Familie Khatib will in Deutschland bleiben SV
Autorin: Ivanka Goldmaier
Schwierigkeitsgrad: Fortgeschrittene
Lösungsvorschlag: Familie Khatib will in Deutschland bleiben
Sachverhalt
[Bearbeiten]Die am 31.1.1975 geborene Frau Khatib und der am 5.2.1970 geborene Herr Khatib sind syrische Staatsangehörige, die ihr Heimatland im Jahr 2018 verlassen haben. Im Februar 2019 reisten sie über die sog. "Balkanroute" in Bulgarien ein, wo sie jeweils einen Asylantrag stellten. Daraufhin wurde ihnen durch die bulgarischen Behörden im Oktober 2019 der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Da Frau und Herr Khatib jedoch nur sehr schwer eine Wohnung in Bulgarien fanden, sich Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt sahen und zudem keine Arbeit finden konnten, entschlossen sie sich nach Deutschland weiterzureisen, da auch weitere Verwandte sich in Deutschland aufhielten. Sie reisten im November 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 1.12.2020 jeweils einen Asylantrag, der nicht auf die Bewilligung internationalen Schutzes beschränkt wurde. In ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages am 5.1.2021 gaben die Eheleute Khatib an, dass man sie in Bulgarien zur Abgabe von Fingerabdrücken und zur Stellung eines Asylantrages gezwungen habe. Sie hätten zunächst in einem Camp gelebt, in dem die Zustände sehr schlimm gewesen seien. Nach ihrer Anerkennung hätten sie das Camp verlassen müssen, es sei jedoch äußerst schwierig gewesen eine Wohnung zu finden. Sie seien Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt gewesen. Eine Arbeit zu finden sei ebenfalls schwer gewesen, da weder Frau Khatib noch Herr Khatib die Landessprache beherrschten. Herr Khatib habe in Syrien als Kfz-Mechaniker und Frau Khatib als Grundschullehrerin gearbeitet. Gesundheitliche Beschwerden hätten sie beide nicht.
Auf entsprechende Anfrage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an die bulgarischen Behörden, bestätigten diese, dass Frau und Herrn Khatib am 10.10.2019 jeweils unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei. Mit Bescheid vom 1.2.2021 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Asylanträge der Eheleute Khatib als unzulässig ab, da ihnen bereits in Bulgarien internationaler Schutz in Gestalt des Flüchtlingsschutzes zuerkannt worden sei, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 V, VII 1 AufenthG nicht vorlägen, drohte den Antragstellenden für den Fall, dass sie die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung verließen, die Abschiebung nach Bulgarien an und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 I AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung, setzte die Vollziehung der Abschiebungsandrohung allerdings bis zum Ablauf der Klagefrist und für den Fall der Stellung eines Eilantrages bis zu einer Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren aus. Dem Bescheid war eine Rechtsmittelbelehrung mit Hinweis auf eine zweiwöchige Klagefrist beigefügt.
Fallfrage
[Bearbeiten]- Nach welcher Vorschrift des Asylgesetzes hat das BAMF die Asylanträge als unzulässig abgelehnt?
- Liegen die Voraussetzungen dafür vor?
- Hat eine gegen den Bescheid des BAMF gerichtete Klage aufschiebende Wirkung? Innerhalb welcher Klagefrist wäre die Klage in der Hauptsache zu erheben?
- Wie lautet der Klageantrag?
Abwandlung
[Bearbeiten]Frau und Herr Khatib reisten, nachdem sie Syrien 2018 verlassen hatten, mit einem in der kanadischen Botschaft im Libanon ausgestellten Visum nach Kanada ein, wo sie sich bis Oktober 2020 aufhielten. Dann reisten sie im November 2020 zunächst zu ihrer in Frankreich lebenden Tochter und dann in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 1.12.2020 einen Asylantrag stellten. In ihrer Anhörung vor dem BAMF am 6.12.2020 gaben sie an, in Kanada einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu besitzen und dort auch jeweils einer Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Sie hätten Kanada verlassen, da sie näher bei ihrer in Frankreich lebenden Tochter sein und sie eigentlich immer in Deutschland hätten leben wollen. Einer Rückkehr nach Kanada stehe nichts entgegen, sie wollten aber nicht so weit weg von ihrer Tochter wohnen.
Das BAMF richtete mit E-Mail vom 28.12.2020 eine Anfrage an das Auswärtige Amt zur Klärung der Wiederaufnahmebereitschaft Kanadas. Die kanadische „Border Services Agency“ in der kanadischen Botschaft in Berlin teilte mit E-Mail vom 22.4.2021 mit, dass es Frau und Herrn Khatib erlaubt sei, in Kanada einzureisen und sich dort aufzuhalten. Zur Einreise benötigten sie einen gültigen Reisepass und müssten ihre kanadische Daueraufenthaltskarte / Permanent Resident Card mit sich führen. Alternativ könnten sie ein "Permanent Resident Travel Document" (PRTD)-Visum beantragen. Daraufhin lehnte das BAMF die Asylanträge als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 V, VII 1 AufenthG nicht vorliegen. Frau und Herr Khatib wurden aufgefordert, Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und es wurde ihnen die Abschiebung nach Kanada oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht.
Ferner wurde festgestellt, dass sie nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 I AufenthG wurde angeordnet und auf 25 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt.
Fallfrage
[Bearbeiten]- Nach welcher Vorschrift hat das BAMF die Asylanträge als unzulässig abgelehnt?
- Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vor?
- Hat eine gegen den Bescheid gerichtete Klage aufschiebende Wirkung? Innerhalb welcher Frist ist die Klage zu erheben?
Fußnoten
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