des Staates und seiner Institutionen (siehe § 90a StGB)[27]) und der Jugendschutz[28].

Klausurtaktik

Sofern der Sachverhalt das Kunstwerk abdruckt oder sehr genau beschreibt, bietet es sich an, das Werk zumindest kurz, ähnlich wie im Deutschunterricht an der Schule, zu beschreiben und zu interpretieren. Entsprechend bietet es sich an das Werk, sofern möglich, einem Werktyp zuzuordnen, eine kurze historische Eingrenzung vorzunehmen und die letztlich vom Autor intendierte, tieferliegende Aussage herauszuarbeiten.

Siehe hierzu auch das BVerfG-Urteil zur Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole durch Kunst: Hier stellt das BVerfG Überlegungen zu einem Musikstück der Band SLIME an und vergleicht es mit einem klassischen Werk von Heinrich Heine.[29] So weitläufig wie dort müssend die Ausführungen in einer Klausur natürlich nicht sein.

II. Grenzen der Einschränkbarkeit[Bearbeiten]

Bei der Abwägung ist eine werkgerechte Interpretation der Kunst vorzunehmen. Das bedeutet, dass die Kunst nicht losgelöst mit dem widerstreitenden Verfassungsgut abzuwägen ist, sondern vielmehr in ihrem Gesamtgehalt als Kunst gegenüberzustellen ist.

Beispiel: Der (regelmäßig überspitzt dargestellte) Aussagekern in einer Karikatur ist für diese gerade essentiell. Eine werkgerechte Interpretation muss diese Tatsache besonders berücksichtigen.

Bezüglich der Persönlichkeitsrechte Anderer verlangt das BVerfG von Romanen, welche reale Gegebenheiten wiedergeben, die Verfälschung der Personen. Weiterhin ist zu beachten, inwieweit die Persönlichkeiten solche des öffentlichen Lebens sind (Esra-Entscheidung)[30]. Je prominenter eine Person ist, desto eher muss sie solche Einschränkungen ertragen. Die Abwägung fällt dann zugunsten der Kunstfreiheit und zulasten einer Unterlassung der Weiterverbreitung des Werks aus.

Beispiel: Zur Eigentumsfreiheit urteilte das BVerfG jüngst bzgl. der Frage, inwieweit „Sampling“, also das immer weiter fortwährende Wiederholen eines nur wenige Sekunden dauernden Teils eines anderen Stücks, von der Kunstfreiheit gedeckt ist.[31] Hierbei sah es, insbesondere in Bezug auf Rapmusik, welche von dieser Methodik lebt, die Interessen des unfreiwilligen Samplegebers als untergeordnet an. Entsprechend ist ein solches Sampling zu dulden.

Sofern Kunst auf öffentlichen Straßen dargestellt wird, kommt es zu Spannungen mit der Notwendigkeit einer etwaigen Sondernutzungserlaubnis. Während eine Kunstausstellung auf öffentlichen Straßen selbst noch keine Straßenkunst darstellt,[32] ist die sonstige Rechtslage verworren und unklar. Das Bundesverwaltungsgericht scheint dazu zu tendieren, eine solche Sondernutzungserlaubnis zu verlangen, sofern es sich nicht um eine spontane Kunstaktion handelt.[33]

Die Rechtsprechung sieht die Kunstfreiheit als sehr hochwertiges Recht an, welches sich in der Verhältnismäßigkeitsprüfung regelmäßig durchsetzt.[34]

Weiterführendes Wissen

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft stellte jüngst ein Strafverfahren wegen § 130 StGB gegen die Rapper Kollegah und Farid Bang wegen der Zeile "Mein Körper definierter als der von Auschwitzinsassen" bereits mangels Anfangsverdacht ein. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, dass das Genre des „Gangstarap“ gerade darauf ausgerichtet ist, auch mit völlig geschmacklosen Aussagen zu provozieren und auch anzuekeln. Der Tabubruch ist hierbei gerade als Teil der Kunst zu verstehen und damit auch vom Schutzbereich erfasst. Die Staatsanwaltschaft sah hier auch letztlich die Kunstfreiheit als höherrangig an.

Das BVerfG sieht Verfassungsbeschwerden zur Kunstfreiheit (und auch bei anderen Grundrechten) bereits dann als begründet an, wenn die vorherige Instanz sich nicht näher mit der potenziellen Kunsteigenschaft des Werks befasst hat.

Weiterführendes Wissen

Hierzu das BVerfG in seiner Entscheidung "Josefine Mutzenbacher": [35] Das Werk "Josefine Mutzenbacher" wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als jugendgefährdend eingestuft, was den öffentlichen Verkauf stark erschwerte. Die Verfassungsbeschwerde hatte primär deshalb Erfolg, weil das OVG Münster sich damals nicht weiter mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob das Werk nicht unter den Schutzbereich der Kunstfreiheit fallen könnte. Nach erfolgreicher Verfassungsbeschwerde entschied das OVG Münster nochmals gegen den Antragsteller und für die Jugendgefährdung – diesmal aber auch unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit, welche aber die Abwägung nicht veränderte.[36]

Examenswissen: In der Strafrechtsklausur kann die Kunstfreiheit insofern relevant werden, als dass sie die Bejahung der Strafbarkeit verhindert. Es ist umstritten, an welchem Prüfungspunkt dies geschehen soll. Teilweise wird die Kunstfreiheit im Punkt „Rechtfertigung“ geprüft. Dies ist problematisch, da Grundrechte zunächst keine Rechtfertigungsgründe im eigentlichen Sinn darstellen. Andere plädieren für eine Prüfung im subjektiven Tatbestand und verneinen diesen, sofern der Tatbestand in „künstlerischer Absicht“ erfüllt wurde. Die ganz herrschende Meinung und Rechtsprechung verneint bereits den objektiven Tatbestand, indem sie die Begriffe des objektiven Tatbestands in solchen Fällen verfassungskonform reduziert. Dieser Weg erscheint insofern vorzugswürdig, als dass derjenige, der Grundrechte geltend macht, schon auf der Ebene des objektiven Tatbestands in die Rechtmäßigkeit zurückfallen sollte und nicht erst auf den nachfolgenden Ebenen.

D. Konkurrenzen[Bearbeiten]

Die Kunstfreiheit konkurriert regelmäßig mit der Meinungsfreiheit.[37] So zeigen politische Karikaturen sowohl ein Kunst-, als auch ein Meinungsmoment auf. Hier bietet es sich an, nach dem Schwerpunkt der Grundrechtsausübung zu fragen. Bei politischen Karikaturen ist die Kunst das Übertragungsmittel für eine politische Botschaft. Entsprechend ist hier die Meinungsfreiheit als Grundrecht einschlägig.

Denkbar sind auch Abgrenzungsfälle zur Versammlungsfreiheit, beispielsweise bei einem Straßentheater.[38] Hier hilft es sich zunächst zu fragen, ob die Versammlungsfreiheit einschlägig ist. Dies dürfte regelmäßig dann der Fall sein, wenn staatliche Stellen eingreifen, um eine „versammlungspezifische Gefahr“ zu beseitigen. Sofern dies nicht der Fall ist, ist mit der Prüfung der Kunstfreiheit fortzufahren.

E. Europäische und internationale Bezüge[Bearbeiten]

Der Schutz der Kunstfreiheit ist in Art. 10 EMRK zu verorten. Dieser erwähnt die Kunstfreiheit nicht ausdrücklich. Die Kunstfreiheit wird hier als spezifische Meinungsäußerung verstanden, wobei sich dieselben Probleme bei der Kunstdefinition ergeben wie bereits ausgeführt ("offener Kunstbegriff"). Werk- und Wirkbereich werden geschützt, sowie auch Intermediäre.

Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte[Bearbeiten]

  • Die Definition des sachlichen Schutzbereichs bereitet bei der Kunstfreiheit regelmäßig Probleme. Innerhalb der Fallbearbeitung sind diese jedoch häufig einfach handhabbar.
  • Das Grundgesetz trifft kein Werturteil über die Qualität von Kunst.
  • Die Kunstfreiheit ist nur durch verfassungsimmanente Schranken einschränkbar und genießt dementsprechend einen hohen Stellenwert.
  • Innerhalb der Klausur ist der Gesamtinhalt des Kunstwerks zunächst darzustellen, um dann in der Rechtfertigung die notwendige Abwägung präzise vornehmen zu können.

Weiterführende Studienliteratur[Bearbeiten]

  • Johann Friedrich Henschel: Die Kunstfreiheit in der Rechtsprechung des BVerfG (NJW 1990, 1937)
  • Mustafa Oglakcioglu/Christian Rückert: Anklage ohne Grund – Ehrschutz contra Kunstfreiheit am Beispiel des sogenannten Gangsta-Rap (ZUM 2015, 876)
  • Michael Betzinger: Grenzen der Kunstfreiheit (JA 2009, 125)

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Inhaltsverzeichnis des Buches[Bearbeiten]

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Abschnitt 1 - Allgemeine Grundrechtslehren

Abschnitt 2 - Aufbau der Prüfung eines Freiheitsgrundrechts

Abschnitt 3 - Grundrechtsschutz und Dritte

Abschnitt 4 - Verfahren, Konkurrenzen, Prüfungsschemata

Abschnitt 5 - Grundrechte im Mehrebenensystem

Abschnitt 6 - Einzelgrundrechte des Grundgesetzes

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. 1 Siehe zur objektiven Dimension der Grundrechte Ruschemeier, § 1, in diesem Lehrbuch.
  2. Siehe zur mittelbaren Drittwirkung Wienfort, § 9, in diesem Lehrbuch.
  3. BVerfG, Urt. v. 24.02.1971, Az.: 1 BvR 435/68, Rn. 46 = BVerfG 30 173, 188
  4. Horst Risse: Akten und Protokolle in 14 Bänden (1986–2009). Hrsg.: Bundesarchiv. Walter de Gruyter, Berlin 2010, Band 5, S. 55.
  5. BVerfG, Urt. v. 04.11.2009, Az.: 1 BvR 2150/08 = BVerfGE 124, 300
  6. Ipsen, Staatsrecht II, 23. Aufl. 2020, Rn. 502.
  7. Barczak, JuS 2021, 1, 7.
  8. Ipsen, Staatsrecht II, 23. Aufl. 2020, Rn. 503 ff.
  9. BVerfG, Urt. v. 03.06.1987, Az.: 1 BvR 313/85 = BVerfGE 75, 369
  10. Schröder, JA 641, 645.
  11. BVerfG, Urt. v. 24.02.1971, Az.: 1 BvR 435/68, Rn. 46 = BVerfG 30 173
  12. BVerfG, Urt. v. 24.02.1971, Az.: 1 BvR 435/68, Rn. 46 = BVerfG 30 173, 188
  13. Kühling, BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 30. Edition, Stand: 01.11.2020, Rn. 149.
  14. BVerfG, Urt. v. 17.07.1984, Az.: 1 BvR 816/82 = BVerfGE 67, 213 (226 f.)
  15. Siehe beispielsweise die Software AIVA, welche eigene Musik erzeugt: https://www.aiva.ai.
  16. BVerfG, Urt. v. 17.07.1984, Az.: 1 BvR 816/82 = BVerfGE 67, 213 (226 f.)
  17. BVerfG, Urt. v. 28.01.2019, Az.: 1 BvR 1738/16
  18. Schröder, JA 2016, 641 (646).
  19. Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 279.
  20. Ipsen, Staatsrecht II, 23. Aufl. 2020, Rn. 499.
  21. Ipsen, Staatsrecht II, 23. Aufl. 2020, Rn. 499.
  22. Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 273.
  23. Thiel, ZJS 2009, 160 (163).
  24. Henschel, NJW 1990, 1937.
  25. BVerfG, Urt. v. 03.06.1987, Az.: 1 BvR 313/85 = BVerfGE 75, 369
  26. BVerfG, Beschluss vom 19. März 1984, 2 BvR 1/84
  27. BVerfG, Urt. v. 07.03.1990, Az.: 1 BvR 266/86 = BVerfGE 81, 278
  28. BVerfG, Urt. v. 27.11.1990, Az.: 1 BvR 402/87 = BVerfG 83, 130
  29. BVerfG, Urt. v. 03.11.2000, Az.: 1 BvR 581/00, Rn. 23
  30. BVerfG, Urt. v. 13.06.2007, Az.: 1 BvR 1783/05 = BVerfGE 119, 1
  31. BVerfG, Urt. v. 31.05.2016, Az.: 1 BvR 1585/13 = BVerfGE 142, 74
  32. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2017, Az. 11 B 938/17
  33. BVerwGE 84, 72
  34. Schröder, JA 2016, 641 (644).
  35. BVerfG, Urt. v. 27.11.1990, Az.: 1 BvR 402/87 = BVerfGE 83, 130
  36. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.09.1997, Az.: 20 A 6471/95
  37. BVerfG, Urt. v. 03.06.1987, Az.: 1 BvR 313/85 = BVerfGE 75, 369
  38. Hessischer VGH, Urteil vom 17.03.2011 – 8 A 1188/10