Nicht nur Uni, sondern auch Arbeit? Lösung
Autor*innen: Julian Seidl
Notwendiges Vorwissen: Keines
Behandelte Themen: Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG; Nebenbestimmung; Beschäftigung; Studentische Nebentätigkeit.
Zugrundeliegender Sachverhalt: Nicht nur Uni, sondern auch Arbeit?
Schwierigkeitsgrad: Anfänger*innen
C ist mit Fragen zu ihrer derzeitigen Nebentätigkeit als studentische Hilfskraft und zu einer geplanten Nebentätigkeit als freiberufliche Nachhilfelehrerin an die Berater*innen der Refugee Law Clinic herangetreten.
A. Nebentätigkeit der C als studentische Hilfskraft
[Bearbeiten]Zunächst möchte C wissen, welchen Beschränkungen ihre Nebentätigkeit als studentische Hilfskraft an der Uni unterliegt.
Nach § 16b III 1 AufenthG berechtigt die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums nur zur Ausübung einer Beschäftigung, die insgesamt 120 Tage oder 240 halbe Tage im Jahr nicht überschreiten darf, sowie zur Ausübung studentischer Nebentätigkeiten. Die von C ausgeübte Tätigkeit als studentische Hilfskraft stellt eine solche studentische Nebentätigkeit dar.
Hinsichtlich der Verwaltungspraxis im Umgang mit studentischen Nebentätigkeiten lohnt sich ein Blick in die Verwaltungsvorschriften. Die Anwendungshinweise zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz[1] machen hierzu keine näheren Angaben, sodass ergänzend auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG[2] zurückgegriffen werden kann. Dort heißt es:
„16.3.2 […] Als halber Arbeitstag sind Beschäftigungen bis zu einer Höchstdauer von vier Stunden anzusehen, wenn die regelmäßige Arbeitszeit der weiteren Beschäftigten acht Stunden beträgt. Die Höchstdauer ist fünf Stunden, wenn die regelmäßige Arbeitszeit zehn Stunden beträgt.
16.3.3 Daneben ist ausländischen Studierenden die Möglichkeit eröffnet, ohne zeitliche Beschränkung studentische Nebentätigkeiten an der Hochschule oder an einer anderen wissenschaftlichen Einrichtung auszuüben. Zu den studentischen Nebentätigkeiten sind auch solche Beschäftigungen zu rechnen, die sich auf hochschulbezogene Tätigkeiten im fachlichen Zusammenhang mit dem Studium in hochschulnahen Organisationen (wie z.B. Tutoren in Wohnheimen der Studentenwerke, Tätigkeiten in der Beratungsarbeit der Hochschulgemeinden, der Asten und des World University Service) beschränken. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten soll die Hochschule beteiligt werden.“
Im universitären Betrieb ist eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden als ganzer Tag und eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden als halber Tag anzusetzen. Wenn C an drei Tagen in der Woche jeweils fünf Stunden arbeitet, so sind dies drei ganze Tage im Sinne des § 16b III 1 AufenthG. Würde sie ihre Arbeitszeit demgegenüber so einteilen, dass sie an zwei Tagen für sechs Stunden und an einem Tag nur drei Stunden arbeitet, so wären dies nur zwei ganze Tage und ein halber Tag. Denkbar wären auch Arbeitszeitgestaltungen, wonach C nur zwei ganze Tage arbeitet. Möchte man möglichst viel arbeiten und sich die 120 ganzen beziehungsweise 240 halben Arbeitstage einteilen, ist die von C gewählte Arbeitszeitverteilung nicht optimal.
Diese Überlegungen können jedoch dahinstehen, wenn die Beschränkung auf 120 ganze beziehungsweise 240 halbe Arbeitstage nicht für studentische Nebentätigkeiten an der Uni greift, wie es der Wortlaut von § 16b III 1 Var. 2 AufenthG „sowie zur Ausübung einer studentischen Nebentätigkeit“ nahelegt. So stellt Nr. 16.3.3 der AVV zum AufenthG klar, dass ausländische Studierende ohne zeitliche Beschränkung studentische Nebentätigkeiten an der Uni ausüben können. C muss sich daher aus aufenthaltsrechtlicher Sicht keine Gedanken machen, wie oft sie arbeitet und wie viele ganze oder halbe Arbeitstage sie „verbraucht“.
B. Aufnahme einer freiberuflichen Nebentätigkeit als Nachhilfelehrerin
[Bearbeiten]Fraglich ist, ob C daneben als freiberufliche Nachhilfelehrerin tätig werden darf.
Hierbei handelt es sich nicht um eine Beschäftigung im Sinne des § 16b III 1 Var. 1 AufenthG, da C gerade nicht abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig werden möchte. Mangels Anstellung an der Uni oder bei einer hochschulnahen Organisation liegt auch kein in Nr. 16.3.3 der AVV beispielhaft genannter Fall einer studentischen Nebentätigkeit im Sinne des § 16b III 1 Var. 2 AufenthG vor.
Wichtig: Man muss immer genau lesen, ob eine aufenthaltsrechtliche Vorschrift von „Beschäftigung“ oder von „Erwerbstätigkeit“ spricht.
Erwerbstätigkeit ist in § 2 II AufenthG legaldefiniert und umfasst als Oberbegriff sowohl die selbständige Tätigkeit als auch die Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV und eine Anstellung im Beamtenverhältnis.
Beschäftigung meint hingegen nur die abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer*in, vgl. § 7 I SGB IV.
Eine selbstständige Tätigkeit ist Studierenden mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG zunächst nicht gestattet.
Es besteht jedoch die Möglichkeit, eine Erlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit nach § 21 VI AufenthG zu beantragen.
Nach § 21 VI AufenthG kann einer Person, der eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck erteilt worden ist, unter Beibehaltung dieses Aufenthaltszwecks die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit erlaubt werden, wenn die nach sonstigen Vorschriften erforderlichen Erlaubnisse erteilt wurden oder ihre Erteilung zugesagt ist.
§ 21 VI AufenthG eröffnet der Behörde einen weiten Ermessensspielraum. Bei der Ermessensausübung stellt sich insbesondere die Frage, ob die Aufnahme einer selbstständigen Nebentätigkeit den Studienfortschritt gefährden würde. Die Nebentätigkeit soll nur der Finanzierung des Studiums dienen und darf nicht Gefahr laufen, zum Hauptzweck des Aufenthalts zu werden.
Hier ließe sich zugunsten von C vorbringen, dass die Tätigkeit als Physik-Nachhilfelehrerin einen inhaltlichen Bezug zu ihrem Studium hat und einen geringen Umfang von drei Wochenstunden aufweist. Es besteht daher keine Gefahr, dass die Tätigkeit als Nachhilfelehrerin Hauptzweck des Aufenthalts zu werden droht. So heißt es etwa in der Kommentarliteratur, dass vornehmlich bei freiberuflichen Tätigkeiten, die den Umfang nach § 16b III 1 nicht überschreiten, kaum Ablehnungsgründe vorstellbar seien.[3]
In der Praxis gehen die Ausländerbehörden mit der Erlaubnis für selbstständige Tätigkeiten hingegen sehr restriktiv um. Es ist durchaus möglich, dass die Ausländerbehörde ihr Ermessen zulasten von C ausübt und die freiberufliche Nachhilfetätigkeit nicht gestattet.
Als Lösung bietet es sich für die Ausländerbehörde an, die selbstständige Tätigkeit zu gestatten, aber deren Umfang mithilfe einer Nebenbestimmung entsprechend der in § 16b III 1 AufenthG genannten zeitlichen Grenzen zu beschränken, damit der Abschluss des Studiums nicht gefährdet wird.[4]
Weiterführende Literatur
[Bearbeiten]- Sonja Hoffmeister, Der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung - Neuregelungen durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020, Asylmagazin 4/2020, 103-110.
Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte
[Bearbeiten]- Die Aufnahme einer Nebentätigkeit kann durch Nebenbestimmungen zu der jeweiligen Aufenthaltserlaubnis beschränkt sein. Näheres hierzu findet sich in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften.
- Verfügt eine Person über eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck als einer selbstständigen Tätigkeit, kann ihr nach § 21 VI AufenthG unter Beibehaltung dieses Aufenthaltszwecks die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit erlaubt werden.
Fußnoten
[Bearbeiten]- ↑ BMI, Anwendungshinweise zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz, 6.8.2021.
- ↑ BMI, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, 26.10.2009.
- ↑ Samel, in: Bergmann/Dienelt, AufenthG, 13. Aufl. 2020, § 16b Rn. 30.
- ↑ Dippe, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 21 Rn. 16.