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Soziologische Klassiker/ Druckversion

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Soziologische Klassiker



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Das soziologische Dorf

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Einleitung

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Das Projekt „Soziologisches Dorf“ stellt eine Theory Map der Theorielandschaft in der Soziologie dar. Es wurde versucht, auf einer visuellen „Landkarte“ die wichtigsten soziologischen Theorien darzustellen und kurz sowie prägnant zu beschreiben.

Begonnen wurde die Arbeit mit der Einteilung der Theorien in Mikro- und Makrostrukturen. Während Mikrostrukturen sich vornehmlich mit dem Individuum und der interpersonellen Interaktion beschäftigen, erarbeitet die Makrosoziologie Theorien zu übergeordneten abstrakten Organisationen, Strukturen und Kulturen. Darauf folgte eine weitere Einteilung in die vier Paradigmen der Soziologie:

1. Normatives Paradigma

2. Strukturtheoretisches Paradigma

3. Utilitaristisches Paradigma

4. Interpretatives Paradigma

Jedem dieser Paradigmen wurden in Form von Häuschen Theorien zugeordnet, wobei sich die Vertreter/inn/en in den einzelnen Fundamenten bzw. Stockwerken befinden.
Wichtige Vertreter wie Max Weber, Emile Durkheim und Karl Marx befinden sich auf Schiffen auf dem Fluss, da sie zu zwei oder mehreren Paradigmen Theorien entworfen haben und somit nicht eindeutig einem Paradigma zu zuordnen sind.

Wir hoffen, mit diesem Beitrag einen Überblick über die vernetzte Theorielandschaft der Soziologie und dem/der Leser/In auch etwas Orientierung mitgeben zu können.

Themen dieser alternativen Einleitung zu den soziologischen Klassikern

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Normatives ParadigmaSystemtheorieKritische TheorieKonflikttheorieStrukturalismusStrukturfunktionalismusNeofunktionalismusStrukturtheoretisches ParadigmaStructural SociologyUtilitaristisches ParadigmaAustauschtheorieInterpretatives ParadigmaPhänomenologieSymbolischer InteraktionismusChicagoer SchuleEthnomethodologieWissenssoziologieDescartesFergusonHobbesHumeKantLockeMillarRousseauMontesqieuSmithSoziologische Klassiker/ Merton, Robert K.Soziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Spencer, HerbertSoziologische Klassiker/ Durkheim, EmileSoziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Luhmann, NiklasSoziologische Klassiker/ Alexander, JeffreySoziologische Klassiker/ Eisenstadt, Shmuel NoahSoziologische Klassiker/ Smelser, NeilSoziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Levi-Strauss, ClaudeSoziologische Klassiker/ Habermas, JürgenSoziologische Klassiker/ Adorno, Theodor W.Soziologische Klassiker/ Marcuse, HerbertSoziologische Klassiker/ Horkheimer, MaxSoziologische Klassiker/ Marx, KarlSoziologische Klassiker/ Dahrendorf, RalfSoziologische Klassiker/ Coser, A. LewisSoziologische Klassiker/ Simmel, GeorgSoziologische Klassiker/ Marx, KarlSoziologische Klassiker/ Das soziologische Dorf/ Ahnengalerie - HobbesSoziologische Klassiker/ Blau, Peter M.Soziologische Klassiker/ Merton, Robert K.Soziologische Klassiker/ Lazarsfeld, Paul FelixSoziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Lindenberg, SiegwartSoziologische Klassiker/ Esser, HartmutSoziologische Klassiker/ Wippler, ReinhardSoziologische Klassiker/ Coleman, JamesSoziologische Klassiker/ Homans, George C.Soziologische Klassiker/ Blau, Peter M.Soziologische Klassiker/ Das soziologische Dorf/ Ahnengalerie - SmithSoziologische Klassiker/ Luckmann, ThomasSoziologische Klassiker/ Luckmann, ThomasSoziologische Klassiker/ Berger, PeterSoziologische Klassiker/ Berger, PeterSoziologische Klassiker/ Schütz, AlfredSoziologische Klassiker/ Scheler, MaxSoziologische Klassiker/ Mannheim, KarlSoziologische Klassiker/ Blumer, HerbertSoziologische Klassiker/ Mead, GeorgeSoziologische Klassiker/ Garfinkel, HaroldSoziologische Klassiker/ Park, Robert EzraSoziologische Klassiker/ Ogburn, William F.Soziologische Klassiker/ Simmel, GeorgSoziologische Klassiker/ Mead, George HerbertSoziologische Klassiker/ Thomas, William I.Soziologische Klassiker/ Marx, KarlSoziologische Klassiker/ Weber, MaxSoziologische Klassiker/ Durkheim, Emile


Der Einfluss von Weber, Durkheim und Marx

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Wie oben beschrieben, ist der Einfluss von Weber, Durkheim und Marx sehr weitreichend. Um dies noch genauer darzustellen, sind in der folgenden Bearbeitung der Theory Map ihre Einflüsse gekennzeichnet:

Normatives ParadigmaSystemtheorieKritische TheorieKonflikttheorieStrukturalismusStrukturfunktionalismusNeofunktionalismusStrukturtheoretisches ParadigmaStructural SociologyUtilitaristisches ParadigmaAustauschtheorieInterpretatives ParadigmaPhänomenologieSymbolischer InteraktionismusChicagoer SchuleEthnomethodologieWissenssoziologieDescartesFergusonHobbesHumeKantLockeMillarRousseauMontesqieuSmithSoziologische Klassiker/ Merton, Robert K.Soziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Spencer, HerbertSoziologische Klassiker/ Durkheim, EmileSoziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Luhmann, NiklasSoziologische Klassiker/ Alexander, JeffreySoziologische Klassiker/ Eisenstadt, Shmuel NoahSoziologische Klassiker/ Smelser, NeilSoziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Levi-Strauss, ClaudeSoziologische Klassiker/ Habermas, JürgenSoziologische Klassiker/ Adorno, Theodor W.Soziologische Klassiker/ Marcuse, HerbertSoziologische Klassiker/ Horkheimer, MaxSoziologische Klassiker/ Marx, KarlSoziologische Klassiker/ Dahrendorf, RalfSoziologische Klassiker/ Coser, A. LewisSoziologische Klassiker/ Simmel, GeorgSoziologische Klassiker/ Marx, KarlSoziologische Klassiker/ Das soziologische Dorf/ Ahnengalerie - HobbesSoziologische Klassiker/ Blau, Peter M.Soziologische Klassiker/ Merton, Robert K.Soziologische Klassiker/ Lazarsfeld, Paul FelixSoziologische Klassiker/ Parsons, TalcottSoziologische Klassiker/ Lindenberg, SiegwartSoziologische Klassiker/ Esser, HartmutSoziologische Klassiker/ Wippler, ReinhardSoziologische Klassiker/ Coleman, JamesSoziologische Klassiker/ Homans, George C.Soziologische Klassiker/ Blau, Peter M.Soziologische Klassiker/ Das soziologische Dorf/ Ahnengalerie - SmithSoziologische Klassiker/ Luckmann, ThomasSoziologische Klassiker/ Luckmann, ThomasSoziologische Klassiker/ Berger, PeterSoziologische Klassiker/ Berger, PeterSoziologische Klassiker/ Schütz, AlfredSoziologische Klassiker/ Scheler, MaxSoziologische Klassiker/ Mannheim, KarlSoziologische Klassiker/ Blumer, HerbertSoziologische Klassiker/ Mead, GeorgeSoziologische Klassiker/ Garfinkel, HaroldSoziologische Klassiker/ Park, Robert EzraSoziologische Klassiker/ Ogburn, William F.Soziologische Klassiker/ Simmel, GeorgSoziologische Klassiker/ Mead, George HerbertSoziologische Klassiker/ Thomas, William I.Soziologische Klassiker/ Marx, KarlSoziologische Klassiker/ Weber, MaxSoziologische Klassiker/ Durkheim, Emile

Die Beschreibung zur Vorgehensweise und weitere Anmerkungen zum Einflussnetzwerk der soziologischen Klassiker finden sich hier.

Brain Drain

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Prolog

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Definition Braindrain

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Beide angloamerikanische Begriffe würden wörtlich in etwa "Abfluss von Gehirn" bedeuten. [1] Im Allgemeinen wird Braindrain mit Abwanderung von Wissenschaftlern übersetzt . Diese Definition wird dahingehend erweitert, dass es sich bei diesen Personen um Auswanderer handelt, die besonders gut ausgebildet oder begabt sind. Im Gegensatz dazu beschreibt der Braingain u.a. den Gewinn [2] jener Länder, die diese Auswanderer aufnehmen.
Der Begriff Braindrain wurde erstmals 1960 [3] im Zusammenhang mit der Auswanderung britischer hochqualifizierter Facharbeiter sowie Wissenschaftler in die USA im Zuge einer Studie verwendet. Diese Studie diente zur Aufdeckung von Schwächen im britischen Wissenschaftssystem und um eine entsprechende Förderung zu bewirken.
Die Abwanderung erfolgt in diesem Kontext i.d.R. vom Heimatland der Betroffenen in einen neuen Kulturraum. Das erworbene Wissen aus dem Ursprungsland ist somit im eigenen Kulturraum nicht mehr verfügbar und wird im neuen Kulturraum eingebracht.
Meist bestehen mehrere Gründe für eine derartige Abwanderung. Zum einen müssen die Bedingungen für die betroffenen Personen im Heimatland bedrohlich oder aussichtslos sein, um als Motive zur Abwanderung zu dienen. Zum anderen müssen seitens der Emigranten die verfügbaren Mittel zur Verfügung stehen, um in ein anderes Land auswandern zu können. Wie wir noch weiter sehen werden, wird dieser Umstand von Ländern, die Auswanderer aufnehmen mit Anreizregelungen wie Stipendien gefördert.
Ein weiteres Problem stellte sich den Auswanderern dann oftmals im neuen Kulturraum. Dieser ist meist durch eine fremde Sprache und Sozialstruktur gekennzeichnet auf die sich der Immigrant einstellen muss. Viele Wissenschaftler in der jüngeren Geschichte der Soziologie verzichteten auf diesen Schritt[4] in der Angst, ihre spezifischen Gedankengänge nicht im entsprechenden Maße zu Papier bringen zu können, aufgrund der Sprachbarriere [5] . Auch dies zeigt, dass der Braindrain meist nicht freiwillig erfolgt ist.
Oftmals gehen technische und wirtschaftliche Hochkonjunkturen auf Einwanderungswellen, also dem Braigain zurück. Im Umkehrschluss zeigen sich viele Niedergänge in den Ländern in denen abgewandert wurde, aufgrund der Emigration der talentiertesten Köpfe vertriebener Minderheiten oder Ethnien. Man könnte dies als Wettbewerb der klügsten Köpfe bezeichnen, bei dem jedoch die Länder, die nicht über die nötigen Anreizregelungen verfügen das Nachsehen haben [6].
Neueren Ansätzen zur folge, ist der Braindrain kein angeschlossener Prozess, sondern unterliegt immer öfter Pendelbewegungen. So erfolgt die Migration dieser Eliten zyklisch in einer Hin – und Herbewegung. Es kommt vor, dass die Auswanderer wieder in Ihre Heimat zurückkehren und das im Ausland erworbene Wissen, sowie deren Netzwerke zur Verfügung stellen und somit zu einer Entwicklung beitragen. Diese Bewegung wird auch |Braincirculation bezeichnet [7].
Richard Florida spricht in neueren Arbeiten von der kreativen Klasse, die durch ihren kreativen Output ein wichtiger Faktor des Wirtschaftswachstums einer bestimmten Region ist. Diese kreative Klasse zeichnet sich durch überdurchschnittliche Mobilität aus. Daher sind viele dieser Eliten in attraktiven Ballungsräumen zu finden. Diese Konzentration der kreativen Köpfe geht oftmals mit einer Steigerung des Wohlstandes und Wachstums einher. Ein Beispiel ist hier sicherlich die USA insbesondere New York, Silicon Valley oder Los Angeles [8]

Braindrain Theory Map of Sociology: Themeneingrenzung

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Wie wir bei den Hintergründen zum Braindrain in die USA einleitend gesehen haben, unterliegt der Braindrain in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg einer Reihe von Voraussetzungen und strukturellen Erfordernissen. Ohne das philanthropische Verhalten beispielsweise der amerikanischen Industriellen hätte es wohl dennoch Immigration in die USA gegeben, jedoch nicht die große Unterstützung talentierter Wissenschaftler. Des Weiteren waren die neuen technischen Hilfsmittel wie z.B. das Telefon, Voraussetzung für den regen Austausch der Wissenschaftler zwischen den USA und Europa. Dies hätte jedoch nicht Früchte tragen können, wenn René Worms die europäischen Soziologen nicht zumindest teilweise vereint hätte, um so auch zentralisierten Austausch zu ermöglichen.


Ziel dieser Theory Map ist es einen Überblick zu geben, welche aufstrebenden Soziologen aus Österreich und Deutschland abgewandert sind. Hier wird auch Bezug genommen, welche Gründe die Abwanderung hatte. Des Weiteren wollen wir untersuchen, welches soziologische Fundament diese Wissenschaftler in die Exilländer mitgebracht haben und wie es sich dort weiterentwickelte.
Dieses Wissen, gebündelt in soziologische Theorien, soll sowohl in ihren Ursprüngen als auch auf etwaige Pendelwirkungen (Braincircualtion) hin analysiert werden. Dies schließt auch die Untersuchung mit ein, was diese Theorien bewirkt haben und welche Beeinflussungen draus entstanden sind.
Konkret werden fünf soziologische Theorien und deren Urheber beleuchtet, die in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Braindrain vor dem zweiten Weltkrieg in Zusammenhang stehen.

Visualisierung des Braindrain

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Globale Bewegung spezifischer Theorien

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Einen übersichtlichen visuellen Zugang zu den Theorien und deren Hauptprotagonisten bietet die folgende Theory Map:

Prozess der ZivilisationEliasKritische TheorieHorkheimerAdornoPollock (Wikipedia-Link)MarcuseKonfliktfunktionalismusCoserLebensweltSchützLuckmannBergerSozialforschungLazarsfeld

Bewegung spezifischer SoziologenInnen

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Tabellarische Übersicht:
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Name Geburtsort Geburtsdatum Auswanderungsland 1
Adorno, Theodor W. Frankfurt am Main (GER) 11.09.1903 1934 England
Arendt, Hannah Linden / Hannover (GER) 14.10.1906 1933 Frankreich
Baumann, Zygmunt Posen (PL) 19.11.1925 1938 Sowietunion
Berger, Peter Wien (AUT) 17.03.1929 1946 USA
Blau, Peter M. Wien (AUT) 07.02.1918 1939 USA
Coser, A. Lewis Berlin (GER) 27.11.1913 1941 USA
Eisenstadt, Smuel Noah Warschau (PL) 10.09.1923 1958 USA
Erikson, Erik H. Frankfurt am Main (GER) 15.06.1902 1933 USA
Etzioni, Amitai Köln (GER) 04.01.1929 1936 Palästina
Elias, Norbert Breslau (PL) 22.06.1897 1933 Frankreich
Geiger, Theodor München (GER) 09.11.1891 1933 Schweden
Gorz, Andrè Wien (AUT)  ??.02.1923 1938 Schweiz
Horkheimer, Max Zuffenhausen (GER) 14.02.1885 1934 USA
Joas, Hans München (GER) 1948 1994 USA
Luckmann, Thomas Jesenice (SI) 14.10.1927 1950 USA
Lazarsfeld, Paul Felix Wien (AUT) 13.02.1901 1933 USA
Marcuse, Herbert Pommern (GER) 19.07.1898 1933 Schweiz
Mises, Ludwig von Lemberg (damals AUT) 29.09.1881 1934 Schweiz
Pollock, Friedrich Freiburg im Breisgau (GER) 22.05.1894 1934 USA
Oppenheimer, Franz Berlin (GER) 30.03.1864 1938 Japan
Schütz, Alfred Wien (AUT) 13.04.1899 1938 Frankreich
Sherif, Muzafer Izmir (TK) 29.07.1906 1935 USA
Strauss, Claude Levi Brüssel (BE) 28.11.1908 1941 USA
von Wiese, Leopold Glatz (PL) 02.12.1876 1934 USA
Wolff, Kurt H. Darmstadt (GER) 20.05.1912 1933 Italien
Znaniecki, Florian Świetniki (PL) 15.01.1882 1939 USA
Name Auswanderungsland 2 Rückkehr Sterbedatum Ort des Todes
Adorno, Theodor W. 1938 USA 1949 06.08.1969 Visp (CH)
Arendt, Hannah 1941 USA 04.12.1975 New York (USA)
Baumann, Zygmunt
Berger, Peter
Blau, Peter M. 12.03.2002 New York (USA)
Coser, A. Lewis 08.06.2003 Cambridge (USA)
Eisenstadt, Smuel Noah 1959 Isreal
Erikson, Erik H. 12.05.1994 Harwich (USA)
Etzioni, Amitai 1957 USA
Elias, Norbert 1935 England 01.08.1990 Amsterdam (NL)
Geiger, Theodor
Gorz, Andrè 1949 Frankreich 22.09.2007 Vosnon (FRA)
Horkheimer, Max 1949 07.07.1973 Nürnberg (GER)
Joas, Hans
Luckmann, Thomas 1965 Deutschland
Lazarsfeld, Paul Felix 30.08.1976 New York (USA)
Marcuse, Herbert 1934 USA 29.07.1979 Starnberg (GER)
Mises, Ludwig von 1940 USA 10.10.1973 New York (USA)
Pollock, Friedrich 1950 16.12.1970 Montagnola (CH)
Oppenheimer, Franz 1940 USA 30.09.1943 Los Angeles (USA)
Schütz, Alfred 1939 USA 20.05.1959 New York (USA)
Sherif, Muzafer 1939 USA 16.10.1988 Alaska
Strauss, Claude Levi 1947 Frankreich
von Wiese, Leopold 1935 Deutschland 11.01.1969 Köln (GER)
Wolff, Kurt H. 1939 USA 2003 Ohio (USA)
Znaniecki, Florian 23.03.1958 USA


Diese Tabelle beinhaltet eine Auswahl emigrierter SoziologenInnen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Grafische Darstellung der Bewegung spezifischer SoziologInnen:
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Wiederum eine Auswahl aus dieser Tabelle wurde mit Hilfe einer Google Map dargestellt, die unten noch einmal schematisch dargestellt und verlinkt ist:

http://maps.google.de/maps/ms?hl=de&ie=UTF8&msa=0&msid=106728747970798974214.00045a9179a149f8de6f3&z=2


Mit der verlinkten Google Map sollen die geografischen Bewegungen einzelner SoziolgenInnen und deren wichtigste Daten sowie Aufenthaltsorte auf einer Landkarte veranschaulicht werden. Tabelle und Grafik veranschaulichen, dass die Vereinigten Staaten in den meisten Fällen das Ziel und auch die Endstation der Emigrationsbewegungen waren. Dies ist mit Sicherheit auf die spezifischen Bedingungen, welche die USA der wissenschafltichen Sphäre zu bieten im Stande waren, zurückzuführen.

Spezielle Theorien im Zuge des Braindrain

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Strukturerklärung der anschließenden spezifischen Theorien

  • Anfang und Genese
Hier wird Bezug genommen auf die Ursprünge der relevanten soziologischen Theorien, deren Entstehungsgschichte und ihrer Umwelt. Des Weiteren werden biografische Daten der wichtigsten Vertreter in ihren Heimatländern aufgezeigt und auf Entwicklungen eingegangen. Z.B. welche Schulen die Theorienentwickler besucht haben oder von wem sie beeinflusst wurden.
  • Emigration und Exil
In diesem Punkt werden die näheren Umstände der Emigration fokussiert. Z.B. ob es Zwischenstationen gegeben hat und ob diese die Soziologen beeinflusst haben.
  • Theoretisches Wirken im neuen Umfeld
Sehr wichtig bei unserer hermeneutischen Herangehensweise ist festzustellen, in wieweit sich das mitgebrachte Wissen im neuen Umfeld integriert. Wird es offen angenommen? Gab es Widerstände und synthetische Prozesse? Wurden neue Schulen gegründet? Usw.
  • Wirkungsgeschichte der Theorie – Rückkehr nach Europa
Zahlreiche Soziologen kamen nach dem Naziregime wieder nach Österreich und Deutschland zurück, viele blieben in ihrer neuen Heimat. Hier interessiert uns, wie das erweiterte und durch die Emigration veränderte theoretische Wissen angenommen wird. Gab es Widerstände? Konnte der relevante Soziologe Fuß fassen in der neuen/alten Umgebung? Wie veränderte dies seine wissenschaftliche Karriere? usw.
  • Vertreter
Hier werden die relevanten Vertreter der vorgestellten Theorie aufgezählt.

Theorien

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Kritische Theorie

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Anfang und Genese

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In den 20er Jahren der Nachkriegszeit in Europa entwickelte sich neben der Handlungstheorie und der Systemtheorie -als Pendant zur Mikro- und Makrosoziologie- ein dritter Weg, die „Kritische Theorie“, mit dem nach dem "Zweiten Weltkrieg" verwendeten Pseudonym „Frankfurter Schule“. Grundlage waren marxistische Studien und trotz der gescheiterten Revolutionen in Deutschland und Russland, sowohl den Wirren der Nachkriegszeit des „Ersten Weltkriegs“, ging der Weg zurück zu Marx. Aufgrund der damaligen Zeitgeschichte herrschte eine bürgerlich-wissenschaftlich Abneigung der etablierten Soziologie gegenüber einer marxistischen Orientierung. Demnach etablierten sich die Anfänge in spontanen „freischwebenden“ Studentengruppen. Eine der bekanntesten war der Horkheimer-Kreis, der sich 1922 zum ersten Mal traf. 1923 ging daraus die Stiftung des "Instituts für Sozialforschung" hervor, die sich schließlich 1924 an der Frankfurter Universität institutionalisierte.

Trotz der ablehnenden Haltung des Frankfurter Bürgertums und wegen der durchwegs großbürgerlichen Herkunft der Studenten des Horkheimer-Kreises, konnte sich dieser neue verpönte Denkansatz als Alternative durchsetzen. Der Fokus in der marxistischen „Kritischen Theorie“ war die Frage, wieso es der Arbeiterschaft nicht möglich war, sich der Ausbeutung durch den Kapitalismus zu erwehren. 1930 wurde schließlich Max Horkheimer (1875 - 1973) Direktor in Frankfurt am "Institut für Sozialforschung" und gab der marxistischen Denkweise eine neue interdisziplinäre sozialphilosophische Denkweise, vermied damals in Europa aufgrund der politischen Situation jedoch das Wort „Klasse“. Erst durch diese Berufung Horkheimers bekam das Institut ansehliches Profil. Aufgrund des ihm 1931 ins Leben gerufenen Programms des interdisziplinären Materialismus, wo er eine andauernde Arbeitsgemeinschaft von Intellektuellen aus den verschiedensten Disziplinen einlud wurde schließlich ein universalistischer ganzheitlicher Ansatz ins Leben gerufen. Dieses Programm wurde in der von Horkheimer herausgegebenen "Zeitschrift für Sozialforschung" in den Jahren 1931 bis 1941 veröffentlicht.[9],[10], [11]

Emigration und Exil

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Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 änderte sich die Situation für den Horkheimer-Kreis des Instituts für Sozialwissenschaften sowie jüdischen Sozialwissenschaftlern spontan. Dabei ist das Wort Emigration kritisch betrachtet dispositioniert, da es ein gewisses Maß an Freiwilligkeit suggeriert und beispielsweise im Fall von Norbert Elias, der Deutschland innerhalb eines Tages mit lediglich einer Reisetasche und einer Schreibmaschine verlassen musste, nicht zutreffend scheint.

Tatsache ist auch, dass die Bedrohung durch den Nationalsozialismus und dessen Konsequenzen nicht ernst genug genommen wurde. Beispielhaft wäre hier Theodor W. Adorno ein späterer Protagonist der "Frankfurter Schule", zu erwähnen. Adorno und Max Horkheimer lernten sich bereits 1922 in einem Seminar ihres Doktorvaters Hans Cornelius in Frankfurt kennen, Adorno wurde aber erst 1938 auf der Flucht ein richtiges Mitglied des "Instituts für Sozialforschung". Ein Grund war, dass Adorno wie erwähnt den Nationalsozialismus unterschätze und sogar nach der Machtergreifung - zwar in der Kritik den Umständen angepasst - nicht ins Exil ging, sondern sich als Musikkritiker durchzuschlagen. 1934 erkannte er schließlich doch den Ernst der Lage und floh über England - damals neben Paris Dreh und Angelpunkt für Emigranten - in die USA. Nur bei praktisch orientierten Personen, wie Friedrich Pollock der genug Erfahrung mit Administration in der Wissenschaft zu tun hatte, dämmerte eine böse Vorahnung und es wurden rechtzeitig Gelder - vorzüglich in die Schweiz - transferiert was eine Fortführung des Instituts im Ausland ermöglichte.

Das Institut selbst wurde von der SA besetzt und bestand lediglich ca. nur mehr sechs Wochen nach der Machtübernahme, es wurde am 13.März geschlossen. Diese Entwicklung setzte sich später auch an anderen Universitäten in Deutschland und Österreich fort. Durch das Gesetz "Zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums" wurden Beamte aus rassistischen oder politischen Gründen trangsaliert und entlassen. So kehrte sich Alfred Weber klar vom Nationalismus ab und verbot das Hissen der Hakenkreuzflaggen auf seinem Institut, wurde dafür aber promt in die vorzeitige Pensionierung gezwungen. Leopold von Wiese musste seine "Kölner Vierteljahresschrift für Soziologie" einstellen, er sagte später aus, er hätte sich nicht gängeln lassen, schweigen sei würdiger gewesen. Von Wieses Einfluss auf die Soziologie wurde durch den Nationalsozialismus stark beschnitten und nach dem Kriege versuchte er sich mit der nordamerikanisch orientierten Sozialforschung und der augkommenden Systemtheorie durch Hilfe seiner Beziehungslehre zu messen, wurde aber 1950 emeritiert.

Die Horkheimers machten sich indessen über Genf und Paris auf die Flucht und 1934 erfuhr die „Kritische Theorie“ eine neue Heimat in den USA, an der „New York University“, wo alsbald die „New School for Social Research“ – bestehend bis heute als Ort der kritischen Theorie - gegründet wurde.

1936 erschien in Paris ein umfangreicher Band mit dem Titel „Studien über Autorität und Familie“. Es sind die zusammengefassten und vielfältigen Forschungsansätze der Frankfurter Schule, besonders mit den Forschungsberichten und Grundsatzartikeln von Max Horkheimer, Herbert Marcuse und Erich Fromm. Die Hauptaussage darin lautet, dass durch die Familie im Allgemeinen und durch die Autorität des Vaters in der hochkomplexen Industriegesellschaft und daraus abgeleitet der Autorität der Ökonomie im Speziellen, kapitalistische Herrschaftssysteme reproduziert werden. Horkheimer nennt dies ein Existenzurteil.[12], [13],[14]

Theoretisches Wirken im neuen Umfeld

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In New York angekommen führte Max Horkheimer die Tradition der Frankfurter Schule, insbesondere die „Zeitschrift für Sozialforschung“ fort. Darin erschien 1937 Max Horkheimers Aufsatz „Von der traditionellen zur kritischen Theorie“. Gegen die Meinung vieler der damaligen Zeit wird darin die Botschaft publiziert, dass wissenschaftliche Aussagen immer auch gesellschaftliche Tatsachen sind, soll heißen, Theorien haben immer auch eine Form von gesellschaftlicher Praxis und spricht sich somit gegen das Postulat der Werturteilsfreiheit von Max Weber aus. Aufgrund der engen Verbindung zwischen Sigmund Freuds Psychoanalyse und marxscher Gesellschaftskritik wird die "Kritische Theorie" im angloamerikanischen Sprachraum auch als "Freudomarxismus" bezeichnet. Horkheimer greift in seinem Aufsatz weiters die Geschichtsinterpretation von Karl Marx auf und sympathisiert mit dessen Marxismus. Nun nach vielen Jahren seiner Gründung und einem Leben im Exil spricht der Horkheimer Kreis erstmals offen über eine Klassenanalyse bzw. über ein Klassenbewusstsein. Aus Angst vor dem Nationalsozialistischen Terrors hatte Horkheimer 1931 bei seiner Antrittsrede als Direktor des "Institutes für Sozialforschung" noch darauf verzichtet, aus Rücksichtnahme bezüglich der Universität, auf das damals sensible Bürgertum in Frankfurt und aus Angst vor Komplikationen mit seinen Geldgebern und Sponsoren. Was sich also schon in Frankfurt latent ankündigte, nahm nun unter vorteilhafteren Bedingungen schärfere und klarere Züge an, die "Kritische Theorie" erfuhr kam durch die Erfahrungen des Nationalsozialismus einen Aufschwung. Viele Studenten des Hormheimer-Kreises wollten rationale Erklärungen für die unbegreiflichen Geschehnisse zwischen 1933 und 1945. Mit der Rezeption der historisch – materialistischen Geschichtsauffassung von Karl Marx verwirft Horkheimer die unzähligen Versuche, Soziologie als eine relative autonome Einzeldisziplin zu verstehen und widmet sich einem universalistischen gesamtheitlicheren Ansatz. Der entscheidende Unterschied zu Marx liegt in Horkheimers Auffassung in einem anderen Verhältnis von Basis und Überbau und zwar geht die „Kritische Theorie“ von einer Wechselwirkung beider aus. Im Gegensatz zu Max Horkheimer und Theodor W. Adorno blieb Herbert Marcuse Anfang der 50er Jahre in den USA und äußerte sich dort bestimmt und energisch in der Öffentlichkeit über den Zusammenhang von kapitalistischen Produktionsmethoden und den Folgen für das alltägliche Leben. Er nahm die Arbeiterschaft aufgrund ihres befriedenden zugeteilten Wohlstands aus dem revolutionären Potential heraus und sah die neue Hoffnung in den freischwebenden Kräften der Außenseiter, also Studenten, Intellektuelle bis hin zu den Außenseitern der Slums. Nur darin – dokumentiert in seinen Büchern „Der eindimensionale Mensch“ und „Triebstruktur und Gesellschaft“ – sieht er die Hoffnungsträger für gesellschaftliche emanzipierte Entwicklung und somit gilt dieses Element der „Kritischen Theorie“ auch als „Material“ bzw. als Wegweiser für die studentischen Aktionsgruppen in den 1960er Jahren, als auch den damalig aufkeimenden Bürgerinitiativen.[15],[16]

Wirkungsgeschichte der Theorie – Rückkehr nach Europa

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  • Max Horkheimer und Theodor W. Adorno verließen schließlich in den 50er Jahren die USA und kehrten nach Westdeutschland zurück. Ihr Entsetzen über den Nationalsozialismus sowie über das Schicksal der Intellektuellen äußerte sich in vehementen Pessimismus. Sie waren geprägt vom Holocaust und sahen darin, die „Wirklichkeit als Hölle“ in Bezug auf Max Weber stahlhartem Gehäuse. Des Weiteren fanden sich beide Anfang der 50er Jahre aufgrund der gegenwärtigen Umstände in einer antikommunistischen Gesellschaft wieder. Somit hielten sie sich in ihren marxistischen Denkansätzen vorerst zurück. Trotzdem führten sie in den späten 50er und Anfang der 60er Jahren eine akademische Linke fort. In den 1950er Jahren kam es durch Max Horkheimer und Theodor W. Adorno zu einer Neugründung des "Instituts für Sozialforschung" (IfS) an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.Somit werden Horkheimer und Adorno – ähnlich wie Herbert Marcuse in den USA – in Europa als Vorreiter der Studentenbewegung der 60er Jahre gesehen, denn ihr Einfluss bei den kritischen Intellektuellen war groß. So waren sie es, die unter Wenigen den gängigen Fortschrittsglauben eines westlichen Wohlfahrtsstaates der damaligen Zeit hinterfragten und gegen die Vorstellung, es sei die Beste aller Welten arbeiteten. Diese Ansicht war noch immer geprägt von den Nachwehen des Holocaust. Horkheimers kritische frühe Schriften musste man sich jedoch zu jener Zeit aufgrund seiner oppositionellen Haltung als Raubdruck oder private Kopie organisieren.
  • Jürgen Habermas (geb. 1929) übernahm schließlich die Tradition der „Kritischen Theorie“ und führte sie bis heute fort und dies obwohl seine erste Arbeit am Institut für Sozialforschung in Frankfurt mit dem Titel „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ gerade vom „Urvater“ der „Kritischen Theorie“ Max Horkheimer nicht akzeptiert wurde. Habermas richtete sich schließlich in Marburg an Wolfgang Abendroth. Die "Kritische Theorie" von Horkheimer und Adorno und anderen wird als "Ältere kritische Theorie" getitelt, die "Jüngere kritische Theorie" die ihren Höhepunkt in der 68er Bewegung erfuhr, wurde hauptsächlich Jürgen Habermas zugeschrieben. Er plädiert auf die Vernunftbezogenheit der Diskussion über die „Kritische Theorie“ der Frankfurter Schule unter Berücksichtigung weltlicher und historischer Theorien. Dies führte er weiter über den herrschaftsfreien Diskurs und dessen aufklärerischen Potenz und gibt somit der Sprache eine zentrale Bedeutung. An diesem Punkt kommt er in Berührung mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann und kritisiert diese, indem Habermas in Bedacht auf den herrschaftsfreien Diskurses, Luhmann`s Ansatz des kommunikativen sinnhaften Handelns Entpolitisierung und Herrschaftslegitimisierung bestehender Systeme und deren Autopoesis vorwirft. Habermas vertritt somit eine klare Position hinsichtlich der Emanzipation des Menschen.

Vertreter (alphabetisch)

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Einzelnachweise

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  1. Vgl. Online Übersetzungsprogramm Leo Online: Verfügbar über: [1]
  2. Dieser Gewinn kann u.a. volkswirtschaftlich, sozial oder politisch determiniert sein
  3. Vgl. Hunger, 2003, S.10
  4. Und das obwohl eine höhere Reputation zu erwarten gewesen wäre
  5. Bsp. Simmel oder Luhmann
  6. Vgl. o.A. Artikel Braindrain in Wikipedia: Braindrain
  7. Vgl. Hunger, 2003, S.9
  8. Vgl. o.A. Kreative Klasse im Raum
  9. Vgl. Korte (2004a), Seite 82ff
  10. Vgl. o.A. Artikel "Kritische Theorie" in Wikipedia: Kritische Theorie
  11. Vgl. Kaesler (2003), Seite 630
  12. Vgl. Korte (2004a), Seite 83ff
  13. Vgl. Korte (2004b), Seite 129, 120ff, 134ff
  14. Vgl. Kaesler (2003), Seite 630
  15. Vgl. Korte (2004a), Seite 84ff
  16. Vgl. o.A. Artikel "Kritische Theorie" in Wikipedia: Kritische Theorie
  17. Vgl. Korte (2004a), Seite 91ff
  18. Vgl. o.A. Artikel "Kritische Theorie" in Wikipedia: Kritische Theorie

Prozess der Zivilisation

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Anfang und Genese

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1977 wurde Norbert Elias (1897 – 1990) in der Stadt Frankfurt am Main der Theodor W. Adorno Preis verliehen und dies, obwohl dieser nicht klassisch zum Horkheimer und Adorno Kreis der Frankfurter Schule gehörte. Dies ist umso ungewöhnlicher, da beide Kreise an derselben Thematik mit dem Schwerpunkt der zu erklärenden Moderne, arbeiteten. Geboren wurde Norbert Elias am 22.06.1897 als bis dahin einziges Kind von Hermann und Sophie Elias im schlesischen Breslau und ist in einer meist sorglosen und behüteten Jugend vor dem Ersten Weltkrieg aufgewachsen. Den Juden zu jener Zeit ging es gut und man fühle sich relativ sicher. Die sorglose Zeit änderte sich jedoch mit Beginn des Ersten Weltkriegs und Elias meldete sich als Freiwilliger - damals selbstverständlich - zum Kriegseinsatz mit 18 Jahren. Elias Welt änderte sich durch dieses Ereignis, er schreibt in seinen Notizen zum Lebenslauf:

"Der Krieg hat dann alles verändert. Als ich zurückkam, war es nicht mehr meine Welt. (...) Denn ich hatte mich auch selbst verändert" [1]

Es sind jedoch nicht die Geschehnisse über Gewalt und Tod die ihn prägen, sondern die relative Machtlosigkeit des Einzelnen im Gesellschaftsgefüge, eine Prägung die sein ganzes Denken speziell aus soziologischer Sichtweise verändert. Norbert Elias ist somit unter der Erfahrung eines jüdischen Elternhauses mit humanistischer Bildung und harter intellektueller Arbeit mit Selbstdisziplin zu sehen. Elias bekam durch die Wirtschaftskrise die die Rente seines Vaters aufzehrte keine finanzielle Unterstützung mehr und arbeitete in einer Fabrik für Kleineisenteile. Somit lernte Elias nun nach dem Elend des Krieges auch die das Elend der Arbeiterschaft kennen, was ihn deutlich prägte. 1917 studierte er zunächst seinem Vater zuliebe Medizin und ab 1919 Philosophie und er kam schließlich im Sommer 1919 nach Heidelberg, wo er sich endgültig der Soziologie zuwandte.


Die "akademischen Kreise" der damaligen Zeit bestanden aus Historikern sowie Sozialphilosophen, unter anderem kam er mit Talcott Parsons und Alfred Weber in Berührung, aber vor allem mit Karl Mannheim, beide waren beinahe gleichaltrig und befreundet. Elias wurde 1930 sein Assistent und Vermittler zu den Studentenkreisen. Es gab jedoch soziologische Gegensätze zwischen einer idealistischen Position Alfred Webers und im Vergleich dazu materialistischen Position Karl Mannheims, die sich auf dem VI. Deutschen Soziologentag 1928 in Zürich entluden.

Ein Jahr später übernahm Mannheim den Lehrstuhl für Soziologie in Frankfurt, damals Teil des "Instituts für Sozialforschung", wo Max Horkheimer – Mitbegründer der kritischen Theorie – Direktor geworden war. Horkheimer hatte Mannheim einige Räume überlassen, Ziel jener Einrichtung Anfang der 30er Jahre war ein Buch über den Liberalismus. Elias wurde nun endgültig Mannheims Assistent, auch um seine Habilitation zu schreiben. Horkheimer und Mannheim arbeiteten aber inhaltlich kaum zusammen. Mannheim hielt Horkheimer für zu links und Horkheimer Mannheim für zu rechts. Vermittlungsversuche gab es nur zwischen Elias und Leo Löwenthal als sein "Gegenspieler".

Der aufkommende Rassismus der nationalistischen Partei erfuhr hier kein Interesse, sowie auch die anderen Mitglieder des "Instituts für Sozialforschung" keine Beunruhigung wahrnahmen, auch deshalb, weil das im Jahr 1923 gegründete Institut auf die Marxschen Studien zurückgeht, soll heißen, man verhielt sich unproblematisch, unpolitisch und baute keine Opposition auf.

Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 kam aber alles anders, als erwartet. Der Versuch einer parlamentarischen Demokratie war gescheitert. Die neuen "Herren" hatten andere Ideen und bald galten Juden, kritische Intelligenz, explizit die des linken Spektrums als "vogelfrei" und Gejagte. Aus heutiger Sicht gesehen schwer vorstellbar, damals aber Realität war die Tatsache, dass von der nationalistischen Entwicklung viele Menschen - auch diejenigen aus den intellektuellen Kreisen der Universitäten - völlig überrascht wurden; man kann von einer arglosen Gesellschaft im universitären Elfenbeinturm sprechen. Man nahm zwar eine Bedrohung seit Ende der 1920er Jahre wahr, ähnlich dem Unbehagen eines aufziehenden Sturms, diese wurde auch ablehnend diskutiert, ernst genommen wurde sie jedoch zu wenig. Somit war es wohl eine gewisse Blindheit gegenüber den Absichten, Zielen und der schnell voranschreitenden Dynamik einer nationalsozialistischen Bewegung, denen viele Intellektuelle in die Falle gingen. Um dies zu verdeutlichen eignet sich ein Brief von Norbert Elias an Sven Papcke:

"Man diskutierte schon gelegentlich den italienischen Faschismus, aber den Nationalsozialismus unter Hitler nahm man in den akademischen Kreisen, die ich kannte, als politische Bewegung nicht ganz ernst. Weil er vulgär, barbarisch und mit seinen schrillen Stimmen, seiner Philosophie für Halbgebildete, seinen schreienden Symbolen auf Menschen der alten Bildungstradition eigentlich recht fremdartig wirkte,(...)fiel es, soweit ich mich entsinnen kann, niemanden ein, ihn zum Thema soziologischer Veranstaltungen oder Untersuchungen zu machen." [2], [3], [4]

Emigration und Exil

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Norbert Elias schaffte es nicht mehr seine Habilitationsschrift "Der höfische Mensch“ - an der er drei Jahre schrieb und sie 1932/33 einreichte - bei Mannheim zu beenden. Ihm fehlte nur mehr die Antrittsvorlesung, dies sollte ihm erst 1969 gelingen. Nach der Machtergreifung am 30.01.1933 musste Elias, Sohn jüdischer Eltern, wie viele seiner sozialwissenschaftlichen Kollegen vor dem Nationalsozialistischen Regime flüchten. Auch er erkannte den Ernst der Lage relativ spät und im Unterschied zum Horkheimer Kreis führte ihn sein Weg nicht nach Übersee, sondern zunächst im März 1933 nach Paris und im Herbst 1935 nach England wo er bis 1960 blieb. Das "Institut für Soziologie" erfuhr das gleiche Schicksal wie das Frankfurter "Insitut für Sozialforschung" und wurde geschlossen. Dessen Direktor Karl Mannheim -von den Nationalisten stark bedroht, da er als linker Machthaber galt und Jude war, ging er ins Exil - wie Elias - nach England und lehrte hier weiter an der "London School of Economics" und später an der "University of London". Er selbst nahm die Gefahr anfangs im vollem Umfang noch nicht wahr und ein Schüler Mannheims berichtet, dass er Mannheim, als er ihn Anfang Februar auf der Straße traf, dieser ihn bat, er solle emigrieren. Daraufhin habe er geantwortet, dass Hitler verrückt sei und sich niemals an der Macht halten könne, was in akademischen Kreisen eine weit verbreitete Meinung war, sich aber bald als Irrtum herausstellte.

Es wurden jedoch nicht alle Soziologen entlassen. Diejenigen, die sich mit dem System arrangierten, konnten weiterhin ihres Amtes walteten. So wurde Helmut Schelsky als "Regimefreund" sogar 1937 Mitglied der NSDAP. Somit gab es Soziologen, die das neue System "begrüßten" und den linken Liberalismus eines Ferdinand Tönnies - der als Vorsitz der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie" (DGS, gegründet von Rudolf Goldscheid 1909, bis 1946 aber meist inaktiv) abgesetzt wurde - ein Ende setzen wollten oder auf Kompromisse hofften. So verhielt sich Hans Freyer ambivalent gegenüber dem Dritten Reich und wurde Tönnies Nachfolger. Dieser galt als regimetreu und passte sich dem Sprachgebrauch der Nazis an, weil er es für richtig hielt, wenn wissenschaftliche Begriffe der gesellschaftlichen Realität angepasst werden. Herrschaft wird bei ihm von Führerschaft im Sinne eines kollektiven Volkswillen abgelöst. Somit glaubte er an eine gesellschaftliche Vision ausgelöst durch die Krise am Ende der "Weimarer Republik". Freyer ging 1938 unter den Wirren des aufkommenden Krieges schließlich nach Budapest ins Exil.[5],[6], [7]

Theoretisches Wirken im neuen Umfeld

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In England angekommen schreibt Elias in zwei Jahren eine seiner wichtigsten Schriften. Im Lesesaal des britischen Museums in London - gerade in jenem traditionsreichen Raum wo auch Karl Marx "Das Kapital" geschrieben hatte, entsteht sein klassisches Werk „Über den Prozess der Zivilisation (1936)“. Der Anstoß dazu war eine völlig neue Umwelt, eine Sprache die er noch nicht beherrschte, neue Sitten und der Versuch der neuen Schwierigkeiten der Exilierung durch hartes wissenschaftliches Arbeiten zu entkommen. Die Ideen entstanden jedoch auch durch zufälliges Studieren von Benimmbüchern aus verschiedenen Epochen, in denen er einen Prozess der ungeplanten und langfristigen Veränderungen von Gesellschaften erkannte. Elias findet in der Schweiz einen Exilverlag der eine kleine Auflage seines Werkes 1939 druckt, da nach der Besetzung der Tschechoslowakei dies dort nicht mehr möglich war. Aufgrund der deutschen Sprache im angelsächsischen Raum wird das Werk jedoch kaum wahrgenommen und auch am europäischen Kontinent, wo sich der Nationalsozialismus immer mehr ausbreitete, wird Elias durch seine jüdische Abstammung nicht wahrgenommen. Über Wasser gehalten hat er sich durch ein kleines Stipendium einer Flüchtlingsorganisation. Nach bitteren Jahren im Exil in denen er sich auch mit Unterricht in Volkshochschulen in den Londoner Vororten durchschlug, schafft es Elias - bereits 57 jährig - 1954 endlich eine Dozentenstelle am neugegründeten "Department of Sociology" der University of Leicester zu bekommen, wo er bis 1962 unterrichtet. Viele namenhafte Studenten der heutigen Zeit studierten zu dieser Zeit bei Elias, darunter auch Persönlichkeiten wie Anthony Giddens, Martin Albrow oder Eric Dunning. 1963 verlässt Elias England für eine Gastprofessur in Ghana und kehrt schließlich 1965 - 32 Jahre nach seiner Flucht - wieder nach Deutschland als Gastprofessor an der Universität in Münster zurück. Er verbrachte insgesamt ein Drittel seines Lebens im Ausland. [8], [9]

Wirkungsgeschichte der Theorie – Rückkehr nach Europa

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Als Gastprofessor an der Universität in Münster war Elias zu dieser Zeit aber noch immer weitgehend unauffällig und sein Werk "Über den Prozess der Zivilisation" hatte aus Gründen wie ein relativ hoher Preis der Leinenausgabe und vor allem durch den Zeitpunkt seiner zweiten Auflage 1969 keinen Namen und blieb ein Geheimtipp unter Kennern. Zu jener Zeit erlebten die Sozialwissenschaften im Allgemeinen und Westdeutschland im Speziellen durch die intensive Marx-Rezeption in Verbindung mit der "Kritischen Theorie" einen enormen Aufschwung und erlebte ihre Blütezeit. Erst durch das Abfluten dieses historisch materialistischen marxistischen Ansatzes rückt Elias langsam ins Blickfeld der Sozialwissenschaften. 1976 erscheint eine Taschenbuchausgabe die innerhalb weniger Monate (20 000 Exenplare) beinahe ausverkauft ist. Die Nachfrage bleibt bis heute aktuell, sein Werk - mittlerweile in zwanzig Sprachen übersetzt - bleibt ein Bestseller. 1993 erscheint ein dritter Band seiner gesammelten Schriften als eine kritisch durchdachte Ausgabe vor. Seine Kernthese "Über den Prozess der Zivilisation" hatte er bereits in den 30er Jahren konzipiert, damals verkannt - heute mehr als bekannt.[10], [11]

Vertreter (alphabetisch)

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Einzelnachweise

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  1. Vgl. Norbert Elias: Notizen zum Lebenslauf, in: Norbert Elias über sich selbst. Seite 23, zitiert aus Kaesler (2003), Seite 316
  2. Vgl. Sven Papcke, 1986: 188, Anm. 89 zitiert aus Korte (2004b), Seite 134)Vgl. Korte (2004a), Seite 122ff
  3. Vgl. Korte (2004b), Seite 134ff
  4. Vgl. Kaesler (2003), Seite 315ff
  5. Vgl. Korte (2004a), Seite 123
  6. Vgl. Korte (2004b), Seite 125ff, 135
  7. Vgl.Kaesler (2003), Seite 320ff
  8. Vgl. Korte (2004a), Seite 123ff
  9. Vgl. Kaesler (2003), Seite 315ff
  10. Vgl. Korte (2004a), Seite 123ff
  11. Vgl. Kaesler (2003), Seite 315ff

Lebenswelt und soziale Konstruktion der Wirklichkeit

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Anfang und Genese

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Dieser Abschnitt zur Lebenswelt und zur sozialen Konstruktion der Wirklichkeit könnte ebenso gut unter der Bezeichnung sozial-konstruktivistische- oder phänomenologische Soziologie stehen. Auch Ausdrücke wie (sinn-)verstehende Soziologie oder hermeneutische Sozialforschung stehen thematisch sehr nahe und könnten als gemeinsamer Nenner dienen. Die hier gewählte Bezeichnung verfügt lediglich über einen Vorteil: Sie ist semantisch klarer und für sich selbst sprechender, als die übrigen. Warum dieser theoretische Zugang unter dem übergeordneten Thema „Brain Drain soziologischer Theorien“ zu behandeln ist, hat nicht ausschließlich aber wesentlich mit dem österreichischen Soziologen Alfred Schütz zu tun. Er hat sich dieser Thematik zugewandt, verschiedene Denkansätze aufgegriffen, kombiniert und weitergeführt und dabei ein eigenständiges Paradigma in die soziologische Theorie etabliert. Dieser Prozess vollzog sich keinesfalls geradlinig sondern über eine (Ab-)Wanderung der Schützschen Ideen aus dem deutschsprachigen Raum in die USA (und somit ins Englische) und schließlich über die zunehmende Rezension und eine nachfolgende Schülergeneration wieder zurück nach Europa. Früh verstorben konnte Schütz einen großen Teil der Wanderung seiner Ideen nicht mehr miterleben.
Die soziologische Theorie „an sich“ spielt in dieser Arbeit eine untergeordnete Rolle. Ins Zentrum gerückt werden die beeinflussenden Umfeldbedingungen und die biografischen Umstände, welche die Entfaltung dieser Theorien nachhaltig beeinflusst haben. Ein kompakter Abriss der einzelnen Soziologen und deren Werk und Wirkung kann andernorts in diesem Wikibook gefunden werden. Zur theoretischen Problemskizze sei folgendes gesagt: Die soziale Welt wird von den Menschen, die in ihr Leben oder besser gesagt, von jenen Menschen, die die soziale Wirklichkeit ausmachen bzw. als Kollektiv darstellen, selbst erzeugt und hervorgebracht. Menschliche Akteure konstruieren ihre eigene soziale Wirklichkeit. Dabei ist das Sinnverstehen von zentraler Bedeutung. Intellektuelle Herausforderung ist der Weg vom einzelnen Bewusstsein zu einem Wissen, das dahingehend objektiv ist, dass es intersubjektiv als gültig betrachtet wird. Diese Intersubjektivität ist möglich, weil Menschen in einer gemeinsamen Lebenswelt leben. [1] Man unterstellt den Mitmenschen ein dem eigenen ähnliches Welterleben, wodurch der/die andere einen versteht. Dieses gemeinsame Erleben wird durch gleiche Sinnzuschreibungen und ähnliche Wissensvorräte ermöglicht. Die Soziologie bezeichnet dies als Reziprozität der Perspektiven. Dass diese Reziprozität der Perspektiven zeitlich, räumlich und auch kulturell begrenzt bzw. unterschiedlich ausgeprägt ist, liegt auf der Hand und wird aus eigenen Erfahrungen bekannt sein. Es kann also im Fremdverstehen immer zu Missverständnissen kommen, was eine Überprüfung (Plausibilitätsprüfung) und Anpassung der Perspektiven bedingt. Alfred Schütz spricht in diesem Zusammenhang von ‘Comon Sense’ der sich in den pragmatischen Zusammenhängen des Alltags generiert. Daher gilt auch, dass die Grundstrukturen der menschlichen Erfahrung und der Interaktion sich nicht am besten in der Sphäre der Wissenschaft rekonstruieren lassen, denn sie ist hierfür eine viel zu späte und zu spezifische Kulturerscheinung.
Schütz ist zu einer Generation zu zählen, die sowohl den 1. als auch den 2. Weltkrieg miterleben musste. Als er 1918 aus dem Kriegsdienst zurückkehrt, findet er Wien als von radikalen Umbrüchen, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Inflation u. dgl. geplagte Hauptstadt eines an Größe drastisch geschrumpften Österreichs vor. Eine Umbruchsituation die sich in zahlreichen kulturellen und wissenschaftlichen Bereichen, durch einen Bruch mit traditionellen Stiel- und Denklinien äußert. Z.B. in der Ökonomie durch die Grenznutzenschule, in der Philosophie durch den Neopositivismus des Wiener Kreises oder durch Sigmund Freuds’ Psychoanalyse. [2] An dieser Stelle könnte die Vermutung geäußert werden, dass ein gewisser Verlust an Erwartungssicherheit auch seine fruchtbaren Auswirkungen mit sich bringt. Jedenfalls sehen wir, dass Schütz bereits in jungen Jahren, durch äußere Umstände hervorgerufen, erleben musste, wie seine persönliche Konstruktion der Wirklichkeit drastische Veränderungen erfuhr, sowohl auf gesamtgesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene und demnach umgestaltet werden musste. Im späteren Lebensverlauf wird diese Erfahrung durch eine zweifache Emigration, erst nach Frankreich und später in die USA, noch verstärkt. Wir können somit annehmen, dass seine Abhandlungen „Der Fremde“ (1944) und „Der Heimkehrer“ (1945) diese Erlebnisse unmittelbar verarbeiten. Aber auch sein Gesamtwerk kann im Lichte dieser Eindrücke gesehen werden.
1921 beendet Schütz sein rechts- und sozialwissenschaftliches Studium an der Universität Wien und erlangt den Grad eines Doktors der Jurisprudenz. Noch im selben Jahr beginnt er eine berufliche Tätigkeit als Sekretär der Bankvereinigung in Wien. Von nun an bleibt seine wissenschaftliche Betätigung beinahe Zeit seines Lebens, also auch im Exil, auf die übrige Zeit neben der beruflichen Pflichterfüllung beschränkt. Das wissenschaftliche Schaffen und Publizieren muss von chronischem Zeitmangel geprägt gewesen sein. Dies äußert sich in der Tatsache, dass Schütz neben zahlreichen, verstreut erschienen Aufsätzen lediglich ein Buch selbst zur Veröffentlichung bringt: „Der Sinnhafte Aufbau der sozialen Welt“. Neben diesen Arbeiten bilden zwei posthum veröffentlichte Manuskripte über „Das Problem der Personalität in der Sozialwelt“ und zum „Problem der Relvanz“ die Grundlage für seine Analyse der Lebenswelt. [3] Über die Frage, warum Schütz keine Habilitation und somit keine akademische Karriere angestrebt hat, kann eigentlich nur gemutmaßt werden. Dennoch ist anzunehmen, dass bereits vor der Machtübernahme der Nazis in Österreich eine gewisse antisemitische Selektion bei der Verleihung der Professorenwürde betrieben wurde. Dies führt dann zur logischen Konsequenz, dass bei manchen Anwärtern/Innen Habilitationsabsichten erst gar nicht entstehen. [4]
Theoretischen Ausgangspunkt für Schütz bildet Max Weber, der als gegenständlichen Bezugspunkt der verstehenden Soziologie „soziales Handeln“ postuliert. Also Handlungen mit denen Handelnde einen subjektiven Sinn verbinden, Handlungen, die sich auf das Verhalten anderer beziehen und ihren Ablauf daran orientieren. [5] Schütz verleiht seinem sinnhaften Aufbau den Untertitel „Eine Einführung in die verstehende Soziologie“. Dies legt den Schluss nahe, dass Schütz seine Arbeit als unmittelbar an Weber angrenzend betrachtete.
Webers Ansatz kombiniert Schütz mit volkswirtschaftlichem Gedankengut der Österreichischen Grenznutzentheorie. In diesem Kontext ist vor Allem Ludwig Mises zu erwähnen, dessen Privatseminar Schütz nach seiner Universitätsausbildung einige Jahre besucht. Handlungen seien nach Mises Mittel- und Zweck- orientiert und wissenschaftlich müsse von Handlungen Einzelner ausgegangen werden. Die Zeitpräferenz spiele als Element des Handelns und um soziale Prozesse begreifen zu können eine wesentliche Rolle. Mises erblickt das Wesen des Handelns im Vorziehen und Zurückstellen. Das Wichtige werde dem Wenigerwichtigen vorgezogen. Um den Sinn von Handlungen zu erfassen, müsse man den Sinn der Zielsetzungen erfassen und hier gerät die Konzeption an ihre Grenzen, insofern der subjektive Sinn dem wissenschaftlichen Verstehen unzugänglich ist. Die objektive Erfassung subjektiver Wertorientierungen könne somit ausschließlich a priori bzw. vernunftwissenschaftlich erfolgen. [6] Auf dieser von Mises und Weber vorgelegten mikrosoziologischen Basis versucht Schütz eine eigenständige theoretische Perspektive zu realisieren oder zutreffender formuliert versucht er eine philosophische Grundlegung dieser Ansätze zu liefern. Der Sinn, den Menschen ihren Handlungen und der Wirklichkeit zuschreiben, entsteht aus den Handlungen selbst. Diesen Zusammenhang zu durchleuchten, auch in methodischer Hinsicht, kann bei Schütz als zentrales Anliegen erkannt werden. Als Vehikel dienen ihm dabei die pragmatisch orientierte Lebensphilosophie von Henri Bergeson sowie die Phänomenologie Edmund Husserls, die die Konzeption seines frühen Hauptwerkes „Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt“ maßgeblich beeinflusste. [7]
Henri Bergeson zählt zu den führenden französischen Philosophen des 20. Jhdts. und war in Wien nach dem 1. Weltkrieg ein viel gelesener Autor. Bergeson entwickelt eine Art Theorie der Struktur des Bewusstseins. Der Mensch sieht sich in der Orientierung im unablässigen Geschehensfluss zwischen Instinkt und Intellekt, zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her gerissen. Die menschliche Existenz ist instabil und unsicher, der Mensch muss wählen und bewirken. [8] Wenn auch keine Analogie zu Schütz, so sehen wir bei Bergeson doch die Auseinandersetzung mit einigen zentralen Begriffen (z.B. Raum und Zeit), die Schütz hinsichtlich deren lebensweltlicher Struktur in seinem sinnhaften Aufbau der sozialen Welt beschäftigen. Die Problematik in der Erfassung des subjektiven Sinnes wurde oben bereits erwähnt. Dennoch sieht Schütz eine verstehende Soziologie auf eine adäquate Rekonstruktion subjektiver Sinnsetzungen angewiesen. Hierbei erscheint ihm Husserls Phänomenologie als geeignetes methodisches Instrumentarium.
Husserl beabsichtigte mit seiner Phänomenologie, die Philosophie aus einer Krise in der er sie sah, herauszuführen und als strenge Wissenschaft neu zu begründen. Auch Husserl war jüdischer Herkunft und bekam dies im zweiten Weltkrieg zu spüren. Er wird 1933 von seiner Professorenstelle beurlaubt, später (1937) sogar aus Freiburg vertrieben. Wissenschaftlich fordert Husserl bei der Analyse von Problemen den Fokus auf das was die Dinge an sich sind, zu richten. Dabei spielt das Bewusstsein in seiner Gerichtetheit auf einen Gegenstand (Sachverhalt) eine entscheidende Rolle (Intentionalität). Alle Akte des Bewusstseins sind sinnstiftend und konstituieren oder konstruieren erst Gegenstände oder Sachverhalte und somit die Wirklichkeit. [9] Die phänomenologische Konstitutionstheorie Husserls ordnet der Einheit des subjektiven Sinns eine Genese zu. Somit lässt sich der Aufbau der sozialen Welt in die immanenten Schichten subjektiver Sinnorientierung zurückverfolgen und das Problem des adäquaten Sinnverstehens gewinnt eine zeitliche Dimension. Hierbei führt Husserl den Begriff der Reflexion ein, welchen Schütz ebenso verwendet. Denn das ursprüngliche Erlebnis unterscheidet sich von der Reflektierten Form dieses Erlebnisses, nicht nur durch die zeitliche Differenz zwischen aktuellem Vollzug und nachträglicher Erfassung sondern auch, weil im Zuge des reflexiven Deutungsprozesses auf intersubjektiv konventionalisierte Sinnzuschreibungen (Typisierungen) zurückgegriffen werden muss. Schütz sieht demnach die Sozialwissenschaften auf das zentrale Problem der Typisierung verwiesen. [10] Ein weiterer Begriff, den Schütz und Husserl gemeinsam verwenden ist jener der Lebenswelt bzw. der Lebensweltanalyse. Husserl fordert in seinen späteren Werken eine Ontologie der Lebenswelt rein als Erfahrungswelt. Während dieser Ansatz bei Husserl das Entwurfstadium nicht verlassen hat, liefert Schütz’ Lebenswelttheorie hierbei detaillierte Analysen. [11] „Die Lebenswelt ist eine intersubjektiv geteilte Welt, ein Wissensvorrat, bestehend aus Typisierungen, Fähigkeiten, wichtigen Kenntnissen und Rezepten zum Betrachten und Interpretieren der Welt und zum Agieren in dieser Welt.“ [12] Wichtig ist es an dieser Stelle, einem gängigen Missverständnis vorzubeugen. Die Begriffe Lebenswelt und Alltagswelt sind keinesfalls Synonym zu verstehen. Die Lebenswelt umfasst alle möglichen Sinnbezirke, die vom Bewusstsein erfasst werden können, sie bildet den umfassenden Sinnhorizont für die mannigfaltigen Wirklichkeiten. Die Lebenswelt des Alltags ist hingegen nur eine Ordnung innerhalb dieses umfassenden Sinnhorizonts der Lebenswelt. Dennoch erfährt die Alltagswelt in vielerlei Hinsicht eine besondere Bedeutung. Mit der Veröffentlichung des sinnhaften Aufbaus der sozialen Welt (Frühjahr 1932) in Wien gewinnt Schütz Zugang zur phänomenologischen Bewegung und zu ihrem Begründer Edmund Husserl. In den folgenden Jahren finden mehrmals persönliche Treffen zwischen Schütz und Husserl statt. Eine nachhaltige Wirkung des sinnhaften Aufbaus bleibt jedoch vorerst aus. [13] In Europa bedarf es hierfür noch einiger Jahre und des Umweges über das Exil in Amerika.

Emigration und Exil

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Im März 1938 erfolgte der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich und nur wenige Tage später wurde der Anschluss Österreichs an das Dritte Reich verkündet. Die Machtergreifung der Nazis in Deutschland und schlussendlich auch in Österreich brachte für Sozialwissenschaftler und somit auch für Soziologen eher ungünstige Forschungsbedingungen mit sich, insbesondere wenn diese, so wie Schütz, jüdischer Abstammung waren. Bereits 1933 urteilte Mises über die Lage: „Wahrscheinlich werde, wenigstens für eine Generation lang, jede intelligente Wirtschaftsforschung unmöglich werden, und die Nazis würden ihre eigenen ökonomischen Theorien entwickeln, die auf falschen Prämissen errichtet seien. [14] Diese Einschätzung ist leider sehr realistisch und zutreffend. Der (sozial-)wissenschaftliche Schaden, den das Dritte Reich in der europäischen akademischen Landschaft angerichtet hat, kann kaum eingeschätzt werden. Was hier für Europa als Schaden bezeichnet wird stellt natürlich auf der anderen Seite des Atlantiks einen Gewinn bzw. eine Bereicherung dar und wie wir in den Bedingungen zur Emigration in die USA ausführlich dargestellt haben, befanden sich dort für Soziologen die eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen wollten grundsätzlich offenere Strukturen und eine wesentlich besser ausgeprägtes Selbstverständnis für das Fach an sich. In Zahlen ausgedrückt lässt sich sagen, dass z.B. in Wien 75% der soziologischen Universitätsabsolventen ins Ausland Emigrierten. In Frankfurt gar 81%, Heidelberg 70% und in Kiel und Freiburg immerhin über 50%.[15] In sehr vielen Fällen hielten sich die betreffenden Personen ohnehin bereites im Ausland auf (meist im Zuge eines amerikanischen Stipendienprogramms) und beschlossen dann spontan, auf Grund der veränderten politischen Lage, (zumindest vorerst) nicht mehr zurückzukehren.
Alfred Schütz hält sich zur Zeit des deutschen Truppeneinmarsches in Österreich geschäftlich in Frankreich (Paris) auf und wohnt bei Aron Gurwitsch. Dieser rät ihm auf Grund seiner jüdischen Herkunft, nicht nach Wien zurückzukehren. Schütz folgt diesem Rat und verbringt die folgenden 16 Monate in Paris. Seiner Frau Ilse und den beiden Kindern gelingt es sehr bald, Österreich zu verlassen und ebenfalls nach Paris zu kommen. In Paris lernt Schütz einige bedeutende Phänomenologen dieser Zeit kenn. Zu erwähnen sind Paul Ludwig Landsberg, Jean Wahl, Maurice Marleau-Ponty und Raymond Aron. [16] Dieses erste Exil endet kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges und mündet direkt in das zweite, wesentlich länger andauernde Exil der Familie Schütz. Am 14. Juli 1939 verlässt die Familie Paris und siedelt in die USA, nach New York. Sowohl der Aufenthalt in Paris als auch die Emigration nach New York waren für Schütz nicht nur politische Erwägungen. Beiden Reisen war auch eine berufliche Notwendigkeit inhärent, was eine durchgehende finanzielle Unabhängigkeit ermöglichte und existentielle Engpässe vermied.

Theoretisches Wirken im neuen Umfeld

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Schütz bringt durchaus Vorkenntnisse über das soziologische und philosophische Diskussionsfeld in Amerika mit. Er beginnt in weiterer Folge, diese Kenntnisse kontinuierlich zu erweitern. Insbesondere die Bedeutung des pragmatischen Motivs für die Analyse der Sinnstrukturen der sozialen Wirklichkeit zieht sich durch sein Werk und äußert sich in entsprechenden Bezügen auf Georg Herbert Mead, William James und John Dewey. [17] Vor allem William James stellt für Schütz einen möglichen Anknüpfpunkt dar. Schütz kannte die Korrespondenz zwischen James und Bergeson ebenso, wie die Bewunderung Husserls’ für James. Noch 1939 beginnt er mit der Arbeit an der Abhandlung „ William James’s Concept of the Stream of Thought“, auch war es ihm ein Anliegen, die in den USA so gut wie unbekannten Gedanken Husserls’ zu etablieren. Grundsätzlich gelingt es Schütz relativ schnell in den USA wissenschaftlichen Anschluss zu finden, insbesondere eben zu dem kleinen Kreis amerikanischer Phänomenologen um Marvin Faber und Dorion Cairns, die er beide aus dem Freiburger Husserl-Kreis kennt. Hat Schütz im Juli 1939 erstmals amerikanischen Boden betreten, beteiligt er sich bereits Ende dieses Jahres an der Gründung der „International Phenomenological Society“ und wird Mitglied ihres Councils. Auch unterstützt er ab 1940 die Herausgabe der neu gegründeten Zeitschrift „Philosophy an Phenomenological Research“. [18]
Talcott Parsons, der 1937 „The Structure of Social Action“ veröffentlicht, muss ebenso erwähnt werden. Es ist wohl anzunehmen, dass dazumal Parsons’ voluntaristische Handlungstheorie ein zentraler Punkt der sozialwissenschaftlichen Diskussionen insbesondere in Amerika war, als gesichert kann gelten, dass sich Alfred Schütz dafür interessierte. Schütz war bereits 1938 ein Exemplar dieses Buches zugesandt worden, welches er eingehend studierte und zugleich bewunderte. Nachdem er Europa verlassen hatte verfasste er eine der frühesten Rezensionen über „The Structure of Social Action“. Im April 1940 wird Schütz eingeladen, vor der Interdepartment Conference of Harvard University einen Vortrag zum Thema „The Problem of Rationality in the Social World“ zu halten. Dabei kommt es zu einer persönlichen Begegnung zwischen Schütz und Parsons und auch zu einer willkommenen Gelegenheit für Schütz, sich mit der amerikanischen Behandlung der Theorie und Methodologie der Sozialwissenschaften vertraut zu machen, und andererseits einen eigenen Beitrag zu präsentieren. [19] Nachdem Schütz sein Manuskript zu Parsons „The Structure of Social Action“ diesem zum Lesen übermittelt hatte, begann im Herbst eine in Briefform stattfindende Korrespondenz zwischen Schütz und Parsons. Leider muss diese Diskussion als eher unergiebig bzw. gänzlich unausgegoren angesehen werden, was bei derart komplexer Materie, der räumlichen Distanz zwischen Schütz und Parsons, der Reduktion auf die Schriftform und nicht zuletzt sprachlichen sowie kulturellen Barrieren verständlich erscheint. Sowohl Schütz als auch Parsons beklagen in ihren Briefen, dass der jeweils andere einen nicht verstehe. Schützt weist Parsons darauf hin, dass „The Structure of Social Action“ bereits für Menschen deren Muttersprache Englisch ist, sehr schwer zu lesen sei und räumt ein, dass es durchaus möglich sei, dass ihm dort oder da der eigentliche Sinn verborgen bliebe. [20] An anderer Stelle äußert Schütz die Vermutung, dass die Begriffe „Methodologie“ und „Epistemologie“ in Amerika in viel engerem Sinne gebraucht würden als etwa im deutschsprachigen Raum, ebenfalls ein missverständlicher Punkt zwischen Schütz und Parsons. [21] Die wissenschaftlichen Fronten zwischen Schütz und Parsons sind sehr schnelle herausgestellt, dennoch kommt es zu keiner konstruktiven Aufarbeitung und der Kontakt zwischen den beiden bricht schließlich ab. Aus heutiger Sicht wissen wir, dass Parsons voluntaristisches Paradigma, zum Strukturfunktionalismus ausgebaut, einen dominanten Platz in der soziologischen Diskussion der weiteren zwei Jahrzehnte einnehmen wird. Insofern hat Schütz ein schweres Los gezogen, mit seinen (davon abweichenden) Ideen und Ansätzen, genau zu dieser Zeit in den USA das akademische Milieu betreten zu haben.
Schütz war zwar nie Stipendiat der Rockefeller Foundation, dennoch kamen ihm die günstigeren Bedingungen in den amerikanischen Universitäten zu gute. Auch der bereits mehrfach erwähnte Umstand, dass in den USA ein ganz anderes Selbstverständnis über die Soziologie als anerkanntes akademisches Fach herrschte, kann nicht als Nachteil gewertet werden. In diesem Kontext gelingt Schütz neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit auch die institutionelle Anbindung im universitären Milieu. Ab 1943 übt Schütz eine Lehrtätigkeit an der 1933 von Alvin Johnson für europäische Exilanten gegründeten „Graduate Faculty“ der „New School for Social Research“ in New York aus. Die „Graduate Faculty“ hat es zu einer gewissen Berühmtheit geschafft und entwickelt sich zu einem der produktivsten Auffangbecken für vertriebene europäische Intelligenz, in dem europäische geisteswissenschaftliche Tradition fortgeführt wird. 1944 wird Schütz an der „New School“ zum Visiting Professor und 1952 zum Full Professor für Soziologie und Sozialpsychologie ernannt. Ab 1956 unterrichtet Schütz sowohl am „Sociologie Department“ als auch am „Philosophy Department“ der New School. [22] Im Zuge seiner Lehrtätigkeit bildet sich ein Kreis von Studenten heraus, die Schütz’s Veranstaltungen regelmäßig besuchen und auf die er einen starken Einfluss ausübt. Zu ihnen zählen Thomas Luckmann, Peter L. Berger und Maurice Natanson. Alle drei, jedoch besonders Luckmann werden in weiterer Folge Schütz’ Ansatz aufgreifen und diesem zu einer angemessenen Reputation verhelfen. 1957 zeigen sich bei Schütz erste Anzeichen gesundheitlicher Probleme. Er realisiert, dass es ihm nicht vergönnt sein wird, eine zusammenfassende Darstellung seiner Lebenswelttheorie, für die er den Titel „Strukturen der Lebenswelt“ wählt, fertig zu stellen. Er arbeitet jedoch eine exakte Gliederungsstruktur aus und hinterlässt neben mehreren Notizbüchern, in denen er die Inhalte stichwortartig ausführt, genaue Anweisungen über die Fertigstellung seiner Arbeit. Im Mai 1959 stirbt Alfred Schütz, Todesursache sind Herzprobleme auf Grund eines zuvor unerkannt gebliebenen Infarktes. Das Werk das Alfred Schütz hinterlässt, ist also zum Teil nur fragmentarisch vorhanden.

Wirkungsgeschichte der Theorie – Rückkehr nach Europa

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Das bekannte Sprichwort: „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“ bewahrheitet sich an der Person Alfred Schütz nur zu gut. Der Verlust einer derartigen soziologischen Kapazität an die USA lässt sich zudem nicht auf diese eine Person reduzieren, denn auch der unmittelbare Wirkkreis, die unmittelbaren theoretischen Anstöße und Impulse, die ersten Rezeptionen und eine Reihe an Forschern, die von Schütz inspiriert seine Ansätze Weiterentwickeln und sein begonnenes Werk vorantreiben bzw. vollenden, all diese Aspekte müssen als verlorenes Potential berücksichtigt werden. Aber auch in Amerika vergehen einige Jahre, bis die Idee von der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit zum soziologischen Mainstream avanciert. Wie weiter oben bereits angedeutet muss in den 1940er und 1950er Jahren in der Soziologie von einer Dominanz der Theorien Talcott Parsons gesprochen werden. Er versucht die Funktion hinter den normativen Strukturen aufzuzeigen, die einen Zwang auf das Individuum ausüben. Dennoch setzt sich im Laufe der Zeit immer mehr eine kritische Gesinnung gegenüber der Dominanz Parsons in den soziologischen Diskussionen durch, bis schließlich von einer neuen Ära bzw. einem Paradigmenwechsel in der soziologischen Theorienlandschaft gesprochen werden kann, so dass eine verstärkte Auseinandersetzung und Rezeption von Alfred Schütz stattfindet. Es wechselt der Fokus von der Funktion hinter den normativen Strukturen, hin zum wesentlichen Sinn, den verschiedene Lebensmuster und die Vorgänge gemeinsam haben, nach denen die Menschen diesen Sinn herstellen.
Es wäre übertrieben zu behaupten, dass Schütz Zeit seines (viel zu kurzen) Lebens keine wissenschaftliche Reputation in soziologischen und philosophischen Kreisen erfahren hätte, aber die gravierende Tragweite seiner Gedanken für die soziologische Theorie blieb weitgehend unerkannt. Der Verlauf seiner (in diesem Aufsatz letztlich ausführlicher als ursprünglich angedacht dargestellten) Biografie und die damit einhergehende zerstreute sowie auf zwei Kontinente und Sprachräume verteilte Publikationstätigkeit spielt dabei sicherlich eine entscheidende Rolle. 1932 erscheint „Der sinnhafte Aufbau der Realität“ im Wiener Springerverlag. Erst 1960 erfolgt eine Neuauflage und 1967 die Übersetzung ins Englische. „Der sinnhafte Aufbau der Realität“ ist das Resultat einer 12 jährigen intensiven Forschungstätigkeit und gewissermaßen das Fundament, in dem Schütz die meisten seiner zentralen wissenschaftlichen Anliegen, die ihn Zeit seines Lebens beschäftigen sollten, bereits angelegt und umrissen hatte. Dennoch erfährt dieses Werk im deutschsprachigen Raum sehr wenige Rezensionen und geht schließlich in den politischen und militärischen Wirren des 2. Weltkrieges mehr oder minder unter. In englischer Sprache liegt dieses Werk erst 35 Jahre nach dessen Erstveröffentlichung vor, wobei Schütz bereits 8 Jahre nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Was zur Einleitung einer angemessenen Rezeptionsphase neben der Übersetzung des sinnhaften Aufbaus ins Englische ebenso unerlässlich ist, ist die Veröffentlichung von Schütz’ „collected papers“ durch seine Frau Ilse Schütz. Diese Publikationen erfolgen 1962, 1964 und 1966 und ermöglichen gemeinsam mit dem sinnhaften Aufbau erstmals einen Blick auf das weit verstreut publizierte Werk, allerdings vorerst nur in englischer Sprache. (Die gesammelten Werke erscheinen 1971 und 1972 in deutscher Sprache was zugleich die Rezeption Schütz’ Werk im deutschen Sprachraum einleitet.) Im Anschluss an diese Publikationen formiert sich die Argumentationsfront gegen den Strukturfunktionalismus zu der Soziologen wie Natanson, Berger und Luckman, in weiterer Folge Harold Garfinkel, Kurt H. Wolff, Tamotso Shibutani, und Erving Goffman zu zählen sind. [23] Thomas Luckmann ist für das Thema „Brain Drain soziologischer Theorien“ in mehrfacher Hinsicht relevant. Zum einen wegen seiner Biografie, die ihn ebenso von Europa nach Amerika (und schließlich wieder zurück) führt und zum anderen wegen seines theoretischen Wirkens, im Zuge dessen er das unvollendete Werk Schütz’ fertig stellt und seine eigenen Konzepte zur Protosoziologie auf diesem Fundament errichtet. Luckmann wird 1927 in Jesenice (Slowenien) geboren. Seine Mutter ist slowenischer Abstammung während sein Vater Österreicher ist. So wächst Luckmann zweisprachig auf und lernt von Kindesbeinen an, die Welt in verschiednen Wirklichkeitskonstruktionen zu betrachten. Während des Zweiten Weltkrieges wird Slowenien von Hitlerdeutschland annektiert und der Ostmark eingegliedert, Luckmann wird dadurch formell deutscher Staatsbürger und natürlich auch wehrpflichtig. Er wird direkt von der Schule zu den so genannten Flakhelfern bei einer Flugzeugabwehr-Batterie im Wienerwald eingezogen. [24] Nach dem Krieg macht Luckmann seine Matura nach und beginnt in Wien zu studieren. Österreich war in Besatzungszonen geteilt und Luckmann Inn- und Ausländer zugleich, was die Studienbedingungen nicht gerade verbesserte, und so kam das, was kommen musste, Luckmann entschließt sich nach Amerika auszureisen wo er letztlich an der "New School" als Student von u.a. Alfred Schütz landet und auch Bekanntschaft mit Peter L. Berger macht.
Luckmann wird schließlich von Ilse Schütz beauftragt die fragmentarisch ausgeführte Darstellung der Schütz’schen Lebenswelttheorie zu vollenden. So erscheinen 1979 und 1984 die zwei Bände zu den "Strukturen der Lebenswelt", in denen Schütz und Luckmann das entfalten, was gemeinhin als Konstitutionsanalyse der Lebenswelt bezeichnet wird. Die Lebensweltanalyse stellt die Beschreibung allgemein menschlicher Universalien (z.B. die Zeitlichkeit), jenseits bzw. vor jeder Kultur dar. [25] In den Strukturen der Lebenswelt bleibt natürlich das philosophische bzw. phänomenologische Element dieses soziologischen Ansatzes enthalten, jedoch tritt auch deutlich eine anthropologische Sichtwiese hinzu. Eine phänomenologische Konstitutionsanalyse und eine erfahrungswissenschaftliche Rekonstruktion menschlicher Wirklichkeitskonstruktionen ergänzen sich dabei. „Einerseits ist der Mensch mit seinem Körper Natur, zugleich besitzt er aber Geist, ein Selbst, und damit ein von der Natur verschiedenes und unabhängiges, ihr sogar entgegenstehendes Prinzip. Aufgrund dieser naturgegebenen Existenzform, seiner Instinktreduktion und der daraus sich begründenden ‘Weltoffenheit’ ist das biologische ‘Mängelwesen’ zur Ausbildung einer ‘zweiten Natur’ gezwungen. [26] Mit der Lebensweltanalyse leiten Schütz und Luckmann auch eine Trendwende in der Wissenssoziologie ein. Während die klassische Wissenssoziologie ihre Untersuchungen primär als eine Analyse weltanschaulichen und wissenschaftlichen Wissens betreiben, lenken Schütz und Luckmann (unterstützt durch wesentliche Impulse aus dem symbolischen Interaktionismus) deren Augenmerk erstmals auf das Alltagswissen der Handelnden. Unser gesamtes Wissen von der Welt enthält Konstruktionen, alle Tatsachen sind immer schon interpretierte Tatsachen und die Tatsachen tragen ihren interpretativen inneren und äußeren Horizont mit sich, da wir jeweils bloß bestimmte ihrer Aspekte erfassen, sofern sie für uns relevant sind. [27]
Auch Peter L. Berger muss im Kontext der Schützrezeption und auch im Zusammenhang mit dem Brain Drain soziologischer Theorien erwähnt werden. Ebenso wie Luckmann ist auch Berger in Österreich, jedoch als Sohn einer jüdischen und zum Protestantismus konvertierten Familie geboren und nach Amerika ausgewandert. Beide treffen sich an der "New School", studieren bei denselben Lehrern (u.a. Schütz) und entdecken ihre Übereinstimmung in fundamentalen wissenschaftlichen Fragen. Dennoch sind weder Luckmann noch Berger als „abgewandertes Wissen“ oder „verloren gegangenes Potential“ zu betrachten. Eher könnte man sagen, dass sie es waren, die das verlorene Wissen wieder heimgeholt haben. Luckmann und Berger können vereinfacht als Botschafter des Schütz’schen Ansatzes bezeichnet werden. Dies trifft sowohl in geografischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht zu. 1963 erscheint Berger’s „Einladung zur Soziologie“ als deutschsprachige Übersetzung, die konsequent entlang der Alltagserfahrung konzipiert ist. [28] Gemeinsam verfassen Luckmann und Berger die berühmt gewordene Schrift „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“, die eine Synthese zwischen Herbert Meads symbolischem Interaktionismus und der phänomenologischen Fundierung einer Strukturanalyse der Lebenswelt darstellt. Die soziale Konstruktion der Wirklichkeit erscheint 1969 als deutschsprachige Auflage und spätestens ab diesem Zeitpunkt ist die Relevanz und Fruchtbarkeit Alfred Schütz’ für die Soziologie auch in Europa unbestreitbar. Die beiden eben genannten Werke ermöglichen auch die Karriere einer qualitativen Sozialforschung, zu deren wesentlichen Anregungspolen das Werk von Schütz nach wie vor zählt. Im Zuge dieser Publikation etabliert sich ohne Intension der Autoren der Begriff des ‘Sozialkonstruktivismus’, der jedoch nicht mit einem (radikalen) Konstruktivismus im Sinne einer wissenschaftstheoretischen Richtung verwechselt werden darf. Es geht also nicht um die Behauptung alles sei (aus lediglich einem Prinzip wie beispielsweise der Kommunikation heraus) konstruiert oder gar konstruierbar. Es geht viel mehr um die Frage: Wie kann aus subjektiven menschlichen Erfahrungen eine objektive Welt sozialer Tatsachen hervorgehen? Die Wissenssoziologie rückt dabei ins Zentrum einer neu ausgerichteten Handlungs- und Gesellschaftstheorie. [29]
Jürgen Habermas liefert 1967 in seiner Schrift „Zur Logik der Sozialwissenschaften“ erstmals im deutschen Sprachraum eine unabhängige und systematische Rezeption der Arbeiten von u.a. Schütz sowie Berger und Luckmann. Er macht dabei wirkkräftig auf die interpretative alltags- und sprachsoziologische Wende in der Soziologie aufmerksam. Weiter Anregungen liefert die phänomenologische Fundierung verstehender Soziologie von Schütz für die Ethnomethodologie Garfinkels, für diverse interaktionsanalytische Ansätze (Goffman, Blumer) und für die kognitive Soziologie Cicourels. [30] Martin Endreß sieht im Wesentlichen vier Tendenzen in der gegenwärtigen Diskussion der soziologischen Theorie, die dem Werk von Schütz aktuelle Relevanz verleihen. (1) Der Einfluss in die aktuellen spiel- und entscheidungstheoretischen Konzeptualisierungen in der Soziologie (ausgehend von Schütz Orientierung an der Grenznutzenschule). (2) Die erneute Ausrichtung der theoretischen Diskussion der Soziologie am Handlungsbegriff (das pragmatische Motiv, das den Einzelnmenschen in seinen Bemühungen, mit der Welt in seiner Reichweite zurechtzukommen, leitet). (3) Die gegenwärtige Renaissance von Autoren des klassischen angelsächsischen Pragmatismus (Peirce, James, Mead, Dewey) und (4) eine zunehmende Bedeutung oder gar Priorität der Zeitdimension für das Verständnis sozialer Phänomen (Schütz konzeptualisiert das Sinnproblem als ein Zeitproblem). [31]

Vertreter (alphabetisch)

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Berger, Peter L.
Garfinkel, Harold
Garthoff, Richard
Luckmann, Thomas
Natanson, Maurice
Schütz, Alfred
Srubar, Ilja
Wolff, Kurt H.


Einzelnachweise

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  1. vgl. Münch (2003): S. 191f.
  2. vgl. Welz (1996): S. 118ff.
  3. vgl. Endreß in Kaesler (2006): S.340f.
  4. vgl. Fleck (2007): S. 214ff.
  5. vgl. Weber (1972): S.1.
  6. vgl. Endreß (2006): S.32ff.
  7. vgl. Endreß (2006): S.14f.
  8. vgl. Russel (2007): S.806ff.
  9. vgl. Schnettler (2006): S47ff.
  10. vgl. Endreß (2006): S.37ff
  11. vgl. Welz (1996): S. 199ff.
  12. Münch (2003): S. 201.
  13. vgl. Endreß (2006): S.15f.
  14. vgl. Fleck (2007): S. 172.
  15. Fleck (2007): S. 207.
  16. vgl. Endreß (2006): S.16.
  17. vgl. Endreß (2006): S.28.
  18. vgl. Endreß (2006): S.17.
  19. vgl. Schütz / Parsons (1977): S. 15f.
  20. vgl. Schütz / Parsons (1977): S. 112.
  21. vgl. Schütz / Parsons (1977): S. 114f.
  22. vgl. Endreß (2006): S.17f.
  23. vgl. Endreß (2006): S.128.
  24. vgl. Schnettler (2006): S18ff.
  25. vgl. Schnettler (2006): S77ff.
  26. vgl. Plessner in Schnettler (2006): S82.
  27. vgl. Schütz in Endreß (2006): S.101.
  28. vgl. Schütz in Endreß (2006): S.129.
  29. vgl. Schnettler (2006): S86ff.
  30. vgl. Endreß (2006): S.130
  31. vgl. Endreß in Gabriel (2004): S 223f.

Sozialforschung, Sozialstruktur, Organisation

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Anfang und Genese

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  • Einleitung

Für Heinz Hartmann galt Paul Lazarsfeld als ein Superstar unter den Soziologen. Und bald schon nach seinem Tod im Jahre 1976 zählte er zu den Klassikern der Soziologie. Winfried Lerg bezeichnete ihn auch als den Gründervater der modernen Kommunikationsforschung. Auch für Christian Fleck ist er eine bedeutende Persönlichkeit. Er handelt Lazarsfeld als bedeutendste Person bei der Entstehung der empirischen Sozialforschung. Nach Max Weber spricht ihm Fleck den höchsten Status der Anerkennung zu. Auch bei den Kategorien Sichtbarkeit und Produktivität ist er in den ersten Reihen. Aus diesem Grund dreht es sich in diesem Kapitel ausschließlich um Paul Lazarsfeld.[1][2]

  • Drei Umstände für den Beginn

Für Lazarsfeld waren nach seinen autobiografischen Aufzeichnungen zu Folge drei Umstände in Wien für die weitere Entwicklung ein Anstoß. Erstens war es das politische Klima in der damaligen Zeit. Zweitens sein Interesse an der damaligen Psychologie. Und abschließend die Beschäftigung mit der sogenannten Erklärung.

Sein politisches Interesse galt dem Sozialismus, der allerdings in Wien im Rückgang war. Er fand dafür auch eine Erklärung. So braucht gemäß Marx eine Revolution vor allem den wirtschaftlichen Nährboden. Eine erfolgreiche Revolution benötige Ingenieure wie die Sowjetunion. Schließlich braucht eine fehlgeschlagene Revolution die Psychologie wie in Wien.

Während seines Studiums wurde sein sozialwissenschaftlich entscheidend durch zwei Personen gewendet, die an die Wiener Universität berufen wurden. Es handelt sich um Charlotte und Karl Bühler, deren Beiträge die experimentelle Psychologie stark veränderten. Dort konnte Lazarsfeld, der in angewandter Mathematik schließlich promovierte, Vorlesungen über die Statistik halten. Allmählich weitete er seine Arbeit an der Universität aus und wollte schließlich eine eigene Abteilung für Sozialpsychologie gründen. Er erhoffte sich dabei Forschungsaufträge durchführen zu können. Schließlich entstand dann ein unabhängiges Forschungszentrum, als deren Präsident Karl Bühler vorstand. Lazarsfeld kümmerte sich um die angewandten Studien. Gleichzeitig veröffentlichte er Arbeiten über Statisik.[3]

  • Die Arbeitslosen von Marienthal als Auslöser

Im Jahr 1930 begann Lazarsfeld mit der Studie über die Arbeitslosen in einem Dorf südlich von Wien. Diese Arbeit hatte die Rockefeller-Stiftung mit Sitz in Paris auf ihn auf aufmerksam gemacht. Aufgrund der Qualität erhielt nun Lazarfeld ein Stipendium für die USA. Im Jahr 1934 wurde die Verfassung in Österreich geändert und der Faschismus zog ein. Daraufhin verlor er seine Arbeitsstelle als Lehrer im höheren Schulwesen, nur die Anstellung an der Universität blieb erhalten. Das war vorteilhaft für die Verlängerun seines Stipendiums in den USA. Aber selbst nach Ablauf dieser versuchte er 1935 in den USA zu bleiben. Über Robert Lynd an der Columbia University erhielt er eine Arbeitsstelle. Bereits im Jahr 1936 übernahm er eine neu angelegte Forschungsstelle dieser Universität, das nach dem Muster des Instituts in Wien ausgerichtet war. Im Auftrag der Rockefeller-Stiftung kam nun eine Forschungsstelle für Rundfunkforschung noch hinzu, die 1939 sogar an die Columbia University verlegt wurde. Später entstand daraus das Institut für angewandte Sozialforschung. Im Jahr 1940 wurde Lazarsfeld außerordentlicher Professor.[4]

  • Die Wurzeln der neuen Forschung

Lazarfseld selbst sieht drei Komponenten in der Entwicklung des neuen Forschungsstils:

Die Ideologie: Es geht hier um die politische Motivation der Arbeiten von Lazarsfeld, der stark vom Sozialismus geprägt war. Für ihn war die soziale Schichtung ein wichtiges Thema bei sämtlichen Arbeiten. Psychologische Studien über Jugendliche aus derselben Zeit beziehen ausschließlich auf die mittleren Schichten. Mit der Arbeit über Jugend und Beruf setzte Lazarsfeld die Arbeiterjugend in den Mittelpunkt und machte auf sie aufmerksam. Er wollte auf die sozialen Differenzen dieser Gruppen aufmerksam machen. Seine These lautete, dass die Arbeiterjugend durch den frühen Einstieg in das Arbeitsleben gewisse positive Erfahrungen nicht machen können, die der Mittelschichtjugend vorbehalten blieb. Wie die Arbeiterjugendforschung war auch die Marienthalstudie selbst marxistisch angehaucht. Allein die Auswahl, dass ein ganzes Dorf und nicht der Einzelne untersucht wurde, ist auf den politischen Hintergrund zurückzuführen. Die Analyse der Sozialstruktur ähnelt dem Kollektivgedanken. Weiters ergab es sich, dass eine spätere Mitarbeiterin von Lazarsfeld mit einem Experten für Marktforschung in Kontakt kam. In Österreich war die Marktforschung noch nicht bekannt. Lazarsfeld nutzte dann das Material zu Konsumentenentscheidungen von Seife für seine statistischen Analysen. Es ging ihm eigentlich um den Entscheidungsprozess und dabei vorallem um den politischen. Der Austromarxismus lehnte die Gewalt ab und bevorzugte den demokratischen Apparat. Dafür interessierte es Lazarsfeld, welche Schicht welche Partei wählt. An der konservativen Universität hätte aber niemand die Wahlentscheidungsprozesse erforscht.

Das Intellektuelle: Lazarsfeld war vorwiegend durch Karl Bühlers beeinflusst. Dieser versuchte stets verschiedene psychologische Ansätze zu integrieren. Gerade die Verbindung von einzelnen Ansätzen war dessen Hauptaufgabe. Diese Technik übernahm Lazarsfeld besonders in seinen Marktforschungen. Das Ergebnis formulierte er dann in integrierenden Konzepten. Er stellte vier Grundsätze auf: 1. Jedes soziale Phänomen hat seine objektive Beobachtungen. 2. Einzelne Fallstudien und statistische Daten sollen zusammen geführt werden. 3. Querschnittsdaten sollen mit der Entwicklungsgeschichte ergänzt werden. 4. Experimentelle Daten (in Tests erhoben) und natürliche Daten (ergeben sich natürlich aus dem Alltag ohne Eingriff von Forschern) sollen kombiniert werden. Damit zeigt sich, dass ihm die reine Beschreibung nicht ausreichte. Für eine erfolgreiche Studie musste der Forschungsgegenstand umfassend erforscht werden. Die Theorie der integrierenden Konzepte entstand auch aus dem Bedürfnis der Rechtfertigung der empirischen Sozialforschung.

Das Persönliche: Auch das Persönliche von Lazarsfeld spielt eine entscheidende Rolle. Sein Wunsch war es, eine Verbindung zwischen der reinen Statistik und der Beobachtung zu schaffen. Das begann er bereits bei den Arbeiten für Charlotte Bühler. So versuchte er bei den kinderpsychologischen Studien eine Kombination zwischen der reinen statistischen Beobachtung von Gesell ohne weiterer Auswertung und den halbexperimentellen Forschungen von Piaget zu erreichen. Das war auch das Ziel der Studie Marienthal, worin auch geschildert wird, dass die Forschung in den USA (Chicago) diese Synthese noch nicht geschafft hat. Ein weiterer Aspekt ist die fast zu persönliche Präferenz der arbeitenden Schicht aufgrund seiner sozialistischen Einstellung, wodurch die Soziologie auch eine gewisse politische Dimension erlangte. Dabei geht es um die Ergebnisse der Daten und deren Folgen. Charlotte Bühler kritisierte diese Einstellung, worauf er sich um mehr Objektivität bemühte. [5]

Emigration und Exil

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  • Reisestipendium als Auslöser

Durch Lazarsfelds Studien über Jugend und Beruf sowie die Arbeitslosen von Marienthal wurde er im Ausland bekannt. Nach Pollak wurde seine Marktforschung über Seife der Auslöser für das Reisestipendium in die USA über das Rockefeller-Institut im Jahr 1932. In den USA angelangt, fand er ein Aufstreben der angewandten Sozialforschung vor. Die Politik förderte mit starken Geldmitteln die Sozialforschung, um die Ergebnisse für die politischen Strategien zu nutzen.[6]

  • Unfreiwillige Emigration

Im ersten Stipendienjahr hielt er vor allem Kontakte zu Marktforschungsinstituten. Universitäre Kontakte bestanden vorwiegend zu statistischen Psychologen. Besondere Verbindung hatte er zum Soziologen Robert Lynd, der ihm umfangreich während der Stipendienzeit half. In Österreich gab es mittlerweile Bürgerkrieg, ein katholischer Faschismus breitete sich aus und die Sozialistische Partei wurde veboten. Es emigrierten bereits erste Sozialisten und Marie Jahoda wurde verhaftet. Darum befand sich Lazarsfeld ungewollt im Emigrantenstatus.[7]

  • Vorteile in den USA

Lazarsfeld hatte sich sofort nach Ankunft in den USA mit der vorliegenden Situation angefreundet. Er knüpfte viele Kontakte und sah hier einen Aufstieg. Auf der Wiener Universität wäre für ihn kein Aufstieg möglich gewesen, da dort ein rassistisches und reaktionäres Klima herrschte. Er brachte aber genügend mit, um an den amerikanischen Universitäten erfolgreich zu sein. Vorteilhaft war zudem, dass die amerikanischen Intellektuellen ein spezifisches Bild von der europäischen Arbeiterbewegung hatte, die den liberalen Universitätskreisen entsprach. Auch seine deutschsprachige Kultur war in den USA angesehen und gefragt. Auch seine jüdische Herkunft war von Vorteil, da diese soziokulturelle Gruppe damals gerade dabei war, in Konkurrenz zu den white anglo-saxon protestants die Universitäten zu erobern.[8]

Theoretisches Wirken im neuen Umfeld

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  • Abfall von der politischen Einstellung

Betrachtet man das Leben und Werk von Lazarsfeld, so fällt ein besonderer Einschnitt durch die Emigration auf. Vor dieser war er im besonderen Maße durch den Marxismus geprägt und er wollte diesen mit der Sozialpsychologie vereinbaren. In den USA lies er aber seine politischen Ambitionen fallen und er wandte sich einem unpolitischen Empirismus zu.

Dafür gibt es zwei Hypothesen für diese Abwendung vom Marxismus. Die erste Hythothese geht davon aus, dass sich Lazarsfeld in den USA an den politischen wie universitären Kontext angepasst hat. Diese Hypothese betont sein politisches Engagement in Österreich. In Teamarbeit entstanden so die Marienthalstudie über Arbeitslose und eine Studie über Jugend und Beruf. Die übrigen Studien, vorwiegend die Marktforschungen, werden als reiner Broterwerb für die Forschungsstelle aufgefasst. Da in den USA andere Bedingungen herrschen wie in Wien, passt er sich an die unpolitischen Strukturen dort an.

Die zweite Hyopthese sieht keinen Bruch in der Forschungsbiografie von Lazarsfeld. Sie geht von einer Kontinuität aus. Diese Hypothese setzt das Hauptaugenmerk nicht auf seine Nähe zur Sozialdemokratie, sondern auf die Konzeption rationaler Planung mit der Hilfe der Sozialwissenschaft. Dabei werden Wissenschaft und gängig gesellschaftliche Praxis kombiniert. Damit wird die vorliegende politische Situation nicht so wichtig, wie es eine institutionelle Sozialforschung ist. Die Ideen des Wiener Kreise, deren Einfluss Lazarsfeld selbst verneint und auf die gleiche Entstehungssituation hinweist [9], und der Sozialdemokratie in Österreich und Deutschland gingen in dieselbe Richtung. Sie lehnten die Revolution ab und wollten eine Verbesserung der Situation für die Arbeiter durch staatliche Einrichtungen. Gerade durch die Sozialforschung sollten die Strategien dafür herausgefunden werden. Damit bekommt die Forschungsstelle von Lazarsfeld eine neue Bedeutung, neben dem Gelderwerb.

Aus den autobiografischen Betrachtung von Lazarsfeld wird keine der vorliegenden Hypothese vollständig bestätigt noch dementiert. Denn einerseits zeigt sich eine gewisse Nostalgie gegenüber dem Austromarxismus in seiner Jugendzeit, allerdings erscheint es als ob er sich lediglich dem vorliegenden Angebot aufgeschlossen verhielt. Andererseits blieb seine Wissenschaftsauffassung stets die gleiche und förderte die Institutionalisierung der Sozialforschung in der Welt, um der Rationalität zu helfen.[10]

  • Günstiger Nährboden in den USA

Gerade mit der Auswanderung der Elite der österreischen Sozialwissenschaft wanderte auch die empirische Sozialwissenschaft selbst aus. Das bedeutete einen Verlust in Österreich und einen Gewinn in den USA mit Lazarsfeld. Die Bedingungen in den USA waren allerdings günstiger, denn die dortige Orientierung war stärker pragmatisch, empirisch und behavoristisch geprägt als in Wien. Auch wenn es beispielsweise in Chicago Widerstände gegen die Errichtung eines Bureau of Social Research gab, war das Land für die Erneuerung bereits vorbereitet. Lazarsfeld wurde in den USA dann zum wichtigsten Vermittler der Wiener empirischen Tradition und Repräsentanten der empirischen Soziologie der Vereinigten Staaten. In den USA war gab es bereits enge Verknüpfung von Soziologie, Kulturanthropologie und Sozialpsychologie. Außerdem waren amerikanische Soziologen an den wichtigen Social Surveys beteiligt. Beide Umstände war für Lazarsfeld vorteilhaft.

Schließlich arbeitete Lazarsfeld mit Merton an der Columbia University zusammen und so wurde Empirie und Theorie verbunden. Er wurde grundsätzlich zum Vermittler zwischen Europa und Amerika und trug auch zum Reimport bei. Zudem entstand durch ihn eine Verbindung der Soziologie und Kommunikationswissenschaft. Das geschah jedoch eher zufällig. Lazarsfeld selbst verstand sich bereits in Wien wie auch in den USA als Soziologe, hielt aber in Wien am Institut für Zeitungswissenschaft Vorträge. Im Jahr 1931 begann er mit einer Rundfunkhöhrerforschung in Zusammenarbeit mit der RAVAG. Die Kommunikationswissenschaft in den USA hatten schon rudimentäre Verbindungen zur Soziologie und Psychologie. Lazarsfelds Leistung bestand darin, dass er die quantitative Analyse sowohl in die Soziologie sowie mittels der empirischen Kommunikationsforschung auch in andere Disziplinen gebracht hat. So auch in die Kommunikationswissenschaf in den USA.[11]

  • Kontakt zur Frankfurter Schule verläuft ergebnislos

Bereits noch in Europa gab es zwischen dem Frankfurter Institut und Lazarsfeld einen wissenschaftlichen Kontakt. Obwohl im gesellschaftlichen Werdegang zwischen Adorno und Lazarsfeld extreme Unterschiede vorlagen, kam es in den USA sogar zur Zusammenarbeit. So wurde Adorno zum Leiter der Music Study innerhalb des Radio Research Projects gewählt, da Horkheimer für Adorno eine Arbeit suchte und Lazarsfeld im Gegenzug zur Unterstützung von Horkheimer handelte. Jedoch näherte sich das Bühlersche Wiener Institut und die Frankfurter Schule in gänzlich unteschiedlicher Weise der Realität an. Deswegen scheiterte auch die Zusammenarbeit, da es zu methodischen Konflikten kam. Lazarsfeld stimmte allerdings unter der Hand Adornos Theorie zu, bemängelte aber dass dieser die Theorie nicht anhand von empirischen Tests belegen wollte. Darin war Adorno beleidigt, seine Theorie in überprüfbare Fragen zu übersetzen, da er sein Konzept nicht als bloße Spekulation dahin gestellt haben wollte. Es blieb also die Frage nach der Evidenz offen und das von Seiten Adornos bewusstermaßen. So warf Adorno dem Bureau vor, lediglich an empirischen Daten, aber nicht an der Erklärung der Phänomene interessiert zu sein. Adorno wurde eine aggressive und undiplomatische Weise gegenüber den Kunden nachgesagt. Diese Haltung lag an der Ablehnung der Kommerzialisierung der soziologischen Wissenschaft, die Lazarsfeld in den USA begann.

Lazarsfeld hatte eine aktive politische Vergangenheit in der Sozialdemokratie, während die Vertreter der Frankfurter Schule kaum konkrete aktive Erfahrungen in der Politik hatten und eher Linksintellektuelle waren. Sowohl Lazarsfeld wie auch die meisten Vertreter der Frankfurter Schule entstammten dem Judentum, was eigentlich verbindlich wäre. Jedoch kam Lazarsfeld aus dem jüdischen Kleinbürgertum, während die Frankfurter dem jüdischen Großbürgertum entstammten. Damit war eine unterschiedliche Herkunft gegeben. Horkheimer sorgte immer dafür, dass sein Institut in New York im besonderen intellektuell in der Tradtion der deutschen Aufklärung geprägt war. Zudem sahen die Mitglieder der Frankfurter Schule ihre Emigration als zeitlich begrenzt an. Sie verfassten ihre Werke in deutscher Sprache und hatten anfänglich einen Widerwillen in Englisch zu schreiben. Sie empfanden sich als reine Europäer und galten deswegen als arrogant. Auch Lazarsfeld galt als solcher am Anfang, jedoch gelang es ihm sich anzupassen. So verfasste er auch seine Werke in Englisch.

Das Ergebnis dieser Kontroverse zwischen zwei professionellen und intellektuellen Strategien war eine grundsätzlich Spaltung der Soziologie. Auf der einen Seite stand die empirische Richtung, die sich politisch anpasste und nicht auffallen wollte, vorwiegend Daten sammelte und sich auf die Statistik konzentrierte. Die andere Richtung war die Sozialkritik, die sich nicht um die Konfrontation mit der Wirklichkeit scherte. Es zeigte sich mit dieser grundsätzlichen Verschiedenheit auch die Veränderung der Intellektuellen insgesamt. Adorno stand noch in der Tradition der europäischen Gebildeten. Dieser Intellektuellentypus wurde aber allmählich durch den Forschungstechniker ersetzt, zu denen Lazarsfeld zählte. So blieb es beim Konflikt zwischen der philosophischen Tradition der Intellektuellen und den wissenschaftlich forschenden Experten.[12]

Wirkungsgeschichte der Theorie – Rückkehr nach Europa

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Paul Lazarsfeld ist nach seiner Emigration nicht mehr in seine Heimat zurückgekehrt. Doch auch in Europa hat er einen entscheidenden Einfluss ausgeübt. Als deutschsprachige Werke gibt es lediglich die Marienthalstudie, die als Pionierwerk auch heute noch eine lebhafte Rezeptionsgeschichte auslöst. Von den Werken die in den USA entstanden sind nur wenige auf Deutsch übersetzt worden. Aber sein gesamtes Werk umfasst 24 Bücher, als Herausgeber von 14 Anthologien und mehr als 200 wissenschaftliche Artikel sowie in etwa 300 noch nicht veröffentlichte Schriften. Bisher scheiterten jedoch die Versuche sein Werk in eine Gesamtausgabe zu verarbeiten. Sein Werk ist gekonnt geschrieben, allerdings ohne einer spezifischen Fachsprache. Somit stellt sich die Frage, ob er wirklich zu den Klassikern zählt. Im deutschen Sprachraum könnte man ihn eher als einen unerkannten Klassiker bezeichnen.[13]

Vertreter (alphabetisch)

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Einzelnachweise

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  1. Langenbucher, Wolfgang: Vorwort. Der unerkannte Klassiker, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  2. Fleck, Christian: Transatlantische Bereicherungen. Zur Erfindung der empirisichen Sozialforschung, Frankfurt a.M. 2007.
  3. Lazarsfeld, Paul: Eine Episode in der Geschichte der empirischen Sozialforschung: Erinnerungen, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  4. Lazarsfeld, Paul: Eine Episode in der Geschichte der empirischen Sozialforschung: Erinnerungen, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  5. Lazarsfeld, Paul: Eine Episode in der Geschichte der empirischen Sozialforschung: Erinnerungen, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  6. Pollak, Michael: Paul F. Lazarsfeld - Gründer eines multinationalen Wissenschaftskonzerns, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  7. Pollak, Michael: Paul F. Lazarsfeld - Gründer eines multinationalen Wissenschaftskonzerns, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  8. Pollak, Michael: Paul F. Lazarsfeld - Gründer eines multinationalen Wissenschaftskonzerns, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  9. Lazarsfeld, Paul: Eine Episode in der Geschichte der empirischen Sozialforschung: Erinnerungen, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  10. Pollak, Michael: Lazarsfelds Einfluss auf die internationale Verbreitung der empirischen Sozialforschung. Kontinuität und/oder Wandel eines wissenschaftlichen Projekts, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul F. Lazarsfeld. Die Wiener Tradition der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung, München, 1990.
  11. Reimann, Horst: Paul Lazarsfeld und die Entstehung der Massenkommunikationsforschung als Verbindung europäischer und amerikanischer Forschungstraditionen, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul F. Lazarsfeld. Die Wiener Tradition der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung, München, 1990.
  12. Pollak, Michael: Paul F. Lazarsfeld - Gründer eines multinationalen Wissenschaftskonzerns, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.
  13. Langenbucher, Wolfgang: Vorwort. Der unerkannte Klassiker, in: Langenbucher, Wolfgang (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld - Leben und Werk. Anstatt einer Biografie, Wien, 2008.

Konfliktfunktionalismus

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Anfang und Genese

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Die Entwicklung der Theorie des Konfliktfunktionalismus hat viele geistige Vorläufer. Sie alle stehen in deren Anfängen der europäischen Traditionslinien zu Grunde [1]. Allen Voran war es Karl Marx, welcher in seinem umfangreichen Werk den Konflikt in spezieller Weise aufgegriffen hat. Es sah den Klassenkampf zwischen Proletariat und Kapitalisten - also den sozialen Kampf im Kontext des Kapitalismus - als notwendig an und zwar nicht etwa in den Köpfen von Philosophen sondern in der Realität. Es mündete u.a. in die Märzrevolution 1848 -1849.

Max Weber beschäftige sich ebenso wie Marx u.a. mit den Ursprüngen und Auswirkungen des Kapitalismus. Anders wie Marx, der u.a. durch den erfolgreichen Klassenkampf ein versöhnliches Ende des Kapitalismus erhofft, sieht Weber religiöse Motive als Grundlage desselben und attestiert in diesem Prozess eher eine innerweltliche Aufopferung des Akteurs. Weber nennt dies innerweltliche Askese. In der Begriffsdefinition des Kampfes beschreibt Weber eine soziale Beziehung, die das Handeln an der Absicht der Durchsetzung des eigenen Willens gegen den Widerstand des oder der Partner orientiert ist [2].

Für Emilé Durkheim, auch ein Vordenker in Bezug des Konfliktfunktionalismus, sind wachsendes Volumen, und zunehmende materielle und moralische Dichte Gründe für einen verschärften Überlebenskampf. Um den Hobbschen Kampf aller gegen aller zu entgehen, wird Druck zur Teilung der Funktionen und Spezialisierung von Berufen ausgeübt. Jedoch kann diese funktionelle Spezialisierung nicht die kapitalistischen Grundzüge moderner Gesellschaften aufheben. Diese art der Differenzierung kann auch zu verschärften Wettbewerb und Konkurrenz und somit zu neuerlichen Konflikt führen. Durkheim unterscheidet drei Formen von anomaler Arbeitsteilung. In diesem Kontext interessiert uns die erzwungene Arbeitsteilung, beispielsweise bei ungerechten Verträgen. Hier folgert Durkheim ähnlich wie Marx mit dem Klassenkampf. Die Anomie der Krise der Gesellschaft ist jedoch nicht Zwang und Ausbeutung wie bei Marx sondern die Herausbildung von Regeln zur Arbeitsteilung zur Quelle organischer Solidarität und sozialer Integration so Durkheim. Mit welchen Mitteln und durch welche konkreten Schritte diese Funktionsteilung erfolgen soll, bleibt er letztlich schuldig [3].

Ein weiterer Wegbereiter dieser Theorie war Georg Simmel. Simmels Werk "Der Streit" von 1908 wird heute zu den klassischen Texten der Konfliktsoziologie gezählt. Für ihn haben soziale Konflikte eine notwendige Funktion, um das Gesamtbestehen von sozialen Strukturen (Bsp. Gruppe oder Gesellschaft) zu sichern. Zu guter letzt folgert Kaesler als Basis des Konfliktfunktionalismus die Arbeiten von Max Scheler und Siegmund Freud [4].

Nach dem gedanklichen Fundament können wir nun Bezug nehmen auf den Begründer dieser Theorie. Es war Lewis A. Coser, der mit seinem Werk bzw. Dissertation „The Functions of Social Conflict“ eine analytische Neuerklärung des Begriffs „sozialer Konflikt“ vor. Dabei untersucht er den Stand der US – amerikanischen Sozialforschung in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts und schuf dabei ein richtungweisendes Werk. Coser selbst, geboren am 27.11.1913 mit dem Namen Ludwig Cohen in Berlin [5]. Obwohl sein wissenschaftliches Werk erst umfassend in den USA begann, wurde er geprägt durch die europäische soziologische Tradition wie auch die Traditionslinien seiner Theorie belegen. Nicht zuletzt weil er in Paris ab 1933 studierte und dort bis zu seiner Flucht verweilte.

Emigration und Exil

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Ludwig Cohen, der später aufgrund des zunehmenden antisemitischen Klimas seinen Namen auf Lewis Alfred Coser änderte, war Sohn eines Börsenmaklers. Im Alter von 20 Jahren entschied sich Coser auch aufgrund seiner marxistischen Einstellung nach Frankreich zu übersiedeln und dort in Sorbonne zu studieren. Anfangs war sein Hauptfach die Belletristik. Jedoch schützte ihn die Übersiedelung nach Paris nicht vor einem deutschen Internierungslager. Dennoch schaffte es Coser 1941 über Portugal in die vereinigten Staaten (New York) auszuwandern. Dies gelang jedoch nur durch die Hilfe von Rose Laub, ebenfalls gebürtige Berlinerin, die ihm die Genehmigung zur Einreise in die USA verschaffte. Sie hatte zwei Jahre zuvor Deutschland verlassen. Ein Jahr später heirateten sie und blieben bis zum Tod Laubs im Jahre 1994 eine Ehe - und Arbeitsgemeinschaft. Zunächst hatte das Paar eine beengte Lebenssituation in der neuen Heimat. Coser schlug sich mit Jobs als Packer, Garderobier und Übersetzter durch. Doch es gelang ihm ein Doktorat an der Columbia-University zu erlangen. Dies war der Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere[6].

Coser veröffentlichte zahlreiche Artikel und rund 20 Bücher welche zu Beginn keineswegs nur der Soziologie zuordenbar gewesen sind. Er nahm rege an politisch-ideologischen Auseinandersetzungen teil. Zusammen mit Irving Howe gründete er marxistisches Magazin, wobei seine Intention mehr ethisch als politisch gewesen ist. Er war zeit seines Lebens sowohl wissenschaftlich als auch politisch engagiert.

Coser war für folgende Universitäten im Laufe seiner Karriere tätig[7]:

Theoretisches Wirken im neuen Umfeld

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Eine weitere Persönlichkeit, die sowohl dieser Theorie als auch Coser als Wegbereiter diente, war Robert K. Merton. Merton war selbst Sohn von jüdischen Einwanderern aus Osteuropa. Er war Schüler und Beeinflusster von Talcott Parsons. Parsons hat seine Handlungstheorie zum Strukturfunktionalismus weiterentwickelt und wurde so zu einem der einflussreichsten Soziologen in den USA. Zwischen Ihm und Merton bestanden jedoch immer unterschiedliche Denkweisen welche sich in Ihren Werken auch deutlich machen [8]. Merton war auch ein Mitarbeiter bei Projekten von Paul F. Lazarsfeld, ebenfalls ein Betroffener des Braindrains. Coser schaffte es, die in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts vorherrschende soziologische Paradigma der strukturfunktionalistischen Theorie der US – Amerikaner mit dem damals stark abweichenden europäischen Theorieerbe des 19. Jhdt, allen voran Georg Simmels zu verbinden. [9]

Coser grenzt sich bei seiner Analyse von Tacott Parsons radikal ab, der dem Konflikt die Eigenschaft einer „Krankheit“ zusprechen würde und ihm keine Funktion zur Veränderung für den sozialen Wandel zuspricht. Auch entwarf Coser keine radikale Konflikttheorie wie etwa Ralf Dahrendorf, die den Kampf um Macht und Ausübung von Zwang in dem Mittelpunkt soziologischen Denkens in diesem Kontext rückt. Er entwarf im engeren Sinne keine Konflikttheorie sondern untersuchte die positiven Funktionen des sozialen Konfliktes für Gruppen sowie der Gesellschaft. [10] [11]

Im Vorwort der deutschen Fassung seines Hauptwerkes „Theorie sozialer Konflikte“ 1965 heißt es

Das vorliegende Buch versucht den Begriff des sozialen Konflikts zu klären und dabei gleichzeitig die Anwendung dieses Begriffs in der empirischen Sozialforschung zu untersuchen." (Coser, 1965, S.9)

Für Dahrendorf definiert sich der soziale Konflikt als Kampf um Werte und Anrecht auf Status, Macht und Mittel. Ein Kampf, in dem zuwiderlaufende Interessen einander entweder neutralisieren, verletzen oder ganz ausschalten. Coser entwirft eine neue Hypothese dass Konflikte nicht allein als negativ oder dysfunktional für Akteure, Gruppen oder Gesellschaften wirken, sondern als funktional. Der soziale Konflikt kann eine Reihe positiver Funktionen erfüllen, wie z.B. die Aufrechterhaltung von Gruppengrenzen. Hier übernimmt er Simmels Sichtweise die dem sozialen Konflikt eine Funktion der Sozialisation gibt. [12]

Coser bezieht sich in seinem Werk auf den Titel "Der Streit" als viertes Kapitel von Georg Simmel. Er beginnt jedes Kapitel mit einer Aussage von Simmel und untersucht diese zum einen welche die Konfliktintensität steigern oder verringern könnten und zum anderen in Bezug zu den intern und extern integrativen Funktionen des Konflikts für die daran Beteiligten.

Münch folgert 22 Thesen aus den Einsichten von Coser:

Konfliktintensität[13]

1. Je mehr Möglichkeiten für das offene Ausdrücken von Unzufriedenheiten in einer sozialen Beziehung vorhanden sind, je mehr Institutionen es dafür in einer Gesellschaft gibt […], und je weniger die Verschiebung sozialen Wandel verhindert und die ursprüngliche Unzufriedenheit verstärkt, umso unwahrscheinlicher ist es, dass ein Konflikt in einer höchst intensiven, feindseligen und störenden Form zum Ausbruch kommt."

2. Je mehr Alternativen der Konfliktaustragung ein Akteur hat, um ein spezifisches Ziel zu erreichen, desto weniger intensiv wird der Konflikt ausgetragen.

3. Je frustrierter ein Akteur aus seiner früheren Erfahrung heraus ist, desto intensiver wird er seine Feindseligkeit gegen irgendein beliebiges Objekt richten.

4. Je mehr ein realistischer sozialer Konflikt mit allgemeinen feindseligen Impulsen verbunden wird, desto intensiver wird dieser Konflikt ausgetragen.

5. Wann immer man eine enge Beziehung eingeht, weist diese Beziehung gleichzeitig positive und negative Gefühle auf.

6. Je enger eine Beziehung, desto intensiver der Konflikt.

7. Je mehr ein Konflikt über eine spezifische Angelegenheit ideologische Positionen mit einbezieht, desto intensiver wird der Konflikt ausgetragen.


Interner Konflikt und interne Integration[14]

8. Je mehr Möglichkeiten zur Konfliktaustragung in lose strukturierten Gruppen und offenen Gesellschaften vorhanden sind, und je mehr grundlegende Übereinstimmung über Werte herrscht und der ideologische Konflikt innerhalb dieser Grenzen gehalten wird, desto mehr führt die Austragung des Konflikts zur Wiederherstellung von Einheit und Konsens.

9. Je stärker und stabiler eine soziale Beziehung ist, desto weniger wird ihre Integration durch einen offenen Konflikt gefährdet und desto mehr Raum lässt sie für eine offene Austragung des Konflikts.


Externer Konflikt, interne Integration und Identität[15]

10. Je mehr soziale Gruppen in Konflikte mit anderen Gruppen involviert sind, desto mehr werden ihre Grenzen und ihre Identität immer wieder neu bestätigt.

11. Je mehr zwischen einer sozialen Gruppe und einer anderen Gruppe ein externer Konflikt besteht, desto mehr wächst der innere Zusammenhalt der Gruppe.

12. Je kleiner eine soziale Gruppe, je weniger fest sie etabliert ist und je mehr sie in externe Kämpfe mit der Außenwelt verstrickt ist, desto intoleranter sie im Inneren und desto mehr wird sie interne Abweichungen und Konflikte unterdrücken.

13. Je strenger eine soziale Gruppe geführt ist, und je schwächer und instabiler ihre originäre Solidarität ist, desto mehr wird ihre Führung Konflikte mit einem äußeren Feind bzw. mit einem einlernen Abweichler provozieren, um einen Druck der Gruppe in Richtung von internem Gruppenkonformismus zu erzeugen.


Externer Konflikt und externe Integration[16]

14. Je mehr soziale Gruppen in einer Gesellschaft miteinander im Konflikt stehen, desto mehr werden wie ihre Grenzen bestätigen und desto mehr werden sie die soziale Mobilität minimieren; somit stabilisieren sie die bestehende soziale Struktur.

15. Je mehr Menschen oder Gruppen sich zusammenfinden, um Konflikte auszutragen, desto mehr knüpfen sie sozialer Bande untereinander, die gegenseitigen Respekt und Achtung entstehen lassen und zur Institutionalisierung gemeinsamer Normen der Konfliktaustragung führen.

16. Je mehr die Menschen bei geregelten Sportwettkämpfen zusammenkommen, desto mehr knüpfen sie freundschaftliche Beziehungen.

17. Je mehr eine Gesellschaft Konflikte über Normen in normativ geregelten Verfahren austrägt, desto mehr wird sie zur Einrichtung gemeinsamer Normen gelangen und dadurch neue soziale Bande schaffen.

18. Je mehr eine Gesellschaft Konflikte mit Abweichlern austrägt, desto mehr bestätigt sie ihre Normen und die bestehenden sozialen Bande neu.

19. Je mehr Gruppen das Verhalten ihrer Gegner vorhersehen wollen, desto mehr werden sie an ihrer Einheit interessiert sein.

20. Je mehr Gruppen gegenseitig ihre Kräfte in der Konfliktaustragung messen, desto mehr werden sie in der Lage sein, die Kräfte ihrer Gegner richtig einzuschätzen und so ein Gleichgewicht der Kräfte herzustellen.

21. Je mehr eine Gruppe sich in einem Konflikt mit einer gegnerischen Gruppe befindet, desto mehr wird sie vorhandene Vereinigungen und Koalitionen mit anderen Gruppen bestätigen oder neue eingehen.

22. Je mehr Vereinigungen und Koalitionen über den spezifischen Grund der gegenseitigen Hilfe hinausreichen und frühere Beziehungen und gemeinsame Standpunkte involvieren, desto dauerhafter werden diese Vereinigungen und Koalitionen sein.

Wirkungsgeschichte der Theorie – Rückkehr nach Europa

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Cosers Konfliktfunktionalismus steht dem Funktionalismus näher als allgemeinen Konflikttheorien[17]. Möglicherweise ist hier seine Biografische Entwicklung – zuerst Europa dann USA – mitverantwortlich. Geprägt durch den Marxismus und den europäischen Soziologen des 19. Jhdt. allen voran Georg Simmel erweiterte Coser sein theoretisches Wissen durch Merton und Lazarsfeld sowie in negativer Abgrenzung zu Parsons [18] um den Funktionalismus. Das Ergebnis ist eine Synthese beider Denktraditionen in Form einer eigenständigen Theorie, welche nur wenigen Wissenschaftlern möglich war. Auch Ralf Dahrendorf konnte an Coser und Simmel bei seiner Konflikttheorie nicht vorbei, auch wenn er dem Funktionalismus hierzu wenig Erklärungskraft attestiert. Für Dahrendorf sei der Konflikt im Funktionalismus lediglich eine Abweichung gegenüber den Integrations- und Harmonieleistungen des Systems [19].

Coser erregte mit zwei weiteren Büchern 1965 aufsehen: In "Men of Ideas - A Sociologist's View" und "Masters of Sociological Thought. Ideas in Historical and Social Context" recherchiert er, dass von 258 US – amerikanischen soziologischen Klassikern vor dem ersten Weltkrieg 61 evangelische Theologie studiert hatten und 18 weitere in evangelischen Akademien geschult wurden [20] .

Scheuch folgert weiter:

„Vor dem Ersten Weltkrieg kann die Soziologie in den Vereinigten Staaten als eine säkularisierte Form engagierten Protestantismus verstanden werden, das nur innerweltlich gesellschaftliche Probleme durch Analysen bewältigen wollte.“ (Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über [2])

Diese verzerrte Lage der wissenschaftlichen Herangehensweise an soziologische Probleme konnte durch den Braingain aus Europa ausgeglichen werden. Coser lieferte auch einen Beitrag zur Wissenschaftssoziologie insbesondere in Bezug auf den Braindrain in der NZ – Zeit. In dem Werk "Refugee Scholars in Amerika" 1984 veröffentlichte er den Lebensweg von Intellektuellen, die aus ihrer Heimat auswandern mussten und in die USA immigrierten. Unter ihnen waren Persönlichkeiten wie Hannah Arendt, Leo Strauss oder Paul Tillich. Coser wies darauf hin, dass die Soziologen Teil eines wissenschaftlichen Klimas sind, das sich mit Wissenschaft im spezielleren Sinne nicht interpretieren lässt[21].

Coser glänzte zu seinen Lebzeiten mit einem sehr breiten Wissen sowohl in Bezug auf die Soziologie als auch über die Literatur des 19. und 20 Jhdt. Er wollte den US – amerikanischen Soziologen so literarisch anspruchsvolle Beschreibungen über Sachverhalte liefern, die in der Soziologie wohl aufgegriffen wurden, jedoch nicht so eindrucksvoll geschildert werden. Sein Ziel war es, dass die Beziehungen zwischen der Soziologie und den Kulturwissenschaften ernst genommen wurden[22]. Anhand des Stellenwertes der heutigen Soziologie als fester Bestandteil der Kulturwissenschaften kann man eine gelungene Zielsetzung diagnostizieren.

Coser lieferte in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts unfreiwillig Lösungsansätze gesellschaftlicher Probleme in den USA. Diverse Bewegungen, u.a. „civil rights movement“ und Studentenbewegungen, die die jüngere Generation von Soziologen beschäftigte. Cosers Ergebnis, dass Konflikte ein Gesellschaftssystem gefährden könnte, wenn es sich starr und unbeweglich in Interessenkonflikten verhielt, wurde von vielen der 68er Bewegung als Aufforderung zur Zerstörung von diesen Systemen falsch verstanden. [23]

Der Konfliktfunktionalismus und Lewis Coser hinterließen keine direkte Schulen sowie keine direkten Vertreter. Man kann feststellen, dass bei allen Werken zur Konflikttheorie eine Auseinandersetzung mit Cosers Werk unabdingbar ist. Dies gilt sowohl für US – amerikanische als auch europäische Soziologen. Coser kehrte seiner alten Heimat für immer den Rücken.

Kaesler unterstreicht trotz mancher missverstandener Erkenntnisse in den 60er Jahren:

„[...]Dennoch behält „The Functions of Social Conflict“[...] seinen unbestrittenen klassischen Platz als Beitrag zur theoretischen Konfliktforschung in der internationalen Soziologie.“
(Kaesler / Vogt, 2000, S.83)

Vertreter (alphabetisch)

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Vorläufer der Konfliktfunktionalismus

Wegbereiter Cosers:


Einzelnachweise

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  1. Vgl. Kaesler/Vogt, 2000, S.81
  2. Vgl. Weber, 1984, S.65f
  3. Vgl. Kaesler, 2003, S.158f
  4. Vgl. Kaesler/Vogt, 2000, S.81
  5. Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über | In memoriam Lewis A. Coser
  6. Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über | In memoriam Lewis A. Coser
  7. Vgl. Münch, 2004, S.331
  8. Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über | In memoriam Lewis A. Coser
  9. Vgl. Kaesler / Vogt, 2000, S.80f
  10. Vgl. Münch, 2004, S.331f
  11. Vgl. Kaesler / Vogt, 2000, S.81
  12. Vgl. Kaesler / Vogt, 2000, S.81
  13. Münch, 2004, S.333f
  14. Münch, 2004, S.336
  15. Münch, 2004, S.337f
  16. Münch, 2004, S.339ff
  17. Vgl. Münch, 2004, S.345
  18. Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über | In memoriam Lewis A. Coser
  19. Balla, Bálint zitiert in :Endruweit/ Trommsdorff, 2002, S.282
  20. Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über | In memoriam Lewis A. Coser
  21. Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über | In memoriam Lewis A. Coser
  22. Vgl. Scheuch, 2003, verfügbar über | In memoriam Lewis A. Coser
  23. Vgl. Kaesler / Vogt, 2000, S.82f

Epilog und Rezeption

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Hier werden Parallelen und innovative Erkenntnisse der bearbeiteten Theorien herausgearbeitet und dokumentiert.
  • Resümee zu den Anfängen der nordamerikanischen Soziologie

Am 3. Februar 1890 wurde um 17:00 Uhr im „Department of Sociology“ an der „University of Kansas“ von Frank Wilson Blackmar zum ersten Mal eine Vorlesung zum Thema „Elements of Sociology“ gehalten. Blackmar war Professor für Soziologie und Geschichte. Tatsächlich gab es bereits viele Soziologen schon vor dem Ersten Weltkrieg und seit der Jahrhundertwende war die Soziologie in den USA fester Bestandteil des geregelten Unterrichts.

Ein wesentlicher Unterschied zur Soziologie in Europa lag jedoch darin, dass die Soziologie in Nordamerika bis in die 1920er Jahre als „Social Gospel“ verstanden wurde, einer Mischung aus christlicher Gesinnung, Wissenschaft und Weltverbesserung, mit dem Anspruch durch Auswertung und Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse Lösungen zu erarbeiten. So mancher Soziologe war ein baptistischer Pfarrer wie Charles R. Henderson oder Albion W. Small. Die Notwendigkeit entstand vordergründig aus den spezifischen „Hot Spots“ jener Zeit, wie es sie beispielsweise in Chicago gab und durch Robert E. Park in seinem Buch „The City“ beschrieben wurden. Beispiele sind dafür Immigration und Masseneinwanderung aus allen Teilen der Welt, vorzüglich jedoch aus Europa, das rasche Wachstum der Städte und vor allem auch die Rassenproblematik. Ein entscheidendes Problem war auch die nicht vorhandene sozialpolitische Absicherung. Es fehlte an jeglicher Sozial- und Krankenversicherung, Wohlfahrtspflege und Krankenvorsorge. An dieser und ähnlicher Problematik versuchte die nordamerikanische Soziologie der damaligen Zeit durch wissenschaftliche Kenntnisse Herr zu werden.

Theoretisch wurde sie hierbei entscheidend durch die europäische Soziologie beeinflusst. Sei es durch Herbert Spencer, Ferdinand Tönnies oder Max Weber. Ein besonderes Augenmerk lag auf Georg Simmel, der durch seine Konfliktsoziologie die Chicagoer Schule maßgeblich beeinflusste. Die Verwissenschaftlichung der nordamerikanischen - bis dahin als teilweise „unredlich“ titulierten Soziologie - begann initial mit Robert E. Park. Sie orientierte sich auch stark an der europäischen Wissenschaft, wo Forschung einen hohen Stellenwert hatte und das empirisch gehaltene „Social Gospel“ wurde mehr und mehr durch theoretisch abgesicherte Begriffe ersetzt und führte so zu einer typisch nordamerikanischen Stadtsoziologie und Sozialökologie, die in einer empirischen Orientierung begründet lag. Obwohl die nordamerikanische Soziologie fortan abstrakter wurde, wurde ihr Fokus auf soziale Problemfelder und reale Tätigkeiten beibehalten. Dieser Aufschwung hielt bis in die Mitte der 1930er Jahre, wandelte sich dann der Schwerpunkt von Chicago an die Universität von Harvard, denn dort begann der Augstieg des seit dort 1931 unterrichtenden Talcott Parsons (1902 – 1979), dessen Theorien die soziologischen Debatten bis in die 1960er Jahre dominierten.


  • Synchrone und divergierende Verläufe der Frankfurter Schule und der Wiener Empirie

Bei der Beschäftigung mit der Kritischen Theorie der Frankfurter sowie der Wiener Empirie sind weniger die inhaltlichen Parallelitäten als vielmehr die äußeren Umstände als auffällig zu sehen. Und der Beobachter fragt sich schließlich, warum es hier nicht zu einer Synthese kommen konnte, da sie beide nach New York emigriert sind und noch andere Parallelitäten aufweisen.

Dafür sollen zunächst die Parallelitäten aufgezeigt werden. Noch in Europa gab es bereits einen wissenschaftlichen Austausch zwischen Lazarsfeld und der Frankfurter Schule. Und auch in den USA ergab sich eine Zusammenarbeit, da Adorno in die USA folgte und Arbeit suchte. Deswegen erhielt er von Lazarsfeld die Leitung der Music Study in seinem Forschungsprogramm, da Horkheimer ihn unterstützte. Lazarsfeld und auch die meisten Vertreter der Frankfurter Schule haben jüdische Wurzeln und allesamt sind sie in die USA nach New York emigriert. Ihre politische Richtung war gleichermaßen linksorientiert und vom Marxismus geprägt.

Jedoch, und das sind nun die gravierenden Unterschiede, kam Lazarsfeld aus dem Kleinbürgertum, während die Frankfurter aus dem Großbürgertum stammten. Dadurch war eine unterschiedliche soziale Herkunft gegeben. Horkheimer sorgte stets dafür, dass sein Institut in New York dem intellektuellen Ansprach entsprach und sah sich in der Tradition der deutschen Aufklärung. Neben der philosophischen Tradition sahen sie auch ihren Aufenthalt in den USA als vorübergehend an. Sie lehnten die Erstellung ihrer Werke in englischer Sprache ab und wollten sich nicht integrieren. So empfanden sie sich als Europäer, weshalb sie auch als arrogant galten. Anders Lazarsfeld, der günstige Bedingungen in den USA sah und sich anpasste. Er schrieb seine dortigen Werke in englischer Sprache. Auch wenn beide eine linkspolitische Einstellung hatten, so gestaltete sich ihre politische Arbeit gänzlich unterschiedlich. Lazarsfeld betätigte sich aktiv in der Sozialdemokratie und legte diese Tätigkeit allerdings in den USA nieder. Die Frankfurter waren Linksintellektuelle, die kaum auf Erfahrungen aktiver politischer Betätigung zurückgreifen können. Sie behalten in den USA diese intellektuelle Ansicht bei. Da sich beide Richtungen in verschiedener Weise der Realität annäherte, kam es unweigerlich auch zu methodischen Konflikten. Diese zeigten sich in der Zusammenarbeit von Adorno und Lazarsfeld. Dabei warf Lazarsfeld Adorno vor, dass dieser seine Theorie nicht anhand der Empirie überprüfen lassen wolle. Er forderte Evidenzen für dessen Theorie. Adorno hingegen lehnte die Kommerzialisierung der Forschung, wie sie in der Marktforschung geschah, entschieden ab. Er sah in dieser Forschung nur eine Datensammlung, aber nicht die Erklärung von sozialen Phänomenen. Zudem fühlte er sich beleidigt, dass seine Theorie zur reinen Spekualation werde, die sich mit der Empirie erst bestätigen müsse.

Das Ergebnis dieser Kontroverse war schließlich, dass es zu keiner weiteren Zusammenarbeit kam und die Spannung aufrecht blieb. Es zeigt sich, dass trotz ähnlicher Emigrationsverläufe noch andere Faktoren in der Forschung mitspielen. Zudem ist auch die soziale Herkunft von Bedeutung. Interessant ist, dass dieser Konflikt eigentlich kennzeichnend für die Soziologie der Nachkriegszeit war. Auf der einen Seite stand die empirische Richtung, die sich politisch anpasste und nicht auffallen wollte, vorwiegend Daten sammelte und sich auf die Statistik konzentrierte. Die andere Richtung war die Sozialkritik, die sich nicht um die Konfrontation mit der Wirklichkeit kümmerte. Während Adorno noch in der Tradition der europäischen Gebildeten stand, zählte Lazarsfeld zu den Forschungstechniker, die erstere allmählich ersetzen.


  • Resümee zum Ansatz "Lebenswelt und soziale Konstruktion der Wirklichkeit"

Der wohl interessanteste Aspekt an der Entstehung und Wanderung dieses theoretischen Ansatzes ist die Verflochtenheit der Lebensumstände der relevanten Akteure mit ihrer Auffassung von den sozialen Strukturen der Wirklichkeit und wie eine Theorie, die diese zwar manifesten aber veränderlichen Strukturen beschreibt, ausgerichtet sein müsse. Die wichtigsten Vertreter wie Schütz, Berger, Luckmann haben alle bereits in ihrer Herkunftsnation, fundamentale Umgestaltungen der gesellschaftlichen Strukturen durch politische und militärische Umwälzungen erfahren müssen. Ihre Emigration nach Amerika bestätigt diese Erfahrungen und zeigt den Akteuren erneut auf, wie das gesellschaftliche Gefüge aus veränderlichen Faktoren der Reziprozität von Perspektiven und Relevanzen, der Erwartungssicherheit und aus aufgeschichteten Wissens- und Erfahrungssphären in unterschiedlichen Gegebenheiten von Zeitlichkeit und Räumlichkeit besteht. Das Leben in einer „stabilen“ oder vielleicht „konservativen“ Gesellschaft, in der Institutionen manifest und unabänderlich sind, in der tradiertes Wissen etabliert und wenig Bewegung im Sinne von strukturellen Veränderungen (Erneuerungen) gegeben ist, ein derartiges Umfeld würde die Sicht auf eine soziale Konstruktion der Wiklichkeit hinter der vermeintlichen Stabilität und (Erwartungs-)Sicherheit verbergen.

Das Verhältnis zu anderen soziologischen Theorien ist im Falle der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit ein durchaus verbindendes. Bereits der Briefwechsel zwischen Schütz und Parsons zeigt, dass Schütz nicht der Auffassung war sich in einem Widerspruch zum Strukturfunktionalismus zu befinden. Leider haben die beiden Autoren es nicht vollbracht, einen wissenschaftlichen Konsens zu erarbeiten. Luckmann gelingt es schließlich ein Konzept vorzustellen, das unter Bewahrung der Weber’schen sinnverstehenden Tradition (ausgehend vom Individuum), den Versuch eines Brückenschlages unternimmt, von einer Handlungstheorie hin zu einer Gesellschaftstheorie. Es sind Individuen, die handeln, und Handlungen, welche die Wirklichkeit konstruieren. Ihren objektiven Charakter erhält die Wirklichkeit erst indem sie von mehreren geteilt wird, also intersubjektiv ist. So lassen sich neben der individuellen Handlungsmotivation auch Normen bzw. soziale Tatsachen in das Konzept einbinden. 1965 remigriert Luckmann nach Deutschland und folgt einem Ruf an die Universität Frankfurt, wo er sich nun Seite an Seite mit der ebenfalls remigrierten Kritischen Theorie wieder findet. Die Kritische Theorie (Frankfurter Schule) vertritt eine ganz andere Auffassung von der Aufgabe der Soziologie als Wissenschaft als Luckmann dies tat. Ihr geht es um das „falsche Bewusstsein“, um den Kampf wahrer gegen falsche Lebensform und so ist es kein Wunder, dass Luckmann relativ bald seinen Wirkungsort verlagerte.

Die Wirkungsweise der Begriffe ‘Braindrain’ und ‘Braingain’ zeigt sich in im Ansatz zur sozialen Konstruktion der Wirklichkeit in beinahe mustergültig ausgeprägter Form, ebenso kommt die Zeitverschiebung im Zugänglich-werden wissenschaftlichen Wissens, durch v.a. sprachliche Barrieren, bestens zum Ausdruck. Schütz publiziert sein Erstwerk 1932 in deutscher Sprache, erst 1967 wird es in Englisch aufgelegt. 1971 und 1972 gelangen Schütz’ „collected papers“ auf den deutschsprachigen Buchmarkt, das heißt, dass im deutschsprachigen Raum erst in den 70er Jahren eine spracheinheitliche Gesamtschau auf sein Werk möglich war. Der US-Soziologie war dabei ein mehrjähriger Vorsprung vergönnt. Dennoch sollte man davon Abstand nehmen, von Vorteilen oder Nachteilen für den einen oder anderen Sprachraum zu sprechen. Gerade im Falle dieser Theorie liegt der Schluss nahe, dass gerade der Umstand der Emigration das Fundament für den theoretischen Zugang bildet. Und der Gewinn teilt sich letztlich auf alle Sprachräume und auf die Soziologie "an sich" auf.

Literaturverzeichnis

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  • Weber, Max (1984):
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  • Weber, Max (1972):
    "Wirtschaft und Gesellschaft."
    5. Auflage
    Tübingen, Mohr Siebeck.
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    " Kritik der Lebenswelt. Eine soziologische Auseinandersetzung mit Edmund Husserl und Alfred Schütz."
    Opladen, Westdeutscher Verlag.

Einzelnachweise

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Migrationssoziologie

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Einleitung

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[1]

Das Thema Fremdheit betrifft nicht nur einzelne Individuen oder Teilaspekte unserer Lebenswelt bzw. ist keineswegs ausschließlich ein Phänomen unserer aktuellen „multikulturellen - pluralen Gesellschaft“ . Vielmehr ist und war der Fremde schon immer Teil unserer Geschichte, wobei sich über die Jahrhunderte hinweg die Einstellung und Bewertung diesem gegenüber verändert hat. So lassen sich im Laufe der Geschichte die Sammler-und Jägerkultur, die Nomaden- und Völkerwanderung bzw. die unfreiwillige Massensauswanderung der Arbeitskräfte aus Afrika nach Nordamerika (z.B. Sklavenhandel im 17 Jhd.) und viele Beispiele mehr anführen.

Das heißt, bereits historisch - sei es durch Kriege, Eroberungen, Vertreibung oder durch den Handel - war der Fremde gesellschaftlich immer präsent. Auch in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft ist das Thema der Fremdheit auf unterschiedliche Art und Weise mit differenzierten Schwerpunktsetzungen beleuchtet und diskutiert worden. So hat beispielsweise die Politik im Bezug auf die heute viel diskutierte Asylproblematik oder Integrationsfrage sowie die Wissenschaft - sei es in der Psychologie, Soziologie oder Pädagogik - immer wieder Interesse an dieser Thematik gezeigt. Auch kulturell - im Theater, im Film oder in der Musik - wurde die Frage gestellt, was Fremdheit bedeutet, welche Emotionen ausgelöst werden und wie bzw. ob diese überhaupt überwunden werden kann. Fremdheit ist damit ein „globales Phänomen“ das nicht nur den Fremden welcher in der Fremde verkehrt, sondern auch jenen, der in seiner vertrauten Lebenswelt verharrt, betrifft. Demzufolge ist die Aktualität und Wichtigkeit des Themas durch die immer fortwährende direkte oder indirekte Konfrontation mit dem Fremden oder der Fremdheit begründet.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass es Migrationsbewegungen wie gerade festgestellt wurde zwar schon lange gibt, jedoch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser erst in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA begonnen hat. Die Soziologie beschäftigte sich damals mit der systematischen soziologischen Migrationsforschung erstmals an der Universität Chicago. Zu den klassischen Theoretikern der Migrationssoziologie sind eine Reihe an Namen wie Milton M. Gordon, Shmuel N. Eisenstadt, Alfred Schütz usw. zu nennen, die für aktuelle Migrationstheorien und Forschungsrichtungen einen überaus wichtigen Grundstein gelegt haben. Die Unterteilung zwischen der klassischen Entwicklungslinie der Migration sowie neueren Migrationstheorien findet sich in der weiter unten dargestellten Theorienmappe wieder.


Visualisierung der Migrationstheorien

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Einen übersichtlichen Zugang zu den Themen dieses Abschnittes bietet die folgende Theory Map (in der alle beschrifteten Elemente klickbar sind):

KlassikerEsserHoffmann-NowotnyGoffmanBaumannParsonsSimmelSchützGordonEisenstadtNeue TheorienMigration von FrauenSystemtheorieEthnisch plurale GesellschaftTransnationalismusAssimilation & AbsorptionWirtschaftswissenschaftGrundbegriffeMigrationstypenGründe für MigrationGrundlagenPsychosoziale FolgenMarginalisierungFolgen von Migration



  1. sämtliche Ausführungen im Text beziehen sich sowohl auf das weibliche als auch auf das männliche Geschlecht.

Musiksoziologie

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Einleitung

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''Es ist durchaus möglich, Musik während des ganzen Lebens folgenlos zu ignorieren; besser: es scheint möglich zu sein. Zum anderen verfügt Musik über die Eigenheit, sich immer und überall auf zwingende Weise mit dem Menschen zu zeigen- in jedem wirtschaftlichen, sozialen, politischen System, unbeschadet der Zeitalter, der geografischen, der klimatischen Bedingtheiten, unabhängig von bestehenden oder nicht bestehenden Sorgen und Problemen. Nicht Arbeitslosigkeit und nicht Hungersnot, nicht Terrorismus und nicht Naturkatastrophen sind geeignet, eine Menschheit ohne Musik hervorzubringen. [1]


Die Musiksoziologie ist eine noch junge Wissenschaftsdisziplin innerhalb der Soziologie. Das vorliegende Projekt stellt einen Versuch dar, den derzeitigen Forschungsstand dieses sehr bunten Fachgebietes im Blick auf die wissenschaftstheoretischen Hintergründe zu untersuchen. Die Darstellung der Methoden der Musiksoziologie soll zunächst in die Problematik des Verstehens von Musik aus soziologischer Sicht einführen. Zur Aufbereitung der theoretischen Fundamente der Musiksoziologie werden in einem weiteren Schritt die Klassiker der Soziologie, deren Vordenker und Erben, im Hinblick auf ihren Beitrag zu diesem musiksoziologischen Grundgerüst, chronologisch untersucht. Die nachstehende Theory-Map, welche wie ein Musikstück nach der Sonatenhauptsatzform von der Einleitung über Exposition, Durchführung und Reprise hin zur Coda führt, soll dazu einen Überblick geben. Dabei wird der historische Werdegang der Musiksoziologie in Relation zu den jeweiligen soziologischen Theorien aufgezeigt, wobei versucht wurde, „Theoriestränge“, die einander rückblickend stark geprägt oder bedingt haben, in einer Linie darzustellen. Soziologen, die das Themenfeld des musikalischen Handelns im Speziellen behandelt haben, wurden rot, jene, die die Musiksoziologie „nur“ indirekt geprägt haben, schwarz gekennzeichnet. Anhand der an die Theory Map anschließenden Tabelle, sollen in der Folge die bearbeiteten Themenfelder der Musiksoziologie noch einmal gebündelt dargestellt werden. Auf dieser Seite findet sich also ein anschaulicher Überblick über die Musiksoziologie sowie ein ausführlicher Literaturhinweis wieder. Die konkrete inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik und damit die vollständige Version der Arbeit wurde aus urheberrechtlichen Gründen auf die Homepage der Universität Salzburg verlegt.

Übrigens: Die über die Theory Map verlinkte Langform dieser Arbeit können Sie auch als stringent formatiertes PDF lesen.

Theory Map

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In der folgenden Theory Map sind alle Namen und sonstigen Inhaltselemente auf die entsprechende Stelle in der Langform dieser Arbeit (die wie oben schon erwähnt aus urheberrechtlichen und praktischen Gründen auf einem Server der Univ. Salzburg liegt) verlinkt. Das Laden der Datei hinter den Links in der Theory Map kann aufgrund ihrer Größe manchmal etwas länger dauern.


InhaltVorwortMethodenPlatonDescartesSchützTenbruckMertonBourdieuLuhmannGoffmanMarxDarminCompteTardeSpencerSimmelVeblenCombarieuAdornoDahrendorfHabermaasEngelMüllerSilbermannKlausmeierBlaukopfKneifBühlRommenhöllerKadenEngelGabrielSchlusswortLiteraturMeadDurkheimWeber

Übersicht über die Themenfelder des Musiksoziologie

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Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht darüber, welche Soziolog/inn/en sich mit welchen Themen der Musiksoziologie beschäftigt haben. Jeder Vermerk hat seine Entsprechung in der Langform dieser Arbeit. Auf eine Verlinkung wurde hier verzichtet, weil die vielen dafür nötigen Links diese Seite sehr langsam machen würden.


Eine auch als Tabelle formatierte und teilweise auch verlinkte Version dieser hier als Bild formatierten Tabelle können Sie hier aufrufen.

Literaturliste

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„Solange auch nicht die geringste Einigkeit darüber zu erzielen ist, was denn Musiksoziologie eigentlich sei, welchen Stellenwert sie innerhalb der Musikwissenschaft einnehme, welche Wissenschaftstheorien, welche Methoden die ihr angemessenen seien, solange wird eine musiksoziologische Literaturliste immer unvollständig bleiben." [2]


  • Adorno, Theodor, W. (1959):
    "Klangfiguren. Musikalische Schriften I."
    Frankfurt.
  • Adorno, Theodor, W. (1962):
    "Einleitung in die Musiksoziologie."
    Frankfurt.
  • Adorno, Theodor, W. (1969):
    "Dissonanzen, Musik in der verwalteten Welt, 4. Ausgabe."
    Göttingen.
  • Adorno, Theodor, W. (1969):
    "Impromptus. Zweite Folge neu gedruckter musikalischer Aufsätze, 2.Auflage."
    Frankfurt.
  • Almer, Wolfgang (2002):
    "Strukturen und Strategien der Musikwirtschaft im Umgang mit verallgemeinerten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen."
    Linz.
  • Blaukopf, Kurt (1982):
    "Musik im Wandel der Gesellschaft. Grundzüge der Musiksoziologie."
    München, Zürich.
  • De la Motte-Haber, Helga/ Neuhoff, Hans (Hrsg):
    "Musiksoziologie. Handbuch der systematischen Musikwissenschaft, Band 4:"
    Lappersdorf.
  • Bühl, Walter Ludwig (2004):
    "Musiksoziologie Band 3 aus: Krakauer, Peter Maria (Hrsg.)."
    Bern.
  • Descartes, Renatus (1992):
    "Musiceae Compendium. Leitfaden der Musik herausgegeben und ins Deutsche übersetzt von Johannes Brockt, 2. unveränderte Auflage."
    Darmstadt.
  • Engel, Gerhard (1980):
    "Musik und Wissenschaft. Zur Wissenschaftslehre, Ästhetik und Didaktik der Musik aus der Sicht des neueren Kritizismus in: Jakoby, Richard (Hrsg.): Schriftenreihe zur Musikpädagogik."
    Frankfurt am Main. Berlin. München.
  • Engel, Gerhard (1990):
    "Zur Logik der Musiksoziologie. Ein Beitrag zur Philosophie der Musikwissenschaft"
    Tübingen.
  • Engel, Hans (1960):
    "Musik und Gesellschaft. Bausteine zu einer Musiksoziologie."
    Berlin. Halensee.
  • Engel, Hans (1986):
    "Musik der Zeiten und Völker. Eine Geschichte der Musik von den Anfängen bis zur Gegenwart."
    Wiesbaden.
  • Gabriel, Manfred (1994):
    "Zwischen den Stühlen: Das zeitgenössische Musiktheater und sein Komponist. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg."
    Salzburg.
  • Gabriel, Manfred (1997):
    "Musik und Paradigma. Eine soziologisch-handlungstheoretische Erklärungsskizze mit Fallbeispielen aus der Neuen Musik nach 1945 in: Fischer, Michael/ Hoyningen-Huene, Paul (Hrsg.) Paradigmen. Facetten einer Begriffskarriere, Band 17 der Salzburger Schriften zur Rechts-, Staats- und Sozialphilosophie."
    Frankfurt am Main.
  • Großmann, Rolf (1991):
    "Musik als Kommunikation. Zur Theorie Musikalischer Kommunikationshandlungen Band XIV in: Barsch, Achim/Linke, Peter/ Hauptmeier, Helmut/ Kindt, Walther/ Meutsch, Dietrich/ Rusch, Gebhard/ Schmidt, Siegfried/ Viehoff, Reinhold/ Zobel, Reinhard (Hrsg.): Konzeption Empirische Literaturwissenschaft."
    Braunschweig.
  • Haselauer, Elisabeth (1980):
    "Handbuch der Musiksoziologie."
    Wien.
  • Kaden, Christian (1984):
    "Musiksoziologie"
    Wilhelmshaven.
  • Klausmeier, Friedrich (1978):
    "Die Lust, sich musikalisch auszudrücken. Eine Einführung in sozio-musikalisches Verhalten, 1.Auflage."
    Reinbek bei Hamburg.
  • Kneif, Tibor (1971):
    "Musiksoziologie."
    Köln.
  • Müller, Renate (2003):
    "Soziokulturelle Musikpädagogik – unreflektiert? Eine Entgegnung auf Vogts Frage „Empirische Forschung in der Musikpädagogik ohne Positivismusstreit?“. In: Zeitschrift für Kritische Musikpädagogik, Als elektronischer Artikel 2003, S. 4 [3], abgerufen 7. Mai 2009
  • Müller Renate (2004):
    "Musiksoziologische Grundlagen", In: Hartogh, Theo/Wickel, Hans Hermann (Hrsg.):Handbuch Musik in der sozialen Arbeit
    Juventa.
  • Parzer, Michael (2007):
    "Zur Musik der Gesellschaft. Zur Interdisziplinarität musiksoziologischer Forschung, Bericht der 3. Jahrestagung der Arbeitsgruppe Musiksoziologie/Sektion Kultursoziologie der DGS. Universität für Musik und darstellende Kunst."
    Wien.
  • Rummenhöller, Peter (1978):
    "Einführung in die Musiksoziologie in: Schaal, Richard (Hrsg.): Taschenbücher zur Musikwissenschaft."
    Wilhelmshaven.
  • Vogt, Jürgen (2003):
    "Empirische Forschung in der Musikpädagogik ohne Positivismusstreit? Zum 100. Geburtstag Theodor W. Adornos. In: Vogt, Jürgen (Hrsg.) Zeitschrift für kritische Musikpädagogik. Elektronischer Artikel. www- Dokument: http://home.arcor.de/zfkm/vogt5.pdf, abgerufen am 06.12.2008.
  • Weber, Max (1973):
    "Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre."
    Tübingen.

Einzelnachweise

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  1. Haselauer, Elisabeth (1980): Handbuch der Musiksoziologie. Wien, S.49.
  2. Rummenhöller, Peter (1978): Einführung in die Musiksoziologie in: Schaal, Richard (Hrsg): Taschenbücher zur Musikwissenschaft; Wilhelmshaven, S.248.

Soziale Ordnung

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GesellschaftsvertragInstitutionenInternalisierungKonflikteKonventionen


Einleitung

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[1]

Als eine der grundlegenden Fragen der Soziologie kann die folgende betrachtet werden: Wie ist soziale Ordnung möglich?

Wir leben in einer Welt in der unendlich viele Individuen mit unendlich vielen verschiedenen Charaktereigenschaften koexistieren. Deshalb haben sich einige der „Soziologen“ (zu dieser Zeit noch Philosophen, da der Begriff „Soziologe“ noch nicht vorhanden war) vorerst mit dem Naturzustand beschäftigt. Wie ist der Mensch? Ist er gut? Ist er schlecht? Wieso kooperiert er mit anderen Individuen? Wäre es nicht besser, wenn er seinen Weg egoistisch und alleine gehen würde?

In dieser alternativen Einleitung des Wikibooks "Soziologische Klassiker" soll näher auf diese Frage eingegangen werden. Beispiele, wie soziale Ordnung erklärt wird, bieten die folgenden: Soziale Ordnung aufgrund

  • der Spannungen zwischen Individuum und Gesellschaft
  • des Wunsches nach Interessenverwirklichung
  • von Strukturen und Sozialisation
  • von sozialen Beziehungen
  • von Verstand

Spannungen zwischen Individuen und Gesellschaft

Hierauf wird näher im Bereich „Gesellschaftsvertrag“ eingegangen. Die hier bearbeiteten Philosophen beschäftigten sich stark mit dem Naturzustand und der Entwicklung einer Gesellschaft, entweder formell oder informell, wobei zu erwähnen ist, dass sie äußerst unterschiedliche Meinungen aufweisen. Thomas Hobbes beispielsweise behauptet, dass der Mensch von Natur aus schlecht sei und nur durch eine Vereinbarung mit den anderen in Zaum gehalten werden kann. Im Gegensatz dazu sagt etwa Jean-Jacques Rousseau, dass der Gesellschaftsvertrag den Menschen seiner ursprünglich vorgesehenen Freiheit beraubt. Dennoch wird er entwickelt, da es Situationen gibt, in denen der Mensch von anderen abhängig ist.

Der Wunsch nach Interessenverwirklichung

Die schottischen Moralphilosophen wie David Hume, Adam Ferguson oder Adam Smith beschäftigen sich mit der Interessenverwirklichung als Grund für soziale Ordnung. Es ist der Wunsch des Menschen, seine eigenen Interessen durchzusetzen, er will seinen eigenen Nutzen maximieren. Dies führt zu Konkurrenz, sobald zwei Individuen dasselbe wollen, also zu einem Konflikt. Deshalb merkt der Akteur, dass suboptimale Lösungen für beide Seiten die optimale kollektive Lösung bedeuten können. Das Individuum lernt aus Erfahrungen, internalisiert diese und behält diese Handlungsweisen so lange bei, bis sie sich nicht mehr bewähren.
Somit ist soziale Ordnung dadurch möglich, dass der Akteur merkt, dass man gewissen Schemata folgen muss (beispielsweise in Formen der Kooperation mit anderen Individuen), um seine eigenen Interessen verwirklichen zu können.

Struktur und Sozialisation

Soziologen wie Emile Durkheim suchten die Erklärung für soziale Ordnung im System. Durkheim sagt, dass die Strukturen das Handeln vorgeben, und die Menschen diesen Strukturen folgen. Erlernt werden die vorgegebenen Werte und Normen über Sozialisation durch die Familie, die Schule und weitere, welche ebenso Mitglieder der Gesellschaft sind, und den gleichen Werten und Normen folgen. Diese werden dann vom Individuum internalisiert und umgesetzt. Es ist mit hohen Kosten verbunden, sich gegen das System zu stellen, und für das Individuum demnach am kostengünstigsten/leichtesten, dem System zu folgen. Über den Wandel der Zeit ändern sich die gesellschaftlichen Strukturen, mit ihnen die Werte und Normen der Menschen und somit auch die Sozialisation der Kinder.

Soziale Beziehungen

Eine weitere Erklärung für soziale Ordnung bieten soziale Beziehungen. Auch wenn Immanuel Kant im Bereich des Gesellschaftsvertrages behandelt wurde, stellt sein Kategorischer Imperativ ein gutes Beispiel für diese Erklärung. „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ Soziale Ordnung erklärt sich über Reziprozität, über den Wunsch nach Akzeptanz, über die Tatsache, dass der Mensch in gewisser Weise doch kein Einzelgänger ist. Seine Koexistenz mit anderen Individuen erfordert ein gewisses Maß an Ordnung. Georg Simmel spricht von Wechselwirkungen, Max Weber von sozialen Beziehungen und George Herbert Mead von Kommunikation.

Verstand

Soziologen wie Peter L. Berger & Thomas Luckmann beschäftigen sich ebenfalls mit dem Menschen als vernünftigen Wesen. Es wird eine Handlung durchgeführt, sie bewährt sich, wird habitualisiert und institutionalisiert. Somit erleichtert sich das Individuum das Leben, indem es wiederum Strukturen folgt die funktionieren. Es typisiert all das für ihn Sichtbare, da es zu schwer wäre, alles neu kennenzulernen. Sozusagen werden Schubladen erstellt, in welche ein bestimmter Typ einsortiert werden kann, da unsere Kapazität nicht ausreicht, um jedem „Ding“ eigene Eigenschaften zuzuordnen. Diesen Institutionen folgt ein bestimmter Teil der Gesellschaft. Und diese Institutionen können als „Ordnungsschublade“ betrachtet werden.


Themen dieser alternativen Einleitung zu den soziologischen Klassikern

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Literatur

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  • Abels, Heinz (2007):
    "Einführung in die Soziologie. Bd.1: Der Blick auf die Gesellschaft. 3.Auflage"
    Wiesbaden
  • Gabriel, Manfred (2008):
    "Vorlesung Geschichte der Soziologie. Sommersemester 2008"
    Paris-Lodron-Universität Salzburg


  1. sämtliche Ausführungen im Text beziehen sich sowohl auf das weibliche als auch auf das männliche Geschlecht

Der Begriff der Moral bei den Klassikern der Soziologie

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Einleitung

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Das hier überblicksmäßig vorgestellte Projekt stellt den Versuch einer systematischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Moral bei den soziologischen Klassikern dar. Das vollständige Projekt im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde aus urheberrechtlichen Gründen auf die Homepage der Universität Salzburg verlegt.

Zur Stellung der Moral in der Soziologie

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Interessanterweise gibt es keine Monographien bzw. Speziallexika, die sich systematisch mit den soziologischen Moraltheorien beschäftigen, so wie es Monographien oder Lexika zum Thema „Tourismussoziologie“ oder „Umweltsoziologie“ gibt. Wer in allgemeinen Soziologielexika[1] zum Stichwort „Moral“ nachliest, bekommt vermittelt, dass nur ausgesprochen wenige SoziologInnen relevante Beiträge zu diesem Thema geschrieben hätten und man sich besser in der Sozial- und Entwicklungspsychologie umzusehen habe. Dies ist insbesondere deshalb verwunderlich, weil Moralvorstellungen eine wichtige handlungsanleitende Funktion haben und damit soziologisch höchst relevant sind. Moralisches Handeln unterscheidet sich wesentlich von anderen Handlungstypen, etwa von zweckrationalem Handeln: "Geht man davon aus, daß die Begleitumstände identisch sind, so werden die ersteren eher größere Opfer bringen, weil sie mehr Motivation haben. Sie werden auch bei aufkommendem Widerstand eher weitermachen, weil sie die Werte internalisiert haben, die ihre Handlungsweise rechtfertigen."[2] Ähnlich argumentiert Berger[3], indem er betont, dass „eine aus zweckrationalen Motiven innegehaltene Ordnung ungleich labiler ist als eine mit dem Prestige der Verbindlichkeit auftretende.“

Das vorliegende Projekt soll zeigen, dass die soziologische Auseinandersetzung mit der Moral umfangreicher und inhaltlich vielfältiger ist, als dies in Lexika vermittelt wird. Außerdem wird ein Vorschlag für eine Systematik der verschiedenen Theorien unterbreitet.

Zum Begriff der Moral in der Soziologie

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Wenn man sich mit der Moral im soziologischen Kontext auseinandersetzt, ist es wichtig, zwischen der normativen und der deskriptiven Moral zu unterscheiden. Erstere beschäftigt sich damit, wie Normen vernünftig und moralisch begründet werden können bzw. mit der Frage, was moralisch richtig oder falsch ist. Die deskriptive Moral dagegen beschreibt „die Handlungsregeln und Ziele … die in einer Grupppe oder Gesellschaft faktisch handlungsleitend oder verbindlich sind.“[4] Ob diese faktisch geltenden Handlungsregeln moralisch „richtig“ sind, ist nicht Gegenstand der deskriptiven Moral und damit auch nicht Gegenstand der Soziologie. Wenn sich die Soziologie mit der Richtigkeit von moralischen Normen beschäftigt (und dies geschieht leider immer wieder) bzw. verschiedene Moralen wertend vergleicht, überschreitet sie ihre Kompetenz bzw. ihren Aufgabenbereich und wird unglaubwürdig. Denn eigentlich sollte die Soziologie wertfreie Beschreibungen liefern.[5]

Theory Map

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Weiter unten wird eine Systematik der soziologischen Moraltheorien skizziert. Diese Theory Map bietet einen übersichtlichen Zugang dazu.

Moralische GrundbegriffeMoral als SystemMoral in der konkreten Situation

Versuch einer Systematik

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Moralische Grundprinzipien und -begriffe

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Weber, Simmel und auch Habermas beschäftigen sich mit der Moral insofern auf einer Meta-Ebene, als sie sich überwiegend mit moralischen Grundprinzipien bzw. –begriffen beschäftigen. Ihre Grundgedanken werden im Folgenden kurz vorgestellt. Für genauere inhaltliche Auseinandersetzungen mit den einzelnen Moraltheorien bitte den Links folgen.


Max Weber beschäftigt sich in den Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie[6] ausführlich mit der „Prägung von Wirtschaftsstilen durch das religiöse Ethos der tragenden Schichten“[7] , und zwar sowohl im christlichen wie auch im nicht-christlichen Kontext. Döbert[8] meint zwar, dass alle diese religionssoziologischen Texte auch als moralsoziologische Texte gelesen werden können, weil historisch Moral immer Religion war. Da es in dieser Arbeit jedoch ganz spezifisch um den Begriff der Moral geht, und weil ein Vergleich der verschiedenen Religionen und deren Auswirkungen auf die Gesellschafts- bzw. Wirtschaftsordnung zu umfangreich würde, werden im vorliegenden Projekt nur die die Moral direkt betreffenden, allgemeineren Punkte herausgefasst. So werden etwa Webers Begriffe der Wertrationalität, der Virtuosen- und Massenethik, der magischen und der ritualistischen Ethik und der Gesetzes- und Gesinnungsethik näher erklärt. >> weiter

Simmels Auseinandersetzung mit der Moral ist auf weiten Strecken mehr moralphilosophisch als soziologisch geprägt und relevant. Interessant für die Soziologie sind sicher vor allem seine Aussagen über sittliches Sollen, Altruismus, Verdienst und Schuld sowie über das Verhältnis von objektiven Normen und Freiheit des Individuums.[9] >> weiter

Habermas streicht in seiner universalpragmatischen Handlungstheorie[10]diejenigen grundlegenden (moralischen) Normen heraus, die kommunikatives Handeln (und damit auch jegliches andere Handeln) überhaupt möglich machen. >> weiter

Moral als System

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Durkheim, Parsons, Etzioni und Luhmann beschreiben die Moral auf der Makro-Ebene als System mit einer bestimmten Struktur bzw. Funktion. Ihre Grundgedanken werden im Folgenden kurz vorgestellt. Für genauere inhaltliche Auseinandersetzungen mit den einzelnen Moraltheorien bitte den Links folgen.

Durkheim sieht die Moralordnung als Grundlage für die Gesellschaftsordnung überhaupt an. Er unterscheidet die häusliche/familiale Moral (die Aufzeichnungen über diese gingen jedoch leider verloren) von der Berufsmoral und der staatsbürgerlichen Moral.[11] Außerdem beschäftigt er sich ausführlich mit der Moralerziehung, insbesondere mit den Elementen der Moralität (Geist der Disziplin, Anschluss an soziale Gruppen, Autonomie des Willens).[12] >> weiter

Auch für Parsons[13] hat die Moral eine herausragende Funktion: Sie integriert die Persönlichkeit und das soziale System sowie das Wertesystem mit den letzten Zwecken. Die institutionalisierte Moral garantiert also die Integration der Gesellschaft. >> weiter

Der Kommunitarist Etzioni[14] thematisiert die gelebte Moral als Grundlage für ein gutes soziales Leben. >> weiter

Für Luhmann[15] ist die Moral zwar ebenfalls ein System, das alle anderen Teilsysteme durchdringt („interpenetriert“), sie hat aber nicht eine derart einzigartige Sonderfunktion wie bei den oben genannten Soziologen. Er beschreibt die Moral als System von Achtungs- und Missachtungsbekundungen mit einer bivalenten Struktur. >> weiter

Moral in der konkreten Situation

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Andere SoziologInnen behandeln die Moral auf der Mikroebene. Hier geht es darum, auf welche Weisen sich die Moral in konkreten Situationen, im konkreten Handeln zeigt. Dabei können vor allem Vertreter des interpretativen Paradigmas und Vertreter der Rational Choice Theory (bzw. des utilitaristischen Paradigmas) gefunden werden, deren Grundgedanken hier kurz vorgestellt werden. Für genauere inhaltliche Auseinandersetzungen mit den einzelnen Moraltheorien bitte den Links folgen.


Bei den Vertretern des interpretativen Paradigmas sind die Zugänge sehr vielfältig.

Becker[16] beschäftigt sich mit den moralischen UnternehmerInnen, die auf "moralische Kreuzzüge" gehen und versuchen, neue moralische Regeln einzuführen bzw. durchzusetzen. >> weiter

Berger/ Luckmann[17] meinen, dass die Moral keineswegs aus der heutigen Gesellschaft verschwunden sei, sondern sich nur wie die Religion in den Privatbereich zurückgezogen habe. Sie setzen sich mit den Charakteristika moralischer Kommunikation bzw. des Moralisierens auseinander. >> weiter

Garfinkel[18] untersucht anhand von Krisenexperimenten die moralische Empörung, die auf den Bruch des interpretativen Vertrauens folgt. >> weiter

Goffman[19] beschreibt die Moral als etwas, das von den Handelnden in der konkreten Situation immer neu gestaltet und repariert werden muss. >> weiter

Mead[20] beschäftigt sich mit der Rolle von moralischen Konflikten sowie mit dem moralischen Bewusstsein und dessen Bedeutung für die Ich-Identität. >> weiter


Bei den VertreterInnen des utilitaristischen Paradigmas ist die ganz spezifische Frage wichtig, wie moralisches Handeln als rationales Handeln erklärt werden könnte. Dabei wird moralisches Handeln entweder implizit mit zweckrationalem Handeln gleichgesetzt, wie dies bei Homans oder Coleman der Fall ist.[21] >> weiter

Oder das moralische Handeln wird wie bei Lindenberg[22]als eigener Handlungstyp aufgefasst, nämlich als wertrationales Handeln. Wichtig ist hier, dass Lindenberg dem Rational Choice Gedanken durchaus treu bleibt, weil er auch dem wertrationalen Handeln eine instrumentelle Rationalität zugrunde legt. >> weiter

Literaturliste

[Bearbeiten]
  • Abend, Gabriel (2008):
    "Two main problems in the sociology of morality. In: Theory and Society. Vol 37, No.2, pp 87-125."
  • Becker, Howard S. (1981):
    "Außenseiter. Zur Soziologie abweichenden Verhaltens."
    Frankfurt am Main.
  • Berger, Johannes (1998):
    "Das Interesse an Normen und die Normierung von Interessen. Eine Auseinandersetzung mit der Theorie der Normentstehung von James S. Coleman. In: Müller, Hans-Peter / Schmid, Michael (Hg.): Norm, Herrschaft und Vertrauen. Beiträge zu James S. Colemans Grundlagen der Sozialtheorie. S. 64-78."
    Opladen/Wiesbaden.
  • Berger, Peter L. / Luckmann, Thomas (1995):
    "Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Die Orientierung des modernen Menschen."
    Gütersloh.
  • Burns, Tom (1992):
    "Erving Goffman."
    London.
  • Coleman, James S. (1991):
    "Grundlagen der Sozialtheorie. Band 1. Handlungen und Handlungssysteme."
    München.
  • Coleman, James S. (1994):
    "Grundlagen der Sozialtheorie. Band 3. Die Mathematik der sozialen Handlung."
    München.
  • Cook, Gary Allan (1985):
    "Moralität und Sozialität bei Mead. In: Joas, Hans (Hg.): Das Problem der Intersubjektivität. Neue Beiträge zum Werk George Herbert Meads. S. 131-155."
    Frankfurt am Main.
  • Döbert, Rainer (2000):
    "Moral. In: Reinhold, Gerd (Hg.): Soziologie-Lexikon. 4. Auflage. S. 445-449."
    München u.a.
  • Durkheim, Emile (1973):
    "Erziehung, Moral und Gesellschaft. Vorlesungen an der Sorbonne 1902/1903. Herausgegeben von Heinz Maus, Friedrich Fürstenberg und Frank Benseler."
    Neuwied am Rhein / Darmstadt.
  • Durkheim, Emile (1991):
    "Physik der Sitten und des Rechts. Vorlesungen zur Soziologie der Moral."
    Frankfurt am Main.
  • Dux, Günter (2004):
    "Die Moral in der prozessualen Logik der Moderne. Warum wir sollen, was wir sollen."
    Weilerswist.
  • Etzioni, Amitai (1994):
    "Jenseits des Egoismus-Prinzips. Ein neues Bild von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft."
    Stuttgart.
  • Etzioni, Amita (1997):
    "Die Verantwortungsgesellschaft. Individualismus und Moral in der heutigen Demokratie."
    Frankfurt am Main.
  • Gethmann, Carl F. (2004):
    "Universalpragmatik. In: Mittelstraß, Jürgen (Hg.), Enzyklopädie. Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 1., unveränderte Sonderausgabe. S. 415-416."
    Stuttgart / Weimar.
  • Greve, Jens (2003):
    "Handlungserklärung und die zwei Rationalitäten? Neuere Ansätze zur Integration von Wert- und Zweckrationalität in ein Handlungsmodell. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Bd. 55, Nr. 4, S. 621-653."
  • Habermas, Jürgen (1983):
    "Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln."
    Frankfurt am Main.
  • Habermas, Jürgen (2001):
    "Kommunikatives Handeln und detranszendentalisierte Vernunft."
    Stuttgart.
  • Heritage, John (1984):
    "Garfinkel and Ethnomethology."
    Oxford.
  • Kambartel, Friedrich (2004a):
    "Moral. In: Mittelstraß, Jürgen (Hg.), Enzyklopädie. Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 2., unveränderte Sonderausgabe. S. 932-933."
    Stuttgart / Weimar.
  • Kambartel, Friedrich (2004b):
    "Moralität. In: Mittelstraß, Jürgen (Hg.), Enzyklopädie. Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 2., unveränderte Sonderausgabe. S. 933-934."
    Stuttgart / Weimar.
  • Lübbe, Weyma (2004):
    "Weber. In: Mittelstraß, Jürgen (Hg.), Enzyklopädie. Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 4., unveränderte Sonderausgabe. S. 631-633."
    Stuttgart / Weimar.
  • Luckmann, Thomas (1998):
    "Gesellschaftliche Bedingungen geistiger Orientierung. In: Luckmann, Thomas (Hg): Moral im Alltag. Sinnvermittlung und moralische Kommunikation in intermediären Institutionen. S. 19-46."
    Gütersloh.
  • Luhmann, Niklas (1978):
    "Soziologie der Moral. In: Luhmann, Niklas / Pfürtner, Stephan H. (Hg): Theorietechnik und Moral. S. 8-116."
    Frankfurt am Main.
  • Mead, George Herbert (1980):
    "Gesammelte Aufsätze. Band 1. Herausgegeben von Hans Joas."
    Frankfurt am Main.
  • Müller, Hans-Peter / Schmid, Michael (Hg.) (1998):
    "Norm, Herrschaft und Vertrauen. Beiträge zu James S. Colemans Grundlagen der Sozialtheorie."
    Opladen/Wiesbaden.
  • Parsons, Talcott (1994):
    "Aktor, Situation und normative Muster. Ein Essay zur Theorie sozialen Handelns. Herausgegeben von Harald Wenzel."
    Frankfurt am Main.
  • Opp, Karl-Dieter (2002):
    "Rational Choice Theory / Theorie der rationalen Wahl. In: Endruweit, Günter / Trommsdorff, Gisela (Hg.): Wörterbuch der Soziologie. 2., völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage. S. 424-427."
    Stuttgart.
  • Schluchter, Wolfgang (1988):
    "Religion und Lebensführung. Band 1. Studien zu Max Webers Kultur- und Werttheorie."
    Frankfurt am Main.
  • Simmel, Georg (1989):
    "Einleitung in die Moralwissenschaft. Eine Kritik der ethischen Grundbegriffe Bd. 1. Gesamtausgabe Bd. 3. Herausgegeben von Klaus Christian Köhnke."
    Frankfurt am Main.
  • Simmel, Georg (1991):
    "Einleitung in die Moralwissenschaft. Eine Kritik der ethischen Grundbegriffe Bd. 2. Gesamtausgabe Bd. 4. Herausgegeben von Klaus Christian Köhnke."
    Frankfurt am Main.
  • Weber, Max (1956):
    "Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Bd. 1. Herausgegeben von Johannes Winckelmann"
    Tübingen.
  • Weber, Max (1963):
    "Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1-3."
    Tübingen.

Einzelnachweise

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  1. vgl. zum Beispiel Döbert 2000, S. 447
  2. Etzioni 1994, S. 108-109.
  3. Berger 1998, S. 73.
  4. Kambartel 2004a, S. 932.
  5. vgl. Abend 2007, S. 88.
  6. Weber, Max (1963): Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1-3. Tübingen. Der erste Band enthält unter anderem die vielleicht am besten bekannte protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus.
  7. Lübbe 2004, S. 632.
  8. vgl. Döbert 2000, S. 446.
  9. vgl. Simmel 1991; Simmel 1989.
  10. vgl. Gethmann 2004.
  11. vgl. Durkheim 1991.
  12. vgl. Durkheim 1973.
  13. vgl. Parsons 1994.
  14. vgl. Etzioni 1994; Etzioni 1997.
  15. vgl. Luhmann 1978.
  16. vgl. Becker 1981
  17. vgl. Berger/Luckmann 1998; Luckmann 1998; Funiok o.J.
  18. vgl. Heritage 1984
  19. vgl. Burns 1992
  20. vgl. Cook 1985; Mead 1980
  21. vgl. Berger 1998; Coleman 1994; Homans 1972
  22. vgl. Greve 2003

Geschlechterforschung

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Einleitung

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Geschlechtersoziologie

Ist ein Teilbereich der Gender Studies, befasst sich mit sozialen und kulturellen Größen des Geschlechterverhältnisses. Beobachtet werden die gegenwärtige Regelmäßigkeiten und Strukturen sozialer Handlungsabläufe zwischen den beiden Geschlechtern.

Eine rein biologisch geprägte Soziologie basiert die Geschlechterdifferenzierung ausnahmslos auf Grund der biologischen Unterschiede, dem „natürlichen Unterschied“ und überschneidet sich demzufolge mit den Fachgebieten Evolutionsbiologie und Endokrinologie.

Wohingegen die Theorie der Sozialisation weitere Einflüsse aufzeigt wie Menschen, bedingt durch die Erziehung und Milieueinflüsse in der Kindheit und Jugend, zu „Frauen“ und „Männern“ werden.

Die Geschlechterforschung befasst sich mit Themen wie Herausbildung von Geschlechteridentität sowie der gesellschaftliche Anerkennung von den resultierenden Verhaltensweisen und Handlungsmustern. Sie beschäftigt sich damit, wie es zu Unterschieden kommt und in wie weit es zu einer sozialen Ungleichheit im Alltag führen kann, resultierend von dem Handeln von Männern und Frauen.

Anhand der Sozialstrukturanalyse wird verdeutlicht, welchen unterschiedlichen Positionen die Geschlechter durch die Arbeitsdifferenzierung, vor allem bei der Erwerbs- und Reproduktionsarbeit einnehmen.

Die soziologische Geschlechterforschung befasst sich sowohl mit der Mikrosoziologie (Geschlecht in der Interaktion), der Mesosoziologie (Geschlecht in Organisationen) so wie auch auf der Ebene der Makrosoziologie (Geschlecht im gesamt-gesellschaftlichen Kontext). Da das Geschlechterverhältnis in der Gesellschaft an immer größerer Bedeutung gewinnt, wird diese Thematik zunehmend interessant für die Soziologie.

Theory Map zur Geschlechtersoziologie

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In der Theory Map, werden Thesen und Theorien wichtiger Soziolog/inn/en zum Thema des Geschlechterverhältnisses vorgestellt. Es sind sowohl klassische (Parsons, Durkheim, Tönnies, Simmel, Goffman) als neuzeitlichere (Meuser, Ostner, Otten, Hagemann-White, Butler, Honegger, Gilligan, Connell) Soziolog/inn/en und deren unterschiedlichen Stellungnahmen vertreten. Folgende Teilbereiche des Geschlechtersoziologie sollen nähren Aufschluss über das bestehende Geschlechterverhältnis geben.

Theorymap Braindrain auf Google MapsGeschlechterrolleMännlichkeitGeschlechterspezifische SexualitätDominanz und Macht im GeschlechterverhältnisSozialisationMoralArbeitsteilungZukunftsorientiertes Geschlechterverhältnis
Theorymap Braindrain auf Google Maps

Zugänge zur Geschlechtersoziologie

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Übersicht der einzelnen SoziologInnen

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In diesem Kapitel werden die Theorien der einzelnen SoziologInnen in einer Übersicht dargestellt.

Literatur

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  • Fuchs-Heinritz, Lautmann, Rammstedt, Wienold [Hrsg.] (2007)
    Lexikon zur Soziologie
    Vierte Auflage
    Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden
  • Carol Hagemann-White (1984)
    Sozialisation: weiblich-männlich?
    Leske Verlag und Budrich GmbH Meisenheim
  • Hartfiel und Hillmann [Hrsg.] (1982)
    "Wörterbuch der Soziologie"
    Dritte Auflage
    Alfred Kröner Verlag Stutgart
  • Heinz-Jürgen Dahme und Klaus Christian Köhnke [Hrsg.] (1985)
    Georg Simmel Schriften zur Philosophie und Soziologie der Geschlechter
    Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main
  • Ilona Ostner (1978)
    Beruf und Hausarbeit: Die Arbeit der Frau in unserer Gesellschaft'
    Campus Verlag Frankfurt/New York
  • Ilona Ostner [Hrsg.] (1987)
    Sozialisation der Geschlechterverhältmisse
    Soziologische Revue, Sonderheft 2 Oldenbourg
  • Michael Meuser (1998)
    Geschlecht und Männlichkeit: Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster'
    Leske + Budrich, Opladen
  • Dieter Otten (2000)
    Männerversagen: Über das Verhältnis der Geschlechter im 21.Jahrhundert'
    Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach
  • Matina Löw und Bettina Mathes [Hrsg.] (2005)
    Schlüsselwerke der Geschlechterforschung'
    Erste Auflage
    VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

Adorno, Theodor W.

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Adorno (rechts) gemeinsam mit Horkheimer

Biographie in Daten

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 Theodor Ludwig Wiesengrund-Adorno

  • geboren am 11.09.1903 in Frankfurt a.M. (Deutschland)
  • jüdische Herkunftsfamilie, Vater konvertierte zum Protestantismus
  • Studium der Soziologie, Philosophie, Musikwissenschaft und Psychologie
  • 1934 - 1937 in Oxford (England)
  • Habilitation
  • Einladung von Max Horkheimer nach New York
  • 1938 - 1940 in New York (USA)
  • Tätigkeit in Horkheimer Max`s Institute for social research
  • Forschungsprojekt zu Massenkommunikation
  • musiksoziologische Studie
  • 1941 - 1949 in Los Angeles (USA)
  • 1943 USA-Staatsbürgerschaft
  • Zusammenarbeit mit Max Horkheimer
  • Dialektik der Aufklärung: Kritische Theorie
  • empirische Überprüfung der kritischen Theorie durch ein Forschungsprojekt zu Ursachen für antisemitische Vorurteile
  • 1949 - 1969 in Frankfurt a.M. (Deutschland)
  • Direktor am Institut für Sozialforschung
  • Professor für Soziologie und Philsophie
  • Beteiligung am Positivismusstreit
  • gestorben am 06.08.1969 in Visp (Schweiz)

Historischer Kontext

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Modernisierung

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Der Prozess der Modernisierung beschreibt in der Soziologie einen sozialen Wandel von Gesellschaftsformen. Für die Moderne ist es der Wandel von der traditionalen Gesellschaft in eine moderne, nämlich die Industriegesellschaft. Mit diesem Prozess haben sich viele Soziologen in der Zeit der beginnenden Modernisierung beschäftigt, unter anderen Auguste Comte, Karl Marx, Emile Durkheim und Max Weber. Die Soziologie hat ihren Ursprung in den Veränderungen durch die Moderne.


Kapitalismus

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Der Kapitalismus ist eine durch Privateigentum und Marktwirtschaft gekennzeichnende Wirtschaftsordnung. Er hat seine Ursprünge am Ende des Mittelalters und ging mit der Entwicklung der Industrialisierung einher. Im Besonderen hat sich Karl Marx mit diesem Phänomen beschäftigt, aber auch Max Weber mit seiner religiösen Protestantismusthese, ebenso Ludwig von Mises.


Faschismus und Bolschewismus

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Als Faschismus versteht man ursprünglich die in Italien unter Benito Mussolini entstandene politische Strömung, die durch einen nationalistischen und populistischen Führerkult gekennzeichnet ist. Erst später wurde Faschismus auf ähnliche Formen wie dem Nationalsozialismus übertragen und damit zum Sammelbegriff für national- und sozialrevolutionäre Bewegungen mit totalitärem Gepräge. Für den Faschismus galt der Bolschewismus als bedrohlich. Der Bolschewismus hat seinen Ursprung bei Lenin, der damit eine politisch-weltanschauliche Lehre aufstellte. Sie ist politisch-ideologisch durch den Marxismus-Leninismus und philosophisch durch den Dialektischen Materialismus gekennzeichnet.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Karl Marx

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Karl Marx (1818 - 1883) war ein deutscher Soziologe, Philosoph und politischer Journalist. Sein Hauptinteresse galt dem Modernisierungsprozess. Insbesondere beschäftige er sich mit dem Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft.

Für Karl Marx ist die Soziologie die Wissenschaft, die die sozialen Verhältnisse durch die ökonomische Basis erklärt. Seine Leitfrage ist, was den Gesellschaftswandel antreibt. Sein Erklärungsmodell ist ein historisch-materialistisch-dialektisches. Als Basiseinheit dienen ihm die Arbeitsverhältnisse. Für ihn geht die Gesellschaft dem Individuum voraus. Den Modernisierungsprozess versteht er als Domestizierung und die Produktivkraftentfaltung als treibendes Veränderungsprinzip. Durch die Modernisierung entsteht schließlich Entfremdung, eine Warenfocusierung und die kapitalistische Krise.


Max Weber

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Max Weber (1864 - 1920) war ein deutscher Soziologe, Jurist und Nationalökonom. Sein Hauptinteresse galt ebenfalls dem Modernisierungsprozess.

Für Max Weber ist die Soziologie die Wissenschaft von den Ursachen und Folgen sozialer Handlungen. Seine Leitfrage ist, die Bestimmung des modernen Ethos und wie er sich in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft äußert. Sein methodologischer Individualismus, seine verstehende Soziologie und seine Handlungstheorie dienen als Erklärungsmodell. Die Basiseinheit sind bei Max Weber die sozialen Akteure und ihre sozialen Handlungen. Ebenso wie bei Marx geht die Gesellschaft dem Individuum voraus. Modernisierung bedeutet für Max Weber Rationalisierung und der protestantische Ethos (Religion) ist das treibende Veränderungsprinzip. Als Folge der Modernisierung entsteht Entzauberung und Sinnverlust.

Max Horkheimer

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Max Horkheimer (1895 - 1973) war deutscher Soziologe und Sozialphilosoph. Sein Hauptinteresse galt dem erweiterten Modernisierungsprozess. Horkheimer gründete zusammen mit Theodor Adorno die Kritsche Theorie und die Frankfurter Schule.

Für Max Horkheimer ist die Soziologie die Analyse der objektiven Gesetze der Gesellschaftsbewegungen. Seine Leitfrage ist, weshalb sich die Gesellschaft trotz steigender Aufklärung zum Unmenschlichen entwickelt. Sein Erklärungsmodell ist ein an Hegel und Marx angelehnter dialektischer Materialismus. die Basiseinheit sind kapitalitische Tauschverhältnisse. Im Gegensatz zu Marx und Weber sieht Horkheimer das Individuum von der Gesellschaft bestimmt. Modernisierung ist für ihn (noch stärker als für Marx) eine verstärkte Domestizierung. Das treibende Veränderungsprinzip ist einerseits die instrumentelle Naturbeherrschung und andererseits das Profitgesetz.

Werke

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  • Kierkegaard. Konstruktion des Ästhetischen. Tübingen 1933
  • Willi Reich, Alban Berg. Mit Bergs eigenen Schriften und Beiträgen von Theodor Wiesengrund- Adorno und Ernst Krenek, Wien, Leipzig, Zürich 1937
  • Max Horkheimer u. Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Amsterdam 1947
  • Philosophie der neuen Musik. Tübingen 1949
  • T.W. Adorno, Else Frenkel-Brunswik, Daniel J. Levinson, R. Nevitt Sanford, The Authoritarian Personality. New York 1950
  • Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Berlin, Frankfurt a.M. 1950
  • Versuch über Wagner. Berlin, Frankfurt a.M. 1952
  • Prismen. Kulturkritik und Gesellschaft. Berlin, Frankfurt a.M. 1955
  • Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. Studien über Husserl und die phänomenologischen Antinomien. Stuttgart 1956
  • Dissonanzen. Musik in der verwalteten Welt. Göttingen 1956
  • Aspekte der Hegelschen Philosophie. Berlin, Frankfurt a.M. 1957
  • Noten zur Literatur I. Berlin, Frankfurt a.M. 1958
  • Klangfiguren. Musikalische Schriften I. Berlin, Frankfurt a.M. 1959
  • Mahler. Eine musikalische Physiognomie. Frankfurt a.M. 1960
  • Noten zur Literatur II. Frankfurt a.M. 1961
  • Einleitung in die Musiksoziologie. Zwölf theoretische Vorlesungen. Frankfurt a.M. 1962
  • Max Horkheimer u. Theodor W. Adorno, Sociologica II. Reden und Vorträge. Frankfurt a.M. 1962
  • Drei Studien zu Hegel. Frankfurt a.M. 1963
  • Eingriffe. Neun kritische Modelle. Frankfurt a.M. 1963
  • Der getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musikalischen Praxis. Frankfurt a.M. 1963
  • Quasi una fantasia. Musikalische Schriften II. Frankfurt a.M. 1963
  • Moments musicaux. Neu gedruckte Aufsätze 1928–1962. Frankfurt a.M. 1964
  • Jargon der Eigentlichkeit. Zur deutschen Ideologie. Frankfurt a.M. 1964
  • Noten zur Literatur III. Frankfurt a.M. 1965
  • Negative Dialektik. Frankfurt a.M. 1966
  • Ohne Leitbild. Parva Aesthetica. Frankfurt a.M. 1967
  • Berg. Der Meister des kleinsten Übergangs. Wien 1968
  • Impromptus. Zweite Folge neu gedruckter musikalischer Aufsätze. Frankfurt a.M. 1968
  • Sechs kurze Orchesterstücke op. 4 <1929>. Milano 1968
  • Theodor W. Adorno u. Hanns Eisler, Komposition für den Film. München 1969
  • Stichworte. Kritische Modelle 2. Frankfurt a.M. 1969


Das Werk in Themen und Thesen

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Was ist die Grundfrage von Adorno?

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  • Grundlage zur Leitfrage

Grundsätzlich beschäftigte sich Adorno wie Horkheimer und Marx mit dem Modernisierungsprozess. Sie alle verstehen ihn als einen Prozess der Domestizierung, also der Naturbeherrschung durch den Menschen. Marx sah diesen Prozess als einen konstruktiven an, der Fortschritt für die Gesellschaft bedeutet. Anders für Adorno und die Frankfurter Schule. Für sie geht es dabei um Verfall. Der Kapitalismus wurde - wie Marx meinte - nicht überwunden, es gab keine Revolution, die diesen endgültig beseitigte.


  • Die Leitfrage

Daraus ergibt sich die Leitfrage von Adorno. Warum also konnte die Menschheit nicht vom Kapitalismus befreit werden und in einen menschlichen Zustand übertreten? Stattdessen gerät sie in einen noch schlimmeren Zustand. Weshalb bleibt aber die Revolution aus und warum erkennen die Menschen ihre Situation nicht mehr?


  • Grundsätzliche Antwort

Adorno kommt zu dem Schluss, dass die Verlierer des Modernisierungsprozesses aus dem Grund keine revolutionären Gedanken hegen, da sie vollständig in den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess eingebunden sind. Sie sind in den Prozess der Beibehaltung der sozialen Ordnung integriert und das nun auch mit ihrem Bewusstsein. Sie sehen ihre Gesellschaft als eine solche an, die so sein soll. Er nimmt damit einen universellen Verblendungszusammenhang an.


Wie geht Adorno bei der Beantwortung der Grundfrage vor?

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  • Bruch mit "Sein prägt das Bewusstsein"

Marx war der Auffassung, dass das Sein das Bewusstsein prägt. Das bedeutet, dass die ökonomische Situation die gesellschaftlichen Vorstellungen beinflusst und sie sogar bestimmt. So ist die Kultur ein Ergebnis der Ökonomie. Er ging davon aus, dass die Proletarier erkennen würden, dass es eine Kluft zwischen dem Überfluss der Güter und dem Mangel in ihrem Leben gibt. Er schrieb ihnen genug Intelligenz zu, dass sie erkennen würden, dass ihre elende Situation beseitigt werden kann.

Anders die Kritische Theorie. Sie sieht den gesellschaftlichen Überbau wie Kultur, Recht, Staat oder Philosophie nicht durch die ökonomische Situation verursacht. Dieser Überbau hat demnach eine eigene Dynamik. "Hatte die materialistische Kritik der Gesellschaft dem Idealismus einst entgegengehalten, daß nicht das Bewußtsein das Sein, sondern das Sein das Bewußtsein bestimme, daß die Wahrheit über die Gesellschaft nicht in ihren idealistischen Vorstellungen von sich selbst, sondern in ihrer Wirtschaft zu finden sei, so hat das zeitgemäße Selbstbewußtsein solchen Idealismus mittlerweile abgeworfen. Sie beurteilen ihr eigenes Selbst nach seinem Marktwert und lernen, was sie sind, aus dem, wie es ihnen in der kapitalistischen Wirtschaft ergeht. Ihr Schicksal, und wäre es das traurigste, ist ihnen nicht äußerlich, sie erkennen es an." [Band 3: Dialektik der Aufklärung: Zwei Welten. Theoder W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1481 (vgl. GS 3, S. 238)

Weiters sieht sie die Persönlichkeit der Menschen als bedeutend an.

"Wären Menschen kein Besitz mehr, so könnten sie auch nicht mehr vertauscht werden. Die wahre Neigung wäre eine, die den anderen spezifisch anspricht, an geliebte Züge sich heftet und nicht ans Idol der Persönlichkeit, die Spiegelung von Besitz." 

[Band 4: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben: Moral und Zeitordnung. Theoder W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1790 (vgl. GS 4, S. 89) http://www.digitale-bibliothek.de/band97.htm ]

Deswegen wird auch von einem sogenannten Freudomarxismus gesprochen, da auch sozialpsychologische Elemente hinzugezogen werden. Beispiel: Wer in einer von Angst und Abhängigkeit geprägten Umgebung aufwächst, wird eine schwache Ich-Stärke entwickeln und später kaum Widerstand leisten, sondern sich vielmehr anpassen und einordnen.


  • Interdisziplinärer Materialismus

Der Interdisziplinäre Materialismus ist ein sozialphilosophisches Konstrukt. Es wurde von Horkheimer in den frühen 1930ern entwickelt und sollte als Programm für das Frankfurter Institut für Sozialforschung dienen. Als solches wurde es allerdings niemals zur Gänze umgesetzt. Das lag einerseits an den politischen Umständen (Nationalsozialismus, Faschismus), andererseits auch an den ökonomischen (Wirtschaftskrise), die eine empirische Sozialforschung mit einem großen Sinnfragezeichen versah.

Das Konzept hat das Basis-Überbau-Modell von Marx zur Grundlage. Da die Revolution ausblieb, wurde der Persönlichkeitsaspekt hinzugefügt. Die ökonomische Situation beinflusst demnach die Persönlichkeitsstruktur, die wiederum durch Sozialisationsprozesse entsteht. Die Transformation der ökonomischen Situation erfolgt dann über die Persönlichkeitsmuster.

Der Zusammenhang der nun drei Pole Wirtschaft, Kultur und Persönlichkeit ist nun Ziel der Forschung, kann allerdings nur durch die Zusammenarbeit der betroffenen Disziplinen geschehen, also interdisziplinär. Konform mit Marx werden die Produktionsverhältnisse als Grundlage der Gesellschaft bezeichnet, daher also materialistisch.


  • Tauschverhältnisse

Marx und auch ursprünglich Adorno wie Horkheimer sahen in der Entwicklung der Produktivkräfte den Maßstab für die Verhältnisanalyse (Produktionsverhältnisse). Nun meinten sie, dass ein Problem bei der Domestizierung der Natur besteht. Die Betrachtung Subjekt - Natur wurde deswegen beibehalten, jedoch waren nicht mehr die Produktionsverhältnisse sondern die Tauschverhältnisse interessant. So kam es zum Tausch von den Produktions- zu den Tauschverhältnissen.

Das Tauschverhältnis geht von einem Identitätsprizip aus. Dieses Prinzip nivelliert die spezifischen Eigenschaften und lässt sie gleich erscheinen. Das erfordert den Abschied von qualitativen Eigenschaften. Es zählen nur noch vergleichende, also rechnerische Aspekte, also quantifizierende. Wenn etwas nicht ident ist, kann es als Äquivalent getauscht werden.

Im Kapitalismus geht es um einen Warentausch. Dabei können Bodenschätze aber auch Menschen die Ressource sein. Das Profitgesetz wird zur Dynamis, also zur treibenden Kraft der Entwicklung in der Gesellschaft. Es entsteht eine Herrschaft des Instrumentellen, die durch das Identitätsdenken verstärkt wird.


  • Kritik am Positivismus

Da der Positivismus die vorliegende (schlechte) Situation legitimiert, spricht sich Adorno gegen eine positivistische Soziologie aus. Sie verfahre nämlich, wie der Kaptialismus mit dem Identitätsprinzip und bekräftigt damit die Lage. Außerdem erkennt sie nicht, dass die Begrifflichkeiten für die gegebenen sozialen Phänomene selbst aus der Gesellschaft heraus entstanden sind. So darf ein Begriff nicht die vorliegende Situation einengen, sondern muss auch andere Möglichkeiten eröffnen. Denn die Situation könnte auch anders sein. Damit sind nicht nur die Begriffe veränderlich, sondern auch das was damit beschrieben wird.


  • Denken in Konstellationen

Adorno fordert stattdessen, dass die gesellschaftlichen Phänomene aufgedeckt werden müssen. Die Gesellschaft fasst er als ein System auf, das zur Gänze betrachtet und gedacht werden muss. Die Soziologie kann das allerdings nicht allein, weswegen durch ein Denken in Konstellationen mittels wechselnder wissenschaftlicher Perspektiven die Phänomene aufgedeckt werden. Gerade im Gegensatz zum Identitätsprinzip hält man nicht mehr starr an Begriffen fest, sondern legt sie flexibler fest.


  • Soziologie von Adorno in Abgrenzung zur Aufklärung

Damit hat Adorno eine strukturtheoretische Auffassung von der Gesellschaft. Durch die genaue Analyse der sozialen Phänomene kann letztlich auf die Gesellschaft geschlossen werden. Gesellschaft begründet sich allein in dem Prozess, in dem gesellschaftliche Gesetze die Menschen und sozialen Beziehungen bestimmen. Damit enthält seine Soziologie das Subjektive, das Verstehen nach Weber und die Perspektivität der Akteure.

Begriffe haben nach Adorno eine historische Eigenschaft. Sie sind in einem geschichtlichen Kontext entstanden. Das was nicht identisch ist, kann durch konstellatives Denken erkannt werden. Eine soziologische Wahrheit hat somit einen sogenannten Zeitkern, der sich im Laufe der Zeit ändern kann. Damit steht Adorno in der Gegenposition zur klassischen Aufklärung, die von überzeitlich geltenden Begriffen ausgeht. Andererseits bildet die Kritische Theorie eine pessimistische Grundhaltung heraus und widerspricht damit sowohl der klassischen Aufklärung sowie auch Marx.

Wie analysiert Adorno die Geschichte der Gesellschaft?

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  • Differenzen zu Karl Marx

Adorno wie auch Marx betrachteten die Gegenwartsgesellschaft im Hinblick auf ihre geschichtliche Entwicklung. Marx kam dabei zu dem Beschluss, dass die Entwicklung von der Sklavengesellschaft der Antike bis zur bürgerlichen Gesellschaft die Geschichte der Produktionsverhältnisse ist. Adorno sieht das als geblendete Betrachtung an und hält das für zu kurz, hat aber mit Marx den Aspekt der Domestizierung gemeinsam. Weitere Differenzen sind:


  • Instrumentelle Rationalität

Jedoch geht Adorno in der Frage der Naturbeherrschung noch einen Schritt zurück. Für ihn stellte sich die Frage, wie ein Subjekt in der Beziehung zur Natur erst zu einem solchem wird. Der Mensch ist ursprünglich der Natur unterworfen gewesen. Die Angst vor ihr hat den Menschen angetrieben sie zu domestizieren. Dieser Prozess gelang mit der Aufklärung zur Gänze. In historisch früheren Gesellschaften geschah dies durch die Mythenbildung. Horkheimer und Adorno nennen es Instrumentelle Rationalität. Damit ist die Bestimmung von effizienten Zweck-Mittel-Relationen gemeint. Es ist dies derselbe Begriff wie Weber ihn entwickelt hat. Er unterscheidet sich jedoch darin, dass diese Rationalität einen Selbstzweck hat und nicht auf ein Ziel hin bestimmt ist. Die Instrumentelle Rationalität ist konsequent gedacht auch eine Ursache für den Kapitalismus.


  • Krisen im Kapitalismus

Im Gegensatz zu Marx sehen Adorno und Horkheimer anstatt einer Produktivkraftsteigerung eine Steigerung der Instrumentellen Rationalität. Die gegenwärtige bürgerliche Gesellschaft ist damit nicht die von Marx gesehene Vorstufe zum Kommunismus. Marx sah in den Krisen der Gesellschaft das Ende der bürgerlichen Gesellschaft und des Kapitalismus. Denn eine Revolution sollte diese umstürzen. Adorno meinte hingegen, dass nur eine Totalisierung der instrumentellen Rationalität dies leisten könne.


  • Phasen des Kapitalismus

Die erste Phase des Kapitalismus ist die konkurrenzkapitalistische, mit der sich Marx vorwiegend beschäftigte. Sie lässt sich mit der Konkurrenz der Unternehmer in einem freien Markt beschreiben. Marx und Engels sahen hier die Gefahr für die Monopolbildung durch Kartelle und Trusts. Dies definiert bereits die zweite Phase, die monopolkapitalistische. Damit wird der Markt durch politische Einflüsse Interventionen konfrontiert und ist damit nicht mehr unabhängig. Der Marxismus betonte die dominante Rolle der Ökonomie gegenüber der Politik. Politik war die reaktive Tätigkeit durch die bestimmende Ökonomie. Die Frankfurter Schule (darin vorwiegend Friedrich Pollock) sieht nun eine weitere Phase, die staatskapitalistische. Es ist dies eine Fortführung der marxistischen Phasen. Wie Marx glaubte auch Pollock, dass Krisen in der kapitalistischen Ökonomie lediglich durch planerische Maßnahmen behoben werden können. Der Kapitalismus an sich ist aber nicht grundsätzlich dem Untergang geweiht. Andererseits bedeutet diese so genannte Planwirtschaft nicht unbedingt auch Sozialismus. Die Staatskapitalismustheorie zeichnet grundsätzlich eine kapitalistische Planwirtschaft. Darin steuert der Staat die Ökonomie und behält sowohl die Klassentrennung als auch das Profitgesetz bei. Dabei kann dieser Kapitalismus entweder demokratisch und reformistisch oder auch totalitär sein.


  • Autoritärer Staat, Nationalsozialismus, Bolschewismus

Mit dem Staatskapitalismus übernimmt nun die Politik die Führung über die Ökonomie. Der entstandene autoritäre Staat durchdringt mit seinem bürokratischen Apparat die Gesellschaft vollends. Damit soll die Krise des Kapitalismus überwunden werden. Marx focusierte die Entwicklung der Produktivkräfte und interpretierte das Ende des Kapitalismus sowie den Sozialismus als Vorstufe für den Kommunismus. Beides ist nicht eingetreten und nach der Frankfurter Schule falsch. Vielmehr geht es um die Steigerung der Instrumentellen Rationalität. So erklärt die Frankfurter Schule die Entwicklung zum Nationalsozialismus und Bolschewismus. Beide beschreiben eine Erweiterung der Instrumentellen Naturbeherrschung, die nicht mehr zwischen menschlicher und nicht-menschlicher Natur differenziert. Diese Entwicklung ist in der Theorie eine logische Fortführung der Geschichte.


  • Beantwortung der Leitfrage

Die Leitfrage von Adorno lautete, warum sich der Mensch nicht traut eine Revolution zu seiner eigenen Befreiung zu organisieren. Zum Einen erklärt er es mit der faschistischen Gewaltherrschaft, die einen Widerstand nahezu unmöglich machte. Sie verängstigte die Menschen, so dass sie sich in das System einfügten und nur für ihre Selbsterhaltung lebten. Juden galten dann als Objekte und Sündenböcke, an denen die Aggression abgeladen werden konnte. Das Sündenböckprinzip ist ein Ventil für die eigene nicht aushaltbare Situation und dient als gesellschaftlicher Stabilisator.

Das erklärt jedoch die Leitfrage nicht zur Gänze. So bleibt die Frage, warum die Menschen nicht einmal ein Bewusstsein für ihre unerträgliche Situation entwickeln. Die Frankfurter Schule erklärt dies mit einer sogenannten Kulturindustrie. Damit wird die Kultur in zweierlei Hinsicht instrumentalisiert. Einerseits gehorcht sie dem ökonomischen Rationalprinzip auf Profitmaximierung und andererseits dient sie dazu, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu sichern. Kultur ist damit sinnentleert und nur noch für den Genuss in der Freizeit und zur Wiederherstellung der Kräfte für die Arbeit. Damit zeichnet sich ein totales System, das Adorno und die Frankfurter Schule kritisieren.


Zu welchem Ergebnis kommt Adorno?

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  • Problem des instrumentellen Naturbezuges

Adorno sieht die Domestizierung an sich bereits als pathologisch an. Der Mensch beginnt die Natur zu beherrschen und beherrscht sich selbst. Dabei zerstört er sich selbst in soweit, als dass er sich erfahrungsunfähig macht. Durch diesen instrumentellen Naturbezug steigt letztlich die instrumentelle Herrschaft an, die sich gegen die Menschen selbst richtet.


  • Totale Herrschaft als Folge der Aufklärung

Die totale Herrschaft ist die Konsequenz der Moderne. Sie bezeichnet nicht ein Unfall oder Rückfall in eine alte Zeit, sondern eine Folge der Bürokratie und Industrialisierung. Beides ist durch die Aufklärung entstanden. Damit ist ein gewisser Webermarxismus erkennbar. Weber sah einen Sinnverlust und Verlust der Handlungsmöglichkeiten sowie -gründe für eine konstruktive Lebensführung als Diagnose. Marx gab die Konzeption vor. Die Kombination aus beiden kann als "Entzauberungsprozess" begriffen werden. Mit fortschreitender Aufklärung steigert sich die instrumentelle Rationalität und damit die Versachlichung der sozialen Verhältnisse. Das äußert sich in einer totalen Bürokratiesierung und einer Anerkennung der bestehenden Herrschaft. Die Natur wird ausgebeutet, ebenso die Mitmenschen. Gerade die totale Herrschaft ist unabhängig von Gefühlen und daher höchst rational. Die versachlichte Natur führt damit unweigerlich zur Versachlichung des Menschen. Es entsteht ein System, das sich nur noch selbst reproduziert, die bestehenden Verhältnisse konserviert und keinen Ausweg daraus mehr ermöglicht. Es entsteht eine totale Integration.


  • Universaler Verblendungszusammenhang

Die Gesellschaft blockiert sogar ein Bewusstwerden der Situation. Deswegen sprach Adorno von einem universellen Verblendungszusammenhang. Dabei geht es nicht mehr nur um das Marxsche falsche Bewusstsein der Betroffenen.

Zunächst beschrieb Marx für die beginnende Moderne dieses falsche Bewusstsein. Es beinhaltet eine normative Vorgabe, nämlich falsch zu sein und ist damit Grundlage für eine Revolution, genau dann, wenn es von den Betroffen wirklich als falsch aufgefasst wird. Als Beispiel möge ein Arbeitsvertrag dienen, der eine Identitätsgleichung von Arbeit und Geld herstellt. Falsch daran ist, dass die Arbeitskraft nicht wie eine Ware behandelt werden kann. Der Vertrag kommt aber dennoch zu stande, da die Beteiligten ihn als richtig ansehen. Wenn aber die negativ betroffenen Menschen das falsche erkennen, entwickeln sie ein revolutionäres Bewusstsein und die Grundlage für eine Revolution ist geschaffen.

Die entwickelte Moderne kennt aber kein falsches Bewusstsein mehr und hier setzt Adorno an. Durch die totale Integration kann kein Bewusstsein der Falschheit mehr entwickelt werden. Falsch daran ist nun die Überzeugung der Menschen, dass es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt. Es entsteht damit ein restringiertes Bewusstsein.

Der universale Verblendungszusammenhang beruht nach Adorno auf Ursachen. Eine davon liegt im dritten Pol des Konzepts der Kritischen Theorie, nämlich der Kultur. Durch eine Kulturindustrie wird die Gesellschaft reproduziert. Das bestehende Bewusstsein wird gefestigt und verstärkt. Andererseits bewirkt genau diese Kulturindustrie die völlige Integration der Individuen in die vorliegende Gesellschaft. Die Menschen entwickeln erst gar nicht das Bedürfnis die bestehende Situation umwälzen zu wollen. Die Kulturindustire produziert ein leibliches Fundament mit Motiven und Impulsen und lenkt damit die Menschen innerhalb eines festen Rahmens.

So ist die Kulturindustrie ein Herrschaftsmittel, denn sie lenkt einerseits die Menschen in ihren Befriedigungen und andererseits stellt sie gleichzeitig die Mittel für deren Befriedigung zur Verfügung. Durch die Instrumentelle Rationalität handelt es sich dann um Konsum und die kulturellen Erzeugnisse haben einen Warenwert.


  • Die Kritische Theorie nach dem Ende der totalitären Staaten

Das Ende der totalitären Staaten bedeutet in gewisser Weise nun eine Überprüfung der Kritischen Theorie. Adorno meinte allerdings, dass auch nach dem Ende derselben, ein totalitärer Charakter noch vorhanden ist. Er sprach von einer Fassade der liberal-demokratischen Staaten. Das bedeutet einerseits, dass solange ein Staatskapitalismus vorliegt auch eine Rückkehr des Faschismus jederzeit möglich ist. Der Kapitalismus ist also unmittelbar mit dem Faschismus verknüpft. Andererseits besteht eine latente Totalität. Sie äußert sich im Wesen der Gesellschaft durch die bürokratisierte Kontrolle der Staaten über seine Mitglieder. Diese Menschen sind völlig integriert und an das System gebunden.


  • Mimesis (Nachahmung) der Natur

Adorno zeichnete allerdings eine gewisse Hoffnung für den Menschen. Durch ein sogenanntes mimetisches Verhalten soll sich an die Natur als Gegenüber angelehnt werden. Das bedeutet nicht die völlige Aufgabe der Vernunft oder das Ergeben an die Natur, sondern eine andere Auffassung der Natur als die instrumentelle Vernunft es tut.


  • Kunst als Indikator

Für Adorno ist die Kunst ein gewisser Rückzugsort. Dort kann der Mensch durch ästhetische Erfahrungen noch einen Naturbezug spüren. Dadurch könnte er erfahren, dass die Instrumentelle Rationalität grausam ist. Kunst ist daher ein Indikator für das Bewusstsein der Menschen, ob sie ihr Leid und gesellschaftliche Alternativen noch erkennen.

Rezeption und Wirkung

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Frankfurter Schule

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Als Frankfurter Schule wird eine Gruppe von neomarxistischen Forschern beschrieben, die sich im Institut für Sozialforschung in Frankfurt a.M (D) niedergelassen haben. Besonders hervorgetan haben sich dabei Max Horkheimer und Theodor Adorno, die die Kritische Theorie entwickelten. Sie hatte enorme gesellschaftliche Wirkung in Deutschland, insbesondere auf die Außerparlamentarische Opposition, die Studierendenbewegung der späten 60ger Jahre und auf die Neue Linke.

Das Institut für Sozialforschung wurde ab 1931 von Max Horkheimer geleitet. Er führte die Zeitschrift für Sozialforschung ein. Darin wurde die Kritische Theorie ausführlich öffentlich diskutiert. Bedeutende weitere Persönlichkeiten waren unter anderen Theodor Adorno, Herbert Marcuse, Erich Fromm und Friedrich Pollock. Im Jahr 1933 musste das Institut unter dem Nationalsozialismus geschlossen werden und verlegte den Hauptsitz nach New York. Nach dem Krieg kehrten 1949 Max Horkheimer und Theodor Adorno wieder nach Frankfurt a.M. zurück und gründeten das Institut für Sozialforschung neu. Die Zeit des Nationalsozialismus und der Holocaust prägten die Frankfurter Schule mit ihrer Kritischen Theorie enorm.


Extremer Pessimismus

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Die Kritische Theorie ist von einem extremen Pessimismus gekennzeichnet. Dieser hat sich besonders auf die deutsche Gesellschaft ausgewirkt. Dieser extreme Pessismus kann im Sinne der Kritischen Theorie selbst als zeitgeprägt aufgefasst werden. Die Theorie wurde durch den Nationalsozialismus im Besonderen geformt. Im Pessimismus kommt dann dieses (nationalsozialistische) machttheoretisch geprägte apokalyptische Bild von der Gesellschaft hervor.


Jürgen Habermas

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Jürgen Habermas zählt zu den Vertretern der Frankfurter Schule. Er lebt aber zeitlich etwas später.

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Die critial legal studies oder auch Kritische Rechtslehre wurde durch die Kritische Theorie verursachend beeinflusst. Sie entstand in den späten 60gern und hatte ihre Blützeit in den 80-igern. Dabei wurden die Ideen von Marx, Adorno und Marcuse auf das Recht angewandt. Die Bewegung verwendete die Kritische Theorie für das Rechtssystem und kam so beispielsweise zu dem Ergebnis, dass das Recht den Mächtigen und Reichen nutze und diskriminierte Personen wie Arme, Frauen, Homosexuelle oder Personen der Arbeiterklasse benachteilige und damit die bestehenden Verhältnisse stabilisiere.

Literatur

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Internetquellen

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Podcast-Tipp

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Soziopod #020: Frankfurter Schule – Die Verflüssigung der Macht

Alexander, Jeffrey

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Biographie in Daten

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Alexander Jeffrey


Ausbildung:
  • B. A. Harvard College, 1969, Abschluss mit "Cum Laude"
  • Ph. D. University of California, 1978


Beruflicher Werdegang:
  • Dozent an der University of California, Berkely von 1974 bis 1976
  • Ass.-Prof. an der University of California, Los Angeles von 1976 bis 1981
  • Professor an der University of California, Los Angeles von 1981 bis 2001, danach Emeritierung
  • Dozent an der "School of Social Science" des dortigen Instituts für Advanced Studies in Princeton, New Jersey von 1985 bis 1986
  • Dozent am Schwedischen Collegium für Advanced Study der Sozialwissenschaften in Schweden in den Jahren 1992 und 1996
  • Dozent am Center for Advanced Study der Verhaltensforschung in Stanford von 1998 bis 1999
  • Professur an der Yale University von 2001 bis 2004


  • Lilian Chavenson Saden Professor of Sociology an der Yale University seit 2004
  • Ständiger Gastprofessor an der Universität Konstanz seit 2004


Weitere Tätigkeiten:
Gastprofessuren: Nankai University (1989), Hebrew University (1993), University of Bordeaux (1994), Ecole des Hautes Etudes des Siences Politiques (1993), Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (1994, 2001), Konstanz University (2002).
Mit Ron Eyeerman zusammen ist er Co-Direktor des Center for Cultural Sociology (CCS)


Historischer Kontext

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Als Student des Harvard Colleges und als Hochschulabsolvent der University of California (vom Ende der 1960er bis Anfang der 1970er) nahm Alexander an diversen Studentenprotestbewegungen teil und entwickelte sich in seinen ersten beiden Studienjahren in Berkeley zu einem intellektuellen Marxisten. Er wurde darüber hinuas mit dem Gedankengut des Sozialwissenschafters Fred Block vertraut und beschäftigte sich intensiv mit der Zeitschrift "Socialist Revolution" (später "Socialist Review").

Großen Einfluss auf seine Entwicklung hatten sicherlich die Studentenbewegungen in den 60ern und 70ern sowie der Watergate-Skandal in den frühen 70ern. Letzteren nahm er zum Anlass, über die kulturellen Werte der Amerikaner sowie über die stark geteilte Amerikanische Gesellschaft nachzudenken. Er befasste sich mit der Entstehung der Verfassungskrise und versuchte diese zu erklären.

Nachdem er sich politisch vom Revolutionär zum demokratischen Sozialisten (und mitunter zum Linksliberalen) entwickelt hatte, stellte er nach und nach fest, dass er in diesen ersten drei Jahren eine entscheidende intellektuelle Phase durchlebt hatte. Dies verdankte er u.a. Neil Smelser, Robert Bellah und Leo Lowenthal, bei denen er Kurse besuchte und deren Werke er schließlich auch in seiner Disseration reflektierte.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Alexander beruft sich, wie auch andere Neofunktionalisten, auf Talcott Parsons, eine in den 50er Jahren konkurrenzlose Leitfigur soziologischer Theorie. Während Alexander versucht, die Theorie Parsons weiterzuentwickeln, zählt er gleichzeitig zu dessen Kritikern. Einerseits konnte, so Alexander, Parsons Modell vom Sozialsystem nur in den fünfziger Jahren, als die USA als Wirtschaftswunder galt, nicht jedoch in den darauf folgenden Krisenjahren bestätigt werden. Einen weiteren Problempunkt sieht Alexander in Parsons Theorie „Veränderungen am Zustand eines Gleichgewichts als Idealzustand zu messen“, was Parsons allerdings als früherer Dozent für Ökonomie nur als heuristisches Modell verstanden hatte. Alexander gilt neben anderen Neofunktionalisten als einer der wenigen Weiterdenker von Parsons. Neben einer allgemeinen Wiederbesinnung auf den soziologischen Klassiker soll eine Einbeziehung der historischen Dimension stattfinden.

Auch Emile Durkheims Schaffen hatte auf Alexanders Werk Einfluss. Vor allem seine Ausführungen über Religion zur Erklärung des Wandels der Bewertungen haben seinem Aufsatz über den "Watergate Skandal" eine zusätzliche intellektuelle Dimension verliehen.


Werke

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Publikationen:
Theoretical Logic in Sociology (University of California Press and Routledge Kegan Paul, 1982-1983)
vol. I: Positivism, Presuppositions, and Current Controversies
vol. II. The Antinomies of Classical Thought. Marx and Durkheim.
vol. III: The Classical Attempt at Syntheesis: Max Weber.
vol. IV: The Modern Attempt at Synthesis: Talcott Parsons.
auch in japanischer Übersetzung
Twenty Lectures: Sociological Theory Since World War II (Columbia University Press, Hutchinson, 1987)
auch in ungarischer, spanischer, koreanischer und chinesischer Übersetzung
Action and Its Environments: Towards a New Synthesis (Columbia University Press, 1988)
Structure and Meaning: Relinking Classical Sociology (Columbia University Press, 1989)
Fin-de-Siècle Social Theory: Relativism, Reduction and the Problem of Reason (Verso, 1995)
auch in chinesischer Übersetzung"
Neofunctionalism and After. (Basil Blackwell, 1998)
auch in chinesischer und portugisischer Übersetzung"
Zuletzt veröffentlicht:
The Meanings of Social Life: A Cultural Sociology. (Oxford University Press, 2003)
Cultural Trauma and Collective Identity mit Eyerman, Giesen, Smelser und Sztompka (University of California Press, 2004)
The Civil Sphere (Oxford University Press, 2006)
Essaysammlungen in Übersetzung
Sociología cultural. Formas de clasificación en las sociedades complejas. (Barcelona: Anthropos, 2000)
La Réduction: Critique de Bourdieu (Paris: le Cerf, 2000)
Neo kino shugi to shimin shakai (Neofunctionalism and Civil Society) (Tokyo: Koseisha-Koseikaku Co., Ltd., 1996)
Soziale Differenzierung und kultureller Wandel: Studien zur Neofunktionalistischen Gesellschaftstheorie (Frankfurt: Campus Verlag, 1993)
Teoria sociologica e mutamento sociale. Un'analisi multidimensionale della modernità. (Rom: Franco Angeli, 1990)


Das Werk in Themen und Thesen

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Von Anbeginn seiner soziologischen Tätigkeit beschäftigt sich Alexander mit dem sozialen Handeln. Heute sieht er Handeln als „multidimensional“ an, da er „Handeln nicht als entweder instrumentell oder normativ“ begreift, „sondern als beides zu gleich“. Handeln solle auch nicht als eindimensional gelten, sondern durch interne und externe Strukturen geordnet dargestellt werden. Als Analyseinstrument, welches sich sowohl für Mikro- als auch für Makroprozesse eignet, hat Alexander folgenden Handlungsbezugsrahmen ausgearbeitet: personality, cultural system & social system -> action (interpretation/strategization). Es ist unschwer zu erkennen, dass Alexander diese 3 Handlungsumwelten von Parsons übernommen hat, der erstmals die Unterscheidung zwischen Persönlichkeitssystem, kulturellem und sozialem System vorgenommen hat.

Immer wieder hat sich Alexander mit kulturellen Werten (am Beispiel des Watergate-Skandals, des Holocaust, etc.)beschäftigt und dazu Kultur als "für das Verhalten begrenzend wirkend" definiert. Unser Verhalten wird durch die Verinnerlichung von kulturellen Standards sowie durch das Empfinden verschiedener Erwartungen von außen, gehemmt. Damit grenzt sich Alexander von Parsons Sichtweise über das Wirken von Normen auf das Verhalten ab.

Auszüge aus einem Interview mit Jeffrey Alexander

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I: Warum die Wendung zur Kultur in der Amerikanischen Soziologie, und warum erst vor kurzem?

A: Es gibt kein bestimmtes tragisches Ereignis oder einen soziologischen (social) Grund. Sinnsuche war immer schon ein zentrales Thema in den Humanwissenschaften. Es soll zentral sein und war es auch, von Dewey and Mead zu Parson. Die Frage ist warum, sie im Interregnum von Anfgang der 70er bis in die Mitte der 90er gefehlt hat. Die Antwort war eine Rebellion gegen den Parsonianismus. Genau dieser Rebellion hat er sich in „Twenty Lectures: Sociological Theory since World War II“ gewidmet.

I: Im zunehmenden Interesse an der Kultursoziologie scheint es ein gleichzeitiges Aufleben vom Spätschaffen Durkheims zu geben. Vor 17 Jahren haben Sie die Kollektion „Durkheimian Sociology“ herausgegeben worin sie beschreiben wie viele prominente Geisteswissenschaftler, die sich von Durkheim beeinflussen ließen, diesen Einfluss aber dann nicht zugaben. Welche Rolle spielt Durkheims Religionssoziologie in der Theorie heute und geben diese Wissenschaftler nun zu, dass er Einfluss auf ihre Arbeiten hatten?

A: Wie Philip Smith und ich in der Einleitung zu „The Cambridge Companion to Durkheim“ – die in den nächsten Monaten herauskommen soll – gab es eine dramatische Verschiebung was die Interpretation Durkheims betrifft. Eben die spätere Arbeit, die Religionssoziologie ist nun im Mittelpunkt. Die früheren und mittleren Arbeiten, die mehr soziologischen und mechanischen Schriften sind heute weniger interessant und gewichtig. Das ist eine sehr wichtige Verlagerung und sie reflektiert neue theoretische Interessen in der Soziologie und Anthropologie. Welche Rolle dieser späte Durkheim heute spielt ist schwierig zu sagen. Wenn wir diesen Einfluss durchdringen durch die Zeichensprache, Rituale und Diskurse, wie ich glaube, dass wir es tun müssten, dann hat diese späte Arbeit einen ziemlich weiten Einfluss erlangt. Und, ja, Autoren geben es nun zu zB. Randall Collins.

I: Sie scheinen sehr kampfbereit in Ihrem paradigmatischen Ringen einerseits zu fördern andererseits eine Sinn-orientierte Kultursoziologie in den US zu begründen (Gregor McLennan beschreibt diese Ringen als „ein Bemühen die „neue Amerikanische Kultursoziologie“ als die führende Marke im kulturtheoretischen Marktplatz zu begründen). Wie erfolgreich war ihr Projekt bisher, und worin hat sich dieser Erfolg am meisten manifestiert? Weiters, was sind für Sie die hauptsächlichen Hindernisse um das Ziel Legitimität für das „strong program“ (starke, engerische Programm) in der Kultursoziologie als Bereich zu geben? Für einen Außenstehenden scheint dies ein sehr anspruchsvolles Bestreben zu sein, vor allen wenn man sich die momentan dominante Annäherung der „Entstehung von Kultur“ (production of culture) ansieht.

A: Ich kann nicht sagen ob es bisher erfolgreich war – was meine Anstrengungen eine Alternative zur „Entstehung von Kultur“ zu kreieren - betrifft. Wenn Sie sich die Serien, die ich bei Cambridge herausgegeben habe ansehen (Cultural Social Studies), sehen Sie 50 Bücher, von denen keine auf die entstehungsorientiert ist. Diese Reihe hatte einen ziemlichen Einfluss auf die Amerikanische Soziologie and gab den Nährboden für eine strengere Programmannäherung. Amerikanische Soziologie, wie die Britische oder Französische ist sehr auf Reduzierung ausgerichtet, wenn es um Kultur/Ideologie geht – ich habe das als „schwache Programm“-Annäherung bezeichnet. Es gibt offensichtliche Gründe dafür in der soziologischen Konzeption selbst. Es gibt ein Bestreben die Soziologie in eine Naturwissenschaft zu verwandeln.

Rezeption und Wirkung

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Immer wieder beschäftigt sich Alexander in seinen Aufsätzen mit realen Sachverhalten, wie dem oben bereits erwähnten "Watergate-Skandal". "Für uns", so schreibt Erwin K. Scheu, "wird aber gerade am Erklärungsgegenstand Skandal Watergate der Verdacht dichter, es handle sich hier weitgehend nicht um den Vorschlag einer weitergehenden Erklärung, sondern um eine façon de parle."


Internetquellen

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Allport, Gordon W.

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Biographie in Daten

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Allport Gordon Willard


  • geboren am 11. Nov. 1897 in Montezuma, Indiana als jüngster von vier Brüdern (Harold, Floyd, Fayette and Gordon)


  • Vater: John Edwards Allport (* 1863), Landarzt; Mutter: Nellie Edith (Wise) Allport (* 1862), Lehrerin

Allport wuchs in Glenville (Cleveland), OH auf. Er beschrieb sein Elternhaus später als gekennzeichnet durch Einfachheit, protestantischer Frömmigkeit und harte Arbeit. Er galt als eher ruhig und introvertiert und war von frühester Kindheit an hauptsächlich umgeben von Krankenschwestern und Patient/inn/en.

Sein älterer Bruder Floyd (1890 – 1978) besuchte ebenso wie Gordon die Harvard Universität und lehrte später Sozialpsychologie und politische Psychologie an der Syracuse University’s Maxwell School of Citizenship and Public Affairs. Er gilt als Mitbegründer der zeitgenössischen Sozialpsychologie. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Gordon beschränkte sich auf zwei frühe Arbeiten in den 1920er Jahren. Ihre Zugänge zur Psychologie veränderten sich später in unterschiedliche Richtungen und sie verzichteten auf weitere gemeinsame Veröffentlichungen. Nichtsdestotrotz vertraute Gordon immer auf Floyds Rat und objektive Kritik.

1915 beendet Allport die Glenville Highschool als Zweitbester von 100 Schülern.

1915-1919 studiert er an der Universität in Harvard mit besonderem Interesse an Psychologie und Sozialethik. Während dieser Zeit betätigt er sich ehrenamtlich in der Sozialarbeit, betreibt Feldforschung im Westen Bostons und in einigen Organisationen u.a. dem Phillips Brooks House.

1919-1920 lehrt er Englisch und Soziologie am Robert College in Istanbul

1920: trifft er Sigmund Freud in Wien, bei dem Freud eine Beobachtung Allports falsch interpretiert. Diese Erfahrung führt bei Allport zu einer lebenslangen Vorsicht gegenüber zu raschen psychoanalytischen Urteilen und einer kritischen Betrachtung der Tiefenpsychologie.

1920-1922 arbeitet Allport an seiner Doktorarbeit in Psychologie. 1922 erhält er seinen Ph.D. für seine Arbeit „An Experimental Study of Traits of Personality: With Special Reference to the Problem of Social Diagnosis”

1922-1924: Allport reist für weitere Studien nach Europa: 1922 – 1923 studiert er in Berlin und Hamburg, 1923-1924 an die Cambridge University, UK. Während seiner Zeit in Deutschland erlangt Allport ein tiefes Verständnis der damaligen deutschen psychologischen Forschungen. Er schreibt später, dass Deutschland ihn von seinem (jugendlichen) Vertrauen in den Behaviorismus befreite und er dort eine Psychologie fand nach der er immer suchte, von der er aber nicht wusste, dass sie tatsächlich vorhanden war. In England beschäftigte er sich vor allem mit den zuvor in Deutschland gewonnenen Eindrücken und Erfahrungen zur Psychologie.

1925 heiratet Allport Ada Lufkin Gould. Ihr gemeinsamer Sohn, Robert, wurde später Kinderarzt.

1924–1926 arbeitet er als Dozent in Sozialethik an der Harvard Universität. 1924/1925 hält er die erste Vorlesung zum Thema „Personality: Its Psychological and Social Aspects“ in Harvard (die erste zu diesem Thema angeboten Vorlesung in den gesamten USA)

1926–1930: Assistenzprofessor der Psychologie am Dartmouth College (Einführungskurse, Sozial- und Persönlichkeitspsychologie)

1930-1967 lehrt Allport an der Universität Harvard (bis 1937 Assistentsprofessor, 1937-1942 außerordentlicher Professor, 1942–1967 Professor)

1939–1946 Vorsitzender des „Psychological Departments“ in Harvard

1937–1948 Herausgeber des „Journal of Abnormal and Social Psychology“

1939 Präsident der „American Psychological Association“ (APA)

1944 Präsident der „Society für the Psychological Study of Social Issues“ (SPSSI)

1946 Mitbegründer des “Department of Social Relations” in Harvard (ua. mit Talcott Parsons), welches die Sozial-, Persönlichkeits- und klinische Psychologie kombinierte mit Kulturanthropologie und Soziologie.

1964 erhält Allport den “Distinguished Scientific Contribution Award to Psychology” der American Psychological Association

9. Okt. 1967 stirbt Gordon W. Allport in Cambridge, MA an Lungenkrebs

Historischer Kontext

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Gordon Allport hatte eine sehr behütete und ruhige Kindheit. Sie war geprägt von dem Glauben seiner Mutter, harter Arbeit und einem medizinischen Umfeld.

In seiner Zeit als Student in Harvard arbeitet er ehrenamtlich in verschiedenen Sozialeinrichtungen. Diese Erfahrungen weckten in ihm das Interesse für Persönlichkeitswesenszüge und deren Auswirkung auf das soziale Verhalten.

Allport war Zeit seines Lebens ein religiöser Mensch. Ein besonderes Interesse für Religionspsychologie entwickelte er allerdings zur Zeit des zweiten Weltkrieges. Die Ereignisse dieser Zeit in Europa weckten in Allport das Interesse an Korrelationen zwischen Antisemitismus bzw. Rassismus, Persönlichkeitsmerkmalen und Religion. In dieser Zeit entstanden auch seine Arbeiten zur Vorurteilsforschung.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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In seiner Zeit als Student wurde Allport vor allem von Hugo Münsterberg beeinflusst. Dieser gilt zusammen mit William Stern, Walter Dill Scott und Jean-Maurice Lahy als Gründer der Angewandten Psychologie.

Mit 22 Jahren besuchte Allport Sigmund Freud in seiner Praxis in Wien. Dieser hat Allport,wider Erwarten, mit Schweigen erwartet. Um das Eis zu brechen, erzählte Allport von einer Beobachtung eines Jungen mit Schmutzphobie, die er zuvor gemacht hatte. Freud entgegnete ihm darauf mit der Frage, ob Allport selbst dieser Junge sei. Diese Fehlinterpretation von Freud, der das Motiv für die Erzählung dieser Geschichte verkannte, brachte Allport zur Erkenntnis, dass die Tiefenpsychologie vielleicht in gewissen Bereichen „zu tief“ graben würde anstatt zuerst augenscheinliche und manifeste Motive zu erkennen. Diese Einsicht spiegelt sich später auch in Allports Konzept der „funktionellen Autonomie“ wider.

Die entscheidenden Eindrücke für seine Auffassung und Sicht der Psychologie erhielt Allport während seiner Europareise 1922 – 1924. In Hamburg lernte er William Stern kennen, in Berlin studierte er mit den Gestaltpsychologen Wertheimer, Stumpf und Köhler. Diese prägten Allports Betrachtung der Gesamtheit der Persönlichkeit. Auch Eduard Sprangers Arbeiten zu Wertvorstellungen beeinflussten den jungen Wissenschaftler. Später entwickelte Allport gemeinsam mit Philip Vernon einen Test („A Study of Values“ 1960) um Sprangers Unterscheidung in sechs verschiedene Wertebegriffe empirisch zu bestätigen. Neben der Ganzheitlichkeit der Persönlichkeit lernte er in Deutschland auch eine geistige Haltung kennen, die den Menschen als selbstbestimmende Quelle von Handlungen und zielgerichteten Akteur begreift. Dieses Verständnis der Persönlichkeit geht zurück auf Leibniz und wurde von Kant und dem deutschen Idealismus wieder aufgegriffen und erweitert. Allport wurde von dieser geistigen Haltung stark beeinflusst. In Frankreich studierte er mit Frederik Barlett und Ivor A. Richards.

1924 bis 1926 lehrte Allport im Rahmen einer Dozentenstelle Sozialethik in Harvard. In dieser Zeit wurde er stark von Richard Clarke Cabot (1868 – 1939), Mediziner und Professor für Kardiologie und Sozialethik in Harvard, geprägt. Dieser begründete in Harvard eine psychologische Ausbildung für Theologen, die im Bereich der Seelsorge tätig waren. Sowohl Cabot als auch Allport vertraten die Ansicht, dass der Mensch in sich eine Sehnsucht nach einer Beziehung zu Gott tragen würde.

Darüber hinaus wurde Allport von William James, geprägt, dessen psychologische Studien u.a. Grundideen der Gestaltpsychologie vorwegnahmen und als wichtige Grundlage für die Religionspsychologie dienten. Weiters wurde Allport von William McDougall beeinflusst, der die Bedeutung des inneren Antriebs und zielorientierten Verhaltens sowie des Bewusstseins hervorgehoben hatte.


Werke

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Allport, G.W. (1937): Personality: A psychological interpretation. New York: Henry Holt.

Allport, G.W. (1942): The use of personal documents in psychological science. (Bulletin 49). New York: Social Science Research Council.

Allport, G. W. (1950): The individual and his religion. New York: Macmillan.

Allport, G. W. (1954): The nature of prejudice. Reading, MA: Addison-Wesley.

Allport, G. W. (1955): Becoming: Basic considerations for a psychology of personality. New Haven: Yale University Press.

Allport, G. W. (1960): Personality and social encounter. Boston, MA: Beacon

Allport, G. W. (1961): Pattern and growth in personality. New York: Holt, Rinehart and Winston.

Allport, G. W. (1965): Letters from Jenny. New York: Harcourt, Brace and World.

Allport, G. W. (1968): The person in psychology: Selected essays by Gordon W. Allport. Boston, MA: Beacon Press. (postum erschienen)


Das Werk in Themen und Thesen

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Allports Verständnis der Psychologie

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Die Psychologie Mitte des letzen Jahrhunderts war wie bereits erwähnt von vielen gegensätzlichen Ansätzen geprägt. Allport nahm aktiv an der Diskussion über Richtungen der Psychologie teil. Er sah die Vielfalt an Strömungen und Ansichten in der Psychologie grundsätzlich als positiv an. Für ihn befand sich die Psychologie im Anfangsstadium, in dem jede Wissenschaft versuchen sollte, zum Einen eine breite Basis zu schaffen, von welcher einzelne Arbeitsbereiche ausgingen und zum Anderen eine Übereinstimmung zu finden, welche Bestandteile die Psychologie haben sollte, um sich von anderen Wissenschaften abzugrenzen.

Wogegen sich Allport allerdings strikt aussprach waren Richtungen in der Psychologie die versuchten, Dogmen aufzustellen, womit sie andere Sichtweisen prinzipiell und in jedem Fall ablehnten. Diese Bestrebungen sah er vor allem in jenen Richtungen gegeben, die auf dem Empirismus und Sensualismus John Lockes und David Humes aufbauten: Behaviorismus, Reiz-Reaktions-Psychologie, Tier-Psychologie, Positivismus und logischer Empirismus.

Allports Auffassung nach verkannten jene Sichtweisen, die den Menschen als anfängliche tabula rasa, als unbeschriebene Tafel, verstanden, welche durch spätere Erfahrungen „beschrieben“ werden sollte und den Menschen lediglich als ein Opfer der Bedürfnisse des eigenen Organismus darstellten, gewisse Aspekte wie Eigenstreben, Wertorientierung, Zielsetzungen und Absicht. Sie wären somit nur unzureichend in der Lage, die Persönlichkeit in ihrer Vielschichtigkeit zu erklären.


Forschung und Methode

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Empirie

Durch die Forschung gewonnene Daten stellten für Allport „Rohmaterial“ dar, das dazu dienen sollte Hypothesen zu stützen bzw. zu verifizieren. Erst in einer Kombination von Hypothesen und empirischen Studien sah er eine Möglichkeit, die herrschende Uneinigkeit über die Persönlichkeit zu verringern und der wahrscheinlichen Wahrheit näher zu kommen. Ohne Empirie müsste man These und Gegenthese als gleichberechtigt ansehen, da einem jegliche Möglichkeit zur Festigung der These gegenüber Kritikern fehlen würde.

Trotz der Anerkennung des Stellenwertes empirischer Untersuchungen wies er aber darauf hin, dass der moderne Positivismus, welcher nur solche Begriffe in die Psychologie aufzunehmen bereit ist, auf die unmittelbar durch Untersuchungen geschlossen werden kann, als Instrument zur Erklärung der komplexen Zusammenhänge der Persönlichkeit unzureichend ist.

Allport vertrat also die Ansicht, dass weder die spekulative noch die streng empirische Methode in der Lage wäre, den bisherigen Erkenntnisstand der Psychologie fruchtbar zu erweitern. Er sprach diesen Methoden allerdings keinesfalls ab, dass sie in gewissen Bereichen durchaus ihre Berechtigung hätten, allerdings wären sie zu beschränkt um die Gesamtheit einer Persönlichkeit zu erfassen.


Nomothetischer und idiographischer Ansatz

Allport sah die Persönlichkeitsforschung in einem besonderen Spannungsfeld zwischen dem wissenschaftlichen Streben nach Erforschung allgemein gültiger Gesetze und der individuellen Komplexität menschlicher Persönlichkeit. Die Wissenschaft als nomothetische Disziplin will Gesetzmäßigkeiten erforschen, die Individualität kann wiederum nur idiographisch, durch Erfassung des Menschen in seiner Einzigartigkeit, untersucht werden.

Allport kritisierte die nomothetische Methode insofern, als sie seiner Ansicht nach,nicht in der Lage sei, die innere, einzigartige Konstellation einzelner Eigenschaften, spezifischer Abhängigkeiten und Zusammenhänge zu erfassen. Eine Beschreibung von Personen mit Hilfe allgemeiner Eigenschaften berühre allenfalls die Oberfläche. Die Persönlichkeit war für Allport auch keinesfalls eine Überschneidung einzelner quantitativer Variablen.

Doch Allport verkannte auch die Vorteile der nomothetischen Methode nicht und gestand ihr sogar in bestimmten Bereichen der Psychologie großen Nutzen zu. Er kritisierte lediglich jene Psychologen, die diesen Zugang zur Materie als einzig möglichen Weg begriffen haben.


Allports eigene Psychologie

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Allport selbst beschreibt seine Psychologie als humanistisch, insofern, als damit die uneingeschränkte Betrachtung aller Aspekte des Seins hervorgehoben wird und in der Weise als personalistisch, als es ihr Ziel ist die Entwicklung konkreter einzigartiger Personen zu begreifen und vorherzusagen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Allport für eine breite Betrachtung der Persönlichkeit aussprach, die sowohl universelle, kulturelle oder gruppenspezifische aber auch individuelle Aspekte berücksichtigt.


Arbeitsgebiete

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Persönlichkeitspsychologie

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Gordon Allports Ziel war eine Persönlichkeitstheorie die ein theoretisch entwickeltes, empirisch verifiziertes und praktisch umsetzbares Modell der Wirkung von Persönlichkeitswesenzügen auf das soziale Verhalten zum Ausdruck bringen sollte.


Das „Proprium“

Im Laufe seiner Arbeit beschäftigte sich Allport u.a. mit Strömungen der Persönlichkeitsforschung, die Menschen als reaktives Wesen verstanden und Begriffe wie Selbst, Seele oder Ich aus ihrer Psychologie verbannten. Grund für diese Verbannung war die Anfälligkeit jener Worte für überirdische, mystische Zuschreibungen. In weiterer Folge versuchte man das Streben der Menschen ohne eine innere Instanz, das Selbst, zu erklären. Bald wurde allerdings erkannt, dass dieser Ansatz nicht in der Lage war bestimmte beobachtbare Verhaltensweisen im Menschen zu erklären.

Allport kam durch seine Beschäftigung mit diesen Ansätzen zu Ansicht, dass nur durch eine Beachtung eines für das Individuum zentralen Bereiches der Persönlichkeit („Sein“, „Seele“, „Ich“) bestimmte beobachtbare Zusammenhänge verschiedener Handlungen und Verhaltensweisen zureichend erfasst werden könnten. Er war sich allerdings dem Mangel an Objektivität und Wissenschaftlichkeit der zuvor genannten Begriffe durchaus bewusst, dies veranlasste ihn zu einer Begriffsneubildung: dem „Proprium“.

Allport betont, dass das Proprium keinesfalls als überirdische Instanz zu verstehen sei, der alle Phänomene zuzuschreiben wären, die man nicht erklären kann. Er versucht dieses vielmehr als Funktion der Gesamtpersönlichkeit zu begreifen, die es dem erwachsenen Menschen erlaubt sein Leben eigenbestimmt und aktiv zu führen, auf innere und äußere Eindrücke kreativ zu reagieren, Werte zu bilden und „für die Zukunft zu planen.“

Das Proprium ist nicht von Kindesalter an voll ausgebildet, es macht eine Entwicklung durch, die Allport in sieben Prozesse unterteilt:

  1. Wahrnehmung des körperlichen Selbst: Die Wahrnehmung des eigenen Körpers, das Körpergefühl entwickelt sich während der ersten beiden Lebensjahre.
  2. Selbst-Identität: Sie entwickelt sich ebenfalls in den ersten beiden Lebensjahren. Das Kind begreift sich als fortdauerndes und individuelles Wesen.
  3. Selbstachtung: Zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr erkennt der Mensch u.a. dass er für sich und andere einen bestimmten Wert hat.
  4. Selbstausdehnung: Während des vierten bis sechsten Lebensjahres beginnt das Kind sich mit bestimmten Dingen zu identifizieren („mein“) und erweitert so seine Wahrnehmung des Selbst.
  5. Selbstbild: Einhergehend mit der Selbstausdehnung entwickelt sich auch unser Selbstbild. Es ist die Erkenntnis darüber, wie man von anderen gesehen wird, wie man auf also auf andere wirkt.
  6. Das rationale Ich: Zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr lernt das Kind Probleme rational und effektiv zu lösen.
  7. Eigenstreben, propriates Streben: Eigenstreben entwickelt der Mensch meist ab dem zwölften Lebensjahr. Er definiert Ziele und Pläne und sucht nach dem Zweck seines Daseins. Der Höhepunkt dieses Strebens wird für Allport erreicht, sobald der Mensch sich seines Daseins und seiner Möglichkeiten vollkommen bewusst ist. Dadurch ist er in der Lage, sein Leben selbstbestimmt zu führen („Selbst als Wissender“).
    Achtung: Es ist nicht ganz klar, ob das „Selbst als Wissender“ eine weiter Entwicklungsphase darstellt, oder rein als „vollendete“ Form des Eigenstrebens zu verstehen ist.

Die Existenz eines proprialen Bereiches ist für Allport auch eine essentielle Voraussetzung für humane Handlungen, die den Menschen vom Tier abgrenzen. Diese Funktion ermöglicht ihm, sich in bestimmten Bereichen über die biologische Veranlagung hinwegzusetzen. Diese Fähigkeit nötigt den Mensch wiederum dazu, sich durch „etwas“ selbst zu bestimmen. Dieses „etwas“ nennt Allport das Proprium.


Funktionelle Autonomie

Mit dem Konzept der funktionellen Autonomie verweist Allport auf die Unabhängigkeit vieler Motive von Primärantrieben und Grundbedürfnissen. Es stellt damit einen direkten Gegenpol zum Behaviorismus und zur Tiefenpsychologie dar.

Allport bezweifelte, dass der einzelne Mensch durch einen Blick in seine Vergangenheit verstanden werden könne. Er sah dessen heutige Motive im Gegensatz zu anderen bekannten Psychologen als funktionell unabhängig von ihren Ursprüngen. Mit zunehmender Reife des Individuums werden Motive aus der Vergangenheit immer schwächer und der Grad an Autonomie der individuellen Kräfte kennzeichnet für ihn die Reife eines Menschen.

Ein Mensch kann sich in jungen Jahren zum Beispiel für einen bestimmten Beruf entscheiden, weil er mit einer besonderen Arbeitsplatzsicherheit oder hohem Verdienst verbunden ist, später bleibt er allerdings in diesem Beruf weil er ihm Spaß macht.

Ein Motiv kann seinen Ursprung zwar in den spannungsreduzierenden Motiven der Kindheit/Jugend haben, jedoch im Erwachsenenalter davon unabhängig werden. Dienten die Handlungen ursprünglich der Befriedigung eines Triebes oder eines Bedürfnisses, so dienen sie im späteren Leben sich selbst bzw. der Identität.

Allport unterscheidet zwei Arten der funktionellen Autonomie:

  • persevative funktionelle Autonomie: diese bezieht sich auf Gewohnheiten: das ursprüngliche Motiv bestimmter Verhaltensweisen ist bereits verschwunden, trotzdem werden sie beibehalten (z.B. jemand fängt aufgrund von Gruppenzwang in der Jugend an zu rauchen, er hört als Erwachsener allerdings nicht mehr damit auf. oder: Der Ausspruch „Gesundheit“ hatte früher, als Niesen noch ein Symptom für die Pest sein konnte eine andere Bedeutung als heute)
  • propriate funktionelle Autonomie: diese bezeichnet Motivsysteme die stark an die Persönlichkeit gebunden sind (zB. Werte, Interessen, Lebensstil).

Die „propriate funktionelle Autonomie“ bezeichnet Motive eines Erwachsenen, die bestimmten internalisierten Werten entspringen. Ein solcher Wert kann Motiv für eine bestimmte Zielsetzung und damit verbundene Handlungen sein. Dies hat zur Folge, dass gewisse Handlungen erst durch ein Wissen über die individuellen Wertsetzungen von Anderen plausibel begründet werden können.

Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Vernon und Lindzey entwickelte Allport aufbauend auf dem Konzept der „propriaten funktionellen Autonomie“ Tests, um Werteinstellungen (in Anlehnung an Sprangers sechs Dimensionen der Persönlichkeitswerte) empirisch erfassen zu können.

Allports Motivationstheorie unterscheidet sich zwar von anderen Theorien, die jegliche Motivation durch Triebe bedingt sehen, dennoch anerkennt er, dass dies in den ersten Lebensjahren des Kindes und auch in begrenzten Bereichen des Erwachsenenlebens durchaus Bedeutung hat. Zur Erklärung jeglicher Motivationen sieht er sie allerdings als unzureichend. Allport weißt aber auch darauf hin, dass das Motiv-System der funktionellen Autonomie nur einen Teil der menschlichen Motive betrifft und nicht die Gesamtheit einer Persönlichkeit oder ihrer Motive erklärt. Diese Art der Motivation setzt erst mit Beginn der Pubertät ein.


Persönlichkeitswesenszüge (Dispositionen, Merkmale, engl: traits)

Unter Dispositionen versteht Allport einmalige, persönliche Eigenschaften, die im Menschen veranlagt sind. Nach außen treten diese Eigenschaften in Form von bestimmten, wieder zu erkennenden Mustern in unseren Handlungen.

Allport nennt drei verschiedene Arten von Wesenzügen:

  • Zentrale Merkmale: Sie bilden das „Fundament der Persönlichkeit“ und werden von anderen verwendet, um eine Person zu beschreiben (z.B. schlau, dumm, wild, zurückhaltend). Meist vereint ein Mensch fünf bis zehn solcher Merkmale in sich.
  • Sekundäre Merkmale: Sie sind weniger offensichtlich, allgemein und konsistent als zentrale Merkmale. Vorlieben, Einstellung, situative Merkmale sind Beispiele für sekundäre Merkmale (z.B. er wird sauer wenn man ihn kitzelt).
  • Kardinalmerkmale: Sie stellen ein, eine Persönlichkeit in ihrer Gesamtheit beeinflussendes Merkmal dar und kennzeichnen grundsätzlich das gesamte Leben eines Menschen (z.B. jemand strebt sein Leben lang nach Ruhm und Geld). Meist bilden Menschen nur wenige oder gar kein solches Merkmal aus.

Darüber hinaus weißt Allport auch auf die Bedeutung der jeweiligen Situation hin. In gewissen Situationen kommen gewisse Eigenschaften zum Vorschein, oder aber auch nicht. Selbst ein introvertierter Typ wird in gewissen Situationen aus sich herausgehen und auch ein Spaßvogel wird, wenn es die Situation ausdrücklich verlangt ernst sein. Um ein Verhalten adäquat zu interpretieren bedarf es also zum einen dem Konzept der Wesenzüge als auch einer Betrachtung der konkreten Situation.


Psychologische Reife

Verfügt jemand über ein gut entwickeltes Proprium und einen reichhaltigen Schatz an Dispositionen, hat er die psychologische Reife (im Sinne von Allport) erreicht. Er nennt sieben Merkmale:

  • kontinuierliche Erweiterung des Selbst (der Selbst-Erkenntnis)
  • Fähigkeit zu warmen Beziehungen (Vertrauen, Intimität, Mitgefühl)
  • emotionale Selbstbeherrschung und Sicherheit
  • Fähigkeit zur objektiven Wahrnehmung und Einschätzung
  • Fähigkeit zur Entwicklung von Problemlösungsstrategien
  • Selbstobjektivierung (Fähigkeit sein eigenes Verhalten objektiv zu beurteilen)
  • Existenz einer individuellen, stimmigen Lebensphilosophie

Der Grad der Reife, der erreichten (bzw. noch zu erreichenden) Reife variiert von Mensch zu Mensch.

Vorurteilsforschung

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Vorurteilsforschung wurde zum ersten Mal in den 1920er Jahren betrieben. Damals galt das Vorurteil als eine Art krankhafte, fehlerhafte Funktion menschlicher Entwicklung. Mitte der 1950er Jahre wurde die Betrachtung von Vorurteilen als normalen Prozess zur Entwicklung des Selbst-Bildes, der Identität, zurückgedrängt. Als herausragendes Werk zu diesem Thema gilt Allports „The Nature of Prejudice“.

Vorurteile sind laut Allport eng mit der notwendigen Kategorisierung der unmittelbaren Umwelt zu vergleichen. Aufgrund der begrenzten Kapazitäten ist es für den Menschen wichtig bestimmte Informationen zu kanalisieren und zu sortieren, sich seines Platzes im sozialen Gefüge bewusst zu werden und ein dementsprechendes Selbstbild zu formen. Durch diese Betrachtung verringerte Allport die moralische Färbung der Vorurteilsforschung hin zu einer analytischen Forschung.


Die Allport-Skala

In seinem Werk „The Nature of Prejudice“ stellt Allport eine Skala vor, die Vorurteile innerhalb einer Gesellschaft nach den Graden der Diskriminierung unterscheidet:

  1. Abschätzige Bemerkung (Verleumdung): Die Vorurteile werden gegenüber anderen (Gleichgesinnten aber auch Fremden) uneingeschränkt geäußert.
  2. Vermeidung: Der Kontakt mit der abgelehnten Gruppe wird vermieden, auch wenn dafür Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden müssen.
  3. Diskriminierung: Es gibt Bestrebungen Mitglieder der abgelehnten Gruppe von jeglichen öffentlichen Einrichtungen (z.B. Erziehungs- und Erholungseinrichtungen, soziale Einrichtungen) fernzuhalten und ihnen Zugänge zu gewissen Privilegien und Rechten, aber auch Berufen und Wohngegenden zu verwehren. Die institutionalisierte Form der Rassendiskriminierung ist die Rassentrennung.
  4. Körperliche Gewaltanwendung: Mit steigender Intensität der Emotionen steigt auch die Gewaltbereitschaft gegen die abgelehnte Gruppe (z.B. Zerstörung von Eigentum, körperliche Attacken, etc.)
  5. Vernichtung: z.B. Massenmorde und Völkermord

Ein weiteres Arbeitsgebiet Allports im Zusammenhang mit seiner Vorurteilsforschung war die Religionspsychologie. Ihn interessierte besonders die Frage, wie religiöse Einstellung und Grad der Religiosität mit Vorurteilen und Intoleranz zusammenhängen. Zu diesem Zweck entwickelte er 1967 gemeinsam mit Michael Ross die „Religious Orientation Scale“ (ROS). Diese Skala wurde aufgrund von Fehlern bei der Operationalisierung stark kritisiert und war am Ende nicht dazu geeignet, die von Allport beabsichtigten Inhalte zu überprüfen.


Rezeption und Wirkung

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Allport kann als Gründungsvater und Wegebereiter der humanistischen Psychologie bezeichnet werden, als deren Hauptvertreter Abraham Maslow (1908 – 1970) gilt. Neben dem Konzept der funktionellen Autonomie Allports hat diese Richtung ihre Wurzeln u.a. im Existentialismus und der Phänomenologie und versteht sich als dritte Kraft neben der Tiefenpsychologie und dem Behaviorismus.

Ein Teil seiner Bedeutung für die Psychologie von heute, lässt sich aus seiner Beeinflussung zahlreicher Studenten in Harvard ableiten: zu diesen gehörten u.a. Philip Vernon, Gardner Lindzey, Hadley Cantril, Jerome Bruner, Anthony Greenwald, Stanley Milgram, Mr. Brewster Smith, Leo Postman und Thomas Pettigrew. Sein Buch “Personality: A Psychological Interpretation” galt in der Persönlichkeitspsychologie lange Zeit als Standardlektüre.

Ebenfalls von Allports Arbeiten beeinflusst, im Speziellen durch seine lexikalische Studie in Zusammenarbeit mit Oddbert, wurde das Fünf-Faktorenmodell der Persönlichkeit („Big Five“). Bei den lexikalischen Studien extrahierten Allport und Oddbert insgesamt ca. 18.000 persönlichkeitsrelevante Begriffe aus einem Wörterbuch und fassten diese in 4 Kategorien zusammen. Das spätere Fünf-Faktorenmodell (Big-Five) postuliert darauf aufbauend fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit: Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit für Erfahrung.

Allports Tests zu den Wertvorstellungen bildeten die Grundlage einer Vielzahl von Persönlichkeitstests. Zum Beispiel werden Abwandlungen dieser Tests heute dazu verwendet, um Kinder und Jugendliche bei Berufs- und Ausbildungsentscheidungen zu unterstützen.

Allports Arbeiten der Vorurteilsforschung gelten noch heute als richtungsweisend. Er war der erste der herausarbeitete, dass Vorurteile durch verschiedene Kategorien strukturiert sind und diese Kategorisierung massiv vom sozialen Umfeld abhängt. Diesen Erkenntnissen folgten weitreichende und anregende Diskussionen und Forschungen zu Vorurteilen und der Kontakthypothese (Kontakte wirken vorurteilsreduzierend). Auch folgende Untersuchungen zur sozialen Identität bauen auf dem Konzept der 1950er Jahre auf und gipfeln später in der „Social Identity Theory“ von Tajfel und dessen Kollegen.

Darüber hinaus bildete die vielfach kritisierte „Religious Orientation Scale“ die Basis für eine Vielzahl von darauf aufbauenden, sie modifizierenden oder zu ihr gegensätzlich stehenden Arbeiten. Nicht zuletzt erlangte die Religionspsychologie durch die bekannten und vieldiskutierten Forschungen Allports internationales Ansehen.

Im Diskurs über die Methodik der Psychologie brachte die ausdauernde Vertretung der idiographischen Methode neue Aspekte in die vorher fast ausschließlich von statistischen Methoden geprägte amerikanische Psychologie. Die idiographische Methode, heute meist als qualitative bezeichnet, ist aus der psychologischen Forschung nicht mehr wegzudenken.

Nichtsdestotrotz wurden Allports Ansätze in der Psychologie auch kritisiert. So warf man ihm vor, dass er weder für sein Konzept der funktionellen Autonomie noch für die Einzigartigkeit des Individuums empirische Nachweise liefern könne. Auch wurde bemängelt, dass Beziehungen zwischen den Annahmen seiner Theorien meist nicht nachvollziehbar bzw. sogar gegensätzlich wären. Weiters wurde kritisiert, dass Allport ein zu positives Menschenbild vertrete und zu stark auf das Vorhandensein eines, seiner christlichen Moral entsprechenden, Wertesystems vertraue.

Doch trotz dieser Kritikpunkte ist Gordon W. Allports Stellenwert in der Entwicklung der Psychologie durch die von ihm angeregten Themen und betonten Prinzipien unbestritten.

Literatur

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  • Pervin, Lawrence A. (2005):
    Persönlichkeitstheorien. 5., vollst. überarb. und erw. Auflage."
    München.
  • Heine, Susanne (2005):
    Grundlagen der Religionspsychologie: Modelle und Methoden."
    Göttingen.


Internetquellen

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Archer, Margaret

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Biographie in Daten

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Archer Margaret

  • geboren am 20.01.1943 in Grenoside (United Kingdom)
  • gestorben am 21.05.2023

Eltern:

  • Vater: Richard Archer
  • Mutter: Margaret Sutherland

Kinder:

  • Francesca Archer
  • Andrew Archer
  • Julian Archer
  • Virginia Archer

Geschwister:

  • Rosemary Archer
  • Veronica Archer


Ausbildung:

  • 1964 Bachelor of Science in London (Soziologie)
  • 1967 Doktor der Philosophie in London, danach weiterführendes Studium an der ‚Ecole Pratique des Hautes Etudes’ und Abschuss mit Doktor in ,Troisième Cycle’ (einjähriges Spezialstudium) im Bereich 'Sciences Administratives'


Berufliche Daten:

  • 1964 – 1966 Abteilungsleitung im Christ’s College in Cambridge
  • 1965 – 1966 diplomierte Betreuerin in der London School of Economics
  • 1966 – 1973 Dozentin an der University of Reading
  • 1973 – 1979 Lekorin an der University of Warwick
  • seit 1979 Professorin an der University of Warwick


Derzeitige berufliche Aktivitäten:

  • Mitglied (Gründungsmitglied) der ,Academy of Learned Societies for the Social Sciences’
  • Mitglied bei ,Academia Europea’
  • Mitglied beim ,European Amalfi Prize Committe’
  • Mitglied beim ,Programme Committee of international Sociological Association’
  • Mitglied bei der ,International Jury for the Austrian Academy of Sciences’
  • Vizedirektorin für das ,Centre for Critical Realism’
  • Mitarbeiterin im ,Bureau International de Socialogie’ in Paris
  • Mitarbeiterin im ,International Institute of Sociology’
  • Mitarbeiterin bei ,Editorial Boards of International Journals’


Weitere wichtige Tätigkeiten:

  • 1986 – 1990 Präsidentin der ‚International Sociological Association’ (erste Frau in dieser Position)
  • 1994 – 2004 Mitglied der ‘Pontifical Academy of Social Sciences’ und des leitenden Rates

Historischer Kontext

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Margaret Archers eigentliches Fachinteresse, ihre Faszination für Struktur – der Frage nach der Entstehung und den Veränderungen derselben – entspringt aus jener Zeit, die sie als "post-doctoral student" in Paris an der Sorbonne verbrachte. Es war dies die Zeit um 1968.

Schlechte Studienbedingungen und unzufriedene Student/inn/en in der überfüllten neuen Universität Paris-Nanterre setzten die "événements de mai" in Gang. Es handelte sich um eine Art Jugendrevolte, die von den geburtenstarken Jahrgängen der späten Kriegs- und frühen Nachkriegsjahre getragen wurde. Im Anschluss folgten Studenten-Demonstrationen und Straßenschlachten mit der Polizei; bald auch Streiks und Fabriksbesetzungen der Arbeiter. Die Unruhen im Mai 1968 zeigten eine breite Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Lage und der politischen Stagnation des Staats. Reformvorschläge des damaligen Präsidenten Charles de Gaulle fanden keinerlei Unterstützung mehr und als sein Gesetzentwurf für die Regional- und Parlamentsreform im April 1969 durch ein Referendum abgelehnt wurde, folgte darauf sein Rücktritt.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Es finden sich viele Soziolog/inn/en und auch Wissenschaftler/innen anderer Disziplinen, die Margaret Archer in ihrem Werk beeinflusst haben.

Inspiration fand sie vor allem in den Arbeiten von Pierre Bourdieu und Basil Bernstein – mit beiden arbeitete sie auch einen Sommer lang in London zusammen – Karl Popper, Ernest Gellner und Tom Bottomore – die drei letztgenannten waren ihre Professoren an der London School of Economics.


Anthony Giddens

Das Werk, im speziellen die Theorie der Strukturierung, des englische Soziologen Anthony Giddens prägt die Arbeiten von Margaret Archer.


Werke

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Culture and Agency: The place of culture in social theory. Cambridge: Cambridge University Press, 1988

Realist social Theory: The morphogenetic approach. Cambridge: Cambridge University Press, 1995

Being Human: The problem of agency. Cambridge: Cambridge University Press, 2000

Structure, agency and the internal conversation. Cambridge: Cambridge University Press, 2003


Das Werk in Themen und Thesen

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Kritik an der wechselseitigen Konstitution von Handeln und Struktur

In Verwendung der Bezeichnungen „downward conflation“ und „upward conflation“ kritisiert Archer, ähnlich wie dies Giddens tut, die reduktionistischen Traditionen der Theoriebildung. Diese Begriffe bezeichnen zum einen, dass die Struktur (Kultur) das Handeln bestimmt, und zum anderen die gegensätzliche Variante, nämlich, dass das Handeln die Struktur bestimmt. Allerdings betrachtet Archer auch Giddens Lösungsansatz der Identifikation von Struktur mit dem Handeln („central conflation“) auch nicht als zielführend. Margaret Archers Auffassung nach müssen soziale Praktiken die Bezugnahme des Handelns auf differenzierte Phänomene zulassen, denn nur so sei man imstande Phänomene als autonom, als emergente Phänomene zu identifizieren, und deren ontologische Realität anzuerkennen. Erst basierend darauf, kann das Zusammenwirken von Struktur und Handlung analysiert werden. Archer stellt fest, dass soziale Phänomene strukturierte Ordnungen bilden, die einerseits durch Handlungen entstehen, andererseits aber auch eine eigene Identität aufweisen.


Emergente Phänomene

Um soziale Prozesse in unterschiedliche Einzelphänomene aufschlüsseln zu können und so eine Erklärung über deren Entwicklung des Zusammentreffens bzw. Zusammenwirkens abgeben zu können, ist nach Archer die Emergenz der Phänomene unumgänglich. Emergente Phänomene sind dabei nicht mit jenen gleichzusetzen, mit denen ein Akteur während des Handelns konfrontiert ist. Sie weisen vielmehr eine interne homogene und notwendige Beziehung auf. Ihr zufolge werden drei Formen unterschieden: kulturell emergente Phänomene, strukturell emergente Phänomene und emergente Phänomene, die sich auf Akteure und deren Handlungen beziehen. Die begrifflichen Unterscheidungen dienen der Identifikation bestimmter sozialer Prozesse, in denen die „emergent properties“ umgestaltet und/oder reproduziert werden. Im so genannten morphogenetischen Zyklus, der 4 Zeitpunkte umfasst, entsteht die Transformation bzw. Reproduktion.


Rezeption und Wirkung

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Margaret Archers „morphologischer Ansatz“ stellt eine eigenständige Perspektive basierend auf der Theorie der Strukturierung dar. Ihre Argumentation entspricht einem bedeutenden Fortschritt in der Formulierung eines theoretischen Bezugsrahmens, der es ermöglicht, komplexe soziale Phänomene zu erkennen, und der es vermag, diese in ihrem Zustandekommen und in ihrer Funktionen zu erklären, ohne vorauszusetzen, dass soziale Integration die eigentliche Ursache für deren Bestehen ist. Im Zentrum ihres Themenschwerpunktes steht der Versuch, soziale Prozesse als Handlungszusammenhänge zu erklären, wobei gerade diese Tatsache das Problem der Begriffsfindung für diese Phänomene aufwirft. Indem die Existenz von Phänomenen immer als unabhängig von den Handlungen angenommen wird, entsteht die Gefahr, dass Prozesse vorausgesetzt werden, denen das Bestehen der Phänomene vermeintlich zugeschrieben wird


Literatur

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  • Balog, Andreas (2001):
    "Neue Entwicklungen in der soziologischen Theorie: Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis der Grundprobleme."
    Stuttgart

Internetquellen

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Arendt, Hannah

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Biographie in Daten

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 Hannah Arendt

  • geboren am 14. Oktober 1906 in Linden (Hannover), gestorben am 4. Dezember 1975 in New York.
  • Johanna Arendt ist das einzige Kind des Ingenieurs Paul Arendt und dessen Frau Martha (geb. Cohn). Hannah wächst in einem typisch deutsch-jüdisch assimilierten Elternhaus in Königsberg auf.


Familie

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  • Hannah Arendt selbst war zweimal verheiratet:
    • 1929: Heirat mit Günther Stern – Scheidung: 1937,
    • 1940: Heirat mit Heinrich Blücher


Werdegang

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  • 1924: externes Abitur, da sie aufgrund eines Schülerstreiks von der Schule verwiesen wurde.
  • 1924–1928: studierte sie Philosophie, Theologie und klassische Philologie vorerst in Marburg bei Martin Heidegger, mit dem sie von 1925–1930 eine Affäre hatte, später in Freiburg bei Edmund Husserl und zuletzt in Heidelberg bei Karl Jaspers, der ihr Mentor wird und mit dem sie bis zu dessen Tod (1969) freundschaftlich verbunden bleibt.
  • 1928: Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg bei Karl Jaspers mit der Arbeit „Der Liebesbegriff bei Augustin“.
  • 1933–1943: Mitglied der World Zionist Organization
  • 1946–1948: Lektorin beim Salman Schocken Verlag. N.Y.
  • 1949–1952: Geschäftsführerin der Jewish Cultural Reconstruction. N.Y.
  • 1951: Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft
  • 1955: Gastprofessorin an der University of California
  • 1958: korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Wirtschaft
  • 1959: Gastprofessorin an der Princeton University
  • 1960–1961: Gastprofessorin an der Columbia University, Northwestern University und Wesleyan University
  • 1961: Teilnahme am Eichmannprozess in Jerusalem als Reporter für die die Zeitschrift „The New Yorker“
  • 1963–1967: Professorin an der University of Chicago
  • 1964: Aufnahme in das National Institute of Arts and Letters
  • 1965: Gastprofessorin an der Cornell University, N.Y.
  • 1967–1975: Professorin an der Graduate Faculty der New School for Social Research, N.Y. für Sprache und Dichtung
  • 1968: Vizepräsidentin des Institutes for Arts and Letters
  • 1973: Vorstandsmitglied am amerikanischen PEN-Zentrum

Auszeichnungen

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  • 1959: Erhalt des Lessing Preises der Stadt Hamburg
  • 1967: Erhalt des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie
  • 1975: Erhalt des Sonning-Preises von der dänischen Regierung für Beiträge zur europäischen Kultur


posthum

  • 1992: Ihre Memoiren werden veröffentlicht
  • 1994: der Hannah Arendt Preis wird ins Leben gerufen
  • 1999: Eröffnung des „Hannah Arendt-Zentrums“ an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg (D).

Historischer Kontext

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Hannah Arendt ist im Kaiserreich geboren und wuchs in einer für Juden problematischen Zeit auf. Zur Zeit der Weimarer Republik hat sie an renommierten Universitäten bei bedeutenden Dozenten Philosophie studiert. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde sie als Jüdin verfolgt und diskriminiert. Ab 1933 arbeitete sie für die „Zionistische Vereinigung für Deutschland“ und recherchierte fortan über die beginnende Judenverfolgung. Gefördert von der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ beginnt sie mit Forschungsarbeiten über das Problem der deutsch-jüdischen Assimilation, deren Ergebnisse aber erst 1959 mit dem Titel „Rahel Varnhagen – Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik“ erschienen ist. Mit diesem Buch wollte sie dazu aufrufen, sich der eigenen Geschichte bewusst zu werden.

Arendts Wohnung in Berlin diente Flüchtlingen als Zwischenlager. Noch im selben Jahr wurde sie von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhaftet. Bereits nach acht Tagen kam Arendt frei und floh nach Paris, wo sie nun ihre Tätigkeit als Sozialarbeiterin begann. 1937 wurde ihr die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, worauf 1940 eine mehrwöchige Internierung im Aufganglager Gurs erfolgt, da sie für eine „feindliche Ausländerin“ gehalten wird. Nach einer Flucht gelingt es Arendt, gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Mutter nach New York zu emigrieren, wo sie politische Kolumnen für das deutsch-jüdische Magazin „Aufbau“ schreibt. Es folgen Vorlesungen und Vorträge an verschiedenen New Yorker akademischen Einrichtungen.

Als sie erstmals nach dem Krieg wieder nach Deutschland kommt, erlebt sie Realitätsflucht und Verdrängung der Tatsachen. Arendt ist verblüfft über die öffentliche Dummheit und die Abstandnahme vom eigenständigen Denken und folgert daraus, dass das Böse eine Folge von Dummheit ist. Arendts persönliche Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus spiegeln sich in ihren wichtigsten Werken über diesen (Eichmann in Jerusalem, Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft) wider.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Arendt pflegte Kontakte mit den größten Denkern ihrer Zeit und las Werke bedeutender Philosophen. Bereits mit 14 Jahren liest sie Immanuel Kant, was einen großen Einfluss auf ihre späteren Werken nimmt. Ihre Professoren waren u.a. Martin Heidegger und Karl Jaspers , die sie sehr prägten und mit denen sie zeitlebens in Kontakt blieb. Der Einfluss Heideggers ist am deutlichsten spürbar in ihrem Werk: „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“. Mit ihren Kommilitonen Benno von Wiese und Hans Jonas verband sie eine enge Freundschaft, wobei Jonas sie später im Bezug auf ihr Buch „Eichmann in Jerusalem“ schwer kritisierte.

Intensive Freundschaften pflegte sie u. a. auch mit Mary McCarthy sowie mit Uwe Johnson, deren Briefwechsel 1995 bzw. 2004 veröffentlicht wurden. Von großer Bedeutung war für sie zudem Kurt Blumenfeld, der Geschäftsführer einer Zionistischen Organisation. Ihm verdankte sie die persönliche Auseinandersetzung mit ihrem „Judendasein“ – so Arendt in einem Brief an Blumenfeld, der 1951 veröffentlich wurde. Weiters war ihr zweiter Mann, Heinrich Blücher, im Hinblick auf ihr politisches Denken sehr prägend.

Werke

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Aufstellung der wichtigsten Werke

  • Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation. Berlin 1929.
  • The burden of our time. London 1951.
  • The origins of Totalitarianisms. New York 1951.
  • Hermann Broch: Dichten und Erkennen. Zürich 1955.
  • Die Krise in der Erziehung. Bremen 1958.
  • Elemente totaler Herrschaft. Frankfurt/Main 1958.
  • Rahel Varnhagen. The life of a Jewess. London 1958.
  • The human condition. Chicago 1958
  • Vita activa oder Vom tätigen Leben. Stuttgart 1960 und München 1960.
  • Karl Jaspers: The Great Philosophers, Vol. 1–2. New York 1962 und London 1962.
  • Eichmann in Jerusalem. A report on the banality of evil. New York 1963 und London 1963.
  • On Revolution. New York 1963.
  • Men in dark times. New York 1968
  • Macht und Gewalt. München 1970.
  • Crises of the Republic: Lying in Politics – civil disobedience – on violence – thoughts on politics and revolution. New York 1972.
  • Wahrheit und Lüge in der Politik: Zwei Essays. München 1972.

Posthume Veröffentlichungen

  • The Life of the Mind, 2 Bde. New York 1978 und London 1978.
  • Vom Leben des Geistes, 2 Bde. München 1979.
  • Lectures on Kant's political philosophy. Chicago 1982.
  • Briefwechsel 1926–1969 (Mit Karl Jaspers). München 1985
  • Die Krise des Zionismus. Essays und Kommentare 2. Berlin 1989.
  • Menschen in finsteren Zeiten. München 1989.
  • Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlaß. München 1993.
  • "...in keinem Besitz verwurzelt". Die Korrespondenz (mit Kurt Blumenfeld). Hamburg 1995.
  • Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse aus den Nachlässen. (an Martin Heidegger) Frankfurt/Main 1998.
  • Denktagebuch 1950–1973, 2 Bde., München 2002.

Das Werk in Themen und Thesen

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Was Hannah Arendt in ihren Büchern immer wieder zum Ausdruck brachte, ist der Mut zur Wahrheit. In ihren Thesen darüber lehnt sie sich oft an Immanuel Kant, Thomas Hobbes und Karl Jaspers an. Es muss möglich sein, die Wahrheit öffentlich aussprechen zu können und nicht bloß Kritik im stillen Kämmerchen zu äußern, so Arendt. Weiters war sie, so schreibt sie selbst, keine Anhängerin von Ideologien, denn die absolute Wahrheit existiere, so Arendt, nicht. Arendt verlangte nicht nach einer allgemeinen Akzeptanz ihrer Gedankengänge. Dies wird auch in folgenden Werken deutlich:


Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

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An dem Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ hat Arendt über 10 Jahre lang gearbeitet. Es wird nicht zuletzt deshalb auch als ihr Hauptwerk bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen umfangreichen zeitdiagnostischen Text des 20. Jahrhunderts, mit dem sie eine Diagnose der politischen Desaster der 1. Hälfte des 20. Jahrhundert vorlegt – betreffend Nationalsozialismus und Stalinismus. Viele Autoren widmeten sich der Frage nach den Ursachen des Nationalsozialismus, wobei Arendts Buch als eines der wenigen in englischer Sprache 1951 in den USA publiziert wurde. Nach mehreren Ausgaben (1966, 1986…) wurde das Werk schließlich in drei Teile gegliedert: Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft.

Merkmal totaler Herrschaft ist der Terror, der durch die Vernichtung ideologisch fiktiver Gegner an Stärke zunimmt und politisches Denken dahingehend zerstört, dass sie ihre Opfer manipuliert. Am deutlichsten bemerkbar wird dies durch die Konzentrationslager, in denen Arendt die eigentliche zentrale Institution totaler Machtausübung sieht. Voraussetzung aber dafür sei der „Untergang der Klassengesellschaft“ und die Aufspaltung der orientierungslos gewordenen Masse. Die Vernichtung in den Konzentrationslagern veranlasst Arendt zu dem Standpunkt, dass eine Menschheit, welche heimatlos und überflüssig erscheint, völlig ausrottbar ist.

Sie stellte sich unter anderem auch die Frage, wie totalitäre Staaten charakterisiert werden können, wobei sie zum Schluss kommt, dass diese sich dadurch kennzeichnen, dass sie politischen Zwang, sei es durch die Geheimpolizei oder durch Konzentrationslager, ausüben und die Massenmedien manipulativ verwenden.

Die ersten Teile des Buches, Antisemitismus und Imperialismus, sollen aufzeigen, weshalb es in der europäischen Geschichte der letzten 200 Jahre zu Elementen kam, die rückblickend als Anzeichen der totalitären Form politischer Macht in der Geschichte gesehen werden können. Die Degeneration der staatlichen Sitten, wie der erste Weltkrieg aufzeigt, analysiert sie unter dem Begriff Imperialismus.

Der Rassenbegriff des 19. Jahrhunderts verlieh dem Antisemitismus Radikalität und ließ den modernen Rassismus zu einem der Mittelpunkte totaler Herrschaft werden, dessen Ausmaß sich erst nach 1933 voll enthüllte. Arendt kam zu der These, dass der Verfall des Nationalstaats mit dem Ende der Menschenrechte einhergehe. Mit diesem Buch wollte sie aufzeigen, wie wichtig es ist, geschichtliche Abläufe zu reflektieren und das Aufzuhaltende aufzuhalten, um die persönliche Handlungsfreiheit der Menschen offen zu halten.

Eichmann in Jerusalem – Eine Banalität des Bösen

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Für die Zeitschrift „New Yorker“ nahm Hannah Arendt als Prozessberichterstatterin am Eichmann-Prozess in Jerusalem teil. Die Staatsanwaltschaft erhob in 15 Punkten Anklage gegen Otto Adolf Eichmann. Während des Naziregimes, besonders aber während des zweiten Weltkrieges, hatte dieser Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen begangen. Eichmanns Antwort auf jeden im vorgeworfenen Punkt war: „Nicht schuldig im Sinne der Anklage.“ Trotzdem hatte man mit dem Todesurteil gerechnet und ist deshalb kaum von der Öffentlichkeit kritisiert worden, bis bekannt wurde, dass die Israelis das Urteil vollstreckt hatten. Die Proteste waren zwar nur von kurzer Zeit, kamen jedoch von vielen Richtungen, wobei dahingehend argumentiert wurde, dass die Taten Eichmanns die Grenzen denkbarer Bestrafung durch ein irdisches Gericht überschritten hätten.


Arendts Aufzeichnungen zu diesem Prozess wurden 1963 in Buchform in den USA veröffentlicht, wodurch Themen an die Öffentlichkeit geraten sind, die mitunter besser im Verborgenen geblieben wären. Arendt provozierte nämlich darin mit zahlreichen provokanten Thesen, sodass schon vor der Veröffentlichung eine organisierte Gegenkampagne in die Wege geleitet wurde. So wurde ihr beispielsweise vorgeworfen, sie würde Eichmanns Taten verharmlosen wollen. Arendt meinte dazu, dass es den Eindruck erwecke, als würde hier nicht ein bestimmter Mensch auf der Anklagebank sitzen, sondern das deutsche Volk insgesamt oder der Antisemitismus in all seinen Formen.


Arendt, die selbst auch jüdisch war und dies alles nicht miterlebte, weil sie vorher in die USA emigrierte, musste sich unter anderem vom Religionswissenschaftler Gershom Sholem vorwerfen lassen, dass es ihr an der Liebe zu den Juden mangle. Vor allem aber kritisierte er Arendts Ansicht über die Judenräte, denn sie kam zu der These, dass die Juden selbst eine gewisse Mitschuld am Holocaust zu tragen hätten.
Sie widmete dem Angeklagten ein ganzes Kapitel und befasste sich darin ausschließlich mit Eichmanns Leben. Arendt ist überzeugt dass Eichmann weder geistesgestört, noch ein verhetzter Antisemitist ist, sondern ein „normaler“ Mensch, der ausschließlich die Befehle des Führers ausführte. (Später wurde ihr vorgeworfen, sie habe die Motive unterschätzt)


Trotz aller Umstrittenheit dieses Werkes, beschäftigt es das Denken heutiger Menschen und zeigt auf, dass die „verdrängte Vergangenheit“ weder ein deutsches noch ein jüdisches Phänomen ist, sondern auch noch heute unvergessen und unbewätigt ist.

Über die Revolution

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Arendt analysiert darin die französische und amerikanische Revolution und kritisiert die daraus entstandenen Gesellschaften.
Während sich die französischen Revolutionäre mit der sozialen Frage konfrontiert sahen und die Aufmerksamkeit auf die Beseitigung der Not lenkten, war Amerika ein Land mit verhältnismäßigem Wohlstand, in dem die Frage der Armut durch die Ansiedelung des Westens kanalisiert wurde. Somit konnte sich die amerikanische Revolution auf die politischen Ziele konzentrieren. Sie postulierte außerdem, dass die französische Revolution am Versuch das soziale Elend zu eliminieren gescheitert sei.


Weiters stellte Arendt die These auf, dass das Räteprinzip, welches sie als den eigentlichen politischen Neuansatz der Revolution und gleichsam als institutionelle Konkretisierung ihres Begriffs der „öffentlichen Freiheit" ausweist, in jeder Revolution zu finden sei. Dass sich dieses aber dennoch nicht durchsetzen konnte führt sie auf das Machtstreben der revolutionären Parteien zurück.


Macht und Gewalt

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Beeinflusst durch den Vietnam-Krieg, sowie durch die Studentenunruhen der 60er Jahre, erforscht Arendt die Verbindung von Macht und Gewalt. Ihre Ergebnisse erschienen 1970 als Buchform mit dem Titel „Macht und Gewalt“. Im Gegensatz zu manch anderen Denker/inne/n, wie z.B. Max Weber , entsteht für sie Gewalt erst wo Macht bereits verloren ist. Mit anderen Worten, wer über Macht verfügt braucht keine Gewalt. Wenn ein Politiker Macht hat, tritt er den Demonstranten friedlich gegenüber, wenn er aber nicht mehr in Besitz von Macht ist, so wird er Gewalt einsetzen.
"Nackte Gewalt tritt auf, wo Macht verloren ist. Macht ist ersetzbar durch Gewalt, doch der Preis dafür ist sehr hoch, denn sowohl Sieger als auch Besiegter bezahlen mit dem Verlust der Macht."


Auch betonte Arendt, dass kein Einzelmensch über Macht verfügt. Politische Macht entsteht aus einer großen Anzahl von Menschen, die sich zusammenschließen. Würde sich das gesamte Volk gegen einen Herrscher stellen, so würde er keine Macht mehr haben. Folglich stellen Macht und Gewalt für Arendt Gegenbegriffe dar, die sich selbst wechselseitig ausschalten.


Rezeption und Wirkung

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Das Hannah Arendt-Zentrum

1999 wurde das „Hannah Arendt-Zentrum“ an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg eröffnet. Darin ist der größte Teil des Nachlasses von Hannah Arendt archiviert. Weiters liegt der Gesamtbestand der „Hannah Arendt Papers“ auf. Das Hannah Arendt Zentrum darf sich als einziges Archiv in Europa nennen, welches Zugang zur digitalisierten Version des Nachlasses hat, die in der Library of Congress erstellt wurden. Hinzu kommen noch eine eigene Buchreihe, die so genannten „Hannah Arendt–Studien“ und zusätzlich werden Vorträge, Kolloquien und Tagungen zu Arendts Werken angeboten.

Seit wenigen Jahren erleben Hannah Arendts Werke eine beachtliche Renaissance, ihr Buch „Über die Revolution“ war auf der Liste der wiederkehrenden Bücher an der Spitze. Zunehmend interessieren sich Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen für ihr Werk, des weiteren wurden zahlreiche Schulen nach ihr benannt.
Hat ihr freies Denken zu Lebzeiten immer für Kritik gesorgt, so finden ihre Werke in der Gegenwart immer mehr Anerkennung. Ralf Dahrendorf beispielsweise zählt Hannah Arendt zu den wenigen eigenständigen Denker/inne/n des letzten Jahrhunderts.

Literatur

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  • Ettrich, Frank (2001):
    "Arendt, Hannah – Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. In: Oesterdiekhoff, W. Georg (Hrsg.): Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden
  • Bohrmann, Hans (2001):
    "Arendt, Hannah – Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. In: Oesterdiekhoff (Hrsg.): Schlüsselwerke der Soziologie"
    Wiesbaden
  • Genett, Timm (2001):
    "Arendt, Hannah – Über die Revolution. In: Oesterdiekhoff (Hrsg.): Schlüsselwerke der Soziologie"
    Wiesbaden
  • Arendt, Hannah (1965):
    "Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht von der Banalität des Bösen"
    München

Internetquellen

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Aron, Raymond

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Biographie in Daten

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Aaron Raymond

  • geboren am 14. März 1905, gestorben am 17.Oktober 1983
  • Eltern:
    • Vater: Gustave Aron (Professor der Rechtswissenschaften)
    • Mutter: Suzanne Aron (Hausfrau)
  • Ehe: Suzanne Gauchon
  • Kinder: Dominique-Françoise Aron und Laurence Aron
  • Religion: jüdisch


Werdegang

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  • 1905: am 14. März als dritter Sohn in Paris geboren
  • 1924-1928: Philosophiestudium an der École Normale Supérieure in Paris
  • 1928: agrégation de philosophie als Jahrgangsbester
  • 1930-1933: Studienaufenthalt in Deutschland
  • 1930-1931: Lektor für französische Literatur an der Universität Köln
  • 1931-1933: Studien in Berlin
  • 1933-1934: Professor am Lycée du Havre in Le Havre
  • 1934-1940: Leben in Paris
  • 1934-1939: Secrétaire des Centre de Documentation Sociale der École Normale Supérieure und Professeur an der École Normale Supérieure d'Enseignement Primaire in Paris
  • 1939: Dozent der Sozialphilosophie an der Faculté des Lettres der Université Toulouse
  • 1939-1940: Soldat der französischen Armee
  • 1940-1945: Exil in London
  • 1940-1944: Engagement für die "Forces Françaises Libres"; Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift "La France Libre".
  • 1944: Rückkehr nach Frankreich
  • 1945-1947: Professor an der École Nationale d'Administration in Paris
  • 1948-1954: Professeor am Institut d'Études Politiques de Paris
  • 1945-1983: verschiedene journalistische Tätigkeiten:
    • 1946-1947: Mitarbeiter und zeitweise Herausgeber der Zeitung Combat, sowie Mitarbeiter der Zeitschrift Les Temps Moderne
    • 1947-1983: Mitarbeiter der Zeitschrift Le Figaro, zunächst als Leitartikelschreiber
    • 1965-1966: Präsident der Redakteursgesellschaft
    • 1975-1976: Mitglied des Direktoriums der Geschäftsführung
    • 1976-1983: politischer Direktor der Zeitung
    • 1977-1983: Präsident des Herausgeberkomitees der Zeitung Express, sowie Kolumnist
    • 1968-1972: Berichterstatter beim Radiosender Europe n° 1
  • 1955-1968: zunächst Lehrbeauftragter und ab 1958 Professor für Soziologie an der Sorbonne in Paris
  • 1960-1983: Außerdem Directeur d'Études an der École pratique des hautes études in Paris
  • 1970-1983: Professor für Soziologie der modernen Kultur am Collège de France in Paris
  • 1983: am 17. Oktober in Paris gestorben


Historischer Kontext

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Raymond Aron wurde am 14. März 1905 in Paris, rue Notre-Dame-des-Champs, als dritter Sohn einer Familie des mittleren Bürgertums jüdischer Herkunft geboren. Er besuchte erst das Lycée von Versailles und das classes préparatoire am Pariser Lycée Condorcet, um danach das Philosophiestudium an der École normale supérieure in Paris aufzunehmen, wo er 1928 mit der agrégation de philosophie als Jahrgangsbester abschloss.

Die Jahre 1930 bis 1933 verbrachte er nach dem Militärdienst in Deutschland, wo er bis 1931 zunächst als Lektor für französische Literatur an der Universität Köln tätig war, dann als Stipendiat des Französischen Akademikerhauses in Berlin. 1938 wurde Aron an der Sorbonne mit den Abhandlungen: "Introduction à la philosophie de l'histoire: essai sur les limites de l'objectivité historique" und "Essai sur la théorie de l'histoire dans l'Allemagne contemporaine: La philosophie critique de l'histoire" zum doctor d'État promoviert. 1940 erhielt er eine Stelle als maître de conférence an der Universität von Toulouse, konnte sie aber wegen des Kriegsbeginns nicht mehr wahrnehmen.

Nach der Kapitualition Frankreichs entschloss er sich, den Kampf gegen Hitlerdeutschland fortzusetzen und setzte nach Großbritannien über. Dort schloss er sich aber nicht, wie er es eigentlich geplant hatte, einer kämpfenden Einheit der von Charles de Gaulle geführten France libre an, sondern übernahm die Schriftleitung der gleichnamigen Zeitschrift der Bewegung. Unmittelbar nach der Befreiung von Paris kehrte Aron im Sommer 1944 nach Frankreich zurück. Da er zum Wiederaufbau des Landes beitragen wollte und glaubte, das nur in Paris tun zu können, kehrte er nicht auf seinen Posten an der Universität von Toulouse zurück und lehnte auch eine Stelle an der Universität von Bordeaux ab.

In den folgenden Jahren arbeitete Aron stattdessen als Journalist. Nach einem kurzen Zwischenspiel beim u.a. von Albert Camus gegründeten Combat wurde er 1947 Leitartikelverfasser der liberalen Tageszeitung Le Figaro, für die er bis 1977 schrieb. Von 1977 bis zu seinem Tod im Jahr 1983 verfasste er Leitartikel für das Nachrichtenmagazin L'Express. Bis zur Mitte der Fünfziger Jahre gelang es Aron nicht, eine Professur in Paris zu erhalten. Gleichwohl lehrte er in dieser Zeit an der École nationale d'administration und am Institut d'études politiques de Paris.

Erst 1955 wurde er auf eine Professur für Soziologie an der Sorbonne gewählt, eine Wahl, die von der marxistisch geprägten Mehrheit der Professoren beinahe noch verhindert worden wäre. Aron lehrte bis 1968 an der Sorbonne und wechselte dann an die École pratique des hautes études. Im Jahr 1970 wurde er schließlich auf einen Lehrstuhl am Collège de France berufen, den er bis zu seinem Tod inne hatte.

Werke (Auswahl)

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  • 1957: Opium für Intellektuelle oder Die Sucht nach Weltanschauung
  • 1963: Paix et guerre entre les nations (dt.: Frieden und Krieg: Eine Theorie der Staatenwelt)
  • 1964: Dix-huit Leçons sur la société industrielle (dt.: Die industrielle Gesellschaft: 18 Vorlesungen)
  • 1965: Démocratie et totalitarisme (dt.: Demokratie und Totalitarismus)
  • 1970: Progress and disillusion (dt.: Fortschritt ohne Ende?)
  • 1979: Les étapes de la pensée sociologique (dt.: Hauptströmungen des modernen soziologischen Denkens: Durkheim, Pareto, Weber und Hauptströmungen des klassischen soziologischen Denkens: Montesquieu, Comte, Marx, Tocqueville)
  • 1980: Penser la guerre, Clausewitz (dt.: Clausewitz, den Krieg denken)
  • 1984: Les dernières années du siècle (dt.: Die letzten Jahre des Jahrhunderts)
  • 1985: Mémoires (dt.: Erkenntnis und Verantwortung: Lebenserinnerungen)
  • R.A. Soutou, Georges-Henri (Hg) Les articles de politique internationale dans "Le Figaro" de 1947 a 1977 Paris: Éditions de Fallois
    • Bd.1: La Guerre froide. Juin 1947 à mai 1955. Présentation et notes par Georges-Henri Soutou. 1990
    • Bd.2: La Coexistence. Mai 1955 à février 1965. Présentation et notes par Georges-Henri Soutou. 1994
    • Bd.3: Les Crises. Février 1965 à avril 1977. 1997
  • R.A. De Giscard à Mitterrand 1977 - 1983 Préf. Jean-Claude Casanova. Paris: Éd. de Fallois, 2005, frz. (éditoriaux parus dans l'Express)

Das Werk in Themen und Thesen

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Frieden und Krieg - eine Theorie der Staatenwelt

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In seinem Buch Frieden und Krieg, eine Theorie der Staatenwelt, versucht Raymond Aron Klarheit und Ordnung in die Fülle der außenpolitischen Ereignisse, Entwicklungen und Theorien zu bringen. Anhand der geschichtlichen Entwicklung seit der Antike, aber mit besonderer Berücksichtigung des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts versucht Aron, die Konstanten des politischen Geschehens herauszuarbeiten. Seine Methode ist >probabilistisch< und vielseitig: Er gründet seine Darstellung nicht auf die Wirtschaft, die Politik, das Soziale oder den Zeitgeist allein. Er verbindet vielmehr jeweils alle in Betracht kommenden Faktoren und erklärt das Ereignis aus deren Zusammenspiel.


Fortschritt ohne Ende?

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In Fortschritt ohne Ende entzaubert Aron die Ideologie des absoluten Fortschritts. Laut ihm, ist Fortschritt kein selbstständiger Mechanismus, er müsse vielmehr bewusst erarbeitet werden.

Aron weist auf die Ähnlichkeiten in der Schichtung sozialistischer und kapitalistischer Gesellschaften hin. Wirklich frei kann seiner Meinung nur eine Klassengesellschaft sein, da nur in ihr natürliche Gegensätze leidlich gerecht ausgetragen werden.

Die Frage nach Bewusstsein und Zukunft einer völlig säkularisierten Wettbewerbsgesellschaft beantwortet Aron mit der These von der Unzulänglichkeit der marxistischen Heilsbotschaft. Man kann den Menschen nicht dadurch mit seinem Schicksal versöhnen, dass man ihm eine Ideologie aufzwingt, die ständig die Wirklichkeit zurechtbiegen muss, sondern dadurch, dass man sein intellektuelles Niveau hebt und ihn fähig macht, den Zusammenhang des eigenen Lebens mit dem gesellschaftlichen Sein zu verstehen. Dann, so Aron, wird der Mensch das Gefühl der Entfremdung überwinden, auch wenn er erkennt, dass jeder Lösungsversuch auf allen anderen Gebieten notwendig unvollkommen bleiben muss. Die moderne Gesellschaft ist nicht scharf fixiert, sie hat keine fest umrissene Ordnung, kein eigenes Gesetz. Und vor allem: sie bewegt sich nicht auf ein vorausbestimmtes Endziel zu. Das Verständnis dieser Gesellschaft ist nur möglich im Begreifen ihres >>permanenten Entstehens<<.

Rezeption und Wirkung

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  • Raymond Aron war wohl einer der bedeutendsten liberalen politischen Denker, im Frankreich des 20. Jahrhunderts.Ebenso war er einer der ersten französischen Intellektuellen und Gelehrten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für eine Aussöhnung mit Deutschland einsetzten.
  • 1979 verlieh ihm Frankfurt am Main den Goethepreis.
  • Einer seiner bekanntesten Schüler ist Henry Kissinger (US-amerikanischer Politikwissenschaftler und Politiker).

Literatur

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  • Aron, Raymond (1970)
    "Fortschritt ohne Ende?"
  • Aron, Raymond (1986)
    "Krieg und Frieden. Eine Theorie der Staatenwelt"

Internetquellen

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Balla, Balint

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Biographie in Daten

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Balla Bálint

  • geboren am 7.7.1928 in Budapest
  • Sohn des Rechtsanwaltes Lóránt Keil (*1897) und der Künstlerin Gabriella Keil (*1903)


  • Balla ist Professor am Institut für Soziologie der Technischen Universität Berlin, sowie Mitbegründer und langjähriger Leiter der Sektion „Ost- und Ostmitteleuropa-Soziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der soziologischen Theorie und Kultursoziologie, wobei er sich auf Osteuropa spezialisiert hat.
  • Ballas Vater stammte aus einer kleinbürgerlichen Familie. Diese ermöglichte es ihm, als erstes Familienmitglied, Rechtswissenschaften zu studieren. In wirtschaftlich schlechten Zeiten versuchte er sich dann als Rechtsanwalt selbstständig zu machen, was allerdings trotz seines Fleißes und seiner Bescheidenheit erfolglos blieb. Nach zahlreichen Misserfolgen als Rechtsanwalt ließ er sich in einem Verkehrsbetrieb einstellen, wo er letztendlich auch bis zur Pensionierung geblieben ist.
  • Die Mutter stammte aus einer gutbürgerlichen Budaer Familie. Der begeisterten Kunstliebhaberin wurde es von der Familie nicht gestattet Kunst zu studieren. Jedoch bemühte sie sich um Kontakte und Zusammenarbeiten mit bekannten Künstler/inne/n, die politisch liberal bis linksprogressiv waren und welche ihr dabei geholfen haben ihre eigenen Kunstwerke auszustellen und sich politisch zu engagieren. 1949 ist sie der Kommunistischen Partei beigetreten. Als emanzipierte, aufgeschlossene und experimentierfreudige Kunstliebhaberin und miserable Haushälterin pflegte sie jüdische Bekannt- und Freundschaften.
  • 1943 bekam Balint einen Bruder.
  • 1944 besuchte Balint Balla das Piaristengymnasium (Abitur mit Auszeichnung).
  • 1946 begann Balint Balla sein Studium als Staats- und Rechtswissenschaftler an der Peter Pármány Universität in Budapest. Den Rat des Vaters befolgend, entschied er sich für das juristische Studium, unterbrach es jedoch für einen gewissen Zeitraum, in welchem er, um Geld zu verdienen, gearbeitet hat.
  • 1947-1949 erfolgten seine Tätigkeiten im Ungarischen Studentenverband. Nach dem Ausstieg aus diesem Studentenverband setzte er sein Studium fort.
  • 1949 war er in der Elektronik-Handelsfirma Ravill zunächst als Lagerarbeiter eingestellt und wurde nach Beendigung seines Studiums in die Rechtsabteilung versetzt. Dort konnte er das ungarische Rechtssystem kennenlernen.
  • 1951 promovierte Balint Balla in den Staats- und Rechtswissenschaften.
  • 1954 wurde er Abteilungsleiter der Vertriebsabteilung von Ravill.
  • 1955 erfolgt die Magyarisierung in den heutigen Nachnamen Balla.
  • 1956 übernahm er während der Revolutionsereignisse verschiedene politische Funktionen und begann sich erstmals für Soziologie zu interessieren. Die Gründe dafür waren Gedanken des Umbruches nach der Revolution und der Hunger nach positivistischen Veränderungen.
  • 1959 wechselte er zu der Firma Videotron in Stuhlweißenburg, zu einem ehemaligen Rüstungsbetrieb, welcher elektronische Konsumgüter produzierte und startete den Versuch die ungarische Marktwirtschaft mit dem Humanismus in Verbindung zu setzen.
  • 1962 unternahm er erste industrie- soziologische Untersuchungen. Bis 1965 arbeitete er in der Fabrik Tungsram, einer der bedeutendsten kapitalistischen Industriebetriebe Ungarns. Seine Versuche ungarische Betriebe zu reformieren sind auf Grund seiner niedrigen Positionierung nicht gelungen. Jedoch schaffte er es, soziologische Untersuchungen im Betrieb durchzuführen. Dafür stand ihm eine kleine Gruppe junger Frauen zur Verfügung, mit welchen er verschiedene Gespräche, Untersuchungen und Experimente vorgenommen hatte. Von da an begann auch sein Interesse für ungarische Soziologie, und beschäftigte sich damit, wie das Sowjetsystem verändert werden konnte. 1956 schaffte es der ungarische Ministerpräsident András Hegedüs, der bis zum Aufstand 1956 ungarischer Premierminister war und später als Soziologe arbeitete, ein soziologisches Institut in Ungarn aufzubauen. Im Institut waren vorerst nur Philosophen und Volkswirte eingestellt, da es bis dahin noch kein Soziologiestudium gab.
  • 1965 erfolgte mit einem zweijährigen Touristenvisum der Aufbruch zu einem Studium der Soziologie nach Deutschland.
  • 1965-1967 begann Balla sein soziologisches Studium an der Universität Münster und arbeitete in einer Sozialforschungsstelle in Dortmund bei Prof. Dr. Helmut Schelsky, den er neben weiteren Soziologen wie György Széll, einem Professor für Soziologie an der Universität Osnabrück und einem Mitglied des Wissenschaftlichen Rates der Osnabrücker Friedensgespräche, Rene König, ebenfalls Soziologe in Köln, Herausgeber der „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“ und Präsident der International Sociological Association und Schlüsselfigur bei der internationalen Vernetzung der deutschen Soziologie, Niklas Luhmann, ein Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster und Professor für Soziologie in Bielefeld, kennen lernen durfte. Helmut Schelsky war zu diesem Zeitpunkt Assistent von Hans Freyer an der Universität Münster und bekam von 1960-1965 eine Stelle als Ordentlicher Professor der Soziologie an derselben Universität. Als Direktor der Forschungsstelle Dortmund der Universität Münster erwarb er sich bei der Gründung der Universität Bielefeld große Anerkennung. Balint Balla beschäftigte sich mit den drei soziologischen Lehren, die zu diesem Zeitpunkt in Deutschland aufgebrochen waren (einerseits die Lehre des Empirikers und Positivisten René König und andererseits die Lehre des Marxismus und Neomarxismus der Schelskyaner).
  • 1967 gab der Soziologe seinen ungarischen Pass ab, da sein Visum nicht verlängert werden konnte. Auf Grund seiner guten deutsprachigen Kenntnisse und seiner „deutschstämmigen“ Herkunft wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft anerkannt. Im selben Jahr vollzog er die Eheschließung mit Waltraud Jäger, welche er in Duisburg kennenlernte. Zusammen lebten sie in Berlin.
  • 1968 arbeitete Balint Balla als Wissenschaftlicher Oberassistent an der Technischen Universität Berlin und ist nach Westberlin gesiedelt.
  • 1969 war er Mitbegründer der Európai Protestáns Magyar Szabadegyetem (Freie Akademie der Ungarn in Europa).
  • 1971 wurde er Professor für Allgemeine Soziologie am Institut für Soziologie der TU, es erfolgte außerdem die Habilitation über die Kaderverwaltung.
  • 1972-1974 wurde er zum Präsidenten der Vereinigung der Európai Protestáns Magyar Szabadegyetem.
  • 1978 war er erstmals wieder in Ungarn.
  • 1980 hielt er eine Gastvorlesung an der kirchlichen Hochschule Berlin.
  • 1990 war er Mitbegründer und Vorsitzender der Sektion Ost- und Ostmitteleuropa der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, mittlerweile gilt er als Ehrenvorsitzender.
  • 1991 erhielt er die Auszeichnung mit der Imre Nagy Plakette.
  • 1992 und 1993 hielt er Gastvorlesungen an der Universität Leipzig.
  • 1993 erfolgte die Veröffentlichung seines Werkes „Kultursoziologie“, in welchem er die Soziologie Ost- und Mitteleuropas behandelt und versucht, Theorien über den Postkommunismus aufzustellen.
  • Von 1994 stammt sein Werk „Sociologia Internationalis“, in welchem er das Thema „Aufstieg und Niedergang des Sowjetsystems“ behandelt.
  • Bis 1998 bot Balla Lehrveranstaltungen an.
  • 2001 ist ein Sammelband seiner Schriften erstmals in deutscher Sprache erschienen.
  • 2002 wurde ihm das Ehrendoktorat der Juristischen Fakultät für ein überragendes wissenschaftliches und humanistisches Engagement verliehen. Im selben Jahr ist seine Ehefrau Waltraud verstorben.
  • 2003 hielt er Gastvorlesungen an der Universität Klausenburg in Rumänien.


Historischer Kontext

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Die Sowjetunion, welche als Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen ist und vom Kommunismus bestimmt war, erlitt Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er einen Zusammenbruch. Innerhalb kurzer Zeit kam es zu einem wirtschaftlichen, sozialen und politischen Absturz, zur Auflösung der Planwirtschaft und zur Abschaffung staatlichen Eigentums. Die Gründe dafür lagen in erster Linien in der Unorganisiertheit der Planwirtschaft, in ethnischen und religiösen Konflikten wie auch im politischen Vorhaben, die im Zweiten Weltkrieg erworbene Länder von einander und vor allem von der Sowjetunion abhängig zu machen. 1991 wurde nach zahlreichen Reformenvorhaben von Seiten Gorbatschows und zahlreichen Revolutionen von Seiten der Bevölkerung die Auflösung der Sowjetunion beschlossen. 15 Unionsrepubliken schlossen sich zu Staaten unabhängiger Gemeinschaft (GUS) zusammen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Der Zusammenbruch und der Systemwandel des Sowjetsystems stellten für die Soziologie bei der Erforschung der Strukturfragen und der Modernisierungsprobleme einen herausfordernden Gesellschaftsbereich dar.

Balint Balla zufolge kann im Rückblick neuerlich festgestellt werden, dass sozialwissenschaftliche Forschungen völlig unvorbereitet und konzeptlos von den tiefgreifenden Wandlungsprozessen in Osteuropa überrascht worden sind. Die westliche Soziologie hat dem Geschehen in den damals kommunistisch beherrschten osteuropäischen Gesellschaften in den zurückliegenden Jahrzehnten viel zu wenig Beachtung geschenkt. Durch diesen Umbruch mit einer gewaltigen Tragweite wurden theoretische Grundlagen wie auch empirische Forschungsmethoden der Soziologie auf den Kopf gestellt.

Vor diesem Hintergrund wurde eine internationale Tagung an der Universität Miskolc in Ungarn der Sektion „Ost- und Ostmitteleuropa-Soziologie“ abgehalten, mit der Absicht Rückwirkungen dieser Vorgänge auf das allgemeine soziologische Denken festzustellen, wie auch auf die Entwicklung der Soziologie in den ost- und ostmitteleuropäischen Staaten aufmerksam zu machen.

Als Mitglied der Arbeitsgruppe „Ost- und Ostmitteleuropa-Soziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, welche zentrale Fragen des sozialen Umbruchs und der postkommunistischen Entwicklung in Osteuropa analysiert, behandelt Balint Balla in seinem Werk „Soziologie Ost- und Ostmitteleuropas als Beitrag zur Allgemeinen Soziologie“ genau diese Thematik.

Balint Balla versucht u.a. das Ignorieren osteuropäischer Entwicklungen als eine Schwäche der Soziologie darzustellen und begründet dies mit der Tatsache, dass sich die Soziologie insbesondere mit der Mikroebene zu beschäftigen pflegt. Er unternimmt außerdem den Versuch, den Niedergang des Sowjetsystems mit der Knappheitsproblematik zu begründen und mit Hilfe eines handlungstheoretischen Ansatzes verstehend zu erklären.


Werke

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Deutschsprachige Werke

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  • Balla, Balint: Kaderverwaltung, Stuttgart 1972
  • Balla, Balint: Soziologie der Knappheit, Stuttgart 1978
  • Balla, Balint: Kultur als Daseinssphäre von Knappheitsbekämpfung, in: Lipp, W. (Hrsg.): Kulturtypen, Kulturcharaktere, Berlin 1987
  • Balla, Balint: Das Sowjetsystem an seinen Grenzen, in: Bonk, S. (Hrsg.): Ideen zu einer Integralen Anthropologie, München 1991
  • Balla, Balint: Soziologie und Gesellschaft in Ungarn (Bd. 1 Historische Entwicklung und sozialer Wandel; Bd. 2 Marxistische Soziologie, Politik und Planung; Bd. 3 Familie, Jugend und Bildungssystem; Bd. 4 Vom Agrarland zur Industriegesellschaft) Stuttgart 1974


Artikel

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  • Balla, Balint: Postkommunismus; Gedankenfrage über einen möglichen Forschungsgegenstand einer soziologischen Arbeitsgruppe – und darüber hinaus, in: Kultursoziologie, Heft 1, Leipzig 1993, S. 110-126
  • Balla, Balint: Zu einer handlungstheoretischen Analyse vom Aufstieg und Niedergang des Sowjetsystems, in: Sociologia Internationalis, 32. Band, Heft 1, 1994, S. 77-101
  • Balla, Balint: Der Fall des Sowjetsystems; zu einer makrosoziologischen Analyse auf handlungstheoretischer Basis, in: Balla, B./Geier, W. 1994a, S. 27-36
  • Balla, Balint: Postkommunismus: Nach dem Zusammenbruch eines epochalen Wertsystems, 1995a, in: Fünf Jahr nach der Wende – Bilanz in Mittel- und Südosteuropa, Hrsg. R. Schönfeld, Südosteuropa-Gesellschaft, München 1995, S.49-57
  • Balla, Balint: Mitteleuropa aus der Sicht des ungarischen Dauerdilemmas „zwischen Ost und West“, in: Ungarn-Jahrbuch. Zeitschrift für die Kunde Ungarns und verwandte Gebiete, Band 18, München 1991, S. 237-251


Werke in Zusammenarbeit mit anderen Autoren

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  • Balla, Balint/Sterbling, Anton (Hrsg.): Soziologie und Geschichte – Geschichte der Soziologie. Beiträge zur Osteuropaforschung, Hamburg 1995

Dieser Band enthält die Beiträge der Tagung der Arbeitsgruppe „Ost- und Ostmitteleuropa-Soziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, in welchem die Beziehung von Geschichte und Soziologie unter den für die Forschungsgruppe relevanten Aspekten aufgezeigt wird.

  • Balla, Balint/Sterbling, Anton: Zusammenbruch des Sowjetsystems. Herausforderung für die Soziologie, Hamburg 1996
  • Balla, Balint/Geier, Wolfgang (Hrsg.): Zu einer Soziologie des Postkommunismus. Kritik, Theorie, Methodologie, Münster/Hamburg 1994
  • Balla, Balint/Ilja Srubar/Martin Albrecht: Pitirim A. Sorokin. Leben, Werk und Wirkung, Hamburg 2002


Das Werk in Themen und Thesen

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Theorie der Knappheit

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Im Allgemeinen fasst Balint Balla die Knappheit als ein Phänomen auf, welches durch rationales Handeln verringert und regulierbar ist. Das Menschenbild ist das des homo oeconomicus, welcher mit der Knappheit zu wirtschaften weiß. Die Sozialbeziehungen sind neutral und versachlicht.

Dabei geht es um knappe materielle und immaterielle Güter und um die Knappheit als existentieller Grundbestand des Menschen. Der Mensch sei Balla zufolge ein „Mängelwesen“ und zugleich ein „Mensch der Knappheit“, sodass jede individuelle Handlung als eine knappheitsbekämpfende Handlung anzusehen ist. Für soziales Handeln ist die Art und Weise wie knappe Güter beschafft werden von großer Bedeutung. Unterschiedliche Arten der Knappheitsbekämpfung führen zu einer Klassifikation der Handlungen, welche in außer- und innergesellschaftliche Idealtypen eingeteilt werden.

Als erster Idealtyp gilt die direkte Leistung als Güterbeschaffung, die persönliche Bedürfnisse reguliert. Für weitere Idealtypen stehen Entzug, Austausch und die Handlung des Helfens und Schenkens, wobei der Entzug in einen horizontalen und einen hierarchischen eingeteilt werden kann.

Alle Typen werden durch das Zusammenwirken der Grundmerkmale: Knappheitsbezug, Menschenbild und kollektive Bewertung der sozialen Beziehungen realisiert. Aus emotionaler und ethischer Sicht wird der Austausch als neutral, der Entzug als negativ und das Schenken von Gütern als positiv bewertet.

Der Entzug wird als einseitiges, unentgoltenes Nehmen knapper Güter in akut eingeschätzten Knappheitslagen betrachtet, wobei der horizontale Entzug den Entzug zwischen Gegnern, die beide Macht zum Entziehen verfügen, mittels Gewalt beschreibt und der Hierarchische eher zwischen zwei bezüglich Macht ungleichen Gegnern zustande kommt. Der Machtlose wird entweder durch Strafandrohung oder durch Entzugshingabe (einseitiges Leisten, Zahlen oder Dienen) dazu gedrängt, seine knappen Ressourcen an den Mächtigeren weiterzugeben.

Der Austausch wird durch das Geben und Nehmen knapper Güter charakterisiert, jedoch unter den Bedingungen der Gegenseitigkeit, der Freiheit und der Gleichheit der jeweiligen Interaktionspartner. In diesem Fall verfügen beide über knappe Güter.

Beim Helfen wird die Knappheit zugunsten des Anderen bekämpft. Dieses freiwillige und unentgoltene Handeln wird, wenn es auf materielle Güter bezogen wird, als Schenken bezeichnet, wobei der Helfende seine eigene Knappheitssituation außer Acht lässt. Oft werden Güter geschenkt, die beim Helfenden im Überfluss vorhanden sind. Innerhalb der Beziehung lässt sich ein „Wir-Gefühl“ feststellen.

Der Sinn und Zweck dieser genannten Grundmerkmale liegt darin, die Makrostruktur zu durchleuchten und soziale Gegebenheiten nicht allein auf individuelle Handlungen zu reduzieren.


Literatur

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  • Balla, Bálint (2005):
    "Knappheit als Ursprung sozialen Handelns"
    Hamburg
  • Balla, Bálint(1978):
    "Soziologie der Knappheit. Zum Verständnis individueller und gesellschaftlicher Mängelzustände"
    Stuttgart
  • Balla, Bálint [Hrsg.](1996):
    "Zusammenbruch des Sowjetsystems. Herausforderung für die Soziologie"
    Hamburg
  • Beetz, Stephan [Hrsg.](2003):
    Soziologie über die Grenzen : europäische Perspektiven ; Festschrift für Bálint Balla zum 75. Geburtstag"
    Hamburg

Kursiver Text

Baudrillard, Jean

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Biographie in Daten

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Baudrillard Jean

  • geboren am 20. Juli 1929 in Reims, war ein Soziologe, Philosoph, Medientheoretiker und Photograph. Bekannt ist er als ein einflussreicher Vertreter des Postmodernismus und Poststrukturalismus. Er starb im März 2007 in Paris.


  • Nach dem Abschluss des Deutschstudiums an der Sorbonne, unterrichtete Baudrillard Deutsch an einem Gymnasium. Unter anderem arbeitete er auch als Übersetzter und studierte Philosophie und Soziologie.

Er habilitierte 1972 und wurde Professor an der Universität Paris-X Nanterre.


Ausbildung

  • 1958-1966 Studium der Germanistik an der Sorbonne
  • 1966-1987 Studium er Philosophie und Soziologie an der Universität Paris-Nanterre
  • 1968 Promotion mit der Arbeit „Le Système des Objets“ (Das System der Dinge)
  • 1987 Habilitation mit der Arbeit „L’Autre par lui-même“ (Das Andere selbst)


Beruflicher Werdegang

  • 1958 – 1966 Deutschlehrer an einem Gymnasium
  • 1958 - 1966 Literaturkritiker und Übersetzer
  • 1968 Lehrstuhl für Soziologie an der Paris-Nanterre
  • 1866 – 1970 Maître Assistant (Eine Dienstbezeichung im französischen Bildungssystem)
  • 1970 - 1972 Maître de Conférences für Soziologie (Eine Dienstbezeichung im französischen Bildungssystem, vergleichbar mit dem deutschen akademischen Rat)
  • 1987 Professor für Medien und Kultur an der European Graduate School (Saas-Fee, Schweiz)
  • 1986 – 1990 Directeur Scientifique


Preise und Auszeichnungen

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  • 1995 - Siemens-Medien-Preis (100 Tausend DM)


Besondere Ereignisse

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  • 1981 Die Sozialisten kommen in Frankreich an die macht. Baudrillard kritisiert die Linken. Die Regierung wirft ihm vor, dass seine Theorien bei den "Neuen Rechten" anklang finden.


Historischer Kontext

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Baudrillard war der Sohn eines Beamten. Seine Großeltern waren bäuerliche Grundeigentümer. Er war der erste in der Familie, der die Universität besuchte. Baudrillards Jugend war geprägt vom algerischen Krieg, der in den 50er und 60er Jahren stattgefunden hatte. Anlass für seine Marxistischen Texte für die Zeitung „Utopie“, waren die Studentenrevolten an der Nanterre Universität 1968.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Baudrillard interessierte sich für Roland Barthes. Sein Werk „The Object System 1968“ ist vom Barthes’ Theorien stark beeinflusst. Marshall McLuhan, der die Wichtigkeit der Massenmedien von der Soziologischen Perspektive analysierte, sollte auch sehr wichtig sein, für Baudrillards Theorien. Er schrieb zahlreiche theoretische Arbeiten über das kapitalistische System. Seine Werke waren geprägt vom strukturellen Marxismus, Anarchismus und von der Medientheorie.

Weiters wurde er beeinflusst von:

  • Durkheim, Mauss: im Hinblick auf Objektivität und die lingustisch-soziologische-Verbindung,
  • Batailles und seinen Werken über die Surrealität und Erotik,
  • Sartre,Dostojevski, Nietzsche und deren Gedanken zu Situationismus und Surrealismus,
  • Freud und dessen Psychoanalyse,
  • und dem Marxismus.

Baudrillards Denken verläuft in drei Phasen:

  • 1. Postmarxismus (1961-71)
  • 2. Soziolinguistik (1972-77)
  • 3. Postmodernismus (1978-2007)


Werke

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  • Le Système des objets; (Gallimard, 1968 - Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen)
  • La Sociètè de consommation; (Denoel, 1970)
  • Pour une critique de l'èconomie politique du signe; (Gallimard, 1976)
  • L'Èchange symbolique et la mort; (Gallimard, 1976 - Der symbolische Tausch und der Tod)
  • Oublier Foucault; (Galilee, 1977)
  • L'Effet Beaubourg; (Galilee, 1977)
  • À l'ombre des majorites silencieuses; (Denoël, 1978)
  • Le PC ou les paradis artificiels du politique; (Cahiers d'Utopie, 1978)
  • De la seduction; (Galilee, 1979)
  • Simulacred et Simulation; (Galilee, 1981)
  • Lasst euch nicht verführen (Merve 1983)
  • Les Stratègies fatales; (Grasset, 1983 - Lasst euch nicht verführen)
  • La Gauche divine; (Grasset, 1984 - Die göttliche Linke)
  • Le Miroir de la production; (Galilee, 1985)
  • Amèrique; (Grasset, 1986)
  • L'Autre par lui-même, Habilitation; (Galilee, 1987)
  • Cool Memories I; (Galilee, 1987)
  • Cool Memories II; (Galilee, 1990)
  • La Transparence du mal; (Galilee, 1990)
  • La Guerre du Golfe n'a pas eu lieu; (Galilee, 1991)
  • L'Illusion de la fin; (Galilee, 1992)
  • Le Crime parfait; (Galilee, 1994)
  • Figures de l'altèrite avec Marc Guillaume; (Descartes et Cie, 1994)
  • Fragments, Cool Memories III; (Galilee, 1995)
  • Das perfekte Verbrechen (Matthes & Seitz 1996)
  • Der unmögliche Tausch (Merve 2000)
  • Ècran total; (Galilee, 1997)
  • Le Paroxyste indifferent, entretiens avec Philippe Petit; (Grasset, 1997)
  • L'Echange impossible; (Galilee, 1999)
  • Les mots de passe; (Pauvert, 2000)
  • Der Geist des Terrorismus (Passagen 2003)
  • Einzigartige Objekte (Passagen 2004)
  • Gesprächsflüchtlinge (Passagen 2007)


Das Werk in Themen und Thesen

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Baudrillard ist ein Theoretiker der Postmoderne. Er hat zahlreiche Werke über Virtualität, Simulation, Hyperrealität, Fundamentalismus, Terrorismus, Globalisierung sowie über das Ende des Geschichte geschrieben.


Über den Konsum

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Für Baudrillard sind Gebrauchsgegenstände „reine Zeichen“ und werden in ihrer ideellen Dimension auch als solche konsumiert. Zum Beispiel sind ein englischer Ledersessel oder ein orientalischer Teppich keine Gegenstände des Gebrauchs sondern die Vorstellung von britischer Behaglichkeit und Souvenirs aus dem Morgenland. Der Konsum ist in diesem Zusammenhang, eine idealistische Praxis.


Reqiem für die Medien

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Für Baudrillard gibt es keine Medientheorie. Die „Simulationstheorie“ von Baudrillard beschäftigt sich mit den Bildern der „Wirklichkeit“, die über die Massenmedien gezeigt werden. Diese Bilder sind nach seiner Ansicht „wichtigkeitsmächtiger“ geworden als das Reale geschehen selbst. Der Simulakrum (= die Scheinwelt) der Medien verdrängt die wirkliche Welt immer mehr. Die sogenannte „Rede ohne Antwort“ macht es dem Konsumenten nicht möglich diese Macht kritisch gegenüberzustehen.


Der symbolische Tausch und der Tod

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Hier wird die moderne Gesellschaft auf Veränderungen ihres Symbolsystems untersucht. Dieses System wird von einem strukturalistischen Zeichensystem bestimmt „Signifikat und Signifikant“. Signifikat heißt „das bezeichnete Vorstellungsbild“ und Signifikant „die Bedeutsamkeit“. Die Zeichencodes der Städte, Medien und der Werbung sind reiner Selbstzweck und dienen dazu, dass „jeder an seinem Platz bleibt.“

Rezeption und Wirkung

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In den letzten Jahren ist Baudrillard als Prophet der Implosion bekannt geworden, mit der sich der postmoderne Zustand beschäftigt.


Literatur

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  • Falko Blask (1995):
    "Baudrillard zur Einführung"
  • Rene Derveaux Jean Baudrillard (2002):
  • "Wahrheit, Realität, Simulation, Hyperrealität"
  • Stephan Moebius, Lothar Peter (2004):
  • "Französische Soziologie der Gegenwart"
  • Jochen Venus (1997):
  • "Referenzlose Simulation? Argumentationsstrukturen postmoderner Medientheorie am Beispiel von Jean Baudrillard
  • Michael Schetzsche, Christian Vähling (2006):
  • "Jean Baudrillard"


Internetquellen

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Bauman, Zygmunt

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Biographie in Daten

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Zygmunt Bauman

  • geboren am 19. November 1925 in Posen in Polen. Bauman ist ein polnisch-britischer-jüdischer Soziologie und Philosoph. Er ist verheiratet mit der Autorin Janina Bauman, mit der er drei Töchter Anna, Irena und Lydia hat. Bauman lebte bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges in Posen.


  • 1939 Flucht vor den Nazis in die Sowjetunion. Nach einer militärischen Karriere beim polnischen Militär Habilitation an der Universität Warschau.
  • 1954 Professur für Soziologie in Warschau.
  • 1968 aus politischen Gründen: Verlust seiner Stellung als Professor für Soziologie an der Warschauer Universität und als Vorstand der Fakultät der Allgemeinen Soziologie. Im selben Jahr verlässt Bauman Polen und emigriert nach Israel. In den Jahren 1969-1971 hält er Vorlesungen an den Universitäten in Tel-Aviv und Haifa.
  • 1971 Ruf an den Lehrstuhl für Soziologie an der University of Leeds (Großbritannien),diesen besetzt er bis 1990 und lehrt darüber hinaus als Gastprofessor an zahlreichen anderen Universitäten, darunter Berkeley und Yale, in Canberra, St. John's und Kopenhagen.
  • 1989 erhält Bauman den Amalfi-Preis für Sozialwissenschaften für sein Werk "Modernity and the Holocaust"("Die Moderne und der Holocaust").
  • 1998 bekommt er den Theodor-W.-Adorno-Preis der Stadt Frankfurt a. M. verliehen.

Heute lebt Zygmunt Bauman als emeritierter Professor noch immer in Leeds und geht seiner Publikationstätigkeit nach.

Historischer Kontext

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"Ich habe in einem langen Leben in den verschiedensten Gesellschaftssystemen mit ihren Hoffnungen und Ängsten gelebt. Vielleicht ist es meine einzige Art von Weisheit, sicher zu sein, dass auf Erden eine gute Gesellschaft nicht existiert. " [1]

Baumans Werke sind stark geprägt von den Erfahrungen des 2. Weltkriegs und dem Holocaust. Er selbst war Jude und musste aus politischen Gründen nach dem Krieg Polen verlassen. Die Emigration nach Israel, hat Baumans Sichtweise verändert und geprägt. Der häufige, z.T. ungewollte Wohnsitzwechsel, hat Baumans Leben gezeichnet, besonders in der Erfahrung, als Fremder in einem Land, fern von der eigenen Heimat, zu leben. Nach dem Krieg teilte Zygmunt Bauman das Ziel vieler anderer Menschen seiner Generation und Situation, nämlich die einzigartige Tradition der polnischen Wissenschaft wieder aufzubauen. Heute wohnt er in Leeds(Großbritannien).


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Bei näherer Betrachtung wird Baumans intellektuelle Nähe zur Strömung des Neopragmatismus, und dabei ganz besonders zu Richard Rorty, erkennbar. Bauman kann sich v.a. mit dem verkündeten Interpretationspluralismus, von Rorty, identifizieren. Dies muss man immer im Zusammenhang mit den ethisch-moralischen Fragen, die Bauman beschäftigen, sehen, was auch seine eigenwillige Interpretation des Holocaust erklärt.


Werke

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  • 1957: Zagadnienia centralizmu demokratycznego w pracach Lenina [Fragen des demokratischen Zentralismus in den Werken Lenins]. Warszawa: Książka i Wiedza.
  • 1959: Socjalizm brytyjski: Źródła, filozofia, doktryna polityczna [Der britische Sozialismus: Quellen, Philosophie, politische Doktrin]. Warszawa: Państwowe Wydawnictwo Naukowe.
  • 1960: Klasa, ruch, elita: Studium socjologiczne dziejów angielskiego ruchu robotniczego [Klasse, Bewegung, Elite: Eine soziologische Studie zur Geschichte der englischen Arbeiterbewegung]. Warszawa: Państwowe Wydawnictwo Naukowe.
  • 1960: Z dziejów demokratycznego ideału [Aus der Geschichte des demokratischen Ideals]. Warszawa: Iskry.
  • 1960: Kariera: cztery szkice socjologiczne [Karriere. Vier soziologische Skizzen]. Warszawa: Iskry.
  • 1961: Z zagadnień współczesnej socjologii amerykańskiej [Fragen der modernen amerikanischen Soziologie]. Warszawa: Książka i Wiedza.
  • 1962 (mit Szymon Chodak, Juliusz Strojnowski, Jakub Banaszkiewicz): Systemy partyjne współczesnego kapitalizmu [Parteisysteme des modernen Kapitalismus]. Warsaw: Książka i Wiedza.
  • 1962: Spoleczeństwo, w ktorym żyjemy [Die Gesellschaft, in der wir leben]. Warsaw: Książka i Wiedza.
  • 1962: Zarys socjologii. Zagadnienia i pojęcia [Umriss der Soziologie. Fragen und Begriffe]. Warszawa: Państwowe Wydawnictwo Naukowe.
  • 1964: Zarys marksistowskiej teorii spoleczeństwa [Umriss der marxistischen Gesellschaftstheorie]. Warszawa: Państwowe Wydawnictwo Naukowe.
  • 1964: Socjologia na co dzień [Soziologie für den Alltag]. Warszawa: Iskry.
  • 1965: Wizje ludzkiego świata. Studia nad społeczną genezą i funkcją socjologii [Visionen einer menschlichen Welt. Studien über die gesellschaftliche Genese und Funktion der Soziologie]. Warszawa: Książka i Wiedza.
  • 1966: Kultura i społeczeństwo. Preliminaria [Kultur und Gesellschaft. Preliminarien]. Warszawa: Państwowe Wydawnictwo Naukowe.
  • 1972: Between Class and Elite. The Evolution of the British Labour Movement. A Sociological Study. Manchester: Manchester University Press ISBN 0719005027 (polnisches Original 1960)
  • 1973: Culture as Praxis. London: Routledge & Kegan Paul. ISBN 0761959890
  • 1976: Socialism: The Active Utopia. New York: Holmes and Meier Publishers. ISBN 0841902402
  • 1976: Towards a Critical Sociology: An Essay on Common-Sense and Emancipation. London: Routledge & Kegan Paul. ISBN 0710083068
  • 1978: Hermeneutics and Social Science: Approaches to Understanding. London: Hutchinson. ISBN 0091325315
  • 1982: Memories of Class: The Pre-history and After-life of Class. London/Boston: Routledge & Kegan Paul. ISBN 0710091966
  • c1985 Stalin and the peasant revolution: a case study in the dialectics of master and slave. Leeds: University of Leeds Department of Sociology. ISBN 0907427189
  • 1987: Legislators and interpreters – On Modernity, Post-Modernity, Intellectuals. Ithaca, N.Y.: Cornell University Press. ISBN 0801421047
  • 1988: Freedom. Philadelphia: Open University Press. ISBN 0335155928
  • 1989: Modernity and The Holocaust. Ithaca, N.Y.: Cornell University Press. ISBN 080142397X
    (dt. Übers. Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 1992. ISBN 3-434-50015-4)
  • 1990: Paradoxes of Assimilation. New Brunswick: Transaction Publishers.
  • 1990: Thinking Sociologically. An introduction for Everyone. Cambridge, Mass.: Basil Blackwell. ISBN 0631163611
    (dt. Übers. Vom Nutzen der Soziologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2000, ISBN 3-518-11984-2)
  • 1991: Modernity and Ambivalence. Ithaca, N.Y.: Cornell University Press. ISBN 0801426030
    (dt. Übers. Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, Hamburg: Junius, 1992, ISBN 3-88506-204-6)
  • 1992: Intimations of Postmodernity. London, New York: Routhledge. ISBN 0415067502
    (dt. Übers. Ansichten der Postmoderne, Hamburg: Argument-Verlag 1995, ISBN 3-88619-239-3)
  • 1992: Mortality, Immortality and Other Life Strategies. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745610161
    (dt. Übers. Tod, Unsterblichkeit und andere Lebensstrategien, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch-Verlag, 1994, ISBN 3-596-12326-7)
  • 1993: Postmodern Ethics. Cambridge, MA: Basil Blackwell. ISBN 0-631-18693-X
    (dt. Übers. Postmoderne Ethik, Hamburg: Hamburger Edition, 1995, ISBN 3-930908-22-0)
  • 1995: Life in Fragments. Essays in Postmodern Morality. Cambridge, MA: Basil Blackwell. ISBN 0631192670
    (dt. Übers. Flaneure, Spieler und Touristen. Essays zu postmodernen Lebensformen, Hamburg: Hamburger Edition, 1997, ISBN 3-930908-30-1)
  • 1996: Alone Again – Ethics After Certainty. London: Demos. ISBN 1-898-30940-X
  • 1997: Postmodernity and its discontents. New York: New York University Press. ISBN 0745617913
    (dt. Übers. Das Unbehagen in der Postmoderne, Hamburg: Hamburger Edition 1999, ISBN 3-930908-45-X)
  • 1998: Work, consumerism and the new poor. Philadelphia: Open University Press. ISBN 0335201555
  • 1998: Globalization: The Human Consequences. New York: Columbia University Press. ISBN 0745620124
    (dt. Übers. Der Mensch im Globalisierungskäfig, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, ISBN 3518121251).
  • 1999: In Search of Politics. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745621724
    (dt. Übers. Die Krise der Politik. Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit, Hamburg: Hamburger Edition 2000, ISBN 3-930908-60-3)
  • 2000: Liquid Modernity. Cambridge: Polity Press ISBN 074562409X
    (dt. Übers. Flüchtige Moderne, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, ISBN 3-518-12447-1)
  • 2001: Community. Seeking Safety in an Insecure World. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745626343
  • 2001: The Individualized Society. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745625061
  • 2001 (mit Keith Tester): Conversations with Zygmunt Bauman. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745626645
  • 2001 (mit Tim May): Thinking Sociologically, 2nd edition. Oxford: Blackwell Publishers. ISBN 0631219293
  • 2002: Society Under Siege. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745629849
  • 2003: Liquid Love: On the Frailty of Human Bonds, Cambridge: Polity Press. ISBN 0745624898
  • 2003: City of fears, city of hopes. London: Goldsmith's College. ISBN 1904158374
  • 2004: Wasted Lives. Modernity and its Outcasts. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745631649
    (dt. Übers. Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne, Hamburg: Hamburger Edition 2005, ISBN 3-936096-57-0)
  • 2004: Europe: An Unfinished Adventure. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745634036
  • 2004: Identity: Conversations with Benedetto Vecchi. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745633080
  • 2005: Liquid Life. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745635148
  • 2006: Liquid Fear. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745636802
  • 2007: Liquid Times: Living in an Age of Uncertainty. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745639879
  • 2007: Consuming Life. Cambridge: Polity Press. ISBN 0745639798 (März)


Das Werk in Themen und Thesen

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Baumans Werke haben einen klaren Fokus auf die Mehrdeutigkeit der Moderne, die an verschiedenen Beispielen deutlich wird – wie zum Beispiel auch an der Assimilation der Juden in Europa.


"Modernity and the Holocaust"

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(Die Moderne und der Holocaust)

In seinem Buch "Modernity and the Holocaust“ erläutert Bauman den Holocaust „als Folge einer ungewöhnlichen Häufung von Fakten, die einzeln gesehen ganz gewöhnlich und normal sind - doch die Verantwortung für eine derartige Häufung muss dem modernen Staat zugeschrieben werden“.

Andererseits kritisiert Zygmunt Bauman die Moderne und distanziert sich auch klar von der Postmoderne. Er schreibt dazu u.a.: "Postmoderne ist die erregende Freiheit, jedes beliebige Ziel zu verfolgen und die verwirrende Unsicherheit darüber, welche Ziele es wert sind, verfolgt zu werden, und in wessen Namen man sie verfolgen sollte.” “Die Postmoderne gibt der Welt zurück, was die Moderne ihr in ihrer Anmaßung genommen hat; sie verzaubert die Welt wieder, die die Moderne mit aller Kraft zu entzaubern suchte”. [2]

Zygmunt Bauman sieht das Buch selbst als einen Einblick in die „in verschiedenen Stadien des postmodernen Diskurses, entstandene Ansichten und Einblicke – im Bewußtsein, jeweils nur einen Teil betrachtet zu haben und auch nur einen von vielen Standpunkten – zusammen ergeben sie doch grundlegende Einsichten.“

In dem Werk werden zwei grundlegende Aspekte betrachtet:

  • Die Soziologie als Wissenschaft, die von der Moderne beeinflusst und entwickelt wurde. Bauman findet eine neue Qualität in der Gesellschaft, die er von unterschiedlichen Ausgangspunkten heraus untersucht und klarerweise ständig mit der Moderne vergleicht.
  • In dem Kapitel „Gesetzgeber und Interpreten“ beschreibt Baumann, die Haltung in der Moderne als „Gesetzgeber“ und bringt damit klar zum Ausdruck, dass man der postmodernen pluralistischen, toleranten Gesellschaft, eine interpretierende Rolle zuordnet. Heutzutage verstehen sich Gestalter nicht mehr als Lehrer und Erzieher, die eine Formung der Menschen mit dem Blick auf die Zukunft heranstreben. Stattdessen legen sie andere Kulturen und deren Einflüsse für das Hier und Jetzt aus.

Baumans Belege für die neue Wirklichkeit der Gesellschaft sind keine empirischen Untersuchungen, jedoch versucht er sie, abstrakt zu erklären. Damit verbessert er auch das Verständnis für die derzeitige Gesellschaft.

  • Er beleuchtet außerdem den systemimmanenten Kontext, der den Kommunismus vernichtet. Dies beschreibt er mit dem Exempel, dass der Staat sein Universalitätsbestreben sogar auf das Gebiet des Persönlichen, Privaten ausgeweitet hat (Totalitarismus). Dadurch werden umgekehrt „persönliche Probleme“ auf den Staat umgewälzt, wodurch eine Emotionalität wächst, die Unberechenbares und Gefährliches mit sich bringt. Dies ist natürlich lediglich ein geringer Aspekt, aus einem von vielen Themenbereichen.

"Wasted Lives. Modernity and its Outcasts"

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(Verworfenes Leben)

In seinem Buch „Verworfenes Leben“ behandelt Bauman das Thema der Mittellosigkeit in der heutigen globalisierten Gesellschaft. Baumans These trifft den Kern der neuzeitlichen Rationalität: Ein - wenn nicht sogar das zentrale Ergebnis von Modernisierungsprozessen- besteht in der Exklusion von Menschen aus den sozialen, nationalstaatlichen und kulturellen Zusammenhängen. Im Schicksal von heimatlosen Migranten, Flüchtlingen und für "überflüssig" gehaltenen Menschen manifestiert sich die Tatsache, dass in der Entwicklung der modernen Gesellschaften in ökonomischer und politischer Hinsicht, die Integration aller verabsäumt wird. Die Moderne wirkt sich mehr noch, höchst selektiv aus; Deprivation ist ihr besonderes Kennzeichen. Bauman zeigt auf, wie Exklusion mit der Modernisierung und Globalisierung einhergeht.(siehe auch Klappentext)


"Modernity and Ambivalence"

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(Moderne und Ambivalenz)

Die Moderne hat sich eine unlösbare Aufgabe gestellt. Ihr Anspruch, die Welt durchschaubar zu machen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil er die grundsätzliche Ambivalenz der Welt und die Zufälligkeit unserer Existenz, unserer Gesellschaft und unserer Kultur leugnete. Jeder Versuch, diese Tatsache aus der Welt zu schaffen, hat immer nur neue Ambivalenz erzeugt - ein Teufelskreis, der schließlich mit dem Nationalsozialismus in den Versuch mündete, alles Ambivalente zu vernichten. Erst die Postmoderne verabschiedet sich von dem Versprechen, eine übersichtliche Welt zu schaffen. Sie erkennt, dass der Wille, die unabänderliche Zweideutigkeit menschlicher Existenz zu beheben, gleichbedeutend ist mit dem Willen, den Menschen seiner Freiheit zu berauben.(siehe auch Klappentext)


"Die gesellschaftliche Konstruktion der Ambivalenz":

Bauman beschäftigt sich in dem Text mit der sozialen Schließung, sprich der Inklusion und Exklusion von Fremden an. Er bezieht sich darin vor allem auf das Beispiel der Juden. Der Versuch von Juden, sich anzupassen, endete in seinem Text nach Marthe Roberts sarkastischer Zusammenfassung so: „Bei sich zu Hause leben, denken, fühlen und schreiben die jungen Leute aus Prag wie Deutsche, äußerlich den anderen gleich, doch außerhalb ihrer Viertel täuscht sich niemand. Die anderen erkennen sie sofort an ihrem Gesicht, ihrem Benehmen, ihrem Akzent. Gewiss sind sie assimiliert, doch nur in dem geschlossenen Raum ihres geborgten Deutschtums, oder anders gesagt, sie sind an ihre eigene Entwurzelung ´assimiliert´.“Für Bauman waren die Juden die prototypischen Fremden in Europa. Er nannte sie die „sich selbst vermehrenden Unkräuter in der Welt, die aus sorgfältig gepflegten Gärten bestanden, Nomaden unter den Sesshaften – nur Zigeuner teilten diese Eigenschaft mit den europäischen Juden – und also mussten sie, für Hitler, auch deren letztes Schicksal teilen.“ Sie waren universale Fremde, denn ihre Fremdheit war nicht auf einen bestimmten Ort beschränkt. Sie waren auch keine Besucher aus einem anderen Land, denn dieses „andere Land“ existierte nicht, und es gab eigentlich gar kein Land, in dem sie das Recht beanspruchen konnten, keine Besucher oder Fremde zu sein. Juden waren „die „verkörperte Fremdheit, die ewigen Wanderer, der Inbegriff der Nicht-Territorialität, das Wesen der Heimatlosigkeit, ein nicht exorzierbares Gespenst der Konventionalität im Haus des Absoluten, eine nomadische Vergangenheit in der Ära der Sesshaftigkeit.“

Franz Kafka schrieb in einem Brief an Max Brod über die Generation der zu Deutschen gemachten Juden (zu denen er selbst gehörte) folgende Selbstdiagnose:

„Mit den Hinterbeinchen klebten sie noch am Judentum des Vaters und mit den Vorderbeinchen fanden sie noch keinen neuen Boden. Die Verzweiflung darüber war ihre Inspiration.“

Bauman war der Ansicht, dass „ein Fremder zu sein bedeutet, fähig zu sein, ständige Ambivalenz zu leben, ein Ersatzleben der Verstellung.“[3]


Liquid Modernity

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(Flüchtige Moderne)

Die in der Französischen Revolution erhobene Forderung nach "Verdampfung aller Stände" sollte dazu führen, dass neue Stabilitäten geschaffen werden. Nach über zweihundert Jahren des Kampfes um Freiheit und Emanzipation müssen wir einsehen, dass eine Kluft zwischen dem befreiten Individuum de jure und seinen Einflussmöglichkeiten de facto entstanden ist. Zygmunt Bauman entwirft das Bild einer Moderne, die sich durch exterritorial und mobil gewordene Machtstrukturen auszeichnet. Das Individuum ist zwar in die Freiheit entlassen, muss das soziale Gewebe jedoch in Heimarbeit selbst herstellen. Es gibt kein Schaltzentrum der Macht mehr, die Strukturen sind flüchtig, die Freiheit beliebig. (siehe auch Klappentext)


In Search of Politics

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(Die Krise der Politik)

Ist Deregulierung das Tor zur wahren menschlichen Freiheit? Mit ihrem Verzicht darauf, zumindest den Rahmen der Entscheidungen, die den Einzelnen offen stehen, festzulegen, ist die Politik immer mehr zum Spielball der Gesetzte des Marktes geworden. Angesichts dieser Trennung von Macht und Politik erinnert Bauman an eine verloren gegangene Vermittlungsinstanz zwischen den privaten und den öffentlichen Interessen. Der entscheidende Schritt zur Autonomie wurde getan, als die Griechen ihren Gesetzen die Präambel voranstellten: "Es ist dem Rat und dem Volk gut erschienen". Mit dieser bescheidenen Formulierung errangen die Griechen das Bewußtsein, daß sie selbst für ihre Institutionen verantwortlich waren. Und diese Selbstverantwortlichkeit brauchte einen Raum, um Entscheidungen zu diskutieren : die agora, den Marktplatz, auf dem die Vermittlung zwischen dem privaten Bereich des Hauses, dem oikos, und der ekklesia, der Volksversammlung, stattfand. Solche öffentlichen Räume der Kommunikation bestehen gegenwärtig nicht.(siehe auch Klappentext)


Thinking Sociologically

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(Vom Nutzen der Soziologie)

In Deutschland gilt es gegenwärtig als chic, die Soziologie für unfruchtbar und überholt zu halten. Gegen die Argumente von Verächtern soziologischer Analysen zeigt dieses Buch, daß der einzelne tägliche in seinen Handlungen und Überlegungen soziologische Kategorien verwendet. Was es bedeutet, soziologisch zu denken, erklärt Bauman, indem er von den alltäglichen Erfahrungen ausgeht.(siehe auch Klappentext)


Rezeption und Wirkung

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Bauman wird oft zu den bekanntesten und angesehensten Soziologen und Philosophen gezählt. Er wird auch als einer der bedeutensten Urheber des Konzepts der „Postmoderne“ bezeichnet. Die Themen seiner wesentlichen Arbeiten betreffen vor allem die zeitgenössische Kultur in all ihren Erscheinungsformen sowie die damit verbundenen Prozesse.

Obwohl Bauman 1968 Polen aus politischen Gründen verlassen musste, blieb er dort weiterhin bekannt und beliebt, als Autor zahlreicher Bücher und Lehrbücher, die sich mit der Soziologie befassten und als herausragender Lehrer der Soziologiestudenten sowie als Chefredakteur der „Studiow Socjologiczniych“(„Soziologische Studien“).

Sein wissenschaftliches Denken perfektionierte er v.a. in der Emigration. Viele Werke Baumanns, die er auch in englischer Sprache verfasst hat, werden in England, den USA und vielen europäischen Ländern verkauft.

Literatur

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  • Bauman, Zygmunt (2005):
    "Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne."
    Hamburg:
  • Bauman, Zygmunt (2005):
    "Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit."
    Hamburg
  • Bauman, Zygmunt (2003):
    "Flüchtige Moderne"
    Frankfurt am Main
  • Bauman, Zygmunt (2000):
  • "Die Krise der Politik. Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit"
    Hamburg
  • Bauman, Zygmunt (1999):
    "Vom Nutzen der Soziologie"
    Frankfurt


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Bauman, Zygmunt, 2005
  2. Bauman, Zygmunt (1989):Die Moderne und der Holocaust, S.5
  3. Bauman,Zygmunt (1993): Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit; Hamburg, S.45 ff.

Beck, Ulrich

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Biographie in Daten

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Beck Ulrich


  • geboren am 15. Mai 1944 in Stolp/Pommern, aufgewachsen in Hannover
  • Beruf: Soziologe
  • Familienstand: verheiratet mit Elisabeth Beck-Gernsheim (Soziologin)

Ausbildung

  • 1966 Beginn des Studiums der Rechtswissenschaft; danach jedoch Wechsel des Studienfaches auf Soziologie, Philosophie, Psychologie und Politikwissenschaft an der Universität München
  • 1972 Promotion in Soziologie (München)
  • 1979 Habilitation an der Universität München; Erteilung der Lehrbefugnis für das Fach Soziologie; und Ernennung zum Professor für Soziologie an der Universität Münster (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften)

Berufliche Daten

  • 1981-92 Professor für Soziologie in Bamberg;

Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, wobei sich die Schwerpunkte auf Forschung und Lehre; Soziologie sozialer Ungleichheit; Berufs- und Arbeitssoziologie, Industrie- und Organisationssoziologie bezogen

  • Seit 1992 Professor für Soziologie in München
  • Seit 1995 Autor in der Süddeutschen Zeitung

Andere Tätigkeiten

  • Seit 1980 Herausgeber der Zeitschrift „Soziale Welt“
  • 1986 Veröffentlichung der Risikogesellschaft
  • 1995-97 Mitglied der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen
  • 1997 Kultureller Ehrenpreis der Stadt München
  • Seit 1997 verstärktes Engagement in der Politikberatung

Werke

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    • Risikogesellschaft, auf dem Weg in eine andere Moderne Frankfurt a.M., 1986
    • Gegengifte. Die organisierte Unverantwortlichkeit, Frankfurt a.M., 1988
    • Das ganz normale Chaos der Liebe (mit E. Beck-Gernsheim), Frankfurt a.M., 1990
    • Politik in der Risikogesellschaft, Frankfurt a.M., 1991
    • Die Erfindung des Politischen - Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung Frankfurt a.M., 1993
    • Was zur Wahl steht, Frankfurt am Main, 2005
    • Die feindlose Demokratie, Stuttgart, 1995
    • Eigenes Leben-Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft, München, 1995
    • Reflexive Modernisierung - Eine Debatte (mit A. Giddens und S. Lash), Frankfurt a.M., 1996
    • Was ist Globalisierung? Frankfurt a.M., 1997
    • Politik der Globalisierung, Frankfurt a.M., 1998
    • Perspektiven der Weltgesellschaft (Hsgb.), Frankfurt a.M., 1998
    • Schöne neue Arbeitswelt, Frankfurt a.M./New York, 1999
    • Freiheit oder Kapitalismus, Frankfurt a.M., 2000
    • Individualization (mit E. Beck- Gernsheim), GB, 2002
    • Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter, Frankfurt a.M., 2003 (: neue weltpolitische Ökonomie)
    • Der kosmopolitische Blick, Frankfurt a.M., 2003
    • Das kosmopolitische Europa (mit E. Grande), Frankfurt a.M., 2004
    • Riskante Freiheiten - Gesellschaftliche Individualisierungsprozesse in der Moderne (zusammen mit E.Beck-Gernsheim). 1994 (Hrg.)
    • World Risk Society, GB/USA, 1999
    • Kinder der Freiheit, 1997 (Hrg.)
    • Die Erfindung des Politischen - Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung, 1993
    • Riskante Freiheiten - Gesellschaftliche Individualisierungsprozesse in der Moderne (gemeinsam mit Elisabeth Beck-Gernsheim),1994
    • Die soziale Konstitution der Berufe. Materialien zu einer subjektbezogenen Theorie der Berufe (zusammen mit Michael Brater), 1977 (Hrg.)
    • Berufliche Arbeitsteilung und soziale Ungleichheit. Eine historisch- gesellschaftliche Theorie der Berufe (zusammen mit Michael Brater), 1978
    • Berufswahl und Berufszuweisung. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur sozialen Verwandtschaft von Ausbildungsberufen (zusammen mit M. Brater und B. Wegener), 1979
    • Eigenes Leben - Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft, in der wir leben (zusammen mit W. Vossenkuhl, U.E. Ziegler, Fotos von T. Rautert), 1995

Das Werk in Themen und Thesen

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Ulrich Becks Beitrag bezieht sich hauptsächlich zu Themen wie: Globalisierung, Idividualisierung, gesellschaftlicher Wandel,Reflexivität, Moderne, Risiko(Risikogesellschaft) und Zukunft. Diese, von ihm beschriebenen Bereiche, sind generell für das gesellschaftliche Leben von Interesse und besitzen eine ereignisungebundene Relevanz.


Risikogesellschaft

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Becks Ausführungen zur Risikogesellschaft zählen zu den bedeutensten Büchern der jüngeren Soziologie nach 1945. Ausgangspunkt ist dabei die These, dass unsere Existenz durch ungeheure Risiken bedroht wird, die nicht vor irgendwelchen sozialen Grenzen stoppen, sondern das Leben von allen zum Risiko machten.Der Erfolg des Buches "Risikogesellschaft" war wahrscheinlich an die aktuellen Ereignisse von Tschernobyl geknüpft. Beck hat sich aus gegebenem Anlass in seinem Vorwort auch konkret auf diese Katastrophe bezogen. Er sieht in der Explosion die Bestätigung der Schlüsselvorstellungen: Nichtwahrnehmbarkeit von existenzbedrohenden Gefahren, die Bedeutung des Wissens um dieselben, deren Übernationalität, die „ökonomische Enteignung“ und der Umschlag von Normalität und Absurdität.


Grundthese: "In der fortgeschrittenen Moderne geht die gesellschaftliche Produktion von Reichtum systematisch einher mit der gesellschaftlichen Produktion von Risiken. [Hervorhebungen in dem Original] [...] Die Verteilungsprobleme und -konflikte der Mangelgesellschaft [werden] überlagert durch die Probleme und Konflikte, die aus der [...] Verteilung wissenschaftlich-technisch produzierter Risiken entstehen"; es kommt zu einem "Wechsel von der Logik der Reichtumsverteilung [...] zur Logik der Risikoverteilung" [1]

Unter den Begriff "Risiken" fasst Beck sowohl "naturwissenschaftliche Schadstoffverteilungen", als auch "soziale Gefährdungslagen" (Arbeitslosigkeit). Relevant ist hier, dass die entsprechenden Risiken meist nicht mehr nach Klassengrenzen verteilt sind, sondern es kann „Jedermann“ betreffen.


Reflexive Modernisierung

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Weiters ist die „reflexive Modernisierung“ ein sehr relevanter Begriff, der von Beck behandelt wurde. Reflexive Modernisierung bedeutet eine „Selbsttransformation der Industriegesellschaft“. Eine Auf- und Ablösung der ersten Moderne (die Zeit ab der Aufklärung, zumal der Industrialisierung und der mit ihr voranschreitenden Bürokratie) durch eine zweite Moderne (Individualisierung, umfasst den Prozess der Globalisierung), deren Konturen und Prinzipien es zu entdecken und zu gestalten gilt. Strukturen nationalstaatlicher Industriegesellschaften werden in einem radikalen Sinne umgearbeitet.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Ulrich Becks Konzeptionen der Moderne weisen eine große Ähnlichkeit mit denen von A. Giddens auf und werden auch teilweise in Zusammenarbeit entwickelt. Auch Anthony Giddens spricht von „Zweiter Moderne“ bzw. „reflexiver Moderne“. Ebenso wird der von Beck geprägte Begriff der „Welt-Risikogesellschaft“ von Giddens aufgegriffen.


Rezeption und Wirkung

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Ulrich Beck ist Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der London School of Economics. Der Name des Soziologen wird meist mit dem Begriff der Risikogesellschaft verbunden, mit dem der Wissenschaftler bereits vor zwei Jahrzehnten unsere Gesellschaft beschrieben hat. Beck äußert sich meist zu Bereichen, die generell von Interesse für das gesellschaftliche Leben sind und somit auch eine ereignisungebundene Relevanz besitzen.

Ulrich Beck ist einer der bekanntesten deutschen Soziologen der Gegenwart und wurde 2005 mit dem Schader-Preis ausgezeichnet, der höchstdotierten Auszeichnung für Gesellschaftswissenschaftler in Deutschland.


Literatur

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  • Oesterdiekhoff, Georg [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden
  • Beck, Ulrich (1986):
    "Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne"
    Frankfurt

Internetquellen

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Institut für Soziologie der Universität München

Referat im Seminar Soziale Ungleichheit am Institut für Sozialwissenschaften

 Ulrich Beck

Einzelnachweise

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  1. Beck,Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne; Frankfurt am Main, S. 25

Beck-Gernsheim, Elisabeth

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Biographie in Daten

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Beck-Gernsheim Elisabeth

  • geboren 1946 in Freiburg
  • Studium der Soziologie, Psychologie und Philosophie in München
  • Postgraduierten-Stipendien: Doktorandenstipendium der Universität München; interkulturelles Austauschstipendium der Stiftung Studienkreis; Habilitationsstipendium der DFG; Heisenbergstipendium der DFG
  • Nach der Habilitation (1994) Gastprofessur für Mikrosoziologie an der Universität Gießen; Gastprofessur für Sozialpsychologie an der Universität München
  • Professorin für Soziologie zunächst an der Universität Hamburg, dann (seit 1994) an der Universität Erlangen-Nürnberg
  • Fellowships: 1996 Universität Cardiff; 1997 - 1998 Wissenschaftskolleg zu Berlin; 2002 - 2003 Hamburger Institut für Sozialforschung
  • Familienstand: verheiratet mit Beck Ulrich (Soziologe)

Forschungsschwerpunkte:

  • Arbeit und Beruf
  • Familie und Geschlechterverhältnisse
  • Migration und multikulturelle Gesellschaft
  • Technik und Technikfolgen

Historischer Kontext

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Während ihres Studiums in München wurde Beck- Gernsheim Zeitzeugin der umtriebigen 60-er Jahre, die die Universität in einen Ort verwandelten, an dem häufige Demonstrationen und Revolutionen stattfanden. Diese Unruhen brachten herkömmliche Weltanschauungen ins Wanken und führten u.a. zur Entstehung der Frauenbewegung, die die alte Geschlechterordnung in Frage stellte. In den 70-er Jahren thematisierten Politik, Medien und Öffentlichkeit den Geburtenrückgang, der bereits 10 Jahre zuvor eingesetzt hatte. Besonders spannend empfand Beck- Gernsheim die beiden einander radikal entgegengesetzten Positionen der Frauen einerseits, die sich von ihrer traditionellen Unterdrückung befreien wollten („Mein Bauch gehört mir“) und der Machthaber in Politik, Wissenschaft und Medien andererseits, die die sinkende Anzahl an Geburten beklagten und die wachsende Selbstverwirklichung der Frauen dafür verantwortlich machten. Der gesellschaftliche Wandel der Frauenbiographien motivierte Beck- Gernsheim dazu, ihre Habilitation über Geburtenrückgang und Kinderwunsch zu verfassen. Sie selbst beschrieb diese Zeit als turbulent, da sie sich an eine Thematik heranwagte, die gesellschaftlich wirksame Weltbilder und Werte und damit auch die dahinter stehenden Machtstrukturen der Geschlechterverhältnisse hinterfragte. Auch die aktuellen Interessen von Beck- Gernsheim decken sich mit den neueren gesellschaftlichen Entwicklungen: Sie bindet die Herausforderungen der Medizin- und Gentechnologie, die den Begriffen Schwangerschaft, Mutterschaft und Elternschaft eine neue Bedeutung verleihen, ebenso in ihren weiteren Forschungsbereich ein wie die globalen Migrationsbewegungen, deren soziologische Konsequenzen sie wissenschaftlich herausfordern und faszinieren. Was sie allerdings als Einschränkung empfindet, ist die universitäre Innovations- Ideologie (Bologna- Prozess u.ä.), die durch ihre starke Bürokratisierung Forschungsprozesse verzögert und damit motivationshemmend wirkt.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Im Jahre 1968 lernte Beck- Gernsheim bei der Vorbereitung für ein Proseminar ihren Mitstudenten und zukünftigen Ehemann Ulrich Beck kennen, mit dem sie über aktuelle soziologische und gesellschaftliche Themen diskutierte. Er wurde zu einem wichtigen Wegbegleiter, der ihr stets als kompetenter Gesprächspartner zur Seite stand und sie auch in schwierigen beruflichen Situationen unterstützte. Einen nicht geringen Einfluss auf Beck- Gernsheims Schaffen hatte auch der sie bei der Promotion betreuende Professor Karl Martin Bolte, bei dem sie ihre erste Assistentenstelle antrat und der sie für die Leitung des Projekts „Frau und Beruf“ gewinnen konnte. In dieser Phase kooperierte sie mit Ilona Oster, mit der sie lebhafte und intensive Diskussionen über die gesellschaftliche Lage von Frauen führte. Im Rahmen dieses Projekts kam es auch zu Beck-Gernsheims feministischer Inspiration. Karl Martin Bolte war es auch, der sie in eine Kommission zum Thema Geburtenrückgang berief, die für Beck- Gernsheim eine intensive Auseinandersetzung mit den Gebieten der Bevölkerungsentwicklung und des Geburtenrückgangs zur Folge hatte. Das eigenständige Forschungsprojekt „Elternschaft und gesellschaftliche Individualisierungsprozesse“ entstand in Zusammenarbeit mit Maria S. Rerrich, die beruflich wie privat äußerst fruchtbar war.

Werke

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Dissertation und Habilitationsschrift

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  • Wissenssoziologie im Bezugsrahmen des Theoretischen Pluralismus: Untersuchungen zur wechselseitigen Kritik von Wissensoziologie, Wissenschaftstheroie und Sozialpsychologie, München 1973
  • Geburtenrückgang und Kinderwunsch. Zur Sozialgeschichte der Mutterschaft im 19. und 20. Jahrhundert, München 1986

Bücher

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  • Der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt. Zur Ideologie und Realität von Frauenberufen. Aspekte-Verlag und Campus:Frankfurt 1976
  • Mitmenschlichkeit als Beruf. Eine Analyse des Alltags in der Krankenpflege (zusammen mit Ilona Ostner). Campus: Frankfurt 1979
  • Das halbierte Leben. Männerwelt Beruf, Frauenwelt Familie. Fischer: Frankfurt 1980
  • Vom Geburtenrückgang zur Neuen Mütterlichkeit? Über private und politische Interessen am Kind. Fischer: Frankfurt 1984. Eine japanische Übersetzung mit eigenem Vorwort ist 1992 im Verlag Keisho Shobo,Tokio erschienen.
  • Die Kinderfrage. Frauen zwischen Kinderwunsch und Unabhängigkeit. C.H. Beck: München 1988
  • Mutterwerden - der Sprung in ein anderes Leben. Fischer: Frankfurt 1989
  • Das ganz normale Chaos der Liebe. (zusammen mit Ulrich Beck) Suhrkamp: Frankfurt 1990
  • Technik, Markt und Moral. Über Reproduktionsmedizin und Gentechnologie. Fischer: Frankfurt 1991
  • Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.): Die Erforschung des menschlichen Genoms. Ethische und soziale Aspekte. Erster Bericht des vom Bundesminister für Forschung und Technologie einberufenen Arbeitskreises Genforschung. Campus: Frankfurt 1991 (der Band ist das gemeinsame Produkt der Mitglieder des Arbeitskreises)
  • Riskante Freiheiten. Zur Individualisierung der Lebensformen in der Moderne. Suhrkamp: Frankfurt 1994 (herausgegeben zusammen mit Ulrich Beck)
  • Welche Gesundheit wollen wir? Dilemmata des medizintechnischen Fortschritts. Suhrkamp: Frankfurt 1995
  • Was kommt nach der Familie? Einblicke in neue Lebensformen. Beck: München 1998
  • Juden, Deutsche und andere Erinnerungslandschaften. Im Dschungel der ethnischen Kategorien. Suhrkamp: Frankfurt 1999
  • Mujeres y transformaciones sociales (Frauen und soziale Transformationen). El Roure: Barcelona 2001 (zusammen mit Judith Butler und Lidia Puigvert. Eine englische Übersetzung ist 2003 bei Peter Lang (New York u.a.) erschienen. Titel der englischen Ausgabe: Women and Social Transformation.
  • Individualization. Institutionalized Individualism and its Social and Political Consequences. Sage: London 2001(zusammen mit Ulrich Beck). Eine spanische Übersetzung ist 2003 bei Paidós (Barcelona-Buenos Aires_Mexiko)erschienen. Eine italienische und eine koreanische Übersetzung erscheinen 2006. Teilweise wiederabgedruckt in Hugh Lauder/Phillip Brown/Jo-Anne Dillabough/A.H.Halsey (Hrsg.): Education, Globalization & Social Change. Oxfprd: Oxford University Press 2006, S.143 - 151
  • Wir und die anderen. Vom Blick der Deutschen auf Migranten und Minderheiten. Frankfurt: Suhrkamp 2004
  • Die Kinderfrage heute. Über Frauenleben, Kinderwunsch und Geburtenrückgang. München: Beck 2006


Neben den oben genannten Werken liegen zahlreiche Beteiligungen an Herausgeberschaften und eine Vielfalt von soziologisch relevanten Aufsätzen vor.

Das Werk in Themen und Thesen

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Das halbierte Leben (1980)

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Das Buch beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Arbeitsteilung, die in Beruf und Familie vorherrscht, auf Männer und Frauen auswirkt. Beide Geschlechter werden in stereotypes Rollenverhalten gezwängt (Männer im Beruf, Frauen im Haushalt) und damit in ihrem Entwicklungspotential eingeschränkt. Doch Frauen, die ausbrechen und Karriere machen wollen, kommen meist im Privatleben zu kurz und haben keine Zeit für eine eigene Familie. Beck- Gernsheim fordert Änderungen im gesellschaftspolitischen Bereich, etwa eine familiengerechtere Organisation des Berufslebens, um Familie und Beruf für Männer wie Frauen kompatibel zu machen.

Zitat: "Die Berufsarbeit ist nicht so sehr zugeschnitten auf den »familienfreien Mann«, sondern genauer auf den »familienfreien Ehemann«. Idealtypisch gefordert ist eine Ehebeziehung, in der keinerlei Anforderungen und Ansprüche an den Mann herangetragen werden, im Gegenteil möglichst nur Entlastung und Befreiung von allen Alltagssorgen erfolgt. Dies freilich scheint eine sehr einseitige und eingeschränkte Ehebeziehung, und die Versuchung liegt nahe, sie als andere, perfektere Version von Junggesellendasein zu bezeichnen." <Beck-Gernsheim, Elisabeth (1980): Das halbierte Leben. Männerwelt Beruf, Frauenwelt Familie; Frankfurt, S.72</ref>

Die Kinderfrage (1988)

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Das Buch beschäftigt sich mit der Entscheidung von Frauen in der heutigen Gesellschaft, ein Kind zu bekommen. Oftmals wird Nachwuchs bewusst verhindert oder geplant. Familiengründung ist zu einer ambivalenten Angelegenheit geworden: einerseits erinnert das Muttersein an traditionelle Rollenaufteilung und Abhängigkeit vom Mann, andererseits ermöglicht es ein Entkommen aus dem rationalisierten Berufsalltag. Beck- Gernsheim gibt fundierte Einblicke in das Dilemma von modernen Frauen, die an sie gestellten, zum Teil unerfüllbaren Erwartungen und ihre individuellen Lösungsstrategien und stellt klare Forderungen an die Politiker.

Wir und die Anderen (2004)

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Beck- Gernsheim erklärt die angebliche Traditionsorientierung der Einwanderer mit der "reaktiven Ethnizität", d.h. die Tradition ist ein Rückgriff auf die Kultur des Heimatlandes aufgrund der Reaktionen der Mehrheitsbevölkerung und der Politik im Einwanderungsland. Um sich in ihrer Identität zu bestärken, brauchen Migrant/inn/en andere Menschen gleicher Herkunft, weswegen die Familie in ihrer Bedeutung noch zunimmt. Gleichzeitig aber zeigt Beck-Gernsheim, dass Migrant/inn/en ständig mit der Mehrheitskultur in Kontakt stehen, etwa in Öffentlichkeit, Kultur und Beruf und dadurch zu einer Balanceleistung gezwungen sind, in zwei Welten gleichzeitig zu leben. Diese besondere Leistung beschreibt Beck- Gernsheim als eine äußerst kreative. Somit entlässt sie MigrantInnen aus der üblichen Opferrolle und spricht ihnen eine sehr aktive Rolle in der Gestaltung ihrer Identität zu.

Rezeption und Wirkung

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Elisabeth Beck- Gernsheim gehört zur ersten Generation von Professorinnen an der Universität. Zudem beschäftigt sie sich mit einem neuen Wissenschaftsbereich an den Hochschulen, nämlich der Frauen- und Geschlechterforschung, wo sie sich stets vor einer männlichen Mehrheit bewähren musste. Sie führte bei all ihren soziologischen Perspektiven die Geschlechterperspektive ein und gilt daher zusammen mit Kolleginnen aus ihrer Generation (Ulrike Vogel, Ute Gerhard u.a.) als Pionierin in der Soziologie und der Frauen- und Geschlechterforschung, in der ihre Thesen zu Frauen im Spannungsverhältnis zwischen Beruf und Familie, Migrant/inn/en, multikultureller Gesellschaft und der Triade Technik, Macht und Moral für die Gegenwart bedeutsam sind.

Laufende Lehrveranstaltungen an der Universität Erlangen-Nürnberg:

  • Bevölkerungsentwicklung

Forschungsprojekte:

  • Wer ist Jude? Wer ist Schwarzer? Wer ist Deutscher? Zur sozialen Konstruktion von Nationalität und Ethnizität

Literatur

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  • Vogel, U. [Hrsg.](2006):
    "Wege in die Soziologie und die Frauen- und Geschlechterforschung. Autobiographische Notizen der ersten Generation von Professorinnen an der Universität"
    Wiesbaden
  • Beck- Gernsheim, E. (1980):
    "Das halbierte Leben. Männerwelt Beruf, Frauenwelt Familie"
    Frankfurt
  • Beck- Gernsheim, E. (1988):
    "Die Kinderfrage. Frauen zwischen Kinderwunsch und Unabhängigkeit"
    München
  • Beck- Gernsheim, E.(2004)
    "Wir und die anderen. Vom Blick der Deutschen auf Migranten und Minderheiten"
    Frankfurt

Internetquellen

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Einzelnachweise

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Becker, Howard

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Biographie in Daten

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Becker Howard Saul

  • geboren am 18.04.1928 in Chicago-Illinois


Schulbildung:

  • 1946: BA an der Universität von Chicago
  • 1949: MA an der Universität von Chicago
  • 1951: PhD an der Universität von Chicago

Berufliche Tätigkeiten:

  • 1951-1953: Forschungsmitarbeiter am Chicago – Area – Projekt
  • 1951-1953: Lehrer für Soziologie und Sozialwissenschaft an der Universität von Chicago
  • 1953-1955: Dozent an der Universität von Illinois
  • 1955-1962: Projektleiter von „Community Studies“ in Kansas City
  • 1962-1965: Forschungsmitarbeiter am „Institute for the Study of Human Problems“ an der Stanford Universität
  • 1965-1991: Soziologieprofessor an der Northwestern University
  • 1961-1964: Herausgeber der soziologischen Fachzeitschrift “Social Problems”
  • 1964-1965: Vizepräsident von „Pacific Sociological Association“
  • 1965-1966: Präsident der “Society for the Study of Social Problems”
  • 1969-1970: Dozent im Center of Advanced Studies in the Behavioral Sciences
  • 1974: Gastdozent an der Universität von Manchester
  • 1976: Gaststudent am ”Museum National” in Rio de Janeiro
  • 1977-1978: Präsident der “Society for the Study of Symbolic Interaction”
  • 1978-1979: Guggenheimdozent
  • 1980: Erhalt der Auszeichnung "Charles Horton Cooley Award" für “Society for the Study of Symbolic Interaction”
  • 1981: Erhalt der Auszeichnung: "Common Wealth Award"
  • 1982-1991: Mac Arthur Professor für Kunst und Wissenschaft an der Northwestern University
  • 1985: Erhalt der Auszeichnung "Cooley/Mead Award" für den Bereich Sozialpsychologie, American Sociological Association
  • 1987: Erhalt der Auszeichung "George Herbert Mead Award" für “a Career of Distinguished Scholarship” und für “Society for the Study of Symbolic Interaction”
  • 1990: Gelehrter am ”Museum National” in Rio de Janeiro
  • 1991-1999: Tätigkeit als Professor für Soziologie an der Universität von Washington
  • 1995-1999: Tätigkeit als Assistenzprofessor für Soziologie an der „School of Music“ (Universität von Washington)
  • 1995: Erhalt des Ehrendoktorates (Doktor Honoris Causa) an der Universität in Paris
  • 1999: Erhalt des Ehrendoktorates an der Universität Pierre-France, Grenoble


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Howard Becker hat sich stark mit den Fragen der Soziologie im Bereich des abweichenden Verhaltens, des Bildungs- und Ausbildungswesens, der Kleingruppenforschung sowie unter anderem mit der Kunstsoziologie (Photographie und Musik) beschäftigt. Er kam schon in seiner Kindheit bzw. Jugend auf den „Geschmack der Sozialforschung“. Sehr prägend für seine eingeschlagene Berufslaufbahn waren sein „Mentor“ in der Grundschule – Everett Hughes (welcher damals schon an der Universität von Chicago Soziologie unterrichtete) und sein „hero“ Alfred Lindesmith (welcher sich die meiste Zeit seines Lebens mit seiner Studie über Opiatsüchtige beschäftigte).

Howard Becker erkennt selbst, dass seine Studien dem Einfluss von Max Weber, Durkheim, Halbwachs, Tönnies und Malinowski unterliegen. Ursprünglich übernimmt Becker beispielsweise den Begriff des Ideapltypus von Max Weber wandelt diesen dann jedoch in die Bezeichnung des "constructed type" (konstruierten Typus) um. Im Gegensatz zum Idealtypus, der nur "objektiv möglich" sein muss, hat Beckers konstruierter Typus "objektiv wahrscheinlich" zu sein.

Werke

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  • 1961: Boys in White (Forschungen über eine Studentenkultur in der medizinischen Fakultät)
  • 1963: Outsiders (Studien über die Soziologie von abweichendem Verhalten)
  • 1986: Art Worlds (Buch über Kunstsoziologie)
  • 1986: Writing for social Scientist (Ein Leitfaden zur Gestaltung von Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Texten)
  • 1997: Tricks of the Trade (How to think about your research while you`re doing it)


Das Werk in Themen und Thesen

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Howard Becker wird zu den Theoretikern des symbolischen Ineraktionismus gezählt und ist bekannt für seine Etikettierungstheorie.

Outsiders (Außenseiter) - Studien zur Soziologie abweichenden Verhaltens:

Mit diesem Werk wurde Becker als Soziologe bekannt und anerkannt. Er beschreibt darin, wie die Gesellschaft abweichendes Verhalten schafft, indem sie Regeln aufstellt, aus deren Verletzung erst ein abweichendes Verhalten entstehen kann. Der "Regelbrecher" wird durch die Sanktionen der Gesellschaft zum Außenseiter. Das abweichende Verhalten bezieht sich aber nicht auf die Qualität der Handlung die die Person ausübt, sondern ist schlichtweg das Resultat der Regelanwendung durch andere. Außenseiter werden damit erst zu Außenseitern, indem man sie für solche hält und sie dementsprechend auch als solche behandelt. Howard Becker bezieht sich in seinem Buch auf die Labeling-Theorie (Etikettierungstheorie), in der die soziale Zuschreibung sowie die Reaktionen der sozialen Umwelt auf ein bestimmtes Verhalten im Vordergrund stehen.

Rezeption und Wirkung

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Howard Becker ist für die Soziologie der Gegenwart von großer Bedeutung. Seine Labeling-Theorie bzw. die Theorie abweichenden Verhaltens ist nach wie vor aktuell. Becker Howard beschäftig sich darüber hinaus aber auch mit anderen Problem der "neuen Zeit" und steht daher mit der Aktualität seiner Forschungen an vorderster Spitze. Er behandelt u.a. anderem Themen wie z.B.: Kinder und ihr Verhältnis zum Geld, Drogen - und was als Droge zu definieren ist. Außerdem setzt er sich der Förderung der Soziologie als eine gesellschaftlich relevante Wissenschaft auseinander.


Literatur

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Dieses Kapitel oder Buch ist derzeit nicht ausreichend mit Quellen belegt. Du kannst mithelfen, es zu verbessern, indem du Zitate, Referenzen und/oder Quellen einarbeitest.


Internetquellen

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Benjamin, Walter

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Biographie in Daten

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Benjamin Walter Bendix Schönflies

  • geboren am 15. Juli 1892 in Berlin; gestorben am 26. September 1940 in Port Bou. Walter Benjamin war deutscher Philosoph, Gesellschaftstheoretiker, Literaturkritiker und Übersetzer.


  • Walter Benjamin wird in Berlin als Sohn des Antiquitäten- und Kunsthändlers Emil Benjamin und dessen Frau Pauline (Geborene Schoenflies) geboren. Er wächst in einem großbürgerlichen jüdisch-assimilierten Elternhaus auf.
  • 1912: Abitur an der Kaiser-Friedrich-Schule, anschließend beginnt er in Freiburg Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren.
  • 1917: Heirat mit Dora Sophie Pollak.
  • 1917-1919: Fortsetzung des Studiums in Bern.
  • 1918: Geburt des gemeinsamen Sohnes Stefan Rafael (11. April 1918 - 6. Februar 1972).
  • 1919: Promotion »summa cum laude« in Bern bei Richard Herbertz mit der Dissertation über den »Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik«.
  • 1920: Rückkehr nach Berlin. Wirtschaftliche Schwierigkeiten.
  • 1921: Zeitschriftenprojekt »Angelus Novus«.
  • 1923: Bejamin beginnt mit seiner Habilitationsschrift über das deutsche Barock-Trauerspiel, in der er die Bedeutung der Allegorie mit der Krtik am neuzeitlichen Subjektbegriff verbindet. Er lernt Gretel und Theodor W. Adorno kennen und kommt so mit dem Frankfurter Institut für Sozialforschung in Kontakt.
  • 1926: Übersetzung Prousts, zusammen mit Franz Hessel. Mehrmonatiger Aufenthalt in Paris. Beginn journalistischer Tätigkeit für »Die Frankfurter Zeitung« und »Die literarische Welt«.
  • 1926-1927: Dezember/Januar: Moskaureise, Wiedersehen mit Asja Lacis.
  • 1927: Beginn des Passagen-Werks in Paris. Treffen mit Scholem, Palästina-Pläne. Erste Haschischexperimente.
  • 1930: Scheidung von Dora Benjamin. Plan der Zeitschrift »Krise und Kritik« zusammen mit Bertolt Brecht und Bernard von Brentano.
  • 1933: Aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten muss Benjamin ins Exil nach Paris.
  • 1939: Rückkehr aus dem Exil.
  • 1940: Auf der Flucht vor der erneuten Auslieferung an die Deutschen begeht Benjamin (vermutlich) Selbstmord durch Morphium.


Historischer Kontext

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Benjamins Familie gehört dem assimilierten Judentum an. Seine Kindheit verbringt Benjamin in Berlin. Als Heranwachsender engagiert er sich im Kreise der Jugendbewegung von Gustav Wyneken, wo er auch seinen Jugendfreund, den Dichter Christoph Friedrich Heinle kennenlernt.

Im Jahr 1917 übersiedelt Benjamin, wegen einer drohenden Einberufung zum Militär nach Bern, wo er zwei Jahre später mit der Arbeit "Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik bei Richard Herbertz" promoviert.

1926 und 1927 hält sich Benjamin in Paris auf, wo er, teilweise gemeinsam mit Franz Hessel, an der Übersetzung der Werke von Marcel Proust (insbesondere "Auf den Spuren der verlorenen Zeit") arbeitet. Sein im Jahr 1924 beginnendes Interesse für den Kommunismus führt Benjamin im Winter 1926/27 nach Moskau, wo er seine Freundin Asja Lacis besucht. Trotz einer zunehmenden Sympathie mit der kommunistischen Bewegung bewahrt sich Benjamin Zeit seines Lebens ein, wie er es nannte, "linkes Außenseitertum".

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten zwingt Benjamin, im März 1933 nach Paris ins Exil zu gehen. Hier trifft er auch Hannah Arendt, die den fast mittellosen Benjamin unterstützt.

Von 1937-1939 ist Benjamin Mitglied des von Georges Bataille, Michel Leiris und Roger Caillois gegründeten Collège de Sociologie sowie Batailles Geheimgesellschaft Acéphale, obgleich er den Bestrebungen des Collège, den Faschismus mit seinen eigenen Mitteln zu bekämpfen, kritisch gegenübersteht. Ein geplanter Vortrag Benjamins über die Mode kann wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr stattfinden. Benjamin wird für drei Monate mit anderen deutschen Flüchtlingen in einem Sammellager bei Nevers interniert.

Nach der Rückkehr aus der Haft im November 1939 schreibt Benjamin seinen letzten Text, die Thesen über den Begriff der Geschichte. Benjamin flüchtet nach Lourdes, von wo er zunächst weiter nach Marseille reist, bevor er im September 1940 den vergeblichen Versuch unternimmt, über die Grenze nach Spanien zu gelangen. Im Grenzort Portbou, wo er die Auslieferung an die Deutschen unmittelbar bevorstehen sieht, nimmt er sich in der Nacht vom 26. auf den 27. September 1940 durch Morphium das Leben.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Benjamin Walter beschäftigte sich sehr mit Kant und dem Neukantianismus sowie mit der Literatur der deutschen Romantik. Durch seinen Freund Scholem wird er mit der jüdischen Religion vertrauter. Weiters wird er von seinem Lehrer Gustav Wynekers beeinflusst. Als dieser sich zunehmend für den Krieg begeistert führt dies zum Bruch ihrer Freundschaft.

Im Jahr 1924 beginnt Benjamins Interesse für den Kommunismus. Trotz seiner zunehmenden Sympathie mit der kommunistischen Bewegung bewahrt sich Benjamin ein, wie er es selber nannte, "linkes Außenseitertum".

In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg interessiert sich Benjamin sehr für die "neuen Medien". Er tritt in zahlreichen Rundfunksendungen auf und gestaltet Sendungen für den "Kinderfunk", die "Bücherstunde" sowie Erzählungen und Hörspiele.


Werke

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  • Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, Verlag A. Francke, Bern 1920
  • Charles Baudelaire, Tableaux Parisiens. Deutsche Übertragung mit einem Vorwort über die Aufgabe des Übersetzers. Verlag von Richard Weißbach, Heidelberg 1923
  • Einbahnstraße, Rowohlt, Berlin 1928
  • Ursprung des deutschen Trauerspiels, Rowohlt, Berlin 1928
  • Deutsche Menschen. Eine Folge von Briefen. Auswahl und Einleitungen von Detlef Holz [Pseudonym]. Vita Nova Verlag, Luzern 1936
  • Zur Kritik der Gewalt, in: Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik, 1921
  • Goethes Wahlverwandtschaften, in: Neue Deutsche Beiträge 1924/1925
  • Der Sürrealismus, in: Die literarische Welt, 1929
  • Zum Bilde Prousts, in: Die literarische Welt, 1929
  • Karl Kraus, in: Frankfurter Zeitung, 1931
  • Franz Kafka. Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages, Auszüge in: Jüdische Rundschau, 21. Dezember und 28. Dezember 1934
  • Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: Zeitschrift für Sozialforschung, 1936 [franz. Übers.]
  • Der Erzähler. Betrachtungen zum Werk Nikolai Lesskows, in: Orient und Occident, 1936
  • Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker, in: Zeitschrift für Sozialforschung, 1937
  • Über einige Motive bei Baudelaire, in: Zeitschrift für Sozialforschung, 1939
  • Über den Begriff der Geschichte, in: Die Neue Rundschau, 1950
  • Das Passagen-Werk, hrsg. von Rolf Tiedemann, 2 Bände, Suhrkamp Frankfurt am Main 1983 [Taschenbuchausgabe]
  • Berliner Kindheit um neunzehnhundert. Mit einem Nachwort von Theodor W. Adorno und einem editorischen Postskriptum von Rolf Tiedemann. Fassung letzter Hand und Fragmente aus früheren Fassungen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987
  • Berliner Kindheit um neunzehnhundert. Gießener Fassung, hrsg. und mit einem Nachwort von Rolf Tiedemann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000


Das Werk in Themen und Thesen

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Bedeutend ist vor allem Benjamins Auseinandersetzung mit dem "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" . Der Titel dieser Arbeit von 1935 ist zu einer Art "geflügeltem Wort" geworden. Die unbegrenzte Vervielfältigung von Musik, Malerei, ja aller bildenden Künste führt nach Benjamin zum Verlust ihrer Aura. Damit betont er auch den veränderten Rezeptionszusammenhang. Während sich die Kunstliebhaber früher in ein Konzert oder in eine Galerie begeben mussten, um ihrer Leidenschaft nachzugehen, wurde durch die technischen Reproduktionen, seien es Schallplatten-, Radioaufnahmen oder Kunstdrucke, eine "Entwertung des Originals" herbeigeführt. Während Benjamin diese Entwicklung in erster Linie positiv bewertet, so kehrt Adorno diese These in der dialektischen Betrachtung um und arbeitet vor allem die Regression und den Fetischcharakter der Massenkunst heraus.


Rezeption und Wirkung

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Nachdem Adorno und Scholem nach dem Zweiten Weltkrieg Benjamins Schriften neu, zum größeren Teil erstmalig ediert hatten ( Von 1970 bis 1989 erschien eine umfangreiche, praktisch vollständige Ausgabe seiner „Gesammelten Schriften“) erfuhr Benjamins Wirkung von der, zu Lebzeiten erfahrenen, Erfolgslosigkeit hin zu einer gewissen öffentlichen Anerkennung. Während Benjamins Dissertation im Jahr 1920 von der Fachwelt kaum wahrgenommen und seine Habilitationsschrift von der Frankfurter Universität sogar abgelehnt wurde, wirkte er nach seinem Tod durch seinen gesellschaftskritischen Impetus durchaus anregend für verschiedene geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer. In neuester Zeit wurde Benjamins Sprachphilosophie als indirekt dem Poststrukturalismus vorgreifend bezeichnet. In den USA wurde Benjamin der akademischen Öffentlichkeit Anfang 1969 durch den von Hannah Arendt herausgegebenen, bearbeiteten und mit einem Vorwort versehenen Sammelband unter dem Titel "Illuminations. Walter Benjamin: Essays and Reflections", bekannt.


Internetquellen

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Berger, Peter

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Biographie in Daten

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Berger Peter Ludwig

  • geboren am 17. März 1929 in Wien


  • seit 1946 lebt er in den USA, wo er Soziologie und Philosophie studierte (Wagner-College und New School for Social Research in New York).
  • 1949: er graduiert am Wagner College zum Bachelor of Art, anschließend studierte er an der New School for Social Research in New York
  • 1950: Abschluss des Studiums mit M.A. und 1952 mit Ph.D. (für Soziologie)
  • 1955 - 1956: Arbeit an der Evangelischen Akademie Bad Boll
  • 1956 - 1958: Lehre und Forschung als Assistenzprofessor an der University of North Carolina
  • 1958 - 1963: Arbeit am Hartford Theological Seminary, darauf Professuren an der New School for Social Research in New York, der Rutgers University (New Brunswick, NJ) und dem Boston College, außerdem Associate Professor für Sozialethik am Hartford Theological Seminary.
  • 1981: Berger wird Professor für Soziologie und Theologie an der Boston University
  • seit 1985: Direktor des Institute for the Study of Economic Culture (heute: Institute on Culture, Religion and World Affairs)

'''Auszeichnungen:'''

  • 1992: Auszeichnung mit dem Manès Sperber Preis in Wien


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Bergers Betonung der Wichtigkeit der Sprache als "das wichtigste Zeichensystem der menschlichen Gesellschaft", ist Hegel's Auffassung vom Geist ähnlich.

Berger war, wie Thomas Luckmann, Schüler von Alfred Schütz, welcher deren spätere Arbeiten stark beeinflusste. Berger hat sich beispielsweise in Anlehnung an die Phänomenologie von Alfred Schütz, sehr um die Entfaltung einer gegenwartsnahen Soziologie bemüht.

Weiters beeinflusst wurde er von:

  • Max Weber hinsichtlich des subjektiv gemeinten Sinnes
  • George Herbert Mead hinsichtlich der Identitätsbildung und
  • Arnold Gehlen hinsichtlich der Institutionslehre.


Werke

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  • Invitation to Sociology: A Humanistic Perspective (dt.: Einladung zur Soziologie). 1963
  • Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie (zusammen mit Thomas Luckmann). 1966
  • Sociology - A Biographical Approach (zusammen mit seiner Frau Brigitte Berger). (dt.: Individuum & Co.). 1972
  • The Homeless Mind. Modernization and Consciousness (zusammen mit B. Berger und H.Kellner). (dt.: Das Unbehagen in der Modernität). 1973
  • Wir und die Gesellschaft. 1976
  • Sociology Reinterpreted (zusammen mit H.Kellner) (dt.: Für eine neue Soziologie). 1981
  • The War over the Family (zusammen mit B. Berger) (dt.: In Verteidigung der bürgerlichen Familie). 1983
  • Redeeming Laughter: The Comic Dimension of Human Experience. 1997

Werke zur Religionssoziologie

  • The Sacred Canopy: Elements of a Sociological Theory of Religion (dt.: Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft). 1967
  • A Rumor of Angels: Modern Society and the Rediscovery of the Supernatural (dt.: Auf den Spuren der Engel). 1970
  • Heretical Imperative: Contemporary Possibilities of Religious Affirmation. (dt.: Der Zwang zur Häresie). 1979
  • Other Side of God. 1981
  • A Far Glory: The Quest for Faith in an Age of Credibility. 1992
  • The Desecularization of the World: Resurgent Religion and World Politics. 1999
  • Sehnsucht nach Sinn. Glauben in einer Zeit der Leichtgläubigkeit. 1999
  • Peter Berger and the Study of Religion. 2001
  • Questions of Faith: A Skeptical Affirmation of Christianity. 2003

Werke zur Theorie des Kapitalismus

  • Many Globalizations: Cultural Diversity in the Contemporary World (zusammen mit Samuel P. Huntington). 1974
  • Pyramids of Sacrifice: Political Ethics and Social Change (dt.: Die Welt der Reichen, die Welt der Armen). 1974
  • The Capitalist Spirit: Toward a Religious Ethic of Wealth Creation. 1990
  • The Capitalist Revolution (dt.: Die kapitalistische Revolution). 1982
  • The Limits of Social Cohesion: Conflict and Mediation in Pluralist Societies : A Report of the Bertelsmann Foundation to the Club of Rome


Das Werk in Themen und Thesen

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Berger ist bekannt für seine Meinung, dass soziale Wirklichkeit eine Form des Bewußtseins ist. Zentral in seinem Werk ist die Beziehung zwischen Gesellschaft und Individuum. In Bergers Werk die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, welches er gemeinsam mit Luckmann verfasste, entwickeln die beiden eine soziologische Theorie von "Gesellschaft als subjektive Realität und als objektive Realität". Ihre Analyse der Gesellschaft als subjektive Realität beschreibt den Prozess, in welchem die Auffassung der Realität vom Individuum und dessen Interaktion mit den Sozialstrukturen produziert wird. Sie schreiben darüber, wie neue menschliche Konzepte oder Erfindungen ein Teil unserer Realität werden und bezeichnen diesen Vorgang dals "reification" (= übersetzt Vergegenständlichung/Verdinglichung). Die objektive Wirklichkeit konstituiert sich vor allem daraus, dass sie intersubjektiv geteilt wird. Mit dieser Akzeptanz und dem gemeinsamen Wissensvorrat kann man schließlich von einer objektiven Realität sprechen. Wirklichkeit wird definiert als die Qualität von Phänomenen, ist ungeachtet unseres Wollens vorhanden. Wissen wird definiert als die Gewissheit, dass Phänomene wirklich sind und bestimmte Eigenschaften haben. Im ersten Teil des Buches geht es um die Grundlagen des Wissens in der Alltagswelt u.a. wird die These „Die Alltagswelt ist strukturiert durch eine bestimmte Wirklichkeitsordnung“ behandelt. Der zweite Teil befasst sich mit der Gesellschaft als objektive Wirklichkeit und der dritte Teil widmet sich dem Thema Gesellschaft als subjektive Wirklichkeit. Eine der zentralen Thesen dabei ist Bedeutung der Sprache für die Konstruktion der Wirklichkeit. Sprache und Wirklichkeit decken sich. Damit existiert nur, was auch sprachlich gefasst werden kann da im umgekehrten Sinne die Sprache zur Vermittlung von Wirklichkeit verwendet wird.

Das zentrale Arbeits- und Forschungsfeld Bergers ist die Religionssoziologie. Seine Zugang zu dieser kennzeichnet sich nicht durch eine religiöse Unmusikalität,wie dies z.B. Max Weber von sich sagt, sondern Berger beschreibt seinen Zugang zur Religion durchaus auch auf sehr persönliche Weise.

Auch Bergers Beiträge zur Familiensoziologie waren äußerst fruchtbar, insbesondere deshalb, weil sie einseitige Orientierungen bei der Frage nach höheren Geburtenraten aufbrochen haben.

Bekannt wurde Berger u.a. auch durch sein gemeinsam mit Brigitte Berger (Long Island University) und Hansfried Kellner (TH Darmstadt) publiziertes Werk "Das Unbehagen in der Modernität" (engl. The Homeless Mind" Modernization and Consciousness), in welchem wissenssoziologisch bereits im Jahre 1973 die "Globalisierungsdebatte" und die Debatte um die "Wissensgesellschaft" vorweggenommen wurde. Sowohl in Bergers "Invitation to Sociology" (dt. Einladung zur Soziologie) als auch in dem 1981 gleichfalls mit Hansfried Kellner publizierten Buch "Sociology Reinterpreted; An Essay on Method and Vocation" (dt. "Für eine neue Soziologie" 1984) wird eine an Max Weber orientierte wissenssoziologische Sicht der Soziologie vorgestellt.

Im Jahr 2000 erhielt Berger den Ludwig Wittgenstein-Preis der Österreichischen Forschungsgemeinschaft.


Rezeption und Wirkung

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Viele der einflußreiche Figuren im Feld der Religionssoziolgie von heute wurden durch Bergers Wirken geformt, so auch sein Kollege Robert Hefner von der Boston University, ehemalige Kursteilnehmer Michael Plekhon und Nancy Ammerman, sowie Christopher Marsh, Direktor des J.M. Dawson Institute of Church-State Studies an der Baylor University.

Berger ist Doktor "honoris causa" der Universitäten Loyola, München, Notre Dame, Genua und des Wagner College und außerdem Ehrenmitglied vieler wissenschaftlicher Organisationen.


Literatur

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  • Berger, Peter / Luckmann, Thomas (1980):
    "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit"
    Frankfurt
  • Hillmann, Karl-Heinz (1994):
    "Wörterbuch der Soziologie"
    Stuttgart
  • Treibel, Anette (1993):
    "Einführung in die soziologische Theorie der Gegenwart"
  • Weiß, Johannes (2007):
    "Familie, Ehe und Kinder. in: Allgemeine Soziologie II. Vorlesung an der Universität Salzburg"
    Salzburg
  • Weiß, Johannes (2007):
    "Zum alten und neuen Zentralproblem: fortschreitende Säkularisierung oder „Wiederkehr der Götter“. in: Religionssoziologie. Vorlesung an der Universität Salzburg"
    Salzburg


Internetquellen

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Blau, Peter M.

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Biographie in Daten

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Peter M. Blau

Blau Peter Michael

  • Geboren am 7. Februar 1918 in Wien
  • Gestorben am 12. März 2002 an einer akuten Lungenentzündung in New York


  • 1939 Emigration in die USA
  • 1942 Bachelor-Abschluss am College in Elmshurst/Illinois
  • 1943 Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft
  • 1943-1945 Kriegseinsatz für die US-Army im Kampfgebiet in Europa, er erhielt dafür eine militärische Auszeichnung.
  • 1952 Erwerb des Doktorgrades - PhD - an der Columbia University, New York
  • 1953-1970 Lehrtätigkeit an der University of Chicago
  • 1970 Rückkehr an die Columbia University, wo er bis 1988 forschte und lehrte.
  • 1972-1973 war Peter M. Blau Präsident der American Sociological Association


Familie

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  • Die Eltern waren "weltliche" Juden.
  • Er hatte eine Schwester.
  • Seine Familie kam 1942 im KZ Auschwitz ums Leben.
  • Mit seiner ersten Frau Zena Smith Blau hatte er eine Tochter Pamela.
  • Seine zweite Frau Judith Blau ist Kultur-Soziologin und auch ihre gemeinsame Tochter Reva interessiert sich für Kunst und Literatur.

Historischer Kontext

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Als Sohn jüdischer Eltern in Wien am Ende der Österreich-Ungarischen Monarchie geboren verfolgte er mit Interesse und Sorge den Aufstieg des Faschismus.

Bereits als Student verfasste er einige Artikel für die Untergrundzeitung der Sozialistischen Partei Österreichs und wurde mit 17 Jahren inhaftiert, weil er sich gegen das repressive Regime der damaligen Regierung ausgesprochen hatte. Er kam allerdings bald darauf wieder frei.

Als Hitler 1938 in Wien einmarschierte wurde bald klar, dass die Familie in Österreich keine Zukunft haben würde. Mit Hilfe seines Lehrers Fritz Redl gelingt ihm die Flucht, über Frankreich per Schiff nach Amerika. Hier freundete er sich mit Lewis Coser an und, obgleich er in Wien ursprünglich Medizin studiert hatte, interessierte er sich nun für Soziologie.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Peter M. Blau wurde stark beeinflusst von seinem Lehrer und Mentor Robert K. Merton, von Paul Lazarsfeld, Talcott Parsons und Pitirim Sorokin. Er befasste sich intensiv mit den Arbeiten von Max Weber, Emile Durkheim und Georg Simmel. Studienkollegen an der Columbia University waren: Lewis Coser, James S. Coleman, Alvin Gouldner, Elihu Katz und Philip Selznick.


Werke

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  • 1964: Exchange and Power in Social Life
  • 1967: The American Occupational Structure
  • 1970: A Formal Theory of Differentiation in Organisations
  • 1977: Inequality and Heterogeneity: a primitive theory of social structure
  • 1984: Crosscutting Social Circles: Testing a Macrostructural Theory of Intergroup Relations, with Joseph E. Schwarz


Das Werk in Themen und Thesen

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Peter Michael Blau lieferte Erklärungen für viele soziologische Phänomene. Ein Beispiel: Die Hingabe an eine Idee, Sache, Person oder Gruppe nannte er Commitment. Das Commitment zu einer Verbindung mit anderen Akteuren ist die Hingabe zu dieser Vereinigung und somit Blau zufolge diejenige Kraft, die das Suchen nach und Erforschen von möglichen Handlungsalternativen mit besseren Gewinnaussichten außerhalb der Verbindung einschränkt. Blau liebte Gegensätzliches und war in "Dilemmas und Paradoxe" vernarrt.

Blau war außerdem der erste, der einer breiten Vielzahl von Sozialkräften Raum gab, dem sogenannten "Blau-Space". Er konzeptualisiert Struktur dabei rein quantitativ als Verteilung von sozialen Positionen, die Einfluss auf Interaktion und Rollenbeziehungen (Rollenhandeln) von Menschen haben. Sozialstruktur ist für ihn ein multidimensionaler Raum sozialer Positionen, in dem es eine Verteilung von Ressourcen wie Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen etc. gibt. Diese Sozialkräfte strukturieren die Handlungsmöglichkeiten der Akteure.

Peter M. Blau veröffentlichte


zahlreiche Studien

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  • zur Bürokratie (Blau 1955/1963, 1956/1971),
  • zur Austauschtheorie (Blau 1964),
  • zur Beschäftigungsstruktur der amerikanischen Gesellschaft (Blau und Duncan 1967),
  • sowie über die Gesetzmäßigkeiten, die den typischen strukturellen Kontexten innewohnen (Blau 1977).
  • Für das 1967 mit Otis D. Duncan veröffentlichte Buch "The American Occupational Structure" erhielt Blau den Sorokin-Forschungspreis der American Sociological Association.


Wichtigste Werke

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Exchange and Power in Social Life

Blau will die Austauschtheorie über die rein ökonomischen Grenzen hinaus erweitern, indem er versucht, eine Theorie des sozialen Austausches für soziale Beziehungen bzw. Gemeinschaften zu entwickeln und auf größere Sozialgebilde (Gesellschaften) anzuwenden. Er ergänzt das ökonomische Denken durch einen Ansatz, der die Tatsache berücksichtigt, dass sozialer Austausch zwischen Personen und Gruppen im Kontext eines komplexen Netzwerks von Makrostrukturen steht. Blau geht der Frage nach, welche Kräfte Menschen zusammen bringen oder sie auseinander treiben. Seine erste Antwort: Gegenseitige Anziehung. Menschen schließen sich zusammen, weil sie aus dieser Verbindung eine Belohnung erwarten und so ihren Gewinn erhöhen. Die Verbindung zwischen Menschen lässt sich, so Blau, als Austausch von Belohnungen betrachten.

Blau sagt hier in Übereinstimmung zur Theorie von George C. Homans (1961): "Sozialer Austausch, so wie der Begriff hier verwendet wird, bezieht sich auf freiwillige Handlungen von Individuen, die durch Gegenleistungen motiviert sind, die sie erwartungsgemäß einbringen sollen und typischerweise auch einbringen." [1]

Blau erklärt weiters, dass sozialer Austausch einen natürlichen Trend zur Gegenseitigkeit besitzt, der nur sekundär durch eine Norm der Reziprozität verstärkt wird. An diesem Punkt steht Blau im Widerspruch zu Alvin Gouldner. Für Blau und andere Tauschtheoretiker, wie etwa den Klassiker der Soziologie Georg Simmel, ist die Gegenseitigkeit der Interaktion dasjenige Element, welches dem sozialen Leben Struktur, Ordnung und Vorhersehbarkeit gibt. Reziprozität ist die eigentliche Grundlage von Interaktionen. Reziprozität lässt sich so gut wie überall beobachten:

"Tauschvorgänge auf Gegenseitigkeit gibt es nicht nur in Marktbeziehungen sondern auch in der Freundschaft und in Liebesbeziehungen [...] und in allen möglichen anderen Kontakten zwischen diesen Extremen. Nachbarn tauschen kleine Hilfen, kleine Freundlichkeiten, Spielzeuge aus und hüten gegenseitig ihre Kinder; Kollegen helfen sich; Bekannte schenken sich Höflichkeit und Aufmerksamkeit; Politiker handeln mit Zugeständnissen, Diskutanten mit Ideen, Hausfrauen mit Rezepten." [2]

Blau unterscheidet ausdrücklich zwischen dem sozialen Austausch, der viel weniger genau festgelegt ist, und dem streng ökonomischen Austausch. Er verweist auf Bronislav Malinowskis Analyse des Schenkens bei den Kula Pazifik-Inselbewohnern, bei denen das Schenken normativ geregelte Formen des Austausches sind und somit institutionalisiert ist. Auch nimmt er Bezug zu dem von Marcel Mauss erwähnten Beispiel von den Kwakiutl und anderen Indianerstämmen, die zeigen, dass man durch Schenken soviel Dominanz aufbauen kann, die der Gegenseite keine andere Wahl lässt als die Überlegenheit der schenkenden Seite anzuerkennen und sich ihrer Macht unterzuordnen.

Eine weitere Kraft, die sich in Austauschverhältnissen bemerkbar macht, ist die Macht. Während sich Max Weber in seinen Ausführungen über Macht und Herrschaft auf soziales Handeln bezieht, so betont Peter M. Blau die Entstehung von Macht durch sozialen Beziehungen, Verbindungen und Organisationen. Ungleichgewichte in Verpflichtungen, die in sozialen Interaktionen eingegangen werden, produzieren Unterschiede an Macht. Wiederholte Vergünstigungen, die nicht erwidert werden, verpflichten den Empfänger, sich den Anforderungen des Versorgers zu beugen und verleihen damit dem letzteren die Macht. Menschen, sagt Blau, neigen dazu, sich in ihren Beziehungen zueinander von ihrem Wunsch nach sozialen Belohnungen verschiedenster Art leiten zu lassen und der daraus resultierende Austausch von Begünstigungen formt die Struktur sozialer Beziehungen. Für Menschen, die über ihr eigenes Schicksal entscheiden wollen, ist es frustrierend, einer überlegenen Macht unterworfen zu sein. Sie werden versuchen, sich dieser Macht zu widersetzen oder ihr zu entgehen.

Welche Faktoren stabilisieren die etablierte Macht? Hier greift Blau auf Max Weber (1922/1976: 122-124) zurück, der argumentierte, dass nur diejenige Macht eine stabile Grundlage haben kann, die in legitimer Autorität wurzelt. In Übereinstimmung mit Parsons (1937/1968) sieht Blau letztlich die Quelle für die legitime Autorität in ihrer Verankerung in den gemeinsamen Normen und Werten einer Gesellschaft. Macht, die in legitimer Autorität wurzelt oder in eine solche verwandelt werden kann, erfährt die Zustimmung der ihr unterworfenen Menschen.

In seiner Untersuchung des indirekten Austauschs spricht Blau über die eingeschränkte Gültigkeit der Profitproposition für die Analyse des sozialen Austauschs, die komplexere Makrostrukturen beinhaltet. Er beginnt mit einer Analyse des "Gefangenendilemmas". Zwei Verdächtige, die nicht miteinander kommunizieren können, erfahren, dass sie die Wahl haben, ein Geständnis abzulegen oder nicht. Sollte einer gestehen, der andere aber nicht, so wird der erste auf freien Fuß gesetzt und der andere wird zu zehn Jahren Haft verurteilt. Wenn beide gestehen werden beide zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Sollten sich beide weigern, ein Geständnis abzulegen, werden beide wegen Mangel an Beweisen nur für ein Jahr eingesperrt. Im letzteren Fall erhalten sie die einjährige Haftstrafe für das geringere Vergehen, dessen sie überführt wurden. Die rationalste individuelle Wahl eines jeden Verdächtigen ist, ein Geständnis abzulegen, weil jeder das Geständnis des anderen und somit eine zehnjährige Haftstrafe befürchten muss. Was sie in diesem Fall bekommen, wären acht Jahre, also das zweitschlimmste Ergebnis. Könnten sie miteinander kommunizieren, so könnten sie sich absprechen, nicht gestehen und ein erheblich besseres Resultat erzielen als wenn sie getrennt voneinander entscheiden müssen. Blau nimmt das Beispiel der wenig einträglichen Folgen einer isolierten rationalen Wahl, um auf die Notwendigkeit hinzuweisen, Verhalten durch gemeinsame Normen und Werte in komplexen, interdependenten Kontexten zu steuern, wo eine direkte Steuerung nicht funktioniert. Hier ersetzt der indirekte den direkten Austausch. Das Handeln einer Person wird nicht länger nur von Belohnungen bestimmt, die sie aufgrund einer bestimmten Handlungswahl in Bezug auf eine andere Person und nur in Bezug auf diese erwartet. Eine breitere Gemeinschaft tritt auf den Plan und wird zur wichtigsten Quelle für Belohnungen. Diese Gemeinschaft gibt ihre Zustimmung zu einem Verhalten, das ihren üblichen Normen entspricht und missbilligt ein Verhalten, das nicht konform ist.


Inequality and Heterogeneity: a primitive theory of social structures

Die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Status ist eines der interessantesten Charakteristika ihrer Sozialstruktur. Blau hebt besonders zwei Merkmale hervor: Einmal die Heterogenität einer Bevölkerung (ihre Zusammensetzung zB. nach Altersschichtung, Religion und Ethnozität), zum anderen den Grad ihrer Ungleichheit (Ausmaß der Unterschiede hinsichtlich Wohlstand, Einkommen oder Macht). In einer Gesellschaft mit hoher Heterogenität würde man beispielsweise in etwa gleich viele Individuen aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen erwarten. In einer Gesellschaft mit hoher Ungleichheit würde man eine große Anzahl Arme und wenige außerordentlich Reiche finden. Blau ist der Ansicht, dass ein hoher Grad von Heterogenität die Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen begünstigt, beispielsweise Heiratsbeziehungen.
Am Beispiel der Situation einer Frau, die in Japan lebt, wird gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Nicht-Japaner heiratet, äußerst gering ist. Wenn diese Frau nun nach Berlin umzöge, würde sich das wahrscheinlich ändern. Allein die Heterogenität macht es wahrscheinlicher, dass sie eine Beziehung mit einem Nicht-Japaner eingeht.
Auch der Grad sozialer Ungleichheit einer Bevölkerung hat Folgen für die Sozialbeziehungen, hier zwischen Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten. Beispiel: Eine Schülerin in einem privaten Gymnasium. In dieser Umgebung gibt es keine Möglichkeit, Männer aus anderen sozialen Schichten kennen zu lernen. Falls diese Schülerin nach dem Abitur an eine Massenuniversität geht, wird die Wahrscheinlichkeit steigen, dass sie auch Männer aus anderen sozialen Verhältnissen kennen und lieben lernt.

Makrostrukturelle Muster einer Gesellschaft beeinflussen also die Interaktionen und Sozialbeziehungen von Menschen auch unabhängig von psychologischen Motivationen. Blau behauptet, dass genau in dem Maße, in dem Menschen aus strukturellen Gründen in Kontakt zu anderen sozialen Gruppen treten (so zu unterschiedlichen Ethnien oder Einkommensgruppen), Zwischengruppenbeziehungen gefördert werden. Er schließt daraus, dass soziale Kooperationsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (in Bildungseinrichtungen, im Beruf, bei Dienstleistungen) große und komplexe Bevölkerungen besser integrieren helfen.

Rezeption und Wirkung

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Peter Michael Blau gehört zu den herausragenden Vertretern der Soziologie an der Columbia University, New York. Während seiner gesamten akademischen Laufbahn befasste er sich mit der Untersuchung der institutionellen Struktur des sozialen Lebens.
Structural Sociology: Strukturen wirken auf das Handeln. Verteilungen und Restriktionen strukturieren die Handlungsmöglichkeiten der Akteure. Soziale Strukturen sind ein Raum von Positionen, es gibt eine Verteilung von Ressourcen, Raum, Geschlecht, Alter etc. und diese strukturieren die Handlungsmöglichkeiten. Blaus Ansatz wurde im deutschen Sprachraum wenig rezipiert. Erst neuere Theoriediskurse über soziale Ungleichheit schenkten dem Ansatz von Blau wieder mehr Beachtung. Peter M. Blau wendet sich einerseits gänzlich gegen den psychologischen Reduktionismus eines George C. Homans, befindet sich aber andererseits in einer unerbittlichen Frontstellung gegenüber dem "Kulturalismus" eines Talcott Parsons. Erwartungen und Wertorientierungen von Akteuren, subjektive Präferenzen und Strategien von Akteuren werden letztendlich gänzlich ausgeblendet. Man kann hier von Strukturdeterminismus sprechen.

Blau griff die Ansichten von Weber, Merton u.a. in einem hochgradigen Forschungsprogramm von Methoden auf, die von der ethnographischen Beobachtung bis zu vergleichbarer statistischer Analyse reicht.

Blau gehörte zu den den Gründern der Austauschtheorie und beeinflusste den Aufstieg der Rational Choice Theorie. Er wollte, ähnlich wie Max Weber, die Machtverteilung in einer Gesellschaft verstehen. Peter Michael Blau stellt in seinem Buch Exchange and Power in Social Life keine eigene Theorie auf, aber es gelingt ihm, die zunächst mikrosoziologisch entwickelte Theorie der Austauschprozesse auf makrosoziologische Probleme zu übertragen. Auch wenn Blau selber diesen Ansatz als unzureichend für die Erklärung makrosoziologischer Probleme verworfen hat, wurde die Übertragung doch später von Richard M Emerson, Karen S. Cook und Toshio Yamagishi weitergeführt.

Blau arbeitete weit über seinen formalen Ruhestand hinaus durch Vortragstätigkeit. Er war ein dynamischer und anspornender Lehrer mit einem aktiven Interesse an der Welt. Er hat lebenslang seinen starken Wiener Akzent beibehalten und galt als sehr umgänglich und charmant.


Literatur

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  • Ernst, Wiebke in Kaesler, Dirk/Vogt, Ludgera [Hrsg] (2007):
  • "Hauptwerke der Soziologie"
    S. 44-47.
  • Gabriel, Manfred (2006):
  • "Stand der Forschung. Vorlesung Hauptgebiete der Soziologie an der Universität Salzburg"
    Salzburg
  • Joas, Hans [Hrsg] (2001):
  • "Lehrbuch der Soziologie"
    Frankfurt, S. 103, 115.
  • Münch, Richard (2002):
"Soziologische Theorie. Band 2, Handlungstheorie."
  • Frankfurt, S. 63-88.


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Blau, Peter (1964): S. 91
  2. Blau, Peter (1964): S. 88

Blumer, Herbert

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Biographie in Daten

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Blumer Herbert

  • geboren am 7. März 1900 in St. Louis, Missouri
  • gestorben am 13. April 1987, der Leichnam wurde nie gefunden
  • Seine Kindheit verbrachte Herbert Blumer in St. Louis, Missouri.
  • Er macht seinen A.B und A.M an der University of Missouri und arbeitete dort als Dozent.
  • 1928 : Doktorat an der University of Chicago. Dort war er auch Schüler von George H. Mead.
  • 1925-52: Lehrauftrag an der University of Chicago. Während dieser Zeit schlug er außerdem seine Laufbahn als Profi-Footballspieler ein.
  • 1930-35: Schatzmeister der  American Sociological Association. Blumer hatte zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Gastprofessuren an Universitäten z.B: 1936 an der University of Michigan und 1939 and der University of Hawaii.
  • Ab 1934: Herausgeber der "Prentice-Hall sociology series".
  • Während des zweiten Weltkrieges diente Blumer als Verbindungsoffizier des Informationsdienst und des "Bureau of Economic Warfare". Zusätzlich übernahm er den Vorsitz des öffentlichen Ausschußes des "War Labor Board".
  • In den späten 30er Jahren übernahm Blumer Meads Kurse, da dieser wegen einer Krankheit nicht mehr unterrichten konnte.
  • Ab 1952 unterrichtete Blumer an der University of California, wo er auch das soziologische Institut leitete.
  • 1956 wurde Blumer, nach zahlreichen anderen Positionen, zum Präsidenten der American Sociological Association gewählt.
  • 1983 wurde er durch den Award for a Career of Distinguished Scholarship geehrt.

Blumer war Zeit seines Lebens sozial engagiert und versuchte soziale Probleme durch sein soziologisches Wissen zu lösen.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Anhänger der American Sociological Association, wie Robert E. Park, Louis Wirth, Florian Znaniecki, und andere amerikanische Soziologen, darunter auch John Dewey, William James, W.I. Thomas, Charles H. Cooley, beeinflussten Blumer in seinen Werken.

Herbert Blumer wurde bekannt durch sein Bestreben, den symbolischen Interaktionismus als eigenständiges soziologisches Paradigma zu etablieren. George H. Meads Gedanken zur Identitätsbildung und Interaktion bilden den Grundstock des symbolischen Interaktionismus.


Werke

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  • Movies and Conduct - 1933
  • An Appraisal of Thomas Znaniecki's: The Polish Peasant - 1939
  • Symbolic Interactionism: Perspective and Method - 1969


Das Werk in Themen und Thesen

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Blumer’s Werk „Symbolic Interactionism. Perspective and Methode” (1969) gilt als das Manifest des Symbolischen Interaktionismus und besteht aus 12 Aufsätzen, die in den 30er, 40er, 50er, und 60er Jahren entstanden sind. Der Begriff „Symbolischer Interaktionismus“ wurde 1937 von Blumer in einem Aufsatz eingeführt. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erlangte dieser große Anerkennung, da der naturalistische Ansatz, welcher den Individuen Kreativität und einen eigenen freien Willen zuspricht, gut zur Stimmungslage der Flower-Power Generation passte. Aufbauend auf der Theorietradition von George Herbert Mead bildete Blumer eine Kritikplattform gegenüber der traditionellen Sozialpsychologie. Der Symbolische Interaktionismus stellte nunmehr ein konkurrierendes Paradigma zum funktionalistischen Mainstream dar.

  • Im ersten und zweiten Aufsatz fasst Blumer die Gedanken von Georg H. Mead in drei Prämissen zusammen:

1. Handlungen von Menschen beziehen sich immer auf die Bedeutung, die Objekte (vom Ball bis zu Mitmenschen) für sie haben. 2. Diese Bedeutung entwickelt sich aus sozialer Interaktion. 3. In interpretativen Prozessen werden diese Bedeutungen von Akteuren definiert.

Dieser Prozess der Interpretation und Definition führt dazu, dass Menschen ihre Handlungen an fortlaufende Handlungen anpassen.

  • Der dritte Aufsatz beschreibt die Gesellschaft als symbolische Interaktion. Soziale Ordnung stellt nur den Rahmen dar, in dem Akteure ihre Handlungen kreieren.
  • Die Aufsätze Vier bis Zwölf beschäftigen sich mit detaillierteren Fragen. So behandelt Blumer im sechsten Aufsatz die Studie „The Polish Peasant in Europe and America“ von Znaniecki, Florian und Thomas, William I .

Blumer diskutiert darüber hinaus die methodologische Probleme der Soziologie und grenzt sich klar von der traditionellen wissenschaftliche Methoden ab. Im Gegensatz zu der objektivistischen Vorgangsweise, plädierte Blumer für eine Methode, die auf strukturierte Fragebögen und statistische Datenanalysen verzichtet. Der Symbolische Interaktionismus geht nämlich von einer weiteren Ebene zwischen Subjekt und Objekt aus. Diese Ebene besteht aus dem subjektivem Prozess der Interpretation. Die Bedeutung, die Akteure Objekten zuteilen, wird durch andere Akteure bestätigt oder widerlegt. Also kann ein Akteur nicht alleine entscheiden, welche Bedeutung ein Objekt hat. Die Bedeutungszuteilung ist im ablehnenden, wie im zustimmenden Fall, ein Resultat der Interaktion. So werden die Bedeutungen von Handlungen durch den Verlauf der Interaktion bestimmt. Der Prozess der Symboldeutung ist eine dauernde wechselseitige Anpassung der Interpretationen der Akteure. Sobald Akteure Objekten Bedeutungen zuweisen, werden ihre Handlungen von deren Bedeutungen bestimmt.

Blumer entwickelt weiters ein Bewusstsein dafür, dass sich die Situativität des Handeln in der Moderne verändert hat und verweist auf die daraus resultierenden Probleme für die empirische Sozialforschung. Als einer der Ersten betritt er das neue empirische Feld, der "Massenkommunikation". Blumer beschreibt, wie die Strukturen sozialer Organisation loser werden und mit ihnen die Routinisierung abnimmt. Das soziale Handeln wird vernetzter und komplexer, dadurch verliert die Handlungssituation an Stabilität. Nach Blumers Auffassung reproduzieren sich die sozialen Organisationen einer Gesellschaft durch soziales Handeln. Es wird immer wichtiger, die Realität des sozialen Handelns immer wieder neu zu konstruieren, als sich an Normen und Regeln zu halten. Dadurch nimmt die Reziprozität des sozialen Handelns, die Gewissheit, dass die Interaktionspartner sich an gemeinsame Regeln halten, ab. Die Aufgabe der Rollenübernahme wird immer anspruchsvoller, da die kooperationssichernde Antwort, die dem generalisierten Anderen gegeben wird, mit dessen Komplexität (der, der sozialen Organisation einer Gesellschaft) riskierter und selektiver werden muss.

Das Phänomen der Massenkommunikation ist ein wichtiger Teil der Forschung im Symbolischen Interaktionismus. Blumer führte zwei Studien über die Wirkung von Kinofilmen durch. „Movies and Conduct“, “Movies, Delinquency and Crime”. Die Massenkommunikation bekam relativ viel Beachtung, da hier die interpretativen Prozesse der Rollenübernahme des generalisierten Anderen deutlich sichtbar und erkennbar werden.


Rezeption und Wirkung

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Blumer gilt als Begründer der Schule des Symbolischen Interaktionismus.


Literatur

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  • Kaesler, Dirk/Vogt, Ludgera [Hrsg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Münch, Richard (2003):
    "Soziolgische Theorie, Band 2: Handlungstheorie"
    Frankfurt/ New York
  • Oesterdiekhoff, Georg [Hrsg.] (2001)
    "Lexikon der soziologischen Werke, 1. Auflage"

Bolte, Karl Martin

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Biographie in Daten

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Bolte Karl Martin

  • geboren am 29. November 1925 in Wernigerode/Harz
  • 1946 Abitur am Gymnasium in Wernigerode
  • 1947-1950 Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität Kiel
  • 1950 Diplomvolkswirt an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel
  • 1952 Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Kiel (Doktorarbeit "Bevölkerungsentwicklung und Leistungspotential")
  • 1957 Habilitation für Soziologie an der Universität Kiel


Funktionen und Ämter

  • 1950-1957 Assistent bei Gerhard Mackenroth
  • seit 1952 Dozententätigkeit im Bereich sozialwissenschaftlich ausgerichteter Erwachsenenbildung
  • 1957-1961 Universitätsdozent an der Universität Kiel
  • 1961-1964 Professor für Soziologie an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg
  • 1962-1964 Leiter der Hochschule für Wirtschaft und Politik und Honorarprofessor an der Universität Hamburg
  • 1964-1992 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Vorstand des Instituts für Soziologie


Historischer Kontext

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Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es so etwas wie eine "Neugeburt" der Soziologie. An ihr waren namhafte Personen wie Helmut Schelsky, René König, Helmut Plessner oder Max Horkheimer und auch Karl Martin Bolte beteiligt. Sie alle haben sich für die Etablierung der Soziologie als Universitätsfach in Deutschland eingesetzt. Gegen Ende der 50er bis Anfang der 60er Jahre erfuhr die Soziologie schließlich einen starken Aufschwung, was unter anderem auch daran lag, dass es ein Bestreben gab, Sozialkunde bzw. Staatsbürgerkunde als Schulfach einzuführen. Dabei sollten die Soziologen, gemeinsam mit Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern die Schullehrer für dieses Fach ausbilden.

In den 70er Jahren erreichte die Soziologie dann einen weiteren Höhepunkt, sie galt regelrecht als "Mode-Studienreichtung" der damaligen Zeit, stand aber auch oft im Fadenkreuz der Kritik, da ihr vorgeworfen wurde, sie sei eine "linke Studienrichtung". Karl Martin Bolte selbst wirkte zu dieser Zeit als Berater der Bundesregierung und war somit einer der ersten Sozialwissenschafter, die ihre Theorien und Erkenntnisse auf direktem Wege in die Politik einfließen lassen konnten.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Karl Martin Bolte gilt als einer der wichtigsten Schichtungssoziologen. Zu ihnen zählen beispielsweise auch Theodor Geiger und Ralf Dahrendorf Geiger ist der Begründer des modernen "Schicht"-Begriffes. Er teilte die Gesellschaft in eine unbestimmte Zahl von sozialen Schichten, welche nach Merkmalen wie Beruf, Bildung, Erziehung, Lebensstandard, Macht, Art der Kleidung, Religion, Rasse, politischer Meinung und Organisation definiert werden. Eng damit verbunden ist auch der Begriff der sozialen Mobilität, also der Bewegung der Einzelpersonen zwischen den Schichten bzw. Klassen. Dahrendorf baute ebenso wie Bolte auf diesen Erkenntnissen auf und entwickelte auch ein Schichtungsmodell für Deutschland, ähnlich wie die Bolte-Zwiebel, welches bekannt als "Dahrendorfhäuschen" lange Zeit als Denkmodell für die Schichtungslehre diente.


Werke und Herausgeberschaften

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  • (Hrsg. zusammen mit Friedhelm Neidhardt) Soziologie als Beruf. Erinnerungen westdeutscher Hochschulprofessoren der Nachkriegsgeneration, Baden-Baden: Nomos, 1998.
  • Führung und Zusammenarbeit im Betrieb (zusammen mit Jürgen Rink und Manfred Timmermann), Düsseldorf: Stahleisen, 1995.
  • Wertewandel - Lebensführung - Arbeitswelt, München: Oldenbourgh, 1993.
  • Soziale Ungleichheit in der Bundesrepublik Deutschland (zusammen mit Stefan Hradil), Opladen: Leske und Budrich, 1988.
  • Bevölkerung. Statistik, Theorie, Geschichte und Politik des Bevölkerungsprozesses (zusammen mit Dieter Kappe und Joseph Schmid), Opladen: Leske und Budrich, 1980.
  • Leistung und Leistungsprinzip, Opladen: Leske + Budrich, 1979.
  • Soziale Ungleichheit (zusammen mit Dieter Kappe und Friedhelm Neidhardt), Opladen: Leske und Budrich, 1975.
  • Arbeitnehmer in der Industriegesellschaft. Berufssoziologische Aspekte (zusammen mit Michael Brater und Sabine Kudera), Stuttgart u.a.: Kohlhammer, 1974.
  • Bundesrepublik wohin?, Bad Harzburg: Verl. WWT, 1974.
  • Der Einfluß ergänzenden Nahunterrichts auf den Lernerfolg im Rahmen von Fernlehrgängen (zusammen mit Gisela Böhme und Klaus-Günter Schwier), Hannover: Schroedel, 1974.
  • Der achte Sinn. Gesellschaftsprobleme der Gegenwart; Soziologie, Wandel, Freiheit, Jugendunruhe, Mitbestimmung, Bad Harzburg: LinkVerlag für Wissenschaft, Wirtschaft u. Technik, 1971.
  • Die gesellschaftliche Situation der Gegenwart. Ausgewählte Eigenarten der heutigen Gesellschaftsstruktur und die Stellung des Menschen in der Gesellschaft (zusammen mit Karin Aschenbrenner), Opladen: Leske und Budrich, 1970.
  • Beruf und Gesellschaft in Deutschland. Berufsstruktur und Berufsproblem, Opladen: Leske und Budrich, 1970.
  • Deutsche Gesellschaft im Wandel, Opladen: Leske 1966.
  • Sozialer Aufstieg und Abstieg. Eine Untersuchung über Berufsprestige und Berufsmobilität, Stuttgart: Enke: 1959.


Das Werk in Themen und Thesen

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Karl Martin Bolte hat sich hauptsächlich mit der Sozialstruktur der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt und diese auch im historischen und internationalen Vergleich beleuchtet. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit waren Arbeits- und Industriesoziologie, Bevölkerungssoziologie und vor allem auch die Soziologie sozialer Ungleichheiten. Von daher stammt auch seine berühmteste These, nämlich das Bild der Zwiebel als Darstellungsform der Gesellschaft (bekannt als "Bolte-Zwiebel"). Bolte entwarf diese, um die Verteilung der verschiedenen Schichten in Deutschland darzustellen, welche seiner Meinung nach dadurch entstehen, dass die Gesellschaft nach folgenden drei Kriterien eingeteilt wird:

  • Höhe des Einkommens
  • Berufsprestige
  • Bildung

Dabei müssen aber nicht zwingend immer alle drei Kriterien erfüllt werden. Die Zwiebelform entsteht deshalb, weil es eine sehr breite Mittelschicht gibt (natürlich mit gewissen Abstufungen) und eine kleine Ober- und Unterschicht. Bolte entwickelte das Modell zwar damals in den 60er Jahren für die Bundesrepublik Deutschland der damaligen Zeit, aber in einem Ende 1998 geführten Interview bestätigte er, dass er in der aktuellen Situation in Deutschland keinesfalls eine Veränderung dieser Verteilung sehe, da sich über 70% der Menschen in einer breiten Masse befänden. Diese Schätzung gleicht seinen Ergebnissen der 60er Jahre. Bolte kam zu folgenden Prozentwerten für die damalige Zeit:

  • Oberschicht 2%
  • obere Mittelschicht 5%
  • mittlere Mittelschicht 14%
  • untere Mittelschicht 29%
  • unterste Mittelschicht bzw. oberste Unterschicht 29%
  • Unterschicht 17%
  • sozial Verachtete 4%

Rezeption und Wirkung

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Karl Martin Bolte ist für die gegenwärtige Soziologie immer noch von großer Bedeutung und wird es auch in Zukunft noch sein, gerade wenn es um aktuelle Themen wie die Bevölkerungsentwicklung geht (Ausländeranteil in der Gesellschaft, Pluralisierung der Lebensformen, Geburtenrückgang, "Vergreisung" der Gesellschaft, usw.).


Internetquellen

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Boudon, Raymond

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Biographie in Daten

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Boudon, Raymond

  • geboren am 27. Jänner 1934 in Paris


Familie:
Eltern: keine Daten vorhanden
Familie: 1961 heiratete er die aus Bayern stammende Rosemarie Riessner.


Karriere:
Boudon hat die Oberstufe in den besten Gymnasien, Condorcet und Louis le Grand besucht. Später geht er auf eine lehrerbildende Hochanstalt, die er 1958 mit der Berechtigung Philosophie zu unterrichten abschließt.

  • 1985-1960 Mitarbeit bei der CERPA (Dienst psychologischer Forschungsarbeiten der französischen Armee).
  • 1961-1962 ist er mit einem Stipendium der Ford-Gründung an Université de Columbia in New York.
  • 1962 tritt er dem CNRS (nationales Zentrum der wissenschaftlichen Forschung) bei. Von dem er 1963 als Dozent in Bordeaux eingesetzt wird.
  • 1964-1965 hält er sich in Harvard auf.
  • 1967 wird er an der Sorbonne zum Professor ernannt.

Raymond Boudon lehrte an zahlreichen ausländischen Universitäten, insbesondere in: Genf (1971-1995), Chicago, Columbia, Florenz, Harvard, Quebec, Lissabon, Mailand, Montreal, Moskau, Oxford, Sankt Petersburgin, Santiago, Sao Pauloach, Stockholm, Hongkong.


Historischer Kontext

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Boudon leistete während des Algerienkrieges (1954-1962) seinen Wehrdienst und bekam daduch die Möglichkeit sich von 1958-1960 an der Arbeit der CERPA (Dienst psychologischer Forschungsarbeiten der französischen Armee)zu beteiligen. Ein anderes, prägendes Ereignis im Bezug auf den Krieg, bekam er von seiner Frau vermittelt, deren Familie 1945, als sie selbst noch ein Kind war, sich weigerte den eigenen Grund und Boden zu verlassen, um diesen der sowjetischen roten Armee Rußlands zu überlassen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Boudons handlungstheoretisches Konzept basiert auf den Vorarbeiten älterer Klassiker wie Pareto, Durkheim und Marx, aber auch auf neueren Beiträgen, wie etwa jene von Parsons, Merton, Lazarsfeld und Homans. Boudons betrachtet sowohl dynamische als auch statische Aspekte. Seine Unterscheidung in "soziologisch orientiert" und "ökologisch orientiert" kann parallel zu Max Webers Unterscheidung zwischen "wertrational" und "zweckrational" gesehen werden.


Werke

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  • La Logique du Social, 1978, Librairie Hachette, Paris
  • L'Inégalité des chances, Paris, Armand Colin, 1973 (publication poche : Hachette, Pluriel, 1985).
  • Effets pervers et ordre social, Paris, PUF, 1977 (en poche : Quadrige, 1993).
  • La Logique du social, Paris, Hachette, 1979 (en poche : Hachette, Pluriel, 1983).
  • Dictionnaire critique de la sociologie, (avec F. Bourricaud), Paris, PUF, 1982.
  • La Place du désordre. Critique des théories du changement social, Paris, PUF, 1984 (en poche : Quadrige, 1991).
  • L'Idéologie, ou l'origine des idées reçues. Paris, Fayard, 1986 (en poche : Seuil/Points, 1992).
  • L'Art de se persuader, des idées douteuses, fragiles ou fausses, Paris, Fayard, 1990 (en poche : Seuil/Points).
  • Le Juste et le Vrai : études sur l'objectivité des valeurs et de la connaissance, Paris, Fayard, 1995.
  • Le Sens des valeurs, PUF, 1999.
  • L'Explication des normes sociales, coéd. avec P. Demeulenaere et R. Viale, Paris, PUF, 2001.
  • (avec Robert Leroux), "Y a-t-il encore une sociologie", Paris, Odile Jacob, 2003.
  • Tocqueville aujourd'hui, Odile Jacob, 2005
  • Pourquoi les intellectuels n'aiment pas le libéralisme, Odile Jacob, 2004. 252 pages. ISBN 273811398 (Ouvrage tiré d'une conférence donnée en 2003 à l'invitation du parti libéral suisse).
  • Renouveler la démocratie. Éloge du sens commun, Odile Jacob, 2006


Das Werk in Themen und Thesen

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Die Logik des gesellschaftlichen Handelns

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Boudon geht bei seinem Konzept von Paretos Idee aus, dass nicht-logisch orientierte Handlungen von einer soziologisch orientierten Wissenschaft untersucht werden, logische orientierte Handlungen dagegen von ökonomisch orientierter Wissenschaft. Analog dazu ist, so Boudon, auch Webers Unterscheidung in Zweckrationalität und Wertrationalität zu sehen. Um jedoch diesen Dualismus zwischen logisch und nicht-logisch zu überwinden stellt Boudon folgende drei Thesen auf:

  1. Jene Phänomene, die Soziologen interessieren, lassen sich durch den Aufbau des Interaktionssystems erklären, in dem sie stattfinden.
  2. Erst wenn die Verhaltensweisen eines Individuums als zweckrational verstanden werden, lässt sich ein Kausalzusammenhang zwischen den Eigenschaften des Interaktionssystems und dem Verhalten des Individuums erklären.
  3. Um individuelle Handlungen zu erklären, muss die Soziologie komplexe Analyseschemata anwenden, die über eine einfache Unterscheidung in Kosten und Nutzen hinausgehen.

Die erste These greift zurück auf den methodologischen Individualismus, hinter dem das Postulat steckt, dass Erklärungen in der Soziologie nur durch Rückgriff auf die jeweiligen Akteure und deren Interaktionssystem gefunden werden können. Boudon unterscheidet bei der Betrachtung des Interaktionssystems aber auch zwischen Interaktionen funktionaler und Interaktionen interdependenter Art. Bei der funktionalen Art ist es notwenig, dass die Person eine Rolle innehat, die ein Charakteristikum für ein Bündel an Normen darstellt. Ein Beispiel dafür ist eine Frau, die die Rolle der Familienmutter hat und ihre Handlungen in Beziehung zu dieser Rolle setzt. Wenn Handlungen aber nicht direkt mit einer Rolle im Zusammenhang stehen, beizeichnet Boudon diese Interaktionen als interdependent.

Die zweite These befasst sich damit, dass Individuen zielorientiert handeln. Diese Zielorientierung wird durch ein Abwägen von Kosten und Nutzen gefunden. Das Interessante ist aber, dass es in einem Interdependenzsystem auch immer nicht-intendierte Folgen gibt, die von absichtlichen Handlungen herrühren. Diese Folgen, die Boudon auch als „Emergenzeffekte“ bezeichnet werden, wirken sich auf die Makroebene aus. Ein gutes Beispiel hierfür ist, wenn viele Leute bei ihrer Bank, die in Insolvenzverdacht steht, ihr gesamtes Guthaben abheben und somit als Summe ihrer Handlungen eine nicht-intendierte Insolvenz auslösen. Diese Effekte müssen sich aber nicht wie im obigen Beispiel immer negativ auswirken, sie können genauso auch positiv oder neutral sein. Weiters müssen die Effekte auch nicht immer sofort auftreten, sondern können auch verzögert sein.

Durch die nicht-intendierten Folgen absichtlichen Handelns wird auch Boudons dritte These unterstützt, die besagt, dass komplexe Sachverhalte nicht nur nach ihren zweckrationalen Entscheidungen analysiert werden können. Boudons handlungstheoretisches Konzept beschränkt sich aber nicht nur auf statische Prozesse. Vielmehr wird beschrieben, dass sozialer Wandel sich durch das Ergebnis aus individuellen Handlungen zu allgemeinen Strukturen konkretisiert. All die dynamischen Variablen sind Teil der globalen Kategorie Umwelt. Für Boudon sind das vor allem institutionelle Gegebenheiten historischer als auch ökonomischer Art, die gleichzeitig den Rahmen für das Interdependenzsystem bzw. Interaktionssystem der Akteure darstellen. Nach diesem Konzept handeln Individuen also auf Grund bestimmter Bedingungen, die in ihrer Umwelt herrschen.

Ein Kritikpunkt an Boudons Position ist, dass er von einer "untersozialisierten" Akteurskonzeption ausgeht. Weiter beleuchtet er den Stellenwert von individuellen Netzwerken nicht systematisch genug. Auch wird ihm zu Lasten gelegt, dass sowohl die individuelle Motivation als auch die historische Prägung der Individuen unberücksichtigt lässt.

Rezeption und Wirkung

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Gemeinsam mit Pierre Bourdieu, Edgar Morin und Alain Touraine gehört Boudon zu den wenigen zeitgenößischen französischen Soziologen, die internationale Anerkennung genießen; und dies obwohl seine Vorstellung einer liberalen Welt im Kontrast zu diversen sozialistischen Visionen in Frankreich standen und mitunter immer noch stehen. Damit hat Boudon eine besondere Stellung in der französischen Soziologie. Obwohl er darüber hinaus, als ein herausragender Vertreter des methodologischen Individualismus, international bekannt geworden ist, wurde seit Ideologie. Geschichte und Kritik eines Begriffs von Rowohlt (1988) kein einziges Werk mehr herausgegeben. Boudon steht somit nach wie vor im Schatten anderer Soziologen, zumindest im Bezug auf gesellschaftliche Debatten. In dem 2003 erschienenen Interviewband, gibt Boudon Auskunft über seinen Bildungsweg, die Grundlagen des methodologischen Individualismus, über die großen Soziologen u.v.m. Eines der 8 enthaltenen Interviews ist gratis einsehbar unter: Y a-t-il encore une sociologie?.


Literatur

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  • Oesterdiekhoff, Georg W. [Hrsg.] (2001):
    "Boudon, Raymond. In: Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden
  • Reinecke, Jost (2001):
    "Boudon, Raymond. In: Papcke, Sven / Oesterdiekhoff, Georg W. [Hrsg.]: Schlüsselwerke der Soziologie"
    Wiesbaden, S. 54-56.


Internetquellen

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Bourdieu, Pierre

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Biographie in Daten

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Pierre-Fèlix Bourdieu

  • geboren: Denguin, Pyrénées Atlantiques 1. August 1930
  • gestorben: Paris 23. Januar 2002

französischer Soziologe


  • Eltern
    • Vater: Albert Bourdieu, zuerst Landwirt, dann Postangestellter
    • Mutter: Noémie Bourdieu, geborene Duhau, Hausfrau
  • Ehe: 1962-1983 mit Marie-Claire Brizard
  • Kinder:
    • Jérome Bourdieu (Wirtschaftswissenschaftler)
    • Emmanuel Bourdieu (Philosoph, Drehbuchautor & Regisseur)
    • Laurent Bourdieu (Physiologe)


Biographie

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  • 1930: am 1. August in Denguin, einem kleinen Ort im französchischen Departement Pyrénées-Atlantiques geboren
  • 1941-1947: Besuch des Lycée in Pau, Pyrénées-Atlantiques
  • 1948-1951: Besuch des Lycée Louis-le-Grand in Paris, 1951: Baccalauréat
  • 1951-1954: Studium an der Eliteschule École Normale Supérieure sowie Philosphiestudium an der Faculté des Lettres an der Sorbonne in Paris (Diplomarbeit über Leibnitz als Kritiker von Descartes mit Auszeichnung)
    • 1954: Agregation de Philosophie
  • 1954-1955: Philosophielehrer am Lycée von Moulins, Alliers
  • 1955-1958: Militärdienst in Algerien
  • 1958-1960: Forschungsprofessur in Algiers
  • 1960-1961: Assistenzprofessur an der Faculté des Lettres an der Sorbonne in Paris bei Raymond Aron (1905-1983)
  • 1961-1964: Maître de Conférences (Dozent) an der Faculté des Lettres in Lille, Nord
  • 1964-1984: Directeur d′Études (Studiendirektor) an der École de Hautes Etudes en Sciences Sociales (Paris) und Professeur de Faculté des Lettres (Sociologie) ebenda.
  • 1968-1988: Directeur des von ihm initiierten Centre de Sociologie de l'Éducation et de la Culture, ein mit dem Centre National de la Recherche Scientifique assoziiertes Forschungsinstitut.
  • 1982-2002: Professeur titulaire de Sociologie am College de France in Paris.
  • 1985-2002: Directeur des Centre de Sociologie Européenne (CSE) am Collège de France und der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.
  • 2002: am 23 Januar stirbt Bourdieu in Paris an Krebs.


Auszeichnungen & Ehrungen

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  • 1989: Ehrendoktor der Freien Universität Berlin
  • 1993: Médaille d'or du Centre National de la Recherche Scientifique CNRS, höchste akademische Auszeichnung in Frankreich
  • 1996: Erving Goffman - Preis der Universität Berkeley (Kalifornien)
  • 1996: Ehrendoktor der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
  • 1996: Ehrendoktor der Universität Athen
  • 1997: Ernst-Bloch-Preis der Stadt Ludwigshafen
  • 1999: Ehrendoktor der Universität Joensuu (Finnland)
  • 2000: Huxley - Medaille des Königlichen Anthropologischen Instituts London


Andere Tätigkeiten

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  • Seit 1981 war Bourdieu als Berater der Gewerkschaft "Confédération Française Démocratique du Travail" (C.F.D.T.) tätig.
  • In den 1990er Jahren hat er zunehmend damit begonnen, in den öffentlichen Diskurs einzugreifen. Bei der im Dezember 1995 stattgefundenen Streikwelle des öffentlichen Dienstes ist Bourdieu demonstrativ auf Seite der Protestierenden aufgetreten und hat somit seine Position als wichtigstes intellektuelles Sprachrohr der französischen linken Bewegung gefestigt.

Um eine möglichst breite Wirkung seiner Sozialkritik zu erwirken, gründete er eine Schriftenreihe um in einfacher und verständlicher Form die Probleme der Zeit der französischen Bevölkerung aufzuzeigen. Dabei verwies er immer wieder auf die Gefahren der Globalisierung und der damit verbundenen zügellosen Ausbreitung des globalen Kapitalismus als Ursachen sozialer Spannungen.

Historischer Kontext

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Pierre Bourdieu wurde in Dengiun, einem kleinen französichen Ort in den Pyrenäen zur Welt gebracht. Die Bewohner dieses Ortes waren Bauern oder einfache Handwerker. Sein Vater, selbst aus bäuerlichen Verhältnissen stammend, war jedoch Briefträger und später Leiter des ortsansässigen Postamtes. Der Aufstieg vom Bauernsohn zum Beamten ließ ihn gleichzeitig zum Verräter des eigenen Standes werden, was Bourdieu als Sohn des Überläufers schon zu spüren bekam. Als Pierre Bourdieu von 1941 bis 1947 in ein Internat ins 14 Kilometer benachbarte Pau wechselte, lernte er diese soziale Grenze von der anderen Seite her kennen: nun stand er als Kind vom Lande den Bürgersöhnen aus der Stadt gegenüber. Die wunderbare Möglichkeit, an einer guten Ausbildung teilzuhaben stand im Widerspruch zu seiner geringen gesellschaftlichen Anerkennung seitens seiner Mitschüler. Diese Erfahrungen verarbeitet er u.a. auch in seinen Werken Die Illusion der Chancengleichheit (1971) und in Die feinen Unterschiede (1982c).

Bourdieu wurde außerdem vor allem durch seinen Kriegs- und später Forschungseinsatz in Algerien geprägt, im Laufe dessen er ethnologische Studien und Feldforschung über die Kultur der Berber betrieb. Die für ihn daraus gewonnenen Ergebnisse finden sich in vielen seiner empirischen methodologischen Werke wieder und haben seinen Bekanntheitsgrad als Soziologe wesentlich unterstützt.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Wissenschaftliche Wegbereiter von Bourdieus Soziologie waren insbesondere Claude Levi - Strauss (Strukturalismus / Objektivismus) und Jean Paul Sartre (Subjektivismus), Émile Durkheim (soziale Tatbestände), Karl Marx (Klasse / Kapital / Kampf) und Max Weber (Begriff der Macht).


Werke

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  • Bourdieu, Pierre. 1958. Sociologie de l'Algérie. Paris: Presses Universitaires de France.
  • Bourdieu, Pierre. 1968. Sociologie de l'éducation. Paris: Centre national de la recherche scientifique.
  • Bourdieu, Pierre. 1970. Zur Soziologie der symbolischen Formen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Bourdieu, Pierre. 1971. "Genèse et structure du champ religieux." Revue française de sociologie, 12, Nr. 3, S. 295-334.
  • Bourdieu, Pierre. 1972. Esquisse d'une théorie de la pratique, précédé de trois études d'ethnologie kabyle. Geneve: Droz. (Erweiterte deutsche Übersetzung: 1979. Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1977. Algérie 60. Structures économiques et structures temporelles. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 2000. Die zwei Gesichter der Arbeit. Interdependenzen von Zeit- und Wirtschaftsstrukturen am Beispiel einer Ethnologie der algerischen Übergangsgesellschaft. Konstanz: Universitäts-Verlag.)
  • Bourdieu, Pierre. 1979. La distinction. Critique social du jugement. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 1982c. Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1980a. Questions de sociologie. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 1993. Soziologische Fragen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1980b. Le sens pratique. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 1987. Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1981 "La représentation politique. Eléments pour une théorie du champ politique." Actes de la recherche en sciences sociales, Nr. 36/37, S. 3-24.
  • Bourdieu, Pierre. 1982a. Leçon sur la leçon. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 1984a. Sozialer Raum und Klassen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1982b. Ce que parler veut dire. L'économie des échanges linguistiques. Paris: Librairie Arthème Fayard. (Deutsche Übersetzung: 1990. Was heißt sprechen? Die Ökonomie des sprachlichen Tausches. Wien: Braumüller.)
  • Bourdieu, Pierre. 1984b. "Espace social et genese de ´classes´." Actes de la recherche en sciences sociales, Nr. 52-53, S. 3-15.
  • Bourdieu, Pierre. 1984c. Homo Academicus. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 1988. Homo Academicus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1986. "Three Forms Of Capital." In: John G. Richardson (Hg.), Handbook of Theory and Research for Sociology of Education. New York: Greenwood Press. S.241-258.
  • Bourdieu, Pierre. 1988. L'ontologie politique de Martin Heidegger. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 1988. Die politische Ontologie Martin Heideggers. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1989a. La Noblesse d'état. Grandes écoles et esprit de corps. Paris: Minuit.
  • Bourdieu, Pierre. 1989b. Satz und Gegensatz. Über die Verantwortung des Intellektuellen. Berlin: Wagenbach.
  • Bourdieu, Pierre. 1992a. Les règles de l'art. Genèse et structure du champ littéraire. Paris: Éd. du Seuil. (Deutsche Übersetzung: 1998a. Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1992b. Rede und Antwort. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1992c. Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik und Kultur I. Hamburg: VSA.
  • Bourdieu, Pierre. 1993. La misère du monde. Paris: Éditions du Seuil. (Deutsche Übersetzung: 1998b. Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1996. Sur la télévision; suivi de l'emprise du journalisme. Paris & Dijon-quetigny: Édition Liber. (Deutsche Übersetzung: 1998c. Über das Fernsehen. Frankfurt a. M.:Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 1997b. Méditations pascaliennes. Éléments pour une philosophie négative. Paris: Éditions du Seuil. (Deutsche Übersetzung: 2001. Pascalianische Meditationen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre. 2002. Entwurf für eine Selbstanalyse. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Vgl. Bourdieu, Jerome (Hrsg.): Esquisse pour une auto-analyse, Verlag Raison d'agir, 2004.
  • Bourdieu, Pierre et. al. 1963. Travail et travailleurs en Algérie. Paris & Den Haag: Mouton.
  • Bourdieu, Pierre et. al. 1968. Le métier de sociologue. Paris: Minuit. (Deutsche Übersetzung: 1991. Soziologie als Beruf. Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen soziologischer Erkenntnis. Berlin/New York: De Gruyter.)
  • Bourdieu, Pierre et. al. 1981. Titel und Stelle. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)
  • Bourdieu, Pierre/Passeron, Jean-Claude. 1964. Les héritiers: Les étudiants et la culture. Paris: Minuit.
  • Bourdieu, Pierre/Passeron, Jean-Claude. 1970. La reproduction. Paris: Minuit.
  • Bourdieu, Pierre/Passeron, Jean-Claude. 1971. Die Illusion der Chancengleichheit. Stuttgart: Klett.
  • Bourdieu, Pierre/Sayad, Abdelmalek. 1964. Le déracinement. La crise de l'agriculture traditionelle en Algérie. Paris: Minuit.
  • Bourdieu, Pierre/Wacquant, Loic. 1992. Réponses. Pour une anthropologie réflexive. Paris: Éditions du Seuil. (Deutsche Übersetzung: 1996. Reflexive Anthropologie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.)


Das Werk in Themen und Thesen

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Theorie und Praxis

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  • Zwischen Theorie und Praxis besteht ein Verhältnis der Reflexivität.

Klasse, Praxis, Habitus und Reproduktion

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  • soziales Handeln ist kein isoliertes Ereignis, sondern bedeutet "Praxis", die zwischen individuellen und kollektiven Interessen auf der einen Seite und Sozialstruktur, Organisation und Kultur auf der anderen Seite vermittelt.
  • Praxis ist eine organisierte Aktivität, die den wirtschaftlichen Wohlstand, die Sozialstruktur und die Kultur einer Gesellschaft einerseits, sowie die individuelle Persönlichkeit andererseits produziert und reproduziert.
  • Die Beziehung zwischen Sozialstruktur und Praxis wird durch den Habitus vermittelt.
  • Ein Habitus bezeichnet eine bestimmte Art, die Welt zu betrachten und in einer bestimmten Situation zu handeln.
  • Der Habitus ist die Verkörperung der dauerhaften Sozialstruktur und -organisation innerhalb einer Persönlichkeit.
  • Eine Person teilt ihren Habitus mit jenen Personen, die die gleichen Lebensbedingungen haben: Gruppen, Schichten und Klassen.
  • Gleiche Lebensbedingungen und die gleiche gesellschaftliche Stellung lassen denselben Habitus entstehen. So teilen z.B. die Arbeiter als Klasse einer Gesellschaft dieselben Lebensbedingungen (Klassensituation).
  • Die Klassensituation wird durch die entsprechende Klassenposition (Klassenhierarchie) in der Gesellschaft ergänzt. Beide führen zum Habitus.
  • Der Lebensstil einer Klasse ist ein Produkt ihrer Praktiken und ihrer Arbeit sowie ihrer Einstufung durch ihre Mitglieder und die Mitglieder anderer Klassen.


Feld und Kampf um Distinktion

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  • Es gibt drei Felder im sozialen Raum, in welchen Praxis stattfindet, und in denen die Gesellschaft produziert und reproduziert wird: ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital
  • Soziale Felder sind durch eine asymetrische Verteilung der Kapitalien und Güter geregelt
  • Kapitalsorten:

1.) Ökonomisches Kapital (alle Formen materiellen Reichtums), 2.) Kulturelles Kapital a) objektivierter Zustand: z.B. Bücher/ Gemälde b)Inkorporierter Zustand:z.B. Bildung/Titel/Schulabschlüsse), 3.) Soziales Kapital (Beziehungen, Netzwerke)

  • Produktion, Reproduktion und Verteilung beinhalten Zusammenarbeit und Wettbewerb.
  • Je mehr ökonomisches, soziales oder kulturelles Kapital man investieren kann, desto mehr wird man seinen Konkurrenten gegenüber Erfolg haben.

Rezeption und Wirkung

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Soziologische Klassiker produzieren zu öffentlich relevanten Problemen oder Fragestellungen Schlüsselbegriffe, die als Konzepte übernommen werden und in die weitere Diskussion eingehen. Insofern gilt auch Pierre Bourdieu mit den von ihm erörterten Begriffen wie Habitus, Feld, kulturelles Kapital, Distinktionsgewinn etc. als Soziologischer Klassiker


Literatur

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  • Moebius, Stephan (2006):
    "Pierre Bourdieu - Zur Kritik der symbolischen Gewalt" In: Moebius, Stephan/Quadflieg, Dirk (Hg.), "Kultur. Theorien der Gegenwart"
    Wiesbaden:, S. 51-66
  • Münch, Richard (2004):
    "Habitus, Feld und Kapital: Pierre Bourdieus Theorie der Sozialen Praxis" In: Münch, Richard: "Soziologische Theorie. Band 3: Gesellschaftstheorie"
    Frankfurt am Main, S.417 -454
  • Bohn, Cornelia/Hahn, Alois (1999):
    "Pierre Bourdieu" In: Kaessler, Dirk (Hg.), "Klassiker der Soziologie", Band II
    München, S. 252 - 271


Internetquellen

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 Pierre Bourdieu

Podcast-Tipp

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Soziopod #032: Bourdieu und der Fluch der sozialen Ungleichheit

Burgess, Ernest W.

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Biographie in Daten

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Ernest Watson Burgess

  • geboren am 16. Mai 1886 in Tilbury, Ontario, Kanada
  • gestorben am 27. Dezember 1966

Soziologe, Vertreter der sozialökologisch orientierten  Chicagoer Schule der Soziologie

  • Eltern
    • Vater: Edmund J. Burgess, Priester in der Kongregationisten Kirche
    • Mutter: Mary Ann Jane Wilson Burgess


Lebenslauf

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  • 1886 Umzug in die USA
  • 1908 B.A. (Bakkalaureus der philosophischen Fakultät) am Kingfisher College in Kingfisher, Oklahoma,
  • 1908-1913 Studium der Soziologie an der Universität von Chicago
  • 1913 Verleihung der Doktorwürde
  • 1912-1913 Dozent für Soziologie an der Universität von Toledo (Ohio)
  • 1913-1915 Assistenz - Professor an der Universität von Kansas
  • 1915-1916 Assistenz - Professor an der Ohio State University
  • 1916-1957 Professuren an der Universität von Chicago
  • 1916 Assistenz – Professor für Soziologie an der Universität von Chicago. Burgess war einer der ersten "richtigen"
    Soziologen, da die Professoren zuvor aus anderen Bereichen in die Soziologie übergewechselt hatten.
  • 1921 Assoc. Professor an der Universität von Chicago
  • 1921-1930 Geschäftsführender Herausgeber der  American Sociological Society
  • 1927 Ordentlicher Professor für Soziologie an der Universität von Chicago
  • 1930-1939 Direktor des Behavior Research Fund in Chicago
  • 1934-1943 Schriftführer des Chicago Area Project
  • 1934 Präsident der  American Sociological Society
  • 1936-1940 Herausgeber des  American Journal of Sociology
  • 1938 Gründungsmitglied der National Conference on Family Relations
  • 1942 Präsident der Sociological Research Association
  • 1942 Präsident der National Conference on Family Relations
  • 1945-1946 Vorsitzender des Social Science Research Council
  • 1946-1952 Burgess ist Vorsitzender der Abteilung für Soziologie an der Universität von Chicago,er bleibt noch ein Jahr über seine Emeritierung hinaus Vorsitzender der Abteilung.
  • 1951 Burgess emeritiert
  • 1952 Gründung des „Family Study Centers“, dieses sollte später in „Family und Community Study Center“ umbenannt werden.
  • 1953 Präsident der Society for the Study of Social Problems


Weitere Tätigkeiten

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Burgess war im Laufe seiner Karriere Mitglied in folgenden Organisationen:

  • American Law Institute
  • Vincent Astor Foundation
  • Chicago Crime Commission
  • Committee of Fifteen
  • Douglas Smith Fund
  • Illinois Citizens Committee on Parole
  • Illinois Academy of Criminology
  • National Recreation Commission
  • International Congress of Criminology
  • The City Club


Historischer Kontext

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Chicago wies um die Jahrhundertwende ein sehr starkes Wachstum auf. Die Stadt vergrößerte sich von 10 EinwohnerInnen im Jahre 1830, auf ca. 500 000 im Jahre 1880 und erreichte im Jahre 1930 eine Bevölkerungsanzahl von ca. 3,4 Millionen Menschen. Dementsprechend vergrößerte sich auch das Stadtgebiet von 10 Quadratmeilen im Jahre 1837 auf 225 Quadratmeilen im Jahre 1960.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Burgess wurde in seiner Forschung maßgeblich von den Theorien und Arbeitsweisen William Isaac Thomas’, Robert Ezra Parks und George Herbert Meads beeinflusst. Insbesondere Meads Theorien über die Identität und die sozialen Rollen prägten Burgess' Denken. So entwickelte er aus diesen Ansätzen die Vorstellung, dass Familieneinheiten aus der Interaktion und der Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern entstünden.

Thomas und Park betrieben außerdem Feldforschungen über das Zusammenleben der Menschen in den Städten

Weiters entwickelte Burgess, gemeinsam mit R. D. Mc Kenzie, Theorien darüber, wie Strukturen der Tier- und Pflanzenwelt auf menschliche Gesellschaften übertragen werden könnten. Sie gingen dabei von einem absolutistischen Raumkonzept aus, welches besagt, dass der Raum eine vom menschlichen Handeln getrennte Größe sei. Ausgangspunkt für diese Theorie war die Vorstellung, dass der Mensch sich seiner natürlichen Umgebung anpassen müsse.


Werke

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  • 1921 Introduction to the Science of Sociology (gemeinsam mit Robert E. Park)
  • 1925 The City (gemeinsam mit Robert E. Park und Roderick D. Mc Kenzie)
  • 1926 The Family as a Unity of Interacting Personalities
  • 1926 The Romantic Impulse an Family Disorganization
  • 1926 The Urban Community: Selected Papers From the Proceedings of the American Sociological Society (Burgess,Hrg.)
  • 1928 Factors Determining Success or Failure on Parole
  • 1928 Family Tradition an Personality Development
  • 1928 The Family and the Person
  • 1939 Predicting Success and Failure in Marriage (gemeinsam mit Leonard S. Cottrell)
  • 1945 The Family: From Institution to Companionship (gemeinsam mit Harvey J. Locke und Mary M. Thomas)
  • 1953 Engagement and Marriage (gemeinsam mit Paul Wallin)
  • 1954 Courtship, Engagement and Marriage (gemeinsam mit Paul Wallin und Gladys D. Schultz)
  • 1955 Council of State Governments: The State and Their Older Citizens, eine Studie von Burgess und Sidney Spector
  • 1960 Aging in Western Societies (Burgess, Herausgeber)
  • 1964 Contributions to Urban Sociology (Burgess und Donald J. Bogue, Herausgeber)


Das Werk in Themen und Thesen

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Die Forschungsschwerpunkte von Burgess waren Ehe und Familie mit besonderem Bezug auf das Alter, die Stadtentwicklung sowie die Systeme der vorzeitigen Haftentlassung.


Familie und Ehe

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Burgess konzipierte die Ehe und Familie als „a unity of interacting personalities“ (Burgess (1926a. In weiterer Folge erarbeitete er, angeregt durch frühere Forschungen über den Erfolg oder das Versagen von Haftentlassungsmodellen, Testverfahren welche die Erfolgschancen einer Ehe vorhersagen sollten. Dazu befragte Burgess die Verlobten über ihre Einstellungen zur Ehe, ihre persönlichen Interessen, sowie ihre sozialen Charaktere. Burgess kam zu dem Schluss, dass gleichartige Einstellungen und eine gleichartige Herkunft wesentliche Elemente zum Gelingen einer Ehe wären.

In weiterer Folge befasste sich Burgess mit der Ehe und Familie im Alter, seine wesentlichen Forschungsinteressen hierbei waren, die finanzielle Situation von Senior/innen, das Verhältnis der Eheleute zueinander, insbesondere nach der Pensionierung des Ehemannes, sowie das Verhältnis zu den Kindern.


Die Stadtentwicklung

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Burgess untersuchte die moderne Stadtentwicklung anhand der Stadt Chicago. Er entwickelte 1925/29 das so genannte  Zonenmodell (oder auch Ringmodell), welches das erste der klassischen Stadtstrukturmodelle darstellte. Burgess ging dabei davon aus, dass sich die Stadt kreisförmig um das Stadtzentrum („Loop“, benannt nach dem Gleisviereck der Hochbahn) zur Peripherie hin ausdehne. Die verschiedenen Zonen würden hierbei unterschiedlich genutzt:

  • Loop: CBD, Central Business District, der zentrale Geschäftsbereich
  • Zone in Transition: Übergangszone, in unmittelbarer Nähe zum Loop, Ghettos, Slums, Leichtindustrie
  • Zone of Workingmen’s Home: Arbeiterwohngebiete, MigrantInnen der 2. Generation
  • Residental Zone: Wohngebiete, Einfamilienhäuser, Mittelschicht
  • Community Zone: Pendlergebiet, vorwiegend statushohe Bevölkerung


Rezeption und Wirkung

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Burgess berücksichtigte in seinem Zonenmodell nur ein Zentrum („Loop“), die Wirkung von Subzentren oder die Wirkung von verkehrsbedingten Unterschieden auf die Stadt(teil)- oder Zonenentwicklung fanden nur wenig Berücksichtigung. 1939 entwickelte H. Hoyt ein Sektorenmodell, 1945 entwickelten C. D. Harris und E. L. Ullman ein Mehrkernmodell, welche auch auf diese Einflüsse eingingen.

Die Jährliche Verleihung eines Burgess Awards des National Conference on Familiy Relation für hervorragende Leistungen in der Forschung über Familien zeugt von dessen Bedeutung in diesem Spezialfeld soziologischer Forschung.


Literatur

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  • Bernsdorf, Wilhelm/ Knospe Horst [Hrsg.] (1980):
    "Internationales Soziologenlexikon, Bd. 1, 2. Aufl."
    Stuttgart 1980
  • Sills, David L. (1968):
    "International Encyclopedia of the Social Sciences, Vol. 2, The Macmillan Comp. & The Free Press


Internetquellen

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Butler, Judith

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Biographie in Daten

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Butler Judith

  • geboren am 24. Februar 1956 in Cleveland, Ohio
  • 1974-1976 Bennington-College, Vermont
  • 1978 B.A. in Philosophie, Yale University
  • 1978/79 Studienaufenthalt in Heidelberg (Schwerpunkt deutscher Idealismus)
  • 1982 M.A in Philosophie, Yale University
  • ab 1982 Lehrtätigkeit in der Philosophie an der Yale University
  • seit 1983 Lehre als assistant und dann full professor an verschiedenen Universitäten der USA
  • 1984 PhD in Philosophie, Yale Universität mit einer Arbeit über Hegel’s Begriff der Begierde (Subjects of Desire: Hegelian Refelctions in Twentieth Century France)
  • 1986-89 Assistenzprofessorin für Philosophie an der George-Washington Universität
  • 1990 Buch: Gender trouble: Feminism and the Subversion of Identity;
  • 1991 Professur für Humanwissenschaften an der Johns-Hopkins-Universität
  • 1992 Gemeinsam mit Joan W. Scott Herausgeberin des Sammelbandes Feminists Theorize the Political, New York: Routledge
  • seit 1994 Professorin für Rhetorik und vergleichende Literaturwissenschaft an der University of California in Berkeley; dort auch beteiligt an den Women’s Studies. Schwerpunkte in der Lehre sind Literaturtheorie, französische Philosophie des 20. Jahrhunderts und des deutschen Idealismus; Hegel, Nietzsche, Kierkegaard, Cultural theory, Politische Philosophie, Psychoanalyse, Theorie der Rhetorik, Feministische Theorien.
  • 1993 Erscheinung ihres Buches Bodies that Matter: on the Discursive Limits of „Sex“,
  • 1993 Buch: Der Streit um Differenz: Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart
  • 1997 Buch: Excitable Speech: A Politics of the Performative
  • 1997 The Psychic Life of Power: Theories in Subjection erschien in diesem Jahr.
  • 1998 Forschungs- und Lehraufenthalt in Deutschland und Ungarn
  • 2000 Auseinandersetzung mit dem normativen Begriff Familie und Verwandtschaft in: Antigone’s Claim: Kinship Between Life and Death, Schriften zur politischen Theorie „Contingency, Hegemony, Universality“
  • 2001 Berlin Fellow, German-American Academy Berlin;Erörterung des Verhältnisses von Begierde, Anerkennung und Subjektwerdung in „Politics and Kinship. Antigone for the Present“
  • 2002 Spinoza Gastdozentur an der Universität Amsterdam
  • 2002 Amnesty International Lecuture on „Sexual Rights“, Oxford University
  • 2002 Adorno-Vorlesungen, Frankfurt/M.; Erste Veröffentlichung zur Moralphilosophie (“Giving an Account of Oneself”).
  • 2004 Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Kriegs auf Sprache und Gedanken in Precarious Life: Powers of Violence and Mourning, Ebenso erschien Undoing Gender

Historischer Kontext

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Aufgewachsen in einer jüdischen Familie mit ungarischen und russischen Wurzeln, kommt Judith Butler früh mit philosophischen und theologischen Schriften in Berührung. Während ihres Studiums der Philosophie in Yale beschäftigt sie sich vorwiegend mit der Phänomenologie und setzt ihren Schwerpunkt, bei ihrem späteren Studienaufenthalt in Heidelberg, schließlich auf den deutschen Idealismus.

Die theoretischen Grundlagen ihrer Positionen liefert der Poststrukturalismus[4]. Dieser ist typisch für die kritische Herangehensweise an Denkkonzepte unter Verwendung sprachphilosophischer und psychoanalytischer Begriffe, die gesellschaftlich konstruiert sind. Das selbstbestimmte, autonome Individuum wird in Frage gestellt. Es stellt vielmehr ein Bündel von Fremdeinwirkungen dar. So ist beispielsweise die Diskursanalyse zu den poststrukturalistischen Methoden zu zählen.

Mit ihrer Methode rekurriert Butler stark auf den Dekonstruktivismus, denn ihrer Ansicht nach meint „Dekonstruktion nicht verneinen oder abtun, sondern in Frage stellen“. Der Begriff ist eine subversives Prinzip der Annäherung an Texte von innen her.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Judith Butler verwendet in ihren Analysen Theorien und Forschungsansätze (uA) von Michel Foucault, Sigmund Freud, Jacques Derrida und Louis Althusser. Sie versucht das Verständnis der Verbindung von Subjekt und Macht, sowie von Physischem und Diskursivem in der Materialität des Körpers hervorzubringen. Körper materialisieren sich, hier lehnt sich Butler an Aristoteles an, nie unabhängig von ihrer kulturellen Form. Die Materialität des Körpers ist also immer an die jeweilige kulturspezifische Wahrnehmung gebunden, die zugleich konstitutiv für das Sujet (Materie) selbst ist.

Besonders in der Begrifflichkeit der Performativität lehnt sich Butler an John L. Austin an, der Sprechakte als performativ bezeichnet, wenn sie das Benannte umsetzen und Handlungscharakter besitzen (Beispiel: Ehezeremonie: Ja-Wort).

In ihrer Schrift „Kritik der ethischen Gewalt“ greift Butler die Motive Adornos auf und verbindet sie mit dem Gedankengut, welches sie auch bei Michel Foucault und Emanuel Lévinas wieder findet.

In ihrer Subjekttheorie bezweifelt Butler das „cartesianische Subjekt“, womit sie indirekte Kritik an Descartes („Ich denke, also bin ich“) übt. Anhänger des Poststrukturalismus sprechen nicht vom cartesianischen Subjekt, sondern „vom Tod des Subjekts“ oder vom „Tod des Menschen“. Der Mensch wird als ein sprachliches Konstrukt gesehen. So wird behauptet, „daß es keinen Täter hinter der Tat gibt“. „Niemand ist für sein Handeln vollkommen verantwortlich. Die Subjekte sind nur Effekte der diskursiven Macht.“ [1] In ihrem Buch "Das Unbehagen der Geschlechter" bezieht sich Butler außerdem auf Mary Douglas und stellt darin fest: „Douglas Analyse legt nahe, daß die Schranke des Körpers niemals bloß durch etwas Materielles gebildet wird […]“ [2]


Werke

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  • Butler, Judith, Paul Rabinow. Dialogue: Antigone, Speech, Performance, Power. In S. I. Salamensky (ed). Talk, Talk, Talk: The Cultural Life of Everyday Conversation. Routledge. New York, 2001.
  • Butler, Judith. The End of Sexual Difference? In Elisabeth Bronfen, Misha Kavka (eds). Feminist Consequences: Theory for the New Century. Gender and Culture. Columbia University Press. New York, 2001.
  • Butler, Judith. How Can I Deny That These Hands and This Body Are Mine? In Tom Cohen, Barbara Cohen, J. Hillis Miller, Andrzej Warminski (eds). Material Events: Paul de Man and the Afterlife of Theory. University of Minnesota Press. Minneapolis, 2001.
  • Butler, Judith: Antigones Verlangen: Verwandtschaft zwischen Leben und Tod. Suhrkamp. Frankfurt, 2001
  • Butler, Judith. Psyche der Macht. Suhrkamp. Frankfurt, 2001
  • Butler, Judith. Antigone's Claim: Kinship between Life and Death. Wellek Library Lecture at the University of California, Irvine. Columbia University Press. New York, October 2000
  • Butler, Judith, Ernesto Laclau, Slavoj Zizek. Contingency, Hegemony, Universality: Contemporary Dialogues on the Left. Verso. Phronesis. London & New York, 2000
  • Butler, Judith, John Guillory, Kendall Thomas (eds). What's Left of Theory? New Work on the Politics of Literary Theory. Essays from the English Institute. Routledge. New York, July 2000.
  • Butler, Judith. Excitable Speech: A Politics of the Performative. Routledge. NewYork, London, February 1997.
  • Butler, Judith. The Psychic Life of Power: Theories of Subjection. Stanford University Press. Stanford, June 1997.
  • Butler, Judith. For a Careful Reading. In Feminist Contentions: A Philosophical Exchange. Thinking Gender. Routledge. London, New York, February 1995.
  • Butler, Judith. Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlects. Berlin Verlag / Suhrkamp. Berlin / Frankfurt, 1995 / 1997.
  • Butler, Judith. Bodies that Matter: On the Discursive Limits of 'Sex'. Routledge. London, New York, October 1993
  • Butler, Judith and Maureen MacGrogan (eds), Linda Singer. Erotic Welfare: Sexual Theory and Politics in the Age of Epidemic. Thinking Gender. Routledge, London, New York, 1993.
  • Butler, Judith, Joan W. Scott (ed). Feminists Theorize the Political. Routledge. London, New York, 1992.
  • In Feminist Contentions: A Philosophical Exchange. Thinking Gender. Routledge. London, New York, February 1995.
  • Butler, Judith. Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. Thinking Gender. Routledge. London, New York, 1990/1999.
  • Butler, Judith. Subjects of Desire: Hegelian Reflections in Twentieth-Century France. Columbia University Press. New York, 1987/1999.


Das Werk in Themen und Thesen

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Subjekttheorie

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Judith Butlers Subjekttheorie befasst sich mit dem Thema Geschlecht und Identität. Sie hinterfragt die Natürlichkeit und Unvoreingenommeneheit/Sachlichkeit der Geschlechteridentität. Hierbei lenkt sie ihre Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Normprozesse, die bestimmte Formen von Identitäten zulassen und andere wiederum ausschließen. Butler sieht demnach das Geschlecht als eine sprachliche, interaktionale Konstruktion an. Ein Beispiel dazu: Wenn man sagt oder annimmt, dass alle Frauen dazu bestimmt sind, Mütter zu sein, so schließt man gleichzeitig Frauen aus die keine Kinder haben können oder wollen. Ausschlüsse entstehen laut Butler durch Differenzierungen zwischen Normen oder Gesetzen. Sie will aber keineswegs „Frau“ abschaffen, vielmehr spricht sie sich gegen eine vollständig definierte und unabänderbare Kategorie wie „Frau“.

Queer Politics

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„Die feministische Theorie ist zum größten Teil davon ausgegangen, dass eine vorgegebene Identität existiert, die durch die Kategorie „Frau(en)“ ausgedrückt wird“, schreibt Judith Butler. Aber „im Grunde herrscht […] kaum Übereinstimmung darüber, was denn die Kategorie „Frau(en)“ konstituiert und konstruieren sollte. Die Unklarheit, auf die Judith Butler versucht zu verweisen, resultiert aus der politisch zunehmend sichtbar gewordenen Vielfalt von weiblichen Geschlechtsidentitäten: Sexuelle, altersspezifische, ethnische, regionale, religiöse und klassenbezogene Identitäten sind immer und immanent sowohl miteinander als auch mit der „weiblichen“ Geschlechtsidentität verwoben [3] Judith Butler versucht nun die Begriffe Identität, Subjekt, Sexualität, Macht, Handlungsfähigkeit zu problematisieren, um dann neue Deutungen dieser Begriffe vorzuschlagen. Besonders berühmt ist das Wort „Queer“, wenn es um Butlers feministische Positionen geht. Butler gilt ja gewissermaßen als eine der Begründerin der so gennanten Queer Politics, Queer Theory oder auch Queer Studies [4] Umstritten ist noch immer was queer eigentlich bedeutet. Im Englischsprachigen Raum bedeutet der Begriff: abwertend, schräg, seltsam, verdächtig oder eigenartig. Queer war auch eine Abkürzung für die eigene, „andere“ Identität und entwickelte sich so vom Schmimpfwort zu einer positiven Bezeichnung. Es steht häufig für lesbisch-schwul oder wird als Synonym für politische oder kulturelle Aktivitäten auf Grundlage homosexueller Identität verwendet. Queer ist aber nie als ein Synonym von lesbisch-schwul anzusehen, da man nie sagen kann, was lesbisch oder schwul eigentlich ist. Butler sieht es kritisch an, Identitäten (Frau, Mann,…) so hinzunehmen, als seien sie bereits gegeben und in Zusammenhang stehend. Ihr Vorschlag daher, die Queer Politik als eine Politik des Vorläufigen, Uneigentliche, des Als-ob in Anführungszeichen anzusehen. Eine weitere Komponente der Queer Theorie/Politik beinhaltet die Parodie der subversiven Strategie. Hierzu führt Butler das Beispiel der Travestie an welches für sie eine paradigmatische Form des politischen „Gender Trouble“ ist: „Ich behaupte […], daß die Travestie auch die Unterscheidung zwischen seelischem Innen- und Außenraum grundlegend subversiert und sich sowohl über das Ausdrucksmodell der Geschlechtsidentität als auch über die Vorstellung von einer wahren geschlechtlich bestimmten Identität lustig macht.“ “Als Imitationen, die die Bedeutung des Orignials verschieben, imitieren sie den Mythos der Ursprünglichkeit selbst."[5]

Politik des Performativen (Hate speech)

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Hate speech: Das ist jene Form der Rede, die verletzt, droht, demütigt. Hierbei geht es nicht um eine harmlose Beleidigung, sondern um ein Geflecht von Worten, welches im Zusammenhang mit konkreten Taten (historisch, zukünftig oder potentiell) steht. Butler beschreibt in "Hass spricht", 3 konkrete Phänomene. Ein Beispiel daraus, welches den Umgang mit Homosexualität in der US-Amerikanischen Armee zeigt:

  • Army Angestellte dürfen beispielsweise keine sprachliche Äußerung über ihre Homosexualität vornehmen, da diese Äußerung bereits als homosexuelle Tätigkeit gewertet werden würde. [6]

Entscheidend für die Äußerung ist also der Kontext und nicht das Wort selber: „Das Sprechen wird nämlich durch den gesellschaftlichen Kontext nicht nur definiert, sonder zeichnet sich auch durch die Fähigkeit aus, mit diesem Kontext zu brechen […]“ [7]

Materielle Körper

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Butler geht von einer materialisierenden Wirkung von kulturellen Normen aus, denn durch Wiederholung und durch das Performativ der kulturellen Normen entsteht erst der Körper. Dabei versucht sie den Dualismus von Kultur und Natur zu trennen. Materialisierung bezeichnet also den Prozess, bei dem zum Beispiel aus Diskursen zur Geschlechtsidentität (gender) vergeschlechtlichte Körper (sex) werden. Allerdings wird Materie bei Butler nicht nur als diskursives Konstrukt gesehen, sondern als eine eigenlogisches Gestalt (oder Morphe). [8] Sie spricht sich also auch für eine Vervielfältigung des Begriffs der Materie aus. In Bezug auf den Geschlechtskörper beschreibt Butler den Prozess der Materialisierung in Anlehnung an Lacan als Morphogenese; jeder Geschlechtskörper hat demnach eine biografische und soziale Geschichte. Vielmals wurde kritisiert, dass sie die körperliche Erscheinung des Geschlechts zu negieren versucht oder vielmehr zu leugnen was es bedeutet körperlich ein Mann oder eine Frau zu sein. Weiters eine wichtige Rolle im Rahmen der Kritik an Butler: Gibt es nicht auch körperliche Unterschiede zwischen Mann und Frau? Beispielsweise: Hormone, unterschiedliche Chromosomenpaare, äußerliche Erscheinungen (Bart, …) [9] Die Behauptung Butlers „das biologische Geschlecht sei bereits durch die Geschlechtsidentität kulturell konstruiert“ lässt viel Raum für Kritik. Um die Materialität des Körpers erklären zu können greift sie zunächst den(feministischen) Konstruktivismus auf. Sie geht also davon aus, dass das am Geschlecht Relevante kulturell und sozial konstruiert wird. Der Dualismus von sex/gender ist für Butler nicht nur sachlich falsch, sondern auch „phallogozentrisch“. So bedeutet „phallogozentrisch“, dass dem Männlichen das geistige und dem weiblichen das Körperliche zugeschrieben wird. Butler ist auch der Ansicht, dass Geschlecht, Sexualität oder Körper als Konstruktion auch die Berücksichtigung von Zwängen, Einschränkungen, Verwerfung und Macht verlangt.
„Daß ein Leben, Sterben, Atmen und Altern der Körper stattfindet, ist unbestritten. Die Behauptung, dies alles seien soziale und diskursive Praktiken, bedeutet ja nicht, dass diese Phänomene grundsätzlich zu leugnen seien […]“ [10]

Diskurs und Sprache

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Butler setzt ihr Hauptaugenmerk auf Sprache beziehungsweise Diskurs [5] als Prämisse der Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Diskurs ist demnach:

„[…] nicht bloß gesprochene Wörter, sondern ein Begriff der Bedeutung; nicht bloß, wie es kommt, daß bestimmte Signifikanten bedeuten, was sie nun mal bedeuten, sondern wie bestimmte diskursive Formen Objekte und Subjekte in ihrer Intelligibilität ausdrücken. In diesem Sinne benutze ich das Wort ‚Diskurs’ nicht in seiner alltagssprachlichen Bedeutung, sondern ich beziehe mich damit auf Foucault. Ein Diskurs stellt nicht einfach vorhandene Praktiken und Beziehungen dar, sondern er tritt in ihre Ausdrucksformen ein und ist in diesem Sinne produktiv“ [11]

Diskurse sind also nicht (nur) gesprochene Sprache, sondern auch Systeme des Denkens und Sprechens, die das wahrgenommene konstituieren, indem sie die Art und Weise der Wahrnehmung prägen. Identität wird durch wiederholtes Tun verwirklicht und ist nicht etwas, das man einfach hat. Dieses wiederholte Tun geschieht auch durch „performative Sprechakte“, durch Sprechakte also, welche die Handlung nicht beschreiben, sondern vollziehen. Als Beispiel führt sie hier die Trauung die nur Priester oder Standesbeamten legitim vollziehen können.

„Der illuktionäre Sprechakt vollzieht die Tat im Augenblick der Äußerung. Da dieser jedoch ritualisiert ist, handelt es sich niemals bloß um einen einzelnen Augenblick. Der ritualisierte Augenblick stellt vielmehr eine kondensierte Geschichtlichkeit dar […]“ [12]

So ist für Butler Identität (Mann/Frau, hetero- oder homosexuell) nicht etwas, das man einfach hat, sondern etwas, das durch wiederholtes Tun verwirklicht wird. Dies geschieht nicht zuletzt durch "performative Sprechakte", also sprachliche Äußerungen, die Handlungen nicht so sehr beschreiben als vielmehr vollziehen. Ein Beispiel: Die Aussage „Es ist ein Mädchen“ nimmt in diesem Kontext den Charakter einer sozialen Tatsache an. Dem Körper wird ein Geschlecht zugeordnet (also in diesem Beispiel Mädchen) und das „ES“ wechselt also zum „SIE“. Die Performativität der Aussage besteht in den Wiederholungen und Handlungsweisen.


Intelligible Geschlechter

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Viele Kritiker behaupten, Feministische Theorien seien zu sehr pauschalisiert und verkörpern eher das Bild der „westlichen, weißen Frau“. Der Feminismus sei aus dieser Perspektive zu sehr rassistisch veranlagt und beziehe sich darüber hinaus hauptsächlich auf heterosexuelle Frauen. Viele Frauen fühlen sich daher vom Feminismus nicht angesprochen. So knüpft das das Konzept von Judith Butler in ihrem Postament an der Kritik der feministischen Theorie an und stellt die Kategorien („sex“ und „gender“) stark in Frage. Sex soll die körperlichen und biologischen Unterschiede darstellen wohingegen gender die sozialen Unterschiede(kulturelle, institutionelle) kennzeichnen soll. Demnach sind „Geschlechtsunterschiede nicht direkt "im Vorhandensein bestimmter Organe begründet", sondern indirekt "mit der Reaktion der anderen auf diese Organe“. Butler will so auch die Gleichheit und Unterschiedlichkeit zwischen Frauen verstanden wissen: es gibt Gemeinsamkeiten zwischen Frauen, die sie von Männern unterscheiden, es gibt aber simultan Unterschiede, die zur Gemeinsamkeit nicht einfach nur hinzuaddiert werden dürfen. Zur bildlichen Veranschaulichung lässt sich diese Sichtweise mit den zwei verschiedenen Gesichtern aus der Wahrnehmungspsychologie vergleichen. Es können sowohl ein Krug als auch zwei Gesichter wahrgenommen werden. Butler orientiert sich in dieser Hinsicht an Michel Foucault insbesondere an seinem Buch „Der Wille zum Wissen“ sowie an seiner These, dass Macht produktiv ist. Durch die gesellschaftliche Konstruktion und Einteilung der Geschlechter wird Macht erst produziert und aufrechterhalten. Allerdings versteht Butler den Diskurs nicht als vielstimmig (wie Foucault), sondern sie führt die Geschlechterverhältnisse auf ein zentrales Gesetz zurück, auf einen bestimmenden Diskurs, aus dem kein Entkommen ist.
Butler greift im Zusammenhang mit intelligible Geschlechter auch das Beispiel der Travestie heraus, um zu zeigen, dass jede Inszenierung des Geschlechts dem Muster der Imitation folgt. [13]
„Ich behaupte, darüber hinaus, daß die Travestie auch die Unterscheidung zwischen seelischem Innen- und Außenraum grundlegend subvertiert und sich sowohl über das Ausdrucksmodell der Geschlechtsidentität als auch über die Vorstellung von einer wahren geschlechtlichen Identität (gender identity) lustig macht.“ [14]

Rezeption und Wirkung

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Nur wenige Autoren haben in den vergangenen Jahren so viele kontroverse Diskussionen, Kritiken an Begrifflichkeiten und politischen Wirbel verursacht wie Judith Butler. Seit der zweiten Frauenbewegung wurde kaum eine andere Autorin so wahrgenommen wie sie. Ihre Einflüsse reichen von feministischen Theorien, Feuilletons in Tageszeitungen, Kunstausstellungen, Popkultur bis hin zur Belletristik. Obwohl sie wenig gesellschaftsrelevante Themen wie die ökonomische Benachteiligung, die Förderung der Familie und Beruf etc. wahrnimmt, löste sie (besonders Anfang der 90er) einen regelrechten Boom aus. Den Grund für ihren Ruhm sehen Experten an den subkulturellen Phänomenen, die politische Strategien verwurzeln (Bsp.: Homosexualität). Gerade seit den 90er Jahren wird Sexualität für kommerzielle Zwecke genutzt. Androgynie, Bisexualität waren besonders angesagt und so fand Butler mit ihren Theorien fruchtbaren Boden. Das zweite gesellschaftliche Phänomen, welches zu Beginn der 1990er Jahre festgestellt wurde und möglicherweise Mitverantwortung zum Butler-Boom beitrug, war die Debatte um die Postmoderne. Hier sei allerdings angemerkt, dass Butler in ihren Theorien dem Poststrukturalismus nahe steht, allerdings oft irrtümlich mit dem Begriff der Postmoderne gleichgesetzt wird.

Es finden sich auch genügend Kritiker an Butlers Thesen. Oftmals wird ihr unterstellt, sie werfe die Begriffe Differenz und Ungleichheit in einen Topf und betonen dabei, dass diese beiden Begriffe eben nicht deckungsgleich sind. Der Vorwurf, eines Mangels an Empirie in ihren Theorien ist im Hinblick auf den Konstruktivismus gar nicht unbegründet. So äußern Kritiker, sie beantworte die Frage nach der Konstruktion des Geschlechts auf der diskursiven und textimmanenten Ebene. Häufig wird bemängelt, ihr Argumentationen seien postmodern, weil sie sich vom „Ich als Subjekt einer Lebensgeschichte verabschiedet“ habe. [15] Butler kontert dazu: Sie wisse nicht was der Terminus postmodern bedeute, doch sie würde ihre Thesen eher dem Poststrukturalismus zuordnen. [16]

Benhabib wirft Butler, Determinismus vor, denn sie stellt die Frage, wie feministische Positionen entstehen, wenn alle Subjekte von den vorherrschenden, nicht-feministischen Diskursen konstituiert sind? Die Antwort auf diese Frage lautet: Performative Sprechakte. Diese sind potentiell auch feministisch, weil sie prinzipiell scheitern können und dies oft auch tun. [17]

Wirft man einen näheren Blick auf den Begriff Gender, so verbindet Butler damit ausschließlich Geschlechtsidentität. Insofern fallen bei ihr gesellschaftliche Komponenten, die im deutschen Sprachraum als soziales Geschlecht verankert sind, weg. Es ist damit oft unklar, auf welcher Ebene sich der Begriff Identität bei ihr verorten lässt. Weiters kommt die Frage auf, muss die Identität immer totalisierend sein, im Sinne von vereindeutigt und mit sich selbst identisch?

Besonders ungewöhnlich scheint, dass Butlers Werke auffallend ahistorisch sind, da aktuelle wissenschaftskritische und historische Arbeiten zur modernen, bürgerlichen „Ordnung der Geschlechter“ [18] nicht einbezogen werden.


Literatur

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  • Villa, Paula-Irene (2003):
    "Judith Butler"
    Frankfurt am Main


Internetquellen

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Podcast-Tipp

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Soziopod #025: Geschlecht und Macht – Immer noch das alte Spiel?

Einzelnachweise

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  1. http://www.die-grenze.com/
  2. (Villa, S. 101)
  3. Butler, Judith, Unbehagen der Geschlechter, S. 35
  4. vgl. Jagose, 2001, S. 108
  5. Butler Judith, Unbehagen der Geschlechter, S.201
  6. (vgl Villa, S. 122)
  7. (vgl Villa, 2003, S. 119 ff)
  8. vgl. Villa, S. 77
  9. vgl. Villa, S. 79
  10. (Butler 1993c zit. n Villa, S.88)
  11. Für ein sorgfältiges Lesen, S. 129 zit. n Villa, S.20
  12. Butler, Judith, Hass spricht, S.11, zit. n Villa, S. 28
  13. vgl. Villa, S.60
  14. Butler 2003, S. 201
  15. Benhabib, 1993a, S. 15, zit. n Villa, S. 144.
  16. vgl. Butler 1993a, S. 36, zit. n. Villa, S.145
  17. vgl. Villa, S. 147
  18. Honegger, 1992, zit. n Villa, S. 149

Cicourel, Aaron

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Biographie in Daten

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Cicourel Aaron Victor

  • geboren am 29.8.1928 in Atlanta/USA, lebt in San Diego, California


  • Seit 1989 ist Cicourel Leiter der sich neu gebildeten Fakultät für Kognitivismus, wo regelmäßig Treffen für Sozial- und Naturforscher sowie für Humanwissenschaftler stattfinden


Historischer Kontext

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Die Soziologie seiner Zeit war in der Blüte einer naturwissenschaftlich orientierten, auf strengen Methoden und harte Daten setzenden Wissenschaft. Später folgten Diskussionen um die Grundlagen empirischer Sozialwissenschaften, welche zumal in der "qualitativen" Sozialforschung bis heute nachwirken.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Cicourels Auffassungen ist durch Husserls phänomenologisch begründete Lebensweltanalyse, sowie durch phänomenologisch-hermeneutische, d.h. historische und empirische (was bedeutet, dass alle Aussagen und Zusammenhänge durch andere Menschen als Erfahrung nachvollzogen werden können ->Garfinkel,Schütz) wie auch durch sprachphilosophische Ansätze (Wittgenstein) beeinflusst. Ausgehend von diesen theoretischen Positionen versucht Cicourel die verschiedenen Methoden der Sozialforschung - die teilnehmende Beobachtung, das Interview, den standardisierter Fragebogen, die demographische Methode, die Inhaltsanalyse und das Experiment - als pragmatische Mittel zu betrachten.

Cicourel besuchte die Methodenvorlesungen von W.S.Robinson an der University of California, Los Angeles. Dort entwickelte er auch eine analytische Sensibilität für den problematischen Zusammenhang zwischen Theorie und Messung. Zum Anderen lernte er an derselben Universität H. Garfinkel kennen, dessen damals noch weitgehend unpubliziertes ethnomethodologisches Werk ihn nachhaltig prägte und wodurch er Zugang zur Phänomenologie von A.Schütz erhielt.


Werke

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  • Method and Measurement in Sociology,1964
  • The Social Organization of Juvenile Justice, 1968
  • Cognitive Sociology, 1973 ("Sprache in der sozialen Interaktion")


Das Werk in Themen und Thesen

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Cognitive Sociology

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Darinanalysiert vor allem den Zusammenhang von Sprache und Handeln und die stillschweigenden Voraussetzungen verbaler und nonverbaler Verständigung. Es ist eine Sammlung von fünf Aufsätzen, die tiefe Einblicke in eine etwa achtjährige Schaffensperiode (1964/65-1972) dieses Ethnomethodologen verleiht.

Im ersten Aufsatz unterzieht Cicourel die soziologisch etablierten Begriffe "Status" und "Rolle" einer erneuten Analyse. Er argumentiert, dass soziale Strukturen wie Status und Rolle auf der Basis kognitiver Prozesse und kontextueller Bedeutungen geschaffen werden. Cicourel macht in diesem Aufsatz (gegen die bis Anfang der 60er Jahre vorherrschende Theorie des Strukturfunktionalismus) deutlich, dass Handeln nicht mit der Befolgung von Normen allein erklärt werden kann, sondern immer Interpretation dieser und anderer Bedingungen des Handelns beinhaltet. Normative Regeln repräsentieren nur eine "oberflächliche Struktur" variierender moralischer Imperative. Die tiefere Ebene, um die es eigentlich geht, sind die sog. "interpretativen Verfahren" ("interpretative procedures")


Der zweite Aufsatz untersucht die Aneignung sozialer Struktur.


Im dritten Aufsatz beschreibt Cicourel, die interpretativen Verfahren, über welche den Interaktionssituationen soziale Bedeutung zugeordnet wird.


Zuletzt schildert Cicourel sein Verständnis von Ethnomethodologie. Er versteht darunter die Untersuchung der Interpretationsverfahren und oberflächigen Regeln in alltäglichen sozialen Praktiken und wissenschaftlichen Aktivitäten.


Thesen

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Cicourel problematisiert das Messen in den Sozialwissenschaften, den Akt der Datenkonstitution, der in der Analogie zu den Naturwissenschaften Objektivität sichern soll. Für ihn seien die Struktur und Logik des Meßverfahrens und die Strukturen des sozialwissenschaftlichen Gegenstandsbereichs inkompatibel.


Literatur

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Internetquellen

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Coleman, James

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Biographie in Daten

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James Samuel Coleman

  • geboren am 12. Mai 1926 Bedford, Indiana, USA
  • gestorben am 25. März 1995 in Chicago, Illinois, USA


  • Vater: James Fox Coleman
  • Mutter: Maurine Coleman, geborene Lappin
  • Geschwister: keine


  • Kinder: Thomas Sedgwick Coleman; John Samuel Coleman; James Stephen Coleman; Daniel Wlodzimierz Coleman
  • 1.Ehe: 1949 Lucille Richey
  • 2.Ehe: 1973 Zdzislawa Walaszek


Ausbildung:

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  • 1944-1946: Studium am Emory & Henry College in Emory, Virginia
  • 1946-1949: Studium an der Purdue University in West Lafayette, Indiana; 1949 B.S. (Chemical Engineering).
  • 1951-1955: Studium der Soziologie an der University of Columbia in New York, N.Y. wurde von Paul F. Lazarsfeld stark beeinflusst.
  • 1955: Ph.D. (Soziologie) an der University of Columbia in New York, N.Y.


Berufliche Daten:

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  • 1949-1951: Chemiker bei Eastman Kodak in Rochester, New York.
  • 1953-1955: Research Associate am Büro für soziale Zweckforchung der Columbia University in New York.
  • 1955-1956: Altassistent am Center für Höhere Studien in der Verhaltensforschung in Palo Alto, California.
  • 1956-1959: Assistenz-Professor der Soziologie an der University of Chicago in Chicago, Illinois.
  • 1959-1973: Mitglied der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland: zuerst außerordentlicher, dann ordentlicher Professor of Social Relations.
  • 1973-1995: Professor der Soziologie an der Universität von Chicago, Illinois.


Andere Tätigkeiten:

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  • 1959: Gründung das Department of Social Relations
  • 1966: Vorsitzender der Commission, die "Equality of Educational Opportunity" veröffentlichte, den sogenannten Coleman Report an den U.S. Congress.
  • 1972-1983 Mitglied des Scientific Advisory Committee von General Motors.
  • 1973-1995: Daneben Director des nationalen Meinungsforschungscenter.
  • 1978/79 und 1988/89: Gastprofessor am Institut für Höhere Studien in Wien.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Coleman war einer jener Soziologen, die den Utilitarismus Herbert Spencer´s als mikroökonomisches, utilitaristisches Paradigma, das den Menschen als rationales, nutzenmaximierendes Wesen annimmt, in die Soziologie übertragen haben. Gemeinsam mit George Homans steht Coleman für diese mikrosoziologische Denkschule, die auch als "Rational- Choice- Ansatz" bezeichnet wird, da das Hauptkriterium ihrer Handlungstheorie die rationale Wahl aus Handlungsalternativen darstellt.

Coleman profitierte von der wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Paul F. Lazarsfeld und dessen methodischen Arbeitsweisen. Ausserdem war er Schüler und Mitarbeiter von Robert K. Merton.

Werke

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  • Community conflict. Glencoe, Ill.: Free Press, 1957.
  • Introduction to mathematical sociology. London-New York, N.Y.: Collier-Macmillan / Free Press of Glencoe, 1964.
  • Models of change and response uncertainty. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall, 1964.
  • Equality of educational opportunity. (A publication of the National Center for Educational Statistics.) [Washington, D.C.]: U.S. Department of Health, Education, and Welfare, Office of Education, 1966, 2 Bände:
Volume 1: Report, 1966.
Volume 2: Supplemental appendix to the survey, 1966.
  • Equality of educational opportunity. (Summary report.) [Washington, D.C.]: U.S. Department of Health, Education, and Welfare, Office of Education, 1966. (Bekannt als "Coleman report on equality of educational opportunity".)
  • The evaluation of equality of educational opportunity. Santa Monica, Calif.: Rand Corporation, 1968.
  • Resources for social change. Race in the United States. New York, N.Y.: Wiley-Interscience, 1971.
  • The mathematics of collective action. Chicago, Ill.: Aldine, 1973.
  • Youth. Transition to adulthood. Report. [Washington, D.C.]: Office of Science and Technology, 1973.
  • Power and the structure of society. New York, N.Y.-London: Norton, 1974.
  • Longitudinal data analysis. New York, N.Y.: Basic Books, 1981.
  • Coleman report on public and private schools. The draft summary and eight critiques. Arlington, Va.: Educational Research Service, 1981.


Das Werk in Themen und Thesen

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James Coleman befasste sich vorallem mit der Anwendung mathematischer Modelle auf das Sozialverhalten und leistete damit einen hervorragenden Beitrag zur Weiterbildung der quantitativen Methodik. Seine Untersuchungen erstreckten sich von der Beschreibung des politischen Pluralismus in der Gewerkschaft, über die Verbreitung von Wissen medizinischer Neuheiten, bis hin zur Frage der Gleichheit der Ausbildungmöglichkeiten in amerikanischen Schulen. Die letztgenannte Arbeit ist als "Coleman- Report" bekannt geworden, der heftige Kontroversen in Kreisen der amerikanischen Sozial- und Erziehungswissenschaften hervorrief. Es handelt sich hierbei um eine Erhebung der EEOS (Equality of Educational Opportunity Survey), die 1964 stattfand. Diese lieferte Informationen zur Leistung von über 600.000 amerikanischen Schülerinnen und Schüler in der Primar- und Sekundarstufe. Die Analyse der Daten dokumentierte die enorme Variation der Leistung von Schülern eines Altersjahrgangs, legte aber zugleich auch die methodischen Probleme einer solchen Erhebung offen. In dieser Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Schulleistung einerseits und ethnischen sowie sozialen Hintergründen andererseits wurde die Schuleffektivität näher beleuchtet.


Rational- Choice- Ansatz

Coleman ist der bekannteste Vertreter der ökonomischen Sozialtheorie. Er erklärt den Großteil der sozialen Phänomene durch Anwendung des ökonomischen Transaktion- Modells. Akteure entscheiden sich zwischen Alternativen durch rationale Wahl, die als Ergebnis den maximalen Nutzen bringt. Soziale Phänomene werden durch ökonomisches Denken in den Kategorien Kosten- Nutzen- Abwägung beschrieben. Die Rational-Choice-Theorie ist somit eine Sozialtheorie aus der ökonomischen Perspektive. Coleman schlägt mit diesem theoretischen Ansatz eine Brücke zwischen Mikro- und Makrosoziologie.


3-Stufen-Modell

Die Colemansche „Badewanne“ bzw. das 3-Stufen Modell beschreibt die reziproke Interaktion der Makro- und der Mikroebene. Die gesellschaftlichen Phänomene (1), die auf der Makroebene verzeichnet sind, beeinflussen das Verhalten der Akteure (2 und 3) auf der Mikroebene. Weiters determiniert dieses Verhalten der Akteure wiederum die Makroebene bzw. die Gesellschaft (4). So kann man ableiten, dass ein Makrophänomen (1) im weiteren Sinne wieder ein anderes Makrophänomen (4) erzeugt, indem es zuerst das Verhalten der Akteure beeinflusst und Randbedingungen generiert, an denen sich die Akteure orientieren (2). Aus dieser Orientierung resultieren die tatsächlichen Handlungen der Akteure (3), die sich dann subsumieren und in der Gestalt neuer Makrophänomene (4) manifestieren.


Beispiel

Anhand Max Webers These der Beziehung zwischen der protestantischen Lehre und dem Kapitalismus zeigt Coleman, durch Anwendung des 3-Stufen Modells, welche Auswirkungen auf der Mikro-, als auch auf der Makroebene erkennbar werden und was der Ursprung dieses Zusammenhangs ist. Die protestantische Religionslehre ist ein Makrophänomen und beinhaltet bestimmte Werte, die auf das Treffen von Entscheidungen des einzelnen Protestanten auf der Mikroebene Wirkung hat, wie hart zu arbeiten oder in Tauschbeziehungen vertrauenswürdig zu sein. Durch Einhalten der gegebenen Werte wird das Verhalten des Individuums positiv gewertet, somit erfolgt also eine Nutzenmaximierung. Wird dieses Verhalten von einer größeren Anzahl von Personen angenommen und erfolgreich angewandt, werden Arbeit und Vertrauenswürdigkeit als Bestandteil des modernen rationalen Kapitalismus institutionalisiert, was bedeutet, dass das Individuum Einfluss auf die Makroebene hat.


Rezeption und Wirkung

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Der Rational- Choice- Ansatz von Coleman ist mit seiner ökonomischen Erklärungweise ein wichtiger Bestandteil der Sozialforschung und Ausgangspunkt für weitere soziologische Theorien. Der deutsche Soziologe Hartmut Esser verbindet den Rational- Choice- Ansatz mit der quantitativen Sozialforschung und vertritt somit eine kausal erklärende Soziologie.

Literatur

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  • Ritzer, George / Goodman, Douglas S. (2003):
    "Sociological theory, 6th edition"
  • Bernsdorf, Wilhelm / Kospe, Horst (1984):
    "Internationale Soziologenlexikon, Band 2, 2., neubearbetete Auflage"
    Stuttgart
  • Kaesler, Dirk / Vogt, Ludgera (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Münch, Richard (2003):
    "Soziologische Theorie, Band 2"
    Frankfurt am Main
  • Oesterdiekhoff, Georg W. (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden
  • Hillmann, Karl-Heinz (1994):
    "Wörterbuch der Soziologie,4., überarbeitete und ergänzte Auflage"
    Stuttgart
  • Kaesler, Dirk (2003):
    "Klassiker der Soziologie,Band 2., 4. Auflage"
    München


Internetquellen

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 James Coleman

Collins, Randall

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Biographie in Daten

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Er wurde 1941 in den USA geboren - wuchs aber im Ausland auf, da sein Vater Offizier im Außenamt war. Seine ersten Kindheitserinnerungen hat er vom zerstörten Berlin am Ende des 2. Weltkrieges - danach war sein Vater (mit der ganzen Familie) in verschieden Orten Deutschlands und auch in Moskau und Südamerika stationiert. "...And we agreed that this experience made us receptive toward the ideas of Erving Goffman, because there’s nothing like the diplomatic world for this stark contrast between what happens on the very formal idealized front stage and what happens back stage." (Auszug aus einem Interview von 2000)


Ausbildung:

  • A.B. Harvard College, 1963
  • M.A. (psychology) Stanford University, 1964
  • M.A. (sociology) University of California, Berkeley, 1965
  • Ph.D. (sociology) University of California, Berkeley, 1969


Anstellungen :

  • Professor of Sociology, University of Pennsylvania, 1997-present
  • Member of the Graduate Group in Comparative Literature, 1999-
  • Member of the Graduate Group in History and Sociology of Science, 1999-
  • Professor, University of California, Riverside, 1985-97; Chair of the Department of Sociology, 1987-89
  • Visiting Professor, Harvard University, fall 1994
  • Visiting Professor, University of Chicago, spring 1985
  • Visiting Professor, University of California, Riverside, winter 1984-winter 1985
  • Visiting Professor, University of Southern California, winter l983
  • Visiting Professor, University of California, Los Angeles, winter 1982
  • Visiting Professor, University of Arizona, Fall 1981
  • Private scholar and author, 1982-85
  • Professor of Sociology, University of Virginia, 1978-82
  • Private scholar and author, 1977-78
  • Assistant and Associate Professor, University of California, San Diego, 1969-77
  • Instructor, University of Wisconsin, Madison, 1968-69
  • Acting Instructor, University of California, Berkeley, 1967-68


"Professional Activities":

  • Member, American Sociological Association
  • Member, Society for Social Studies of Science
  • Member, Pacific Sociological Association
  • Member, American Association for the Advancement of Science
  • Member, History of Science Society
  • Member, Crime Writers’ Association (Great Britain)
  • Member, International Society for Research on Emotion
  • Member, International Network for Social Network Analysis
  • Member, Society for the Scientific Study of Sexuality;
  • Founder and Editor, Theory and Society 1973-75
  • Editor, Sociological Theory 1980-84
  • Consulting Editor, American Journal of Sociology 1976-78, 1990-92.
  • Editorial Board, American Sociological Review 1995-7
  • Associate Editor, Social Forces l979-82
  • Advisory Editor, State, Culture, and Society 1984-
  • Consulting Editor, Knowledge and Society: Studies in the Sociology of Science, 1986-88.
  • Advisory Editor, Sociological Quarterly 1987-89
  • Comité de rédaction, Actes de la recherche en sciences sociales, 1991-
  • Associate Editor, Sociological Perspectives, 1992-
  • Comité de lecture, Enquête: anthropologie, histoire, sociologie, 1995-
  • Editorial Board, Vremia mira (Moscow), 1996-
  • Elected Member, Committee on Nominations, American Sociological Association, 1981-82
  • Distinguished Contribution to Scholarship Award Committee, American Sociological Association, 1981-83
  • Committee on Publications, American Sociological Association, 1980-85
  • Nominations Committee, Theory Section, American Sociological Association, 1987
  • Theory Prize Committee, Theory Section, American Sociological Association, 1987
  • Overseers’ Committee to Visit the Department of Sociology, Harvard University, 1985-88
  • Program Committee, Sociology of Emotions Section of the American Sociological Association, 1988-9
  • Nominations Committee, Sociology of Emotions Section American Sociological Association, 1991-3
  • Chair, Nominations Committee, Pacific Sociological Association, 1993
  • Visiting Professor, Institute for Advanced Studies, Vienna, Austria, 1986
  • Visiting Lecturer, Course in the Science of Organization, Associazione Istituzione Libera
  • Università Nuorese, Nuoro, Sardinia, 1992; 1994; 1996; 1997.
  • Visiting Professor, National Research Course in Sociology, University of Bergen, Norway, 1994.
  • Directeur associé, École des Hautes Études en Sciences Sociales, SHADYC (Sociologie, Histoire, Anthropologie des Dynamiques Culturelles), Marseille, 1995
  • Visiting Research Scholar, Sonderforschungsbereich, Universität Bremen, 1995.
  • Visiting Professor, Short course in Micro-sociology, University of Orebro, Sweden, August 1996.
  • Professeur invité, École Normale Supérieure Paris, March 1997
  • Visiting lecturer, Nankai University, Tianjin, People’s Republic of China, May 2000.
  • Teaching Workshop: Graduate Theory Courses. Annual Meeting of the American Sociological Association, Chicago. August 2002.


Auszeichnungen:

  • Visiting Fellow, Institute for Advanced Study, Princeton, N.J., 1974-75
  • Member of the Center of Advanced Study, University of Virginia, 1978-1982
  • Elected Chair, Theory Section of the American Sociological Association, 1979-80
  • Elected Chair, Sociology of Education Section of the Americal Sociological Association, 1982-83
  • Elected Member, Sociological Research Association
  • Theory Prize, awarded by the Theory Section of the American Sociological Association, 1982, for
  • “Micro-foundations of Macro-sociology,” American Journal of Sociology 1981.
  • Elected Member of Council, American Sociological Association, 1987-90.
  • Elected Fellow of the American Association for the Advancement of Science, 1989.
  • Citation *reads: “For work on the theory of social conflict, and for research on education and stratification, and on the sociology of science.” Fellow, Swedish Collegium for Advanced Study in Social Science, Uppsala, Fall 1989.
  • Paul Hanly Furfey Lecturer, Association for the Sociology of Religion, 1991.
  • Bruce C. Mayhew Memorial Lecturer, University of South Carolina, 1992.
  • President, Pacific Sociological Association, 1992-3.
  • Distinguished Faculty Research Lecturer, University of California, Riverside, 1993.
  • Taft Lecturer, University of Cincinnati, 1994.
  • Distinguished Visiting Professor, Amsterdam School for Social Research, June 1996.
  • Distinguished Paper Award, Sociology of Religion Section, American Sociological Association, 1998, for “An Asian Route to Capitalism: Religious Economy and the Origins of Self-Transforming Growth in Japan,” American Sociological Review 1997.
  • Distinguished Scholarly Publication Award, American Sociological Association, 1999, for The Sociology of Philosophies
  • Association of American Publishers Scholarly Publishing Annual Award in the Category of Sociology and Anthropology, 1999, for The Sociology of Philosophies
  • Fritz Nova Memorial Lecturer, Villanova University, April 2000.
  • Fellow of the American Academy of Arts and Sciences (elected 2000).
  • Pitt Professor of American History and Institutions, University of Cambridge, 2000-2001
  • Vincent Woo Distinguished Visiting Scholar, Lingnan University, Hong Kong, Nov. 2001.
  • Ludwik Fleck Prize, for best recent book, Society for Social Studies of Science, 2002, awarded for The Sociology of Philosophies.


Romane:

  • 1979. The Case of the Philosophers’ Ring. New York: Crown Publishers; British edition, London: Harvester Press, 1980; Spanish edition, Madrid: Valdemar Ediciones, 1989
  • . .... er hat nach eigenen Angaben vor irgendwann nochmal einen Roman schreiben ...sometimes...

Historischer Kontext

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Er erlebte als kleines Kind Europa am Ende des zweiten Weltkriegs hautnah. Berlin war noch voll von Bombenkratern und toten Körpern. Er erlebte auch Moskau am Höhepunkt des Kalten Krieges während der Koreakrieg ausbrach. Er wuchs also in einer Welt voller Gewalt und Machtkämpfe auf und vermutete selber, dass dies in ihm das Interesse an Max Weber entfachte und da besonders der Teil dem in jener Zeit kaum jemand Aufmerksamkeit schenkte - nämlich die Texte von Weber die Machtpolitik behandeln. Er geht davon aus dass auch sein geopolitisches Interesse darin begründet liegt.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Spurred on by an admittedly eclectic reading of Max Weber, Collins insists — in opposition to all presentist myopias — that sociologists with nomological ambitions should turn their attention to variation in the structure and culture of societies over the longue durée of human history and in distancing himself from the tendency of mainstream researchers to embrace — if only in the interests of parsimony — overly simplified models of human action, Collins grounds his theorization in a complex action-theoretical framework that, in his view, takes into consideration the emotional and semiotic contours of human action as these are revealed through phenomenological investigation.

This framework, which revolves around the notion of "interaction ritual chains," marries insights from Goffman and from the Durkheim of The Elementary Forms to produce an image of individuals as strategic pursuers of "emotional energy" whose interactional choices take shape in an interactional economy where solidarity is the unit of exchange.

Rather, they superimpose an analytical focus on moral consciousness onto a broadly Weberian understanding of status group conflict, which Collins sees as a central dynamic in all social life.

Werke

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Publikationen (Bücher) :

  • 1968. State and Society, co-editor with Reinhard Bendix et. al. (Boston: Little, Brown; re-issued, University of California Press, 1974.
  • 1972. The Discovery of Society , with Michael Makowsky. New York; Random House; second edition, 1978; third edition, l983; fourth edition, 1988; fifth edition, 1992; Dutch edition, 1979;
  • Italian Edition, 1980; Japanese edition, 1987; Chinese edition, 2004.
  • 1975. Conflict Sociology: Toward an Explanatory Science. New York: Academic Press; Italian edition, 1981; Japanese edition 1991. Partial translations in Romanian, Korean, and Chinese.
  • 1979. The Credential Society: An Historical Sociology of Education and Stratification. New York: Academic Press; Japanese edition 1984; Spanish edition 1989; Italian edition 1994; Chinese and Portuguese editions forthcoming; partial translation in Serbo-Croatian.
  • 1981. Sociology since Mid-century: Essays in Theory Cumulation. New York, Academic Press; Italian edition 1993.
  • 1982. Sociological Insight: An Introduction to Non-obvious Sociology. New York: Oxford University Press; Japanese edition 1991; Spanish and Chinese editions forthcoming. Second edition 1992.
  • 1985. Three Sociological Traditions. New York: Oxford University Press. Italian edition 1987;Japanese edition 1990. Second edition Four Sociological Traditions 1994. Mexican edition 2000; Japanese edition 1997; Italian edition 1999; Portuguese edition 1999.
  • 1985. Three Sociological Traditions: Selected Readings (edited volume) New York: Oxford University Press. Second edition Four Sociological Traditions: Selected Readings 1994.
  • 1985. Sociology of Marriage and Family: Gender, Love and Property. Chicago: Nelson-Hall. Second edition 1988. Third edition with Scott Coltrane 1991. Fourth edition 1994. Fifth edition 2000.
  • 1985. Max Weber: A Skeleton Key. Beverly Hills: Sage. Japanese edition 1988. Danish edition 2000.
  • 1986. Weberian Sociological Theory. Cambridge and New York: Cambridge University Press.
  • 1988. Theoretical Sociology. San Diego: Harcourt, Brace, Jovanovich. Italian edition 1992; India edition 1996.
  • 1998. The Sociology of Philosophies: A Global Theory of Intellectual Change. Cambridge: Harvard University Press. Russian edition 2002. Chinese edition 2004. Italian, Chinese and Spanish editions forthcoming. - (Eine global angelegte wissenssoziologische Analyse über Entwicklungen der Philosophie in Asien und Europa von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert.)
  • 1999. Macro-History: Essays in Sociology of the Long Run. Stanford: Stanford University Press.
  • 2002. co-editor with Mauro Guillen, Paula England, Marshall Meyer. The New Economic Sociology: Developments in an Emerging Field. New York: Russell Sage Foundation.
  • 2004. Interaction Ritual Chains. Princeton University Press.


in Arbeit:

  • Violent Conflict: A Micro-Sociological Theory with Macro-sociological Extensions.


Artikel und Mitarbeiten in Büchern:

  • 1965. “Facilitation as a Function of Temporal Spacing of Stimuli in Intracranial Selfstimulation,” with J.A. Deutsch. Nature 208: 592-93.
  • 1966. “A Comparative Study of Academic Freedom and Student Politics,” with J. Ben-David, Comparative Education Review 10: 220-249.
  • 1966. “Social Factors in the Origins of a New Science: the Case of Psychology,” with J. Ben-David, American Sociological Review 31: 451-465. Reprinted in Bobbs-Merrill series and elsewhere.
  • 1968. “A Comparative Approach to Political Sociology,” in R. Bendix et.al. (eds.), State and Society. Boston: Little, Brown, 42-67.
  • 1968. “Competition and Social Control in Science,” Sociology of Education 41: 123-140. Reprinted in Bobbs-Merrill series.
  • 1971. “Functional and Conflict Theories of Educational Stratification,” American Sociological Review 36: 1002-1019. Reprinted in Warner Module series and elsewhere. Translations into Italian and Japanese.
  • 1971. “A Conflict Theory of Sexual Stratification,” Social Problems 19: 3-21. Reprinted in H.P. Drietzel (ed.). Recent Sociology #4. New York: Macmillan, 1972, and elsewhere.
  • 1974. “Reassessments of Sociological History: the Empirical Validity of the Conflict Tradition,” Theory and Society 1: 147-178.
  • 1974. “Where are Educational Requirements for Employment Highest?” Sociology of Education 47: 419-442.
  • 1974. “Three Faces of Cruelty: Towards a Comparative Sociology of Violence,” Theory and Society 1: 415-440.
  • 1974. “The Basics of Conflict Theory, Conflict Sociology”. New York: Academic Press, pp.56-61.
  • 1975. “Outline of Organizations in Conflict Sociology, "Organizations" in Conflict Sociology: Toward an Explanatory Science”. New York: Academic Press.
  • 1976. “Educational Credentialism and the Future of Social Inequality,” The Center Magazine 9 (November/December), 66-74.
  • 1977. “Some Comparative Principles of Educational Stratification,” Harvard Educational Review 47: 1-27. Serbo-Croatian translation: “Usporedno Istrazivanje Principa Obrazovne Stratifikacije,” in Sergej Flere (ed.), Proturjecja Suvremenog Obrazovanja. Zagreb, 1986.9
  • 1978. “Some Principles of Long-term Social Change: the Territorial Power of States,” in Louis Kriesberg (ed.), Research in Social Movements, Conflicts, and Change, Vol. 1. Greenwich, Conn.: JAI Press, 1-34.
  • 1979. “Erving Goffman and the Development of Modern Social Theory,” in Jason Ditton (ed.). The View from Goffman. London: Macmillan.
  • 1979. “The Late Twentieth-Century Credential Crisis, The Credential Society”. New York: Academic Press, pp. 191-204.
  • 1980. “Weber’s Last Theory of Capitalism: A Systematization,” American Sociological Review 45: 925-942.
  • 1981. “On the Micro-foundations of Macro-sociology,” American Journal of Sociology 86: 984-1014. Winner of the Theory Prize of the Theory Section, American Sociological Association, *l982. German translation in Hans-Peter Müller and Steffen Sigmund (eds.), Zeitgenössische amerikanische Soziologie. Opladen: Leske & Budrich, 2000.
  • 1981. “Micro-translation as a Theory-building Strategy,” in Karin Knorr-Cetina and Aaron V. Cicourel (eds.), Advances in Social Theory and Methodology: Towards an Integration of Micro- and Macro-sociology. London: Routledge and Kegan Paul, 81-108.
  • 1981. “The Comparative Sociology of Philosophy: Oriental Materials,” International Society for the Sociology of Knowledge Newsletter 7 (May) 29-32.
  • 1981. “Does Modern Technology Change the Rules of Geopolitics?” Journal of Political and Military Sociology 9: 163-177.
  • 1982. “Mathematics and Civilization,” with Sal Restivo. The Centennial Review 26: 277-301.
  • 1982. “Fluttuazioni e crisi dei mercati delle credenziali educative,” in Fanny S. Cappello, Marcello Dei, and Maurizio Rossi (eds.), L’immobilita Sociale: Stratificazione Sociale e Sistemi Scolastici. Bologna: Il Mulino, 27-52.
  • 1983. “Robber-barons and Politicians in Mathematics: A Conflict Model of Science,” with Sal Restivo. Canadian Journal of Sociology 8: 199-227.
  • 1983. “The Weberian Revolution of the High Middle Ages,” in Albert James Bergesen (ed.) Crises in the World System. Beverly Hills: Sage, 205-226.
  • 1983. “Upheavals in Biological Theory Undermine Sociobiology,” Sociological Theory 1983. San Francisco: Jossey-Bass, 306-18.
  • 1983. “Conflicts and Developments in the Sociology of Science,” with Sal Restivo. The Sociological Quarterly 24: 185-200.
  • 1983.”Micro-methods as a Basis for Macro-sociology,” Urban Life 12: 184-202.10
  • 1983. “Alienation: Micro or Macro?” Western Sociological Review 14: 16-26. Italian translation: “Alienazione: Micro o Macro?” Studi di Sociologia 22 (1984): 109-126.
  • 1984. “Statistics versus Words”. Sociological Theory 1984. San Francisco: Jossey-Bass, 329-62.
  • 1984. “Riflessioni sul passagio delle generazioni intellectuali,” Rassegna Italiana di Sociologia 25: 351-368. Translation: “Reflections on the Death of Erving Goffman.” Sociological Theory 1986) 4: 106-113.
  • 1984. “The Role of Emotion in Social Structure” In: Ekman, Paul / Scherer, Klaus R. / Erlbaum, Lawrence [1984] Approaches to Emotion, Chapter 18 New Jersey London
  • 1985. “The Mega-historians,” Sociological Theory 3: 114-122.
  • 1986. “Is 1980s Sociology in the Doldrums?” American Journal of Sociology 91: 1336-55.
  • 1986. “Three Sociological Traditions: On Creating the Future while Creating the Past.” In James S. Coleman, Siegwart Lindenberg, and Stefan Nowak (eds.), Approaches to Social Theory. Yew York: Russell Sage Foundation.
  • 1986. “The Borkenau Thesis and the Rise of the West.” Sociological Forum 1: 379-388.
  • 1986. “A Dynamic Simulation of Marx’s Model of Capitalism.” (with Robert Hanneman.) in Norbert Wiley (ed.), The Marx/Weber Debate. Beverly Hills: Sage Publications.
  • 1986. “Historical Perspectives on Religion and Regime: Some Sociological Comparisons of Buddhism and Christianity.” In Jeffrey K. Hadden and Anson Shupe (eds.), Prophetic Religions and Politics. New York: Paragon House.
  • 1986. “Sociology as the Land of Oz.” California Sociologist 9 :33-57.
  • 1987. “Looking Forward or Looking Back?: Reply to Denzin.” American Journal of Sociology 93: 180-84.
  • 1987. “A Micro-Macro Theory of Creativity in Intellectual Careers: the Case of German Idealist Philosophy.” Sociological Theory 5: 47-69.
  • 1987. “Schließungsprozesse und die Konflikttheorie der Professionen.” Österreichische Zeitschrift für Soziologie 12, No. 2: 46-60. Translation: “Market Closure and the Conflict Theory of the Professions,” in Michael Burrage and Rolf Torstendahl (eds.), Professions in Theory and History: Rethinking the Study of the Professions in Europe and North America. London: Sage, 1990, 24-43.
  • 1987. “Interaction Ritual Chains, Power and Property.” In Jeffrey C. Alexander (ed.), The Micro-Macro Link. Berkeley: University of California Press.
  • 1988. “Theoretical Continuities in Goffman’s Work.” In Paul Drew and Anthony Wooton (eds.), Erving Goffman: Exploring the Interaction Order. Oxford: Polity Press. 11
  • 1988. “The Durkheimian Tradition in Conflict Sociology.” In Jeffrey C. Alexander (ed.), Durkheimian Sociology. New York: Cambridge University Press.
  • 1988. “Women and Men in the Class Structure.” Journal of Family Issues 9: 27-50. Reprinted in Rae Lesser Blumberg (ed.), Gender, Family and Economy. Newbury Park, CA: Sage, 1990; revised version in Michele Lamont and Marcel Fournier (eds.), Cultivating Differences: Symbolic Boundaries and the Making of Inequality. Chicago: University of Chicago Press,
  • 1992. Translation: “Femmes, stratification sociale et production de la culture.” Sociologie et Sociétés 21 (1989): 27-45.
  • 1988. “The Micro Contribution to Macro Sociology.” Sociological Theory 6 (Fall): 242-53.
  • 1988. “Toward a Micro Theory of Structuring,” with Jonathan H. Turner. In Jonathan H.Turner (ed.), Theory-Building in Sociology. Newbury Park, Ca.: Sage: 118-130.
  • 1988. “For a Sociological Philosophy.” Theory and Society 17: 669-702.
  • 1989. “Sociology: Pro-Science or Anti-Science?” American Sociological Review 53: 124-139. Russian translation in Thesis No. 4, 1994.
  • 1989. “Toward a Neo-Meadian Sociology of Mind.” Symbolic Interaction 12: 1-31. “Response” [to commentaries on the preceeding] Symbolic Interaction 12: 111-119.
  • 1989. “Sociological Theory, Disaster Research, and War.” In Gary Kreps (ed.), Social Structure and Disaster: Conception and Measurement. University of Delaware Press, 365-385. Revised version: “Violent Conflict and Social Organization: Some Theoretical Implications of the Sociology of War.” Amsterdams Sociologisch Tijdschrift 16 (1990): 63-87. Translation in J.Goudsblom (ed.), Hoofstukken uit de sociologie, Amersterdam University Press, 1995.
  • 1989. “Toward a Theory of Intellectual Change: the Social Causes of Philosophies.” Science, Technology and Human Values 14: 107-140.
  • 1989. “Future Organizational Trends of the ASA” u 17 (No. 6, September): 1-6. with J. McCarthy, M. Meyer, P. Oliver, and J. Turner. [Newsletter of the American Sociological Association]
  • 1990. “Stratification, Emotional Energy, and the Transient Emotions.” in Theodore D. Kemper (ed.), Research Agendas in the Sociology of Emotions. Albany: SUNY Press, 27-57.
  • 1990. “Webers tes nygranskad: religios kapitalism i Kina,” Sociologisk Forskning 14: 6-19. [Swedish]
  • 1990. “Changing Conceptions in the Sociology of the Professions.” In Michael Burrage and Rolf Torstendahl (eds.), Knowledge, State and Strategy. The Formation of Professions in Europe and North America. London: Sage, 11-23. 12
  • 1990. “Conflict Theory and the Advance of Macro-Historical Sociology.” In George Ritzer (ed.), Frontiers of Social Theory. New York: Columbia University Press, 68-87. Translation: in Filosofskaia i Sotsiologicheskaia Mysl [Russian]
  • 1990. “The Dimensions of Micro-interaction.” American Journal of Sociology 96: 32-68 (with Theodore Kemper).
  • 1990. “Market Dynamics as the Engine of Historical Change.” Sociological Theory 8: 111-35.
  • 1990. “The Organizational Politics of the ASA.” The American Sociologist 21: 311-5.
  • 1991. “Historical Change and the Ritual Production of Gender.” in Joan Huber (ed.), Micro-Macro Linkages in Sociology. Newbury Park CA: Sage, pp. 109-120.
  • 1991. “Implicaciones Ontologicas del Teoria del Conflicto: La Energia Emocional de los Rituales de Interaccion y el Culto a la Voluntad.” In Teresa Gonzalez de la Fe (ed.), Sociologia. Unidad y Diversidad. Madrid: Servicio de Publicaciones del Consejo Superior de Investigaciones Cientificas, pp. 93-116.
  • 1991. “Las Cadenas Rituales de Interaccion y la Produccion del orden Social Estratificado.” In Teresa Gonzalez de la Fe (ed.), Sociologia. Unidad y Diversidad. Madrid: Servicio de Publicaciones del Consejo Superior de Investigaciones Cientificas, pp. 223-232.
  • 1991. “The Confusion of the Modes of Sociology” in Steven Seidman and David G. Wagner (eds.), Postmodernism and Social Theory. Oxford: Basil Blackwell, pp. 179-198.
  • 1991. “Altruism and Culture as Social Products.” Voluntas 2, No. 2: 1-16. (with Neal Hickman)
  • 1992. “The Romanticism of Agency/Structure versus the Analysis of Micro/Macro.” Current Sociology 40, No. 1: 77-97.
  • 1992. “Conflict Theory.” The Encyclopedia of Sociology. New York: Macmillan: 288-90.
  • 1992. “On the Sociology of Intellectual Stagnation: The Late Twentieth Century in Perspective.” Theory, Culture and Society 9: 73-96.
  • 1992. “Thoughts in Slow Motion.” Times Higher Education Supplement [London] June 26 (pp. 15, 17).
  • 1992. “What Theories Predicted the State Breakdowns and Revolutions of the Soviet Bloc?” (with David Waller). In Louis Kriesberg (ed.), Research in Social Movements, Conflicts and Change. Vol. 14: 31-47. German translation in Hans Joas and Martin Kohli (eds.), Der Zusammenbruch der DD: Frankfurt: Suhrkamp.
  • 1992: “The Rise and Fall of Modernism in Religion and Politics.” Acta Sociologica 35: 171-86. 13
  • 1992. “The Geopolitical and Economic World-systems of Kinship-based and Agrarian-coercive Societies.” Review 15 (summer): 373-88. Russian translation in Vremia Mira 2001: 462-476.
  • 1992. “Weber's Last Theory of Capitalism: A Systematization” In: Granovetter, Mark / Swedberg, Richard [1992] The Sociology of Economic Life, Chapter 3. Westview Press.
  • 1992. Foreword In: Hilbert, Richard A. [1992] The Classical Roots of Ethnomethodology: Durkheim, Weber and Garfinkel. University of North Carolina Press.
  • 1993. “The Rationality of Avoiding Choice.” Rationality and Society 5: 58-67.
  • 1993. “Emotional Energy as the Common Denominator of Rational Choice.” Rationality and Society 5: 203-230.
  • 1993: “Maturation of the State-centered Theory of Revolution and Ideology.” Sociological Theory 11 (March): 117-28.
  • 1993: “Toward an Integrated Theory of Gender Stratification” Sociological Perspectives 36 (Fall): 185-216. (with Janet Chafetz, Rae Lesser Blumberg, Scott Coltane, and Jonathan Turner).
  • 1993: “What Does Conflict Theory Predict about America’s Future?” Sociological Perspectives 36: 289-313.
  • 1993: “Ethical Controversies of Science and Society: a Relation between Two Spheres of Social Conflict.” in Thomas Brante, Steve Fuller and William Lynch (eds), Controversial Science. Albany NY: SUNY Press, pp. 301-17.
  • 1993. “Quattro macrostrutture in conflitto.” in Paolo Ammassari (ed.), Talcott Parsons e La Tradizione Sociologica in Europa Occidentale e Nel Nord-America. Napoli: Guida Editori, pp. 135-172.
  • 1993: “Heroizing and Deheroizing Weber.” Theory and Society 22: 861-70.
  • 1993. “Liberals and Conservatives, Religious and Political: A Conjuncture of Modern History” In: Sociology of Religion 54(2):127.
  • 1994. “Did Social Science Break Down in the 1970s?” (with David Waller). In Jerald Hage (ed.), Formal Theory in Sociology: Opportunity or Pitfall? Albany: State University of New York Press, pp. 15-40.
  • 1994: “The Geopolitics of Ethnic Mobilization: Some Theoretical Projections for the Old Soviet Bloc”. (with David V. Waller) in John H. Moore (ed.), Legacies of the Collapse of Marxism. Arlington VA: George Mason University Press, pp. 79-104.
  • 1994. “Why the Social Sciences Won’t Become High-Consensus, Rapid-Discovery Science.” Sociological Forum 9: 155-77. Reprinted in Stephen Cole (ed.) What’s Wrong with Sociology? Princeton: Princeton University Press (forthcoming).
  • 1995. “German-Bashing and the Theory of Democratic Modernization.” Zeitschrift für Sociologie 24: 1-19. Dutch translation: Amsterdams Sociologisch Tijdschrift 21 (1995).
  • 1995. “Prediction in Macro-sociology: the Case of the Soviet Collapse.” American Journal of Sociology 100: 1552-93. 14
  • 1995. “Introduction.” to Max Weber, The Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism. Los Angeles: Roxbury.
  • 1995: “Discovering Theory Dynamics by Computer Simulation: Experiments on State Legitimacy and Imperialist Capitalism.” (with Robert A. Hanneman and Gabriele Mordt) Sociological Methodology 25: 1-46.
  • 1995: “Les traditions sociologiques.” Enquête: anthropologie, histoire, sociologie 2: 11-38.
  • 1996. “Can Rational Action Theory Unify Future Social Science?” in Jon Clark (ed.), James S. Coleman. London: Falmer Press, pp. 329-43.
  • 1996. “Disasters, Natural and Man-Made: Sociological Reflections on Kobe and Hiroshima.” Kobe Law Journal 45: 809-26.
  • 1997. “Stark and Bainbridge, Durkheim and Weber: Theoretical Comparisons.” in Lawrence A. Young (ed.), Rational Choice Theory and Religion. Routledge.
  • 1997 “An Asian Route to Capitalism: Religious Economy and the Origins of Self-Transforming Growth in Japan” American Sociological Review 62 (Dec.): 843-65.
  • 1997. “The Transformation of Philosophy.” in Johan Heilbron, Lars Magnusson, and Björn Wittrock (eds.), The Rise of the Social Sciences and the Formation of Modernity. Kluwer.
  • 1997. “A Sociological Guilt Trip: Comment on Connell.” American Journal of Sociology 106: 1558-64.
  • 1998. “The Sociological Eye and its Blinders.” Contemporary Sociology 27 (Jan.): 2-7.
  • 1998. “Democratization in World-Historical Perspective.” In Ralph Schroeder, ed. Weberian Political Sociology: Democracy, Nationalism and Modernization. London: Macmillan.
  • 1998. “Modelling Interaction Ritual Theory of Solidarity.” (with Robert Hanneman). in Patrick Doreian and Tom Farraro (eds.) The Problem of Solidarity: Theories and Models. Gordon and Breach.
  • 1999. “Capitalism.” Encyclopedia of Political Revolutions. Jack Goldstone, Editor. Washington D.C.: Congressional Quarterly Books.
  • 1999. “The European Sociological Tradition and Twenty-First Century World Sociology.” In Janet Abu-Lughod (ed.), Sociology for the Twenty-first Century. Chicago: University of Chicago Press.
  • 1999. “Applying Contemporary Religious Sociology to Early Christianity.” Religious Studies Review 25 (April): 136-139. 15
  • 1999. “Socially Unrecognized Cumulation.” American Sociologist 30 (summer): 41-61.
  • 1999. “The Golden Age of Macrohistorical Sociology.” [in Russian translation] in Nikolai Rozov (ed.), Vremia Mira. Novosibirsk.
  • 2000. “Situational Stratification: A Micro-macro Theory of Inequality.” Sociological Theory 18: 17-43. Chinese translation 2002.
  • 2000. “Vier Makro-Strukturen von Konflikten.” In Dieter Bogenhold (ed.), Moderne Amerikanische Soziologie, Stuttgart: Universitäts-taschenbucher (Lucius & Lucius). 99-134.
  • 2000. “Comparative and historical patterns of education.” In Maureen T. Hallinan (ed.), Handbook of the Sociology of Education. New York: Kluwer Academic/Plenum Publishers, 213-239.
  • 2000. “The Sociology of Philosophies: a Précis.” Philosophy of the Social Sciences 30: 157-201.
  • 2000. “Reply to Reviewers and Symposium Commentators.” Philosophy of the Social Sciences 30: 300-326.
  • 2000. “Reflexivity and Embeddedness in the History of Ethical Philosophies.” in Martin Kusch (ed.), The Sociology of Philosophical Knowledge. New Synthese Historical Library, Kluwer Publishers.
  • 2000: “The Multidimensionality of Social Evolution and the Historical Pathways of Asia and the West.” Amsterdams Sociologisch Tijdschrift 26; also in Iranian Social Science Journal
  • 2000. “Predictions of Geopolitical Theory and the Modern World-System,” in Georgi M. Derluguian and Scott L. Greer (eds.), Questioning Geopolitics: Political Projects in a Changing World-System. (with David Waller), Praeger Publishers, 51-68.
  • 2000. Über die mikrosozialen Grundlagen der Makrosoziologie in "Zeitgenössische amerikanische Soziologie" Hans-Peter Müller/Steffen Sigmund (Leske + Budrich, Opladen 2000)
  • 2000. Collins R. & Walter, David V.: Predictions of Geopolitical Theory and the Modern World-System In: Derluguian, Georgi M. / Greer, Scott, L.: Questioning Geopolitics: Political Projects in a Changing World-System, Chapter 4. Westport/London: Praeger.
  • 2000. “The Multiplie Fronts of Economic” Sociology Editorial essay in the Economic Sociology Section of the ASA
  • 2001. “Social Movements and the Focus of Emotional Attention.” In Jeff Goodwin, James M. Jasper, and Francesca Polletta (eds.), Passionate Politics: Emotions and Social Movements. Chicago: University of Chicago Press
  • 2001. “Ethnic Change in Macro-Historical Perspective.” In Elijah Anderson and Douglas S. Massey (eds.), The Problem of the Century: Racial Stratification in the United States. New York: Russell Sage.
  • 2001. “Emotion as Key to Reconstructing Social Theory.” In Jack Barbalet and Margot Lyon (eds.), Emotion in Social Theory: Cross-disciplinary Perspectives. Boulder, CO: Rowman and Littlefield.
  • 2001. “Weber and the Sociology of Revolution.” Journal of Classical Sociology 2: 171-194. 16
  • 2001. “Civilizations as zones of prestige and social contact.” International Sociology 16: 421-437.
  • 2002. “On the Acrimoniousness of Intellectual Disputes.” Common Knowledge 8: 47-70.
  • 2002. “Geopolitics in an Era of Internationalism.” Social Evolution and History Journal vol. 1
  • 2002. Rössel, Jörg and Randall Collins: “Conflict Theory and Interaction Ritual: the Microfoundations of Conflict Theory.” In Jonathan Turner (ed.), Handbook of Sociological Theories. New York: Plenum Publishers.
  • 2002. “Introduction.” with Mauro Guillen, Paula England, Marshall Meyer. in The New Economic Sociology: Developments in an Emerging Field. New York: Russell Sage Foundation.
  • 2002. “Credential Inflation and the Future of Universities.” In Steve Brint (ed.), The Future of the City of Intellect. Stanford: Stanford University Press. Excerpted in Chronicle of higher Education, Sept. 2002.
  • 2002. “Black’s Contributions to a General Theory of Conflict.” [review essay] Contemporary Sociology 31: 655-58.
  • 2003. “A Network-location Theory of Culture.” Sociological Theory 21: 69-73.
  • 2003. “Fuller, Kuhn, and the Emergent Attention Space of Reflexive Studies of Science.” Social Epistemology 17: 145-150.
  • 2003. “Interaction rituals and sociological explanation of intellectual creativity.” [in Russian] Komparitivistika 2: 33-57.
  • 2003. “Sociology and Philosophy.” in Craig Calhoun, Chris Rojek, and Bryan Turner (eds.) International Handbook of Sociology. London: Sage.
  • 2004. “The Durkheimian Movement in France and in World Sociology.” in Jeffrey Alexander and Phil Smith (eds.) The Cambridge Companion to Durkheim. Cambridge Univ. Press.
  • 2003. “Mann’s Transformation of the Classical Sociological Traditions.” In John A. Hall and Ralph Schroeder (eds.), An Anatomy of Power: The Social Theory of Michael Mann. Cambridge Univ. Press.
  • 2004. “Rituals of solidarity and security, and processes of mass hysteria, in the wake of terrorist attack.” Sociological Theory 22: 53-87.
  • 2004. “Lenski’s power theory of economic inequality: a central neglected question in stratification research.” Sociological Theory 22: 219-228. 17
  • 2004. “Commonality and Divergence of World Intellectual Structures in the Second Millenium CE.” in Immanuel Wallerstein (ed.), The Modern World-System in the Longue Durée. Boulder CO: Paradigm Publishers.


von ihm empfohlenes Werk für jeden Soziologen:

Ulysses von James Joyce woraus den meisten ja nur der Bloomsday bekannt ist


Sekundärliteratur:

  • Jörg Rössel, 1999: “Konflikttheorie und Interaktionsrituale. Randall Collins' Synthese von Emotionssoziologie und Konflikttheorie.” Zeitschrift für Soziologie 28: 23 - 43.


Das Werk in Themen und Thesen

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Für Collins ist der Konflikt notwendige Konsequenz der natülichen Ungleichheit der Macht. Diese Ungleichheit werde verursacht durch:

  • die Arbeit, durch welche die Gesellschaft in Klassen geteilt wird
  • das soziale Umfeld
  • die Politik, in der sich verschiedene Parteien gegenüberstehen.

Courses taught: Sociological theory, social conflict, stratification, economic and network sociology, formal organizations, micro-sociology, sociology of emotions, sociology of eligion, sociology of science, sociology of culture, social change, historical/comparative sociology, qualitative methods, introductory sociology, literary theory.

Not content, however, to remain within the confines of action theory, Collins has mobilized the notion of interaction ritual chains to explore a wide-range of macro topics, from the structure of organizations to the geo-political situations of states, from social stratification to long-term developments in philosophical thought.

Rezeption und Wirkung

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Er wird als führender Theoretiker der Konfliktheorie bezeichnet, der sich einerseits auf Karl Marx bezieht, andererseits die Soziologie von Max Weber erweitert und außerdem an Émile Durkheim anschließt.

Randall Collins is widely regarded as a leading figure in contemporary sociological theory. Eschewing interpretivist visions of the sociological project, Collins is an unabashed advocate of positivism and attempts, in his theoretical work, to formulate "generalized, causal, empirical explanations" for social phenomena.

Comte, Auguste

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Biographie in Daten

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Comte Isidore Marie Auguste François Xavier


  • Geboren am 19. Januar 1798
  • Gestorben am 5. September 1857


  • Geburtsort: Montpellier, im südwesten Frankreichs
  • Eltern: katholisch monarchisch gesinnt, Vater: mittlerer Beamter der Steuerkasse


  • 1807-1814: Gymnasium mit Internat
  • 1814-1816: Studium an der Ecole Polytechnique
  • 1817: Sekretär von Saint-Simon
  • 1819-1825: Herausgabe einiger Zeitschriften und Bücher
  • 1825: Heirat mit Caroline Massin
  • 1826: Vorlesungen über die „Philosophie positive“
  • 1826-1827: Nervenkrise, Nervenheilanstalt, Selbstmordversuch
  • 1829-1842: Comte schreibt verschiedene Bücher, hält Vorlesungen
  • 1842: Trennung von seiner Frau
  • 1844: lernt Comte Clotilde de Vaux kennen und verliebt sich in sie, sie will jedoch nur Freundschaft
  • 1846: Clotilde de Vaux stirbt
  • 1848: Gründung der positivistischen Gesellschaft [1]


Historischer Kontext

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Comte wuchs in einer katholischen Familie auf. Seine Eltern waren überzeugte Christen, der Glaube war nicht nur unreflektierte Tradition. Sie konnten nicht kirchlich heiraten, weil viele Priester geflohen waren und die Kirchen weltlichen Zwecken gewidmet wurden, oder in den Händen neuer revolutionärer Bekenntnisgemeinschaften waren. In Montpellier herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände zwischen königstreuen und revolutionären Strömungen. Die kleinbürgerlich-kleinliche Lebensauffassung bringt Comte in Widerspruch mit jener seiner seiner Familie. Comte findet in Daniel Encontre, einem protestantischen Mathematiklehrer ein Vorbild für sein Denken und Unterrichten. Auch viele seiner weiteren Lehrer beeinflussten ihn nachhaltig, so zum Beispiel: Petit, Thenard, Poisson und Ampere, allesamt hervorragende Wissenschaftler ihrer Zeit. Bei seinen Studien lernt Compte ein Weltbild kennen, in dem Gott und Übernatürliches keinen Platz mehr haben. Nur was mit der Naturwissenschaft begreifbar und erklärbar ist hat auch Wert. In späteren Schriften ändert sich seine Einstellung.

Das Denken Comtes ist geprägt von einer geschichtlich gesellschaftlichen Krise. Die französische Revolution und die Versuche, wieder zu einer sozialen Ordnung zu gelangen spielten eine wichtige Rolle. Comte sagt es gibt zwei grundlegende Kräfte, die nebeneinander beziehungsweise gegeneinander wirken. Die eine Kraft will soziale Auflösung und politische und moralische Anarchie. Die andere Kraft will einen geordnet-endgültigen sozialen Zustand der Menschheit. Das Problem besteht für Compte im gleichzeitigen Wirken dieser beiden Kräfte. Er stellt fest, dass die Zerstörung des theologischen Systems bereits weit fortgeschritten ist, jedoch ohne dass ein neues System des Denkens und der Sozialordnung installiert wurde.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Buchholz ist ein wichtiger Denker dieser Zeit und geht wie Comte in eine Richtung der positiven Philosophie. Comte wird auf Kant und Hegel aufmerksam. Wichtige Vorläufer waren Hume, Condorcet, de Maistre, Bichat und Gall und noch einen Schritt weiter zurück Bacon, Descartes, Leibnitz und Thomas von Aquin.


Werke

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Hauptwerke:

  • 1822: Opuscule fondamentale oder auch Premier système de politique positive
  • 1830-1842: Cours de philosophie positive (sechs Bände)
  • 1851-1854: Système de politique positive (vier Bände)
  • 1852: Catéchisme positiviste
  • 1855: Appel aux conservateurs

Comte hat auch einige Aufsätze, Briefe und kleinere Werke geschrieben, wie beispielsweise Discours sur l'esprit positif, séparation generale entre les opinions et les désirs u.v.m.

Das Werk in Themen und Thesen

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Comte ist der Meinung, dass die öffentliche Moral verfällt, wenn keine allgemeinen Maximen beachtet werden. Es braucht gemeinsam geteilte, moralische und kognitive Orientierungen, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten. Meinungsstreit und Divergenz herrschen deshalb, weil drei miteinander unverträgliche Denkweisen (die theologische, die metaphysische und die positive) nebeneinander angewendet werden. Die Krise entstand, Comtes Ansicht nach, historisch, weil das mittelalterliche Nebeneinander von weltlicher und spiritueller Macht zerstört und jeglicher spiritueller Autorität Absage erteilt wurde.

Nach Comte mangelt es den modernen Gesellschaften nicht nur an allgemein gültigen Orientierungen und Maximen, sondern es fehlt ihnen auch an einer selbständigen spirituellen beziehungsweise geistigen Macht, die diese Orientierungen und Maximen vertreten und lehren könnte.

Die Lösung des Problems sieht Comte in einer neuen Doktrin, in einem neuen „Code von politischen und moralischen Anschauungen“, der von allen sozialen Klassen angenommen und akzeptiert werden kann. Ein neuer Geist, der das Ende des revolutionären Zustandes herbeiführen sollte. Dieser neue Geist muss mit wissenschaftlichen Mitteln entworfen werden. Politische und soziale Phänomene müssen nach naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden. Politik muss nach Art der Physik behandelt werden. Die positive Philosophie wird die geistige und moralische Integration der Gesellschaft erbringen. Diesem „Neuen Geist“ schreibt Comte eine erlösende Funktion zu, er wird die Revolution beenden und ein ruhiges geordnetes Zusammenleben ermöglichen. Erst wenn diese neue Doktrin durchgesetzt ist, kann nach Comte an eine Änderung des Regierungssystems, also an eine Erneuerung der Institutionen gedacht werden.

Compte ist darüber hinaus bekannt für das „Dreistadiengesetz“. Demzufolge durchläuft das menschliche Denken, (die Vorstellung und die Erkenntnis nacheinander), drei Stadien. Zu Beginn steht das theologische beziehungsweise fiktive Stadium, dann das metaphysische beziehungsweise abstrakte Stadium, um schließlich das wissenschaftliche beziehungsweise positive Stadium zu erreichen.

In späteren Jahren tritt Comte nicht mehr als Begründer der Soziologie, sondern als Begründer der Religion der Humanitè und als Hohepriester der Glaubensgemeinschaft auf. Es erfolgt eine umfassende Systematisierung aller Aspekte der menschlichen Existenz, Gefühle und Liebe spielen eine dominierende Rolle.

Rezeption und Wirkung

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Comtes Stil wirkt umständlich und „unelegant“. Er verwendet lange Satzkonstruktionen und stellt alles äußerst umfänglich und vollständig dar. Die zögernde Rezeption von Comtes Schriften wird auf die „Breite und Schwerfälligkeit, ja Verschwommenheit“ ihrer Darstellung zurückgeführt. Dies wurde auch von seinen Zeitgenossen des öfteren kritisiert. Für viele von ihnen pendelte Comte zwischen Genie und Wahnsinn. Stuart Mill stellte ihn beispielsweise auf eine Ebene mit Größen wie Descartes und Leibnitz.

Dogmengeschichtlich gilt Comte bis heute als wichtig. Nach Arnaud ist er aus der Mode gekommen ohne jemals in Mode gewesen zu sein. Die Soziologie hat sich hauptsächlich mit dem ersten Teil seines Werkes beschäftigt, obwohl auch das Spätwerk durchaus soziologisch relevante Gedanken enthält.

Der Positivismus ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer weltweiten Bewegung geworden. Der Gedanke, dass der soziale Fortschritt auf Wirklichkeitsorientierung und Verzicht auf Spekulation in den Wissenschaften angewiesen sei, fand eine breite Gefolgschaft. Comtes Gedanke, dass gesellschaftliche Vorgänge mittels der Soziologie als Wissenschaft berechenbar und planbar werden hat sich in den Sozialwissenschaften durchgesetzt. Comte behauptete mit der von ihm entwickelten Soziologie, die Krisen der Gesellschaft beheben zu können. Auch die Soziologie heutzutage begründet vor der Öffentlichkeit ihre Existenz damit, dass mit dem von ihr bereitgestellten Wissen die Krisen des sozialen Lebens gelöst werden können.

Emile Durkheim ist ein begeisterter Anhänger von Comte und Saint-Simon. Die von Mill und Littrè vorgenommene Teilung von Comtes Schriften in ein wissenschaftlich bedeutsames Hauptwerk und ein religiös versponnenes Spätwerk hat sich in der Rezeption durchgesetzt.


Literatur

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  • Aron, R. (1979):
    "Hauptströmungen des klassischen soziologischen Denkens"
    Reinbek bei Hamburg
  • Fuchs-Heinritz, W. (1998):
    "Auguste Comte"
    Opladen/Wiesbaden
  • Repplinger, R. (1997):
    "Zu Auguste Comtes Krisendiagnosen"
    Tübingen
  • Wagner, G.(2001):
    "Auguste Comte zur Einführung"
    Hamburg

Einzelnachweise

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  1. vgl. Aron, 1979, S. 112 ff

Cooley, Charles Horton

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Biographie in Daten

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Cooley Charles Horton

  • geboren am 17. August 1864 in Ann Arbor, Michigan
  • gestorben am 8. Mai 1929 in Ann Arbor, Michigan


  • US-amerikanischer Soziologe
  • Mutter: Mary Elizabeth Cooley (geboren Horton), Beruf: Hausfrau
  • Vater: Thomas McInyre Cooley, Beruf: Professor der Rechte, Mitglied des „Supreme Court of Michigan“
  • Geschwister: Edgar Arthur Cooley, Fannie Carrie Cooley, Thomas Benton Cooley, Frances Eugene Cooley, May B. Cooley
  • Ehe: 1890 Elsie Jones, Tochter eines Universitätsprofessors der Medizin
  • Kinder: Margaret Horton Cooley (verheiratet Kennedy), Rutger Horton Cooley, Mary Elizabeth Cooley


Lebensdaten

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  • 17.8.1864 geboren als das Vierte von insgesamt sechs Kindern in Ann Arbor, Michigan. Cooley war bereits während in seiner Jugendzeit kränklich
  • 1880-1887: Besuch des Colleges in Ann Arbor; 1887 B.A.
  • 1887-1890: Leben in Washington, D.C. als Statistiker bei der Interstate Commerce Commission tätig, später beim Bureau of the Census in Washington, D.C.
  • 1890-1929: Leben in Ann Arbor, Michigan; Studium der Nationalökonomie und Soziologie an der Universität Michigan in Ann Arbor
  • 1894: Ph.D. (Political Economy), Dissertation: "The theory of transportation"
  • 1892-1929: Mitglied der Universität Michigan in Ann Arbor
  • 1892-1895: Instructor am Department of Political Science
  • 1899-1904: Assistant Professor für Nationalökonomie an der Universität Michigan
  • 1904-1907: Associate Professor of Political Economy
  • 1907-1929: Full Professor of Sociology

Charles Horton Cooley lebte vorwiegend in Ann Arbor und verbrachte die Sommermonate in Crystal Lake in Northern Michigan. Er lebte ein eher zurückgezogenes und wenig abenteuerliches Leben. Cooley lehnte diverse berufliche Angebote, wie etwa ein bedeutendes Angebot der Columbia University in New York, ab. Im Jahr 1905 wurde er Mitbegründer der "American Sociological Association".

  • Am 8.Mai 1929 starb Charles Horton Cooley an Krebs in Ann Arbor, Michigan.


Werke und Publikationen

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  • Report on transportation business in the United States at the Eleventh Census. (Washington, D.C.,1890) – mit Henry Carter Adams, Ephraim Douglass Adams & Thomas Jondrie Vivian.
  • The theory of transportation. - Zugleich Philosophische Dissertation (University of Michigan, Ann Arbor 1894).
  • Genius, fame, and the comparison of races. (Philadelphia, 1897).
  • Human nature and the social order. (New York, 1902).
  • Social organization. A study of the larger mind. (New York, 1909).
  • Social process. (New York, 1918).
  • Life and the student. Roadside notes on human nature, society, and letters. (New York, 1927)
  • Sociological theory and social research. Being selected papers of Charles Horton Cooley. (New York, 1930).
  • Introductory sociology (Charles Horton Cooley, Robert Cooley Angell und Lowell Juilliard Carr, New York, 1933).
  • On self and social organization. (Chicago, University of Chicago Press 1998).


Das Werk in Themen und Thesen

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Charles Horton Cooley gilt als einer der Mitbegründer des Symbolischen Interaktionismus. Er war Anhänger der Theorie über die soziale Evolution von Herbert Spencer, allerdings distanzierte er sich von dem Individualismus Spencers, welcher vor allem in seinem ökonomischen Liberalismus zum Ausdruck kam. George Herbert Mead und Charles Cooley beeinflussten sich gegenseitig.


Cooley verstand die menschliche Natur und die Persönlichkeit als sozial generiert. Für Cooley ist die menschliche Natur ein Produkt der Kommunikation. Erst wenn der Mensch sein "Selbst" durch die Interaktion mit seinen Mitmenschen entwickelt, wird er zur menschlichen Person. Hier betont Cooley die Bedeutung der Primärgruppe, in welcher sich diese Kommunikation und Interaktion abspielt. Die Kommunikation gilt als das Instrument der Sozialisation des Individuums und als der Mechanismus, durch welchen sich soziale Beziehungen erst entwickeln und existieren können. Anhand der Kommunikation werden verschiedene Vorstellungen, die Menschen voneinander haben, ausgetauscht. Dabei versteht Cooley die Kommunikation als aktiven Prozess interdependenter Verhaltens- und Erfahrungsweisen.


"Looking-Glass Self"

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Nach dem Verständnis von Cooley erarbeitet man sich das „Selbst“ in der Interaktion mit anderen. Das „Selbst“ beruht auf der Organisation der wahrgenommenen Vorstellungen im Bewusstsein („Spiegelbild-Selbst“). Cooley versteht die Gegenseitigkeiten der Vorstellungen, die Menschen voneinander haben, als die (so genannten) „harten Tatsachen“, mit denen sich die Soziologie befasst. Analog dazu sind diese Vorstellungen die Verknüpfung zwischen dem „self“ und „society“. Diese Vorstellungen sind Bestandteile eines soziomentalen Prozesses. In diesem Zusammenhang spricht Cooley auch von „social mind“, was inhaltlich mit dem, was Émile Durkheim mit dem Begriff „Kollektivbewusstsein“ ("conscience collective") bezeichnet, vergleichbar ist. Diese Vorstellung begreift er wiederum als einen Teil des Kommunikationsprozesses. Demnach sind diese – in eine Interaktion integrierten – Wahrnehmungen einem ständigen Wandeln unterlegen. Cooley beschreibt das Selbst und die Gesellschaft als dynamische Prozesse. Ebenso wie bei George Herber Mead gibt es bei Cooley keine klare Trennung von Selbst und Gesellschaft, er sieht sie als „Zwillinge“ und „wie zwei Seiten einer Medaille“ an. Selbst und Gesellschaft sind ineinander übergehende Prozesse und gehören beide zur intersubjektiven Konstitution der Wirklichkeit. Das Selbst entsteht ab dem Zeitpunkt, wenn ein Kind zu reflektieren beginnt, welche Wirkung es auf seine Mitmenschen hat und sobald es auf die Bewertung anderer reagieren kann.


Primär- und Sekundärgruppen

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Die Primärgruppe (primary group)

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Primärgruppen haben eine besondere Bedeutung für die Ausformung der Sozialnatur des Menschen.

  • Sie sind die ersten Gruppen und die wichtigsten, die einem Individuum eine komplette Erfahrung vom sozialen Ganzen geben.
  • Das Individuum erfährt zeitlich am frühesten und am intensivsten, dass noch andere Menschen da sind und es von ihnen abhängig ist.
  • In Primärgruppen gibt es eine dauerhafte face-to-face-Interaktion.
  • Die Funktion der Primärgruppe im Hinblick auf ein größeres soziales Ganzes ist die Integration des Individuums in das größere Ganze.
  • Das Ziel der Primärgruppe ist die Vermittlung eines Wir-Gefühls.
  • Primärgruppen sind die Quelle des Individuums als soziales Wesen und die Verbindung des Ichs zur Gesamtgesellschaft. Ebenso sind sie auch Quelle und Ursprung aller sozialen Institutionen.
  • Die Primärgruppe ist die Kinderstube (nursery) der menschlichen Natur.
  • Primärgruppen sind universal, was bedeutet, dass es sie zu allen Zeiten und an allen Orten gibt. Allerdings haben sie von Gesellschaft zu Gesellschaft eine unterschiedliche Prägung. Aufgrund dieser Prägung entsteht ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein.
  • In Primärgruppen werden Normen und Werte vermittelt, welche in der Gesamtgesellschaft gültig sind.
  • Émile Durkheims soziale Tatsachen (fait sociaux) werden in den Primärgruppen begründet. Primärgruppen selbst sind universale Tatsachen.
  • Die wichtigste Primärgruppe ist die Familie.


Die Sekundärgruppe (secundary group)

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Primärgruppen beanspruchen das gesamte Individuum, die Sekundärgruppe hingegen beansprucht den Menschen nur unter bestimmten Aspekten. Das bedeutet, dass die Primärgruppe die gesamte Identität eines Individuums umfasst, während die Sekundärgruppe nur eine bestimmte Rolle beansprucht (z.B.: Schüler). Beide Gruppen können sich (auch ineinander) wandeln. Die Primärgruppe kann sachlich werden, die Sekundärgruppe kann sich zur emotionalen Gruppe entwickeln.


Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärgruppe entspricht auch Ferdinand Tönnies' Einteilung in Gemeinschaft und Gesellschaft. Beides bezieht sich auf zwei unterschiedliche Formen des Zusammenlebens und Zusammenwirkens von Menschen und des Zusammenhandelns bzw. des Zusammenwollens.


Ebenso lassen sich die Pattern variables von Talcott Parsons anwenden um den Unterschied zwischen Primärgruppe und Sekundärgruppe zu veranschaulichen.


Folgt man Parsons' Pattern variables, so gelten für die Gemeinschaft bzw. Primärgruppe folgende Eigenschaften:

  • diffus
  • partikularistisch
  • zuschreibungsorientiert
  • kollektivorientiert
  • affektiv

Für Gesellschaft bzw. Sekundärgruppe gilt:

  • spezifisch
  • universalistisch
  • leistungsorientiert
  • selbstorientiert
  • affektiv neutral


Cooley's Gegenwartsdiagnostik

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Charles Cooley sieht die amerikanische Gesellschaft geprägt von einer starken, ökonomisch begründeten Unsicherheit. Cooley unterscheidet hier in zwei verschieden Arten von Ungleichheit. Einerseits die Ungleichheit aufgrund der Kaste (der soziale Status wird vererbt), andererseits die Ungleichheit durch die Klasse (der Status wird aufgrund von Beruf, Einkommen und Lebensstil erworben). Cooley ortet das Problem moderner Gesellschaften auf der einen Seite in dem Widerspruch von Familientraditionen und Familieninteressen, auf der anderen Seite in der individuellen Chancengleichheit (gesellschaftliches Ideal). Für moderne Gesellschaften typisch, sei die Abnahme an Bedeutung der Primärgruppe und das Zunehmen der Sekundärgruppe, sowie auch die moderne Massenkommunikation. Cooley mein weiters, dass das soziale System Amerikas funktionaler und gerechter werden würde, sich also somit verbessern würde. In Zukunft von großer Bedeutung wäre es also, die Verknüpfung zwischen Primär- und Sekundärgruppen wiederherzustellen. Weiters wäre es wichtig ein Programm für soziale Reformen und Erziehung zu entwickeln, durch welches Sekundärbeziehungen näher an „primary relations“-Ideale herangeführt werden könnten.


Literatur

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  • Marshall, Cohen J. (1982):
  • "Charles Horton Cooley and the Social Self in American Thought"
    New York


Internetquellen

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Coser, A. Lewis

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Biographie in Daten

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Lewis Alfred Coser

  • geboren am 27. November 1913 in Berlin (GER)
  • gestorben am 8. Juli 2003 in Cambridge/Massachusetts (USA)


  • 1913 mit dem Namen Ludwig Cohen als Sohn eines Börsenmaklers in Berlin geboren. Sein Vater entschied sich auf Grund des aufkommenden Antisemitismus für die Anglisierung des Namens Lewis.
  • 1933 Beginn des Studiums an der Sorbonne in Paris, um als überzeugter Marxist der Judenverfolgung zu entkommen. Eines seiner Hauptfächer war Belletristik.
  • 1941 gelang es Coser, von einem deutschen Internierungslager nach Portugal zu flüchten, um von dort aus in die USA zu emigrieren.
  • 1942 heiratete er Rose Laub, die drei Jahre zuvor Deutschland verlassen hatte, und ihn durch die Genehmigung zur Ausreise in die USA gerettet hatte.
  • 1944 Erwerb des Doktorats an der Columbia University, nachdem er als Garderobier, Packer und Übersetzer gearbeitet hatte.
  • 1951-68 Professur an der Brandeis University in Boston, an der er die soziologische Abteilung begründete. Danach war er Professor an der State University of New York. Coser veröffentlichte nahezu zwanzig Bücher und zahlreiche Artikel.
  • 1974-75 war er Präsident der American Sociological Association.
  • 1994 Tod seiner Frau Rose Laub.


Historischer Kontext

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Lewis A. Coser wurde 1913 in Berlin geboren. Im Alter von 20 Jahren entschied er sich nach Frankreich zu gehen, um dem an Stärke gewinnenden Antisemitismus zu entfliehen und begann dort an der Sorbonne zu studieren. Als er auch in Frankreich nicht mehr vor deutschen Internierungslagern sicher war, versuchte er 1941 Frankreich über Portugal zu verlassen, um von dort in die Vereinigten Staaten einzureisen. In den USA gelang es ihm ein Doktorat zu erwerben, weiters begann er an politisch-ideologischen Auseinandersetzungen teilzunehmen. Wie er selbst in seinem Werk "The Functions of Social Conflict" schreibt, griff er das Thema Konflikt auf, um den damals in der amerikanischen Soziologie negativ geprägten Begriff, zu kritisieren und neu einzuführen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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1956 veröffentlichte Lewis A. Coser sein Werk über die Konflikttheorie „The Functions of Social Conflict“(beeinflusst durch Karl Marx, Max Weber, Emile Durkheim, Georg Simmel, Sigmund Freud, M. Scheler) und vollendete damit das in der amerikanischen Soziologie bereits oft diskutierte Thema über den Sinn des Konflikts. Im Gegensatz zu Dahrendorf, der den Konflikt als Ausübung der Macht formulierte, stellte Coser Theorien über einen sozialen Konflikt auf. Coser übernahm Georg Simmels Theorien, die jener 1908 unter dem Titel „Der Streit“ publizierte, und versuchte damit zu einer positiveren Ansicht des Konflikts zu kommen. Er kritisierte in seinem Buch Talcott Parsons Theorien, die den Konflikt als eine „Krankheit“ darstellen und allein dysfunktionale und desintegrative Wirkungen aufzeigen. Für Coser hatte der Konflikt eine integrative Funktion für Gruppen und die Gesamtgesellschaft. Konflikt trug für ihn zur Gruppenbildung und zum Gruppenerhalt bei.


Werke

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  • The Functions of Social Conflict (Theorie sozialer Konflikte), 1965
  • Sociological Theory, 1964
  • Men of ideas, 1965
  • Political Sociology, 1967
  • Continuities in the study of Social Conflict, 1967
  • Masters of Sociological Thought, 1970
  • Greedy Institutions, 1974
  • The Idea of Social Structure, Papers in Order of R. K. Merton, 1975
  • The Uses of Controversy in Sociology, 1976
  • Refugee Scholars in America, 1984
  • Conflict and Consensus, 1984


Das Werk in Themen und Thesen

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Cosers 16 Thesen zur Theorie sozialer Konflikte:

1. Gruppenfestigende Formen des Konflikts. Auf der anderen Seite tritt die durchaus positive und integrierende Rolle des Antagonismus an Fällen hervor, wo die Struktur durch die Schärfe und sorgfältig konservierte Reinheit sozialer Einteilungen und Abstufungen charakterisiert wird.

2. Gruppenerhaltende Funktion des Konflikts. So ist die Opposition eines Elementes gegen eine ihm vergesellschaftetes schon deshalb kein bloß negativ sozialer Faktor, weil sie vielfach das einzige Mittel ist, durch das uns ein Zusammen mit eigentlich unaushaltbaren Persönlichkeiten noch möglich ist.'

3. Echter und unechter Konflikt. Ein anderer Grenzfall scheint gegeben, wenn der Kampf ausschließlich durch Kampflust veranlasst ist. Beim unechten Konflikt geht es nicht darum eine Lösung zu finden, sondern nur um die Vernichtung des anderen (unterdrückter Konflikt, das wirkliche Problem wird nicht angesprochen). Echte Konflikte sind produktive oder rationale Konflikte, bei denen es darum geht, Lösungen zu finden.

4. Konflikt und feindselige Impulse. Feindselige Impulse allein reichen zur Erklärung von Konflikten nicht aus.

5. Feindseligkeit in engen sozialen Beziehungen. Erotische Beziehungen bieten die häufigsten Beispiele. Wie oft erscheinen sie uns zusammengewebt aus Liebe und Achtung.

6. Das Vorhandensein von Konflikten kann ein Zeichen für die Stabilität von Beziehungen sein.

7. Je enger die Beziehung desto intensiver der Konflikt.

8. Konflikte innerhalb von Gruppen wirken reinigend und verhindern Spaltungen.

9. Konflikte mit Fremdgruppen verstärken den inneren Zusammenhalt.

10. Der Konflikt mit einer anderen Gruppe bestimmt die Gruppenstruktur und die Reaktion auf inneren Konflikt.

11. Im Kampf erprobte Gruppen sind auf die Suche nach Feinden angewiesen.

12. Ideologische Konflikte sind oft besonders hart. Hierbei besteht ein unechter Konflikt (Weltanschauungs- oder Identitätskonflikt).

13. Konflikt bindet Gegner aneinander. Arbeitskonflikte, Konfliktfreundschaft.

14. Interesse an der Einigkeit des Feindes

15. Konflikt schafft und erhält Gleichgewicht der Macht.

16. Konflikt schafft Vereinigungen und Koalitionen.


Rezeption und Wirkung

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Die amerikanische Soziologie befasste sich in den 50er Jahren nur wenig mit dem Thema „Konflikt“. Für deren Vertreter galt der Konflikt als mehr störend denn funktional. Konflikt musste unter Kontrolle gebracht werden, da dieser zu Spannungen in der Gesellschaft führen würde. Cosers Dissertation, die er 1954 an der Columbia University im Umfeld der Theorieschule um Robert K. Merton verfasste und weiterentwickelte, griff damit ein klassisches soziologisches Problem auf. Coser verband die damals dominanten strukturfunktionalistischen Theorien mit jenen von europäischen Autoren (wie Georg Simmel), die Konflikt als „funktional“ betrachteten.

Durch Cosers Theorien ergab kam es zur Weiterentwicklung des Strukturfunktionalismus. Coser beeinflusste durch sein Werk sämtliche Bewegungen in den USA, wie das „civil rights movement“ Ende der 60er Jahre. Die „68er-Generation“ (miss)brauchte jedoch die Gedanken Cosers als Anleitung zur Zerstörung von Systemen. Für Coser sollten Konflikte aber nur dann dysfunktionale Wirkung haben, wenn sich ein System starr und inflexibel gegenüber Interessenkonflikten verhalten würde.

Neben Ralf Dahrendorfs „Class and Class Conflict in Industrial Society“, das 1959 veröffentlicht wurde und die Theorien Cosers mitbeinhaltet, zählen Cosers 16 Thesen zu den wichtigsten Beiträgen der internationalen Konfliktsoziologie.


Literatur

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  • Dirk Kaesler[Hrsg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
  • Bernsdorf Wilhelm [Hrsg.] (1959):
    "Internationales Soziologenlexikon"
  • Oesterdiekhoff Georg [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke"


Internetquellen

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Dahrendorf, Ralf

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Biographie in Daten

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Ralf Gustav Dahrendorf, auch unter dem Pseudonym "Wieland Europa" bekannt


  • geboren am 1. Mai 1929 in Hamburg, gestorben am 17. Juni 2009 in Köln


  • Eltern: Gustav Dahrendorf (ehemaliger SPD-Reichstagsabgeordneter)


  • Studium der Philosophie und der klassischen Philologie an der Universität Hamburg.
  • 1952 Promotion zum DR. phil. mit einer Arbeit über Karl Marx.
  • 1957 Promotion in Soziologie an der London School of Economics.
  • 1957 Habilitation an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
  • Seit 1958 Professor für Soziologie in Hamburg, Tübingen und Konstanz.


  • Nach Kriegsende Parteimitglied der SPD, und kurzzeitig auch Mitglied des SDS. Trotz der Tatsache Angehöriger dieser Parteien gewesen zu sein, wurde er als Vordenker des Liberalismus bekannt.
  • 1967 Endgültiger Wechsel zur FDP, nachdem er auf einer regionalen Liste für Freidemokraten kandidiert hatte. Gemeinsam mit Generalsekretär Karl Hermann Flach war er stark an der Neuausrichtung der FDP in den späten 60ern und frühen 70ern beteiligt.
  • 1969 Einzug in den Bundestag für die Liberalen; kurzzeitiges Amt als Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
  • 1970 Wechsel zur europäischen Kommission in Brüssel.


  • 1974-1984 Leitung der London School of Economics.
  • 1982-1987 Vorstandsvorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann- Stiftung.
  • 1989 erhält er den Siegmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa.
  • 1987-1997 Rektor des St. Anthony’s College in Oxford, 1991-1997 Prorektor der dortigen Universität.
  • Ernennung zum „Sir“, und 1993 zum „Baron of Clare Market“ als Life Peer durch Königin Elisabeth II.
  • Seit 2005 Forschungsprofessor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.


Außerdem war Dahrendorf Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.

Heute ist Dahrendorf nicht mehr Mitglied der FDP, sondern wegen seines britischen Wohnsitzes Angehöriger der dortigen Liberal Democrats und ist Mitglied des englischen Oberhauses. Zudem ist er noch als Berater der Badischen Zeitung tätig.

Historischer Kontext

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Ralf Dahrendorf , der als Sohn eines sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten und Widerstandskämpfers zur Welt kam, wuchs in der Zeit des Nationalsozialismus auf und war als Mitglied einer antinationalsozialistischen Schülergruppe 1944-45 selbst inhaftiert. Genau wie sein Vater, trat er später auch der SPD bei, wechselte dann 1967 aber zur FDP. Dahrendorf beschäftigte sich viel mit Themen die die EG und die EU betrafen und war 1970 selbst EU Kommissar.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Ralf Dahrendorf promovierte bereits 1952 mit einer Arbeit über Karl Marx. Dieser beeinflusste ihn auch später noch stark. In seinem Werk „Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft“ versucht Dahrendorf in Auseinandersetzung mit der Klassentheorie von Karl Marx und im Gegensatz zu funktionalistischen Ungleichheitstheorien eine eigene konflikttheoretische Variante zu finden, mit der er die Marx’schen Überlegungen weiterentwickeln wollte.

Da sich Dahrendorf mit dem Funktionalismus beschäftigte, wurde er auch durch andere Soziologen die sich mit diesem Thema befassten, so etwa Herbert Spencer, Vilfredo Pareto, Bronislaw Malinowski und Talcott Parsons, beeinflusst. Die Konflikttheorie, mit der sich Dahrendorf beschäftigte haben neben Karl Marx schon andere Klassiker der Soziologie wie Emile Durkheim, Georg Simmel und auch der neuzeitlichere Soziologe Lewis Coser aufgegriffen.

Werke

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  • Die angewandte Aufklärung: Gesellschaft u. Soziologie in Amerika. Piper, München 1962
  • Homo Sociologicus: ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle. Westdeutscher Verlag, Köln/Opladen 1965
  • Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. Piper, München 1965
  • Konflikt und Freiheit: auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft. Piper, München 1972
  • Class and class conflict in industrial society. Stanford Univ. Press, Stanford 1973
  • Pfade aus Utopia: Arbeiten zur Theorie und Methode der Soziologie. Piper, München 1974
  • Lebenschancen: Anläufe zur sozialen und politischen Theorie. Suhrkamp-Taschenbuch, Frankfurt a.M. 1979
  • Die neue Freiheit: Überleben und Gerechtigkeit in einer veränderten Welt. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1980
  • Die Chancen der Krise: über die Zukunft des Liberalismus. DVA, Stuttgart 1983
  • Fragmente eines neuen Liberalismus. DVA, Stuttgart 1987
  • Der moderne soziale Konflikt: Essay zur Politik der Freiheit. DVA, Stuttgart 1992
  • Liberale und andere: Portraits. DVA, Stuttgart 1994
  • Die Zukunft des Wohlfahrtsstaats. Verl. Neue Kritik, Frankfurt a.M. 1996
  • Liberal und unabhängig: Gerd Bucerius und seine Zeit. Beck, München 2000
  • Über Grenzen: Lebenserinnerungen. Beck, München 2002
  • Auf der Suche nach einer neuen Ordnung: Vorlesungen zur Politik der Freiheit im 21. Jahrhundert. Beck, München 2003
  • Der Wiederbeginn der Geschichte: vom Fall der Mauer zum Krieg im Irak; Reden und Aufsätze. Beck, München 2004
  • Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchungen der Zeit, Wien: Passagen Verlag 2005.
  • Versuchungen der Unfreiheit. Beck 2006


Das Werk in Themen und Thesen

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Dahrendorf beschäftigte sich unter Anderem mit Themen wie sozialer Wandel, Arbeitsmarktpolitik und Globalisierung. Einer seiner wichtigsten Beiträge ist jener zur Konflikttheorie der Gesellschaft. Ende der 1950er herrschte Kritik am damaligen Funktionalismus, die Kritik konzentrierte sich insbesondere auf die Frage des Konflikts und des Wandels der Gesellschaft. Dahrendorf versuchte ein Bild der Gesellschaft zu konstruieren, das sich auf Konflikt und Wandel bezieht.

Dahrendorf ist davon überzeugt, dass sich der Funktionalismus mit den Strukturen und Prozessen beschäftigt, die dazu beitragen die Gesellschaft aufrecht und im Gleichgewicht zu halten. Dem stellt er ein anderes Bild gegenüber und zeigt damit auf, was zur Destruktion der Gesellschaft führt. Dahrendorf stellt diese 2 gegensätzlichen Bilder in jeweils 4 Postulaten dar.

Die funktionalistische Sichtweise:

  1. Jede Gesellschaft ist eine relativ beständige Konfiguration von Elementen.
  2. Jede Gesellschaft ist eine gut integrierte Konfiguration von Elementen.
  3. Jedes Element einer Gesellschaft trägt zu ihrem Funktionieren bei.
  4. Jede Gesellschaft basiert auf dem Konsensus ihrer Mitglieder.

(Ralf Dahrendorf)


Die konflikttheoretische Sichtweise :

  1. Jede Gesellschaft unterliegt in jedem Augenblick der Veränderung: sozialer Wandel ist allgegenwärtig.
  2. Jede Gesellschaft erlebt in jedem Augenblick Konflikt: sozialer Konflikt ist allgegenwärtig.
  3. Jedes Element einer Gesellschaft trägt zu ihrer Veränderung bei.
  4. Jede Gesellschaft basiert auf dem Zwang, den einige ihrer Mitglieder auf andere ausüben.

(Ralf Dahrendorf)


Dahrendorf will die konflikttheoretische Perspektive zur funktionalistischen hinzufügen, sie nicht ersetzen. Er versucht die Ursprünge des Konflikts in der Struktur der Gesellschaft zu finden, da sie ein dauerhaftes Element der Gesellschaft ist. Nach Dahrendorf liegen die strukturellen Gründe für soziale Konflikte in den Herrschaftsverhältnissen einer Gesellschaft. Außerdem meint er dass jede soziale Organisation aus 2 gegnerischen Gruppen (die Herrschenden und die Beherrschten) besteht, wobei die Herrschenden, Träger positiver und die Beherrschten, Träger negativer Herrschaftsrollen sind. Die Herrschenden sollten daran interessiert sein, den Status Quo zu erhalten, und die Beherrschten sollten daran interessiert sein die Sozialstruktur dahingehend zu verändern dass die etablierte Herrschaft gestürzt wird und somit Herrschaftspositionen für sie frei werden. Man kann daraus folgern, dass es um so mehr zu sozialem Wandel kommt, je mehr die Beherrschten gegen die Herrschenden erfolgreich ankämpfen.

Dahrendorf befasst sich in seiner Rollentheorie mit sozialen Rollen, die in Gesellschaften vorhanden sind und auf die Individuen wirken. Er meint, dass die Gesellschaft ein Netzwerk sozialer Positionen ist, die mit verschiedenen sozialen Rollen behaftet sind. Im Gegensatz zur Rollentheorie des symbolischen Interaktionismus in der der Rollenbegriff ein aktives Gestaltungsmoment einnimmt, ist die Rollentheorie Ralf Dahrendorfs auf die gesellschaftlich zugewiesene Rolle zugeschnitten (der Akteur fügt sich in die vom sozialen System "angelegten" Rollen). Demnach werden soziale Rollen dem Individuum, durch die Sanktionskraft von Bezugsgruppen aufgezwungen. Soziale Rollen sind gesellschaftliche Erwartungen, die das Verhalten von Positionsträgern reglementieren. Die Verbindlichkeit dieser Erwartungen kann unterschiedlich sein (muss-, soll-, kann- Erwartungen),und damit auch die Härte der Sanktionen, die die Gesellschaft ausübt. Es ist möglich dass die Rollenerwartungen die von verschiedenen Bezugsgruppen an ein Individuum gerichtet werden, miteinander in Widerspruch geraten (Intra-Rollenkonflikt). Es kann aber auch ein Konflikt zwischen den verschiedenen Rollen, die ein Individuum spielt entstehen (Inter-Rollenkonflikt). Dahrendorf meint, je mehr Sanktionskraft eine Bezugsgruppe hat, desto besser kann sie ihre Rollenerwartungen durchsetzen.

Dahrendorf ist darüber hinaus bekannt für die Konstruktion des „homo sociologicus“, Träger sozial vorgeformter Rollen, der sein Handeln an soziale Normen anpasst.

Rezeption und Wirkung

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In der Soziologie der 50er Jahre wurde Konflikt als störend angesehen und hatte demnach keine Funktion. Ralf Dahrendorf war neben anderen wie Lewis A. Coser an einer Konflikttheorie interessiert. Sein Werk "Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft", ist neben Cosers Werk "The Functions of Social Conflict" wohl eines der Wichtigsten zum Thema Konflikttheorie. Außerdem stellte Dahrendorf in der Rollentheorie das Modell des homo sociologicus auf, das ein pendant zum homo oeconomicus darstellt und auch in der Gegenwartsoziologie noch eine wichtige Rolle spielt.


Literatur

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  • Richard Münch (2004):
    "Soziologische Theorie, Band 3 Gesellschaftstheorie"
    Frankfurt am Main
  • Bernsdorf/ Knospe [Hg.] (1984):
    "Internationales Soziologenlexikon Band 2, 2. neubearbeitete Auflage"
    Stuttgart
  • Georg W. Oesterdiekhoff [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke"
  • Kaesler/Vogt [Hgrsg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"


Internetquellen

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Dewey, John

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Biographie in Daten

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Dewey John

  • geboren am 20. Oktober 1859
  • gestorben am 01. Juni 1952


  • Eltern: Archibald Sprague Dewey (Geschäftsbesitzer; gest. 10.4.1891) und Lucina Artemesia Rich Dewey (Hausfrau; gest. 27.3.1899)
  • verheiratet mit: Harriet Alice
  • Kinder:
  • Frederick Archibald (19.7.1887 - 28.7.1967)
  • Evelyn Riggs (5.3.1889 - 12.03.1965)
  • Morris (18.10.1892 - 12.3.1895)
  • Gordon Chipman (29.5.1896 - 10.9.1904)
  • Lucy Alice (28.12.1897 - 17.5.1973)
  • Jane Mary (11.7.1900 - 19.09.1976)
  • Sabino (1905 adoptiert; ? - 22.3.1973)


  • 1859: Am 20.Oktober wird John Dewey in Burlington, Vermont, als dritter von vier Brüdern geboren. Dewey besucht die öffentliche Schule und nach seinem Schulabschluss die Universität von Vermont.
  • 1879 schließt John Dewey die Universität ab. Anschließend unterrichtet er zwei Jahre an der High School.In dieser Zeit beschäftigt er sich viel mit Philosophie und schickt ein philosophisches Essay an W.T. Harris, den Herausgeber des Journal of Speculative Philosophy.
  • 1881: Durch Harris ermutigt reist Dewey nach Baltimore, wo er an der Johns Hopkins Universität als Graduierter zu studieren beginnt.
  • 1884: Dewey promoviert und nimmt anschließend einen Lehrposten an der Universität von Michigan an.
  • 1886: Hochzeit mit der Studentin Harriet Alice Chipman.
  • 1887: Am 19. Juli wird ihr Sohn Frederick Archibald geboren.
  • 1888: Dewey unterbricht seine Tätigkeit in Michigan für ein Jahr, um an der Universität Minnesota zu lehren. In dieser Zeit schreibt er seine ersten beiden Bücher Psychology (1887) und Leibniz´s New Essays Concerning the Human Understanding (1888). Zurück in Michigan trifft er auf James Hayden Tufts, einen seiner wichtigsten philosophischen Partner.
  • 1889: Am 5.März kommt Tochter Evelyn Riggs zur Welt.
  • 1892: Am 18.Oktober wird der zweite Sohn, Morris, geboren.
  • 1894 folgt er Tufts an die erst kürzlich gegründete Universität Chicago, wo er Vorsitzender der Abteilung für Philosophie, Psychologie und Pädagogik wird. In Chicago gründet und leitet Dewey eine Versuchsschule, wo er Gelegenheit hat, seine Ideen direkt auf pädagogische Methoden anzuwenden.
  • 1895: Deweys Sohn Morris verstirbt am 12. März.
  • 1896: Am 29.Mai wird der dritte Sohn, Gordon Chipman, geboren.
  • 1897: Am 28.Dezember kommt Tochter Lucy Alice zur Welt.
  • 1899 wird Dewey Präsident der American Psychological Association (bis 1900).
  • 1900: Am 10.Juli kommt die dritte Tochter, Jane Mary, zur Welt.
  • 1904: Aufgrund von Unstimmigkeiten mit der Verwaltung legt Dewey seinen Posten in Chicago zurück und schließt sich dem Fachbereich Philosophie an der Columbia Universität in New York an. Auf diesem Wege kommt er mit vielen der führenden amerikanischen Philosophen und ihren unterschiedlichen Ansichten in Berührng. Nebenbei arbeitet er am Teachers College, da er nach wie vor der pädagogischen Thematik großes Interesse entgegenbringt. Am 10. September des selben Jahres verstirbt Deweys Sohn Gordon Chipman.
  • 1905: Die Deweys adoptieren einen italienischen Jungen, Sabino.
  • 1911: Dewey wird Präsident der American Philosophical Association.
  • 1919 – 1921: John Dewey unternimmt Vortragsreisen nach Japan und in die Volksrepublik China.
  • 1927: Harriet Alice Chipman Dewey verstirbt.
  • 1928 reist er in die Sowjetunion, um dort Schulen zu besichtigen.
  • 1930: Dewey zieht sich aus dem aktiven Berufsleben zurück.
  • Mitte der 30er Jahre ist Dewey Mitglied einer Kommission, die die im Moskauer Prozess gegen Leon Trotzki erhobene Vorwürfe prüfen soll.
  • 1940: Dewey setzt sich zugunsten seines Kollegen Bertrand Russell ein, als Konservative versuchen, ihn von seinem Lehrplatz am College der Stadt New York zu verdrängen.
  • 1946: Hochzeit mit Roberta Lowit Grant (gest. 6. 5. 1970).
  • 1952: Am 1. Juni verstirbt Dewey in New York.

Historischer Kontext

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Dewey lebte in einer sehr bewegten Zeit, einerseits erlebte er den Bürgerkrieg und seine schwerwiegenden Folgen, andererseits auch die Verbesserung der Lebensumstände durch technische Errungenschaften, den Aufstieg der Vereinigten Staaten zur Weltmacht und die Verbreitung des Demokratiegedankens. Dewey war für den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg. Er identifizierte sich stark mit dem Demokratiegedanken.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Dewey studierte bei Sanders Pierce der neben William James als Begründer des Pragmatismus gilt.

Er beschäftigte sich mit dem deutschen Idealismus, also auch mit den Lehren Kants und Hegels, vor allem in Bezug auf die deutsche Mentalität. Hegels Idealismus war bis in die 1890er Jahre hinein sein Ausgangspunkt.

Dann erfolgte eine Wende in Richtung empirische Philosophie. In Anlehnung an die Evolutionstheorie von Darwin fragte sich Dewey, wie menschliches Wissen sich entwickelt – er kam zu dem Schluss, dass dies durch den instrumentellen Einsatz des Wissens geschieht.

Dewey war gut mit G.H. Mead befreundet, der ebenfalls dem Pragmatismus zuzureihen ist.


Werke

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  • 1897: My Pedagogic Creed was a feckin nightmare
  • 1900: The School and Society weren't cool too
  • 1902: Child and the Curriculum are both unwanted
  • 1916: Democracy and Education: An Introduction to the Philopsophy of Education
  • 1927: The Public and its Problems, for example that anyone can change text on this site
  • 1933: How We Think: A Restatement of the Relation of Reflective Thinking to the Educative Process
  • 1934: Art as Experience is kinda stupid u gotta go and do ur own thing
  • 1938: Experience and Education it is kinda ironic u know? he says learning by doing BUT here we see like 10 books of his =/
  • 1946: Problems of Men are women not realising that they already do have equal rights

Das Werk in Themen und Thesen

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Dewey war an sich kein Soziologe, sondern ist eher den Fächern der Psychologie, Philosophie sowie der Pädagogik zuzureihen. Er beschäftigte sich intensiv mit der Entstehung des menschlichen Wissens. In Verbindung zu Dewey wird häufig der Begriff Instrumentalismus genannt, der im Prinzip eine Weiterentwicklung des Pragmatismus darstellt. Verstand und Körper stellen Mittel zur Problembewältigung dar. Sein Wissen setzt der Mensch wie ein Instrument ein.

Nach Ansicht der Vertreter des Pragmatismus beweist sich die Wahrheit einer Aussage durch ihren Nutzen. Die Wahrheit selbst stellt bloß eine brauchbare Vorstellung zur Situationsbewältigung dar. Der Pragmatismus geht davon aus, dass die Wirkung einer Idee wichtiger ist, als ihre Ursache. Alle Handlungen haben praktischen Nutzen.


Dewey war Vertreter demokratischen Gedankenguts, seiner Meinung nach ist die richtige Erziehung der Antrieb um eine Gesellschaft zu verbessern. Der Schüler stellt für ihn nicht ein bloßes Objekt dar, dem es gilt, etwas beizubringen. Vielmehr sieht er in seinen Schülern lernende Individuen. Dewey hat sich im Zuge seiner Forschungsarbeit auch mit dem symbolischen Interaktionismus auseinander gesetzt, der ebenfalls mit Lernprozessen verknüpft ist. Wir erlernen, Dingen eine Bedeutung zu geben, sie gemeinsam zu interpretieren und uns entsprechend zu verhalten.


Dewey wird der Reformpädagogik zugereiht. Er gilt als Erfinder des Projektlernens, wobei diese Methode schon vor Deweys Zeit angewandt wurde - nichtsdestotrotz hat er sich intensiv damit beschäftigt und sie weiter entwickelt. Hierbei müssen sich Schüler intensiv mit einem Thema auseinander setzen. Sie haben mehr Verantwortung, als dies beim herkömmlichen Unterricht der Fall ist - für Dewey die ideale Ausgangsbasis für dauerhaften Lernerfolg.

Rezeption und Wirkung

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Einer der wichtigsten Schüler Deweys war W.H. Kilpatrick (1871 - 1965). Er beschäftigte sich genauso wie Dewey mit der Frage wie bzw. welche Erfahrungen und Handlungen Einfluss auf die Identitätsbildung von Jugendlichen haben.

In seiner Rolle als guter Freund Meads hatte Dewey diesem kurz vor seinem Tod eine Professur für Philosophie an der Columbia University verschafft, die Mead jedoch nicht mehr antreten konnte.


Literatur

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  • Wikipedia

kann man bei google angeben - kommt als erstes

Internetquellen

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de Saint-Simon, Henri

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Biographie in Daten

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Claude Henri de Rouvroy, Comte de Saint Simon

  • geboren 1760 in Paris


  • ab 1773: Saint- Simon verweigert die Kommunion. Er tritt den Freiheitskämpfern, die für die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten kämpfen, bei.
  • ca. 1792: 11 Monate Gefängnis wegen finanzieller Verbindungen zu Graf von Redern
  • 1793: großer Reichtum und Leben im Überfluss
  • 1805: Saint- Simon steht vor dem finanziellen Ruin
  • 1806: Blutsturz wegen Überarbeitung
  • 1807: sein Werk „Einführung in die wissenschaftlichen Arbeiten des 19. Jahrhunderts“ entsteht
  • 1810: Tod seines Freundes Diard
  • 1817: „Die Industrie“ wird herausgegeben
  • 1819: „Der Organisator“ erscheint und ist ein großer Erfolg
  • 22. Mai 1825: Henri de Saint- Simon stirbt in den Armen seine Freundes Olinde Rodrigues in Paris


Historischer Kontext

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1760 wird Claude Henri de Rouvroy, Comte de Saint Simon in Paris geboren. Der Philosoph D’Alembert führt ihn in die Methoden des Denkens ein. Mit 13 Jahren verweigert Claude Henry den Kommunionempfang.

Saint- Simon definiert die Aufklärung als Theorie der Revolution. Er ist begeistertes Mitglied der geistigen Freiheitsbewegung. Deshalb schließt er sich dem Freiheitstrupp an, um für die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten zu kämpfen. Von diesem Kampf erhofft er sich die "industrielle Freiheit".

Nach Beendigung des Feldzugs unterbreitet er dem Vizekönig von Mexico den Gedanken eines interozeanischen Kanals, seine Idee sollte jedoch erst im 20sten Jahrhundert in die Tat umgesetzt werden.

Nach seiner Heimkehr gibt Saint-Simon seine militärische Karriere auf, um sich ganz und gar der Wissenschaft zu widmen. Er reist nach Spanien um dort einen weiteren Kanal von Madrid bis zum Meer zu planen und zu entwerfen.

Als die Revolution ausbricht, verzichtet Saint- Simon auf Rang und Titel und fordert die Abschaffung aller adeligen und geistlichen Standesvorrechte. Er begrüßt die Revolution und ist einer ihrer stärksten Anhänger und Verfechter.

Nach Ende der Revolution ( 1793) lebt Saint- Simon gleichsam wie "wie die Götter auf Erden", im Überfluss. Er verwendet all sein Geld um teure "Gesellschaften" auszurichten. Nur die bekanntesten und gelehrtesten Leute Frankreichs werden dazu geladen. So baut er sich einen erstaunlichen Bekanntenkreis auf und fördert mit seinem Geld große Talente und Werke.

Mit 40 beginnt Saint-Simon an der Polytechnischen Schule Mathematik und an der Medizinischen Fakultät Physiologie zu studieren. Er lernt bei den größten Gelehrten seiner Zeit, die zu seinen ständigen Gästen werden.

1805 steht Saint- Simon vor dem finanziellen Ruin. Mit diesem Einschnitt beginnt seine geistige Produktivität. Er besucht nach wie vor Vorlesungen, nimmt eine Stelle als Kopist an und investiert viel Zeit in seine persönlichen Studien.

1806 kommt es wegen Überarbeitung zu einem Blutsturz. Sein alter vermögender Diener Diard gibt ihm in dieser Zeit der Krankheit Unterkunft.

1807 entsteht sein Werk „Einführung in die wissenschaftlichen Arbeiten des 19. Jahrhunderts“.

1810 stirbt Henris Freund Diard, was wiederum eine Periode des Elends einleitet. Saint-Simons Familie bietet ihm schlussendlich eine kleine Rente an. Im Gegenzug dazu muss er jedoch auf seine Erbrechte verzichten. Saint Simon nimmt eine Anstellung als Beamter an der Nationalbibliothek an.

1813 vollendet er „ Die Denkschrift über die Wissenschaft des Menschen“ , die er an einflussreiche Personen versendet um von ihnen Unterstützung zu bekommen.

1817 entsteht „Die Industrie“ , finanziert durch die bedeutendsten Industriellen und Bankiers Frankreichs. Aufgrund der negativen Ankündigungen eines kommenden Zusammenbruchs der alten Moral, die Saint-Simon im dritten Band schildert, entfernen sich jedoch seine Gönner, aus Angst.

1819 erscheint „Der Organisator“ und ist ein großer Erfolg. Keiner glaubte an den „Verrückten“, Saint-Simon. Doch der Dichter Béranger, der die Musik als Mittel der Volksbelehrung einzusetzen versteht, feiert ihn nun und wird zu seinem Freund und Schüler. (Der Historiker Thierry und der Philosoph Comte waren kurze Zeit seine Sekretäre.)

Trotz all des Erfolges lebt Saint-Simon stets in ärmlichen Verhältnissen. Bei einem missglückten Selbstmordversuch schießt sich Saint-Simon ein Auge aus. Zwei Monate danach trifft er auf den Bankier Olinde Rodrigues, der von nun an sein Gönner und Förderer wird. Saint-Simon schreibt die Verkündigungen des „Neuen Christentums“.

Von vielen Bewunderern umgeben, verfolgte er bis zuletzt seine Absichten, eine Zeitschrift zu veröffentlichen.

Am 22. Mai 1825 stirbt Henri de Saint- Simon in den Armen seine Freundes Olinde Rodrigues in Paris.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Henri de Saint-Simon wurde von vielen berühmten Denkern beeinflusst. Besonders von Francis Bacon, René Descartes und John Locke, die sich bereits mit der Auswertung politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Phänomene durch die Methoden der Wissenschaft in Anwendung der Naturwissenschaften, beschäftigt haben.

Saint-Simon wurde außerdem als Begründer des „Dreistadiengesetzes“ bekannt, welches aber auf die Theorien Turgots und Condorcets zurückgeht.

Weiters wurde er in seinen Interpretationen stark von der Geschichtsphilosophie Hegels beeinflusst und übernahm viele von dessen Thesen und Gedanken.

Den meisten Einfluss hatte jedoch Napoleon auf Saint-Simons Denken. Saint-Simon wiederstrebte die Vorstellung eines Herrschers, der in ein Land einfällt und es zu beherrschen versucht. Darüber verfasste er auch ein Buch „ Profession de foi du Comte de Saint- Simon au sujet de l’ivasion du territoire francaise par Napoleon Bonaparte" (1815).

Werke

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1802: Lettres d’un Habitant de Genève

1807/ 08: Intoduction aux travaux scientifiques du XIXe siècle

1808: Lettres

1812: Mémoire introductive de M. de Saint- Simon sur sa contestation avecM. de Reder, Alecon

1813: Mémoire sur la Sience de l'Homme

1813: Travail sur la gravitation universelle

1814: De la Réorganisation de la société européenne

1815: Profession de foi du Comte de Saint- Simon au sujet de l'ivasion du territoire francaise par Napoleon Bonaparte

1815: Opinion sur les mesures à predere contre la coalition de 1825

1817: L'Industrie

1819: La Politique

1819: L’Organisateur

1820: Considérations sur les mesures à predre pour terminer la revolution

1820: Lettres à M.M. les Jurés

1820-22: Du système industriel

1822: Des Bourbons et des Stuarts

1824 : Le Catéchisme des industriels

1825 (?): Opinions littéraires, philosophiques et idustrielles

1825 : Le Nouveau Christianisme

Das Werk in Themen und Thesen

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Grundvorstellungen:

Saint-Simon gilt als Begründer des französischen Sozialismus. Er versuchte die gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Phänomene mit den Methoden der empirischen Wissenschaften zu erklären. Saint-Simon stütze sich auf den Positivismus. Er versuchte alles auf positivistisch-wissenschaftlichem Wege zu erklären und eine positive Wissenschaft über die Menschen und ihr Sozialverhalten aufzustellen.


Ökonomische These:

Saint-Simon sah den Menschen als Objekt in der physischen Ordnung an. Er war der Erste, der diese Theorie aufstellte und wurde dafür hart kritisiert. Saint-Simon hatte die Vorstellung einer natürlichen Gleichheit unter den Menschen und wollte somit die Abschaffung von Klerus und Adel, durch die Vereinigung der Politik und der Naturwissenschaften vorantreiben.

Saint-Simon beschäftigte sich außerdem mit der Aufdeckung und Propaganda sozialer Missstände. Er war immer davon überzeugt, das die Revolution nie zuende gehen würde. Saint-Simon versuchte die Menschen des „Proletariats“ direkt anzusprechen („Genfer Briefe“) und erklärte sich solidarisch mit den „Nichtbesitzenden“. Seiner Meinung nach stützt die arme Unterschicht die reichen Industriellen. Jedoch erging es den sozial Benachteiligten in zweierlei Sinn schlecht. Durch zu schlechte Fürsorge mussten diese physische wie auch psychisch, moralische Armut erleiden.

Saint-Simon benannte also „die Industrie“ als den Grund für die „Teilung der Gesellschaft“ in Reich und Arm. Außerdem sollte das „Proletariat“ die Verantwortung tragen, die politisch Herrschenden zu legitimieren. Er forderte, dass auch „einfache Arbeiter“ als "ständige Mitglieder der Gesellschaft" gesehen werden sollten.


Religion ( Saint-Simonismus):

Saint-Simon glaubte, dass soziale Befriedigung durch eine gemeinsame Ideologie aller Klassen und Schichten herbeigeführt werden kann.

„Eine Gesellschaft kann sich ohne gemeinsame moralische Ideen nicht erhalten.“ ( Saint- Simon)

Seine neue Gesellschaft sollte von einem wissenschaftlichen Geist beherrscht werden und die Ergebnisse der positiven Wissenschaft anerkennen und nutzen. Die Wissenschaft muss, so Saint-Simon, auf die Zukunft hin orientiert werden und natürlich an eine bessere Zukunft glauben (-> Positive Einstellung Saint- Simons). Der Aufbau seiner „Gesellschaft“ sollte folgendermaßen aussehen:

- Führungsschichten, die sich um das Wohl weniger Privilegierter sorgen und kümmern

- Anerkennung von Leistungseliten

- Jeder sollte sich als Teil einer „ Produktionswerkstatt“ sehen und zum Aufbau beitragen.


Die Basis zu dieser Idee scheint Saint-Simoner im Christentum gefunden zu haben.

„ Gott hat gesagt: Die Menschen sollen sich gegenseitig als Brüder entgegenkommen.“


Der Friedensgedanke Saint-Simons :

Saint-Simon lehnt Gewalt in jeder Hinsicht ab. Er will die Wissenschaft in den Dienst des Friedens stellen, sowohl des inneren als auch des äußeren. Dem inneren Frieden soll die organische Integration und Förderung des wachsenden Proletariats dienen. Den äußeren Frieden will er durch seine „Theorie des neuen Christentums“ erreichen.

Rezeption und Wirkung

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Wichtigster Schüler Saint- Simons war Auguste Comte Auguste Comte arbeitete mit 19 Jahren als Sekretär und Redakteur für Saint- Simon. Gemeinsam mit ihm hat Saint- Simon einige wichtige Texte herausgegeben:

1817- 1818: Redaktionsarbeit am 3. und 4. Band von „L’Industrie“

1819: Zusammenarbeit an der Zeitschrift „La Politique“

1820-1822: Zusammenarbeit an einer Reihe von Broschüren und Briefen unter dem Titel „Du Système industriel“

1823-1824: Arbeiten an den vier Heften des „Catéchisme des industriels“

(zit. nach: Emge, R., Saint Simon, S. 119)

Im Mai 1824 beendeten sie die gemeinsame Arbeit und gingen ihre eigenen Wege.

Saint- Simon gab Comte den Anstoß zu seiner Theorie über den "Positivismus"


Die Saint- Simonisten:

Um die Lehre Saint- Simons bildete sich nach seinem Tod regelrecht eine Sekte. Die Texte und Bücher, welche er in seinen letzten Lebensjahren geschrieben hatte, fanden großen Anklang, eine Gruppe von Anhängern setzt sich zusammen.

Besonders wichtig für die Saint- Simonisten ist die Theorie über die Abschaffung von adeligen und geistlichen Standesvorrechten. Sie glauben an eine Theorie der modernen, industriellen Gesellschaft. Nach Henris Tod, geben seine engsten Freunde unter dem Titel „Doctrine de Saint- Simon“ (1829) eine Sammlung seiner Ideen heraus. Sie strukturieren seine Thesen und kommen zu dem Ergebnis, dass jegliches Klassendenken abgeschafft und ein neues, soziales Eigentumsrecht eingeführt werden müsse.

Diese „Sekte“ bzw. die Gruppe von Anhängern von Saint- Simon war und ist immer stark vertreten gewesen. Sie ist auch für die heutige Soziologie noch von Bedeutung, da die Klassengesellschaft nach wie vor ein Thema ist, das die Menschen unserer Zeit beschäftigt. Heute handelt es sich zwar nicht um Adelige und Geistliche, sondern um die „Schichten“ Arm –Reich. Viele Jugendliche und Erwachsene werden aus diesem Grund heute noch zu Anhängern der Saint- Simonisten.


Literatur

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  • Muckle, F. (1908):
    "Henri de Saint-Simon. Die Persönlichkeit und ihr Werk"
    Frankfurt am Main
  • Salomon, G. (1962):
    "Exposition de la doctrine de Saint-Simon. Die Lehre Saint-Simons; G. Salomon"
    Darmstadt
  • Emge, R. (1987):
    "Saint-Simon. Einführung in ein Leben und Werk. Eine Schule, Sekte und Wirkungsgeschichte"
    München-Wien

Douglas, Mary

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Biographie in Daten

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Mary Douglas

  • geboren am 25. März 1921 in San Remo (Italien)


Eltern: Phyllis Margaret Twomey (1900 - 1933), Gilbert Charles Tew (1884 - 1951)

Geschwister: Pat Novy (1924)

Kinder: Janet (1951), James (1954) und Philipp (1956)


  • 1926 Besuch der Grundschule in Devon
  • 1933 Tod ihrer Mutter an Krebs und Versetzung in die „Sacred Heart Convent“ (=Klosterschule) in Roehampton
  • 1938 nach Abschluss der Klosterschule, 6-monatiger Aufenthalt in Paris (Besuch der Sorbonne und Erbwerb des „Diplôme de sivilisation francaise“)
  • 1939 – 43 Studium und Abschluss der Fächer Politik, Philosophie und Wirtschaft an der Universität Oxford, danach Beschäftigung in der Kolonialverwaltung in Burma bis 1947, dann Meldung als Student für Forschung
  • 1946 Beginn des Studiums am Oxford Institute of Social Anthropologie
  • 1949 Beginn der Feldforschung der Lele, im südlichen Belgisch-Kongo
  • 1951 Annahme eines Lehrstuhls für Anthropologie am University College London, Heirat mit James A. T. Douglas (geboren 1919), Kinder: Janet (1951), James (1954) und Philipp (1956)
  • 1953 Abschluss ihres Doktoratsstudiums
  • 1963 The Lele of Kasai
  • 1966 Purity and Danger
  • 1970 UCL, Innehabung eines persönlichen Sitzes
  • 1977 Abreise in die USA
  • 1977-81 Professorin der Grundlagenforschung von Cultural Studies am Russell Sage Institute in New York. (1978 The World of Goods, geschrieben mit Baron Isherwood)
  • 1981 Wechsel an die Northwestern University in Chicago als Professorin für Humanwissenschaften
  • 1982 Risk and Culture (geschrieben mit Aaron Wildavsky)
  • 1987 How Institutions Think, Essays: Risk and Blame, Rückkehr zu den Lele
  • 1993 In the Wilderness. A study of the book of Numbers
  • 1999 Leviticus. A Literature
  • 2004 Ableben ihres Mannes James
  • Professorin Dame Mary Douglas starb am 16. Mai 2007 im Alter von 86 Jahren.


Historischer Kontext

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Durch ihre Mutter und ihren Vater hatte die Anthropologin Mary Douglas (geborene Mary Margaret Tew) einerseits irische Vorfahren (christlich) und andererseits jüdische Einflüsse. Auf dem Weg zurück in ihre Heimat von Burma wurde Douglas im Urlaub ihrer Eltern in San Remo geboren. In England begann sie im Alter von 5 Jahren die Schule, aufgezogen von den pensionierten Großeltern in Totnes, Devon, während ihre Eltern in Burma waren. Mit 12 starb ihre Mutter an Krebs, Mary Douglas wurde in die Klosterschule „Sacred Heart Convent“ in Roehampton (Klosterschule)versetzt, welche auch schon ihre Mutter besuchte. Dort wurde sie von den Werten der Klosterschwestern geprägt, welche sie in vielen ihrer Werke über Institutionen, Regeln, Symbole und Hierarchie reflektierte. Nach der Klosterschule studierte sie an der Universität Oxford und schloss die Fächer Politik, Philosophie und Wirtschaft ab. Danach war sie in der Kolonialverwaltung in Burma bis 1947 beschäftigt, worauf sie sich als Student für Forschung im Oxford Institute of Social Anthropology (geleitet von E. E. Evans-Pritchard, ein Afrikanist, die beiden wurden später sogar Freunde) meldete und 1946 zu studieren begann. (Nur wenige Universitäten boten Anthropologie an, dieses Institut eignete sich als Übung, da Afrika zum Platz für Feldforschung wurde.)

1949 beginnt Mary Douglas mit der Feldforschung der Lele, im südlichen Belgisch-Kongo. 1951 nimmt sie einen Lehrstuhl für Anthropologie am University College London an, heiratet und schließt 1953 ihr Doktoratstudium ab.

1963 veröffentlicht sie ihr Buch The Lele of Kasai und 1987 kehrt sie nach Afrika zurück.

Douglas’ Buch Purity and Danger – An Analysis of the Concepts of Pollution and Taboo hinterließ einen großen Eindruck außerhalb der Anthropologie, es gab unzählige Editionen und wurde in mindestens 15 Sprachen übersetzt.

Über Natural Symbols gab es verschiedene Meinungen unter Anthropologen. Es schien, als hätte Douglas die Inhalte von Purity and Danger zu weit gesteckt, manche kritisierten die Abwehrhaltung gegenüber den katholischen Traditionen.

Douglas entwickelte sich in diesen Jahren mehr und mehr zu einer “Öffentlichkeitsperson”. Sie schrieb häufig für New Society (einer sozialwissenschaftlichen Wochenzeitung) und war zu Gast bei BBC Third Programme. Viele Interviews wurden von The Listener veröffentlicht.

1970 hatte sie einen persönlichen Sitz im UCL, als eine der sehr wenigen weiblichen Professorinnen in der Sozialwissenschaft in Großbritannien.

Als sie ihre Arbeit mit Afrika "abgeschlossen" hatte, weitete sich ihr Interesse auf die dort existierende westliche Gesellschaft aus, sie veröffentlichte auch dazu einige Werke.

Douglas argumentierte, dass die Änderungen des II. Vatikanischen Konzils die Massen zur Abstinenz brachten und dies die soziale Grenzen über den Katholizismus hinaus schwächen würde. Manche der Kritiker von Mary Douglas legten ihr diesebezüglich auch zu Lasten, dass sie ihre eigene Religion zu offen darlegen würde. Eine Kritik betitelte Natural Symbols als römisch-katholische Propaganda.

1977 ging Douglas, gelangweilt vom britischen Universitätsleben, weg in die USA.

Von 1977 bis 81 war sie als Professorin der Grundlagenforschung von Cultural Studies am Russell Sage Institute in New York tätigt und wechselte dann 1981 in die Northwestern University als Professorin der Humanwissenschaften.


In ihren späteren Jahren befasste sie sich mit dem Einfluss der Modernisierung auf Religionen. Im Speziellen auf das Christentum in den USA und den Islam im Nahen Osten. Sie beschäftigte sich mit dem Alten Testament, lernte Hebräisch und befasste sich mit dessen Traditionen. Es entstand In the Wilderness. A study of the book of Numbers (1993) und Leviticus, A Literature (1999)

Ab ihrem 80. Geburtstag unternahm sie trotz Krankheit weiterhin Reisen, verfasste wissenschaftliche Lektüre und bekam Auszeichnungen.

Professorin Dame Mary Douglas starb am 16. Mai 2007 im Alter von 86 Jahren. Sie wurde in die DBE „New Year’s Honours List“ aufgenommen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die Arbeit von Mary Douglas fusst vor allem auf dem von Emile Durkheim und ihrem Lehrer Edward E. Evans-Pritchard geprägtem Denken.


Werke

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Bücher:

1963 The Lele of the Kasai; Oxford University Press, London.

1966 Purity and Danger. An Analysis of Concepts of Pollution and Tabo; Routledge & Kegan Paul, London

1970 Natural Symbols. Explorations in Cosmology; 1973: überarbeitete Auflage; Barrie & Rockliff/Cresset Press, London

1978 The World of Goods. Towards an Anthropology of Consumption; mit Baron Isherwood; Basic Books, New York

1980 Evans-Prichar; Fontana Modern Master, Glasgow

1982 Risk and Culture: An Essay on the Selection of Technological and Environmental Danger; mit Aaron Wildavsk; University of California Press, London

1986 How Institutions Thin; Syracuse University Press, New York

1993 In the Wilderness: Doctrine of Defilement in the Book of Number; Sheffield Academic Press, Sheffield


Artikel:

1975 Implicit Meanings. Essays in Anthropolog; Routhledge & Kegan Paul, London

1982 In the Active Voic; Routhledge & Kegan Paul mit Russell Sage Foundation, London

1992 Risk and Blame: Essays in Cultural Theor; Routledge, London/New York

1992 Objects and Objection; Victoria Colleg; University of Toronto,Toronto

1996 Thought Styles, Critical Essays on Good Taste; Sage, London/New York

(1999 A study of the book of Numbers, und Leviticus; A Literature)


Das Werk in Themen und Thesen

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Erforschung der Lele:


Purity and Danger – An Analysis of the Concepts of Pollution and Taboo, bezieht sich auf die Deutlichkeit der Grenzen von „Einheiten“, zu denen die Menschen gehören. (Beispiele aus Douglas’ jüdisch-christlichen Vergangenheit und zeitgenössischen Werke zur außereuropäischen Stammesgesellschaften) Das Buch ist eine wichtige Publikation der neueren Religionssoziologie und Ethnologie. Es befasst sich mit Schmutz, Reinheitsritualen und Tabuvorstellungen von Völkern, die der modernen Welt- und Lebensauffassung fremd zu sein scheinen.

Douglas beschreibt, wie eine neue, positive Ordnung entstehen kann, indem man seine Umgebung den eigenen Vorstellungen anpasst. Darin ist auch der Grundgedanke jener Maßnahmen enthalten, wie es möglich wird soziale Umgebung zu organisieren und auf einheitliche, geordnete Erfahrungen zu gründen.


Natural Symbols. Explorations in Cosmology befasst sich mit der Strenge der Regeln, die das Verhältnis der Individuen zueinander klären und damit, dass man den Begriff „Ritual“ nicht auf eine entfremdende Routinehandlung reduzieren darf. Mary Douglas versteht unter rituellem Verhalten in erster Linie eine Form der Kommunikation.

„Nur mit Hilfe von Symbolen ist Kommunikation überhaupt möglich, nur durch sie können Werte zum Ausdruck gebracht werden; sie sind die Hauptinstrumente unseres Denkens und die einzige Regulative unserer Erfahrung. Wenn überhaupt Kommunikation stattfinden soll, müssen strukturierte Symbole zur Verfügung stehen […].“ Mary Douglas

Obwohl die hierarchische Gesellschaft von starker struktureller Selektion auf „Gruppen“ und „Raster“ (grid and group) geprägt ist, wirkt sich die Schwäche des Individuums auf die Gesamtheit der Gemeinschaft aus. Die Einführung des Begriffes der „group“ and „grid“ Werkzeuge der Analyse sind Charakteristika ihrer späteren Arbeit.


Purity and Danger: befasst sich mit dem Verhältnis von Verschmutzung, Heiligkeit, Unreinheit und Hygiene. Über das Werk Natural Symbols gab es verschiedene Meinungen unter den Anthropologen. Es schien, als wurden die Inhalte von Purity and Danger zu weit gefasst, manche mochten die Abwehrhaltung gegenüber katholischen Traditionen nicht.


Rezeption und Wirkung

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Hinsichtlich der Arbeiten von Mary Douglas scheiden sich die Geister. Oftmals wurde ihr Sturheit in ihren Schlussfolgerungen vorgehalten, dennoch fanden viele ihrer Ideen und Perspektiven Eingang in die Lehre. Sie selbst dürfte sich als Außenseiterin betrachtet haben, wobei sie in der zentralen Tradition von Durkheim, einem renommierten französischen Soziologen stand. In der Nachfolge Durkheims warf Douglas ein kritisches Augenmerk auf die von Max Weber und Karl Marx vertretenen Ansichten.

Literatur

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  • Douglas, Mary (1986):
    "Ritual, Tabu und Körpersymbolik"
    Frankfurt am Main
  • Douglas, Mary (1988):
    "Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zu Vorstellungen von Verunreinigung und Tabu"
    Frankfurt am Main
  • Fardon, Richard (1999):
    "Mary Douglas: an intellectual biography"
    London


Internetquellen

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Durkheim, Emile

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Biographie in Daten

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Durkheim Emile

Émile Durkheim
  • geboren am 15.04.1858 in Épinal (Lothringen/Frankreich)
  • gestorben am 15.11.1917 in Paris


Eltern:

Vater: Móise Durkheim, Rabbiner(Oberrabbiner von Vosges und Haute Marne)

Mutter: Mélanie Durkheim, Kaufmannstochter

Kinder:

Marie Durkheim

André Durkheim


Ausbildung:

  • Besuch des Collége d´Épinal in Épinal (studierte neben seinem normalen Schulbesuch Hebräisch, das Alte Testament und den Talmud)
  • 1874 Baccalauréat és lettres
  • 1875 Baccalauréat és sciences
  • 1875 - 1879 Fortsetzung der Schulausbildung am Lycée Louis-le-Grand in Paris; zwei vergebliche Versuche zur Zulassung an die École Normale Supérieure (1877/1878)
  • 1879 - 1882 Studium der Philosophie an der École Normale Supérieure in Paris; er hat nur wenige Freunde, darunter den späteren Sozialistenführer Jean Jaurès
  • 1882 Agrégation de Philosophie


Berufliche Daten:

  • 1882 - 1887 Professor am Lycée in Sens, Yonne; dann in Saint-Quentin, Aise; zuletzt in Troyes, Aube
  • 1885 - 1886 Unterbrechung seines Schuldienstes; sechsmonatiger Aufenthalt im Deutschen Reich, vor allem in Marburg an der Lahn, Berlin und Leipzig; dort studiert er die `Kathedersozialisten` Gustav Schmoller und Adolf Wagner; die Rechtslehren Rudolph von Iherings und Albert Posts; den Organizismus Albert Schäffeles und die Psychologie Wilhelm Wundts
  • 1887 - 1896 Rückkehr nach Frankreich an die Universität Bordeaux; Lehrbeauftragter und außerordentlicher Professor der Sozialwissenschaften
  • 1896 - 1902 ordentlicher Professor der Sozialwissenschaften; ein eigens für Durkheim eingerichteter Lehrstuhl, der erste dieser Art in Frankreich
  • 1902 Durkheim wird an die Sorbonne berufen; erst Lehrbeauftragter, dann ordentlicher Professor der Pädagogik und Soziologie


Weitere wichtige Ereignisse:

  • 1887 Heirat mit Louise Dreyfus (keine Verwandtschaft mit Hauptmann Dreyfus)
  • 1898 Gründer und bis 1917 Direktor der Zeitschrift`L´Année Sociologique`
  • April 1916 Tod seines Sohnes André


Historischer Kontext

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Familiäres Umfeld

Émile Durkheim entstammte einem strengen Rabbinerhaushalt. Sein Vater Moise war ein einflussreicher Rabbi von Vosges und Haute Marne, und es galt bereits früh als ausgemacht, dass Émile die Familientradition fortführen sollte. Er entschied sich zwar gegen seine vermeintliche Berufung, dennoch prägte seine strenge orthodox-puritanisch-jüdische Erziehung Zeit seines Lebens sein Pflichtbewusstsein.

Politisches Umfeld

Émile Durkheims Leben war von der damaligen Spannung zwischen Deutschland und Frankreich bestimmt. Der deutsch-französische Krieg 1870/71 war verloren, und diese sehr unruhige Zeit der Dritten Republik in Frankreich war geprägt durch zahlreiche politische Skandale und Affären.

Die Dreyfus-Affäre löste 1894-98 eine der größten innerpolitischen Krisen Frankreichs aus. Grund war der Prozess gegen den französischen Hauptmann Alfred Dreyfus, der wie Durkheim jüdischer Abstammung war. Angeklagt wurde er aufgrund des Verrats militärischer Geheimnisse an das Deutsche Reich. Nach einem schnellen Prozess wurde er degradiert und zu einer lebenslänglichen Deportation verurteilt. Dies verstärkte antisemitische Stimmen in allen sozialen Kreisen Frankreichs und als sich dann auch noch die Beweise, die zu Dreyfus Verurteilung geführt hatten, als falsch erwiesen, löste dies eine Welle von Protesten und öffentlichen Debatten aus, die letztendlich zum Freispruch von Dreyfus führten. 1898 setzte sich auch Durkheim mit seinem Artikel „L´individualisme et les intellectuels“ für den jüdischen Offizier ein.

Der 1. Weltkrieg stellte einen tiefen Einschnitt in Durkheims Leben dar, der ihn nicht nur seine akademische Arbeit unterbrechen ließ, sondern auch von seiner Schule einen hohen Blutzoll forderte. Viele der jungen Talente fielen im Kampf; darunter auch 1916 sein Sohn André.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Auguste Comte

Durkheim war jener, der kundtat, dass Comte die Grundlagen der Soziologie errichtete und aus diesem Grunde zu dessen Ehre auch seine „Wissenschaft von der Moral“ mit dem Namen Soziologie belegte. Der Name wurde dann später akzeptiert, und diese neue Richtung wurde von Durkheim vertreten. Die Parallele zwischen Durkheims und Comtes Werk liegt darin, dass beide „durch das Verhältnis Individuum und Gesellschaft zentral bestimmt“ sind. Durkheims Trennung von mechanischer und organischer Solidarität basiert auf Comtes Überlegungen. Es finden sich zwar Ideen von Comte bei Durkheim, weitaus wichtiger waren bei Durkheims Arten der Solidarität allerdings Montesquieu und Rousseau.

Charles-Louis de Secondant Montesquieu

1892 beschäftigt sich Durkheim mit Montesquieus methodischen Grundlagen der Sozialwissenschaft und greift in seinem Werk „Regeln der soziologischen Methode“ von 1895 auf dessen Einsichten in die Gesetzmäßigkeiten sozialen Lebens zurück. Allerdings beschränkt Durkheim den Gegenstand der Soziologie nicht auf politische Einrichtungen, sondern fasst darunter allgemein und viel weiter, alle sozialen Faktoren, Strömungen und kollektiven Vorstellungen.

Jean-Jaques Rousseau

Durkheim beschäftigt sich in seinem Werk „Über die Teilung der sozialen Arbeit“ in Anlehnung an Rousseaus Gesellschaftsvertrag mit der Auffassung, was es ist, das den Zusammenhalt der Gesellschaft ausmacht.


Weitere Inspirationen für seine Arbeiten fand Durkheim auch bei Vertretern anderer Disziplinen wie die der Philosophie, im speziellen René Descartes und Immanuel Kant, die einen mehr oder minder großen Einfluss ausübten.


Werke

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De la division du travail social: Étude sur lóganisation des sociétés supérieures. Alcan: Paris, 1893

dt.: Über die Teilung der sozialen Arbeit. Suhrkamp: Frankfurt/Main, 1977

Les régles de la méthode sociologique. Alcan : Paris, 1895

dt.: Die Regeln der soziologischen Methode. Luchterhand: Neuwied/Berlin, 1961

Le suicide: Étude de sociologie. Alcan : Paris, 1897

dt.: Der Selbstmord. Luchterhand : Neuwied/Berlin, 1973

Les formes élémentaires de la vie religieuse. Alcan : Paris, 1912

dt.: Die elementaren Formen des religiösen Lebens. Suhrkamp: Frankfurt/Main, 1981

L´Allemagne au-dessus de tout: la mentalité allemande et la guerre. Colin: Paris, 1915

dt.: Deutschland über alles: Die deutsche Gesinnung und der Krieg. Payot: Lausanne, 1915


Weitere veröffentlichte Werke

Erziehung, Moral und Gesellschaft: Vorlesungen an der Sorbonne 1902/1903. Suhrkamp

Physik der Sitten und des Rechts: Vorlesung zur Soziologie der Moral. Suhrkamp

Schriften zur Soziologie der Erkenntnis. Suhrkamp

Soziologie und Philosophie. Suhrkamp

Das Werk in Themen und Thesen

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Durkheims Werk ist in seiner Ausdrucksweise streng wissenschaftlich, manchmal sogar dogmatisch anmutend. Das Verhältnis von Autor und Werk ist komplex und kompliziert, was im Fall von Durkheim bedeutet, dass er hinter dem Werk „verschwindet“ oder anders ausgedrückt, dass das Werk seine Persönlichkeit darstellt. Die Frage „Wie ist Ordnung in der Gesellschaft möglich?“, ist in all seinen Schriften vorherrschend. In Bezug auf diese Fragestellung schrieb Durkheim seine Theorien in den verschiedenen Werken nieder.


Methodische Grundlagen der Soziologie

In „Die Regeln der soziologischen Methode“ zeigt Durkheim die Absicht, eine Theorie der Soziologie zu entwickeln. Er begreift die Soziologie in erster Linie nicht als System, sondern als Methode, die auf die einzelne andere Wissenschaften anzuwenden sei.

Weit verbreitet und sehr geläufig waren zurzeit Durkheims psychologische Theorien. Alles Geschehene wurde vom Individuum abgeleitet, von seinem Willen, seinen Bedürfnissen und Motiven. Allein das Individuum wurde für sein Handeln zur Verantwortung gezogen. Allerdings wirken Individuen mit ihrem Handeln auf ihre unmittelbare Umgebung ein, dessen Teil sie sind. Ebenso werden die vermeintlich individuellen Handlungen von allgemein gültigen Regeln bestimmt, die sich unabhängig vom Einzelnen darstellen. Durkheim erkannte diese Dichotomie und machte sie zur Grundlage für sein soziologisches Gedankengut. Einerseits existiert das Individuum, die Person, mit der sich die Psychologie beschäftigt; andererseits gibt es das Soziale, die soziale Tatsache. Nach diesem „fait social“ zu suchen und zu analysieren ist Durkheim zufolge, Aufgabe der Soziologie. Er beschreibt sie als äußerlich (dem Menschen nicht angeboren, sondern anerzogen), zwanghaft (üben auf den Willen eines jeden Druck aus), allgemein und nicht universal (weder der Natur der Menschheit noch der Natur der Menschen innewohnen) und unabhängig (gehen nicht im Verhalten von Einzelnen auf und erschöpfen sich auch nicht in der Praxis). Die soziale Tatsache steht demnach über dem Menschen, sie steuert dessen Handeln, aber sie selbst ist nicht das Handeln. Soziales kann also nicht aus Individuellem sondern nur aus Sozialem erklärt werden. Um dieses Phänomen allerdings zu verstehen, reicht nicht nur eine Beschreibung und Erklärung aus, es muss auch eine Bewertung vorgenommen werden.


Die Analyse der modernen Gesellschaft

In seinem Werk „Die Teilung der sozialen Arbeit“ stellt Durkheim eine Studie zur Organisation höherer Gesellschaften vor. Durkheim postuliert soziale Differenzierung als Strukturprinzip moderner Gesellschaft, das nicht nur in der Wirtschaft, sondern in allen Lebensbereichen Einzug gehalten hat. Wenn sich Industrie und Technologie fortentwickeln und die Bevölkerung zunimmt, muss sich auch die Gesellschaft spezialisieren, um langfristig überleben zu können. In diesem Sinne bezeichnete Durkheim diesen Prozess auch als Entwickeln zu einer höheren Gesellschaft.

Durkheim konzentrierte sich vordergründig nicht darauf, was die Teilung der Arbeit exakt ist, sondern wie sie Personen ändern, die miteinander in einer Beziehung stehen. Er war interessiert an den sozialen Folgen von fortschreitender Spezialisierung. Wenn die Spezialisierung zunimmt, trennen sich Menschen mehr und mehr voneinander, Werte und Interessen ändern sich, Normen variieren und Subkulturen werden gebildet; d.h. je individueller die Gesellschaftsmitglieder werden, desto weniger werden sie durch ein einheitliches Kollektivbewusstsein integriert. Trotzdem sah Durkheim die Teilung der sozialen Arbeit und ihre Folgen nicht als Zerstörer der Gesellschaft, sondern argumentierte, dass auf diese Art und Weise eine neue Gesellschaftsform entstünde, die er organische Solidarität nannte. Diese unterscheidet sich von der mechanischen Solidarität. Mechanische Solidarität resultiert aus der Ähnlichkeit von einzelnen Personen in einer Gesellschaft, die gleiche Riten und Routinen besitzen, wie es in archaischen Gesellschaften der Fall ist. Alle Individuen führen dieselbe oder eine einander ähnliche Tätigkeit aus. Je einfacher nun die soziale Struktur der Gesellschaft, je religiöser die Kultur und je geringer die Individualisierung sind, desto mächtiger ist demnach das Kollektivbewusstsein.


Die Analyse der modernen Kultur und der archaischen Religion

Durkheim untersucht diesen Themenschwerpunkt betreffend Struktur und Entwicklung von Wertsystemen. In seinem Werk „Die elementaren Formen des religiösen Lebens“ von 1912 versucht Durkheim eine Analyse und Erklärung der einfachsten Religionen vorzunehmen. Dieses zuletzt verfasste große Werk gilt als eines der besten und reifsten seines Genres. Er benutzt hier hauptsächlich Erkenntnisse, die er aus Studien über australische Ureinwohner unter Berücksichtigung des Totemismus gewonnen hat. Er hatte diese Kulturen gewählt, weil sie seines Erachtens die elementarste Form der Religion darstellten. Mit seinem Werk wollte er einerseits zeigen, dass Religion nicht göttlichen oder übernatürlichen Ursprungs ist, sondern ein Konstrukt der Gesellschaft und andererseits die Gemeinsamkeiten nennen, die bei allen Religionen auftreten.

In Anlehnung an diese Erkenntnisse argumentiert er, dass die ersten Denksysteme der Menschen ihren Ursprung in der Religion haben. Demnach kann die Religion als Folge von sozialem Zusammenleben betrachtet werden; sie bildet die Grundlage von Solidarität und Identifikationsmöglichkeiten. Religion gibt seiner Ansicht nach dem Leben ein Ziel, einen Sinn und stärkt die moralischen und sozialen Normen aller, die in einer Gesellschaft leben.


Der Selbstmord

„Le Suicide“ erschien 1897. Das Krisenbewusstsein, welches das Werk wie ein roter Faden durchzieht, ist um die Jahrhundertwende keine Besonderheit.

Émile Durkheim sah die moderne Gesellschaft in einem Zustand der moralischen Krise, d.h. in einem Mangel an sozialer Ordnung und in einer normativen Orientierungskrise. Den Zustand der Gesellschaft beschreibt er als „malaise collectif“, als physiologisches Elend des sozialen Körpers. Dass Handlungen ohne normative Regulierung (anomisch) derart ausweglos miteinander kollidieren, dass Vernichtung des anderen oder die Selbstvernichtung als einzig verbleibende Alternative gesehen wird, gehört zum Erleben der Zeit Durkheims. (Klaus Dörner in: Der Selbstmord)


  • Definition
    „Man nennt Selbstmord jeden Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im voraus kannte.“ (Durkheim, S. 27)
  • Die Studie
    Die Studie über Selbstmord, die Durkheim im Jahr 1897 veröffentlichte, ist das Ergebnis einer grandiosen empirischen Untersuchung und Dokument eines streng soziologischen Zugriffs auf ein soziales Phänomen. Nicht den Selbstmord an sich will er erklären, sondern die Selbstmordrate in einer bestimmten sozialen Situation.
    Durkheim beschäftigt sich nicht mit einzelnen Selbstmordfällen und ihren individuellen Gründen, sondern mit Selbstmord als sozialem Phänomen, das er durch soziale Ursachen klären will. Er benutzte Selbstmordstatistiken zwischen 1840 und 1880, um den Selbstmord als eine harte soziale Tatsache zu behandeln, die als „Ding“ im objektivistischen Sinn untersucht werden kann, entsprechend seiner Definition des sozialen Tatbestands und seiner Vorstellung der Erforschung sozialer Phänomene mit positivistischen Methoden der empirischen und quantitativen Forschung. Durkheim vertraute dabei auch amtlichen Aufzeichnungen als Quellen für die Todesursachen. Bewusst akzeptierte er also die Interpretationen von Beamten, Ärzten und Familienmitgliedern. Verwandte geben aber oft nur ungern zu, dass ein Tod ein Selbstmord war. Offizielle Statistiken setzen daher die wahre Zahl von Selbstmorden vermutlich zu niedrig an.
  • Der Selbstmord als soziales Phänomen
    Aufgrund der gesammelten Fakten und Statistiken zog Durkheim den Schluss, dass der Selbstmord, zumindest partiell, gesellschaftlich bedingt ist. Der Selbstmord „hängt von sozialen Ursachen ab und stellt selbst eine Kollektiverscheinung dar“. Merkmale der sozialen Gruppe, der der Mensch angehört, machen einen Selbstmord mehr oder weniger wahrscheinlich, und die Selbsttötung ist nicht einfach nur ein privater Akt. Durkheim erklärte also scheinbar individuelle, private Handlungen durch kollektive Ursachen, deren sich die individuellen Akteure womöglich gar nicht bewusst sind.
    Durkheims zentrale These lautete: „Je besser die Menschen in sozialen Gruppen integriert sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie Selbstmord begehen“. Oder umgekehrt: Je geringer der Grad der sozialen Integration, desto höher die Suizidrate. (vgl. Joas, S. 40-45)
  • Typisierung des Selbstmords
    • Altruistischer Selbstmord:
      Es ist die Gesellschaft, die Druck auf die Individuen ausübt, ihrem Leben ein Ende zu setzen, weil es keinen Platz mehr für sie gibt. Das Individuum ordnet sich unter die Erwartungen der Gesellschaft unter.
    • Fatalistischer Selbstmord:
      Erwächst aus einem Übermaß an Reglementierung. „Es ist der Selbstmord derjenigen, denen die Zukunft mitleidslos vermauert wird.“
    • Anomischer Selbstmord:
      Im Unterschied zum egoistischen Selbstmord, der dann auftritt, wenn sich die soziale Gruppe sich vom Individuum entfernt, tritt der anomische Selbstmord dann auf, wenn die Gesellschaft einen dynamischen Wandel durchmacht, der in Unordnung resultiert und in der Unfähigkeit, das Individuum in allgemein anerkannter Weise zu kontrollieren.
    • Egoistischer Selbstmord
      • Konfessionszugehörigkeit
        Durkheim erläutert den egoistischen Selbstmord, indem er die Statistiken hinsichtlich religiöser Konfessionszugehörigkeit und Familienstand untersucht. Die Aufzeichnungen verschiedener europäischer Länder weisen eine auffallend höhere Selbstmordrate unter den Protestanten als unter den Katholiken auf und die niedrigste Rate unter den Juden.
        Wie ist dieses Phänomen zu erklären? Die Position einer Mehrheit oder Minderheit schied aus, weil Protestanten auch in einer Minderheitenposition trotzdem weitaus mehr Selbstmorde begehen. Durkheim betrachtete deshalb den Charakter der religiösen Gemeinschaften als soziale Systeme genauer.
      • Bildung
        Ein erster Hinweis auf eine derartige Erklärung ist die Tatsache, dass die Selbstmordrate mit dem Bildungsniveau zunimmt. Das Bildungsniveau der Protestanten war zu Durkheims Zeiten deutlich höher als das der Katholiken.
        In freien Berufen und höheren Einkommensklassen ist der Drang nach Bildung am meisten ausgeprägt, eine individuelle Lebensführung vorwiegend. Durkheim zweifelt nicht daran, dass der Selbstmord in den höchsten Schichten außerordentlich häufig ist.
        Frauen des ausgehenden 19ten Jahrhunderts begehen viel weniger Selbstmord, sie sind auch weniger gebildet. Sie richten sich traditionsgebunden in ihrem Verhalten nach etablierten Grundsätzen und haben keine großen intellektuellen Bedürfnisse.
        Unter allen Religionen hat der Selbstmord beim Judentum das geringste Gewicht. Trotzdem hat die Bildung nirgendwo eine so breite Basis. Der Wissensdrang hat einen ganz besonderen Grund: Bildung ist für Juden ein Mittel der Kompensation in der unglücklichen Lage, in die sie die öffentliche Meinung bringt. Bei ihnen verbinden sich die Vorteile strenger Disziplin, die kleine Gruppen auszeichnet, mit einer profunden Bildung, die das Privileg der großen Gesellschaft von heute ist. (vgl. Durkheim, S. 178-181)
      • Integration und soziale Kontrolle
        Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Protestanten und Katholiken: Der Grad an Integration und sozialer Kontrolle. Die katholische Kirche ist fest integriert, hierarchisch aufgebaut und kontrolliert zentralistisch die Interpretation religiöser Dogmen. Sie verwaltet das religiöse Leben ihrer Mitglieder. Der Protestantismus gibt dem eigenen Denken des einzelnen Gläubigen mehr Raum, dadurch bleiben die Bindungen an die Glaubensgemeinschaft loser als bei den Katholiken. Die protestantische Glaubensgemeinschaft übt eine geringere soziale Kontrolle aus, weil die sozialen Beziehungen seltener und schwächer sind. Sie gibt einem kollektiven Dasein nicht genügend Inhalt. Die Religion schützt den Menschen also nicht vor der Selbstzerstörung, weil sie ihm die Achtung vor seiner eigenen Person predigt, sondern weil sie eine Gemeinschaft ist.
        Es ist der weitaus fortgeschrittenere Individualismus der religiösen Gruppe, die in der protestantischen Glaubensgemeinschaft höhere Selbstmordraten verursacht als in der katholischen. Es ist nicht die höhere Bildung als solche, sondern eine zu geringe Integration in der Gruppe. Dies ist der Grund, warum Durkheim ihn den egoistischen Selbstmord nennt. (Durkheim, S. 184 f)
      • Familienleben
        Ein zweiter Bereich, in dem Durkheim den egoistischen Selbstmord beobachtete, ist das Familienleben. In Gesellschaften, in denen die Familie enge Beziehungen aufweist, ist die Selbstmordrate signifikant geringer. Die Tatsache, dass mit steigender Kinderzahl die Rate sinkt, erklärt Durkheim damit, dass mit der Anzahl der Mitglieder Kollektivgefühle wachsen. Das hängt damit zusammen, dass Kollektiväußerungen häufiger erfolgen und häufiger erwidert werden. Auf diese Weise stärken sich soziale Gemeinschaften und geben dem Einzelnen Halt.
        „Die Familie ist ein mächtiger Schutz gegenüber Selbstmord und wirkt umso nachhaltiger, je fester sie gefügt ist.“ (Durkheim, S. 224)
      • Politische Gesellschaft
        Ein dritter Bereich des egoistischen Selbstmords ist der Bereich der politischen Gesellschaft. Es wird oft angenommen, dass in Kriegszeiten Selbstmorde zunähmen. Das ist aber eben nicht der Fall. Durkheim beobachtete im Gegenteil, dass in Zeiten des politischen Konflikts die Selbstmordrate zurückgeht. Seine Erklärung lautet, dass „gerade solche sozialen Prozesse Kollektivempfindungen wecken, die den Parteigeist ebenso wie den Patriotismus, den politischen Glauben wie den nationalen beleben und, indem alle Kräfte auf ein einziges Ziel konzentriert werden und wenigsten für eine Zeitlang, eine größere Integration des Ganzen zuwege bringen“. (Durkheim, S. 231)
  • Ergebnisse
    Nach seinen empirischen Untersuchungen kommt Durkheim zu folgendem Schluss: „Der Selbstmord steht im umgekehrten Verhältnis zum Integrationsgrad der Kirche, der Familie und des Staats.“ (ebd.)
    „Wenn die innere Verbundenheit einer Gruppe aufhört, dann entfremdet sich in gleichem Maße das Individuum dem Gemeinschaftsleben, und seine Ziele gewinnen Vorrang vor der Gruppe; mit einem Wort, die Einzelpersönlichkeit stellt sich über das Kollektiv. Je weiter die Schwächung in der Gruppe fortschreitet, der er angehört, um so mehr steht es demzufolge bei ihm, ob er noch andere Verhaltensregeln anerkennt als die, die in seinem Privatinteresse liegen. Wenn man also einen Zustand, in dem das individuelle Ich sich mit Erfolg gegenüber dem sozialen Ich und auf Kosten dessen behauptet mit Egoismus bezeichnen will, dann können wir diesem besonderen Typ von Selbstmord, der aus einer übermäßigen Individuation hervorgeht, als egoistisch bezeichnen.“ (Durkheim, S. 232)
    Weder an den Ergebnissen noch an deren Schlussfolgerungen aus Durkheims Studien hat sich bis heute viel verändert. Neue „normative“ Sicherheit und Wertorientierung im Hinblick auf das Denken und Handeln der Menschen in modernen Gesellschaften müssen mit emotionaler Intelligenz verbunden werden. Durkheims Ziel war die Herausbildung einer moralischen Ordnung, in der sich soziale Integration und individuelle Freiheit gegenseitig stabilisieren.

Rezeption und Wirkung

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1898 baute Durkheim seine Schule, die ,,l´équipe durkheimienne“, auf, und gründete gemeinsam mit seinem Neffen Marcel Mauss die Zeitschrift ,,L´Année Sociologique“, die eine Neuerung für die damalige Zeit darstellte, weil sie interdisziplinär ausgerichtet war.

Émile Durkheim scheint noch heute eine – im wahrsten Sinne des Wortes – unheimliche Wirkung zu haben. Bei all seiner intellektuellen Leidenschaft wirkte er auf seine Zeitgenossen kühl und unpersönlich, zurückhaltend und in sich gekehrt. Betrachtet man seine Wirkung gegenüber dem eigenen Wollen, so fällt das Fazit zwiespältig und vielleicht sogar paradox aus. René König zufolge war Durkheim ein Mann, der nichts anderes sein wollte als Soziologe, und hat dennoch seinen größten zu verzeichnenden Einfluss nicht in der eigenen Disziplin, sondern in Nachbarfächern gehabt:

    • Linguistik: Ferdinand de Saussure
    • Geschichtswissenschaft: vor allem die Annales-Schule
    • Psychologie und Moralforschung: Jean Piaget, Lawrence Kohlberg
    • Anthropologie und Ethnologie: Hier zeichnen sich seine größten Erfolge ab:

Sei es nun der Funktionalismus eines Bronislaw Malinowski oder der Strukturfunktionalismus eines Alfred Radcliffe-Browns, die sich als seine Erben titulieren; sei es der Strukturalismus von Marcel Mauss oder Claude Lévi-Strauss, sie alle ließen sich von Durkheim inspirieren; mehr noch viele seine Nachfolger knüpfen direkt an seine Erkenntnisse und Ansätze an.


Wenn auch der Einfluss auf einzelne Soziologen (wie z.B. Talcott Parsons, Robert K. Merton, Erving Goffman,…) und die Soziologie generell nicht zu übersehen ist, ist es dennoch stillschweigend üblich Durkheim nicht zu zitieren. Seine Doktrinen sind zu Selbstverständlichkeiten geworden.

Literatur

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  • Durkheim, Émile (1973):
    "Der Selbstmord, herausgegeben von Heinz Maus, Friedrich Fürstenberg und Frank Benseler; mit einem Vorwort von Klaus Dörner und einem Nachwort von René König"
    Neuwied und Berlin
  • Joas, Hans [Hrsg.] (2001):
    "Lehrbuch der Soziologie, 6. und 7. Auflage"
    Frankfurt am Main
  • Alun, Jones Robert (1986):
    "Emile Durkheim: an introduction to four major works"
    London
  • Kaesler, Dirk (1999):
    "Klassiker der Soziologie. Von Auguste Comte bis Norbert Elias."
    München


Internetquellen

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  • Rüegger, Oliver: Schlüsselideen von Emile Durkheim anhand ausgewählter *Originalzitate.[6]

Ehrlich, Eugen

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Biographie in Daten

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Ehrlich Eugen

geboren am 14. September 1862 in Czernowitz(im damaligen Herzogtum Bukowina; heute gehört es zur Ukraine)

gestorben am 2. Mai 1922: in Wien


Familie: ledig Vater: Simon Ehrlich, Advokat aus Czernowitz


Ausbildung und Karriere:

  • Studium zuerst in Lemberg
  • 1881-1883 Studium in Wien
  • 1886 Promotion zum Doktor der Rechte in Wien
  • 1895 Habilitation für römisches Recht in Wien
  • danach Privatdozent in Wien
  • ab 1897 außerordentlicher Professor an der k.u.k. Franz-Josephs-Universität Czernowitz
  • 1900 Berufung zum ordentlichen Professor
  • 1921 Forschungsurlaub in Bukarest zur Vorbereitung auf die rumänische Sprache (mit dem Ziel wieder in Czernowitz zu lehren)


Historischer Kontext

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Eugen Ehrlich musste 1914, also gleich zu Beginn des ersten Weltkriegs aus Czernowitz fliehen, denn die Stadt wurde von russischen Truppen eingenommen. Deshalb wohnte er dann in Wien und setzte sich auch von dort aus für den Erhalt der Donaumonarchie ein. Später zog er in die Schweiz. Als dann aber nach dem Krieg die Bukowina an Rumänien angeschlossen wurde, hatte er zunächst kein Interesse dorthin zurückzukehren. Da er schließlich aber nicht, wie er erhofft hatte, in Bern tätig sein konnte, plante er 1921 dennoch, nach Czernowitz zurückzukehren. Dafür musste er allerdings zuvor Forschungsurlaub nehmen, um sich auf die Vorlesungen, die in rumänischer Sprache abzuhalten waren, vorzubereiten. So zog er zunächst nach Bukarest. Aufgrund seiner plötzlichen Erkrankung an Diabetes, was damals noch unbehandelbar war, konnte Ehrlich zu guter Letzt seine Lehrtätigkeit in Czernowitz doch nicht mehr aufnehmen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Gemeinsam mit Hermann Kantorowicz (1877-1940), Ernst Fuchs (1859-1929) und Hermann Isay (1873-1938) gründete Ehrlich die sogenannte Freirechtsschule und wurde zugleich zur Galionsfigur. Ehrlich schreibt u.a. in seinen Ausführungen:

"Naturrecht versus Rechtspositivismus, Sein und Sollen sowie die daraus abgeleitete Einteilung in Seins- und Sollenswissenschaften, das Verhältnis von Recht und Gesellschaft, legal isolationism uam. – Schon Platon erwähnt in seinen „Nomoi”/Die Gesetze, dass ein Gesetzgeber, der seine Sache ernst nimmt, auch gewisse natürliche Gegebenheiten und Fakten berücksichtigen müsse: Land und Klima, Binnen- oder Seelage eines Landes, Wind, Wetter, Geographie, aber auch die Charaktereigenschaften der Menschen, das Verhältnis der Geschlechter, die politischen und historischen Rahmenbedingungen (Ausformungen) von Freiheit und Gleichheit, menschliche Altersgruppen und Zustände (Alte, Schwache, Kinder, Jugendliche) etc. Heute kennen wir verschiedenste Schutznormen/-einrichtungen: etwa das Arbeitsrecht, die Adoptionsregeln, KSchG und MRG, PHG oder Sachwalterschaft, Patientenvertretung und UbG."

Während M. Rehbinder und Th. Raiser überzeugende Publikationen verfassten, wird Ehrlich in der Literatur kaum rezipiert und, zugunsten von Nussbaums wissenschaftsgeschichtlichen Texten, kaum beachtet.


Werke

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  • Die stillschweigende Willenserklärung, 1893
  • Das zwingende und nichtzwingende Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1899
  • Beiträge zur Theorie der Rechtsquellen, 1902
  • Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903
  • Die Tatsachen des Gewohnheitsrechts, 1907
  • Die Aufgaben der Sozialpolitik im Österreichischen Osten, insbesondere in der Bukowina, 1909
  • Die Rechtsfähigkeit, 1909
  • Grundlegung der Soziologie des Rechts, 1913
  • Rechtssoziologie und Rechtswissenschaft, 1915
  • Die juristische Logik, 1917
  • Recht und Leben, [Hrsg] Manfred Rehbinder, 1967
  • Die Begründung der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, [Hrsg] Manfred Rehbinder, 1986
  • Gesetz und lebendes Recht, [Hrsg] Manfred Rehbinder, 1986
  • Politische Schriften, [Hrsg] Manfred Rehbinder, 2007


Das Werk in Themen und Thesen

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Ehrlichs Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des Rechtes wurde 1913 veröffentlicht. Neben Max Weber (1864-1920) gilt Ehrlich als Begründer der modernen Rechtssoziologie/RS und der Rechtstatsachenforschung/RTF. Ab ca. 1903 begann Ehrlich auf die Schaffung eines Rechtssystems, bei der die Rechtswirklichkeit im Mittelpunkt stehen sollte, hinzuarbeiten. Zuvor hatte er erkannt, dass die herrschende Begriffsjurisprudenz unzureichend war. Zwar stammt der Terminus Rechtstatsachenforschung nicht direkt von Ehrlich sondern von Arthur Nussbaum(1877-1964), der als einer seiner Nachfolger gilt. Einer der Kernpunkte Ehrlichs war „lebendes Recht”, er stellte dieses dem (oft toten oder doch viel weniger bedeutsamen) Gesetzesrecht gegenüber. Veranlaßt dazu wurde er vor allem durch die Beobachtungen der Rechtswirklichkeit in Bukowina. Ehrlich spricht damals schon von „juristischen Tatsachen” („Über Lücken im Recht”). Er war damit der erste, der sich mit dieser Disziplin auseinandersetzte und leistete somit Pionierarbeit. Für Ehrlich stellte die Rechtstatsachenforschung die praktisch-empirische Seite der Rechtssoziologie dar. Mit seiner Forderung, an allen juristischen Fakultäten Lehrveranstaltungen zum Thema "Lebendes Recht", an den 31. Deutschen Juristentag, war er zu radikal und konnte sich nicht durchsetzten. Trotzdem wurde seine Forderung auch international, in erster Linie von den USA und Japan stark beachtet.


Weil der übliche Rechtsbegriff, der sich in der Regel nur auf das Gesetzesrecht bezieht, nicht ausreicht, unterscheidet Ehrlich drei Arten von Recht:

  • (1) Gesellschaftliches Recht, als die Organisationsregeln der menschlichen Verbände und deren innere Ordnung; dazu zählen Familie, Vereins- und Gesellschaftsrecht, RAO, NotO etc.
  • (2) Juristenrecht: Das sind die Entscheidungsnormen/Rechtssätze und das Verfahrensrecht nach denen die Gerichte Streitigkeiten schlichten und Anwälte und Notare etc ihre Tätigkeit orientieren.
  • (3) Staatliches Recht: Das sind die Rechtsvorschriften für Polizei, Militär, die Steuergesetze sowie die Mittel sozialer Gestaltung.

Ehrlich schätzt insgesamt die Macht des Staates, sein gesatztes Recht durchzusetzen, realistisch, gering ein. Den Juristen schreibt Ehrlich eine bedeutende gesellschaftliche Funktion zu. Ihnen Juristen obliegt es nach Ehrlich auch, zwischen den drei Arten des Rechts zu vermitteln, ihre Regeln zu verflechten und allenfalls umzuformen. Gerechte Lösungen zu schaffen ist nach Ehrlich eine hohe Kunst.

Mit folgendem Zitat gibt sich Ehrlich als Vertreter der griechischen Mesoteslehre (Solon, Platon, Aristoteles), also der Lehre von der „Mitte” zu erkennen.):

„Denn die Gerechtigkeit beruht zwar auf gesellschaftlichen Strömungen, aber sie bedarf, um wirksam zu werden, der persönlichen Tat eines Einzelnen. Sie ist darin am ehesten der Kunst vergleichbar. Auch der Künstler schöpft sein Kunstwerk, wie wir heute wissen, nicht aus seinem Innern, er vermag nur das zu formen, was ihm von der Gesellschaft geboten wird; aber ebenso wie das Kunstwerk, obwohl ein Ergebnis gesellschaftlicher Kräfte, doch erst vom Künstler mit einem Körper bekleidet werden muss, so braucht auch die Gerechtigkeit eines Propheten, der sie verkündet; und wieder gleich dem Kunstwerk, das, aus gesellschaftlichem Stoffe geformt, vom Künstler den Stempel seiner ganzen Persönlichkeit erhält, verdankt die Gerechtigkeit der Gesellschaft nur ihren rohen Inhalt, ihre individuelle Gestalt dagegen dem Gerechtigkeitskünstler, der sie gebildet hat. Wir besitzen weder eine einzige Gerechtigkeit noch eine einzige Schönheit, aber in jedem Gerechtigkeitswerk ist die Gerechtigkeit, ebenso wie aus jedem wirklichen Kunstwerk die Schönheit zur Menschheit spricht. Die Gerechtigkeit, so wie sie in Gesetzen, Richtersprüchen, literarischen Werken individuell gestaltet wird, ist in ihren höchsten Äußerungen das Ergebnis genialer Synthese der Gegensätze, wie alles Großartige, das je geschaffen worden ist.” [1]


Rezeption und Wirkung

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Ehrlich gründete bereits 1910 ein Seminar für „Lebendes Recht”, das jedoch mit keinerlei finanziellen Mitteln ausgestattet wurde. Seine Arbeitsschwerpunkte waren neben der Rechtsgeschichte, das geltende Privatrecht und die Grundlagen und Grundfragen des Rechtsdenkens und der Rechtswissenschaft.

Die praktische Wirkung von Ehrlichs Kritik an der Rechtswissenschaft seiner Zeit war beachtlich. Und sie war im nichtdeutschsprachigen Ausland noch viel größer als in Deutschland und Österreich. Nicht nur Rechtssoziologie Rechtstatsachenforschung haben ihre Wurzeln in seinen Entwürfen, sondern auch die noch heute existente und anerkannte Interessenjurisprudenz samt neueren Methodenlehren sowie auch die moderne Rechtssprechung (J. Esser, K. Larenz, W. Fikentscher).


R. Dworkins, Amerikaner, liefert vergleichbare Ansätze zu jenen von Ehrlich Eugen.


Literatur

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  • Ehrlich, Eugen (1913):
    "Grundlegung der Soziologie des Rechts"


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. http://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/kap18_0.xml?section=2;section-view=true#BABJADFG, abgerufen am 19. Juni 2007

Elias, Norbert

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Biographie in Daten

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Elias Norbert

  • geboren am 22. Juni 1897in Breslau (heute Wroclaw)


Eltern: Herman Elias: Kaufmann und Inhaber einer Textilfabrik

Sophie Elias: Hausfrau

Kinder: keine Geschwister: keine Ehe: keine


  • 1903-1915: zunächst Hausunterricht, danach Eintritt in die öffentliche Schule; 1915: Abitur
  • 1915: freiwillige Tätigkeit als Telegrafist im ersten Weltkrieg, zunächst an der Ost-, später an der Westfront
    Zwei Jahre später ist Elias aufgrund eines Zusammenbruchs nicht mehr felddienstfähig, er wird Sanitätssoldat in Breslau
  • 1917-1924: Studium der Medizin, der Philosophie und Psychologie in Breslau, Freiburg und Heidelberg
    Zwischendurch muss Elias einer Erwerbsarbeit nachgehen, um seine Eltern aufgrund der Weltwirtschaftskrise zu unterstützen und um seine Studien zu finanzieren.
  • 1924: Dr. phil. (Philosophie) an der Universität Breslau. Sein Doktorvater: Richard Hönigswald; Dissertation: Idee und Individuum
  • 1924-1930: Heidelberg: Fortsetzung seines Studiums der Soziologie. Einverständnis von Alfred Weber für die Habilitation.
    Habilitationsschrift: "Die Bedeutung der Florentiner Gesellschaft und Kultur für die Entstehung der Wissenschaft"
  • 1930-1933: Frankfurt am Main: Elias ist Assistent bei Karl Mannheim. Keine erfolgreiche Beendigung seines Habilitationsverfahren aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten (Institut der Soziologie wird geschlossen)
    Habilitationsschrift: „Der höfische Mensch“; Die Schrift wird erst 1969 unter dem Titel "Die höfische Gesellschaft" in veränderter Form publiziert
  • 1933-1935: Exil in Frankreich
    Danach lässt er sich für sieben Jahre in London nieder
  • 1935-1990: Exil in Großbritannien; danach Annahme der britischen Staatsbürgerschaft
  • 1935-1939: Entstehung von "Über den Prozess der Zivilisation"; Unterstützung durch eine jüdische Flüchtlingsorganisation
  • 1939-1940: Er lehrt als Senior Research Assistant an der London School of Economics and Political Science in London (auch Karl Mannheim unterrichtete dort)
  • 1940-1941: Befürchtung einer Invasion der deutschen Soldaten; Internierung als feindlicher Ausländer im "Alien Internment Camp at Huyton" nahe Liverpool, dann auf der Isle of Man. Elias hält dort Vorträge; Aufführung seiner "Ballade vom armen Jakob"
  • 1941-1954: Cambridge: Lecturer bei der "Workers Educational Association" (Labour Party). Danach unterrichtet er als Lecturer Soziologie, Psychologie, Nationalökonomie und Wirtschaftsgeschichte an den Extension Courses (Volkshochschulkurse) der University of London in Leicester
    Zusammenarbeit mit Psychoanalytiker Sigmund Heinrich Foulkes
  • 1954-1975: Elias lässt sich in Leicester nieder
  • 1954-1962: Lecturer of Sociology an der University of Leicester; starke Beteiligung am Aufbau des dortigen Department of Sociology
  • 1962: Versetzung in Ruhestand
  • 1962-1964: Professor of Sociology an der University of Ghana in Accra
  • 1964-1990: Rückkehr aus Ghana; Arbeit als Privatgelehrter; Zahlreiche Gastprofessuren in Deutschland und Amsterdam
  • 1975-1990: fester Wohnsitz in Amsterdam
  • 1977: Ehrung: Er erhält den zum ersten Mal vergebenen Theodor Adorno-Preis; seit dem Exil: seine erste bedeutende öffentliche Anerkennung seiner Arbeit in Deutschland
  • 1.8.1990: gestorben in Amsterdam


Historischer Kontext

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  • Der erste Weltkrieg bricht aus und nach dem Abitur meldet sich Elias als Kriegsfreiwilliger. Seiner Meinung nach hat ihn der Krieg verändert. Er meint damit nicht Gewalt, Tod und Grausamkeit, sondern das Erlebnis "der relativen Machtlosigkeit des Einzelnen im Gesellschaftsgefüge." Außerdem lernt er durch die schrecklichen Erlebnisse, Selbstdisziplin zu entwickeln und die eigenen Ansprüche zu verringern. Diese Fähigkeiten haben ihm später bei wissenschaftlichen Arbeiten oft geholfen, an seine Wünsche und Ziele zu glauben und diese auch zu erreichen.
  • Aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten kann sein Habilitationsverfahren mit der Schrift „Der höfische Mensch“ nicht abgeschlossen werden. Das Institut der Soziologie wird geschlossen. Das Werk erscheint erst 1969 mit dem Titel „Die höfische Gesellschaft“.
  • Da Elias jüdischer Abstammung ist, hat er 1933 keine andere Wahl, als ins Exil, zuerst nach Frankreich und dann nach England, zu gehen. Es ist nicht leicht für ihn, aber aufgrund seiner starken Selbstdisziplin hält er durch. In dieser Zeit entsteht unter anderem sein bekanntes Werk „Über den Prozess der Zivilisation.“

(siehe zum historischen und theoretischen Umfeld auch den Norbert Elias gewidmeten Artikel zum Brain Drain soziologischer Theorien)

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Einen großen Einfluss auf Elias' Werk übt sein strenger Doktorvater Richard Hönigswald, insbesondere im Rahmen der Doktorarbeit mit dem Thema „Idee und Individuum. Ein Beitrag zur Philosophie der Geschichte“, aus. Elias entwickelt aufgrund seiner Erkenntnisse aus den Naturwissenschaften (Medizinstudium) einen kritischen Blick gegenüber der Philosophie, insbesondere der Kantianischen Philosophie. Er entwickelt Zweifel an der Figur des „vereinzelten Menschen“. Hönigswald kann diese Kritik nicht teilen und verlangt Änderungen seiner Arbeit, die Elias durchführen muss.

An der Universität in Heidlberg macht Elias Bekanntschaften mit den Hauptvertretern des Instituts der Soziologie: Alfred Weber, der Kultursoziologe und Karl Mannheim, der junger Privatdozent ist. Außerdem lernt Elias in einer Studentengruppe Hans Gerth, Richard Löwenthal, Heinrich Taut und Svend Riemer kennen. Die teilweise gegensätzlichen Sichtweisen zwischen Alfred Weber (idealistisch) und Karl Mannheim (materialistisch) werden v.a. auf dem 6. Deutschen Soziologentag (1928 in Zürich)deutlich. Elias äußert sich öffentlich kritisch zu den beiden Soziologen und zeigt damit, dass er den Argumenten berühmter Soziologen standhalten kann. Ein Jahr darauf wechselt Mannheim nach Frankfurt und gibt Elias die Chance, als sein Assistent mitzugehen. Elias nimmt an und folgt seinem Vorbild.

(siehe zum historischen und theoretischen Umfeld auch den Norbert Elias gewidmeten Artikel zum Brain Drain soziologischer Theorien)

Werke

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  • 1924 Idee und Individuum (Dissertation)
  • 1939 Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen
  • 1969 Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie
  • 1970 Was ist Soziologie? München.
  • 1977 Zur Grundlegung einer Theorie sozialer Prozesse
  • 1982 Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen. Frankfurt a. M.
  • 1983 Engagement und Distanz. Arbeiten zur Wissenssoziologie I. Frankfurt a. M.
  • 1983 Sport im Zivilisationsprozess. Studien zur Figurationssoziologie. Münster.
  • 1983 Über den Rückzug der Soziologen auf die Gegenwart
  • 1984 Über die Zeit. Arbeiten zur Wissenssoziologie II. Frankfurt a. M.
  • 1985 Humana condition. Betrachtungen zur Entwicklung der Menschheit am 40. Jahrestag eines Krieges. Frankfurt a. M.
  • 1987 Die Gesellschaft der Individuen
  • 1989 Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M.
  • 1990 Etablierte und Außenseiter. Frankfurt a. M.
  • 1990 Elias, Norbert. Über sich selbst. Frankfurt a. M.
  • 1991 The Symbol Theory
  • 1991 Mozart. Zur Soziogenese eines Genies. Frankfurt a. M.

Das Werk in Themen und Thesen

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Hauptwerk: Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen (Zwei Bände)

Band 1

Die Dialektik zwischen höfischer Aristokratie und bürgerlicher Intelligenzschicht in Deutschland: Die Höflichkeit der gehobenen Schichten wurde als rein äußerlich und trügend entlarvt. Der Unnatur höfischer Gesellschaften stellte die deutsche Intelligenzschicht das Ideal eines natürlichen Lebens und wahre Tugend entgegen. Verinnerlichung, tiefe Gefühle und Bildung der einzelnen Persönlichkeit, anstatt Oberflächlichkeit, Zeremoniell und äußerliche Kommunikation.
Diese Dialektik spiegelt sich auch in den Ausdrücken „Zivilisation“ und „Kultur“ wider. Elias ortet die begriffliche Verwendung von „Zivilisation“ im französischen und englischen Sprachraum des 17. und 18. Jahrhunderts, während der Ausdruck „Kultur“ eher im deutschen Sprachgebrauch anzutreffen ist.

Deutschland Frankreich
Kultur“ bringt den Stolz auf die eigenen Leistungen und das eigene Wesen zum Ausdruck. Der Ausdruck bezieht sich auf geistige, religiöse oder gesellschaftliche Fakten (vgl. S90). Zivilisation“ bezeichnet den Stolz auf die Bedeutung der eigenen Nation, auf den Fortschritt des Abendlandes und der Menschheit. Sie bezieht sich auf politische, wirtschaftliche, religiöse, technische, moralische oder gesellschaftliche Fakten (vgl. S90).
Ein französisch sprechender Adel und eine deutschsprachige mittelständische Intelligenzschicht stehen sich gegenüber. Tiefgehende Bildung der Obrigkeit findet sich selten (vgl. S119). Das höfische Bürgertum und die höfische Aristokratie sprechen die gleiche Sprache, lesen die gleichen Bücher und haben annähernd dieselben Manieren (vgl. S133).
Höchste Regierungsposten bleiben ausschließlich dem Adel vorbehalten. Zutritt des Mittelstandes auch zu den höchsten Regierungsposten.
Die bürgerliche Intelligenz stellt der Obrigkeit ein radikal anderes Modell gegenüber. Anstelle der falschen Zivilisation soll eine echte Zivilisation treten (vgl. S139). Eine höfische Reformintelligenz strebt nach einer Modifikation des Bestehenden (vgl. S139).
Bürgerliche Schichten spielen keine politische Rolle. Die Intelligenzschicht ist auf die Sphäre des Geistes und der Ideen beschränkt (vgl. S142). Bürgerliche Schichten spielen auch eine politische Rolle. Man ist aktiv und reformfreudig (kurzfristig auch revolutionär) (vgl. S142).

Entscheidend ist für Elias, dass Zivilisation kein Zustand, sondern, wie der Titel seiner Abhandlung impliziert, ein Prozess ist. „Die Zivilisation, die wir gewöhnlich als Besitztum betrachten, das uns so, fertig, wie sie uns erscheint, einfach zukommt, ohne zu fragen, wie wir eigentlich dazu gekommen sind, ist ein Prozeß oder Teil eines Prozeßes, in dem wir selbst stehen.“ (S166).
Dabei ist es so, dass der Standard des guten Benehmens einer bestimmten Zeit auch durch einen ganz bestimmten Begriff repräsentiert wird. Der Prozess der Zivilisation ist anhand der Begriffe „Courtoisie“, „Civilité“ und „Civilisation“ bzw. deren Verwendung in der französischen Sprache dokumentiert. Sie markieren drei Abschnitte der gesellschaftlichen Entwicklung, wobei es grundsätzlich so ist, dass neue (gehobene) Sitten von der aristokratischen Oberschicht zum Bürgertum diffundieren. „[…] wandelt sich Empfinden und Affektlage zunächst in der Oberschicht, und der Aufbau der Gesamtgesellschaft läßt diesen veränderten Affektstandard sich langsam über die Gesellschaft hin ausbreiten.“ (S246).
Die Bedeutung des Begriffs „Civilité“ verfestigte sich im Bewusstsein der Menschen im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts, beeinflusst von einer Schrift des Erasmus von Rotterdam, mit dem Titel: „De civilitate morum puerilium“ (1530), die einen Kodex für das Benehmen der Menschen in der Gesellschaft vorstellt. Erasmus war keines Falls der erste Verfasser eines derartigen Textes. Das Mittelalter kannte eine ganze Reihe sogenannter Courtoisieschriften, deren Inhalte bei Erasmus z. T. wiederkehren, aber in erweiterter und verfeinerter Form. Der auf Formen der Beziehung und des Verhaltens hin konditionierte Affekthaushalt des Mittelalters (Courtoisie) wird somit in mancher Hinsicht und in verschiedenen Nuancen als unangebracht und peinlich dargestellt. Der Begriff „Courtoisie“ kommt im Laufe des 17. Jahrhunderts gänzlich aus der Mode und wird von „Civilité“ abgelöst. „Ja, das Wort „courtoisie“ erscheint jetzt geradezu als ein bourgeoiser Begriff.“ (S229). Ganz ähnlich verliert im Laufe des 18. Jahrhunderts langsam der Begriff „Civilité“ an Gewicht. „Civilisation“ wird zum Ausdruck einer neuen Form des Selbstbewusstseins. Er dokumentiert das Vorrücken der Peinlichkeitsschwelle und der Schamgrenze, was man auch als Verfeinerung der Zivilisation bezeichnen kann. Im 19. Jahrhundert scheint der Prozess der Zivilisation weitgehend abgeschlossen. „Man möchte diesen Prozess nur noch bei anderen Völkern, eine Zeitlang auch noch bei den unteren Schichten der eigenen Gesellschaft vollziehen.“ (S230).
„[…] die Menschen [drängen] im Laufe der Zivilisierungsbewegung alle das zurück, was sie an sich selbst als „tierische Charaktere“ empfinden.“ (S253). Das peinlich gewordene wird hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens verlegt (z. B. die Verrichtung menschlicher Notdurft). Dies geht einher mit der Tatsache, dass zuerst Höherstehende von sozial Niedrigerstehenden (allenfalls Gleichstehenden) eine Zurückhaltung der Affekte forderten, während, nachdem bürgerliche Schichten zur Oberschicht aufgestiegen sind, die Familie zur vorherrschenden Stätte der Produktion von Triebverzicht wird. Aber nicht nur die Abflachung gesellschaftlicher Hierarchien, sondern auch das zunehmende Maß sozialer Differenzierung (und gegenseitiger Abhängigkeit (Arbeitsteilung)) spielt dabei eine gewichtige Rolle. Die Formen des Angewiesenheit und der Abhängigkeit verstärken sich. Dies trägt zur Regelung des Affektlebens in Form von Selbstzucht bzw. Selbstzwänge bei.

Im Prozess der Zivilisation sind die Zurückhaltung, die Angst, die Scham oder die Peinlichkeit gegenüber einer Übertretung gesellschaftlicher Zwänge, also Angst und Scham vor Menschen. Der Appell an die menschliche Rationalität spielt dabei kaum eine Rolle und tritt erst im 19. Jahrhundert (meist in Form von hygienischen Vorschriften) in Erscheinung. Hingegen dient seither fast ausschließlich die gesundheitliche Begründung als Instrument der Konditionierung, um Zurückhaltung und Triebverzicht zu erzwingen.

Band 2
Bevor sich in Europa absolutistische Höfe als Machtzentren etablieren konnten, war das gesellschaftliche Gefüge von einer fragilen Balance geprägt. Der Besitz von Grund und Boden (bzw. die Verfügungsgewalt darüber) galt im Umfeld einer vergleichsweise schwach ausgebildeten Geldwirtschaft als bedeutsamstes Gut. Zentralisierte, königliche Macht zeichnete sich durch eine kriegerische Unterwerfung und Eroberung von Land aus. Im Zuge der Verwaltung dieser Ländereien waren Könige darauf angewiesen, Personen ihres Vertrauens als Territorialherren einzusetzen, die aber stets bestrebt waren, sich von der Zentralgewalt zu emanzipieren. „In immer neuen Schüben schicken kriegsstarke Erobererkönige ihre Vertrauten, Verwandten, Bediensteten als Beauftragte ins Land, und in immer neuen Schüben kämpfen die Beauftragten von ehemals oder deren Nachkommen als Stammesfürsten oder Territorialherren gegen die Zentralgewalt um die Erblichkeit und die faktische Unabhängigkeit ihres Gebietes, das ursprünglich eine Art von Lehen war.“ (S28). Elias spricht dabei von dezentralisierenden oder zentrifugalen Kräften. Hingegen wurde die Zentralherrschaft geduldet, wenn diese für militärischen Schutz vor externen Bedrohungen benötigt wurde oder wenn es neu erobertes Land zu verteilen gab. Im Sinn der Stabilität wurden sie so zu kriegerischen Ausdehnungsversuchen geradezu getrieben.
Der eben beschrieben Mechanismus verunmöglichte aber zugleich die Ausbildung eines straffer organisierten Beamtentums, das einen stabilen und mit friedlichen Mitteln arbeitenden zentralen Herrschaftsapparat ermöglicht hätte. Man war in einem Automatismus gefangen der einer bestimmten Form der wirtschaftlichen Beziehungen (Naturalwirtschaft) entsprach: agrarische Selbstversorgung, geringe Entwicklung des Austausches von Produkten, unterentwickeltes Straßennetz, schlechte Transportmittel, geringe Interdependenz zwischen verschiedenen Gebieten. Anstelle einer wirtschaftlichen Integration manifestierte sich eine kriegerische Integration: „Die kriegerische Integration, der Zusammenschluss zur Abwehr gemeinsamer Feinde“ (S45).
Die Vermehrung oder die Verringerung der Bevölkerung (demographische Entwicklung) erachtet Elias als einen der wichtigsten Motoren der Veränderung im Aufbau der Beziehungen und der Institutionen. „Überbevölkerung nennen wir also zunächst ein solches Wachstum der Bevölkerung eines bestimmten Gebietes, daß bei bestehendem Gesellschaftsaufbau für immer weniger Menschen die Befriedigung ihrer Standardbedürfnisse möglich ist.“ (S54). Resultat aus diesem Zustand ist für Elias das Streben nach Kolonisation, sowohl nach außen (Inbesitznahme freier aber fern liegender Ländereien) als auch nach innen (Rodung von Wäldern, Trockenlegung von Sümpfen u. dgl.). Es beginnen sich innerhalb von Gesellschaften tiefgreifende Veränderungen zu vollziehen. „Die Bevölkerung expandiert unter dem Druck von Bodensperre und Bevölkerungswachstum nicht nur in die Weite, sie expandiert gewissermaßen auch im Innern; sie differenziert sich, sie setzt neue Zellen an, sie bildet neue Organe, die Städte.“ (S69). Jene fortschreitende Differenzierung der Arbeit, forciert auch Arbeitsteilung und steigert die zwischenmenschliche Abhängigkeit. Neben der Bildung großer Märkte wird auch Geld als universalisierbares Tauschmittel zunehmend relevant. Man braucht es umso dringender, je länger die Austauschketten innerhalb einer Gesellschaft sind.
Jene, die sich als reichere Grundherren etablieren konnten, haben in den nun vorherrschenden Bedingungsrahmen einen deutlichen Vorteil. „An den Höfen der großen Grundherren sammelt sich kraft ihrer direkten oder indirekten Verflechtung in das Handelsnetz, sei es in Naturalien, sei es in geprägtem oder ungeprägtem Edelmetall, ein Reichtum, der dem Gros der kleineren Grundherren fehlt“ (S99). Es setzt sich gewissermaßen ein Monopolmechanismus in Gang. Die langsam wachsende Monetisierung begünstigte die wenigen großen Feudal- und Gutsherren, die Lebensbedingungen der kleineren Gutsherren oder Ritter veränderten sich vorerst kaum.
An den Höfen großer Herren wächst hingegen das Verlange, ihrer Stellung durch Glanz und Schmuck des Hofes Ausdruck zu verleihen, sie erlangen dadurch kulturelle Bedeutung. Mit anderen Worten, die feudalen Höfe bilden um das 12. Jahrhundert die Zentren der Geschichtsschreibung einerseits und versammeln andererseits Dichter bzw. Minnesänger zur höfischen Unterhaltung um sich. Beide Bereiche erfüllen aber auch eine Funktion als Instrument im Machtkampf zwischen konkurrierenden Feudalhöfen. Es ist durchaus augenscheinlich, dass der Minnesang der eigentlich ritterlichen Geistesart widerspricht. Dennoch entwickelt sich in dieser höfischen Geselligkeit eine Form menschlicher Beziehungen, die bereits in der Richtung einer strengeren Regulierung von Trieben liegt. „[…] im beschränkten Kreise des Hofes und gefördert vor allem durch die Anwesenheit der Herrin werden friedlichere Umgangsformen zur Pflicht.“ (S112f). „Die Ritter wie die bürgerlichen Sänger sind sozial abhängige Existenzen; und die gesellschaftliche Basis ihres Singens, ihrer Haltung, ihrer Trieb- und Affektlage bildet das Dienstverhältnis.“ (S113).
Die Koexistenz mehrerer großer Feudalhöfe war jedoch weder durch Frielichkeit noch durch Stabilität gekennzeichnet. Elias beschreibt am Beispiel Frankreichs sehr detailiiert, wie sich über einen generationenübergreifenden und kriegerischen Prozess eine monompolisierte Herrschaft über ein großes, mit heutigen Nationalstaaten vergleichbares, Gebiet etablieren konnte. „[...], daß immer mehr aus dem Konkurrenzkampf ausscheiden müssen und in dierekte oder indirekte Abhängigkeit von einer immer kleineren Anzahl geraten.“ (S153). Elias spricht hierbei von einer Gesetzlichkeit des Monopolmechanismus. „Es ist charakteristisch für die Strenge, mit der dieser Monopolmechanismus arbeitet, daß sich analoge Prozesse annähernd zu der gleichen Zeit ziemlich in allen Territorien des westfränkischen Gebiets abspielen.“ (S170).
Während, wie weiter oben beschrieben, historisch vorausgehend eine zentralisierte Verwaltung noch nicht zu errichten bzw. für längere Zeit aufrechtzuerhalten war, spielen nun Bereichen wie Geld, Handwerk, Handel, eine bedeutsamere Rolle. „Menschengruppen, die sich mit alledem spezialistisch befassen, das Bürgertum, haben ein eigenes, soziales Schwergewicht bekommen; die Verkehrsmittel haben sich entwickelt; all das bietet der Herrschaftsorganisation eines größeren Gebietes Chancen, die früher gefehlt haben.“ (S189). Gekennzeichnet ist diese Situation durch ein gesteigertes Ausmaß an Interdependenzen und differenzierten Funktionen. „Aus dem Boden besitzenden und Boden oder Naturalernten vergebenden König ist ein Geld besitzender und Geldrenten vergebender König geworden: Das gibt der Zentralisierung eine bisher unerreichte Stärke und Festigkeit.“ (S. 285).


Stellt man Bd. 1 und Bd. 2 gegenüber, so beschreiben diese zwei Seiten ein und derselben Medaillie. Bd. 1 befasst sich mit der Psychogenese individueller Affekt- und Triebstrukturen, stellt also eine mikrostrukturelle Betrachtung dar, während Bd. 2 den Prozess der Zivilisierung hinsichtlich der Gesellschaftlichen Makrostruktur untersucht. Diese zwei Aspekte bilden eine dialektische Einheit: Der Wille und die rationale, zweckgerichtete Überlegung einzelner Menschen stehen der Zwanghaftigkeit von Entwicklungsresultaten fernab jeglicher individuellen Intention gegenüber. „[Die Veränderung] vollzieht sich als Ganzes ungeplant, aber sie vollzieht sich dennoch nicht ohne eine eigentümliche Ordnung.“ (S323). Dies intendiert zugleich eine der zentralen Fragen, nach deren Klärung Elias strebt: „Wie kommt es überhaupt in dieser Menschenwelt zu Gestlatungen, die kein einzelner Mensch beabsichtigt hat, und die dennoch alles andere sind, als Wolkengebilde ohne Festigkeit, ohne Aufbau und Struktur?“ (S324). Den entscheidenden Faktor findet Elias dabei in der zwischenmenschlichen Interdependenz. „Diese fundamentale Verflechtung der einzelnen, menschlichen Pläne und Handlungen kann Wandlungen und Gestaltungen herbeiführen, die kein einzelner Mensch geplant oder geschaffen hat. Aus ihr, aus der Interdependenz der Menschen, ergibt sich eine Ordnung von ganz spezifischer Art, eine Ordnung, die zwingend und stärker ist, als Wille und Vernunft der einzelnen Menschen, die sie bilden.“ (S324). Die Genese der Zivilisation folgt zwar einer Ordnung, diese läßt sich jedoch weder naturgesetzlich noch als Resultat von Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Geistes erklären.
Die fortschreitende Differenzierung gesellschaftlicher Funktionen kann als allgemeinste Determinante dieses Transformationsprozesses herausgestellt werden. Das Verhalten von immer mehr Menschen muss aufeinander abgestimmt werden. Das Gewebe der Aktionen immer genauer und straffer durchorganisiert sein. Zwischenmenschliche Abhängigkeiten nehmen verstärkt zu. Der Einzelne wird gezwungen, sein Verhalten immer differenzierter, immer gleichmäßiger und stabiler zu regulieren. Die fortschreitende Funktionsteilung geht mit einer totalen Umorganisierung des gesellschaftlichen Gewebes Hand in Hand. Und erst daraus resultierte die Möglichkeit einer Monopolisierung von Kräften, die eine stabile Ordnung jenseits rein militärischer Integration ermöglicht. „Gesellschaften ohne stabiles Gewaltmonopol sind immer zugleich Gesellschaften, in denen die Funktionsteilung relativ gering und die Handlungsketten, die den Einzelnen binden, verhältnismäßig kurz sind. Ungekehrt: Gesellschaften mit stabileren Gewaltmonopolen, verkörpert zunächst stets durch einen größeren Fürsten- oder Königshof, sind Gesellschaften, in denen die Funktionsteilung mehr oder weniger weit gediehen ist, in denen die Handlungskette, die den Einzelnen binden, länger und die funktionellen Abhängigkeiten des einzelnen Menschen von anderen größer sind.“ (S332). Während sich in der Kriegergesellschaft militärisch überlegene Akteure durchsetzten, sind mit fortschreitender Zivilisierung jene im Vorteil, die ihre Affekte unter Kontrolle haben. Wer vom eigenen Grund und Boden lebt, steht in relativ kurzen Abhängigkeitsketten und eine starke Beschränkung der Triebe und Affekt ist nicht nötig, vielleicht nichtmal hilfreich. Anders verhält es sich in einer Gesellschaft in der aus kriegerischen Rittern eine Schicht von Höflingen geworden ist. Hierin spiegelt sich der viel zitierte „Zwang zum Selbstzwang“.

Rezeption und Wirkung

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  • Es dauert lange, bis Norbert Elias die öffentliche Anerkennung in Deutschland für sein größtes Werk "Über den Prozess der Zivilisation" durch den ersten Adorno- Preis im Jahr 1977 erhielt. Nach Schwierigkeiten mit der Veröffentlichung in Prag und der ungünstigen Situation in Westdeutschland, wo in den Sozialwissenschaften vorrangig Marx rezipiert wurde, blieb das Werk zunächst ein Geheimtipp unter wenigen (siehe Zitat von Thomas Mann). Schließlich tritt doch noch der große Erfolg ein, der bis heute anhält. Elias' Werk ist in mehr als 20 Sprachen übersetzt worden.
  • Thomas Mann: „Das Buch von Elias ist wertvoller als ich dachte. Namentlich die Bilder aus dem späten Mittelalter und der ausgehenden Ritterzeit.“
  • Als Lecturer of Sociology an der University of Leicester ist er stark am Aufbau des dortigen Department of Sociology beteiligt und unterstützt somit die Verbreitung der Gesellschaftswissenschaft.
  • Elias Prozesstheorie ist vor allem für die nachkommenden Sozialwissenschaftler von großer Bedeutung und Anreiz, sich selber seine Gedanken darüber zu machen. Das kann man besonders deutlich an folgenden Sätzen erkennen:
    Die Zivilisation, sie ist noch nicht zu Ende.“(Titelblatt)
  • Und das heißt: Unsere Zukunft ist offen, die der Individuen und die der Gesellschaften, die sie miteinander bilden. Nichts ist endgültig und festgelegt.“ (Letzter Satz des zweiten Bandes)


Literatur

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  • Elias, Norbert (1997):
    Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Erster Band: Wandlung des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes.
    Suhrkamp, Frankfurt am Main.
  • Elias, Norbert (1997):
    Über den Prozess der Ziviliasation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Zweiter Band: Wandlung der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation.
    Suhrkamp, Frankfurt am Main.
  • Kaesler, Dirk [Hrsg.] (2003):
    "Klassiker der Soziologie, Band I Von Auguste Comte bis Norbert Elias, 4. Auflage"
    München
  • Kaesler, Dirk/ Vogt, Lydia [Hrsg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Korte, Hermann [Hrsg.] (1995):
    "Einführung in die Geschichte der Soziologie, 3. Auflage"
    Opladen

Internetquellen

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Eisenstadt, Shmuel Noah

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Biographie in Daten

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Eisenstadt Shmuel Noah

  • geboren: am 10. September 1923 in Warschau, Polen


Eltern: jüdischer Abstammung, Anhänger des Zionismus
Vater: Zahnarzt in Warschau, 1890 - 1930
Mutter: Bankangestellte in Tel Aviv, 1896 - 1986

Wohnort: Jerusalem
Familienstand: Verheiratet
Kinder: drei


  • Ausbildung:
vor 1940 Geula-Gymnasium in Tel Aviv
1940-44 Studium der Geschichte, Jüdischen Geschichte und Soziologie, Hebräische Universität Jerusalem
1947 promoviert mit der Dissertationsschrift zu "Wesen und Grenzen des Sozialen" an der Hebräischen Universität Jerusalem
1947-48 Postdoktorand an der London School of Economics


  • Berufliche Daten:
1948-49 Mitglied der Israelischen Armee
1950 Übernahme der Leitung des Fachbereichs für Soziologie, Hebräische Universität Jerusalem
seit 1958 etliche Gastprofessuren and den Universitäten in Chicago, Washington, Massachusettes, Uppsala, Hong Kong, Heidelberg, Konstanz, Erfurt, Wien u.a.
1959 Erhalt der Professur für Soziologie, Hebräische Universität Jersualem
1990 Emeritierung


  • Andere Tätigkeiten:
1960-64 Vorsitzender des "Israel Council of Community Relations"
1969-71 Präsident der "Israeli Sociological Association"
1995-99 Vorsitzender des "Academic Advisory Council", Ben Zvi Instiut

Eisenstadt ist Mitglied vieler Akademien - unter anderen auch der "American Acedemy of Arts and Science". Ihm wurden neben dem Balzan und dem Maximum-Planck noch zahlreiche andere Preise zuerkannt.


  • Wichtige private Ereignisse:

Eisenstadts Vater stirbt frühzeitig und so emigriert er 1935 mit seiner Mutter nach Palästina.


Historischer Kontext

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  • Zionismus
  • Gründung des Staates Israel in einer sicherheitsprekären Umwelt
  • Flucht europäischer Juden vor dem Nationalsozialismus
  • Holocaust

Eisenstadt, erlebte die Zeit des zweiten Weltkriegs in seinen Jugendjahren, welche ihn und seine Werke besonders dadurch prägte, dass er selbst ein Jude ist. Seine Eltern waren - wie auch später erselbst - Anhänger des Zionismus und nach dem frühzeitigen Tod des Vaters emigrierte Eisenstadt mit seiner Mutter nach Palästina. Als Student, zur Zeit des britischen Mandats, war er Mitglied der Hagana, einer zionistischen Bewegung in Palästina, welche für die Staatsunabhängigkeit kämpfte.

Die Entstehung der jüdischen Gemeinschaft Jischuw in Palästina, die Gründung des Staates Israel, sowie die instabile und politsch schwierige Lage des neuen jungen Staates waren Themen seiner Forschungsprojekte. Hinzu kam jedoch noch die Immigration von vielen europäischen Juden, die vor dem Nazi-Regime flüchteten, die Einwanderung Holocaustüberlebender und vor allem der starke Zustrom sogenannter "orientalischer Juden", die aus dem Nahen Osten ins Land kamen, welche zu Gegenständen seiner empirischen Forschung wurden. Besonderes Augenmerk legte Eisenstadt auch auf die Sozialisationsmuster der Jugendlichen, die in Kibuzzim oder Moschawim aufwuchsen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Einstieg in die Soziologie

Durch den Einfluss seines akademischen Lehrers, dem Religions- und Sozialphilosophen Martin Buber, welcher selbst eine persönliche Beziehung zu Georg Simmel pflegte, betrat Eisenstadt schon sehr früh und bereits mit eigenen Fragen das intellektuelle Feld der Soziologie. Er promovierte 1947 bei Buber und wurde anschließend zu seinem Assistenten. Allgemein anzumerken ist, dass sich Shmuel Noah Eisenstadts kultur- und zivilisationstheoretische Konzepte, durch das Wechselspiel zwischen theoretischer und historisch-komparativer Fragestellung und durch eine Theoriediskussion auszeichnen.


Besonders stark beeinflusst sind Eisenstadts Werke von:

Talcott Parsons (pattern variables)
Max Weber (Charisma-Begriff)
Emile Durkheim
Sowie von seinem Freund und Lehrer Edward Shils


Werke

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The Absorption of Immigrants (1954)
Form Generation to Generation, Age Groups and Social Structure (1956)
The Political System of Empires (1963)
Essays on Comparative Institutes (1965)
Modernization, Protest and Change (1966)
Israeli Society (1967)
The Protestant Ethic and Modernization (1968)
Political Sociology (1970)
Social Differentation and Stratification (1971)
Jewish Civilization (1992)
Multiple Modernities (2000)


Das Werk in Themen und Thesen

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Eisenstadt befasst sich hauptsächlich mit der Erklärung des Sozialen Wandels und mit den Entwicklung und Bestandsbedingungen sozialer Ordnung. Eisenstadt erklärt diese Phänomene anhand seiner eigenen Theorie, welche, grob ausgedrückt, eine Erweiterung des Strutkurfunktionalismus darstellt.


From Generation to Generation

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Shmuel Eisenstadt beschäftigte sich vor allem bis Mitte der 1960er Jahre mit dem Strukturfunktionalismus. In dieser Zeit galt sein Interesse besonders den jugend- und migrationssoziologischen Frühschriften, die großteils auf Parsons Konzept der "pattern variables" sowie dem AGIL Schema basieren.

"From Generation to Generation" ist der Analyse von Altersgruppen und deren Auftreten in den Gesellschaften gewidmet, welche primär auf die Frage nach Steuerungsmechanismen und Aufrechterhaltung von Gleichgewichtszuständen gerichtet ist. Eisendstadt vertritt darin die These, dass sich das Auftreten von Altersgruppen und ihrer rollenspezifischen Differenziertheit auf die Initiative einzelner Akteure und deren gesellschaftlichen Positionierungen zurückführen lässt. Einhergehend mit diesem Prozess wird auch der Umstand beleuchtet, dass es für Jugendliche zur Entstehung einer Diskontinuität zwischen der askriptiven,partikularistischen Familienrolle und der leistungsbezogenen, universalistischen Rolle in der Gesellschaft kommt. Seine strukturfunktionalistische Theorie wird in diesem Werk um akteurstheoretische Einflüsse erweitert, da Eisenstadt auch die Frage stellt, wie Jugendliche diese Diskontinuitäten überwinden und er letztendlich auf die Reduktion von psychischen Spannungen, Wahrnehmung von Identifikationsangeboten und Rollenspezialisierung verweist.

Offen bleibt, durch welche Mechanismen im Prozess der Differenzierung das Problem der sozialen Integration gelöst wird, bzw. wie unterschiedliche institutionelle Sphären ihre Grenzen konstituieren. Diese Fragestellung war ausschlaggebend dafür, dass Eisenstadt sein strukturfionalistisches Konzept um struktur- und symboltheoretische Theorien erweiterte. Dabei griff er die Theorie von Max Weberes Kultursoziologie bzw. genauer gesagt dessen Protestantimus-Kapitalismus-These auf und untersuchte die durch Ausdifferenzierung eines kapitalistischen Wirtschaftssystems entstandenen Probleme.

The Absorption of Immigrants

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Shmuel N. Eisenstadt erläutert 1954 in seiner Studie: The Absorption of Immigrants A Comparative Study Based Mainly on the Jewish Community in Palestine and The State Israel” seine Theorien zur Assimilation bzw. Absorption von Migranten im Zusammenhang mit der jüdischen Migration nach Israel.


The Political System of Empires

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Dieses Werk, das sich vordergründig mit dem sozialen Wandel der Gesellschaftsstruktur beschäftigt, baut auf der Untersuchung von historischen, zentralisierten, bürokratischen Reichen - wie zum Beispiel der Han- und Tang oder Byzanz auf und gilt als Meilenstein für die neuere historische Soziologie. Eisenstadt greift in diesem Werk die vielkritisierte Schwachstelle von Parsons' Gesellschaftstheorie, die Erklärung des sozialen Wandels, auf.

Um Entstehungs- und Bestandsbedingungen von Herrschaft zu erläutern, bezieht sich der Autor auf die strukturfunktionalistische Sichtweise des politischen Systems mit Webers Herrschaftssoziologie. Eisenstadt dementiert, dass all diese Großreiche aus politischen Krisen entstanden, in welchen einzelne machtinteressierte Akteure sich, in Zusammenarbeit mit dem Volk, gegen die führende Herrschaft auflehnten und die Kontrolle übernahmen. Eine hinreichende Bedingung für das Entstehen zentralisierter Reiche sei die Kombination des kreativen Handelns politischer Herrscher mit sozialer Differenzierung innerhalb der anderen Teilsysteme bzw. institutionellen Sphären. Durch die Differenzierung können sich neue soziale Gruppen entwickeln, welche die Durchsetzung ihrer eigenen Kontrollinteressen fordern. Daher sei die Institutionalisierung bürokratisch-traditionaler Herrschaft von permanent neuen Konfliktkonstellationen und Wandlungstendenzen begleitet. Diese Analyse wird als Abkehr von funktionalistischen und evolutionistischen Denkfiguren gesehen, da Eisenstadt Austauschbeziehungen akteurs- und konflikttheoretisch umdeutet.

Rezeption und Wirkung

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Shmuel Noah Eisenstadt zählt zu den wichtigsten Soziologen des 20. Jahrhunderts und seine Werke zur Jugend- und Migrationssoziologie sind auch heute wie auch für die Zukunft von großer Bedeutung.

In den 70er Jahren musste Eisenstadt jedoch, besonders durch die Abkehr vom Strukturfunktionalismus in der israelischen Soziologie, einen Teil seiner Anerkennung einbüßen. Ein Jahrzehnt später aber, begründete er mit seinem Werk "Vielfalt der Moderne" seine sehr bedeutende, bis heute anhaltende Stellung in der Soziologie.

Eisenstadt lebt mit seiner Frau in Jerusalem und ist noch immer aktives Mitglied der Hebräischen Universität Jerusalem.


Literatur

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  • Goerg W. Oesterdiekhoff [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden
  • Berndorf, Wilhelm/ Knospe, Horst (1980)
    "Internationales Soziologenlexikon, Band II, 2. neu bearbeitete Auflage"
    Stuttgart
  • Eisenstadt, Shmuel Noah (2005):
    "Aktuelle Theorien der Soziologie. Von Shmuel Naoh Eisenstadt bis zur Postmoderne"
    München
  • Eisenstadt, Shmuel Noah
    "Persönlicher Curriculum Vitae von Shmuel Noah Eisenstadt, über E-Mail von seiner Sekretärin"
  • Han, Petrus (2006):
    "Theorien zur internationalen Migration - Ausgewählt interdisziplinäre Migrationstheorien und deren zentrale Aussagen"
    Stuttgart
  • Han, Petrus (2005):
    "Soziologie der Migration-Erklärungsmodelle, Fakten, Politische Konsequenzen, Perspektiven, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage"
    Stuttgart

Esser, Hartmut

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Biographie in Daten

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Esser Hartmut

  • geboren am 21. Dezember 1943 in Elend, Sachsen-Anhalt (Deutschland)


  • Eltern: Josef Esser (1914-1996), Beruf: Berufsberater; Gertrud Esser (geboren 1918), Hausfrau
  • Geschwister: Ursula Elstner (geboren 1941), Beruf: Apothekerin; Zwillingsbruder Reinhard Esser, Beruf: Elektroingenieur
  • Ehe: Iris Esser (geb. Jaswetz) 1.Ehe: 1978- 1998, geschieden, 2.Ehe: 1999 wieder verheiratet
  • Kinder: keine


Werdegang:

  • 1965-1979: Studium der Volkswirtschaftslehre und Soziologie in Köln. (Kurze Zeit nach dem Abitur, bei der Bundeswehr, wuchs das Interesse an Geschichte, Philosophie und Mathematik. Esser bemerkt, dass dies genau die Soziologie als Fach ausmacht. Auch der Ärger über die vielen theologischen, philosophischen und intellektuellen Spekulationen und Irreführungen, bewegt ihn schließlich zum Studium der empirisch-analytischen Soziologie.)
  • 1970-1974: Vertreter der Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten am Seminar für Soziologie der Universität Köln
  • 1970-1974: Lehraufträge an der RWTH Aachen und an der Evangelischen Fachhochschule für Religions- und Sozialpädagogik in Düsseldorf
  • 1971: Diplom (Volkswirt sozialwissenschaftlicher Richtung) in Köln
  • 1974: Promotion in Köln (Dr.rer.pol.)
Titel der Dissertation: Soziale Regelmäßigkeiten des Befragtenverhaltens
Referenten: Prof. Dr. Rene König und Prof. Dr. Renate Mayntz
  • 1981: Habilitation in Bochum
Titel der Habilitationsschrift: Assimilation und Integration. Eine handlungstheoretische Analyse des Eingliederungsprozesses von Wanderern.
  • 1974-1978: Tätigkeit als Akademischer Rat Ruhruniversität Bochum
  • 1978-1982: Tätigkeit als Wissenschaftlicher Rat und Professor Universität Duisburg GHS
  • 1982-1987: Tätigkeit als ordentlicher (o.) Professor für Empirische Sozialforschung Universität Essen GHS
  • 1985-1987: Geschäftsführender Direktor des ZUMA, Mannheim
  • 1987-1991: o. Professor für Soziologie Universität zu Köln
  • seit 1991: o. Professor für Soziologie und Wissenschaftslehre an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim.
  • 1993: Ablehnung einer Professur an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln


  • Andere Tätigkeiten:

Autor von Büchern und Artikeln; Mitarbeiter des Mannheimer Zentrums für Sozialforschung. Tätigkeitsbereiche und Forschungsinteressen: Probleme der Theoriebildung in den Sozialwissenschaften, Familien-Soziologie, Migration, interethnische Beziehungen, ethnische Konflikte, Soziologische Handlungstheorien


  • Laufende Projekte:

Network of Excellence "Wirtschaftlicher Wandel, Lebensqualität und das soziale Band" (EQUALSOC), Soziale Einbettung und Paarbeziehungen, Bildungsaspirationen und Bezugsgruppen, Bildungsentscheidungen in Migrantenfamilien


  • Geplante Projekte:

Strukturelle Assimilation und Migrationsbiographien


  • Beendete Projekte:

Europäisches Forschungsnetzwerk: Ökonomischer Wandel, ungleiche Lebenschancen und Lebensqualität, Ethnische Grenzziehung und soziale Kontexte, Integration von Einwanderern in den EU-Ländern, Partizipation von Zuwanderern, Soziales Kapital und (Ketten-)Migration, Determinanten der Ehescheidung, Migrationspotentiale, Partizipation in ethnischen Vereinigungen, Immigranten als politische Akteure, Bildungsentscheidungen von Arbeitsmigranten, Determinanten ehelicher Stabilität: Erstellung eines Adressenpools Geschiedener in den fünf neuen Bundesländern


  • Ehrungen:

2000: René-König-Lehrbuchpreis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

2001: Wahl zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina

2001: Wahl zum Mitglied der European Academy of Sociology

2003: Wahl zum Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Großen Einfluss auf Essers Werk nahm sein Lehrer René König in Köln. Hartmut Esser entdeckte die bunte Vielfalt der Soziologie und erkannte die Notwendigkeit eines integrativen Rahmens, was auch sein Motiv für die sechs bzw. sieben Bände „Soziologie“ war.

Esser beschäftigt sich speziell mit der Erklärenden Soziologie. Das Konzept der erklärenden Soziologie ist an einer Kooperation verschiedener Disziplinen (v.a. Psychologie) interessiert, und basiert auf Arbeiten von z.B. Boudon, Coleman, Lindenberg. Weitere Vertreter in Deutschland sind z.B. Diekmann, Friedrichs, Opp, Mainz u.a. Im Mittelpunkt aller Überlegungen steht das Individuum, daher gilt Esser als Vertreter des individualistischen Ansatzes, wobei er sich intensiv mit dem Rational-Choice-Ansatz beschäftigt und diesen weiter entwickelt. Essers Abhandlung kann zugleich als Makrosoziologische Analyse gesehen werden, da es sich mit Makroprozessen beschäftigt. Da die Soziologie versucht, Handlungen zu verstehen und nachzuvollziehen, bemüht sich Esser, wie viele bekannte Vertreter der Rational-Choice Theorie, um die Suche nach allgemeinen Gesetzen.

Werke

[Bearbeiten]
  • Studien zum Interview. Meisenheim 1973
  • Soziale Regelmäßigkeiten. Meisenheim 1975
  • Wissenschaftstheorie. Stuttgart 1977
  • Arbeitsmigration und Integration, sozialwissenschaftliche Grundlagen. Königstein 1979
  • Aspekte der Wanderungssoziologie: Assimilation und Integration von Wanderern, ethnischen Gruppen und Minderheiten. Darmstadt 1980
  • Die fremden Mitbürger. Möglichkeiten und Grenzen der Integration von Ausländern. Düsseldorf 1983
  • Fehler in der Datenerhebung. Hagen 1984
  • Mikrozensus im Wandel. Untersuchungen und Empfehlungen zur inhaltlichen und methodischen Gestaltung. Stuttgart 1989
  • Generation und Identität. Theoretische und empirische Beiträge zur Migrationssoziologie. Opladen 1990.
  • Modellierung sozialer Prozesse, Alltagshandeln und Verstehen. Zum Verhältnis von erklärender und verstehender Soziologie am Beispiel von Alfred Schütz und "Rational Choice". Tübingen 1991
  • Soziologie: Allgemeine Grundlagen. Frankfurt / New York 1993
  • Soziologie: Spezielle Grundlagen. Wiesbaden 1999-2001
- Band 1: Situationslogik und Handeln
- Band 2: Die Konstruktion der Gesellschaft
- Band 3: Soziales Handeln
- Band 4: Opportunitäten und Restriktionen
- Band 5: Der Wandel nach der Wende
- Band 6: Sinn und Kultur
  • Wie funktioniert eine moderne Gesellschaft ? Hagen 2003
  • Soziologische Anstöße. Frankfurt / New York 2004
  • Sprache und Integration. Berlin 2006


Das Werk in Themen und Thesen

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  • Modellierung sozialer Prozesse, Alltagshandeln und Verstehen. Zum Verhältnis von erklärender und verstehender Soziologie am Beispiel von Alfred Schütz und "Rational Choice". Tübingen 1991

Als Vertreter der Rational Choice Theorie sieht Esser Makro-Phänomene als unbeabsichtigte Folgen individuellen, rationalen Handelns. Menschliches Handeln stellt das Ergebnis der Wahl zwischen Alternativen dar und ist situationsabhängig. Dabei spielen Kreativität, Reflexion und Empathie sowie die Knappheit und (Opportunitäts-) Kosten des Handelns eine wesentliche Rolle. Esser erweitert diese Vorstellung mit der Wahrnehmungstheorie.

  • Wahrnehmungstheorie:
Neben der Annahme, dass Menschen bloß reagieren und rational Handeln, berücksichtigt die Wahrnehmungstheorie auch Erwartungen, Einschätzungen von Wahrscheinlichkeiten und Wahlentscheidungen von den Akteuren.
Beispiel nach Esser anhand von Zuwanderern:
Die Gruppe der Zuwanderer haben 2 Handlungsalternativen:
1) Assimilation (Eingliederung, Angleichung an die Aufnahmegesellschaft)
2) Segmentation (Abspaltung, Rückzug in die ethnische Gemeinschaft).
Der Ansatz geht also davon aus, dass nicht nur die Umgebung die Menschen ausschließt, sondern, dass auch die Mitglieder diskriminierter Gruppen diese Wahlmöglichkeit haben.


Esser beschreibt weiters ein allgemeines Erklärungsmodell sozialer Phänomene auf der Grundlage des Rational-Choice Ansatzes. Ziel der Soziologie ist es, kollektive Tatsachen zu erklären, was nur mithilfe der Gesetze des individuellen Handelns gelingt.

Das Modell verbindet vier Elemente miteinander:

--> die soziale Situation (Makro)
--> das Individuum vor der Handlung (Mikro)
--> das Individuum nach der Handlung (Mikro)
--> kollektive Effekte, neue soziale Situation (Makro)

Soziale Strukturen ergeben sich demnach aus strukturierten menschlichen Handlungen, die wiederum von vorherigen sozialen Strukturen beeinflusst wurden. Die verwendete Methode zur Erklärung erfolgt aufgrund der sogenannten Brückenhypothese, die eine Verbindung zwischen den sozialen Bedingungen des Handelns und der allgemeinen Theorie des Problemlösungsverhalten herstellt.

Die Erklärung des Prozesses setzt jeweils zwischen den Elementen an, besteht daher also aus drei Schritten. (siehe Grafik)


1) Die Logik der Situation:
Es erfolgt eine Beschreibung der Situation des Handelnden bezüglich seiner verfügbaren Handlungsalternativen, Restriktionen, Regeln die die Auswahl beschränken und die Bewertung der Konsequenzen, die als Ergebnis der Handlung zu erwarten sind.
2) Die Logik der Selektion:
Aufgrund der Bedingungen die sich aus der Situation heraus ergeben, wählt das Individuum unter den Handlungsalternativen eine geeignete aus (Handlungstheorie: z.B. Wert-Erwartungstheorie/"Subjective Expected Utility"-Ansatz: Akteure wählen die Handlungsalternative, die den höchsten subjektiven Erwartungen und Evaluation der Handlungskonsequenz entspricht).
3) Die Logik der Aggregation:
Individuelle Handlungen können als Vorbedingung für die Erklärung kollektiver Handlungen gesehen werden. Denn aus diesen individuellen Handlungen entstehen neue Situationen. Die Aggregation erfolgt nach Transformationsregeln - logischen Argumenten, und berücksichtigt dabei die individuellen Effekte des Handelns bzw. die Rahmenbedingungen der Situation.

Die Grafik stellt die sogenannte "Colemannsche Badewanne" dar, die für Esser als Basismodell für weitere Überlegungen dient. Er merkt an, dass dieses Modell auch horizontal (z.B. aufgrund exogener Einflüsse auf das System) bzw. vertikal erweitert werden kann.


Das Menschenbild der erklärenden Soziologie geht davon aus, dass der „homo sociologicus“ und „homo oeconomicus“ nicht ausreichen und zu einseitig sind. Der neue Vorschlag von Lindenberg, auf den Esser sich beruft, ist das RREEMM-Modell des Menschen, welches fünf menschliche Charakteristika umfaßt: „the resourceful, restricted, expecting, evaluating, maximizing man“. Damit meint Esser, dass Akteure bei Handlungsselektionen auch ihren eigenen Intentionen folgen (nicht nur Normen), eingeschränkt aber durch deren vorhandenen (bzw. nicht vorhandenen) Ressourcen, und auch im Hinblick auf das Ziel maximierende Erwartungen haben. Er beteuert aber, dass nicht nur einseitig egoistische Orientierungen im Vordergrund stehen (müssen). (zu RREEMM-Modell: vgl. "Bounded Rationality" - eingeschränkte Rationalität nach Herbert SIMON)


Rezeption und Wirkung

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Hartmut Esser hat durch seine modernere Auslegung des Rational-Choice-Ansatzes versucht, eine allgemein gültige umfassende Erklärung der Handlungstheorie zu geben. Er hat bestehende Theorien (Rational-Choice) flexibler gemacht und weiterentwickelt. So können z.B. subjektive, kognitive und interpretative Prozesse mit in die Erklärung einbezogen werden. Durch das integrierende Modell der 3 Schritte (Logik der Situation, Selektion, Aggregation) auf der Mikro-Makroebene ist es ihm gelungen, eine Annäherung dieser Ebenen zu erreichen.


Literatur

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  • Treibel, Annette (2000):
    "Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart. 5. Auflage"
    Opladen
  • Greshoff, Rainer / Schimank, Uwe (2005):
    "Hartmut Esser. - in: Aktuelle Theorien der Soziologie. Von Shmuel N. Eisenstadt bis zur Postmoderne. Herausgegeben von Dirk Kaesler"
    München, S. 231-249.
  • Esser, Hartmut (1999):
    "Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 1 Situationslogik und Handeln"
    Frankfurt am Main

Internetquellen

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Erikson, Erik H.

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Biographie in Daten

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Erik Erikson

  • geboren am 15. Juni 1902 in Frankfurt am Main jaa
  • gestorben am 12. Mai 1994 in Harwich, Massachusetts (USA)
  • 1902: geboren mit dem Nachnamen Salomonson, doch sein leiblicher Vater blieb unbekannt; seine Mutter Karla Abrahamson, aus einer angesehenen dänischen, jüdischen Familie stammend, lebte zum Zeitpunkt seiner Empfängnis bereits von ihrem Ehemann Valdemar Salomonson getrennt. Sie floh nach Deutschland und brachte ihren Sohn bei Frankfurt am Main zur Welt.
  • 1905: Durch eine Krankheit Eriksons lernte seine Mutter den jüdischen Kinderarzt Dr. Theodor Homburger kennen und lieben. Kurz darauf heirateten sie und Erik bekam den Namen seines Stiefvaters. So entstand schließlich sein mittlerer Namensteil Erik Homburger Erikson
  • 1929: Heirat mit Joan Sersons

Mit ihr hatte er zwischen 1931 und 1944 drei Söhne, Kai, Jon und Neil, und eine Tochter, Sue. Neil wurde mit Trisomie 21 geboren und in ein Heim abgegeben,was die Familie verschwieg. Er starb im Alter von 21 Jahren.


Werdegang

  • 1923: Nach acht Jahren Gymnasialzeit erreichte er das Abitur. Nach einer einjährigen Reise quer durch Europa kam er nach Karlsruhe zurück.
  • ca. 1924 schrieb er sich, mit dem Gedanken Künstler zu werden, an der Badischen Landeskunstschule ein.
  • ca. 1925 begann er für kurze Zeit an der Kunstakademie in München zu studieren.
  • 1927-1933: verbrachte er eine Zeit in Wien. Er war Schüler und Lehrer zugleich. Er unterrichtete amerikanische Kinder und studierte klinische Psychoanalyse.
  • 1933: Prüfung bei der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft – Ernennung zum ordentlichen Mitglied;Emigration über Kopenhagen in die USA. Innerhalb von fünf Jahren

  • bekam er dort eine Anstellung an der Harvard Medical School, sowie am Massachusetts General Hospital,
  • wurde er Berater am Judge Baker Guidance Center
  • eröffnete er eine Praxis in der Marlborough Street
  • trat er in den Stab der Harvard Psychological Clinic ein
  • erhielt er ein Angebot für eine Stelle am „Institute of Human Relations“ an der Yale-Universität
  • wurde er Dozent an der Yale Medical School und wird kurz darauf Assistenzprofessor

  • 1938: Reise nach Süd-Dakota Reise zum Pine Ridge Reservation, wo ihm die Möglichkeit geboten wurde, Kinder von Sioux-Indianern zu beobachten
  • 1939: Mitarbeiter im Institute of Child Welfare
  • 1960: Professor an der Harvard University
  • 1963: Vortrag in Neu-Delhi vor dem India International Centre
  • 1968: wurde ihm an der Universität von Kalifornien ein akademischer Ehrengrad verliehen, weiters reiste er nach Afrika um an der Universität von Kapstadt die T.B. Davie-Gedächtnisvorlesung zu halten.
  • In den darauf folgenden Jahren arbeitete er aktiv in der Academy of Arts and Sciences mit und hielt Vorträge in Deutschland über Freud.

Historischer Kontext

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Erik H. Erikson war kein guter Schüler. Er mochte die strenge Atmosphäre in der Schule nicht, außerdem war er mehr an Allgemeinbildung interessiert. Seine achtjährige Gymnasialzeit stellte für ihn die längste durchgehaltene Vertiefung mit der formalen Bildung dar. Kurz vor dem Abitur fühlte er sich mit sich selbst, durch einen Identitätskonflikt - verursacht durch seine Kindheit, nicht im Reinen. Anstatt nach dem Abitur zu studieren, beschloss er quer durch Europa zu reisen. Während seiner „Flucht“ führte er ein Tagebuch über seine Gedanken und Erfahrungen. Seine Reisen waren für ihn persönlich und auch fachlich von großer Bedeutung.

Nach einem Jahr kehrte er zurück und beschloss fortan Künstler zu werden. Seine Zeichnungen, Holzschnitte und Radierungen wurden im Münchener Glaspalast ausgestellt. Diese Galerie stellte den Höhepunkt seiner künstlerischen Arbeit dar. Nach zwei Jahren in München ging er nach Florenz und gab schlussendlich sein Künstlerdasein auf.

Während er durch das Land zog, erwachte sein Interesse für Biologie.Nach dem Erhalt eines Briefes von seinem alten Freund Peter Blos ging er nach Wien. Er bekam das Angebot, mit Blos amerikanische Kinder zu unterrichten. Gefördert wurde das Projekt von Dorothy Burlingham und Anna Freud – der Tochter Sigmund Freuds. Annas Interesse galt dem Rätsel der Kindheit. In dieser Zeit lernte er die gesamte Familie Freud kennen, die in ihm einen Kandidaten für eine psychoanalytische Ausbildung sah, die er schlussendlich bei Anna begann. Schließlich konnte er selbst Patient/inn/en in Empfang nehmen und agierte in gewisser Weise auch als Kinderarzt – genauso wie es sich sein Vater von ihm wünschte. Die Ernennung zum ordentlichen Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft ermöglichte es ihm sofort nach Hitlers Machtergreifung, nach Dänemark und daraufhin nach Amerika zu gehen. In Boston wurde er der erste Kinderanalytiker und bekam Stellen an renommierten Universitäten.

Der zweite Weltkrieg hatte Auswirkungen auf Eriksons Arbeit, bei dessen Ausbruch übernahm er zusätzliche Forschungsaufgaben. Seine Berichte bekamen den Titel „U-Boot-Psychologie, sind psychologische Beobachtungen in Interniertenlagern durchführbar?" Er setzte sich stark mit Adolf Hitler auseinander, worüber er mehrere Aufsätze verfasste.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die Begegnung mit Anna und Sigmund Freud hat Eriksons Leben und seine Karriere verändert. Sie erweckten in ihm das Interesse für die Psychoanalyse, indem er bei Anna seine Analyse begann. In dieser Zeit agierte er gleichsam als Lehrer und als Schüler. Er studierte klinische Psychoanalyse bei August Aichhorn, Edward Bibring, Helene Deutsch, Heinz Hartmann und Ernst Kris – einer bemerkenswerten Lehrergruppe in den dreißiger Jahren. Außerdem studierte er noch bei einer Montessori-Gruppe, das ihn bei seinen späteren psychoanalytischen Studien nachhaltig beeinflusste. Die interessante Arbeit war es nun, die Eriksons Unrast besänftigte und ihn Wurzeln schlagen ließ.

Nach Anraten Freuds begann Erikson die Art und Weise zu untersuchen, in der die Menschen permanent nach Ausdruck suchen, indem sie im Tagtraum auf dem Spielplatz oder in der Bibliothek die Rätsel und Konflikte ihres eigenen Seelenlebens finden.


Die geistige Gemeinschaft der Harvard Universität übte bedeutenden Einfluss auf Erikson aus., denn dort war er Menschen begegnet, deren Ideen sein beruflichen Leben in eine bestimmte Richtung lenkten z.B. Margaret Mead, Gregory Bateson, Ruth Benedict, Scudder Mekeel, Henry Murray, Lawrence Frank und Kurt Lewin.

Werke

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Die wichtigsten Schriften Eriksons

  • Psychoanalysis and the Future of Education, Psychoanalytic Quaterly 4, S.50-68. 1935
  • Section on Play Therapy: A Panel Discussion with Maxwell Gitelson and Others, American Journal of *Orthopsychiatry 8, S. 449-524. 1938
  • Observations on Sioux Education, Journal of Psychology 7, S. 101-156. 1939
  • Problems of Infancy and Early Childhood, In: The Cyclopaedia of Medicine, Surgery and Specialties, S. 714-730, Philadelphia. 1940
  • Ego Development and Historical Change, In: The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. II, S. 359-396, New York. 1946
  • Young Man Luther, a study in psychoanalysis and History, New York. 1958
  • Childhood and Society, New York. 1950
  • The power of the Newborn, Mademoiselle 62, S. 100-102. 1953
  • The Problem of Ego Identity, Journal of the American Psychoanalytic Association 4, S. 54-121. 1956
  • Identity and the Life Cycle. New York: International Universities Press. 1959
  • Psychosexual Stages in Child Development, In: Discussion on Child Development, Bd. IV. 1959
  • Insight and Responsibility, New York. 1964
  • Youth and crises, New York. 1968
  • The Human Life Cycle, In: International Encyclopedia of the Social Sciences, Macmillan, New York. 1968
  • Ghandi’s Truth, New York. 1969
  • Dimensions of a New Identity, New York. 1974

Das Werk in Themen und Thesen

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Kindheit und Gesellschaft

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Mit seinem Buch „Kindheit und Gesellschaft“ trug Erikson dazu bei, dass die Psychoanalyse zu einer umfassenden psychologischen Theorie wurde. Es ist wohl das bekannteste Werk eines Freud-Schülers und war Jahrzehnte lang als Grundlagenwerk in der psychoanalytischen und psychiatrischen Ausbildung in Gebrauch. Es gliedert sich in vier Teile:

  • Im ersten Teil möchte Erikson feststellen, wie Kinder aufwachsen und sich so zu unterschiedlichen Erwachsenen entwickeln. Dabei möchte er der Theorie Freuds von der infantilen Sexualität mehr Relevanz verschaffen. Er möchte aufzeigen wie ähnlich und dennoch verschieden die Kinder sind und klären, warum dies so ist.
  • Der zweite Teil liegt im Augenmerk der Indianer. Er beobachtete die nomadisierenden Jäger (Sioux) und die sesshaften Fischer und Bauern (Yurok). Die These, dass zwischen den Formen der Kindererziehung und den späteren Erwachsenenrollen eine Wechselbeziehung besteht, zog sich wie ein roter Faden durch seine Analyse. Erikson postulierte, dass primitive Gesellschaften keine infantilen Stadien der Menschheit sind, sondern er würde sie sogar als volles, reifes Menschentum bezeichnen, mit einer beneidenswerten Homogenität und Integrität.
  • Im dritten Teil wendet sich Erikson dem Ich zu, zur psychologischen Seite dessen, was passiert, wenn Kinder taugliche Mitglieder bestehender Gesellschaften werden. Er analysiert, wie auch schon im ersten Teil, auf der Basis einiger Fallgeschichten. Am Anfang war das Es alles, es wurde als die reale Kraft angesehen, die den Menschen antrieb. Das Es ist all das, was an Bedürfnissen aus unseren frühesten Säuglingsalter in unsere Organisation zurückgeblieben ist. Als nächstes folgt das Über-Ich, das Pflichtgefühl, das nach und nach erlangt wird, die Gebote und Verbote der Welt, die sie lernen. In Momenten von Selbstvorwürfen richtet sich das Über-Ich gegen das Ich, sodass es dem Es ähnlich wird. Das Ich war gefangen zwischen den beiden Kräften. Doch das Ich leistet mehr als Widerstand, es umgeht Risiken oder Kräfte und lernt auch Lektionen und Fertigkeiten, weiters muss es lernen wie es äußere Gefahren überlebt. Erikson möchte aufzeigen wie das Ich wächst bis ein Kind Krankheit, Geld, Liebe, Arbeit etc. kennt.
  • Im vierten Teil steht das Lebensalter der Jugend im Zentrum seiner Analyse. In der diachronen Perspektive wird der Zusammenhang von Ich-Entwicklung und Gesellschaft beleuchtet und zwar durch die kontrastive Analyse der jugendlichen Lebensläufe so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie Adolf Hitler und Maxim Gorki.


Stufenmodell der Psychosozialen Entwicklung

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Im Rahmen des dritten Teiles hat Erikson ein Stufenmodell der Psychosozialen Entwicklung aufgestellt, in der er, aufbauend auf Freud, die Entwicklungen menschlicher Identität darstellt. Während der Entwicklung durchläuft das Individuum Krisen und Konflikte, die durch die Auseinandersetzung mit konträren Forderungen und Bedürfnisse ausgelöst werden. In der Entwicklungsaufgabe sieht Erikson deren Bewältigung, mit anderen Worten, die Lösung einer Krise eröffnet den weitern Entwicklungsweg.


VIII
Reife
Ich-Integrität gegen Verzweiflung
VII
Erwachsenen Alter
Generativität gegen Stagnation
VI
Frühes-Erwachsenen-Alter
Intimität gegen Isolierung
V
Pubertät und Adoleszenz
Identität gegen Rollenkonfusion
IV
Latenz
Leistung gegen Minderwertig keitsgefühl
III
Lokomotorisch-genital

Initiative gegen Schuldgefühl

II
Muskulär-anal
Autonomie gegen Scham und Zweifel
I
Oral-sensorisch
Urvertrauen gegen Misstrauen
1
2
3
4
5
6
7
8


Quelle: Coles 1974, S. 156


Urvertrauen gegen Misstrauen: 1. Lebensjahr

Das Kind ist angewiesen auf die Zuverlässigkeit der Bezugsperson. Die Bedürfnisse, die ein Kind hat, wie etwa Geborgenheit, Nahrung, Nähe etc. müssen erfüllt werden. Bekommt dies ein Kind jedoch nicht, entwickelt es Bedrohungsgefühle und Angstzustände. Es baut sich ein Ur-Misstrauen auf.


Autonomie gegen Scham und Zweifel: 2. bis 3. Lebensjahr

Erikson sieht diese Phase als „entscheidend für das Verhältnis zwischen Liebe und Hass, freier Selbstäußerung und Gedrücktheit“ etc. Erikson beschreibt die ansteigende Selbstständigkeit des Kindes und deren Bedeutung für die Identität. Die Basis für diese Selbstständigkeit beruht auf dem Vertrauen in die Bezugsperson und in sich selbst, erfordert also die Bewältigung der Phase 1. Für das Kind muss das Gefühl entstehen, ausprobieren bzw. den eigenen Willen durchsetzen zu dürfen, ohne die Gefährdung des Vertrauens herbeizuführen. Erikson postuliert hierbei, dass die Scham eine wesentliche Rolle spielt. Die kontinuierliche Einschränkung der Art und Weise wie sich ein Kind verhalten soll, kann zur Folge haben, dass das Kind seine Bedürfnisse als unakzeptabel bzw. als „schmutzig“ wahrnimmt. Beim Kind entsteht in der Folge Scham und der Zweifel an der Richtigkeit der individuellen Wünsche und Bedürfnisse.


Initiative gegen Schuldgefühl: 4. bis 5. Lebensjahr

Im Zentrum steht hier die Bewältigung bzw. Nichtbewältigung des Ödipuskomplexes. Die Beziehung zwischen Mutter und Kind bricht auf und zunehmend wird dem Kind klar, dass noch andere Personenl Bedeutung für die Mutter haben. Speziell die Beziehung zwischen Mutter und Vater ist von Bedeutung, da sie sexuelle Elemente beinhaltet, die ein Kind noch nicht versteht. Demzufolge entsteht hier Eifersucht und Rivalität des Kindes zum jeweils gleichgeschlechtlichen Elternteil. Weiterhin ist hier noch der Gesichtspunkt der „Gewissensentwicklung“ wichtig. Vordergründig geht es hierbei um die Bewältigung der kindlichen Moral. Die Basis für die Entwicklung des Gewissens ist gefestigt, das Kind fühlt sich abgesehen vom Entdecktwerden seiner Fehltritte schlecht.


Leistung gegen Minderwertigkeitsgefühl: 6. Lebensjahr bis 13 Lebensjahr

Kinder in diesem Alter wollen nicht mehr „so tun als ob“, sie wollen mitmachen, zusehen und beobachten. Wichtig ist auch dass man ihnen zeigt, wie man etwas macht. Hier entwickelt sich der Werksinn des Kindes, das Bedürfnis etwas Gutes und Nützliches zu machen. Kinder müssen gefördert werden, man soll ihnen Lust machen etwas zu tun. Wird dieser Werksinn überbeansprucht, so entwickelt das Kind ein Gefühl der Minderwertigkeit und Schwäche. Stellen die Eltern zu hohe Ansprüche an die Kinder und überfordern sie somit, so scheitern Kinder in dieser Phase. Wird das Bedürfnis der Kinder, es gleich zu tun mit den Erwachsenen, ständig untersagt, so können sich ebenfalls Minderwertigkeitsgefühle entwickeln.


Identität gegen Rollenkonfusion: 13. bis 18. Lebensjahr

Identität ist wichtig, man weiß wer man ist und man weiß um die eigene Position in der Gemeinschaft. In dieser Entwicklungsstufe gestalten die Jugendlichen ihr Selbstbild, indem sie all ihr Wissen über sich selbst und die Welt zusammensetzen. Man sucht die soziale Rollen. Schafft dies der Jugendliche nicht, so stößt er auf Zurückweisung. Diese Menschen ziehen sich zurück und gelangen so möglicherweise in Gruppen, die ihnen eine gemeinsame Identität anbieten.


Intimität gegen Isolierung: 20. bis 30. Lebensjahr

In erster Linie steht hier die Erreichung von Intimität im Vordergrund, anstatt isoliert zu bleiben. Die Identitäten sind gereift, es stehen sich zwei unabhängige Egos gegenüber. Wird zu wenig Wert auf intime Beziehungen gelegt, so kann Isolation entstehen. Wer diese Phase erfolgreich hinter sich bringt, so Erikson, ist reif für die Liebe, also die Befähigung Unterschiede und Widersprüche mehr ins Abseits zu stellen.


Generativität gegen Stagnation: 30. bis 50. Lebensjahr

Die Generativität gilt als die wichtigste Entwicklungsstufe des Alters. Es bedeutet die Liebe in die Zukunft zu tragen, sich um die folgende Generation zu kümmern. Was Erikson damit meint, bedeutet nicht ausschließlich eigene Kinder zu bekommen, sondern bezieht sich auch auf die Künste, die Wissenschaft etc. Das genaue Gegenteil wäre Stagnation, man ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Das würde Ablehnung seitens der Mitmenschen nach sich ziehen. Wer ein Mittelmaß findet, also wer sich selbst und andere nicht vernachlässigt, der hat diese Phase bewältigt und die Fähigkeit zur Fürsorge erreicht.


Ich-Integrität gegen Verzweiflung: 60. bis 80. Lebensjahr

In dieser letzten Entwicklungsstufe blickt der Mensch auf sein Leben zurück. Er soll seine Taten annehmen und den Tod nicht fürchten. Verzweiflung äußert sich bei all jenen, die meinen, im Leben etwas falsch gemacht zu haben und dieses aufgrund dessen noch einmal leben zu müssen. Der Mensch muss sich mit dem Alter und dem Tod auseinandersetzen. Wer diese letzte Phase erfolgreich abschließt, erlangt Erikson zufolge Weisheit. Was nichts anderes bedeutet als dem Tod entgegenzusehen, sein Leben anzunehmen mitsamt der Fehler und darin dann das Glück finden.

Rezeption und Wirkung

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Erik H. Erikson zählt zu den einflussreichsten Psychoanalytikern des 20. Jahrhunderts. Er wird als Freudianer bezeichnet, weil er den wesentlichen Grundsätzen Freuds treu blieb und ebenso der Welt außerhalb seines Sprechzimmers große Aufmerksamkeit schenkte.

Erikson wuchs über den Status eines führenden Psychoanalytikers hinaus. Historiker, Theologen, Philosophen, Biologen und Studenten aller Fachrichtungen interessieren sich zunehmend für seine Arbeit. Man forderte ihn auf, an unzähligen Hochschulen und Universitäten auf der ganzen Welt Vorträge zu halten. Beim Kongress der Weltgesundheitsorganisation 1953 trafen sich 12 führende Wissenschaftler um den Einfluss in der Kindheit wirksamer Faktoren auf die Entwicklung der Persönlichkeit zu erörtern. Dabei wurden Eriksons Theorien herangezogen und in zwei der vier darauf erschienen Bänder mit dem Titel „Discussion on Child Development“ veröffentlicht.


Erikson Institut

Unter dem Patronat der Loyola-Universität in Chicago wurde ein Erikson-Institut für frühkindliche Erziehung eröffnet. In diesem Institut werden Lehrer für die Arbeit mit Kindern ausgebildet. Die Kinder kommen von den Ghettos oder aus schlechten ländlichen Umgebungen. Menschen aus dem ganzen Land lassen sich zum Lehrer ausbilden, jene die für deren Ausbildung sorgen, kommen aus der ganzen Welt. Dazu gehörten u.a. Anna Freud, Jean Piaget, Konrad Lorenz und Erikson selbst. Diese Auszeichnung nahm Erikson mit Stolz entgegen, ansonsten lehnte er eine beträchtliche Anzahl von Einladungen und Angeboten von Ehrentiteln ab.

Literatur

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  • Coles, Robert (1974):
    "Erik H. Erikson – Leben und Werk"
    München
  • Konrad, Franz-Michael (2001):
    "Erikson, Erik H. – Kindheit und Gesellschaft. In: Oesterdiekhoff, W. Georg (Hrsg.): Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden, S. 178-179
  • Noack, Juliane (2005):
    "Erik H. Eriksons Identitätstheorie"
    Oberhausen


Internetquellen

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Etzioni, Amitai

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Biographie in Daten

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Etzioni Amitai

  • geboren am 4.1. 1929 in Köln, als Sohn von Gertrud und Willi Falk unter dem Namen Werner Falk geboren.


  • 1935: Die Familie reist aus Deutschland aus, Zwischenaufenthalt in Athen
  • 1936: Einwanderung in Palästina, Ansiedlung in der Moshaw Kefar Shemarayahu

(Kibbuz-ähnliche Form einer gemeinschaftlichen Siedlung; mehr kooperativer Charakter: eigenes Land, gemeinsamer Ver- und Einkauf von Waren)

  • 1944: Etzioni tritt der Jugendfraktion der sozialdemokratischen MAPAI (zionistisch-sozialistische Partei Israels) bei.
  • 1948: Schulabbruch und Anschluss an Untergrundkämpfen im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskrieges.
  • 1949: Lehrgang zum Erwachsenenausbildner unter Martin Buber, anschließend beginnt Etzioni ein Studium an der Hebräischen Universität in Jerusalem.
  • 1954: Bachelor of Arts an der Hebräischen Universität, Jerusalem
  • 1956: M.A. an der Hebräischen Universität, Jerusalem
  • 1957: Etzioni Amitai emigriert nach Berkely, USA
  • 1958 – 1967: Dozent, Assistant Professor und Associate Professor an der Columbia Universität, New York
  • 1963: Etzioni erhält die amerikanische Staatsbürgerschaft.
  • 1964: Etzioni spricht sich öffentlich gegen den Vietnam-Krieg aus, verfasst Artikel und spricht auf Antikriegsdemonstrationen.
  • 1967 – 1980: Professor an der Columbia Universität, New York
  • 1968: Wissenschaftliche Anerkennung durch die Veröffentlichung seines Werkes “Die Aktive Gesellschaft”; Etzioni wird Direktor des neugegründeten „Center for Policy Research“, New York
  • 1972: Etzioni schlägt auf dem Gipfel der WHO und UNESCO vor, eine Ethikkommission zu errichten, welche in medizinischen und gentechnologischen Fragen zu brisanten Themen kritisch Stellung nehmen und beratend einwirken soll.
  • 1979 – 1989: Berater von Richard Harden und Präsident Jimmy Carter
  • 1980: Professor an der Universität Washington
  • 1984: Veröffentlichung seines Werkes „Capital Corruption“, in welchem er vor allem gegen den politischen Einfluss der Lobbyisten in den USA laut macht.
  • 1987 – 1989: Professor an der Universität in Harvard
  • 1989: Gründung der “Society for the Advancement of Socio-Economics” (SASE)[7] und des “International Journal on Socio-Economics”.
  • 1991: Herausgabe der Zeitschrift “The Responsive Commnity” und des “Communitarian Network”
  • 1994 – 1995: Etzioni übernimmt den Vorsitz der „American Sociological Association“.
  • 1995: First Communitarian Summit, Genf
  • 1996: Veröffentlichung von “The New Golden Rule”.
  • 1998: Etzioni hält die Frankfurter Pauskirchenrede („Ending the Night“).
  • 1999: Second Communitarian Summit, Washington
  • 2000: Veröffentlichung von „The Third Way to a Good Societey”
  • 2001: Veröffentlichung von “The Monochrome Society”


Historischer Kontext

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Das Leben des Amitai Etzioni wird geprägt durch eine Vielzahl an historischen Einflüssen und Geschehnissen, die auch augenscheinlich auf sein kommunitaristisches Paradigma einwirkten.

Bereits in seiner Kindheit muss Amitai Etzioni, bedingt durch die Machtübernahme der Nazis und seine jüdische Abstammung, mit seinen Eltern aus Deutschland flüchten. Der Nationalsozialismus fordert in Etzionis Verwandtschaft 25 Tote, die alle in Konzentrationslagern ermordet wurden. Es scheint also evident, dass Etzionis Theorien stets die Verantwortlichkeit von Gesellschaften, Gemeinschaften und Kollektiven wie Völkern fraglich aufwerfen und bearbeiten.

Ebenso weit reichende Beeinflussung hat die Immigration seiner Familie 1936 nach Palästina, das Aufwachsen in einem kibbuz-ähnlichen, gemeinschaftlich orientierten Kollektiv und das aktive Erleben und Mitwirken im israelischen Freiheitskrieg als Widerstandskämpfer und Soldat zufolge.

Nach seiner Emigration in die USA im Jahr 1957 wird Etzioni Zeitzeuge der damaligen, umwälzenden gesellschaftlichen Prozesse der 60er und 70er Jahre, des Vietnamkriegs, sowie des kalten Kriegs. Auch diese Erlebnisse lassen Rückschlüsse auf die kommunitarischen Thesen und Theorien von Etzioni zu.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Der wohl erste und direkteste Einfluss auf die intellektuelle Gedankenwelt Etzionis entstand aus der engen Auseinandersetzung mit seinem Lehrer und Vordenker in vielen Bereichen, Martin Buber [8], der mit seiner Theorie an Tönnies „Gemeinschaft und Gesellschaft“ anknüpft. Buber gilt als stark sozialistisch orientierter, kommunitarischer Gesellschaftskritiker, der das Ideal des menschlichen Zusammenlebens in kommunistischen Lebensgemeinschaften sieht und auf eine Rückbesinnung zu Kameradschaft, Genossenschaft, Bruderschaft, Bund, Ortsgemeinde, religiöser Einigung, gemeinschaftlicher Produktion und Besitzverteilung auf freiwilliger Basis plädiert. Die Erreichung dieser neuen Selbstverständnis der Menschen sieht Buber durch sein dialogisches Prinzip verwirklicht, welches auch Etzioni aufnimmt – der oft als utopisch bezeichnete, sozialistische Allmachtsglaube wird von diesem jedoch äußerst kritisch betrachtet und abgelehnt. Neben Buber liegen die ideengeschichtlichen Einflüsse Etzionis vor allem in den Ansätzen von Ferdinand Tönnies [9], Emile Durkheim [10], Robert Nisbet[11], John Dewey [12] und George Herbert Mead [13].

In Anlehnung an die philosophischen Quellen des Kommunitarismus müssen natürlich auch die frühen kritischen Vordenker und Verfechter der Aufklärung und Moderne wie Aristoteles [14], Thomas von Aquin [15] oder etwa Hegel [16] als Einflüsse auf Etzionis wissenschaftliches Gesamtwerk genannt werden.

Zeitgenössische Autoren und Denker aus dem Umfeld des äußerst praktisch orientierten Etzionis finden sich auch außerhalb der Soziologie in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen, besonders in der Politik, Ökonomie und Philosophie. Hierzu zählen unter anderem Robert Bellah [17], Charles Taylor [18], Michael Sandel, Michael Walzer [19], Philipp Selznick [20], Daniel A. Bell [21], Hans Joas [22], Jürgen Habermas [23], Amartya Sen [24] und Stephen Goldsmith [25].


Hauptwerke

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  • Winning without war, New York 1964
  • Der harte Weg zum Frieden. Eine neue Strategie. Mit einem Vorwort von Carl Friedrich von Weizsäcker, Göttingen 1965
  • Political Unification. A comparative study of leaders and forces, New York 1965
  • The active society. A theory of societal and political processes, New York/London 1968
  • The genetic fix. The next technological revolution, USA 1973
  • Capital corruption. The new attack on American democracy, New Brunswick 1988
  • The moral dimension. Toward al new economics, New York 1988
  • A responsive society. Collected essays on guiding deliberate social chance, San Francisco/Oxford 1991
  • Public policy in a new key, New Brunswick/London 1993
  • The spirit of community. Rights, responsibilities, and the communitarian agenda, New York 1993
  • Rights and the common good. The communitarian perspective (Hg.), New York 1995
  • The new golden rule. Community and morality in a democratic society, New York 1997
  • The essential communitarian reader (Hg.), New York 1998
  • Martin Buber und die kommunitarische Idee, Wien 1999
  • The limits of privacy, New York 1999
  • The third way to a good society, London 2000


Des Weiteren ist Etzioni der Herausgeber und Mitbegründer der Zeitschrift “The Responsive Community”, welche seit Jänner 1991 vierteljährlich in den USA erscheint und im Zuge dessen regelmäßig grundlegende kommunitaristische Thesen und Beiträge Etzionis veröffentlicht.


Neuere Artikel von Amitai Etzioni lassen sich ausserdem auf seiner Homepage des Communitarian Network, Washington, (http://www.gwu.edu/~ccps/etzioni/index.html) aufrufen.


Das Werk in Themen und Thesen

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Etzioni und der Kommunitarismus

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Amitai Etzioni zählt zu den führenden Vertretern zeitgenössischer, amerikanischer Soziologie und wird von der Presse in den USA auch als „Guru der kommunitarischen Bewegung“ bezeichnet. Sein Grundkonzept gegenüber den Altkommunitariern nimmt zwar ebenso Bezug auf die Notwendigkeit von Gemeinschaften, spricht jedoch umgekehrt auch die Gefahr repressiver und autoritärer Gemeinschaften an. Ein wesentliches Charakteristikum seiner Theorien geht aus der Dreiecksbeziehung zwischen Staat – Markt – Zivilgesellschaft hervor.

Etzioni beschreibt die gesellschaftliche Ausgangssituation in den sechziger Jahren als Zustand der Auflösung fest gefügter Bindungen und sozialer Wertvorstellungen. Daraus resultierend begann eine Sinnsuche, welche oftmals Scharlatanen, sowie auch politischen Demagogen Tür und Tor öffnete und repressive Ideale in der Gesellschaft begünstigte. Diese Problematik wurde von den Kommunitariern aufgegriffen, die berechtigte Sinnsuche sollte jedoch durch andere Impulse angeregt werden und so wurde den beiden Hauptsäulen Staat und Markt der amerikanischen Gesellschaft, die Zivilgesellschaft als dritter Faktor zugefügt. Von besonderer Bedeutung für den Kommunitarismus ist, dass politisch angestrebte Strategien und Ziele in der Zivilgesellschaft verankert sein müssen, um erfolgreich zu sein. Als Beispiel führt Etzioni die Alkoholprohibition in den USA der Zwanzigerjahre an, welche nie erfolgreich durchgesetzt werden konnte, da es an der Zustimmung und Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft fehlte. Der Versuch einer kleinen Gruppierung religiöser Moralisten, das Alkoholverbot mithilfe des Staates zu erzwingen scheiterte und als zusätzlicher negativer Nebeneffekt wurde der organisierten Kriminalität und Korruption noch mehr Macht zuteil. Auf der anderen Seite zeigt Etzioni auf, dass das Rauchverbot in den USA weitestgehend durchgesetzt werden konnte, was er auf die gesellschaftliche Akzeptanz einer überwältigenden Mehrheit zurückführt. Im Laufe eines beinahe 25jährigen Dialoges konnte das Rauchverbot also eine breite, reale Durchsetzungskraft erreichen, da das Verständnis der Bevölkerung – auch in Hinblick auf die Gefahr des Passivrauchens für andere – geschärft wurde. Es geht also darum, auf einen breiten Wertkonsens in der Gemeinschaft zu bauen und einen Mittelweg zwischen radikalem, individualistischem Liberalismus und konservativem Autoritarismus zu finden.


Individuelle Autonomie vs. soziale Ordnung

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Während viele Soziologen in der Dichotomie der individuellen Selbstbestimmung und der kollektiven, sozialen Gemeinschaftsordnung eine Einbahnstraße sahen, versucht Amitai Etzioni diese beiden Ausrichtungen wieder zusammenzuführen. Anstatt sich auf die Gegensätzlichkeiten zwischen Individualisierung und Kollektivismus zu berufen, weist Etzioni auf die Unverzichtbarkeit beider Formen für eine möglichst große persönliche Freiheit im Zuge einer gemeinschaftlich orientierten Gesellschaftsordnung hin. Ein Mittelmaß zwischen Individualisierung bzw. der drohenden Atomisierung und Vereinsamung des Menschen, sowie des Kollektivismus mit der Gefahr zum totalitären System hin, stellt für ihn die Ideallösung des gemeinschaftlichen Zusammenlebens dar. Seine goldene Regel lautet demnach:“ Achte und wahre die moralische Ordnung der Gesellschaft in gleichem Maße, wie Du wünschst, dass die Gesellschaft Deine Autonomie achtet und wahrt.“

Auf Beispielebene lässt sich dies wie folgt beschreiben: Herrscht in einem Land Krieg, Chaos und Gewalt, so schränkt dies persönliche Freiheit und Rechte ein, es wird mitunter sogar lebensbedrohlich, auf die Straße bzw. unter andere Menschen zu gehen, geschweige denn, seine eigene Meinung kund zu tun. Wird jedoch eine gesellschaftliche und soziale Ordnung wiederhergestellt, so bringt das für den Einzelnen mehr Freiheit und (Erwartungs-)sicherheit. Es geht in Etzionis Theorie also um das harmonische Gleichgewicht zwischen sozialer Ordnung und individuellem Persönlichkeitsrecht, da das richtige Maß beider nötig ist, um die größtmögliche persönliche Freiheit innerhalb einer funktionierenden Gemeinschaft zu garantieren.


Die Basis sozialer Ordnung

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In seinem Werk „Die aktive Gesellschaft“ kritisiert Etzioni die drei grundlegenden Theorieansätze der Sozialwissenschaften

1. atomistischer Ansatz (rationale Entscheidungstheorie, individualistische Ökonomie)

2. kollektivistischer Ansatz (Systemtheorie)

3. voluntaristischer Ansatz (Aufklärung, utopischer Sozialismus)

als zu einseitig und versucht diese mithilfe seines Konzepts der „societal guidance“ zu kombinieren. Im Deutschen bürgert sich synonym dafür der Begriff der „gesellschaftlichen Selbstregelung“ ein.

Laut Etzioni kann eine gesellschaftliche Bindung durch folgende drei Mechanismen erreicht werden:

1) Zwang

2) Nutzen

3) Normen

Im Normalfall vermischen sich diese idealtypischen Bindungs- bzw. Kontrollmuster, es kommt jedoch meist zur Herausbildung eines Hauptfaktors. Die optimale und somit belastbarste Form der Bindung und gesellschaftlicher Kooperation stellt eine auf Normen basierende, verinnerlichte Übereinstimmung der Wertestruktur dar, welche durch zusätzliche Nutzenserwägungen gestützt ist und sich im Ernstfall auf eine legitimierte Sanktion durch Zwang berufen kann. Das Ziel, welches Etzioni durch „Die aktive Gesellschaft“ erreichen will, ist demnach eine gesteigerte Responsivität der Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern und deren Bedürfnissen, als größte Gefahr sieht er Entfremdung und Inauthentizität durch Industrialisierung, Bürokratisierung und Rationalität, sowie Manipulation.


Gemeinschaft und Werte

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Wie bereits angesprochen und in seinem Werk „Die Verantwortungsgesellschaft“ beleuchtet, ist eine kollektive Wertestruktur von grundlegender Bedeutung für Etzionis Kommunitarismus. Für Werte jedoch, gibt es keine universalistischen Geltungsgründe, woraus sich für ihn die Frage ableitet, wie verschiedene Subkulturen im Einvernehmen miteinander koexistieren können, ohne sich durch übermäßige Assimilation aufzulösen bzw. in völliger Distinktion zu isolieren. Als wichtigste Voraussetzung gilt daher ein Einvernehmen in gewissen Grundwerten, auf die sich die Teilgesellschaften einigen müssen. Ein solcher gemeinsamer sozialer Rahmen beruht laut Etzioni auf folgenden Aspekten:

1) Demokratie muss über ihren organisatorischen Mechanismus hinaus als eigenständiger Weg anerkannt werden.

2) Die Verfassung eines Staates und die darin verankerten Grundrechte der Menschen sind verbindlich.

3) Die Loyalitäten dürfen nicht auf einer einzigen Teilgesellschaft oder einzig auf die Gesamtnation beruhen, sondern müssen aufgeteilt sein.

4) Toleranz muss die Grundlage für Achtung – nicht unbedingt Akzeptanz - von Sitten, Bräuchen und Werten anderer kultureller Gruppen sein.

5) Die Durchführung von sogenannten „Identitätspolitiken“ darf daher nur sehr eingeschränkt erfolgen.

6) Moralische Dialoge sollen für eine gegenseitige Abstimmung der Grundwertestruktur auf ziviler (heißt: bürgerkriegsvermeidender) Art gesellschaftsweit geführt werden.


Globalisierung und Sozioökonomik

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Die Globalisierung, durch welche ein beschleunigter Wertewandel vonstatten geht, stellt für Etzioni – neben all ihren Chancen – einen zunehmenden Risiko- und Stressfaktor für die (arbeitende) Bevölkerung dar, den es zu minimieren gilt.

Etzionis Forderungen mit sehr praktischen Charakter zum Schutz und Absicherung der Existenz sehen unter anderem eine Verlangsamung der Anpassungsanforderungen vor, des weiteren die Schaffung von „community jobs“ für die Produktion öffentlicher Güter (Schulen, Kindergärten, Büchereien, Umweltschutz) auf lokaler Ebene, eine größere Arbeitsplatzsicherheit im Zusammenhang mit einem Grundgefühl sozialer Sicherheit durch eine gesundheitliche Grundversorgung und eine gewisse freiwillige Einfachheit der Grundbedürfnisse und des Lebensstandards.

Auch die Sozioökonomik, ein relativ neuer Denkansatz, geht in diese Richtung und versucht, wieder eine moralische Dimension in die Welt der Wirtschaft und Ökonomie zu bringen. Der praktische Vorteil darin besteht in den Einsparungen für Notariatskosten, Kautionen und Bürgschaften, da eine mehrfache und vor allem kostenintensive Absicherung durch relative Erwartungssicherheit der Geschäftspartner basierend auf moralischen Verpflichtungen nicht mehr nötig scheint.

Die Sozioökonomik besagt weiters, dass sich der Markt nicht alleine reguliert und aufrechterhalten kann, da eine zu starke Neigung zu Kartellen und Monopolen vorherrscht. Während zu starke soziale Bindungen jedoch den Wettbewerb behindern würden und zu schwache Bindungen zerstörerisch wirken, stellt eine staatlich gestützte Verteidigung gewisser Spielregeln die ideale Mittellösung dar, um den Wettbewerb frei und attraktiv, sowie in verbraucherorientierten und marktförderlichen Bahnen zu gestalten.


Rezeption und Wirkung

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Die Theorien und Thesen Amitai Etzionis fanden in den USA und auch in Westeuropa großen Anklang und Bestätigung. Besonders seine Praxisnähe und sein politischer Aktivismus führten ihn seinem Ziel, den Kommunitarismus von den intellektuellen Theorien loszulösen und der breiten Gesellschaft zu zuführen, einen großen Schritt näher. Dieser neue Kommunitarismus fand sowohl in den verschiedensten politischen Lagern – von liberalen Demokraten bis zu konservativen Republikanern -, als auch in den verschiedensten Ländern zahlreiche Anhänger und bedeutet für Etzioni selbst eine Öffnung jenseits einer politisch „linken“ oder „rechten“ Orientierung. Es galt, eine neue soziale Mitte zu finden, welche durch die Belebung der öffentlichen Räume und Einrichtungen sowohl von linksliberalen als auch von rechtskonservativen Politikern zum Programm erklärt werden konnte.

Der Impuls, welcher von dieser kommunitarischen Bewegung ausging, zeigte sich als hoch effizient und wirkungsvoll, wenn man bedenkt, dass sie relativ schnell in die Regierungsprogramme und Ansprachen der Neunziger von Bill Clinton wie auch von Tony Blair eingingen.

Die praktische Anwendung der Konzepte Etzionis und seine Beratung zeigten vor allem auch in der Schlichtung des Rüstungswettlaufes zwischen der Sowjetunion und der USA ihre Wirkung. Die Idee, durch einseitige, kleine Zugeständnisse Signale zu setzen und somit mehr Vertrauen zu schaffen, führt er bereits im Oktober 1962 in seinem Werk „Siegen ohne Krieg“ aus. Etzioni ahnte weiters bereits zu Ende der 80er Jahre voraus, dass in Zukunft in den internationalen Konflikten immer mehr die Wirtschaftsordnung anstelle militärischer Konfrontationen an Bedeutung gewinnen würde.

Die von Etzioni 1990 gegründete kommunitarische Bewegung zählt wohl bis heute als seine erfolgreichste Initiative, den Erfolg sieht er selbst darin begründet, dass die geschichtliche Situation einfach eine Neuorientierung forderte. Nach den großen Zeiten der neoklassischen Ökonomie von Thatcher und Reagon war laut Etzioni die Zeit reif für eine Umgestaltung der sozialen und gesellschaftlichen Erfordernisse in Richtung Kommunitarismus und Sozioökonomie. Die größte Breitenwirkung fanden seine Konzepte in den USA, die größte öffentliche Anerkennung fanden diese durch Blair in Großbritannien.

Besonders heute ist der kommunitarische Ansatz, parallel zur Sozioökonomie und bedingt durch beschleunigten Wandel, Globalisierung und zunehmende Isolierung und Atomisierung von Individuen innerhalb der Gesellschaft, nach wie vor von außerordentlicher Brisanz und wirft auch neuerdings häufig die Diskussion um erneuerte moralische Werte in der breiten Öffentlichkeit auf.


Literatur

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  • Reese-Schäfer,Walter (2001):
    "Amitai Etzioni zur Einführung"
  • Garstenauer,Christian (2000):
    "Das kommunitaristische Paradigma des Amitai Etzioni, Diplomarbeit"


Internetquellen

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Ferguson, Adam

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Biographie in Daten

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Adam Ferguson (1723-1816)

  • schottischer Priester, Historiker, Philosoph und Soziologe, wird als bedeutende Persönlichkeit in der schottischen Aufklärung gesehen, da er die bürgerlichen Schichten nach den Eigentumsverhältnissen klassifizierte. Ferguson war bekannt als Professor der Moralphilosophie an der Universität von Edinburgh und als Autor von der Geschichte Roms, sowie anderer Werke die sich mit den Themen Moral, Gesellschaft und politische Philosophie beschäftigen. Seine Bücher wurden schon zu seiner Zeit in mehr als acht Sprachen übersetzt und in ganz Europa veröffentlicht. Adam Ferguson wird als Mitbegründer der Soziologie erklärt.


* 1723 - 1739: Fergusons Kindheit

Adam Ferguson wurde am 20. Juni 1723 in einem Pfarrhaus in einem Dorf Namens Logieraith, Pertshire, Schottland geboren. Er war der jüngste Sohn einer kinderreichen Familie, dessen Eltern beide aus angesehenen alten schottischen Familien stammten.

Als der Sohn eines Pfarrers wurde Ferguson zuerst zu Hause unterrichtet. Doch auf Grund seiner Begabung und Interesse an allem Geschriebenen, wurde Ferguson nach Logieraith und später nach Perth geschickt um dort in die Schule zu gehen.


* 1739 - 1742: Fergusons Studienzeit

Mit 16 Jahren besuchte er die Universität von St. Andrews, wo er mit 19 Jahren seinen Master of Arts in den Fächern Moralphilosophie, Mathematik, Latein, Metaphysik, und Griechisch erhielt. Seinem Vater zu Liebe inskribierte er sich anschließend für das Theologiestudium um sich für das geistliche Amt vorzubereiten. Nach kurzer Zeit wechselte er nach Edinburgh, da diese Universität einen besseren Ruf und Möglichkeiten bot, als die Universität von St. Andrews. Dieser Entschluss hat sich als eine weise Entscheidung erwiesen, sich Ferguson dort im Mittelpunkt einer aufregenden intellektuellen Umgebung befand und sehr schnell zum Mitglied einer Studentenelitegruppe wurde. Einige Mitglieder dieser Gruppe waren John Home, William Robertson, Hugh Blair, und Alexander Carlyle, mit denen er später die Speculative Society, für das Studieren von Wissenschaft und Philosophie, gründete.


* 1742 - 1754: Geistliches Amt von Adam Ferguson

Nach nur zwei, von den sechs vorgeschriebenen Semestern eines Theologiestudiums, nach denen normalerweise die Lizenz zu Predigen erteilt wurde, bekam Ferguson das Angebot als Feldgeistlicher im schottischen Hochlandregiment, genannt „Black Watch“, zu dienen, welches er auch in der Schlacht bei Fontenoy, der Erbfolgekrieg von Österreich, begleitete. Im Militär diente er neun Jahre lang als Pfarrer. Als 1754 das Regiment nach Amerika geschickt wurde, gab Ferguson seine Priesterlaufbahn auf. Warum er dies tat bleibt ein Rätsel. Es wird spekuliert, dass der Tod seines Vaters ihn von der Verpflichtung befreite, ein geistliches Amt zu bekleiden, welches ihn nie besonders reizte. Im gleichen Jahr begab er sich auf eine kurze Reise durch Deutschland, Holland und durch das schottische Hochland. Die Reise in seine Heimat und den umgebenden Bergen, prägt später seine Einstellung über den Unterschied zwischen Menschen, die in der Stadt und denen die am Land leben, welche in seinen Werken von Bedeutung sein wird.

Zur Verteidigung von seinem Freund John Home, der die Tragödie „Douglas“ schrieb, verfasste Ferguson 1754 die Schrift „The Morality of Stage Plays seriously considered“, da die presbyterianische Kirche Home auf Grund seiner Tragödie stark kritisierte.


* 1755 - 1764: Anfang und Aufstieg seiner akademischen Karriere

1755 machte Ferguson Edinburgh zu seinem festen Wohnsitz, wo er Nachfolger von David Hume als Bibliothekar und Clerk der Anwaltsfakultät wurde. Dort trat er einem literarischen Kreis von Denkern und Wissenschaftlern bei, der sich „Select Society“ nannte und sich mit wissenschaftlichen Themen aus der Philosophie und Philologie befasste. Die Mitglieder der Select Society waren unter anderem William Robertson, Tytler, Lord Hailes, Lord Monboddo, und Dalrrumple, sowie zwei seiner engsten Freunde, die ihm später besonders in seiner beruflichen Laufbahn unterstützen: Adam Smith und David Hume. Da sein Gehalt nur 40£ im Jahr betrug, was schon damals eine erbärmliche Summe war, nahm er das Angebot, die Söhne von Lord Bute, künftiger Primer Minister und Freund von den Prinz von Wales, zu erziehen und zu unterrichten an. Als er so plötzlich seinen Posten in der Anwaltsfakultät verließ, sorgte dies für Feindseligkeit gegenüber Ferguson, da er vorher nicht um Erlaubnis oder Zustimmung der Bibliothek gebeten hatte und den Posten einfach unbesetzt verließ.

Nach vielen Bemühungen von David Hume, mit Unterstützung von Adam Smith, für Ferguson einen Lehrstuhl an der Universität von Edinburgh zu erkaufen, übernahm Adam Ferguson schließlich den Lehrstuhl von dem verstorbenen Dr. John Stewart des Fachgebietes Naturphilosophie. Ferguson wurde am 4. Juli 1759 in das Amt einberufen und sollte schon im Oktober anfangen zu lehren, obwohl er wenig Wissen (um nicht zu sagen „keine Ahnung“), von diesem Fach hatte. Doch in schon drei Monaten holte er das Wissen zu diesem Gebiet auf und wurde zu einem beliebten Lehrer. Besonders begeistert von Fergusons schnellem Wissenserwerb war David Hume, der ihn später als „Genie“ bezeichnete, da Ferguson so ein umfangreiches Fach in so kurzer Zeit lernen und zu lehren meisterte.


* 1764-1784: Fergusons akademischer Erfolg

Das Jahr 1964, war jenes Jahr in dem Fergusons Traum und immer im Visier bleibendes Ziel, die Professur für Geistes- und Moralphilosophie („Pneumatics and Moral Philosophy“) an der Universität von Edinburgh Wirklichkeit, wurde. Er wurde bald zu einem populären Professor, dessen Vorlesungen und Vorträge eine sehr große Hörerzahl genoss, die nicht allein von Studenten, sondern auch von bedeutenden Persönlichkeiten in der Politik und Gesellschaft besucht wurden. Er erhielt großes Lob, sowohl von Politikern als auch von Wissenschaftlern, für seine beachtlichen Werke , besonders aus Schottland und England, sowie Europa und wurde zu einer der bekanntesten Philosophen seiner Zeit gezählt. Diesen Status bekam er aber nicht nur wegen seinen Vorträge und prominenten Kontakte, die er während der Jahre an der Universität von Edinburgh geknüpft hatte, sondern auch aufgrund seiner veröffentlichten Werke. Im Jahre 1766 publizierte Ferguson, trotz der Abratung von David Hume, welcher meinte, dass das Werk nichts anderes als ein Kommentar zu Montesquieus Werk „Esprit des Lois“ sei, sein erstes Buch „An Essay on the History of Civil Society“. Dieses Werk, das eine erweiterte Version von seinem zehn Jahre alten unveröffentlichten Buch „Treatise on Refinement“ wurde, war jedoch, trotz der umstrittenen Meinung und Humes Kritik, ein großer Erfolg, wodurch der Ruhm von Ferguson noch mehr anstieg. „An Essay on the History of Civil Society“ war besonders in Edinburgh und London sehr beliebt. Im gleichen Jahr ernannte ihn der Senatus Academicus der Universität Edinburgh zum Doktor der Rechte („LL.D Degree“).

Ein weiteres Glück, das ihm das Jahr 1766 brachte, war seine Hochzeit mit der Nichte seines Cousins und guten Freundes Joseph Black, Katherine Burnett of Aberdeenshire. Ferguson führte eine glückliche Partnerschaft und Ehe mit seiner Frau bis sie 1795 starb. Ende desselben Jahres, veröffentlichte er ein Buch zu seinen Vorlesungen „Analysis of Pneumatics and Moral Philosophy for the Use of Students in the College of Edinburgh“, welches er zwei Jahre später unter der erweiterten Auflage mit dem Titel „Institutes of Moral Philosophy“ (1766) publizierte. Mit diesem Buch erfuhr er ein international akademisch anerkanntes Ansehen und sein Werk wurde später auch als Lehrbuch an den Universitäten in Deutschland, Frankreich und Russland verwendet.

Als Ferguson 1773 das Angebot, welches er auf Grund der Empfehlung von Adam Smith erhielt, den Neffen des Earls of Chesterfield als Tutor durch Europa zu begleiten, nahm er dies ohne Zustimmung der Universität an, welche ihm drohte ihn zu ersetzen, wenn er gehen würde. Ferguson beendete somit noch das Semester 1773 und bestand darauf, das folgende Jahr abwesend sein zu dürfen. Er tat dies hauptsächlich aus finanziellen Gründen, denn seine finanzielle Lage war schon immer relativ schlecht und der Gehalt eines Universitätsprofessors war nicht besonders verlockend im Gegensatz zu Earls Gehaltsangebot eines Lohnes von 400£ pro Jahr. Zusätzlich versicherte ihm dieser eine lebenslange jährliche Rente von 200£. Somit begab sich Ferguson mit seinem Schützling auf eine zwei Jahre lang dauernde Reise durch Kontinentaleuropa, in der sie Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz besuchten.

Ferguson wurde öfters zur Beratung der Regierung hinzugezogen. Als es um die Verhältnisse zwischen England, Schottland und Amerika ging, legte er eine versöhnende Haltung nahe. Dieser Rat wurde jedoch nicht befolgt. Daher verließ Ferguson im Jahr 1778 abermals die Universität, diesmal für ein Jahr und mit deren Zustimmung, da er zusammen mit Adam Smith als Berater und Mitglied einer Friedenskommission von der Regierung gewählt wurde, um mit den Amerikanern zu verhandeln. Der Zeitpunkt des Verhandelns war jedoch schon zu spät, da Franklin schon ein Abkommen mit Frankreich getroffen hatte und somit nicht mehr auf die Engländer angewiesen war. Dies gab somit den Amerikanern die Sicherheit um den Bürgerkrieg mit Erfolg durchzuführen. Die Mission endete aus diesem Grund im Misserfolg und Ferguson kehrte ohne jegliche positiven Veränderungen im Frühling des Jahres 1779 zurück.

Ein Jahr nach Rückkehr dieses Fehlschlags, was nichts an der Motivation änderte, sein Werk über die römische Republik zu vollenden, erlitt er einen schweren Anfall, mit einhergehender Paralyse. Dank seinem guten Freund und Verwandten, Dr. Joseph Black, der ihn wie durch ein Wunder mit einer strengen Diät geheilt hatte, konnte Adam Ferguson 1783 sein Werk „The History of the Progress and Termination of the Roman Republic, illustrated with maps veröffentlichen. In dieses Werk fasste er in drei Bänden circa 550 Jahre römischer Geschichte bzw. die Geschichte der römischen Republik, angefangen mit dem Anfang des ersten punischen Krieges (ca. 250 v.Chr.) bis Ende der Herrschaft von Augustus (27 v. Chr). Durch diesen Überblick, welcher sehr objektiv gehalten ist, versuchte er die Ursachen für den Verfall von staatlichen Institutionen und des römischen Reichs bzw. der Republik zu erforschen.


* 1785 - 1793: Fergusons letzte Jahre an der Universität Edinburgh

Im Jahre 1785, mit einem Alter von 62 Jahren, zog sich Ferguson aus der Lehrtätigkeit des Faches Moralphilosophie zurück und erhielt eine unbesetzte Professur des Fachgebiets Mathematik, das jedoch nicht er, sondern der junge John Playfair unterrichtete. Ferguson bezog somit weiter das Gehalt, welches für ihn eine Art Rente war, während der junge „Professor“ arbeitete. Da ihm dies genügend Zeit für die Überarbeitung seiner Vorträge frei hielt, publizierte er 1792 erneut ein Buch über die Themen seiner Lehrtätigkeit. Sein drittes bekannte Buch "Principles of Moral and political Science" war eine erweiterte Vertiefung in jene Bereiche, die er während seiner Professur lehrte.

Nach diesem Werk, plante er eine neue erweiterte Auflage seines Buches „The History of the Progress and Termination of the Roman Republic“. Er reiste aus diesem Grund im Jahr 1793, im Alter von 72 Jahren, nach Italien und in andere Gebiete der römischen Republik, um sich selbst ein Bild der Schauplätze des antiken Roms zu machen. Obwohl die Reise ihn oft durch Kriegsgebiete führte und zu dem damaligen Zeitpunkt keine Bequemlichkeit war, kehrte er erfrischt wieder nach Edinburgh zurück und ist noch im selben Jahr zum Ehrenmitglied der Berliner Akademie der Wissenschaftler ernannt worden.

Da er alle seine alten Freunde, sowie seine Frau überlebt hatte, fühlte er sich im ruhigen Vorort namens „The Sciennes“, Edinburgh alleine und zog deswegen im Jahre 1808 zurück nach St. Andrew, wo er bis zu seinem Tod am 22. Februar 1816 in guter Gesundheit lebte.


Historischer Kontext

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Die schottische Aufklärung

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Adam Ferguson war Moralphilosoph und Soziologe in der Spätzeit der schottischen Aufklärung (1700-1800), die auch „die Krönung der Aufklärung“ genannt wird.

Das Phänomen der Aufklärung, das im 17. und 18 Jahrhundert stattgefunden hatte, war im europäischen, sowie im transatlantischen Raum weit verbreitet. Zwei Zentren intellektueller Aktivität waren Frankreich und Schottland, welche beide unglaublich große Mengen von “aufgeklärter” geschichtlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und philosophischen Analysen von bekannten Figuren der Geschichte produzierten. In Schottland befanden sich unter den führenden Persönlichkeiten der schottischen Aufklärung Adam Smith, David Hume, Francis Hutcheson, sowie Adam Ferguson, Henry Home („Lord Kames“) und William Robertson.

Das Zeitalter der Aufklärung war außerordentlich wichtig für die Entwicklung der Ideen über Freiheit und über das Entstehen von Institutionen, welche diese Freiheit ermöglichten, sowie über die Gesellschaftsverhältnisse und Moral. Einige bedeutende historische Ereignisse und intellektuellen Bewegungen, die von der Entwicklung von dem Thema Freiheit in der Zeit der schottischen Aufklärung geprägt wurden, waren Folgende:


I. Die Aufklärung (17. bis 18.Jh.)

Die Aufklärung ist die Bezeichnung der geistigen Strömung des 18. Jahrhunderts in Europa, besonders in England, Deutschland, Frankreich und Schottland, sowie in Amerika, die sich mit Vernunft (Rationalismus) und naturwissenschaftlichen Philosophien, sowie durch Fortschritte in der Wissenschaft, gegen Aberglauben (Mythos) und die absolutistische Herrschaft wandte. In diesem Zeitalter sorgten Kritik und neue Denkweisen für profunden Einfluss und neue Reformen in der Kirche und dem alten Regime. Dies führte zu bleibenden historischen Erneuerungen; zur Säkularisierung in zahlreichen Breichen der Gesellschaft, zur Einführung und Aufnahme der Menschenrechte in mehreren Verfassungen und zum politischen und wirtschaftlichen Liberalismus.

Einige wichtige Philosophen, die die Grundlage der Aufklärung schafften, und somit als „Vordenker“ dieser Epoche gelten, waren die Philosophen René Descartes und Baruch Spinoza, Thomas Hobbes (Staatstheoretiker), John Locke (der Begründer des Empirismus), Pierre Bayle (französischer Skeptiker) und Isaak Newton (Naturwissenschaftler).

Der Mittelpunkt der Philosophie in der Aufklärung war der Glaube an die menschliche Vernunft (Ratio), so dass überliefertes Wissen und Werte, Institutionen, Normen, der gesellschaftliche Brauch und dessen Verhaltensnormen in Frage gestellt wurden und die Erklärung über das Wesen des Menschen in der Gesellschaft, seine Normen und Werte sowie Institution mit rationalen Begründungen gesucht wurden. Die Legitimation durch Vernunft rückte in den Vordergrund, auch die Naturwissenschaft erlangte eine neue Bedeutung und begann eine wichtigere Rolle zu spielen als je zuvor. Die Quellen, wie zum Beispiel die Schriften von Aristoteles, die als Grundlage des Wissens galten, wurden jetzt durch wissenschaftliche Erkenntnisse und Beobachtungen ersetzt. Die Bibel, sowie die Kirche (insbesondere die Katholische), die bis zu diesem Zeitpunkt als unanfechtbar galt, wurde wegen ihrem Machtmissbrauch, ihrem Reichtum und ihrer Unwiderlegbarkeit, also aufgrund ihres als nicht hinterfragbar dargestellten Glaubensgrundsatzes, weitgehend kritisiert.

Die Persönlichkeit, die den größten Einfluss auf die Rechtswissenschaft und Staatslehre, aber auch in der Philosophie, in der Zeit der Aufklärung hatte, war der französische Philosoph, Staatstheoretiker und Schriftsteller Charles de Secondat Montesquieu (1689-1755). In seinem anonymen Werk Persische Briefe (Lettres persanes),1721, kritisierte und verspottete er die Gesellschaft, die sozialen Verhältnisse und Politik, sowie die Kirche und Literatur Frankreichs unter Ludwig XIV. Dieses Werk sorgte für heiße Diskussionen in ganz Europa. Sein drittes und erfolgreichste Werk war Vom Geist der Gesetze (L’Esprit de lois, 1748), in dem er die drei Staatsformen: Despotie, Monarchie und Republik verglich und das Prinzip der Gewaltenteilung darlegte. Diese Theorie besagte, dass der Staat in drei Regierungsmächte aufgeteilt werden müsse: die Legislative, Judikative und Exekutive um so die Freiheit und Rechte der Menschen zu sichern. Jenes Prinzip wurde später in fasst allen demokratischen Regierungen und in deren Verfassungen aufgenommen.

Eine weitere Figur der Französischen Aufklärung, die einen bedeutenden Beitrag zur Geschichte leistete, war Denis Diderot, der das Wissen seiner Zeit sammelte und in seinem Werk der französischen Encyclopédie (1751-1772) zusammenfasste.

Voltaire, Dichter und Philosoph, den Ferguson im Jahr 1774 in einer seiner Europareisen besuchte, verfasste zahlreiche Aufsätze, Bücher und Pamphlete über Gewissensfreiheit, religiöse Toleranz und politische Gleichheit.

Eine weitere wichtige Person der Aufklärung war der Franzose Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), politischer Philosoph, Musiktheoretiker und Schriftsteller. Dieser entwickelte ein Modell und System für das gesellschaftliche (soziale) und politische Gemeinwesen in seinem Werk Der gesellschaftliche Vertrag oder die Grundregeln des Allgemeinen (1762). In Diesem Werk entwickelte er die Theorie, dass die Bürger eines Staates freiwillig einen Gesellschaftsvertrag eingehen, der Staat beruht auf diesem Vertrag als politische Institution. Er verteidigt damit den Gemeinwillen gegenüber dem Staat, der damals absolutistisch war, und trägt so zur gedanklichen Grundlage der Französischen Revolution bei.


II. Die Amerikanische Revolution (1776-1783)

Die Amerikanische Revolution, auch Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg genannt, ist eine Periode des 18. Jahrhunderts, in der die dreizehn Kolonien an der Nordostküste Nordamerikas ihre Unabhängigkeit von der britischen Monarchie erkämpften.

In dieser Periode, rebellierten die Kolonien gegen Großbritannien, denn dieses versuchte die Schulden, die es durch den Siebenjährigen Krieg mit Frankreich und die hohen Verwaltungskosten, die es durch die neu gewonnen Territorien in Nordamerika erhalten hatte, durch eine Steuererhöhung in den Kolonien zu begleichen. Als dies nach mehreren Versuchen, in denen es zu enormen rebellischen Ausbrüchen in den Kolonien kam, scheiterte, schickte Großbritannien militärische Truppen nach Nordamerika.

Der Nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg begann am 19. April 1775 und hatte nach einem Sieg der Kolonien durch den Frieden von Paris am 3. September 1783, die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Folge. Dieses wurde in vielen Hinsichten als der Versuch die Ideen und Theorien der Aufklärung umzusetzen. Besonders großen Einfluss hatte die Theorie und Philosophie von Montesquieu, die in der Gestalt einer republikanischen Regierung durch ihre Gewaltentrennung, einer geschriebenen Verfassung und ihre Staatsgrundgesetz (engl. Bill of Rights bzw. „Gesetz der Rechte) ein- und umgesetzt wurde.


III. Die Französische Revolution (1789-1799)

Die französische Revolution, die wie die Nordamerikanische begann und enormen Einfluss auf ganz Europa hatte, wurde ebenfalls von den Theorien der Aufklärung geprägt. Diese Periode war eine der politischen und sozialen Unruhe. Dieses Regierungssystem, das ursprünglich absolutistisch war und die Adligen und den katholischen Klerus privilegierte, erfuhr durch die Prinzipien der Aufklärung einen radikalen Wandel. Diese Periode wurde von Aufruhr, Krieg und imperialer Erweiterung begleitet und hatte in den folgenden 75 Jahren mehrere Staatsformen zur Folge, indem Frankreich durch eine Diktatur, eine Republik und konstitutionelle Monarchie regiert wurde.


Weitere Ereignisse und Entwicklungen in der schottischen Aufklärung

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  • 1701-1714 Spanischer Erbfolgekrieg (engl. Queen Anne's War)
  • 1740-1748 Österreichischer Erbfolgekrieg
  • 1754 – 1763 Britisch-Französischer Kolonialkrieg (engl. French and Indian War), der den Aufstieg Großbritanniens zur Großmacht besiegelte.
  • 1756-1763 Siebenjähriger Krieg (engl. French and Indian War) Österreich gegen Peußen
  • Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelt sich London eine florierende Wertpapierbörse.
  • Wissenschaftliche Entdeckungen und frühe Industriellen Revolution.
  • 1707 schließen sich Schottland und England zum Königreich von Großbritannien zusammen.
  • 1770 reist James Cook um die Welt
  • 1778 beginnt die europäische Besiedlung von Australien
  • 1799 entdecken die Napoleonische Truppen den Stein von Rosetta.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Adam Ferguson wurde sehr stark von Montesquieu und von Adam Smith geprägt. Obwohl Adam Ferguson mit David Hume und Adam Smith gut befreundet war, vertraten sie oft nicht dieselben Theorien und kritisierten konstant ihre Werke und Theorien, besonders was die Themen Moral und Politik betrifft. Zwischen Adam Ferguson und Adam Smith bestand hier eine größere Einigkeit.

Die Renaissance schaffte die Grundlage für die neuzeitlichen Denker und Wissenschaftler, die zu neuen Erfindungen in der Wirtschaft, Wissenschaft und zur Blüte der Philosophie der Neuzeit und zu sachlichen Wissenssammlungen, wie zum Beispiel die Enzyklopädie von Denis Diderot (1751-1772),führte. Einige bekannte und geschichtlich, sowie soziologisch relevante Persönlichkeiten, die Adam Ferguson beeinflussten und unter anderem auch zu seiner Lebzeit mit ihm Bekannt waren, waren Folgende:


Charles de Secondat, Baron de Montesquieu (1689-1755)

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Kurze Biografie

Charles de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu wurde am 18. Januar 1689 im Château von La Brède bei Bordeaux, Frankreich, in eine Adelsfamilie hineingeboren. Mit sieben Jahren starb seine Mutter. Danach besuchte er von 1700-1705 ein Internat bei dem Oratorianer-Orden in Juilly, Frankreich, nicht weit entfernt von Paris. Im Jahre 1708 beendete er sein Studium der Rechtswissenschaften in Bordeaux und begab sich nach Paris, um dort sein Glück im Schreiben zu suchen. Als sein Vater 1713 starb, kehrte er nach Bordeaux zurück und wurde 1714 in den Parlamentsrat des Obersten Gerichtshofs der Aquitaine gewählt, in dem er das Amt eines Gerichtsrats (conseiller) bekleidete. Es wird vermutet, dass er durch seine Ehe, die er mit der Hugenottin, Jeanne de Latrigue im Jahr 1715 einging, die katholische Kirche noch mehr ablehnte und seine Abneigung zu der absolutistischen Monarchie in Frankreich noch größer wurde. Ein Jahr später, 1716, erbte Montesquieu den Titel des Barons de Montesquieu von seinem verstorbenen Onkel und übernahm von ihm das Amt eines Vorsitzenden Richters (président à mortier) am Parlement von Bordeaux.

1721 veröffentlichte er die Satire mit dem Namen Lettres Persanes (Persische Briefe). Darin erzählt er die Geschichte eines Persers, der mit seinem Diener durch Frankreich reiste und Briefe zu seinem Heimatland schrieb, in denen er die Gesellschaft, Politik, Literatur und die Kirche der damaligen Zeit in Frankreich, besonders in Paris, kritisierte und verspottete. Durch dieses Werk erlangte Montesquieu unmittelbare Popularität und das Buch wurde schon bald ein grundlegendes Werk der Philosophie der Aufklärung.

Ein weiteres prägendes Werk, welches später auch eine wichtige Quelle für Ferguson wurde und eines der bedeutendsten Bücher der Geschichtsphilosophie ist, wurde im Jahr 1734 veröffentlicht: Considérations sur les causes de la grandeur et de la décadence des Romains („Betrachtungen über Ursachen der Größe und des Verfalls der Römer“), in dem er den Absolutismus in Frankreich metaphorisch kritisiert.

Sein drittes große Werk, welches er 1748 anonym in Holland veröffentlichte, heißt L’Esprit des lois ("Vom Geist der Gesetze"), in diesem verglich er die drei verschiedene Staatsformen: Despotie, Monarchie und Republik, und beschrieb sein entwickeltes dreigeteiltes Staatssystem, auch bekannt als das Prinzip der Gewaltenteilung. In diesem Prinzip teilte er die Mächte in einem Staat in drei getrennte, unabhängige Gewalten, die jedoch abhängig voneinander sind, auf: die Legislative, Judikative und Exekutive, denn nur so könnte die Freiheit und Rechte der Bürger garantiert und gesichert werden. Da De l'Esprit des Lois (Vom Geist der Gesetze) sehr schnell zu einer Position mit enorm großem Einfluss aufstieg, wurde dieses, zusammen mit vielen anderen Werken von Montesquieu, von der römisch-katholischen Kirche in Frankreich verbannt. Ganz im Gegenteil dazu, erhielt "De l'Esprit des Lois" in Großbritannien und Amerika großes Lob und wurde von den Gründern der Vereinigten Staaten von Amerika als Leitprinzip und vorbildliches Staatssystem übernommen. Die Gewaltenteilung ist in der gegenwärtigen Zeit in fast allen demokratischen Regierungen enthalten und in deren Verfassungen verankert.


Philosophie und Theorie

Charles de Secondat entwickelte Theorien zu mehreren Themen, wie Politik, Recht, Gesellschaft, Stabilität und Unordnung in einem Staat. Die Themen und Theorien, welche Ferguson am meisten beeinflussten, waren die der Ökonomie, Handel und Wirtschaftsfreiheit.

Nach Montesquieu steigt der Wohlstand eines Staates oder Gesellschaft, die den freien Handel betreibt und fördert. Zusätzlich betont er, dass der Handel zweier Gesellschafte, diese in eine Abhängigkeit führt, weshalb Frieden zwischen beiden herrschen müsse. Um also die gegenseitigen Bedürfnisse zu befriedigen erwirkte der freie Handel den Frieden zwischen diesen beiden Völkern. Handel steigert somit den Wohlstand und beseitigt die hinderlichen Vorurteile des anderen. Doch warnt Montesquieu auch, dass zuviel Handel, den Bürgersinn in dem Sinne gefährden oder zerstören könne, dass die Menschlichkeit nur noch mehr durch Geldleistung gewährt bleiben würde und niemand mehr seine eigene egoistische Forderung zugunsten der anderen zurückstellen würde.

Diese Überlegungen prägten später Adam Ferguson, sowie Adam Smith und veranlassten einen Streit über die Theorien zu Arbeitsverhältnissen und Arbeitsteilung, der dadurch entstand, dass beide Autoren die Werke von Montesquieu zur Quelle nahmen.


Adam Smith (1723-1790)

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Adam Smith, schottischer Moralphilosoph, Wirtschaftler und Soziologe, war die bedeutendste Figur der schottischen Aufklärung, da er als Begründer der klassischen Nationalökonomie, die Theorie und Lehre vertrat, dass einzelne Unternehmer frei von staatlicher Kontrolle und Regulierung ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen und verwirklichen könnten. Seine Theorie und Lehre wurde später von David Ricardo und Karl Marx erweitert und gilt heute als Leitidee der freien Wirtschaft.


Kurze Biografie

Adam Smith wurde am 5. Juni 1723 in Kircaldy, Schottland, sechs Monate nach dem Tod seines Vaters geboren. Als er vier Jahre alt war, wurde er von Zigeunern entführt, aber von seinem Onkel, kurze Zeit später gerettet. Ob Smith Geschwister hatte, ist nicht bekannt.

Mit 13 Jahren begann er sein Studium der Moralphilosophie an der Universität von Glasgow unter der Leitung von Francis Hutcheson, wo er seine Leidenschaft für Freiheit, Logik und Rhetorik entdeckte und weiterentwickelte. Im Jahr 1740 wechselte der zum Balliol College in Oxford, welches er aber 1746 wieder verließ und zurück nach Schottland kehrte.

1748 fing Smith an, an der Universität von Edinburgh öffentliche Vorträge und Vorlesung zum Fach Rhetorik und Belletristik zu halten, dessen Fachleiter Lord Kames ( Henry Home) war. In dieser Zeit (1748 bis 1751)entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen Smith und David Hume, welche bis an ihr Lebensende bestehen blieb und zur Entwicklung der wirtschaftlichen, moralischen und ethischen Theorien Smiths beitrug. Die Werke dieser beiden Philosophen zeigen, dass sie eine engere intellektuelle Beziehung zu einander hatten, ebenso mit den anderen Philosophien ihrer Zeit, da sie dieselben Meinungen und Philosophien über eine Bandbreite an Themen, wie Geschichte, Politik, Philosophie, Wirtschaft, Religion, Ethik und Moral hatten.

1751 wurde Smith zum Professor der Logik an der Universität von Glasgow ernannt und ein Jahr später wechselte er zum Professor des Fachgebietes Moralphilosophie, dessen Vorgänger Francis Hutcheson war. Seine Lehrveranstaltungen beinhalteten die Fachgebiete Ethik, Rhetorik, Rechtslehre, und politische Wirtschaft.

Im Jahr 1759 veröffentlichte er das Werk The Theory of Moral Sentiments (Theorie der ethischen Gefühle), welches aus zwei Bändern bestand und die ethischen Lehren beinhaltete, die er in seinen Vorlesungen systematisiert zusammengefasst hatte. In diesem Werk, durch das sein Ansehen ernorm stieg, beleuchtete er die Theorie über die zwischenmenschliche Kommunikation, die auf Sympathie beruht und aus dem Individuum und anderen Mitgliedern der Gesellschaft besteht. Er analysierte und begründete somit die Evolution der Sprache und machte diese, nicht wie seine Vorgänger Lord Shaftesbury, Hutcheson oder Hume es taten im Sinne der Moral oder der Nützlichkeit sondern an der Sympathie fest.

Im Jahr 1763 verließ er die Universität für eine 18-monatige Reise durch Frankreich und die Schweiz als Privatlehrer von Henry Scott, 3. Herzog von Buccleuch. Auf dieser Reise traf er führenden Physiokraten, die ihn in seiner Philosophie stark prägten und die später seine Werke beeinflussten, unter diesen befanden sich bedeutende Figuren wie François Quesnay und Anne Robert Jacques Turgot.

Smith lebte von 1766 bis 1776 in Kirkcaldy, während er an seinem Buch An Inquiry Into the Nature and Causes of The Wealth of Nations (Untersuchung der Natur und Ursachen von Nationalreichtümern) arbeitete und 1776 veröffentlichte. 1779 wurde er Zollkontrolleur in Edinburgh. Diese Aufgabe führte er in dieser Stadt bis zu seinem Tod am 17. Juli 1790 aus.


Philosophie und Theorie

In seinem bekanntesten Werk, The Wealth of Nations, führt Ferguson zum ersten Mal in der wissenschaftlichen Geschichte eine Trennung zwischen Wirtschaft bzw. politische Ökonomie und Politik, sowie Ethik und der Rechtswissenschaft aus. Er vertritt die Theorie der freien Wirtschaftslehre, die besagt, dass der Staat sich nicht in den Wirtschaftswettbewerb und freien Handel einmischen soll, da somit die natürliche Marktordnung mit einer vom Staat künstlich geschaffenen Marktwirtschaft zerstören würde. Er sah die treibende Kraft der gesamten wirtschaftlichen Ereignisse in dem Eigennutz der Menschen und der Wirtschaftssubjekte, die, wenn sie nicht an ihren Zielen gehindert werden, von einer „unsichtbaren Hand“(=“Marktmechanismen“) geleitet werden würden, welche wiederum soziale Harmonie und Wohlstand zum Ergebnis hätte. Zudem erklärte er den Wert der Ware in der von der Produktion aufgewandten Arbeit und meinte, dass die Knappheit den Wert der Ware erhöhe.

Da er die Urschache und Quelle des nationalen Reichtums in der vom Volk geleisteten Arbeit sieht und die Grundlagen der objektiven Arbeitsteilung und Arbeitslehre schuf, wird er als Begründer der klassischen Nationalökonomie gesehen, welche noch heute die Wirtschaftslehre beeinflusst.


Henry Home 1696-1782)

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Henry Home (auch bekannt als Lord Kames), ein bedeutender Denker der schottischen Aufklärung und Freund, sowie Studienkollege von Adam Ferguson, war eine der Personen, deren Werke zur Philosophie von Adam Ferguson beitrugen. Er war Richter an den Oberstengerichtshöfen in Schottland und schrieb umfassende Aufsätze und andere Werke über Themen wie Moral, Religion, Ausbildung, Geschichte, politische Ökonomie, Recht und Ästhetik. Am meisten kennzeichnen ihn seine Schriften und Arbeiten über das Gesetz der Natur, in denen er versuchte eine philosophische Annäherung mit einer empirischen Geschichte der Evolution des Rechts zu verbinden.


David Hume (1711-1776)

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Eine weitere Figur, die Fergusons Philosophie beeinflusste war David Hume, guter Freund Fergusons, Moralphilosoph, Ökonom und Historiker der schottischen Aufklärung. Hume war von John Locke geprägt worden und vertrat mit seiner Erkenntnistheorie einen extremen Empirismus, in dem alle Wahrnehmungen auf „impressions“ (Sinneseindrücke) oder „ideas“ (Vorstellungen oder Abbildungen) basierten. Er unterschied zwischen Vernunft und Wahrnehmung und versuchte zu beweisen, dass rationale Urteile auf Gewohnheiten des Menschen im Hinblick auf dessen Eindrücke und Vorstellungen beruhen.

Zwischen 1739/40 veröffentlichte er eines seiner ersten großen Werke: A Treatise of Human Nature (Traktat über die menschliche Natur), welches aus 3 Bänden bestand und sich intensiv mit den Problemen der spekulativen Philosophie befasste. Dieses Werk, welches heute zu den wichtigsten Büchern der Philosophie zählt, wurde jedoch zu seiner Zeit kaum beachtet. Im Jahre 1741 schrieb er das zweibändige Buch Essays, Moral and Political, welches sich mit den Themen der Ethik und Wirtschaftspolitik befasste.

Sein drittes große Werk Philosophical Essays Concerning Human Understanding, welches später unter dem Titel: An Enquiry Concerning Human Understanding (Eine Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes) veröffentlicht wurde, erschien 1748, ist die Zusammenfassung seines zweiten Buchs.

Sein umfassendste Werk war The History of England, welches in sechs Bändern erschien und zwischen 1754 und 1762 veröffentlicht wurde. Er schrieb zusätzlich noch mehrere Artikel über Wirtschaft und freien Handel und war mit Rousseau, sowie mit Adam Smith gut befreundet. Zu einigen seiner bekanntesten Werke zählen Folgende:

  • A Kind of History of My Life (1734)
  • A Treatise of Human Nature (1739–40)
  • Essays Moral and Political (first ed. 1741/2)
  • A Letter from a Gentleman to His Friend in Edinburgh (1745).
  • An Enquiry concerning Human Understanding (1748)
  • An Enquiry Concerning the Principles of Morals (1751)
  • Political Discourses (1752).
  • Four Dissertations (1757).
  • The History of England (ursprünglich: The History of Great Britain) (1754–62)
  • The Natural History of Religion (1757)
  • My Own Life (1776)
  • Dialogues concerning Natural Religion (1779)

Werke

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  • 1. Reflections Previous to the Establishment of a Militia (1756)
  • 2. An Essay on the History of Civil Society (1767)
  • 3. Institutes of Moral Philosophy (1769)
  • 4. The History of the Progress and Termination of the Roman Republic (1783)
  • 5. Principles of Moral and Political Science; being chiefly a retrospect of lectures delivered in the College of Edinburgh (1792)
  • 6. Essays on the Intellectual Powers : Moral sentiment, happiness and national felicity (1805)


Das Werk und Wirkung seiner Themen

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Lehre von Ferguson

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Nach Ferguson ist der Mensch ein soziales Wesen und von der Beschaffenheit der Gesellschaft, ihrer Moral, Einstellung, Handlungsweisen und Vorstellungen abhängig. Es wird also von der Gesellschaft vorgeschrieben was und wie deren Mitglieder zu handeln haben. Furguson erstellt eine systematische Theorie des Handelns, die besagt, dass der Mensch auf Grund von Erfahrungen und von Erlernten handelt und lebt.

Des Weiteren meint er, dass der Mensch ständig nach Vollkommenheit strebt und somit immer Fortschritte machen wird. Dieser Fortschritt, der eigentlich auf Eigeninteresse und Nützlichkeit basiert, kommt jedoch nicht durch Planen, sondern durch das bloße menschliche Handeln zustande. Dadurch dass der Mensch das Ergebnis seiner Handlungen nicht vorsehen kann, kann er immer nur durch Erfahrungen feststellen, welche Handlungsweise erfolgreich, nützlich oder produktiv ist. Wenn eine Handlungsweise erfolgreich ist, führt es zu einer Wiederholung dieser Handlung, die nach mehreren Wiederholungen institutionalisiert wird und die er gesellschaftliche Ordnung nennt.

Zudem sah Furguson Konflikte als positiv an, durch dessen Austragung er meinte einen Fortschritt bewirken würde. Er sah daher die Institutionen, die einen solchen Konflikt erlaubten bzw. die dessen Austragung ermöglichten, als positiv an. Da ein Konflikt das Resultat zwei verschiedener Denk- oder Handlungsweisen, Interessen oder Ziele ist, ist die Institution umso stärker, je öfter sie solche Unterschiede bzw. diese schwierige Bedingungen ertragen kann und weiter besteht.

Diese Beiträge zur Moral und Gesellschaftslehre waren jedoch keine eigenständigen, sondern aus verschiedenen Quellen zusammengefasst und kombiniert. Er hatte somit keine neue Lehre oder Theorie entwickelt. Dasselbe ist über seine politischen Schriften zu sagen, die von den Philosophen seiner Zeit, mit Ausnahme von Hume, zwar als bedeutend angesehen wurden, jedoch lediglich eine Zusammenfassung von Vorgängern, wie Montesquieu, Shaftesbury, Hutcheson, und anderen waren. Ein gutes Beispiel ist sein Werk Institutes of Moral Philosophy.

Sein Werk Institutes of Moral Philosophy, welches eine erweiterte Version seiner Vortragsnotizen und seines Skripts „Analysis of Pneumatics and Moral Philosophy for the Use of Students in the College of Edinburgh“ , war, ist zum Teil auch eine Zusammenfassung mehrerer Werke, welches Kommentare und Auszüge von folgenden Werken beinhaltet:

  • Novum Organum von Bacon, welches er als die Autorität des Wissens im Allgemeinen (bzw. philosophisches Allgemeinwissen) bezeichnet,
  • Inquiry into Virtue von Shaftesbury, über den Ursprung der moralischen Billigung,
  • Inquiry into the Human Mind von Reid, bezüglich der Funktionen der Sprachen und Wahrnehmung,
  • L’Esprit des Lois von Montesquieu zu dem Thema der politischen Institutionen,
  • Natrual History von Buffon, welches die physischen Charakteristiken des Menschen beschreibt,
  • Of the Ideas of Beauty and Virtue von Francis Hutcheson, das sich mit dem Thema der Objektivität über ästhetische Maßstäbe befasst,
  • On Coin von Harris über Kunst und Handel,
  • Numbers of Mankind von Wallace und
  • Populousness of Ancient Nations von David Hume, welche sich auf die Bevölkerung beziehen,
  • Theory of Moral Sentiments von Adam Smith, das den Zusammenhang von Selbstbewahrung und Moral erklärt, sowie
  • De Officiisvon von Cicero über die Tugend in Handlungen, und
  • die Schriften von Epictetus und Marcus Aurelius, welche sich mit der Harmonie von der wahren Tugend und des wahren Glücks befassen.


Adam Ferguson versus Adam Smith in der Theorie der Arbeitsteilung

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Obwohl Adam Ferguson und Adam Smith befreundet waren, machte Smith nach der Veröffentlichung von "Essay on the History of Civil Society" (1767) Ferguson den Vorwurf, er hätte einige seiner Ideen geborgt, ohne diese zu besitzen ( wortwörtlich: ‘having borrowed some of his ideas without owning them’); worauf Ferguson antwortete, dass dies nicht der Fall wäre und sie lediglich dieselbe Quelle verwendet hätten. Diese ist nicht genau bekannt, es wird allerdings auf den Physiokraten Francois Quensay oder auf Montesquieu.

Smith und Ferguson waren sich nicht in allen Themen der Arbeitsteilung einig; während Ferguson eine negativere Einstellung hatte und sich mehr für den gesellschaftlichen Aspekt interessierte und damit auf die gesellschaftlichen Konsequenzen konzentrierte, hatte Smith sich auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Arbeitsteilung spezialisiert.

Smiths Einstellung zur Arbeitsteilung wurde nicht in von jedermann geschätzt. Smith hatte allerdings nicht dieselbe negative Sicht wie Ferguson. So war Smith etwa nicht damit einverstanden, dass die Arbeitsteilung die Gemeinschaft zerstöre, sondern lediglich die Qualität und die Mittel von gegenseitiger Abhängigkeit transformiere, während sie personelle und private Abhängigkeit erhöhen würde. Die Arbeitsteilung ist daher im Sinne von Smith positiv zu werten.

Marx zitiert Ferguson des Öfteren, inspiriert von dessen Behandlung der unhumanen Wirkungen der Arbeitsteilung.

Der Streit zwischen Smith und Ferguson dauerte mehrere Jahre. Als Smith jedoch schwer krank wurde, circa ein Jahr vor seinem Tod, beendeten sie ihren Konflikt und Ferguson besuchte ihn an seinem Sterbebett.


Literatur

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  • Forbes, Duncan [Hrsg.](1966):
    "An Essaay on the History of Civil Society, 1767
    Edinburgh
  • Jogland, Herta (1959):
    "Ursprünge und Grundlagen der Soziologie bei Adam Ferguson"
    Berlin
  • "Kettler, David (1965):
    "The Social and political Thought of Adam Ferguson"
    Ohio, USA


Internetquellen

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Firth, Raymond

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Biographie in Daten

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Firth Raymond

  • geboren am 25.März 1901, in Auckland (Neuseeland)
  • gestorben am 22.Februar 2002 in London


  • neuseeländischer Ethnologe
  • verheiratet mit Rosemary Upcott


Studium

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  • Studium der Volkswirtschaft
  • 1942 Besuch der London School of Economics (Abschluss des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums)
  • Inspiration im Bereich der Ethnologie durch Bronisław Malinowski
  • Studium der Anthropologie
  • 1927 Dissertation: „The Primitive Economics of the New Zealan Maori“


Forschung

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  • 1928/1929: zwölfmonatige Feldforschung in Tikopia (polynesische Enklave)
  • 1952/1966/1972: weitere Reisen nach Tikopia


Lehre

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  • von Tikopia nach Australien: Raymond Firth übernimmt das Anthropologie-Departement von Radcliffe-Brown in Sydney
  • 1932: Rückkehr zur London School of Economics
  • 1932-1935: Lehrbeauftragter und Assistent von Bronsilaw Malinowski (polnischer Sozialanthropologe)
  • 1935-1944: Dozent und schließlich Professor
  • 1968: Emeritierung


Historischer Kontext

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Krieg

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Als Firth mit seiner Frau Rosemary Upcott die Reise zur Feldfoschung nach China beginnen wollte, wurden zunächst alle Pläne durch den Angriff von Seiten Japans zunichte gemacht. So verweilten sie 1939 in einem Fischerdorf auf einer malaiischen Halbinsel, wurden allerdings auch hier durch die japanische Invasion vertrieben. Während der Zeit des Krieges war Firth beim Geheimdienst der britischen Marine und schrieb vier Handbücher über pazifische Halbinseln. Außerdem war er Mitwirkender bei der Entstehung der Colonial Social Science Research Council.


Nachkriegszeit

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Im Jahr 1944 übernahm Raymond Firth nach Malinowskis Tod den Anthropologielehrstuhl an der London School of Economics.

Zu seinen bekanntesten Schülern zählen Fredrik Barth, Ernest Gellner und Edmund Leach.


Forschungsgebiet Tikopia

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In den Jahren 1928/1929 begann Raymond Firth eine zwölfmonatige Feldforschung auf Tikopia, eine kleine Salomonen-Insel und polynesische Enklave. Weitere Reisen nach Tikopia folgten 1952, 1966 und 1972. Aus seinen Feldstudien entstanden schlussendlich neun Bücher, darunter der ethnografische Klassiker We the Tikopia: A Sociological Study of Kinship in Primitive Polynesia (1936) und Tikopia Songs: Poetic and Musical Art of a Polynesian People of the Solomon Islands (1990).
We the Tikopia umfasst etwa 600 Seiten und soll geringe Schwächen enthalten, bleibt allerdings laut der Einstufung zahlreicher Experten die beste sozialanthropoligische Monografie, die je verfasst wurde. Bedeutend ist auch die Porträtierung einzelner Tikipia, welche so in ihrer gesamten Persönlichkeit und Individualität erkennbar werden.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Grundsätzlich vertrat Raymond Firth den Funktionalismus seines Lehrers Malinowski. Aufgrund einer Reihe von Vorlesungen an der Universität Birmingham (1947) wurde schließlich Elements of Social Organization (Raymond Firth, London 1951) veröffentlicht. Firth prägte den Begriff Sozialorganisation, welcher das soziale Handeln von Individuen in den Vordergrund stellt. Damit distanziert sich Firth vom Sozialstrukturalismus Radcliffe-Browns, welcher strukturale Beziehungen als konstituierend versteht. Weiters war Firth ein Schüler Malinowskis und ein Anhänger der action theory. Firth befasste sich außerdem mit der Möglichkeit der persönlichen Wahl und der sozialen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Einzelnen im alltäglichem Leben.


Werke

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  • 1939: Primitive Polynesian Economy
  • 1967: Themes in Economic Anthropology (Hg.)


Das Werk in Themen und Thesen

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Firth entwickelte eine Economic Anthropology in Beachtung der Axiome der neoklassischen Theorie. Dabei achtete er besonders auf das Maximierungsprinzips bei der Allokation knapper Ressourcen auf menschliche Bedürfnisse und das Prinzip der Entscheidung zwischen unterschiedlichen Nutzengrößen.


Das Werk Primitive Polynesian Economy (1939) gilt als ethnografischer Klassiker der Ökonomischen Anthropologie und ist ebenso ein bedeutendes Werk der formalistischen Theorie. Primitive Polynesian Economy umfasst detaillierte Darstellungen und Angaben über die polynesische Wirtschaft. Firth verband den methodologischen Individualismus in neoklassischer Tradition aus seinem Ökonomiestudium mit der Anthropologie, was sich auf das gesamte Werk auswirkte. Firth erstellte Porträts von einzelnen Bewohnern Tikopias und zeigte so deren Persönlichkeit und Individualität, die Flexibilität des Einzelnen. Auch verwieß er auf die individuellen Wahlmöglichkeiten.


In dem Sammelband Themes in Economic Anthropology (1967) werden die Anschauungen und Positionen der Formalisten zusammengefasst und der Unterschied zu den Substantivisten verdeutlicht. Firth muss jedoch die Eigenheiten und das Besondere von einzelnen Kulturen akzeptieren und so unterscheidet er in seinem Werk in uneingeschränkt geltende formal propositions und kulturspezifische substantial propositions.


Spezifische ökonomische Systeme und allgemeine Gesetzmäßigkeiten

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Formal propositions

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formal propositions = generelle Gesetzmäßigkeiten


"On the basic principles of choice in the use of resources and perceptions of relative worth in an exchange, there is a continuum of behaviour over the whole range of human economic systems." (Firth)


Die formal propositions sind generelle Gesetzmäßigkeiten, deren Geltung weltweit und uneingeschränkt ist. Nach Firths Darstellung umfasst diese formal propositions vor allem das Motivationsprinzip jedes einzelnen Individuums, sich im Fall einer Entscheidungssituation mit unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten an der eigenen Nutzenmaximierung zu orientieren. Beim Kula-Tauschring (Tauschsystem auf 14 Inselgruppen vor Ost-Papua Neuguinea) wird beispielsweise versucht Kula-Gegenstände nach dem größtmöglichen Nutzen zu tauschen. Die Seltenheit eines schönen Armreifens oder einer Halskette steigert das Ansehen. Somit ergibt sich durch einen günstigen Tausch die Verbesserung der sozialen Beziehung zum Tauschpartner. Und wer auf den Potlatch-Festen mehr verschenken kann als andere erwidern können, steigt in der Hierarchie auf. Dabei tritt im Kapitalismus die Profitmaximierung an erste Stelle.


Substantial propositions

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Substantial propositions = institutionelle Gegebenheiten


"To an anthropologist the recognition that any specific economic system has a corresponding set of moral values is taken for granted." (Firth)


Bei den substantial propositions handelt es sich um kulturspezifische, institutionelle Gegebenheiten, welche in jeder Gesellschaft unterschiedlich sein können. Ein Beispiel dafür: In einem marktwirtschaftlichen System kaufen die Kunden ihre Ware dort, wo sie diese am günstigsten erwerben können. In einem nicht-marktwirtschaftlichen System hingegen werden von den Kunden auch die sozialen Beziehungen miteinbezogen. So nehmen diese in Kauf, ihre Ware auch teurer zu erwerben, wenn dabei eine Nutzensteigerung durch die soziale Komponente entsteht, sprich die Beziehung zu einem wichtigen Bündnispartner oder Verwandten bestärkt wird. Die institutionellen Gegebenheiten, also das was eine Gesellschaft als das Nützlichste wertet, sind demnach von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden. Nur der Grundsatz der Nutzenmaximierung gilt als eine universelle Gesetzmäßigkeit. Raymond Firth sieht die Differenz der einzelnen Wirtschaftssysteme allerdings, wie alle Formalisten, nur in ihrem Grad, also „große und kleine Äpfel“ und nicht „Äpfel und Birnen“.


Internetquellen

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Foucault, Michel

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Biographie in Daten

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Paul-Michel Foucault


  • Geboren am 15. Oktober 1926 in Poitiers, Vienne
  • Gestorben am 25. Juni 1984 Paris


  • französischer Philosoph, Soziologe, Historiker und Übersetzer


  • Vater: Paul-André Foucault, Chirurg, Universitätsprofessor der Anatomie
  • Mutter: Anne-Marie Foucault, geborene Malapert
  • Lebensgefährte: seit etwa 1960 Daniel Defert, Universitätsprofessor für Soziologie, 1984 Gründer der Hilfsorganisation „AIDES“
  • Kinder: keine
  • Religion: römisch-katholisch


  • 15.10.1926 Geboren in Poitiers, Vienne.
  • 1945 Abschluss der Schulzeit am Elite-Lycée Henri IV in Paris; Schüler von Jean Hyppolyte
  • 1946 Aufnahme beim zweiten Anlauf in die Ecole normale supérieur in Paris; Schüler von Louis Althusser
  • 1948 Diplom in Philosophie an der Sorbonne; Aufnahme des Psychologiestudiums; Praktikant an der psychiatischen Klinik Hôpital Saint-Anne
  • 1951 Agrégation in Philosophie
  • 1951-1955 Dozent für Psychologie an der Universität Lille; Diplom in Psychopathologie (1952); Mitglied der Kommunistischen Partei
  • 1955 Lektor für französische Literatur und Kultur an der Universität Uppsala, Schweden
  • 1958 Leiter des Centre francais an der Universität in Warschau
  • 1959 Direktor des Institut francais in Hamburg
  • 1960-1966 Professor für Philosophie an der Universität Clermont Ferrand
  • 1961 Philosophische Promotion mit "Wahnsinn und Gesellschaft" und einer Übersetzung von Kants Anthropologie mit Einleitung
  • 1966-1968 Professor an der Universität Tunis
  • 1968-1970 Professor und Dekan an der neugegründeten Universität Prais VIII in Vincennes
  • 1970-1984 Professor für "Geschichte der Denksysteme" am Collège de France
  • 1971 Gründung der "Groupe d'Information sur les Prisons (GIP)", mit Deleuze und Freund Daniel Defert; zahlreiche politische Aktionen bis Ende der siebziger Jahre
  • 1975 Erster längerer Aufenthalt in Kalifornien
  • 1979 Tanner-Lectures an der Standford-University, Kalifornien;
  • 1981 Zusammenarbeit mit der sozialistischen Gewerkschaft CFDT; Aktion mit Bourdieu gegen die Anerkennung des Jaruzelski-Putsches in Polen durch die sozialistische Regierung Frankreichs
  • 1982-1983 Seminare an den Universitäten von Vermont und Berkeley zu Selbsttechnologien und Regierungstechniken des 20. Jahrhunderts
  • 1984 Michel Foucault stirbt an den Folgen von Aids am 25. Juni


Historischer Kontext

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Foucaults Zeit im Gymnasium fiel in die Jahre des zweiten Weltkrieges. Diese Jahre hob er später als prägend für sein Denken hervor. Er hatte auch immer die Hoffnung auf eine Umgestaltung der Gesellschaft, die sich als durchlässig für den Faschismus erwiesen hatte.

In einem zweijährigen Praktikum als Psychologe am psychiatrischen Krankenhaus Saint-Anne in Paris sammelte er Erfahrungen im Umgang mit den „Kranken“. Daraus resultierte sein erstes großes Buch „Geschichte des Wahnsinns“, das 1961 erschien. In diesem Buch bezieht er sich nicht auf die wissenschaftlichen Grundlagen des Wahnsinns sondern versucht aufzuzeigen, dass zu jeder Zeit so etwas wie den "Wahnsinn" gab, jedoch immer etwas anderes darunter verstanden wurde.

Für die Generation von 1968, die nicht nur die Macht, sondern auch den Prozess der Herstellung von Wissen kritisierte, leistete Foucault eine beträchtliche Arbeit des Denkens. Die politische Bewegung von 1968 die Foucault unterstütze scheiterte. Schon vor 1968 war er in Tunis, wo er miterleben konnte, wie sich Studenten dieses Landes unter Einsatz ihres Lebens für existentiellere Forderungen als jene in Europa einsetzten mussten. Das wichtigste Ereignis zum Thema Macht, das Foucault noch lange begleitete war der Aufstand in französischen Gefängnissen. Er versuchte zwischen den Gefangenen, denen man kein freies Wort zugestand und dem Staat zu vermitteln. Gemeinsam mit Sartre setzte er sich für die Rechte der Gefangenen ein.

Foucault hatte sich schon in den sechziger Jahren gegen den Stalinismus ausgesprochen. Auch der kommunistischen Partei Frankreichs wirft er stalinistische Strukturen vor.

Er kritisiert den Marxismus indem er sagt, dass der Marxismus „zur Verarmung der politischen Phantasie beigetragen hat.“ Die Politik betrachtet er nicht mehr als die Sache einer Partei, die sich das Monopol darauf anmaßt, sondern als die Angelegenheit der verschiedenen gesellschaftlichen Bewegungen und der Subjekte, die ihre Wahl treffen. (Schmid, W. S. 24)

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Foucaults Homosexualität war sehr prägend für sein Leben und für seine Arbeit. Durch die Homosexualität wusste er was es bedeutet, einer ausgeschlossenen Gruppe anzugehören oder ein ausgeschlossenes Individuum zu sein. Aus diesem Grund beschäftigte er sich auch gerne mit Minderheiten und ausgeschlossenen Gruppen, wie zum Beispiel mit den Wahnsinnigen oder den Gefangenen.

Über Heidegger entdeckt Foucault Nietzsche. Nietzsches Schriften, aus den fünfziger Jahren, prägten Foucault sehr. „Foucault ist Nietzscheaner, was nicht nur in der Orientierung seines Denkens an historischen, genalogischen Fragestellungen spürbar ist. (Schmid, W. S. 12)

Durch Nietzsche wandelte Foucault sein Seinsverständnis. Dies ist eine bewusste Wendung gegen das traditionelle Seinsverständnis der Philosophiegeschichte. Wichtig ist nicht mehr „das Sein“ an sich, sondern wie „das Sein erfahren wird.“ (vgl. Schmid, W. S. 13)

Foucault stand weiters dem Kynismus nahe. „Seine Art, in dem Augenblick, in dem die Gewissheit einer Sache am größten erscheint, sie zu untergraben und zersplittern zu lassen; inmitten der Aktualität, in der die Produktion von Gründen zur Serienreife gediehen ist, die Frage nach der Wahrheit neu zu stellen; sich mutig und freimütig in unzähligen politischen Situationen zu engagieren und Stellung zu beziehen; keine Scheu davor zu haben, ein Skandalon, ein Stein des Anstoßes und ein Ärgernis zu sein, waren Eigenschaften die man dem Kynismus zuschreiben kann.“ (Schmid, W. S. 22)


Werke

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  • 1961 Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der, Übersetzt: Frankfurt 1973
  • 1962-1969 Schriften zur Literatur, Übersetzt: Frankfurt 1973
  • 1963-1973 Von der Subversion des Wissens, Übersetzt: Frankfurt 1987
  • 1963 Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Übersetzt: München 1973
  • 1963 Raymound Roussel, Übersetzt: Frankfurt 1988
  • 1966 Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Übersetzt: Frankfurt 1969
  • 1969 Die Archäologie des Wissens, Übersetzt: Frankfurt 1973
  • 1969 "Was ist ein Autor?", In: Schriften zur Literatur, Übersetzt: Frankfurt 1988, S. 7-31
  • 1970 Die Ordnung des Diskurses, Übersetzt: Frankfurt, Berlin, Wien 1982
  • 1971 "Nietzsche, die Genealogie, die Historie", In: Von der Subverson des Wissens, Übersetzt; Frankfurt 1987, S. 69-90
  • 1973 Dies ist keine Pfeife, Übersetzt: München 1974
  • 1973 Der Fall Rivière. Materialien zum Verhältnis von Psychiatrie und Strafjustiz, Übersetzt: Frankfurt 1975
  • 1975 Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Übersetzt: Frankfurt 1976
  • 1975 "Funtionen der Literatur"(Interview) , In: Erdmann, Forst Honneth (Hrsg.) 1990, S. 229-234
  • 1972-1976 Mikrophysik der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin, Übersetzt: Berlin 1976
  • 1976-1977 Dispositive der Macht. Über Sexualtitat, Wissen und Wahrheit, Übersetzt: Berlin 1978
  • 1976 Vom Licht des Krieges zur Geburt der Geschichte, Übersetzt: Belin 1986
  • 1976 Der Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit 1), Übersetzt: Frankfurt 1977
  • 1978 Herculine Barbin, dite Alexina B., Unübersetzt
  • 1979 "Für eine Kritik der politischen Vernunft" (Vorlesung), In: Lettre International, Berlin 1, 1988
  • 1982 Les desordes des familles. Lettre de cachet de la Bastille, unübersetzt
  • 1975-1984 Von der Freundschaft, Berlin ohne Jahr
  • 1977-1984 Politics, Culture. Interviews and other Writings, Lawrence Kritzman (Hrsg.), New York, London 1988
  • 1982 "Das Subjekt und die Macht", In: Dreyfus/Rabinow 1987, S. 243-261
  • 1984 Der Gebrauch der Lüste (Sexualtität und Wahrheit 2), Übersetzt: Frankfurt 1986
  • 1984 Die Sorge um sich (Sexualtität und Wahrheit 3), Übersetzt: Frankfurt 1986


Das Werk in Themen und Thesen

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Wahnsinn und Gesellschaft

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Foucaults erstes großes Buch „Wahnsinn und Gesellschaft: Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft“ erschien 1961. In diesem Buch, das Foucault in Schweden schrieb, beschreibt er wie sich die Vorstellungen über den Wahnsinn mit der Zeit veränderten.

Foucault beginnt mit seiner Analyse im Mittelalter, wo die an Wahnsinn Erkrankten weggeschickt wurden, so wie früher die Leprakranken. Im 17 Jahrhundert begann man sie einzusperren und schließlich wurde der Wahnsinn zu einer Krankheit der Seele und seit Freud zu einer Krankheit des Geistes.

Foucault kritisiert auch Behandlungsmethoden. Besonders jene von Philippe Pinel und Samuel Tuke. Die Methoden dieser beiden Psychiater seien nicht besser als die vorhergehenden Behandlungsweisen.


Die Geburt der Klinik

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Mit „Die Geburt der Klinik: Eine Archäologie des ärztlichen Blicks“ schrieb Foucault 1963 sein zweites großes Werk und gleichzeitig die Fortsetzung zu „Wahnsinn und Gesellschaft“. In diesem Buch geht er auf die Entwicklung der Medizin und der Institution der Klinik, wobei er die universitären Lehrkrankenhäuser meinte, ein.


Die Ordnung der Dinge

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1966 veröffentlicht Foucault sein drittes Werk „Die Ordnung der Dinge: Eine Archäologie der Humanwissenschaften“. In diesem Buch legt er mit der These dar, dass sich im wissenschaftlichen Diskurs bestimmte Konfigurationen in Perioden festmachen lassen.


Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses

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In „Überwachen und Strafen“ geht Foucault zum ersten Mal auf das Thema Macht, ihre Technik und Wirkung ein. Er beschreibt die moderne Gesellschaft als eine Disziplinargesellschaft anhand der Beispiele Gefängnis, Schule, Kaserne, Krankenhaus und Betrieb.


Machttechniken

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Foucault entwickelt Machttechniken, die in der modernen Gesellschaft angewendet werden.

  • Einschließung der Individuen: Das Individuum wird in einen abgeschlossenen Bereich eingeschlossen. Jeder Austausch zwischen eingeschlossenem Bereich und der außen Welt wird kontrolliert.
  • Jedem Individuum wird ein fester Platz und eine feste Funktion zugewiesen. Dadurch können die Individuen kontrolliert werden.
  • Hierarchisierung: Jedes Individuum bekommt einen gewissen Rang und Status. Durch dies steht er zu den anderen Individuen in einem bestimmten Abstand. Das Individuum versucht sich den Normen, die der Klassifikation zu Grunde liegen, anzupassen.
  • Panoptische Überwachung: Ein Kontrolleur kann mit einem Blick alles überwachen, ohne selbst gesehen zu werden
  • Funktionale Zusammenschaltung von Individuen wie zum Beispiel in einem Betrieb
  • Kenntlichmachung der Delinquenz d.h. das deutlich Vorführen von negativen, abschreckenden Beispielen

Diese Machttechniken haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Nun steht die Gesellschaft an einem Punkt an dem die Einflüsse der Macht ausübenden Institutionen geschwunden sind. Jedoch gibt es viele Zwischeninstitutionen die die Individuen kontrollieren und gefügig machen.

Foucault meint weiters, dass es in der Gesellschaft überall Macht gibt. Diese Macht ist etwas Vielgestaltiges, Vielschichtiges und Ungreifbares. Menschen besitzen keine Macht, sie können Macht nur von gewissen Positionen aus steuern.

Sexualität und Wahrheit Band 1: Der Wille zum Wissen.

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In diesem Buch beschreibt Foucault anhand des Beispieles des Diskurses über Sex wie Machtstrukturen wirken. Er meint, dass die Tabuisierung nicht bewirkt, dass die Menschen nicht mehr über Sex reden. Die Tabuisierung bewirkt eher, dass das Thema Sex interessanter wird und mehr Menschen darüber reden. Er konzentriert sich auf das 19. Jahrhundert, in dem 4 Themen besonders gesprächswürdig und interessant waren. Diese waren die Homosexualität, die Masturbation, die Hysterie der Frau und die Perversion.


Sexualität und Wahrheit Band 2: Der Gebrauch der Lüste.

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Das Thema der Sexualethik und des „Gebrauchs der Lüste“ beschäftigt Foucault in diesem Buch. Besonders wichtig sind ihm die Homosexualität und die Knabenliebe, sowie die moralethischen Mechanismen die den Umgang mit denselben regeln.


Sexualität und Wahrheit Band 3: Die Sorge um sich.

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Der dritte Band der Reihe „Sexualität und Wahrheit“ ist die Fortsetzung des 2. Bandes. Er untersucht die Bedeutung der Selbstsorge in der Ethik der griechisch-römischen Antike an den Beispielen der Traumdeutung, der Gemeinschaft mit den anderen, sowie den Körper, die Frau und den Knaben.


Rezeption und Wirkung

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Maurice Pinguet, sagte über Foucault: „Er fand sich nicht mit dem Schlummer des Geistes im Wissen ab; niemals verlor der das Gefühl, dass das Denken ein Abenteuer sein muss.“

Jacques Donzelot heißt ihn einen großen Anstifter, „der uns ins Ohr flüsterte, wie man den anerkannten Autoren misstrauen, die zu gut markierten Weg verlassen müsse, um im Unterholz der Aussagen umherzuschnüffeln, wo die wirklichen Optionen plötzlich auftauchen, die über das Verhältnis zum Körper, zum Leben, zum Sex und zum Tod entscheiden; wie man den Humus der Praktiken selbst untersuchen könne, die in subtiler Weise die Verlagerung der Wahrheiten bedingen, und das alles, um das Stück Willkür daran aufzudecken und sich diesmal des Rechts zu seiner Veränderung zu bemächtigen.“

Foucaults politisches Engagement für die Ausgesperrten der Gesellschaft wird heute von einigen sehr distanziert betrachtet. Aber auch seine theoretische Arbeit wird kritisiert, wie zum Beispiel von Robert Castel, der der Ansicht ist, dass die „Geschichte des Wahnsinns“ zunächst nicht so sehr auf die Praxis des Umgangs mit dem Wahnsinn sondern auf die Vorstellung von dieser Praxis einwirkte. Weiters bemängelt er, dass diese Vorstellung mit den realen Gegebenheiten nicht sehr viel zu tun habe. Es sei Foucault mit dieser Arbeit zwar gelungen, die herrschende Rationalität zu destabilisieren und sie als ein herrschendes kulturelles Modell zu verdächtigen, nicht jedoch, die faktischen Verhältnisse in der Psychiatrie aufzudecken und Verbesserungen vorzuschlagen. Ein Buch wie dieses habe politischen Auseinandersetzungen den Boden bereitet und sei in sie hineingezogen worden, um in allgemeiner Weise den Kampf gegen die „Repression“ zu führen, bis überall nur noch Unterdrückung, Einsperrung, Überwachung und Ausschließung erkennbar gewesen wären.

Jacques Donzelot kritisiert, Foucault beim Gefängnis keine Alternativen aufgezeigt habt, und sieht darin den Misserfolg des Buches "Überwachung und Strafen". Aber er spricht auch vom „Foucault-Effekt“, der darin bestanden habe, dass eine produktive Unruhe über die Institution des Gefängnisses erwacht sei und dass dessen Selbstverständlichkeit infrage gestellt werden konnte, sodass schließlich auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen eine pragmatische Suche nach Lösungen in Gang gekommen sei.

Sartre sah Foucault besonders nach dem erscheinen des Buches „Ordnung der Dinge“ als einen Strukturalisten an und versuchte ihn zu belehren, dass es die Praxis sei, die die Geschichte bewegte und nicht die Strukturen.

Katharina von Bülow und Francois Ewald sprechen von Foucault als einem Mann der Mut zur Wahrheit, der freien Rede und der Freimütigkeit hat.

Arlette Farge war überrascht, „einen Philosophen zu sehen, der sich mit der Vielzahl unbedeutender Einzelheiten in unbedeutenden Lebensläufen herumschlägt und fasziniert ist von der Heftigkeit der Leidenschaften, der Schwärze der Seelen, der düsteren Schönheit der Bittergesuche, der hingerissen ist von diesen ‚poetischen’ Lebensläufen, über die wir Denken legen.“


Literatur

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  • Kögler, Hans H. (1994):
    "Michel Foucault"
    Stuttgart
  • Schmid, Wilhelm [Hrsg.] (1991):
    "Denken und Existenz bei Michel Foucault"
    Frankfurt


Internetquellen

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Podcast-Tipp

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Soziopod #047: Sex, Macht & Wahnsinn: Michel Foucault

Fraser, Nancy

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Biographie in Daten

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Fraser Nancy

Nancy Fraser 2008
  • geboren 1947


  • Nancy Fraser ist eine US-amerikanische Politikwissenschaftlerin, mit einem Abschluss in Philosophie. Sie ist eine der bekanntesten amerikanischen Feministinnen, welche zusammen mit Andrew Arato die Zeitschrift „Constellations“ herausgibt. Darin werden hauptsächlich Kritiken an der Demokratietheorie behandelt. Nancy Fraser unterrichtet Politikwissenschaften an der New School for Social Research und beteiligt sich an der Frauenforschung an der Northwestern University of Chicago.

Historischer Kontext

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Die Geschichte des Feminismus betrachtet Nancy Fraser als eine Geschichte des Fortschrittes, welche ihren Kern in den 70er Jahren hat. Die Träger waren weiße, heterosexuelle Frauen der Mittelschicht.

Die Geschichte des Feminismus kann unter anderem in drei Phasen eingeteilt werden, wobei die Erste im Zusammenhang mit neuen sozialen Bewegungen steht, die Zweite die Problematik der Identitätspolitik aufgreift und die Dritte bereits als Konzeptidee in die nationale Politik eingreift, mit der Absicht die männliche Dominanz zu beseitigen.


Werke

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  • Redistribution or Recognition? A Political-Philosophical Exchange. London: Verso, 1998

(in Zusammenarbeit mit Axel Honneth entstanden)

  • Justice Interrupturs: Critical Reflections on the „Postsocialst“ Condition. New York: Routledge, 1997
  • Feminist Contentions: A Philosophical Exchange. New York: Routledge,1994

(in Zusammenarbeit mit Seyla Benhabib, Judith Butler und Drucilla Cornell entstanden)

  • Unruly Practices: Power, Discourse and Gender in Contemporary Social Theory. Minneapolis: University of Minnesota Press and Polity Press, 1989
  • Feminist Contentions: A Philosophical Exchange. New York: Routledge, 1994

(in Zusammenarbeit mit Seyla Benhabib, Judith Butler und Drucilla Cornell entstanden)


  • Social Justice in the Age of dentity Politics: Redistribution, Recognition and Participation“, in: The Tanner Lectures on Human Values, Vol. 18. University of Utah Press.
  • “Communication, Transformation and Consciousness-raising“, in: Hannah Arendt and the Meaning of Politics. Ed. Craig Calhoun and John McGowan. University of Minnesota Press.
  • “Another Pragmatism: Alain Locke, Critical Race Theory and the Politics of Culture“, in: The Revival of Pragmatism: New Essays on Social Thought, Law and Culture. Ed. Morris Dickstein. Duke University Press, 1998.
  • “Social Criticism without Philosophy: A Encounter between Feminism and Postmodernism“. Communication, 1988. 345-366


Das Werk in Themen und Thesen

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Politik der Anerkennung

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In erster Linie ging es Nancy Fraser, ähnlich wie anderen Feministinnen darum, kulturelle Veränderungen zu bewirken. Ausgegangen wird von der „Politik der Anerkennung“, im Speziellen auch kultureller Differenz, welche im Weiteren zur „Politik der Gleichheit“ umschlagen soll. Zunächst wird die Tatsache dargelegt, dass eine Trennung der Geschlechter, für das weibliche Geschlecht zum Nachteil eingesetzt wird indem diese Differenzierung zur ungleichen Chancenverteilung führt. Neben dem Problem der fehlenden Anerkennung gibt es noch jenes der ungerechten Güterverteilung, speziell am Arbeitsmarkt, und das der Unterrepräsentation in der Politik und Wirtschaft.

In Europa greift der Feminismus bereits in die ökonomische Politik, Herrschaftsstrukturen der globalen Wirtschaft angefochten werden und in die Strukturen der Europäischen Union eingegriffen wird, was den Aktionsrahmen erweitert.

Nancy Fraser zufolge muss eine Differenzierung der Geschlechterrollen anerkannt werden. Die Statusordnung der kapitalistischen Gesellschaft ist grundlegend für männliche Dominanz. Feministinnen versuchen aus dem Grund auf die weit verbreitete männliche Dominanz aufmerksam zu machen und streben eine Verbindung zwischen feministischer Differenz- und Identitätspolitik und dem Kampf für soziale Gerechtigkeit.


Postsozialistische Zeitalter

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Nancy Fraser richtet in ihrem Werk „Die halbierte Gerechtigkeit“ ihr Augenmerk auf Ungerechtigkeiten bezüglich der Arbeit und weist auf die Wichtigkeit von der Neubewertung unbezahlter Arbeit sowie der Familienarbeit hin.

Die US-amerikanische Politologin skizziert in den gesammelten Aufsätzen das gegenwärtige "postsozialistische Zeitalter", dem es an jeglicher fortschrittlichen Vision für ein besseres Leben mangelt und Gleichheitsbestrebungen zwischen Umverteilungs- und Anerkennungspolitik aufgerieben werden. Dabei gilt die Gleichheit der Geschlechter als wichtige Voraussetzung für einen postsozialistischen Wohlfahrtsstaat. Diese kann durch das Modell der „universellen Betreuungsarbeit“ erreicht werden, in welchem die Arbeitszeit generell verkürzt wird und die Betreuungsarbeit in ein einheitliches Sozialsystem eingegliedert wird. Die Männer müssten somit auch ihre Erwerbsarbeit mit der Betreuungsarbeit kombinieren.

Außerdem sieht sie in der Dekonstruktion von Geschlechterrollen einen wichtigen Bestandteil für eine verändernde Ordnung. Jedoch ist die Schwelle zur größeren sozialen Umwälzung ebenso wie die Charakterisierung dieses Wandels, nicht genau feststellbar. Ihrer Meinung nach steht der Beginn dieses Wandels mit der Massenproduktion in engem Zusammenhang. Die Industriegesellschaft wird zunehmend zu einer Wissensgesellschaft, in welcher sich Frauen am Arbeitsprozess mehr beteiligen.

Wissensgesellschaft

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Der Feminismus wandelte sich von der Gesellschaftskritik in eine Wissenschaftskritik um.

Der Begriff „Wissensgesellschaft“ beruht auf der wandelnden Entwicklung vom Zeitalter der Industrieproduktion und der Maschinen im Zeitalter, in welchem Wissen produktiv eingesetzt und genutzt werden kann. Natürlich stellt man sich die Frage, was Wissen ist und welchen Stellenwert es in vergangenen Zeitaltern, im Vergleich zum jetzigen gesehen, eingenommen hatte. Man bemüht sich um eine einheitliche und umfassende Definition des Begriffes „Wissen“. Es sollte einen Bereich der Veränderungsoption einnehmen und schließlich für weitere Veränderungen, die noch nicht absehbar sind, offen sein. Das Wissen wird als ein kognitives Schema betrachtet, welches veränderungsbereit ist. Das Wissen wird als Voraussetzung für den Vollzug einer Handlung angesehen. Das Wissen befähigt soziales Handeln.

Rezeption und Wirkung

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Nancy Fraser kommt in dem Werk "Die halbierte Gerechtigkeit" als führende Theoretikerin des amerikanischen Feminismus zur Geltung und setzt sich mit der Situation der Linken nach dem Zusammenbruch des Sozialismus auseinander. Herlinde Pauer-Studer von der Frankfurter Rundschau jedoch bemängelt, dass es in diesem Werk im Bezug auf die Liberalismuskritik und den Begriff der „Privatheit“ an theoretischer Präzision fehle. Fraser verfüge über eine Menge Kenntnisse über die feministische Theorie-Debatte und sei auf die Subjektkonstitution, welche alles Politische in den Hintergrund stellt, zu sehr fixiert.

Der Neuen Zürcher Zeitung vom 23. Juni 2001 zufolge möchte Fraser in diesem Werk eine alternative Lösung für die Zersplitterung der „sozialen“ und „kulturellen“ Linken in den USA anbieten und verstrickt sich mit ihren Kolleginnen Seyla Benhabib und Judith Butler in ein "Scharmützel mit dem Ton von Besserwisserei".

Literatur

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  • Heinrich-Böll-Stiftung [Hrsg.] (2002):
    "Gut zu Wissen-Links zur Wissensgesellschaft. Westfälisches Dampfboot"
  • Fraser, Nancy (2001):
    "Die halbierte Gerechtigkeit. Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaats"
    Frankfurt am Main
  • Fraser, Nancy (2003):
    "Umverteilung oder Anerkennung? Eine politisch-philosophische Kontroverse"
    Frankfurt am Main
  • Fraser, Nancy (1994):
    "Widerspenstige Praktiken. Macht, Diskurs, Geschlecht
    Frankfurt am Main


Internetquellen

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Freyer, Hans

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Biographie in Daten

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Johannes Freyer

  • geboren am 31. Juli 1887 in Leipzig
  • gestorben am 18. Januar 1969 in Ebersteinburg
  • deutscher Soziologe, Historiker und Philosoph


  • Vater: Ludwig Freyer, Postdirektor
  • Mutter: Helene Freyer, geborene Broesel
  • Ehe: 1923 mit Käthe Lübeck
  • Kinder: Dietrich Freyer, Ursula Freyer, Barbara Freyer, Brigitte Freyer
  • Religion: evangelisch


Ausbildung

  • Hans Freyer besuchte das königliche Elitegymnasium in Dresden-Neustadt und legte dort 1907 die Reifeprüfung ab.
  • 1907 bis 1911: wechselte er von der Universität Greifswald an die Universität Leipzig und studierte dort Philosophie, Psychologie, Nationalökonomie und Geschichte
  • 1911: schrieb er seine Dissertation zum Thema „Geschichtsauffassung der Aufklärung“
  • 1911 bis 1914: neben der Lehrtätigkeit an der Reformschule in Wickersdorf arbeitete er an weiteren Studien an der Universität Berlin
  • 1920: mit „Die Bewertung der Wirtschaft im philosophischen Denken des 19. Jahrhunderts“ habilitierte Freyer in der Philosophie an der Universität Leipzig


berufliche Tätigkeiten


  • 1911 bis 1914: lehrte er an der Reformschule der Freien Schulgemeinde Wickersdorf
  • 1920 bis 1922: arbeitete Freyer als Privatdozent für Philosophie an der Universität Leipzig
  • 1922 bis 1925: als Professor der Kulturphilosophie an der Universität Kiel tätig
  • 1925: erhielt Freyer in Leipzig den ersten Lehrstuhl für Soziologie ohne eine zusätzliche Beiordnung eines anderen Faches
  • 1933: löste er den bisherigen Präsidenten Ferdinand Tönnies der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ab, legte sie jedoch sehr bald still
  • 1933: durch die Emigration vieler Vertreter des Lehrstuhls wurde dieser aufgelöst. Deshalb war Freyer als Professor für Politische Wissenschaften am Institut für Kultur- und Universalgeschichte tätig
  • 1933 bis 1948: Freyer war als Direktor des Institutes für Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig tätig, durch seine Gastprofessur in Budapest jedoch unterbrochen
  • 1935 bis 1944: Leitung des Deutschen Kulturinstituts in Budapest
  • 1938 bis 1944: nahm Freyer das Angebot der Universität Budapest als Gastprofessor für deutsche Kulturgeschichte und Kulturphilosophie an
  • 1941 bis 1944: war er zusätzlich Direktor der Kulturgeschichte und Kulturphilosophie an der Universität Budapest
  • 1944 bis 1948: kehrte Hans Freyer wieder nach Deutschland zurück und lebte in Leipzig
  • 1946: Freyer lehrte erneut als Soziologe an der Universität Leipzig
  • 1947: wurde er beurlaubt, als Grund wurde sein Nahverhältnis zum Nationalsozialismus angeben, jedoch war er nie Mitglied der NSDAP
  • 1948: Hans Freyer wurde entlassen und zog im gleichen Jahr nach Westdeutschland
  • 1948 bis 1952: Leitender Redakteur im wissenschaftlichen Bereich beim „Großen Brockhaus“ des Brockhaus-Verlages in Wiesbaden
  • 1953 bis 1963: lehrte er als emeritierter Professor für Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster
  • 1953, 1954, 1957 und 1960: lehrte er als Gastprofessor in Ankara und Argentinien
  • 1954: half er kurzzeitig am Aufbau eines soziologischen Institutes in Ankara
  • 1958: Als Präsident leitete Hans Freyer den Weltkongress des Instituts International de Sociologie in Nürnberg


Mitgliedschaften

  • ab 1910: Mitglied des sogenannten „Sera-Kreises“, eine Gemeinschaft, in der persönliche kulturelle Betätigung auf hohem Niveau im Mittelpunkt stand


Auszeichnungen

  • Militär-St.Heinrichs-Orden im Ersten Weltkrieg
  • 1957: Ehrendoktor der Wirtschaftswissenschaften in Münster
  • 1961: Ehrendoktor der Ingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule in München


Schüler von Freyer waren

  • Arnold Gehlen
  • Karl Heinz Pfeffer
  • Helmut Schelsky
  • Hans Freyer pflegte engen Kontakt zu Georg Simmel


Freyer war Schüler von

  • Karl Lamprecht
  • Wilhelm Wundt
  • Karl Bücher
  • Johannes Volkelt


Historischer Kontext

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Hans Freyer durchlebte den ersten und auch den zweiten Weltkrieg. Somit wurden seine Werke durchwegs von den dramatischen Entwicklungen Deutschlands, vom Niedergang bis zur modernen Industriegesellschaft beeinflusst. Es war eine immerwährende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den damaligen Ereignissen. Anzumerken ist auch, dass Hans Freyer niemals Mitglieder der NSDAP war.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Hans Freyer wurde stark vom deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und dessen „Hegelschen Systemdenken“ beeinflusst. Mit seinen aufstufenden Objektivationsschritten (näheres weiter unten) lieferte er einen wichtigen Beitrag zur zeitgenössischen Symboltheorie.


Werke

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Ein Auszug aus Hans Freyer’s Werken:

  • 1911: Geschichte der Geschichte der Philosophie im achtzehnten Jahrhundert. Leipzig. (war zugleich Freyers philosophische Dissertation in Leipzig)
  • 1918: Antäus. Grundlage einer Ethik des bewussten Lebens.
  • 1921: Die Bewertung der Wirtschaft in philosophischen Denken des 19. Jahrhunderts. Leipzig. (war zugleich Freyers Habilitationsschrift)
  • 1923: Theorie des objektiven Geistes. Eine Einleitung in die Kulturphilosophie. Leipzig-Berlin
  • 1923: Prometheus. Ideen zur Philosophie der Kultur
  • 1925: Der Staat. Leipzig
  • 1930: Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft. Logische Grundlegung des Systems der Soziologie. Leipzig-Berlin
  • 1931: Einleitung in die Soziologie. Leipzig.
  • 1931: Revolution von rechts
  • 1933: Herrschaft und Planung. Zwei Grundbegriffe der politischen Ethik. Hamburg
  • 1936: Die politische Insel. Eine Geschichte der Utopien von Platon bis zur Gegenwart. Leipzig
  • 1938: Machiavelli. Leipzig
  • 1948: Weltgeschichte Europas. 2 Bände. Wiesbaden
  • 1951: Politische Grundbegriffe. Demokratie, Liberalismus, Sozialismus, Konservatismus, an ihrem Ursprung aufgesucht. Wiesbaden.
  • 1955: Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Stuttgart
  • 1957: Das soziale Ganze und die Freiheit der Einzelnen unter den Bedingungen des Industriellen Zeitalters. Berlin-Frankfurt am Main
  • 1961: Über das Dominantwerden technischer Kategorien in der Lebenswelt der industriellen Gesellschaft. Mainz
  • 1965: Schwelle der Zeiten. Beiträge zur Soziologie der Kultur. Stuttgart
  • 1965: Technik im technischen Zeitalter. Stellungnahmen zur geschichtlichen Situation. Düsseldorf
  • 1970: Gedanken zur Industriegesellschaft. Mainz. (besorgt von Arnold Gehlen, eine Publikation Freyers unvollendeten Werkes „Theorie der Industriegesellschaft“)
  • 1986: Preußentum und Aufklärung und andere Studien zu Ethik und Politik. Weinheim
  • 1987: Herrschaft, Planung und Technik. Aufsätze zur politischen Soziologie. Weinheim


Das Werk in Themen und Thesen

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In den Werken Freyers finden sich nicht nur Themen der Soziologie sondern auch der Philosophie und Geschichte, somit ist eine Einteilung nach inhaltlichen Schwerpunkten sehr schwierig. Besser ist eine Gliederung, die den Wandlungen seines Systemkonzeptes folgt, welche durch die Strukturumbrüche der Zeit bedingt sind. Zwei Konstanten in Freyers Werk sind die Gedanke des Systems und die „Leipziger Schule“.


Freyers System der Soziologie

Seine Konzeption der Soziologie drückt die „Selbsterkenntnis einer Gegenwart aus“. Es besteht die Möglichkeit, dass sich eine Zukunft allein aus der Gegenwart schafft und dass der Mensch seine eigenen Ideen auch zur Verwirklichung bringen kann. Freyer meint, dass die Soziologie immer eine Antwort auf vielfältigste Anforderungen der verunsicherten Öffentlichkeit hat. Diese Antwort soll die „Selbstfindung“ sein, somit ist die Soziologie zum „Organ“ des Gemeinschaftswillen geworden. Für ihn ist Soziologie „Krisenwissenschaft“, sozusagen eine wissenschaftliche Selbstreflexion einer Gesellschaft im Umbruch. Freyer verlangt die Umwertung der gesellschaftlichen Utopien zu heuristischen Arbeitshypothesen in der Wissenschaft, die expressionistischen Zukunftsvisionen sollen rein mystisch-religiöse Utopien bleiben.


„Die Theorie des objektiven Geistes“

Freyer sagt, dass die „Wirklichkeit“ einer hierarchischen und gleichzeitig fließenden Ordnung von geistigen Objektivationen auf die eigenen Prinzipien der Formwerdung unterworfen ist. Er analysiert den Ablöseprozess der Kulturgebilde in dreistufig erfolgenden Objektivationsschritten.

Freyer bezeichnet den ersten Objektivationsschritt als „gegenständliche Wendung“. Zeichen, so meint Freyer, sind keine spontanen menschlichen Ausdrucksformen mehr, sondern werden zu darstellenden oder „symbolischen“ Gebärden. Den zweiten Objektivationsschritt bezeichnet er als „objektive Wendung“. Hier wird das „Zeichen“ zur „Form“, jetzt bezeichnet eine Geste „Gegenständliches“. Der „objektive Geist“ (oder „Kultur“) wird durch den dritten Objektivationsschritt möglich, welcher als Ablösung von jeglichem ausführenden Akt zu denken ist, als „theoretische Wendung“. Somit ist die Kulturwirklichkeit als eine neue Sphäre anzusehen, die Formen der Kulturwirklichkeit werden nach fünf Kategorien unterschieden:

  • 1. Kategorie „Gebilde“: in sich zentriert, unabhängig von anderen Sinnzusammenhängen und sehr objektiv. Die soziale Dimension ist irrelevant
  • 2. Kategorie „Gerät“: gegensätzlich zu „Gebilde“. Sinngehalt ist durch die soziale Dimension geprägt. Das „Gerät“ hat das Handlungsfeld der Handlung verändert.
  • 3. Kategorie „Zeichen“: wirkt über sich hinausweisend. Jedes „Zeichen“ hat einen doppelten Sinngehalt (weist nicht nur auf eine Bedeutung, sondern auch auf einen gegenständlichen Sachverhalt hin)
  • 4. Kategorie „Sozialform“: soziale Bezüge haben selbst einen gegenständlichen Sinngehalt. Aufgrund von einer Fülle an Motiven enthält sie einen immanenten teleologischen Zusammenhang.
  • 5. Kategorie „Bildung“: Objektivierung des persönlichen Lebens. Subjektive Lebenseinheit ist erst dann erzielt, wenn das Objektiv-Sinnhaltige nicht nur gewusst und getan wird, sondern die Person das Objektiv-Sinnhaltige ist.

Der objektive Sinngehalt bleibt durchwegs Schlussstück des Kreislaufes auch bei einer Rückbindung des Objektivationsprozesses an die Sozialität, wobei die Reduktion der Objektivationen nicht zur Reduktion der Objektivationen auf diese soziale Dimension führt. Freyer sagt, dass erst durch die Objektivationen eine soziale Gemeinschaft zu Leistungen gelangt und am Ende gewinnt der „objektive Geist“ über die aktuellen Subjekte. Beispielsweise ist die Geschichte nicht nur der Weg zu den Menschen, sondern auch der Weg zu etwas, das mehr ist als der Mensch selbst.


„Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft“

Die Rückbindung der Objektivationen mit der Sozialität wurde zur Grundlage des Systems der „Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft“. Die „Sozialform“ als Regel und Beziehungsgefüge ist für Freyer’s Soziologie Forschungsgegenstand, somit ist die Soziologie immer „Kulturwissenschaft“. Der Begriff der „gesellschaftlichen Wirklichkeit“ ist somit immer auf die Ebene der Synthese von objektiver Kulturwelt und Sozialität zu beziehen. „Wirklichkeit“ ist ein theoretischer-synthetischer Begriff, welcher gegenständliche Verselbständigung und soziale Konstruktion in sich vereint. Gegenstand der Kulturphilosophie Freyers war die Wirklichkeit des spannungsgeladenen Objektivationsprozess (Ablösung vom individuellen seelischen Erleben, Ablösen vom Entstehungsprozess und Ablösung vom direkt ausführenden Akt).


Der Begriff der Wirklichkeitswissenschaft und der Logoswissenschaft

Der Begriff Logoswissenschaft, welcher mit fertigen, abgeschlossenen Objekten zu tun hat, stammt von Hans Freyer. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich die Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft mit weiterdrängendem, zukunftshaltigem Geschehen. Somit kann die Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft, nicht wie die Logoswissenschaft die reine Haltung der Theorie und des nachvollziehenden Verstehens einnehmen, sondern hat sich als Teil des existentiell bedeutsamen Geschehens zu betrachten. Als Aufgabe der Wirklichkeitswissenschaft ist die Koppelung zwischen „Geist“ und „Leben“ zu verstehen. Ein weiteres besonderes Kennzeichen der Wirklichkeitswissenschaft ist, dass sie „Ethoswissenschaft“ sein soll, also Ethos der Geschehenswirklichkeit zur Achse der Erkenntniswissenschaft. Ihre Erkenntnisobjekte sollen eine Willensrichtung in sich tragen.

Jedoch wird das Konzept der „Wirklichkeitswissenschaft“ von vielen seiner Zeitgenossen kritisiert und als voluntaristisch und polemisch bewertet. Andreas Walther sagt, Freyer sei es gelungen, eine Verschmelzung von „Idealismus“ und „Materialismus“, von „Staat“ und „Gesellschaft“ herzustellen. Die „Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft“ sei theoretisch anzuerkennen, jedoch eine praktische Anwendung zu verneinen. Des weiteren betrachtet René König Freyer’s Konzeption der Wirklichkeitswissenschaft als „historisch-existenzialistische Soziologie“ kritisch.


Rezeption und Wirkung

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Die Leipziger Schule und Hans Freyer

Gründer der Leipziger Schule waren berühmte Gelehrte der Universität Leipzig wie Wilhelm Wundt, Gustav Theodor Fechner, Friedrich Ratzel, Wilhelm Ostwald, Karl Lamprecht und Wilhelm Roscher. Die Gelehrten aus den verschiedensten Richtungen trafen sich wöchentlich und waren auf der Suche nach einer „positiven“ Wissenschaftsphilosophie, welche alle Einzelwissenschaften vereinigen sollte, somit verstanden sie sich auch als „Positivisten“. Die Leipziger Schule verknüpft mit einer Leichtigkeit Kulturphilosophie, Geschichtswissenschaft, Soziologie, Staatslehre, Psychologie, Pädagogik und Theologie miteinander und ist immer für neue Fragestellungen offen.

In der Zwischenkriegszeit wurde die Leipziger Schule dann von Hans Freyer, Hans Driesch, Arnold Gehlen, Theodor Litt und Helmut Schelsky erfolgreich weitergeführt. „Schule“ in diesem Sinn ist durch ein gemeinsames wissenschaftliches „Ethos“ definiert, bei dem in eine allgemeine methodologische Richtung geforscht und gelehrt wird. Der Begriff „Schule“ ist also als ein lockerer, sozialer Kreis zu verstehen, eine geistige Verbundenheit.


Erster Lehrstuhl der Soziologie

Am 3. Januar 1925 erhielt Hans Freyer erstmalig den neu errichteten deutschen Lehrstuhl für Soziologie, ohne einer Beiordnung eines anderen Faches. Anfangs war das sehr kleine Institut innerhalb des Institutes für Kultur- und Universalgeschichte untergebracht. Die Besetzung des ersten Lehrstuhles für Soziologie sah folgendermaßen aus:

  • Professur – Hans Freyer
  • Privatdozentenstelle – Gunther Ipsen
  • Assistent – Willy Bloßfeldt

Wie auch innerhalb der Leipziger Schule gab es intensiven, wissenschaftlichen Austausch mit der Psychologie, Religionswissenschaft, Philosophie und der Pädagogik. Am Institut herrschte eine kameradschaftliche Atmosphäre, welche bis in den privaten Bereich ragte.

Literatur

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  • Üner, Elfriede (1992):
    "Soziologie als „geistige Bewegung“. Hans Freyers System der Soziologie und die „Leipziger Schule“
    Weinheim
  • Willers, Dietrich (1966):
    "Verzeichnis der Schriften von Hans Freyer"
    Darmstadt
  • Fruchs-Heinritz / Lautmann / Rammstedt / Wienold [Hrsg.] (1994):
    "Lexikon zur Soziologie. 3. neu bearbeitet und erweiterte Auflage"


Internetquellen

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Garfinkel, Harold

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Biographie in Daten

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Harold Garfinkel

  • geboren am 29. Oktober 1917 in New Jersy
  • gestorben am 21.April 2011
  • amerikanischer Soziologe und Begründer der Ethnomethodologie


- Eltern: Vater: Abraham Garfinkel; Mutter: Name nicht bekannt

- Ehe: mit der Chemikerin Arlene Garfinkel

- Kinder: zwei Kinder mit Arlene Garfinkel


  • 1935-1939: Studium der Volkswirtschaft an der University of Newark in New Jersey
  • 1939: Veröffentlichung der Kurzgeschichte "Colour Trouble"
  • 1939-1942: Studium der Soziologie an der University of North Carolina
  • 1942: Sponsion in North Carolina (Master of Arts)
  • 1942-1945: Einberufung als Soldat im Zweiten Weltkrieg; Heirat mit Arlene Garfinkel
  • 1946: Beginn des Doktoratsstudiums am Institut für Sozialwissenschaften an der University of Harvard.

Gleichzeitig war Garfinkel Schüler von Talcott Parsons und Alfred Schütz.

  • 1950-1952: Lehrender in der Princeton University, New Jersey
  • 1952: Promotion zum Ph.D bei Talcott Parsons, dann Assistenz Professor an der Harvard Universität,
  • 1954-1987: Professor an der University of California, Los Angeles (UCLA)
  • 1957-1966: Mitglied der US-amerikanischen Behörde für Gesundheitswesen (U.S Public Health Service)
  • 1967: Veröffentlichung des Hauptwerkes „Studies in Ethnomethodology“
  • 1987: Pensionierung
  • ab 1987: Emeritus an der University of California, Los Angeles (UCLA)
  • 1988: Verleihung der Ehrendoktorwürde der University of Nottingham.
  • 2002: Persönliche Entgegennahme der Ehrendoktorwürde der University of Nottingham


Theoriegeschichtlicher Kontext

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In seinen Studienjahren setzte sich Harold Garfinkel mit Studien von C. Wright Mills, und Kenneth Burke auseinander. Weiters beschäftigte er sich intensiv mit William I. Thomas, und arbeitete sich in Florian Znaniecki´s Theorie sozialer Handlungen ein.

Als Schüler von Talcott Parsons und von Alfred Schütz, wurde er mit einem breiten Gedankenspektrum vertraut. Während sich Garfinkel von Parsons weitgehend distanzierte, hatte ihn Schütz nachhaltiger beeinflusst. Garfinkel greift beispielsweise Schützs Annahmen der Lebenswelt auf und bindet diese in seine Theorie ein. Garfinkels Distanz zu Parsons spiegelt sich insoweit in seinen Studien wieder, als seine Ethnomethodologie einen Gegenpol zu dem makrosoziologischen funktionalistischen Ansatz von Parsons bildet.

Unterschied zur Phänomenologie von Schütz:

Zwar greift Garfinkel den Begriff der Lebenswelt von Schütz auf, er reduziert ihn aber auf die Phänomenologie, indem sein Interesse darauf abzielt, was Menschen in der alltäglichen Lebenswelt "wirklich tun". Ein weiterer Unterschied ist wohl der Begriff der Indexikalität und der derReflexivität, den Garfinkel anders auffasst als Schütz.


Werke

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- „Studies in Ethnomethodology“, 1967

- „Das Alltagswissen über soziale und innerhalb sozialer Strukturen“, 1973

- „Über formale Strukturen praktischer Handlungen“, 1976

- „Ethnomethodological Studies of Work“, 1986


Artikel:

-„On Formal Structures of Practical Action“ mit Harvey Sacks,1970

-„The Work of a Discovering Science Construed with Materials from the Optically Discovered Pulsar“ mit Michael Lynch und Eric Livingston, 1981


-„Evidence for Locally Produced, naturally Accountable Phenomena of Order, Logic, Reason, Meaning, Method, etc., in and as of the Essential Haecceity of Immortal Ordinary Society“, 1988

-„Two Incommensurable Asymmetrically Alternate Technologies of Social Analysis“, mit Larry Wieder, 1992


-„Ethnomethodology´s Program“, 1996


Das Werk in Themen und Thesen

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Harold Garfinkel ist Begründer der Ethnomethodologie


„ethno“: Bezieht sich auf Menschen oder bestimmte Gruppen, die einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund haben.

„method“: Ist die routinemäßige Anwendung von bestimmten Methoden des Alltagshandelns in der sozialen Praxis.

Somit bedeutet Ethnomethodolgie, dass jeder Mensch und jede Gruppe bestimmte Methoden entwickelt hat, um sich in der sozialen Welt zurechtzufinden. Daher bezeichnet Ethnomethodologie streng genommen nicht die Forschungsweise der Wissenschaft sondern die Weise wie sie von den Akteuren selbst betrieben wird. Erst in Studien zur Ethnomethodologie tritt die Wissenschaft in den Vordergrund, welche diese zu analysieren versucht. Hauptgegenstand der Studien zur Ethnomethodologie sind die sozialen Strukturen des tatsächlichen, alltäglichen Handelns.


Garfinkels Studien analysieren, wie soziale Wirklichkeit konstruiert und somit soziale Ordnung erreicht wird.

Soziale Strukturen sind Erwartungsstrukturen Die sozialen Strukturen fungieren nicht unabhängig von den Handelnden, sondern sind soweit aufeinander abgestimmt, sodass sie dem Handelnden Erwartungssicherheit und Ordnung geben. Er kann sich also auf die Strukturen verlassen und schreibt ihnen Sinn zu.


Strategien und Methoden des Alltagshandelns: Das Alltagsleben ist konkret, das heißt in unmittelbarer Nähe zu den Mitmenschen. Es ist ohne große Mühe bewältigbar, denn es ist in konstruierte Methoden, die oft von teilbewusster Art sind, eingebettet. Umgesetzt in bestimmte Praktiken hat auch die Sinndeutung, die man dem Handeln gibt, bestimmte Muster und wird durch bestimmte Verfahren angewandt. Insgesamt wird so die soziale Wirklichkeit geschaffen und folglich auch aufrechterhalten.


Problem der Intersubjektivität

Das Handeln ist aufeinander abgestimmt, es ist intersubjektiv. Jeder Handelnde hat seine eigene Subjektivität. Um es sozial tragbar zu machen, versucht man die Sinnzuschreibung mit anderen abzustimmen, jene einander bis zu einem gegenseitig verständlichen Maß anzugleichen. Mithilfe von Kommunikation sowie durch eigene Interpretationsleistung der Akteure, wird die Herstellung eines intersubjektiven Sinns gewährleistet. Nicht zuletzt ist das Problem der Intersubjektivität eine zentrale Voraussetzung, um soziale Ordnung herzustellen.

Intersubjektives Verstehen ist somit nichts Selbstverständliches: Es muss von Situation zu Situation neu geleistet werden. Das impliziert, dass die Strukturen der Alltagswelt beliebig veränderbar sind.

Daher ist die ethnomethodologische Ordnungsstruktur (immortal ordinary society) kognitiv und nicht normativ, was aber in einem engen Zusammenhang steht, denn die sozialen Strukturen haben einen zwingenden Charakter und wirken letztendlich normativ: Verstöße dagegen werden sanktioniert. (siehe Krisenexperimente)


Indexikalität

Der Begriff der Indexikalität stammt aus der Sprachphilosophie (Bar – Hillel, 1954) und bedeutet: Die wenigsten Sätze und Aussagen sind verständlich, wenn man den praktischen Kontext nicht kennt (bei Garfinkel ist der soziale Kontext gemeint)

Es sind zwei begriffliche Ebenen zu unterscheiden:


1. „indexical expression“ (indexikalischer Ausdruck): Die Bedeutung des Inhalts ist abhängig davon, in welchem sozialen Kontext etwas gesagt wurde (und welcher Zweck möglicherweise verfolgt wurde)

2. „objective expression“: Ist eine objektive Aussage, die allgemein gültig und unabhängig vom sozialen Kontext ist.

Jede Aussage beinhaltet allerdings beide Aspekte: Verweisung auf einen sozialen Kontext und auf einen objektiven Tatbestand. Indexikalische Aussagen beziehen sich auf einzelne konkrete Erscheinungen (Personen, Objekte, Ereignisse) Indexikalische Darstellungen sind Details, die in jedem Kontext neu gebildet werden müssen und deshalb keine allgemeine Gültigkeit besitzen.


Reflexivität:

Ist der Prozess, in welchem Akteure in der Interaktion das Denken, Tun und die Aussagen Anderer interpretieren (z.B. auf einen Sprecher bezogen, der mich zu etwas veranlassen will: in einer bestimmten Weise zu reagieren oder etwas zu glauben). Es handelt sich dabei nicht um eine große Denkleistung, sondern um eine willkürliche Bewusstseinsleistung (auch praktische, nicht – intentionale Reflexivität)


Krisenexperimente:

Mit dieser besonderen Art von Experimenten sollen Störungen in der "Ordnung des Handelns" hervorgerufen werden. Beispielsweise durch Durchbrechung der Erwartungen (in der alltäglichen Kommunikation) und der reziproken Perspektiven, durch die Verletzung der Kongruenz der Relevanzsysteme.

Mithilfe seiner Experimente versucht Garfinkel, die Alltagsannahmen und Selbstverständlichkeiten aufzudecken und sichtbar zu machen, die sonst in der alltäglichen Interaktion unhinterfragt bleiben. Garfinkel zeigt, dass Handlungen, die gewisse normative Regeln verletzen, dadurch zugleich unverständlich und uneinordenbar werden. Werden diese, dem Akteur sinngebenden Strukturen, in Frage gestellt und wird dadurch die Erwartungssicherheit bedroht, folgen Konflikte: Die Reaktionen der "Opfer" sind Verunsicherung, Unverständnis, Verärgerung, Aggression, die "Täter" werden mit Isolation und sozialer Desintegration sanktioniert.

Die Ergebnisse der Krisenexperimente demonstrieren, wie wichtig diese Selbstverständlichkeiten für die Interaktion eigentlich sind.


Beispiele für Krisenexperimente:


Fall 6 (V = Versuchsperson, E: Experimentierender)

Das Opfer winkte freundlich

1 (V) Wie geht's dir?

2 (E) Wie geht's mir in Bezug worauf? Meine Gesundheit. meine Finanzen, meine Schularbeiten, meinen Seelenfrieden, meine...

3 (V) (Rot im Gesicht und plötzlich außer Kontrolle.) Schau! Ich versuche nur, höflich zu sein. Ehrlich gesagt, ist es mir verdammt egal, wie es dir geht.

(Garfinkel 1967, 42f; zit. nach Schneider 2005, 18f)


TickTackToe – Experimente: einfache Spielregeln werden dabei bewusst verletzt. Garfinkel leitet daraus ab, dass die soziale Praxis auf Spielregel, auf ähnlichen Erwartungen, beruht.


Rezeption und Wirkung

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Anfangs war es für Garfinkel schwierig, seine Ansatz durchzusetzen und er stieß auf wenig Resonanz. Grund dafür war nicht zuletzt, dass die Geisteshaltung des Strukturfunktionalismus von Talcott Parsons in der US-amerikanischen Soziologie massiv vorherrschend, und bestimmend war. Erst mit der Veröffentlichung seines Hauptwerkes Studies in Ethnomethodology, begann sich diese neue Forschungsperspektive zu etablieren, und es wurde ihm schließlich auch die entsprechende Anerkennung entgegengebracht. Seine Studien stellten eine provokante Neuartigkeit dar, welche in ihrem Inhalt ein neues Paradigma bezüglich sozialer Ordnung in sich trugen, sowie die Objektivität konventioneller wissenschaftlicher Methodik bezweifelten.

Mit seinen Schülern gelang es ihm, die Ethnomethodologie nicht nur zu verbreiten, sondern auch weiterzuentwickeln. Ihr heute wichtigster Zweig ist die Konversationsanalyse. Ihre wichtigsten Vertreter sind Gail Jefferson, und Garfinkels Schüler Harvey Sacks und Emanuel Schegloff. Mithilfe dieser Methode werden Gespräche detailliert analysiert und auf soziale Strukturen überprüft, die für das Alltagshandeln relevant sind.


Weiters hatte Harold Garfinkel Auswirkungen auf die:

- Organisations- und Berufssoziologie

- Wissenschaftssoziologie


Literatur

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  • Münch, Richard (2003):
    "Soziologische Theorie Band 2: Handlungstheorie"
    Frankfurt am Main
  • Schneider, Wolfgang Ludwig (2005):
    "Grundlagen der soziologischen Theorie Band 2: Garfinkel - RC - Habermas - Luhmann"
    Wiesbaden
  • Hillmann, Karl-Heinz (1994):
    "Wörterbuch der Soziologie"
    Stuttgart
  • Watson, Graham/Seiler, Robert M. [Hrsg.] (1992):
    "Text in Context: Contributions to Ethnomethodology"
    London
  • Rawls, Anne (2000):
    "Harold Garfinkel In: Ritzer, George [Hrsg.]: The Blackwell Companion to Major Social Theorists
    Mass./Oxford

Geertz, Clifford

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Clifford James Geertz gilt als bedeutendster Vertreter der interpretativen Ethnologie.



Biographie in Daten

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Geertz Clifford

*geboren am 23. August 1926 in San Francisco

*gestorben am 30. Oktober 2006 in Philadelphia


Eltern

Vater: Clifford James Geertz

Mutter: Lois Brieger


Wichtige Lebensdaten

1943 - 1945: Dienst bei der US Navy und Teilnahme am 2. Weltkrieg

1948: Heirat seiner Kommilitonin Hildred Storey (geschieden 1981), zwei Kinder: Erika und Benjamin

1987: Heirat mit Karen Blu


Karriere

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Ausbildung

1945 - 1950: Studium am Antioch College in Yellow Springs, Ohio; Abschluss A. B. in Philosophie

1950 - 1956: Studium der Anthropologie an der Harvard University, Abschluss Ph. D. vom Department of Social Relations


Berufliche Daten

1952 - 1958: Tätigkeit am MIT

1952 - 1956: Research Assistant im Center for International Studies am Massachusetts Institute of Technology
1957 - 1958: Research Associate im Center for International Studies am Massachusetts Institute of Technology

1956 - 1957: Instructor in Social Relations und Research Associate im Harvard University's Laboratory of Social Relations

1958 - 1959: Fellow am Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences in Stanford, California

1958 - 1960: Assistant Professor für Anthropologie an der University of California in Berkeley

1960 - 1970: Tätigkeit an der University of Chicago

1960 - 1961: Assistant Professor für Anthropologie an der University of Chicago
1962 - 1964: Associate Professor
1968 - 1970: Divisional Professor in the Social Sciences an der University of Chicago
1962 - 1970: In Chicago: Mitglied des Committee for the Comparative Study of New Nations, University of Chicago
1964 - 1966: Executive Secretary
1968 - 1970: Chairman

1964 - 1970: Senior Research Career Fellow am National Institute of Mental Health

1971: Consultant der Ford Foundation on Social Sciences in Indonesien

1970 - 2000: Professor für Social Science am Institute for Advanced Study, Princeton University

1982 - 2000: Harold F. Linder Professor of Social Science

1975 - 2000: Visiting Lecturer im Rang eines Professors, Department of History, Princeton University

2000 - 2006: Professor Emeritus

1978 - 1979: Eastman Professor, Oxford University


Feldforschungen

  • Java, Indonesien 1952 - 1954; April 1984; March - August 1986; November - December 1999
  • Bali, Indonesien 1957 - 58
  • Marokko Juni - Juli 1963; Juni - Dezember 1964; Juni 1965 - September 1966; Juni 1968 - April 1969; Juni - Juli 1972; Juni - Juli 1976; November 1985 - März 1986
  • Java, Bali, Celebes, Sumatra April - September 1971


Wissenschaftliche Ehren

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Ehrentitel

Honorary Doctor of Laws, Harvard University, 1974

Honorary Doctor of Humane Letters, Northern Michigan University, 1975

Honorary Doctor of Humane Letters, University of Chicago, 1979

Honorary Doctor of Humane Letters, Bates College, 1980

Honorary Doctor of Humane Letters, Knox College (Illinois), 1982

Honorary Doctor of Humane Letters, Brandeis University, 1984

Honorary Doctor of Humane Letters, Swarthmore College, 1984

Honorary Doctor of Humane Letters, New School for Social Research, 1987

Honorary Doctor of Social Science, Yale University, 1987

Honorary Doctor of Letters, Williams College, 1991

Honorary Doctor of Humane Letters, Princeton University, 1995

Honorary Doctor of Letters, University of Cambridge, 1997

Honorary Doctor of Letters, Georgetown University, 1998

Honorary Doctor of Letters, Antioch College, 1999

Honorary Doctor of Laws, Colby College, 2003


Preise

Social Science Prize (Talcott Parsons Prize), American Academy of Arts and Sciences, 1974

Sorokin Prize, American Sociological Association, 1974

Distinguished Lecturer, American Anthropological Association, 1983

Huxley Memorial Lecturer and Medallist, Royal Anthropological Institute, 1983

Distinguished Scholar Award, Association for Asian Studies, 1987

National Book Critics Circle Prize in Criticism, 1988

Horace Mann Distinguished Alumnus Award, Antioch College, 1992

Fukuoka Asian Cultural Prize (Academic, International), 1992

Bintang Jasa Utama (Medal), Republik Indonesien, 2002


Mitgliedschaften

Fellow, American Academy of Arts and Sciences, 1966 - 2006

Fellow, Council on Foreign Relations, 1970 - 2006

Fellow, American Philosophical Society, 1972 - 2006

Fellow, The National Academy of Sciences, 1973 - 2006

Fellow, American Association for the Advancement of Science, 1980 - 2006

Corresponding Fellow, The British Academy, 1991 - 2006

Honorary Fellow, The Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, 1995 - 2006


Vorträge

Terry Lecturer, Yale University, 1967

Harry F. Camp Memorial Lecturer, Stanford University, 1972

John Dewey Lecturer, Antioch College, 1973

Lionel Trilling Lecturer, Columbia University, 1977

Storrs Lecturer, Yale Law School, 1981

Bicentennial Lecturer, American Academy of Arts and Sciences, 1981

Harry F. Camp Memorial Lecturer, Stanford University, 1983

Obert C. Tanner Lecturer, University of Michigan, 1985

Lindesmith Lecturer, Carleton College, 1990

Hitchcock Lecturer, University of California, 1990

Harvard-Jerusalem Lecturer, 1990

Hardy Lecturer, Hartwick College, 1992

Fukuoka Five-Year Anniversary Lecturer, Tokyo and Fukuoka, 1995

Lecturer in Modern Philosophy, Institut für die Wissenschaften vom Menschen, Wien, 1995

William James Lecturer, Harvard Divinity School, 1998

Wells Lecturer, University of Indiana, 1998

Charles Homer Haskins Lecturer, American Council of Learned Societies, 1999

Master’s Seminar, Universität Konstanz, 2000

Sabbagh Lecturer, University of Arizona, 2001

Sidney A. Mintz Lecturer, Johns Hopkins University, 2003

J. G. Frazer Lecturer, Cambridge University, 2004

Irving Howe Lecturer, CUNY, 2004


Anderes

Council of Scholars, Library of Congress, 1982-93

Fellow, Intellectual Interchange Program, Japan Society, 1984

Visiting Fellow, Humanities Research Centre, Australian National University, 1987

Rector's Visitor, Wissenschaftskolleg zu Berlin, Germany, 1993

Visiting Professor, European University Institute, Florenz, Italien, 1994

Visiting Scholar, EHESS, Paris, 1994

Visiting Scholar, Getty Research Institute for the History of Art and the Humanities, 1998

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Symbolische Anthropologie

Der Begriff ,Anthropologie’ ist außerhalb des deutschen Sprachraumes (engl. ‚anthropology' bzw. frz. ,anthropologie') gut eingeführt. Dort haftet dem Begriff auch keine Konnotation mit der nationalsozialistischen Rassenlehre an, ist aber auch nicht rein auf die biologische Ebene beschränkt. Früher wurden der Anthropologie meist qualifizierende Zusätze wie ‚cultural', ‚social' oder ‚physical' vorangestellt, zunehmend steht der Begriff auch ohne diese Zusätze. Die ‚philosophische Anthropologie' zählt zum Kernbestand in der deutschsprachigen Philosophie und gehört dabei zu den Denktraditionen, die den Körper in den Vordergrund der Betrachtung rücken, der ja ansonsten eher hinter dem ‚Geist' zurückgestellt wurde. Ein führender Vertreter der philosophischen Anthropologie war Arnold Gehlen. Die Berliner Gruppe um Dietmar Kamper beschäftigte sich mit der sozial-kulturellen Entwicklung der Körperlichkeit des Menschen unter dem Namen der ‚historischen Anthropologie' (Mörth & Fröhlich, 1998, S. 11f).

Die ‚symbolische Anthropologie' entstand im angelsächsischen Raum und ihr werden u. a. Victor W. Turner, David M. Schneider und Clifford Geertz zugerechnet. Diese Vertreter stehen alle in der Tradition von Ernst Cassirer, teils in unmittelbarer Anknüpfung an ihn oder aber als mittelbare Nachfolger wie Clifford Geertz über Susanne K. Langer. Ernst Cassirer gilt seit dem Erscheinen seines Werks ‚Philosophie der symbolischen Formen' als Ausgangspunkt moderner Kulturtheorien. Für Clifford Geertz stellen Kultur sowie Symbole – und die Orientierung an ihnen – essentielle Voraussetzungen des Menschseins dar. Mit seiner Vorstellung von der Abhängigkeit des Menschen von den Symbolen hat er auch Berührungspunkte mit der Symboltheorie von Norbert Elias (Mörth & Fröhlich, 1998, S. 11f).

Geertz empfand die, von anderen gewählte, Bezeichnung ,symbolische Anthropologie' als eher unglücklich, da sie seiner Meinung nach den Eindruck erweckt, sie sei lediglich ein Teilgebiet und nicht "eine fundamentale Kritik des Faches als solches." (Geertz, 1997, S. 130)


Umfeld des akademischen Werdegangs

Am Antioch College lernte Clifford Geertz u. a. die Philosophie von John Austin und Gilbert Ryle kennen. Von Letzterem übernimmt er später den für sein Werk zentralen Begriff der ,dichten Beschreibung'. Interdisziplinäre Einflüsse spiegeln sich in Clifford Geertz´ Werk vielfältig wieder, welches neben seiner (sozial-)empirischen Grundlage auch in der Philosophie und Literaturwissenschaft seine Wurzeln hat. (vgl. Kumoll, 2006, S. 81).

Ende der 1960er Jahre waren Clifford Geertz, Victor Turner und David Schneider die drei Persönlichkeiten, die in den USA den Bereich der ,symbolischen Ethnografie' formierten. Alle drei lehrten Anfang der 1970er Jahre an der Chicago University, wobei es übertrieben wäre, von einer einheitlichen Schule zu sprechen, da die drei Forscher durch unterschiedliche Einflüsse geprägt wurden. Während Victor Turner ein Schüler von Max Gluckman (Manchester) war, kamen Clifford Geertz und David Schneider aus Talcott Parsons' ,Social Relations Department' an der Harvard University. Beide wurden durch Talcott Parsons' Rezeption von Max Weber, mit der auch eine ,Wiederentdeckung' Max Webers in den USA einherging, geprägt. Einen wichtigen Einfluss in diesem Kontext übt auch der phänomenologische Ansatz von Edmund Husserl aus, der den naturwissenschaftlichen Ansatz als untauglich zur Untersuchung von Kultur einschätzt (Petermann, 2004, S. 987f). Clifford Geertz und David Schneider wurden in Harvard von ihren Lehrern Clyde Kluckhohn und Talcott Parsons beeinflusst, wobei vor allem der Kulturbegriff wie ihn Talcott Parsons verstand, großen Einfluss auf die interpretative Anthropologie nahm (Gottowik, 1997, 211f).


Ludwig Wittgenstein

Clifford Geertz selbst wies dem Spätwerk von Ludwig Wittgenstein den größten individuellen Einfluss auf seine Karriere zu, insbesondere den Argumenten Ludwig Wittgensteins zur Unmöglichkeit einer privaten Sprache. Diese Ansicht übernahm Clifford Geertz in die kulturelle Anthropologie und argumentierte gleichzeitig, dass dies auf eine gemeinsame, öffentliche und symbolische Kultur hinweist (Windschuttle, 2002). „Kultur ist öffentlich, weil Bedeutung etwas Öffentliches ist". (Geertz, 1987, S.18)

Werke

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Monografien

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Die Zahlen in den eckigen Klammern geben die Übersetzungen an.

  • The Religion of Java, Glencoe, Illinois: The Free Press, 1960 [2]
  • (Editor), Old Societies and New States, New York: The Free Press, 1963
  • Agricultural Involution, the Processes of Ecological Change in Indonesia, Berkeley: University of California Press, 1963 [2, 3,18]
  • Peddlers and Princes, Chicago: University of Chicago Press, 1963 [2]
  • The Social History of an Indonesian Town, Cambridge (Mass.): M.I.T. Press, 1965 [2]
  • Person, Time and Conduct in Bali: An Essay in Cultural Analysis, Yale Southeast Asia Program Cultural Report Series, No. 14, 1966
  • Islam Observed: Religious Development in Morocco and Indonesia, New Haven: Yale University Press, 1968 [1, 3, 5, 6, 7, 9,12]
  • The Interpretation of Cultures: Selected Essays, New York: Basic Books, 1973, 2000 [2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 14, 15, 16, 17]
  • (Editor), Myth, Symbol and Culture, New York: Norton, 1974
  • (with Hildred Geertz), Kinship in Bali, Chicago: University of Chicago Press, 1975 [3]
  • (with Hildred Geertz and Lawrence Rosen), Meaning and Order in Moroccan Society, New York: Cambridge University Press, 1979 [1]
  • Negara: The Theatre State in Nineteenth Century Bali, Princeton: Princeton University Press, 1980 [2, 3, 5, 7, 11]
  • Local Knowledge: Further Essays in Interpretive Anthropology, New York: Basic Books, 1983, 2000 [1, 2, 3, 4, 5, 7, 11, 20]
  • Bali, interprétation d'une culture, Paris: Editions Gallimard, 1983 [17]
  • Works and Lives: The Anthropologist as Author, Stanford: Stanford University Press, 1988 [1, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 19]
  • After the Fact: Two Countries, Four Decades, One Anthropologist, Harvard University Press, 1995 [2,3, 4, 5, 6, 7, 9, 13]
  • Welt in Stücken: Kultur und Politik am Ende des 20. Jahrhunderts, Passagen Verlag, 1996 [4]
  • Available Light: Anthropological Reflections on Philosophical Topics, Princeton University Press, 2000 [4,5,7, 19, 21]
  • The Politics of Culture, Asian Identities in a Splintered World (Japanese), Misuzu Shobo, 2002


1. Französisch, 2. Indonesisch, 3. Japanisch, 4. Italienisch, 5. Spanisch, 6. Deutsch, 7. Portugiesisch, 8. Holländisch, 9. Hebräisch, 10. Ungarisch, 11. Chinesisch, 12. Arabisch, 13. Türkisch, 14. Koreanisch, 15. Serbo-Kroatisch, 16. Tschechisch, 17. Russisch, 18. Schwedisch, 19. Polnisch, 20. Estnisch, 21. Griechisch


Artikel

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1956

  • "Religious Belief and Economic Behavior in a Central Javanese Town: Some Preliminary Considerations," Economic Development and Cultural Change, 2:134-58
  • "Capital-Intensive Agriculture in Peasant Society: A Case Study," Social Research, Winter, 433-49


1957

  • "Ritual and Social Change: A Javanese Example," American Anthropologist, 59:32-54


1958

  • "Ethos, World View and the Analysis of Sacred Symbols," Antioch Review, Winter, 421-37


1959

  • "The Javanese Village," in Skinner, G. W. (ed.), Local Ethnic and National Loyalties in Village Indonesia: A Symposium, New Haven: Yale University Southeast Asia Program Cultural Report Series, pp. 34-41
  • "Form and Variation in Balinese Village Structure," American Anthropologist, 61:991-1012


1960

  • "The Javanese Kijaji: The Changing Role of a Cultural Broker," Comparative Studies in Society and History, 2:228-49


1962

  • "Studies in Peasant Life: Community and Society," in B. J. Siegel (ed.), Biennial Review of Anthropology, 1961, Stanford: Stanford University Press, pp. 1-41
  • "Social Change and Economic Modernization in Two Indonesian Towns: A Case in Point," in Hagen, E., On the Theory of Social Change, Homewood, Illinois: Dorsey, pp. 385-410
  • "The Rotating Credit Association: A 'Middle Rung' in Development," Economic Development and Cultural Change, X, 3:241-63
  • "The Growth of Culture and the Evolution of Mind," in J. Sher (ed.), Theories of the Mind, New York: Free Press, 1962, pp. 713-40


1963

  • "The Integrative Revolution: Primordial Sentiments and Civil Politics in the New States," in C. Geertz (ed.), Old Societies and New States, New York: Free Press, pp. 105-57
  • "The Socio-Cultural Context of Policy in Southeast Asia," in Henderson, W. (ed.), Southeast Asia, Problems of Policy, Cambridge, Mass.: M.I.T. Press, pp. 54-70


1964

  • "Ideology as a Cultural System," in Apter, D. (ed.), Ideology and Discontent, New York: Free Press, pp. 47-76
  • (with Hildred Geertz), "Teknonymy in Bali: Parenthood, Agegrading and Genealogical Amnesia," Journal of the Royal Anthropological Institute, 94 (part 2), 94-108
  • "Tihingan: A Balinese Village," Bijdragen tot de taal-, land-, en Volkenkunde, 120, 1-33, and Koentjaraningrat (ed.), Village Communities in Indonesia, Ithaca and Djakarta: Cornell University Press and University of Indonesia Press, 1966
  • "The Transition to Humanity," in S. Tax (ed.), Horizons of Anthropology, Chicago: Aldine, pp. 37-48
  • "'Internal Conversion' in Contemporary Bali," in Bastin, J., and R. Roolvink (eds.), Malay and Indonesian Studies, Oxford: Oxford University Press, pp. 282-302


1966

  • "Modernization in a Muslim Society: The Indonesian Case," in Bellah, R. N. (ed.), Religion and Progress in Modern Asia, New York: Free Press, pp. 93-108
  • "Religion as a Cultural System," in Banton, M. (ed.), Anthropological Approaches to the Study of Religion, London: Tavistock, pp. 1-46
  • "Are the Javanese Mad?," Encounter, August, pp. 86-88
  • "The Impact of the Concept of Culture on the Concept of Man," in J. Platt (ed.), New Views of the Nature of Man, Chicago: University of Chicago Press, pp. 93-118


1967

  • "Politics Past, Politics Present: Some Notes on the Contribution of Anthropology to the Study of the New States," Archives Européenes de Sociologie, 8:1-14
  • "The Cerebral Savage: The Structural Anthropology of Claude Lévi-Strauss," Encounter, April


1968

  • "Religion, Anthropological Aspects," International Encyclopedia of the Social Sciences, New York: Macmillan
  • "Village," International Encyclopedia of the Social Sciences, New York: Macmillan
  • "Thinking as a Moral Act: Ethical Dimensions of Anthropological Field Work in the New States," Antioch Review, 27:134-59


1969

  • "Myrdal's Mythology," Encounter, July, pp. 26-34


1971

  • "After the Revolution: The Fate of Nationalism in the New States," in Inkeles, A., and B. Barber (eds.), Stability and Social Change, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, pp. 357- 76
  • "Afterword: The Politics of Meaning," in Holt, C. (ed.), Culture and Politics in Indonesia, Ithaca: Cornell University Press, pp. 319-36
  • "Deep Play: Notes on the Balinese Cockfight," Daedalus, Winter, pp. 1-38
  • "Comment," in Antoun, R. and I. Harik (eds.), Rural Politics and Social Change in the Middle East, Bloomington, Indiana: University of Indiana Press, pp. 460-66
  • "The Wet and the Dry: Traditional Irrigation in Bali and Morocco," Human Ecology, 1:34-39
  • "Introduction" in Harrison, J. (ed.), South and Southeast Asia, Tucson, Arizona: University of Arizona Press, pp. v-viii
  • "Religious Change and Social Order in Suharto's Indonesia," Asia, 27:62-84


1973

  • "Comments on Benjamin White's 'Demand for Labor and Population Growth in Colonial Java,'" Human Ecology, 1:237


1974

  • "Social Science Policy in a New State: A Programme for the Stimulation of the Social Sciences in Indonesia," Minerva, XII:365-81


1975

  • "Common Sense as a Cultural System," Antioch Review, 33:47-53
  • "On the Nature of Anthropological Understanding," American Scientist, 63:47-53. Also in Basso, K. and H. Selby (eds.), Approaches to Symbolic Anthropology, Albuquerque, New Mexico: University of New Mexico Press, 1976, pp. 221-37


1976

  • "Art as a Cultural System," MLN, 91:1473-99


1977

  • "Centers, Kings and Charisma: Reflections on the Symbolics of Power," in Ben-David, J. and T. N. Clark (eds.), Culture and Its Creators, Chicago: University of Chicago Press, pp. 150-71
  • "Foreword," in Witherspoon, G., Language and Art in the Navajo Universe, Ann Arbor: University of Michigan Press, pp. vii-x
  • "Found in Translation: On the Social History of the Moral Imagination," Georgia Review, XXXI, 787-810
  • "The Judging of Nations: Some Comments on the Assessment of Regimes in the New States," Arch. europ. sociol., XVIII, 245-61


1978

  • "The Bazaar Economy: Information and Search in Peasant Marketing," American Economic Review, 68(2):28-32


1979

  • "Suq: The Bazaar Economy in Sefrou," in Geertz, C., H. Geertz, and L. Rosen, Meaning and Order in Moroccan Society, New York: Cambridge University Press


1980

  • "Blurred Genres: The Refiguration of Social Thought," The American Scholar, 49(2):165-79
  • "Ports of Trade in Nineteenth Century Bali," in Dalton, G. (ed.), Research in Economic Anthropology, vol. 3, Greenwich, Conn.: JAI Press, pp. 109-22


1982

  • "The Way We Think Now: Toward an Ethnography of Modern Thought," Bulletin, The American Academy of Arts and Sciences, 35(5):14-34
  • "Foreword," in Pelzer, K., Planters Against Peasants, Leiden: KITLV, pp. vii-xi


1983

  • "Slide Show: Evans-Pritchard's African Transparencies," Raritan, Fall, pp. 62-80
  • "Foreword," to J. Stephen Lansing, The Three Worlds of Bali, New York: Praeger, pp. vii-x
  • "Foreword," in L. Gesick (ed.), Centers, Symbols, and Hierarchies: Essays on the Classical States of Southeast Asia, New Haven: Yale University Southeast Asia Studies, Monograph Series No. 26, pp. viii-x
  • “Notions of Primitive Thought,” in Jonathan Miller, States of Mind, Pantheon, pp. 192-210


1984

  • "Anti Anti-Relativism," American Anthropologist, 86(2):263-78
  • "Culture and Social Change: The Indonesian Case," Man 19:511-32
  • "Introduction," to Eickelman, D. F., Knowledge and Power: Religious Intellectuals in Rural Morocco, Princeton University Press, pp. xi-xiv


1985

  • "Waddling In," Times Literary Supplement, June 7, 1985, pp. 623-4


1986

  • "Epilogue: Making Experiences, Authoring Selves," in Turner, V. W. and E. Bruner (eds.), The Anthropology of Experience, Urbana, Illinois: University of Illinois Press, pp. 373-80
  • "The Uses of Diversity," Michigan Quarterly Review XXV(1):105-23. Also in Tanner Lectures on Human Values, Volume VII, Salt Lake City: University of Utah Press, pp. 253-75


1988

  • “Recollections of an Itinerant Career," (Jamie Mackie, interviewer), Bulletin of Indonesian Economic Studies, 24:1-18


1989

  • "Margaret Mead," in Biographical Memoirs, Volume 58, Washington, D.C.: National Academy Press, pp. 328-54
  • "Toutes Directions: Reading the Signs in an Urban Sprawl," International Journal of Middle Eastern Studies, 21:291-306


1990

  • "History and Anthropology," New Literary History, 21:321-335
  • "'Popular Art' and the Javanese Tradition," Indonesia, October 1990. Also in A. Gerstle and A. Milner, eds., Recovering the Orient: Artists, Scholars, Appropriations, London: Harwood Academic Publishers, 1994, pp. 245-267


1991

  • "The Social Scientist as Author: Clifford Geertz on Ethnography and Social Construction," (Gary Olson, interviewer), Journal of Advanced Composition 11:245-68
  • "An Interview with Clifford Geertz," (Richard Handler, interviewer), Current Anthropology 32: 603-13
  • "Lévi-Strauss Self-Inscribed," Common Knowledge, 1:129-34


1992

  • "Achter de Feiten: Twee Landen, Vier Decennia, Één Antropoloog" in C. Bouw and B. Kruithof, eds., De Kern van het Verschil: Culturen en Identiteiten, Amsterdam: Amsterdam University Press, pp. 41-58
  • "Introduction," to "Symposium: Exit from the Balkans--the Commensuration of Alien Languages," pp.10-12, and "'Ethnic Conflict': Three Alternative Terms," Common Knowledge, 2(3):54-65


1993

  • Préface” in H. Elboudrari, ed., Modes de transmission de la culture religieuse en Islam, Le Caire: Institut français d’archéologie orientale
  • "'Local Knowledge' and Its Limits: Some Obiter Dicta," The Yale Journal of Criticism, 5:129-35


1994

  • "Preface," to K. Newland and K. Soedjatmoko, Transforming Humanity: The Visionary Writings of Soedjatmoko, West Hartford, Conn.: Kumarian Press, pp. vii-x
  • "Foreword" to Gary A. Olson, ed., Philosophy, Rhetoric, Literary Criticism: (Inter)views, Carbondale, Ill.,: Southern Illinois University Press, pp. xi-xii


1995

  • "The Strange Estrangement: Taylor and the Natural Sciences," in James Tully, ed., Philosophy in an Age of Pluralism, Cambridge, Eng.: Cambridge University Press, pp. 83-95
  • "Disciplines," Raritan, Winter, pp. 65-102
  • “Reason, Religion, and Professor Gellner,” in H. R. Hoetink, ed., The Limits of Pluralism: Neo-Absolutism and Relativism, 14 Praemium Erasmanium Foundation, Amsterdam, pp. 167-172


1996

  • “Off Echoes: Some Comments on Anthropology and Law,” PoLAR 19(2):33-37
  • "Afterword," in K. Basso and S. Feld, eds., Senses of Place, Santa Fe: SAR Press


1997

  • “The Legacy of Thomas Kuhn: The Right Text at the Right Time,” Common Knowledge 6(1):1-5
  • “What Is a Country If It Is Not a Nation?,” The Brown Journal of World Affairs 4(2):235-247
  • “Cultural Tourism: Tradition, Identity and Heritage Construction,” in Wiendu Nuryanti, ed., Tourism and Heritage Management, Yogyakarta: Gadjah Mada University Press, pp. 14-24


1998

  • “The World in Pieces,” FOCAAL, no. 32, pp. 91-117


1999

  • “‘The Pinch of Destiny:’ Religion as Experience, Meaning, Identity, Power,” Raritan, Winter, pp. 1-19
  • “When the Poet Speaks Arabic,” To Be:2B, No. 14, pp. 106-7
  • “Awas Buaya,” in F. X. Baskara J. Wardaya, ed., Mencari Demokrasi, Jakarta: Institut Studi Arus Informasi, pp. 51-94
  • “A Life of Learning,” ACLS Publications
  • “The Introduction into Anthropology of a Genuinely Historical Eye,” Roundtable on George Stocking, Journal of Victorian Culture, pp. 305-310
  • “Afterword,” in R. Demallie, ed., Interpreting Cultures, University of Indiana, Bloomington


2000

  • “Geiger at Antioch,” Antioch Review, Winter
  • “Bruner’s Imbalancing Act,” in D. Bakhurst and S. Shanker, eds., Language, Culture, Self: The Philosophical Psychology of Jerome Bruner, Sage Publications, pp. 15


2001

  • “School Building: A Retrospective Preface,” in J. Scott and D. Keates, eds., Schools of Thought: Twenty-five Years of Interpretive Social Science, Princeton University Press, pp.1-11


2002

  • “The Near East in the Far East,” in F. Pouillon, Essays for Lucette Valensi. (Institute for Advanced Study, School of Social Science, Occasional Papers No. 12, 2001.)
  • “An Inconstant Profession, The Anthropological Life in Interesting Times,” Annual Review of Anthropology, 31:1-19
  • “Interview with Clifford Geertz” (N. Panourgia), Anthropological Theory 2(4):421-31
  • “I Don’t Do Systems. An Interview with Clifford Geertz” (A. Michaelsen), Journal of the North American Association for the Study of Religion, pp. 2-20


2003

  • “A Strange Romance, Anthropology and Literature, Profession 2003, pp. 28-36


2004

  • “Esistere è avere fiducia nel proprio modo d’essere. Rituali come sistimi modello,” in L. Cimmino and A. Satambrogio (eds.), Antropologia e interpretazione. Il contributo di Clifford Geertz alle scienze sociali. Perugia: Morlacchi Editore, pp. 211-30
  • “What Is a State If It Is Not a Sovereign? Reflections on Politics in Complicated Places,” Current Anthropology, 45(5): 577-93
  • “Islam, Modernity, Nationalism: An Interview with Clifford Geertz,” (Serge Glebov), Ab Imperio 3/2004:91-111


2005

  • “Shifting Aims, Moving Targets: On the Anthropology of Religion,” Journal of the Royal Anthropological Institute
  • “What Was the Third World Revolution?” Dissent
  • “Commentary,” in R. Shweder and B. Good (eds.), Geertz and His Colleagues: A Colloquium, University of Chicago Press


Essay Reviews

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New York Review of Books

  • "Under the Mosquito Net," September 14, 1967
  • "Gandhi: Non-Violence as Therapy" 1969
  • "In Search of North Africa," April 22, 1971
  • "Mysteries of Islam," December 11, 1975
  • "Stir Crazy," January 26, 1978
  • "Sociosexology," January 24, 1980
  • "Conjuring with Islam," May 27, 1982
  • "The Ultimate Ghetto," February 28, 1985
  • "A South Sea Renaissance," February 16, 1989
  • "A Lab of One's Own," November 8, 1990
  • "Genet's Last Stand," November 19, 1992
  • "Life on the Edge," April 7, 1994
  • “Culture War,” November 30, 1995
  • “Learning with Bruner,” April 10, 1997
  • “Deep Hanging Out,” October 22, 1998
  • “Indonesia: Starting Over,” May 11, 2000
  • “Life Among the Anthros,” February 8, 2001
  • “The Visit,” October 18, 2001
  • “The Last Humanist,” September 26, 2002
  • “Which Way to Mecca?” June 12, July 3, 2003
  • “Morality Tale,” October 7, 2004
  • “Very Bad News,” March 24, 2005


The New Republic

  • "The Forbidden Experiment: The Story of the Wild Boy of Aveyron by Roger Shattuck," April 12, 1980
  • "Socialism in Siberia," August 6, 1984
  • "The Anthropologist at Large," May 25, 1987
  • "The Year of Living Culturally," October 21, 1991
  • “A Passage to India,” August 23, 1993
  • “Footsteps and House of Glass by Pramoedya Ananta Toer,” April 22, 1996
  • “Off the Menu,” February 17, 2003


Das Werk in Themen und Thesen

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Clifford Geertz hat mit seinen ethnologischen Forschungen und seinen kulturtheoretischen Schriften neue und bleibende Maßstäbe in der Kulturanthropologie gesetzt, die weit über die Grenzen dieses Fachgebiets hinaus Beachtung gefunden haben. Er vertrat eine kulturrelativistische Position und lehnte einen von westlichen Normvorstellungen dominierten, universalistischen Kulturbegriff ab.

Clifford Geertz ist bekannt für seine ausgedehnten Forschungsarbeiten in Südostasien und Nordafrika. Er beschäftigte sich in seiner Forschung mit Religion (speziell mit dem Islam) mit Handel im Bazar, ökonomischem Fortschritt, traditionellen politischen Strukturen, dörflichem und familiärem Leben. Die bekannteste und einflussreichste Arbeit von Clifford Geertz ist sein Aufsatz zur „dichten Beschreibung“. Auch sein Aufsatz „Deep Play: Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf“ erfährt bis heute Aufmerksamkeit und wird als prototypisch für die ,dichte Beschreibung’ gesehen.


Zentrale Prämisse des Werks

Menschen seien darauf angewiesen, bestimmte Zeichen und Symbole zu verwenden, um sich in ihrer (sozialen) Welt orientieren zu können sowie zur Verständigung untereinander. Diese Symbole veränderten sich im Laufe der Zeit und über verschiedene Kulturen. Bei ihrer Verwendung in der sozialen Interaktion werde gleichzeitig durch alle Beteiligten Wirklichkeit interpretiert. Die vorgefundnen Zeichen- und Symbolsysteme würden gelernt, verwendet sowie angepasstie an sich ändernde Bedingungen. (Gottowik, 1997, S. 217).


Dichte Beschreibung

Clifford Geertz weist auf den Wandel des Kulturbegriffes hin, "um den herum sich die gesamte Ethnologie als Fach bildete und dessen beherrschende Stellung dieses Fach in der Folge zu begrenzen, zu spezifizieren, zu fassen und den Griff zu bekommen suchte" (Geertz, 1987, S. 8). Seinen eigenen Kulturbegriff sieht Geertz in einem Verständnis Max Webers, "dass der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich [Geertz, Anmerkung] Kultur als dieses Gewebe ansehe" (Geertz, 1987, S. 9). Die Untersuchung von Kultur sieht Geertz daher nicht als eine experimentelle Wissenschaft, in der nach Gesetzen gesucht werden solle, sondern vielmehr als eine interpretierende Wissenschaft, in der nach Bedeutungen zu suchen sei. Ihm geht es "um Erläuterungen, um das Deuten gesellschaftlicher Ausdrucksformen, die zunächst rätselhaft erscheinen" (Geertz, 1987, S. 9).

Kultur ist, so Geertz (1987, S. 18), "[…] öffentlich, weil Bedeutung etwas Öffentliches ist". Die öffentliche Bedeutung einer Handlung ergibt sich erst daraus, dass auch die anderen Menschen (zumindest dieser Kultur) dieser Handlung dieselbe Bedeutung zuweisen. Man kann eine Handlung in ihrer Bedeutung erst dann ausführen, wenn man weiß, was man unter dieser Handlung zu verstehen hat; so ist beispielsweise ein Zwinkern erst dann ein Zwinkern, wenn man weiß, was darunter zu verstehen ist und es darf nicht mit der normalen Bewegung des Augenlids verwechselt werden.

Hinter den beobachtbaren menschlichen Handlungen stehen kulturelle Bedeutungen. Durch ihre ,dichte Beschreibung', ein Begriff den Geertz von Gilbert Ryle (Geertz, 1987, S. 10) übernimmt, eröffnen diese Handlungen eine Möglichkeit des Verstehens und Interpretierens von Kultur. Hierzu ist es laut Geertz unerheblich, ob die betrachtete Kultur die eigene oder eine fremde ist. Im Gegensatz zu ,dünner Beschreibung', die sich auf das Sammeln und Aufzeichnen von Daten beschränkt, befasst sich die "dichte Beschreibung" damit, die komplexen, "oft übereinander gelagerten und ineinander verwobenen Vorstellungsstrukturen" (Geertz, 1987, S. 15-22) herauszuarbeiten und so einen Zugang zu den Gedanken der untersuchten Menschen zu finden, um mit ihnen ein, im weiten Sinn des Wortes, Gespräch führen können (Geertz, 1987, S. 35). In diesem Verständnis ist "Ethnologie die Erweiterung des menschlichen Diskursuniversums" (Geertz, 1987, S. 20). Die ‘dichte Beschreibung’ macht für Geertz die Ethnografie aus – die er als den angewandten Aspekt der Ethnologie sieht.

"Als ineinander greifende Systeme auslegbarer Zeichen […] ist Kultur ein Kontext in dem die Symbole dicht beschreibbar sind. Im Rahmen ethnologischer Interpretation ist es wichtig, Beschreibungen einer Kultur mit jenen Deutungen vorzunehmen sind, die die Menschen dieser Kultur als Erklärung ihres Lebens heranziehen. Bei der Exploration einer Kultur wird der Untersuchungsgegenstand selbst durch die Analyse geprägt, die Trennung zwischen […] Kultur als natürlichem Faktum und […] als theoretischer Einheit [wird] tendenziell aufgehoben" ([1]

Die ethnografische Beschreibung ist eine deutende, wobei die Deutung den Ablauf des sozialen Diskurses umfasst und dabei den Inhalt festhält. Sie gilt als Ausgangspunkt für die Annäherung an umfassendere Interpretationen.

"Die eigentliche Aufgabe der deutenden Ethnologie ist es nicht, unsere tiefsten Fragen zu beantworten, sondern uns mit anderen Antworten vertraut zu machen, die andere Menschen […] gefunden haben, und diese Antworten in das jedermann zugängliche Archiv menschlicher Äußerungen aufzunehmen" [2].


Deep Play: Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf

Dieser Aufsatz der auch in ‘Geertz, Clifford (1987): Dichte Beschreibung’ erschienen ist (Erstveröffentlichung 1971), wurde heftig diskutiert (Petermann, 2004, S. 1000). „Deep Play“ gilt gewissermaßen als Idealtypus für die ,dichte Beschreibung’ (Kumoll, 2006, S. 85). Clifford Geertz unternimmt darin den Versuch, die konkrete Handlung des Hahnenkampfes im Sinne eines Handlungsmodell als einen ,kulturellen Text’ zu interpretieren – ihn somit gleichsam zu ,lesen’ – und damit diesen speziellen Anlass von soziokultureller Bedeutungsgebung als einen Kommentar der Balinesier zu sich, ihrer Kultur und ihrer Geschichte. Diese Auslegungen wurden jedoch auch heftig kritisiert (Petermann, 2004, S. 1000). Der Hahnenkampf, wie er in der besagten Arbeit beschrieben wird, kann darüber hinaus nicht nur als ein Ausdruck grundlegender Züge der Kultur der Balinesier gesehen werden, sondern zudem auch als ein Akt der Stabilisierung der Gesellschaft durch eine Umleitung latenter sozialer Konflikte in eine rituelle Form, was in der Weise von Geertz aber nicht ausgeführt wurde (Kumoll, 2006, S. 85).

Rezeption und Wirkung

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"Cliff was the founder of the School of Social Science and its continuing inspiration," sagt Joan Wallach Scott, Harold F. Linder Professorin der School of Social Science in Princeton. "His influence on generations of scholars was powerful and lasting. He changed the direction of thinking in many fields by pointing to the importance and complexity of culture and the need for its interpretation. We will miss his critical intelligence, his great sense of irony, and his friendship."[3]

Der Ansatz von Clifford Geertz stellte in den 1970er Jahren eine Abkehr von der Form der Ethnologie dieser Zeit dar, weil damit das Vorherrschen der großen Theorien und Erzählungen (grandes histoires) ein Ende nahmen, so dass Clifford Geertz in diesem Sinne als Wegbereiter bezeichnet werden kann (Petermann, 2004, S. 1002). Da die großen theoretischen Entwürfe und Erklärungen an Geltung verloren haben, wurde im Anschluss daran in den 1980er Jahren in den Kulturwissenschaften eine Grundsatzdebatte über den Geltungsrahmen wissenschaftlich begründeter Aussagen geführt: Diese Diskussion leitete einen Perspektivenwechsel ein, der unter ,literary turn’ bekannt wurde (Gottowik, 1997, S. 205), dies jedoch als Paradigmenwechsel zu bezeichnen, erschiene als zu starkes Urteil(Petermann, 2004, S. 1002f).

Der von Clifford Geertz begründete Ansatz der interpretativen Ethnologie ist einer der einflussreichsten in der Ethnologie und eng verbunden mit dem ‚cultural turn‘ in den Sozial- und Kulturwissenschaften. Über die Ethnologie hinaus hat Clifford Geertz auch zu interpretativen Analysen in der Islamwissenschaft, Religionsforschung, und der Literaturwissenschaft beigetragen. Geertz Ansatz dient zudem als Grundlage für die ,new cultural history’ und die ,Kulturalisierung’ der Soziologie. In der Ethnologie spielt er heute jedoch keine herausragende Rolle mehr (Kumoll, 2006, S. 86).

Seit 1970 war Clifford Geertz am Institute for Advanced Study an der Princeton University tätig, wo er auch als einer von vier Direktoren für den Bereich ,Social Science’ verantwortlich war. in dieser Position holte er Bob Bellah, Albert Hirschmann, Michael Walzer und Joan Scott ans Institut, um mit den drei Letzteren eine Schule der ,interpretative social science’ zu begründen (Gottowik, 1997, S. 214). Damit etabliert Clifford Geertz eine bedeutende Einrichtung der Kulturwissenschaft, an der er bis zu seinem Tod gearbeitet hat (Kumoll, 2006, S. 83).

Literatur

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  • Fröhlich, Gerhard; Mörth, Ingo [Hrsg.] (1998):
    "Symbolische Anthropologie der Moderne: Kulturanalysen nach Clifford Geertz"
    Frankfurt am Main
  • Geertz, Clifford (1987):
    "Dichte Beschreibung. Bemerkung zu einer deutenden Theorie von Kultur. In: Geertz, Clifford (1987): Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme"
    Frankfurt, S. 7 – 43
  • Geertz, Clifford (1987):
    "Deep play: Beiträge zum balinesischen Hahnenkampf. In: Geertz, Clifford (1987): Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme"
    Frankfurt, S. 202 – 260
  • Geertz, Clifford (1997):
    "Spurenlesen. Der Ethnologe und das Entgleiten der Fakten"
    München
  • Gottowik, Volker (1997):
    "Konstruktionen des Anderen. Clifford Geertz und die Krise der ethnografischen Repräsentation"
    Berlin
  • Kumoll, Karsten (2006):
    "Clifford Geertz. Die Ambivalenz kultureller Formen In: Moebius, Stefan; Quadflieg [Hrsg.]: Kultur. Theorien der Gegenwart"
    Wiesbaden, S. 81 - 90
  • Mörth, Ingo/ Fröhlich, Gerhard (1998):
    "Auf der Spurensuche nach der „informellen Logik tatsächlichen Lebens“ In: Fröhlich, Gerhard/ Mörth, Ingo [Hrsg.]: Symbolische Anthropologie der Moderne: Kulturanalysen nach Clifford Geertz"
    Frankfurt am Main, S. 7 – 50
  • Petermann, Werner (2004):
    "Die Geschichter der Ethnologie"
    Wuppertal


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Geertz, Clifford, 1987, S.22
  2. Geertz, Clifford, 1987, S. 30-43
  3. http://www.ias.edu/newsroom/announcements/view/geertz-1926-2006.html

Gehlen, Arnold

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Biographie in Daten

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Arnold Gehlen


  • Eltern
    • Vater: Max Gehlen, Dr., Verleger
    • Mutter: Margarete Gehlen, geborene Ege
  • Ehe: 1937 Veronika Freiin von Wolff
  • Kinder: Caroline Gehlen


Biographie

  • 29.1.1904: Wurde in Leipzig geboren und besuchte dort das Thomas-Gymnasium. 1923 Abitur
  • 1923: War ein halbes Jahr als Buchhändler tätig.
  • 1924: Übte er den Berruf als Bankangestellter aus.
  • 1924-1927: Machte er das Studium der Philosophie, Germanistik, Psychologie und Kunstgeschichte an der Universität Leipzig und der Universität Köln.
  • 1927: Wurde er Dr. phil. an der Universität Leipzig;
  • 1930: Er habilitierte für Philosophie an der Universität Leipzig;
  • 1930-1934: Wurde er Privatdozent der Philosophie in Leipzig.
  • 1933: Eintritt in die NSDAP und wurde Mitglied des NS-Dozentenbunds.
  • 1933: Er übernahm die Lehrkanzel für Philosophie an der Universität Frankfurt am Main von Paul Tillich, aber nur vertretungsweise.
  • 1933-1934: Wurde er Assistent von Hans Freyer (1887-1969) am Institut für Kultur- und Universalgeschichte der Universität Leipzig.
  • 1934-1937: Er wurde Ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Leipzig.
  • 1938-1939: Wurde er auch Ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Königsberg.
  • 1940-1945: Er wurde dann Ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Wien und 1940-1941 Institutsvorstand in Vertretung von Gunther Ipsen (1899-1984). Von Oktober 1941 bis Mai 1942 unterbrach er seinen Beruf, da er zur Personalprüfstelle der Heerespsychologie nach Prag versetzt wurde. 1942 bis 1945 Leiter des Instituts für Philosophie. Gegen Kriegsende wurde er diesmal als Leutnant wieder einberufen, war aber schwer verletzt.
  • 1945: Nach dem Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz wurde er als nicht-österreichischer Staatsbürger aus dem österreichischen Staatsdienst entlassen.
  • 1947: Gab es ein Untersuchungsverfahren gegen Arnold Gehlen im Zuge der Entnazifizierung.
  • 1947-1961: Wurde er Ordentlicher Professor der Soziologie und Psychologie an der neu gegründeten Akademie für Verwaltungswissenschaft in Speyer.
  • 1962-1969: Wurde er Ordentlicher Professor der Soziologie an der Technischen Hochschule Aachen.
  • 30.1.1976: Gestorben in Hamburg.

Historischer Kontext

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Gehlen lebte zur Zeit des zweiten Weltkriegs und wurde als Mitglied der NSDAP von diesem stark beeinflusst. Seine wichtigsten Werke verfasste er in der Nachkriegszeit.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Schelsky arbeitete ab 1945 kurze Zeit mit Gehlen zusammen. Die beiden exzerpierten viele kulturanthropologische Texte amerikanischer Militärliteratur. Interessant ist, dass nach der Exzerption beide ihre eigenen Ideen entwickelten, und Schelsky das Werk „Soziologie der Sexualität“ verfasste, während Gehlen „Urmensch und Spätkultur“ schrieb. Es ist auch noch wichtig, dass Schelsky Gehlen des Öfteren kritisierte, da er der Meinung war, dass die Institutionstheorie Gehlens zu starr sei. Dennoch knüpfte er an seine Werke an und hat ihm viel zu verdanken.

Die Ideen von Freyer über das Verhältnis von Mensch und Technik hat Gehlen übernommen, hat sie jedoch noch erweitert. Gehlen analysiert noch zusätzlich die Folgephänomene vom Verhältnis zwischen Mensch und Technik.

Gehlen beschäftigte sich mit den Ideen von Fichte und Hegel, welche als philosophische Idealisten angesehen werden. Erst ab 1936 widmete er sich der philosophischen Anthropologie. Zu dieser Zeit vertrat er aber ebenso bereits die Grundmotive seines Lebenswerkes.


Werke

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  • Die Seele im Technischen Zeitalter (Reinbek, 1957)
  • Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebinsse und Aussagen (Wiesbaden, 1956)
  • Zeit-Bilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei (Frankfurt a.M., 1960)
  • Studien zur Anthropologie und Soziologie (Neuwied/Berlin, 1963)
  • Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik (Wiesbaden, 1969)
  • Soziologie. Ein Lehr- und Handbuch zur modernen Gesellschaftskunde (Düsseldorf/Köln, 1955)


Das Werk in Themen und Thesen

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Gehlen geht davon aus, dass Institutionen als Entlastungssysteme anzusehen sind. Er ist der Meinung, der Mensch brauche einen Instinktersatz, da ihm die Instinktsicherheit des Tieres fehlt. Durch die trotzdem vorhandene Abhängigkeit von der Umwelt ist er auf Entlastung durch Institutionen angewiesen und ständig damit beschäftigt, Natur in Kultur umzuwandeln. Dies ist für Gehlen die Definition des „Mängelwesens“.

Institutionen entstehen durch gleiche Handlungsmuster, welche mehrere Akteure ausführen. Er geht dabei davon aus, dass diese Handlungsmuster durch Glaubensinhalte entstehen, und nennt sie „imitatorische Riten“. Erwähnenswert ist auch, dass Gehlen die Sekundäreffekte von Handlungen und damit Institutionalisierung beobachtet. Er sieht Institutionen nicht als funktionalistisch an, sondern Institutionen entstehen im Prinzip aus den Sekundäreffekten. Unter Sekundäreffekten versteht man folgendes: Ein Individuum setzt sich ein Ziel und wählt die Mittel aus, mit denen es das Ziel erreicht. Mit der Zielerreichung werden jedoch auch andere „Nebeneffekte“ hervorgerufen, welche als Sekundäreffekte zu bezeichnen sind.


Rezeption und Wirkung

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Dieter Claessens, Jürgen Habermas und Niklas Luhmann griffen die Ideen von Gehlen auf und verwendeten diese für ihre eigenen Theorien. Auch eine Reihe von Soziologen der jüngeren Generation wurden von ihm beeinflusst.


Literatur

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  • Rehberg, Karl-Siegbert, Arnold, Gehlen, in: Kaesler, Dirk (Hrsg.), 1999: Klassiker der Soziologie Band 2: von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu.(Beck Verlag, München)

Geiger, Theodor

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Biographie in Daten

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Geiger Theodor Julius

  • geboren am am 9. November 1891 in München
  • gestorben am 16. Juni 1952 auf der Fahrt von Kanada nach Dänemark


  • Eltern:

Vater: Karl Geiger (?- 1942) Gymnasiallehrer und Gymnasialdirektor

Mutter: Philippine Géiger, geborene Unrein (?- 1908) Hausfrau


  • Kinder: drei
  • Ehe: mit Eline Marie Nicolaysen (1938)


Ausbildung

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1901-1910: Humanistisches Gymnasium in Landshut

1910: Abitur

1910-1914: Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in München und Würzburg

1918: Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften (Dissertation: Die Schutzaufsicht)


Berufliche Daten: Anstellungen

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1919-1920: Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in München

1920: Posten bei der Zeitschrift "Fremde Presse" bei der er über skandinavische Länder berichtete, Geiger zeigte schon früh ein Interesse für skandinavische Sprachen

1920-1929: Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter und Dozent der Soziologie an der Volkshochschule in Groß Berlin, ab 1924 ist er dort Geschäftsführer

1924-1933: Mitglied der technischen Hochschule in Braunschweig, er wird Lehrbeauftragter und später außerordenrlicher und ordentlicher Professor der Soziologie

1933: Emigration und Kündigung am 1.10.1933

1934-1938: Stipendiat der Rockefeller Foundation in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte und Volksökonomie in Kopenhagen

1938-1940: Professor der Soziologie an der Universität in Aarhus, 1940 verlässt er Aarhus (2. Weltkrieg)

1943-1945: Geiger gibt Gastvorlesungen an der Universität in Stockholm (Geiger flieht ins neutrale Schweden)

1945-1952: Geiger kehrt zurück nach Aarhus und wird wieder ordentlicher Professor an der Universität

1945: Begründung und Leitung des ersten soziologischen Forschungsinstituts in Skandinavien durch Geiger

1949: Geiger ist Mitbegründer der "International Sociological Association"

1951 und 1952: Gastvorlesungen an der Universität in Toronto (Kanada); Geiger unternimmt außerdem eine ausgedehnte Vortragsreise duch die USA


Wichtige private Ereignisse

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1914-1918: Freiwilliger im ersten Weltkrieg, er wird im ersten Weltkrieg verwundet

1933-1943: Exil in Dänemark

1918 : Geiger wird Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, aus der er jedoch im Dezember 1932 wieder austritt. (Wegen ihrer Haltung zur „nationalen Konzentration“)

1943 : Geiger muss unter dem Druck der Polizeimaßnahmen ins neutrale Schweden fliehen. (in Dänemark gibt es zahlreiche Anhänger des Nationalsozialismus).

Historischer Kontext

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Theodor Geiger und seine Arbeit wurden sicherlich von den beiden Weltkriegen und seiner Emigration stark beinflusst. Bei seinen Arbeiten zur Massensoziologie analysierte Geiger auch das Phäomen des "Trenddenkens", besonders jenes der Jugendbewegungen zwischen den beiden Weltkriegen.

Der Nihilismus beeinflusste Geigers Konzept von den Normen. Seine Kritik am Nationalsozialismus hat sich in seinen Werken niedergeschlagen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Geigers Arbeit war beeinflusst von der sogenannten formalen Soziologie besonders von Simmel, Tönnies und Vierkandt. Auch der Kontakt mit der "School of legal and moral philosophy" in Uppsala beeinflusste sein späteres Interesse für das Gesetz.


Werke

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(Auswahl)

  • Die Masse und ihre Aktion. Ein Beitrag zur Soziologie der Revolution. Stuttgart 1926
  • Die Gestaltung der Gesellung. Karlsruhe 1928
  • Führen und Folgen. Berlin 1928
  • Die soziale Schichtung des deutschen Volkes. Soziographischer Versuch auf statistischer Grundlage. Stuttgart 1932
  • Erbpflege. Grundlagen, Planung, Grenzen. Stuttgart 1934
  • Aufgaben und Stellung der Intelligenz in der Gesellschaft. Stuttgart 1949
  • Ideologie und Wahrheit. Eine soziologische Kritik des Denkens. Stuttgart 1953
  • Die Gesellschaft zwischen Pathos un Nüchternheit. Aarhus/Kopenhagen 1960


Das Werk in Themen und Thesen

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Geiger war der Begründer der Schichtungstheorie

Schichtung- Klassengesellschaft- soziale Mobilität

Geiger kritisiert das Klassenmodell von Marx, es ist für ihn ein Tendenztypus, aber kein realitätsgetreues Abbild. Geiger sagt, dass es auch eine Mittelschicht geben müsste, für ihn ist das Einkommen ein wichtiges Mittel zur Schichtung, das es erst möglich macht, die Schicht zu wechseln.

Geiger geht davon aus, dass die Menschen auf Grund der Schicht, der sie angehören und ihren damit verbunden Lebensverhältnissen eine Mentalität entwickeln, die sich eben von Schicht zu Schicht unterscheidet. Schicht ist für Geiger die Verknüpfung von einer sozialen Lage mit einer Mentalität und diese Mentalität spiegelt sich in der Lebensführung (=Lebensduktus) wider. Aber nicht alle Menschen einer Schicht entwickeln dieselbe Mentalität. Interessant ist weiters, dass Geiger vorhergesagt hat, welche Schichten sich von Nationalsozialimus angezogen fühlen werden.


Rechtssoziologie

Geiger fordert dazu auf, Rechtsbeziehungen nüchtern zu betrachten. Er sieht die Rechtssoziologie als Erfahrungswissenschaft. Das Recht ist für ihn eine "Sonderart sozialer Beziehungen" und er ist der Meinung, dass das Recht zur Ordnung des sozialen Zusammenlebens gebraucht wird.


Methodologie

Geiger war als einer der ersten europ. Soziologen empirisch tätig und entwickelte eigene Methoden der Erhebung und Darstellung.

Rezeption und Wirkung

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Geigers Werke waren schnell vergriffen und er hatte auch außerhalb der Soziologie einen guten Ruf. Geiger wurde eher erst nach seinem Tod bekannt, was mitunter mit seiner Emigration nach Schweden im Zusammenhang steht. Zu Lebzeiten wurde ihm zu wenig Bedeutung zugemessen. Er hatte keine Schüler, die seine Arbeit weiter geführt hätten, und hat auch keine Schulen gegründet, die sein Werk nach seinem Tod weiterentwickelt hätten.


Seine Werke und Thesen sind bis heute aktuell. Sie sind auch heute noch für die Soziologie wichtig. Schichtung ist bis heute ein wichtiges Thema und wird es auch noch lange bleiben, auch wenn wir heute eher von Milieus und sozialer Lage sprechen und nicht mehr von einer Schicht, bleiben die Überlegungen, die dahinter stehen, trotzdem die Gleichen.


Literatur

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  • Kaesler, Dirk [Hrsg.] (2003):
    "Klassiker der Soziologie. Band 1 Von Auguste Comte bis Norbert Elias, 4. Auflage"
    München


  • Geiger, Theodor(1969):
    "On social order and mass society : selected papers / ed. and with an introd. by Renate Mayntz"
    Chicago

Gerhardt, Uta

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Biographie in Daten

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Gerhardt Uta

geboren am 11. Juni 1938 in Zella - Mehlis (Thüringen)


Ausbildung:

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  • Studium der Soziologie, Philosophie und Geschichte in Frankfurt am Main und Berlin

1969: Promotion zur Dr. rer. soc. in Konstanz


Berufliche Daten:

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  • 1969-l973: Akademischer Rat am Fachbereich Soziologie der Universität Konstanz.
  • 1970-1971: Sprecherin des Fachbereichs.
  • 1970-1973: Assistentenvertretung in der Sozialwissenschaftlichen Fakultät.
  • 1971: Forschungsreise nach Oxford und London im Rahmen des Young Researchers‘ Exchange Program des British Council, London, und DAAD, Bonn.
  • 1971-1972: Vorsitzende des Ausschusses zur Einrichtung des Studienganges Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz.
  • 1971-1973: Zweijähriges Forschungsprojekt zum Thema „Rollenkonflikt in einer

bürokratischen Organisation“.

  • 1972: Wahl in das Konzil der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Wiederwahl 1976).
  • 1973: Lehrstuhlvertretung für Friedrich Tenbruck an der Universität Tübingen im Sommersemester 1973.
  • 1973: Ruf auf eine C-3-Professur für Soziologie an der Universität Aachen (abgelehnt im Winter 1973/1974 wegen des Angebots der University of London)
  • 1973-1974: Postdoktorandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft für einen Aufenthalt an der University of California zur Ausbildung in Methoden der qualitativen Forschung. Drei Perioden des Forschungsaufenhaltes: University of California San Diego (Zusammenarbeit mit Aaron Cicourel) Oktober-Dezember l993, Los Angeles
  • l993-l974: Kolloquium mit Harold Garfinkel (San Francisco Medical School) in Zusammenarbeit mit Anselm Strauss und Reinhard Bendix (UC)
  • Berkeley. Research Officer, Department of Social and Behavioral Sciences, San Francisco Medical School. Forschungsprojekt: „Economic Aspects of Illness“, qualitative Interviews in englischer Sprache.
  • 1974-1979: Lecturer, Social Research Unit, Bedford College, University of London, Dozentin im M.Sc. Graduate Studies Program
  • 1977-1980: Forschungstätigkeit am Social Science Research Council, Thema: „Patient Careers in End-Stage Renal Failure“.
  • 1978-1979: Vorsitzende des Examining Board der London University für das Fach Sociological Theory im Board of Studies in Sociology and Social Administration.
  • 1978: Wahl in das Executive Board der Medical Sociology Group der British Sociological Association (ausgeschieden 1979 wegen Rückkehr nach Deutschland).
  • 1979-1993: Ordentliche Professorin für Medizinische Soziologie am Fachbereich Humanmedizin der Justus-Liebig-Universität Giessen. Leitung der Abteilung Medizinische Soziologie (Ernennung zur Abteilungsleiterin auf Lebenszeit durch den Hessischen Minister für Wissenschaft und Bildung 1991).
  • 1980-1984: Wahl und Wiederwahl in den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
  • 1980-1983: Wahl und zweimalige Wiederwahl als Erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie.
  • 1981-1982: Forschungsprojekt, finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Thema: „Biographische Typenkonstruktion bei Patientenkarrieren der chronischen Niereninsuffizienz. Das Projekt diente der Entwicklung der Datenauswertung durch Idealtypenanalyse.
  • 1983-1990: National Coordinator der European Society for Medical Sociology für

die Bundesrepublik Deutschland.

  • 1984-1992: Wahl und Wiederwahl als Fachgutachterin der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Fachausschuß „Empirische Sozialforschung“.
  • 1986-1996: Mitglied des Gutachtergremiums des DFG-Sonderforschungsbereichs 186.
  • 1984-1985: Mitglied der Kommission „In-vitro-Fertilisation und extra-korporaler Gametentransfer“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, Köln.
  • 1984-1992: Wahl und zweimalige Wiederwahl in das Konzil der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
  • 1986: Gastprofessur am Department of Sociology der University of Wisconsin, Madison (Lehrveranstaltungen über Familiensoziologie und Soziologische Theorie).
  • 1986, 1987, 1988, 1991-1992, 1993: 3- bis 6-monatige Forschungs- und Studienaufenthalte als Research Affiliate des Minda de Gunzburg Center for European Studies der Harvard University, Cambridge, MA (USA).
  • 1987-1990: Forschungsprojekt, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Thema: „Aortokoronarer Venenbypass und Rückkehr zur Arbeit.
  • 1989-1990: Auswärtige Gutachterin der Evaluation zweier Forschungsinstitute, Centre National de Recherches Scientifiques (CNRS), Paris.
  • 1990: Sechsmonatiges extracurriculares Forschungsfreijahr der Deutschen Forschungsgemeinschaft
  • 1990-2005: Vorstandsmitglied (durch Wahl) der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute (ASI), Bonn.
  • 1990-1991: Vorsitzende der Sachverständigenkommission „Querschnittsfragen der Alternsforschung“ des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, Bonn.
  • 1991-1995: Mitglied des Comité Scientifique Sectoriel No. 5 des Centre National de Recherches Scientifiques (CNRS), Paris.
  • 1991-1993: Mitglied der Ethikkommission des Klinikums des Fachbereichs Humanmedizin der Justus-Liebig-Universität Giessen.
  • 1991-1993: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Phase 2 des Projektes „Aortokoronarer Venenbypass und Rückkehr zur Arbeit.
  • 1992: Sechswöchige Vortragsreise in die USA (Universitäten: Chicago, Northwestern, Wisconsin/Madison, Pittsburgh, Case Western Reserve Cleveland, OH u.a.), finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
  • 1992: Mitglied des Fachbereichsrates des Fachbereichs Humanmedizin der Justus-Liebig-Universität Giessen (Amtszeit bis l994, Ausscheiden wegen Weggangs an die Universität Heidelberg l993).
  • 1993: Gastprofessur, Department of Sociology, Case Western Reserve University, Cleveland OH (USA) (3 Monate). Lehrveranstaltungen zu soziologischer Theorie und Sozialgeschichte.
  • 1993 – 2003: Professorin für Soziologie (C 4), Lehrstuhl für Soziologie II, Universität Heidelberg.
  • 1994-l996: Verwaltungsrat des Informationszentrums Sozialwissenschaften, Bonn.
  • 1994 – 2006: Koordinationsausschusses des Studium Generale der Universität Heidelberg.
  • 1994: Sommerakademie, Studienstiftung des Deutschen Volkes (La Villa /Italien). Thema: Die Demokratisierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg durch das amerikanische Besatzungsregime.
  • 1995: (gemeinsam mit Julius Carlebach, Hochschule für Jüdische Studien,Heidelberg): Konferenz „Das Vermächtnis des Massenmords“ (mit Raúl Hilberg, Hans Mommsen, Yehuda Bauer u.a.], Universität Heidelberg.
  • 1995: Gastprofessorin, Department of Sociology, New York University, New York. Lehrveranstaltungen über amerikanische und deutsche soziologische Theorie sowie amerikanische Besatzungspolitik nach 1945 (Reeducation-Thematik).
  • 1995-l997: Vorbereitungsprogramm eines Sonderforschungsbereichs an der Universität Heidelberg, Landesforschungsverbund des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg. Projekt: „Anfänge der Zivilgesellschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Bedeutung der amerikanischen Besatzungsmacht“ Durchgeführt wurden Materialdokumentationen, teilweise verbunden mit Archivreisen im In- und Ausland.
  • 1996 – 2004: Vertrauensprofessor für die Studienstiftung des Deutschen Volkes an der Universität Heidelberg.
1996, 1997, 1998, 2002, 2003 3- bis 6-monatige Studien- und Forschungsaufenthalte am Minda de Gunzburg Center for European Studies, Harvard University.
  • 1997: (mit Bernard Barber, Columbia University): Internationale Konferenz, Internationales Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg
  • 1997: Session, 96th Annual Conference der American Sociological Association l997 in Toronto, zum Thema „The Politics of Talcott Parsons“.
  • 1997 – 2001: Promotionsausschuss, Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Universität Heidelberg.
  • 1998: Organisation und Leitung der Sektion „Amerikanische Besatzungspolitik: Absichten – Wirkungen – heutige Perspektiven“ anlässlich des 42. Deutschen Historikertages in Frankfurt/Main.
  • 1999-heute: Editorial Advisory Board der Zeitschrift The American Sociologist./ Internationaler Wissenschaftlicher Beirat der Zeitschrift Soziale Welt.
  • 1999/2000: Sechsmonatiges Forschungsfreijahr, durch Deutsche Forschungsgemeinschaft. Forschungsthema: „Typenkonstruktion in der Tradition der soziologischen Theorie Georg Simmels.“
  • 2000: Vierwöchiger Forschungsaufenthalt. Yale University, New Haven. Beinecke Library.
  • 2000: Sommerakademie (mit H. – J. Gerigk), Studienstiftung des Deutschen Volkes (Alpach/Tirol Thema: „Soziologie und Literatur.“)
  • 2001-2003: Mitglied des Ausschusses zur Vergabe von Stipendien nach dem Landes-Graduierten-Förderungsprogramm Baden-Württemberg (Universität Heidelberg).
  • 2001: Internationale Fachtagung am Internationalen Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg. Thema: „Soziologie – Geschichte – Kultur. Zum Problem der Zeitlichkeitkeit geistes- und sozialwissenschaftlicher Analyse(n).“
  • 2001: 3-monatiger Studienaufenhalt am German Historical Institute, Washington D.C.
  • 2001-heute: Editorial Advisory Board der Zeitschrift Journal of Classical Sociology, London/Toronto.
  • 2002: 3-monatiger Studienaufenthalt, National Archives, Washington D.C., in Verbindung mit dem German Historical Institute, Washington D.C.
  • 2002-2005: Forschungsprojekt „Demokratisierung durch ritualisierten Kulturtransfer: Westdeutschland in der Reeducation-Phase“ im Rahmen des DFG Sonderforschungsbereichs 619 „Ritualdynamik. Soziokulturelle Prozesse in historischer und kulturvergleichender Perspektive“ an der Universität Heidelberg.
  • 2003-2005: Stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute (ASI).
  • 2003-2005: Forschungsprojekt „Die Anfänge der empirischen Sozialforschung (Surveyforschung) in Westdeutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus“ mit Schwerpunkt „Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Deutschland im internationalen Zusammenhang im späten 19. und 20. Jahrhundert“.
  • 2003-2006: Executive Board der Theory Section der American Sociological Association (ASA).
  • 2005-2007: Forschungsprojekt: “Die Anfänge der Surveyforschung in Westdeutschland” im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms Wissenschaftsgeschichte (Verlängerung des Projekts aus dem Zeitraum 2003-2005).
  • 2005-2007: Executive Board der History of Sociology Section der American Sociological Association (ASA).

Werke

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1971: Rollenanalyse als kritische Soziologie

1985: Patientenkarrieren

1988: Uta Gerhardt, Yvonne Schütze: Frauensituation. Veränderungen in den letzten zwanzig Jahren

1991: Gesellschaft und Gesundheit

1992: Uta Gerhardt, Ekkehard Mochmann [Hrsg.]: Gesellschaftlicher Umbruch 1945 - 1990

1993: Uta Gerhardt, Talcott Parsons: Talcott Parsons on National Socialism

1994: Hans Ulrich Derlin, Uta Gerhardt: Systemrationalität und Partialinteresse. Festschrift für Renate Mayntz

1995: Uta Gerhardt [Hrsg.]: Familie der Zukunft: Lebensbedingungen und Lebensformen

1995: Uta Gerhardt, Ekkehard Mochmann [Hrsg.]: Gewalt in Deutschland. Soziale Befunde und Deutungslinien

1999: Herz und Handlungsrationalität

1999: Bernard Barber, Uta Gerhardt: Agenda for Sociology

2001: Idealtypus: Zur methodischen Begründung der modernen Soziologie

2005: Soziologie der Stunde Null


Literatur

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Internetquellen

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Giddens, Anthony

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Biographie in Daten: Anthony Giddens

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Giddens Anthony

  • geboren am 18. Jänner 1938in Edmont, Enfield (GB)


  • Geschwister: 1 Bruder
  • Kinder: 2 Töchter


Werdegang

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  • Besuch der Minchenden School in Southgate, Barnet (Nähe London)
  • 1956-1959: Studium der Soziologie und der Psychologie an der University of Hull in Kingston-upon-Hull
  • 1959: B.A. first class honours
  • 1959-1961: Studium der Soziologie an der London School of Economics and Political Science in London
  • 1961: M.A. with distinction mit der Arbeit: "Sport and society in contemporary England"
  • 1961-1970: Lecturer in Sociology an der University of Leicester, Leicester; zur gleichen Zeit lehrt hier auch Norbert Elias (1897-1990)
  • Gastprofessuren in Vancouver und Los Angeles
  • 1970-1997: Giddens lebt in Cambridge, Cambridgeshire
  • 1970-1976: Studium an der University of Cambridge in Cambridge
  • 1976: Doctor of Philosophy (Sociology)
  • 1970-1984: Lecturer in Sociology und Fellow am King`s College der University of Cambridge in Cambridge
  • 1984-1996: Mitglied der University of Cambridge in Cambridge
  • 1984-1986: Reader in Sociology
  • ab 1985: Chairman und Director des Verlages "Polity Press Ltd." in Cambridge als auch Director der Blackwell-Polity Ltd.
  • 1986-1996: Professor of Sociology
  • ab 1989: Chairman und Director des Centre for Social Research in London
  • ab 1997: Giddens lebt in London
  • 1997-2003: Director der renommierten London School of Economics and Political Science in London
  • Berater des Britischen Premier Tony Blair
  • zahlreiche Gastaufenthalte u.a. in Bremen, Helsinki, Melbourne, Rom und Paris
  • 2004: Verleihung des Titels "Baron Giddens of Southgate in the London Borough of Enfield" auf Lebenszeit


Historischer Kontext

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Als Zeitzeuge erlebte Anthony Giddens die umwälzenden Veränderungen des 20. Jahrhunderts, die auch seine Konzeptionen des Utopischen Realismus bzw. des „dritten Weges“ sowie seiner Modernisierungs – und Globalisierungsthesen geprägt haben.


Öffnung des Eisernen Vorhangs [26]

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Die Beendigung des Kalten Krieges [27] und damit einer bipolaren Weltaufteilung ideologisch unüberwindbarer Systemgegensätze, die in gegenseitigem Wettrüsten, Stellvertreterkriegen, Spionage, Unterstützung terroristischer Organisationen sowie der Gefahr einer atomaren Selbstauslöschung gipfelte, führte zum Zerfall des Ostblocks [28] und zur Deutschen Wiedervereinigung (1990), deren Symbol im Fall der Berliner Mauer 1989 zu sehen ist. Nach der Unabhängigkeitserklärung der baltischen Republiken und dem gescheiterten Augustputsch wurde auch die UdSSR aufgelöst (1991).

Dies bedeutete den Sieg der kapitalistischen Marktgesellschaft über den Sozialismus, unter dem bisher noch ein Drittel der Menschheit gelebt hatte, womit erstmals Kerninstitutionen der ursprünglich europäischen Moderne die weltweite soziale Praxis bestimmten.

Von der EGKS über die EWG und EURATOM zur EG und EU

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1951 sollte die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS bzw. Montanunion) durch Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und die BRD dazu beitragen, europäischen Integration möglich zu machen, den Wiederaufbau zu organisieren und künftige Kriege innerhalb Europas zu verhindern.

Der Vertrag von Maastricht aus dem Jahre 1993 begründete die Europäische Union (12 Mitgliedsstaaten), die auf den drei Säulen 1) Europäische Gemeinschaften, 2) gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und 3) polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit beruht und von einer Verteidigungs- und Wirtschaftsgemeinschaft immer mehr Richtung politischer Einheit gestaltet werden soll.

2006 umfasst die EU 25 Staaten mit 459,5 Millionen Einwohnern, eine Fläche von 3.975.372 km² und das größte Bruttoinlandsprodukt der Welt. Neben einer einheitlichen Europäischen Verfassung zählen derzeit die Erweiterung nach Süden und Osten und die Beziehungen zu den USA zu den wichtigsten Fragen über die Zukunft der Europäischen Union.

(Vgl.: Eckhard Höffner: Die Entwicklung der EU: Historischer Abriss [29])


Kriegsschauplätze nach 1945

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Die Kommunistische Jugend Österreichs zählt 218 Kriege in der Zeit von 1945 bis 2000. Die Häufigkeit der Kriege ist dabei steigend: während in den Jahren der Nachkriegszeit ca. 10 Kriege pro Jahr zu verzeichnen waren,sind es im Jahr 2000 etwa 35. 1992 kam es im Gefolge der Auflösung der Sowjetunion und Jugoslawiens zu dem traurigen Höchststand von 55 Kriegen.

Während die Zentren der bürgerlich-kapitalistischen Welt weitgehend kriegsfrei sind, fanden weit über 90 % der Kriege nach ´45 in Regionen der Dritten und ehemals Zweiten Welt statt (Asien und Afrika: je 27 %, Naher Osten: 25 %, Lateinamerika: 14 %, Europa: 7 %). Der Befriedung innerhalb der industriegesellschaftlichen Welt steht allerdings ein relativ hohes Maß an (zumindest rückläufigen) Kriegsbeteiligungen einiger Industriestaaten (v.a. GB, USA, F) gegenüber.

Zwei Drittel aller Kriege seit 1945 waren innerstaatliche Kriege; von den Kriegstypen sind v.a. „Antiregimekriege“ vorherrschend.

(Vgl.: Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung: Kriege-Archiv [30] bzw.: Kommunistische Jugend Österreichs: Kriege nach 1945 [31])


  • Fortschreitende Umweltzerstörung und Zunahme von Umweltkatastrophen
  • (angebliche wie tatsächliche) atomare Bedrohung durch Kernkraftwerke bzw. Atomwaffen
  • Großbritanniens Politik seit 1945

Der Zweite Weltkrieg hatte die frühere Weltmacht Großbritannien zwei Drittel seines Außenhandelsvolumens gekostet, die Staatsverschuldung verdreifacht und das Land in finanzielle Abhängigkeit zu Amerika geführt.

Als Nachkriegskonsens der britischen Politik standen daher die Versorgung der Bevölkerung, die Verbesserung des Lebensstandards sowie die Wiederherstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft im Vordergrund. Der Ausbau des Wohlfahrtsstaates (-> Keynesianismus [32]) sollte durch ein alle Bürger einbeziehendes staatlich finanziertes System der sozialen Sicherung und die Übernahme staatlicher Verantwortung für die Wirtschaft stattfinden.

Trotz deutlich verbessertem Lebensstandards Anfang der siebziger Jahre gelang es nicht, die Wirtschaftskraft des Landes entscheidend zu stärken; Großbritannien galt als der "kranke Mann Europas", was zum Wahlsieg der Konservativen Partei, geführt von Margaret Thatcher, im Jahre 1979 führte.

Thatcher betrachtete es nicht als Aufgabe des Staates, Lohn-, Einkommens- oder Konjunkturpolitik zu betreiben, sondern vertraute auf die Geldpolitik und deren Lenkungswirkung (-> Monetarismus[33]) bzw. eine Politik der Inflationsbekämpfung. Eine umfassende Privatisierungspolitik führte zu einer fast ausschließlich privatwirtschaftlich organisierten Marktwirtschaft. Finanzierbarkeit statt Bedarf als Maßstab in der Sozialpolitik, Einzelschicksal statt gesellschaftliches Problem als Definition der Arbeitslosigkeit. Wo immer dies möglich schien, zog sich der Staat aus der Gesellschaftspolitik zurück.

Obwohl die wirtschaftspolitischen Ziele des „Thatcherismus“ Mitte der achtziger Jahre größtenteils erreicht waren, war die große Mehrheit der britischen Bevölkerung nicht bereit, die negativen sozialen Folgen wie größere Armut und Obdachlosigkeit, die wachsende Ungleichheit in der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums oder die Unzufriedenheit derjenigen Regionen, die der Wirtschaftsboom der späten achtziger Jahre nicht erfasste, zu akzeptieren.

Die Labour Party griff die ambivalente Grundstimmung der Bevölkerung im Wahlkampf 1997 erfolgreich auf und Tony Blair löste John Major – als Nachfolger Margaret Thatchers - ab. Blairs „dritter Weg“ sollte einen Kompromiss zwischen effizienter Privatwirtschaft/Kapitalismus und sozialer Gerechtigkeit/Sozialismus darstellen (s. 5.6.).

(Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung (Heft 262): Entwicklung Großbritanniens seit 1945)

Allgemeines zum Sozialen Wandel

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Giddens (1995): „Einen Wandel zu identifizieren, heißt aufzuzeigen, wie weit es innerhalb einer bestimmten Zeitspanne Änderungen bei der einem Objekt oder einer Situation zugrunde liegenden Struktur gibt (…), bis zu welchem Grad es in einem bestimmten Zeitraum zu einer Änderung der Basisinstitutionen kommt.“ Der Ansicht des historischen Partikularismus folgend, gibt es für die Entwicklung von Gesellschaften keine sinnvollen, das Spezifische und Partikulare transzendierenden, Ereignisse.

Als unumstrittene evolutionäre Trends nach Lenski lassen sich dennoch die Bevölkerungszunahme, die Expansion des Menschen in neue Gebiete, der Fortschritt der Technik, das Wachstum der Produktion und das Anwachsen des Ausmaßes an Komplexität sozialer Strukturen nennen. Weitere Trendaussagen sind die Tendenz zur Differenzierung, Rationalisierung, Individualisierung, Heterogenisierung, Pluralisierung und Globalisierung, - alles Schlagworte, die sich in den Konzeptionen Giddens` wieder finden.

Als greifbare Grundtrends sind zu nennen:

  • ein auf sehr hohem Niveau stagnierender Anstieg von Lebensstandard und Massenkonsum
  • hohe soziale Sicherheit für eine große Bevölkerungsmehrheit
  • „85-%-Gesellschaft“ mit Ausschluss derjenigen, die am steigenden Wohlstand nicht beteiligt sind
  • Pluralisierung, aber keine Auflösung des Schichtgefüges, vertikale soziale Ungleichheiten
  • höhere Aufwärtsmobilität bei fortbestehenden Mobilitätsbarrieren
  • ein Schwergewicht von Beschäftigung und Wertschöpfung auf dem Dienstleistungssektor
  • eine kontinuierliche Wissens- und Bildungsexpansion
  • Verringerung der sozialen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern
  • Verlust des Monopols der bürgerlichen Familie – neue Formen des Zusammenlebens
  • Geburtenrückgang – steigende Lebenserwartung – Alterung
  • Wandlung von mono- zu multiethnischen Gesellschaften

Modernisierungstheorien zufolge sind bestimmte Entwicklungstrends Ausdruck bestimmter Zielsetzungen (Zweckrationalität, Fortschrittsgedanke, Säkularisierung, Individualität, Wertepluralismus, Leistungsbewusstheit etc.), funktionaler Differenzierungen, steigender Autonomie der Subsysteme und leistungsfähiger Basisinstitutionen. Vor dem Hintergrund von Modernisierungstheorien werden konkrete, typologisierende Modelle entwickelt, die jeweils bestimmte, erkennbare Entwicklungsaussagen und ihren gesellschaftlichen Zusammenhang plakativ hervorheben. Neben der postindustriellen – oder der Informationsgesellschaft ist hier Giddens Konzeption der „Zweiten Moderne“ bzw. „Reflexiven Moderne“ und die von U.Beck geprägte „Risikogesellschaft“ (s. 5.3. bzw. 5.4.) zu nennen.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die britische Soziologie hat sich stark an der Arbeiterbewegung und ihrer klassischen Gründung durch Spencers Evolutionismusund Utilitarismus orientiert; die britische Klassenstruktur wurde zum dominierenden Forschungsgegenstand.


Im intellektuellen Kontext von Soziologen wie John Rex, David Lockwood, John Goldthorpe oder Ralph Miliband - als Vertreter einer marxistisch orientierten britischen Konflikttheorie (--> Klasse, Macht, Konflikt) – entwickelt Giddens seine eigene Gesellschaftstheorie.


In „Class Structure of the Advanced Societies“ verbindet der britische Soziologe die marxistische Klassentheorie mit Schichtungskonzeptionen von Max Weber, um Probleme der Gegenwart zu analysieren.


Auch in „Capitalism and Modern Social Theory“ sowie seinen Interpretationsarbeiten zu Durkheim und Weber zeigt sich seine kritische Beschäftigung mit den Klassikern: Giddens Anliegen ist keine abstrakte Theorieprüfung, sondern deren Bewährung an konkreten gesellschaftlichen Zuständen.


Seine Theorie der Strukturierung beschreibt Giddens selbst als ausführliche Reflexion über den berühmten und viel zitierten Satz von Marx, nachdem Menschen „ihre eigene Geschichte“ machen, aber „nicht aus freien Stücken, nicht unter selbst gewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“. Auch sein Akteursbegriff, der ein spezifisches „ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse“ verkörpert, deckt sich mit Marx.


Heftig kritisiert wird Parsons` Strukturfunktionalismus und Systemtheorie sowie der „orthodoxe Konsensus“ der amerikanisch dominierten Soziologie der Nachkriegszeit im Allgemeinen. Diese Kritik der herrschenden Schulen von Objektivismus (einschließlich der Ansätze von Marxismus, Funktionalismus und Strukturalismus) als auch Subjektivismus (Ansätze wie der symbolische Interaktionismus oder die Ethnomethodologie), lassen ihn nach einer Synthese dieser Dualität suchen.

Richard Münch weist jedoch darauf hin, dass dieser von Giddens selbst als revolutionär behandelte Begriff von der „Dualität der Struktur“ sich mit demjenigen deckt, den schon Klassiker wie Max Weber, Émile Durkheim, Georg Simmel, Talcott Parsons oder George Herbert Mead eingeführt haben. (Soziologische Theorie Band 3: Gesellschaftstheorie, S. 501/502)

Mit den interpretativen Ansätzen teilt Giddens die Betonung der Subjektivität der Akteure und der Reflexivität der Soziologie. Gleichzeitig lehnt er damit auch eine Methodologie à la Durkheim, die fordert die Gesellschaft als Ding zu betrachten, ab. Die Beschäftigung mit dem Poststrukturalismus, insbesondere mit M.Foucault und J.Derrida, führt zu einer gewissen „Dezentrierung des Subjekts“. Eine weitere Folge ist eine Neuformulierung seines Machtbegriffs, den er jetzt direkt mit dem Handlungsbegriff verbindet.


Der Auseinandersetzung mit M.Heidegger mag es zuzuschreiben sein, dass Giddens die Zeitlichkeit (und Räumlichkeit) des menschlichen Daseins und alles Sozialem in den Mittelpunkt seines Ansatzes stellt. Zu nennen ist überdies Hägerstrands Ansatz der Zeitgeographie, der ebenso die Stellung der Individuen in Raum und Zeit sowie den routinisierten Charakter des Alltagslebens behandelt. Garfinkel schließlich bezeichnet Orte als Bezugsrahmen von und für Interaktionen, die die Sinnhaftigkeit von Handlungen herstellen, was sich ebenso in Giddens Konzept wiederfindet.


Ebenso führt Giddens Wittgenstein als „Markstein“ seiner Entwicklung an. Zitat: „Diesen Weg weiterzuverfolgen, heißt aber gerade, jeglicher Versuchung zu widerstehen, ein getreuer Schüler von einem der beiden Denker [Heidegger und Wittgenstein] zu werden.“ (Die Konstitution der Gesellschaft. S. 36) Diese Prämisse dürfte als allgemeines Prinzip Giddens gelten; so greift er Gedankengänge unterschiedlichster Denker auf (u.a. Goffman, Erikson, Saussure, Freud…), um sie an einem bestimmten Punkt zu widerlegen bzw. ihr Konzept in anderer Richtung fortzuführen.


Giddens Identitätskonzept stützt sich auf G.H.Mead, sein „kollektiver Akteur“ lässt sich von A. Vierkandt her begreifen.


Als Analytiker der Spätmoderne ist eine inhaltliche Nähe zu J.Habermas wie v.a. zu U.Beck gegeben. Alle drei Autoren verstehen sich als „Sozialtheoretiker“ und Vertreter einer „kritischen Theorie“ der modernen Gesellschaft, die ihre Aufgabe darin sehen, Entwicklungstendenzen kritisch zu reflektieren und somit zur Bewusstseinsbildung beizutragen.

Zitat: “I think I have learned more from Habermas` writings than from those of any other contemporary social thinker whose work I have encountered.” [1]

Giddens Konzeptionen der Moderne ähneln denen Ulrich Becks und werden auch teilweise in Zusammenarbeit entwickelt. Laut Thomas Schmid kann man Giddens den britischen Beck nennen. Zitat: „Es geht die Mär, der Brite treffe sich regelmäßig mit seinem deutschen Herausgeber in Londoner Pubs. […] Wie dieser bevorzugt Giddens das verbale Dauerfeuer, die nicht endenwollende Beredsamkeit und den paradox klingenden Kalauer.“ (Thomas Schmid: [34])


Werke

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Tabellarische Aufstellung der wichtigsten Werke:

  • Capitalism and Modern Social Theory (1971)
  • Politics and Sociology in the Thought of Max Weber (1972)
  • Elites in the British Class Structure (1972)
  • The Class Structure of the Advanced Societies (1973)
  • The Modern Corporate Economy. Interlooking Directorships in Britain, 1906-1970 (1975)
  • New Rules of Sociological Method: A Positive Critique of Interpretative Sociologies (1976)
  • Studies in Social and Political Theory (1977)
  • ´Introduction` to Max Weber, The Protestant Ethic and the Spirit of Capitalism (1977)
  • Émile Durkheim (1978)
  • Central Problems in Social Theory: Action, Structure and Contradiction in Social Analysis (1979)
  • A contemporary Critique of Historical Materialism, vol.1, Power, Property and the State (1981)
  • Profiles and Critiques in Social Theory (1982)
  • Sociology: A brief but Critical Introduction (1982)
  • The Constitution of Society: Outline of a Theory of Structuration (1984)
  • The Nation-State and Violence, vol.2 of A Contemporary Critique of Historical Materialism (1985)
  • Social Theory and Modern Sociology (1987)
  • Sociology (1989)
  • The Consequences of Modernity (1990)
  • Modernity and Self-Identity: Self and Society in the Late Modern Age (1991)
  • The Transformation of Intimacy: Sexuality, Love and Eroticism in Modern Societies (1992)
  • Human Societies: An Introductory Reader in Sociology (1992)
  • The Giddens Reader (1993)
  • Polity Reader in Social Theory (1993)
  • Beyond Left and Right: The Future of Radical Politics (1994)
  • Reflexive Modernization. Politics, Tradition and Aesthetics in the Modern Social Order (ed. with U.Beck) (1994)
  • The Third Way: The Renewal of Social Democracy (1998)
  • Runaway World: How Globalization is Reshaping Our Lives (1999)
  • On the Edge. Living with Global Capitalism. (2000)
  • Where Now for New Labour? (2002)
  • The Progressive Manifesto: New Ideas for the Centre-Left (ed.) (2003)


Das Werk in Themen und Thesen

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Theorie der Strukturierung

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Diese Theorie sozialen Handelns versucht den Dualismus Handlung – Struktur / Subjektivismus - Objektivismus / Individuum -Gesellschaft / Mikro- Makroebene / freedom of choice - determination zu überwinden. Soziale Strukturen schränken soziales Handeln nicht nur ein, sondern ermöglichen es auch, indem sie Regeln und Ressourcen bereitstellen. Strukturen bedingen Handlungen und werden gleichzeitig durch Handlungen generiert. Strukturen sind sowohl Medium als auch Resultat des Handelns (-> Dualität der Struktur).

Giddens anti-funktionalistische "social theory" will einen Theoriebezugsrahmen für die empirisch-theoretische Forschung schaffen und versteht sich als "Zuliefer-Disziplin" für die Soziologie und andere Sozialwissenschaften.


Strukturen - als Zusammenhänge gemeinsamer Regeln und verteilter Ressourcen - existieren für Giddens (ähnlich der Grammatik bei Sprache) nur virtuell und bedürfen eines Akteurs, um realisiert zu werden. Sie repräsentieren virtuell vorgegebene Herrschafts-, Signifikations- und Legitimationsverhältnisse und bestimmen, welche Art von Verhalten in einem bestimmten System wahrscheinlich ist. Sie stellen eine "Realität sui generis" im Sinne Durkheims dar.


Handeln versteht Giddens als Aktivität/Prozess unter definierten Raum-Zeit Gegebenheiten, der von bewussten, reflexiven und kreativen "Agenten" (Akteuren) ausgeht, die auf Ressourcen (-> Macht) und bestimmtes Regelwissen (-> Bewusstheit, „Methoden“ im Sinne der Ethnomethodologie) zurückgreifen. Giddens` Handlungs- und Machtbegriff sind direkt miteinander verbunden: Handeln setzt die Macht voraus, direkt in die Welt einzugreifen und einen Unterschied zu vorher existierenden Zuständen oder Ereignisabläufen herzustellen. Die Ausübung von Macht wird so zum Schlüsselkonzept dieser Theorie. Handeln wird als vielfältig motiviert und determiniert aufgefasst, eindeutige Zwecke erhält es erst durch konkrete Probleme bzw. sozialen Rechtfertigungsdruck, womit der Zwang, jeder Handlung ein direktes Motiv zuzusprechen, entfällt. Intentionalität wird als Fähigkeit zur selbstreflexiven Kontrolle im Handlungsprozess definiert. Unterschieden wird zwischen Einzelhandlungen (analytischer Aspekt der Motivation, der Rationalisierung und des reflexive monitoring (Kontrolle und Steuerung)) und Interaktionen (Aspekte der Macht (Einflussnahme über Ressourcen), der Kommunikation (interpretative Schemata / Wissensvorräte) und der Sanktion), wobei Handeln generell als kontinuierlicher Prozess oder diffuser Strom verstanden wird.

Hauptaugenmerk liegt auf den unbekannten Bedingungen und unbeabsichtigten Konsequenzen einer Handlung. Ein raum-zeitlicher Verweisungszusammenhang zwischen Handeln, Interaktion und Struktur ist gegeben.

Sowohl eigenes als auch fremdes Handeln (-> Erwartungsbildung) wird permanent reflexiv überwacht, indem auf die vorhandenen Strukturen in den Dimensionen der Signifikation (Bedeutungszuweisung, Sinn), der Legitimation (Norm, Rechtfertigung) und der Herrschaft (Macht, Kontrolle) zurückgegriffen wird. Eben dadurch findet die Reproduktion (aber auch der Ersatz) sozialer Strukturen (und mit ihnen die Reproduktion bzw. Weiterentwicklung des sozialen Systems) statt. Betont wird v.a. der "grundlegend rekursive Charakter des sozialen Lebens". Routine als die vorherrschende Form sozialer Alltagsaktivität; Zitat: "Der Wiederholungscharakter von Handlungen, die in gleicher Weise Tag für Tag vollzogen werden, ist die materiale Grundlage für das, was ich das rekursive Wesen des gesellschaftlichen Lebens nenne." (Giddens: "Die Konstitution der Gesellschaft.", S. 37)

Individuellen Handlungen können so als Abbild eines Sozialsystems verstanden werden. "System" wird als Geflecht raum-zeitlich produzierter und reproduzierter Handlungen definiert.


"Gesellschaft" setzt sich aus kulturellen, politischen, wirtschaftlichen sowie moralisch-„gemeinschaftlichen“ Institutionen und Teilsystemen zusammen, je nachdem ob der Strukturaspekt der Herrschaft (objektiv vorgegebene Chance bezüglich der Kontrolle über Personen (Autorisierung) oder Sachen (Allokation)), der Signifikation oder der Legitimation im Vordergrund steht. Zitat: "Alles gesellschaftliche Leben vollzieht sich in, und ist konstituiert durch, Überschneidungen von Gegenwärtigem und Abwesendem im Medium von Raum und Zeit." (Giddens: "Die Konstitution der Gesellschaft.", S. 185)


Institutionen werden hier als routinisierte Einzelhandlungen und Interaktionen verstanden. Das Überleben in komplexen Gesellschaften setzt die Fähigkeit zur Routinisierung von Handlungen voraus.


(Hauptkritikpunkte dieses Konzepts sind unzureichende Möglichkeiten der Erkenntnis und des Fortschritts bzw. der Entwicklung, ein ambivalenter und v.a. zu emphatischer Akteursbegriff, ein zu stark akzentualisierter Handlungsaspekt, sowie die fehlende Beachtung systemischer Eigenschaften, die aus wechselseitiger Interaktion entstehen.)


Methodische Fragen

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Hier betont Giddens das Problem der doppelten Hermeneutik [35], das sich auf das Spannungsfeld zwischen Selbstinterpretation des Forschers und Interpretationen zweiter Ordnung bezieht.

Der Soziologie kommt hierbei die hermeneutische Aufgabe zu a) die wissenschaftlichen Begriffsschemata aufzuklären und zu kontrollieren, weil es theoriefreie Daten nicht geben kann, b) die wissenschaftlichen Bedeutungsrahmen zu begreifen und c) die Bedeutungsrahmen, die der Orientierung der handelnden Akteure im Alltag dienen, zu verstehen. Die große Relevanz der doppelten Hermeneutik für die Soziologie ergibt sich aufgrund von Bedeutungsüberschneidungen zwischen Auslegungen im Alltag und Auslegungen in der Wissenschaft.

Während sich der Gegenstandsbereich der naturwissenschaftlichen Forschung als indifferent gegenüber dem, was Menschen über ihn zu wissen behaupten, erweist, wirken sich sozialwissenschaftliche Theorien u.U. direkt auf das Handeln von Akteuren aus. Jedes Wissen kann die Situationsdefinition, das Handeln und dessen Bewertung beeinflussen und schließlich selbst wieder aus diesen reproduziert werden (doppelte hermeneutische Reflexivität von Wissen und Handeln). Laut interpretativer Soziologie hat es jede soziologische Analyse "mit einer vor-interpretierten Welt zu tun, in der die Bedeutungen, die von aktiven Subjekten entwickelt werden, tatsächlich in die reale Konstitution oder Produktion jener Welt Eingang finden." (Franz Welz in "Lexikon der soziologischen Werke", S. 237)

Zitat: "Es liegt im inneren Wesen des reflexiv auf die Bedingungen der Systemreproduktion angewandten Wissens, daß es die Umstände, auf die es sich ursprünglich bezogen hat, verändert." (Giddens: "Konsequenzen der Moderne.", S. 74)


Konsequenzen der Moderne

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Ähnlich Ulrich Beck oder Jürgen Habermas sieht sich Giddens als Vertreter einer „kritischen Theorie“ der modernen Gesellschaft, die zur Bewusstseinsbildung beitragen soll. Als „Sozialtheoretiker“ wird ein kategorialer Raster zur Beschreibung von Gesellschaft entwickelt, dieser aber nicht durch empirisch überprüfbare Hypothesen untermauert.

Modernisierung wird als kontinuierlich stattfindender, prinzipiell unabgeschlossener Prozess politischer, technischer und sozialer Innovationen verstanden. Anthony Giddens spricht von „Zweiter Moderne“ oder „reflexiver Moderne“ (Vgl. Ulrich Beck) und will damit verdeutlichen, dass sich die Konsequenzen der Moderne radikalisieren und allgemeiner auswirken als bisher (Moderne als weltweites Alltags-Experiment, als gefährliches Abenteuer), aber nicht in ein neues Zeitalter der Postmoderne führen. Der von Beck geprägte Begriff der „Welt-Risikogesellschaft“ (Zunahme selbsterzeugter, schwer kalkulierbarer globaler Risiken) wird aufgegriffen. Diese These arbeitet mit der Dualität der Struktur: Handlungen, die für das Funktionieren moderner Gesellschaft nötig sind, verursachen gleichzeitig universelle Risiken (Konsequenzen) als Bedingungen weiteren Handelns in der "Zweiten Moderne". Entscheidendes und gefordertes Merkmal einer reflexiven Modernisierung ist die Reflexion der Konsequenzen der Moderne. Der Modernisierungsprozess / soziale Wandel samt seinen geplanten und ungeplanten Folgen muss reflektiert und darf nicht sich selbst überlassen bleiben. Wobei Giddens dem orientierungslos gewordenen Individuum wenig Kontrollmöglichkeit einräumt und somit die Steuerbarkeit einer Gesellschaft (da Unübersichtlichkeit,unüberschaubare Nebenfolgen, Nicht-Linearität...) anzweifelt.

Der „radikalisierte“ soziale Wandel verursacht erhebliche Veränderungen an der modernen Gesellschaftsstruktur: u.a. Individualisierung, Enttraditionalisierung, Entbettung aus lokalen Zusammenhängen, Globalisierung, Trend zur Dienstleistung, neue Armut, Migration… und erfordert permanente und aktive Anpassung der Akteure, um den Konsequenzen der Moderne gerecht zu werden. Die Handlungsmöglichkeiten der fortgeschrittenen Moderne sind ins Extreme gesteigert.

Als eine allgemeine Gefahr sieht Giddens die Unfähigkeit, sich von der Vergangenheit als Tradition bzw. verinnerlichte einzige Möglichkeit zu lösen, was als Zwangshandeln bezeichnet wird und die Kehrseite der „kognitiven Revolution“ der Moderne darstellt.


Moderne Gesellschaften als auch deren Dynamik zeichnen sich nach Giddens wesentlich durch drei Mechanismen aus:


1. Trennung / Umgestaltung von Zeit und Raum: Beide Dimensionen werden aus lokalen Zusammenhängen gelöst und globalisiert; eine Abstandsvergrößerung unbegrenzter Reichweite findet statt. Handlungskoordination jenseits aller örtlichen Gebundenheit wird ermöglicht bzw. gefordert.


2. Entstehung von Entbettungsmechanismen: Soziale Beziehungen und gesellschaftliches Tun werden aus örtlich begrenzten und normativ verfestigten Interaktionszusammenhängen enthoben und umstrukturiert. Dadurch wird die Integration in ein traditionales System geschwächt, was auch eine individuelle Identitätsschwächung mit sich bringt. Zusätzlich wird das Vertrauen in abstrakte Systeme zur Voraussetzung zum Funktionieren des Alltags. Personales Vertrauen und Intimität sind massiven Veränderungen unterworfen.


3. Reflexive Aneignung des Wissens: Fortschreitende Enttraditionalisierung führt zur Reflexivität als Grundbedingung; zunehmendes Wissen („Informationsgesellschaft“) unterminiert unsere Vertrauen in Expertensysteme und symbolische Zeichen und lässt das allgemeine Risikobewusstsein steigen. Gegensätzliche Informationen führen oft eher zur Verunsicherung als zur Bewusstseinsbildung. Die Erzeugung systematischen Wissens über Sozialität trägt zur Reproduktion des sozialen Systems bei. Wobei anzumerken ist, dass kein "Wissen" der Moderne mehr als unumstößlich oder gewiß gelten kann (Moderne als "Institutionalisierung des Zweifels"). Besondere Bedeutung erhalten auch die nicht intendierten Konsequenzen von Handeln ("Dialektik von Wissen und Handeln").


Als institutionelle Dimensionen der Moderne bezeichnet Giddens den Kapitalismus (->Kapitalakkumulation), den Industrialismus (arbeitsteiliges industrielles Produktionssystem), die militärische Macht und das System der Überwachung, die allesamt globale Auswirkungen zeigen.


Die Institutionen der Moderne vergleicht Giddens mit einem hinduistischen Dschagganath-Wagen[36]: Sie sind kaum steuerbar, potentiell zermalmend aber nicht gänzlich unangenehm oder unbefriedigend. Reflexive Modernisierung bedeutet auch, dass sich Institutionensysteme einer drastischen Kritik stellen müssen.

Globalisierung

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Globalisierung nach Giddens bedeutet Kontextungebundenheit und „Handeln auf Distanz“. Eine Intensivierung weltweiter Beziehungen findet statt, lokale und regionale Prozesse werden durch weit entfernt stattfindendes Handeln beeinflusst. V.a. drei soziale Prozesse führen zur Globalisierung:

  • Manipulation von Raum und Zeit (Verkehr, Kommunikation...)
  • Lösung von Institutionen und sozialen Systemen aus ihren traditionellen Zusammenhängen (Ökonomie, Wissenschaft, Technik)
  • Reflexivität (kognitive Vernetzung, heterogene Informationen)

Als mehrdimensionalen Begriff unterscheidet Giddens ökonomische (->kapitalistische Weltwirtschaft), politische (->interdependentes System der Nationalstaaten) und militärische (-> Weltmilitärordnung) Globalisierung sowie internationale Arbeitsteilung als Ebenen der Globalisierung (-> Globalisierung der vier institutionellen Dimensionen der Moderne).


Modernität (als Gegenbegriff zu Tradition) und Globalisierung sowie deren Risikopotential versteht Giddens als Schlagwörter jeder soziologischen Zeitdiagnose, die er in vier institutionelle Globalisierungsfelder und Grundrisiken einteilt:

  • Zunahme unkontrollierter totalitärer Macht als Reaktion auf wachsende Sicherheitsprobleme
  • atomare Gefahr
  • Zusammenbruch wirtschaftlicher Wachstumsmechanismen
  • Umweltkatastrophen, ökologischer Zerfall


Utopischer Realismus als Leitkonzept der Modernisierung

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Dieses kultur- und wissenssoziologisches Forschungsparadigma soll eine Verbindung schaffen zwischen (utopischer) emanzipatorischer Politik und (realer) Lebenspolitik; zwischen visionären Vorstellungen eines erfüllten Lebens und gesellschaftlichem Realismus, der die bestehenden politischen Rahmenbedingungen bedenkt. Dieses Konzept soll „…die Unausweichlichkeit der Macht anerkennen und ihre Anwendung für nichts grundsätzlich Schädliches halten.“ Durch Vorwegnahme von zukünftigen Trends sollen unkontrollierte Modernisierung verhindert werden und neue, richtungsweisende und vor allem gangbare Modelle von Gesellschaft entworfen werden.

Die Entwicklungstendenz möglichen Wandels sieht Giddens in sozialen Bewegungen wie den Arbeiter-, Friedens-, Bürgerrechts-(= Demokratisierungs-) und ökologischen Bewegungen wiedergespiegelt, die seinem Modell der vier institutionellen Eckpfeiler von Modernität entsprechen und auf eine Reform derselben abzielen. Durch Fortschritte dieser Bewegungen könnte es zu einer Humanisierung der Technologie, zu einer Demilitarisierung der Weltordnung, zur mehrschichtigen demokratischen Partizipation und zur Etablierung eines ökonomischen Nachknappheitsystems (Lebensqualität statt Kapitalakkumulation) kommen. Hinsichtlich der vier institutionellen Komplexe der globalisierten Moderne sieht Giddens die Chance eines Systems der planetarischen Vorsorge, einer sozialisierten ökonomischen Organisation, einer koordinierten globalen Ordnung und einer Überwindung des Krieges.

Erst die Herausbildung einer derartigen modernen Weltordnung würde laut Giddens die Verwendung des Begriffes Postmoderne anstelle radikalisierter Moderne rechtfertigen.


Politische Soziologie – „der dritte Weg“

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Auch als Berater des Britischen Premiers Tony Blair propagiert(e) Giddens den s.g. „dritten Weg“, zwischen liberalem Kapitalismus („die Neue Rechte“) und Sozialismus („die Alte Linke“). Der „dritte Weg“ vertritt eine reformistische Bewegung der Mitte; Er kritisiert die negativen Aspekte von „Thatcherismus“ / Neoliberalismus als auch der klassischen Sozialdemokratie und versucht die positiven Aspekte beider Systeme zu vereinen. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die „Auflösungstendenz des Sozialstaatskompromisses“. Ziel ist eine neue politische Dimension zu erzeugen, wodurch Bündnisse auch mit nicht-sozialistischen Reformparteien möglich werden sollen.

Wichtige Schlagworte seines Konzepts heißen: mehr Ökologie, mehr Demokratie und Autonomie, Transnationalität, weniger Staat, keine Rechte ohne Verpflichtungen (z.B. Arbeitslosensystem: Verpflichtung zu aktiver Arbeitssuche und -annahme als Bedingung für den Bezug von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe; Studiengebühren, Beihilfenkürzung), Verabschiedung vom Sozialstaat und vom Prinzip der Gleichheit. Als Lösung gesellschaftlicher Probleme wird eine Zunahme der Verpflichtungen des Einzelnen, gesteigerte Selbstverantwortung, Flexibilität und Eigeninitiative propagiert. Durch ein effizientes Bildungssystem sollen jedem einzelnen - unabhängig seiner Herkunft - ähnliche Startchancen und durch Arbeit Teilhabe am gesellschaftlichen Erfolg ermöglicht werden. Z.B durch die Stärkung der bürgerlichen Grundrechte, verbesserte politische Einbindung und neue demokratisch gewählte Parlamente in Schottland und Wales soll eine Modernisierung der Verfassung und der politischen Institutionen des Landes stattfinden, was letztendlich auch die Wettbewerbsfähigkeit des britischen Demokratiemodells steigern soll. Kapitalismus erscheint als alternativenloses Faktum; das globale Problem der Armut oder ungleiche Wohlstandsverteilung werden weitgehend ausgespart. Zitat: "Überdies kommen viele vorteilhafte Veränderungen in unbeabsichtigter Weise zustande." (Giddens: "Konsequenzen der Moderne.", S.191)

Wohl nicht zu Unrecht ist Giddens für Pierre Bourdieu „ein britischer Soziologe, der zum Vordenker der neoliberalen Rechten geworden ist, bzw. der neoliberalen „Schein-Linken“ Tony Blairs“. (Bourdieu 2000)

Pathetisch setzt Giddens auf neues politisches Engagement, auf eine Form der „dialogischen Demokratie“ und die „Demokratie des Gefühls“, die sowohl im Alltagshandeln wie in der globalen Ordnung als Chancen der Moderne gesehen werden.


Rezeption und Wirkung

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Eine erste Bedeutung Giddens liegt sicher darin, zentrale Ideen der soziologischen Theorie, wie von Karl Marx, Max Weber oder Émile Durkheim, herausgearbeitet und deren Bewährung an konkreten gesellschaftlichen Zuständen gezeigt zu haben.

Mit seiner Theorie der Strukturierung lieferte Giddens einen wichtigen Ansatz zur Analyse der Fortführung und Transformation von Strukturen. Die Synthese von Subjektivismus und Objektivismus („Dualität der Struktur“) kann zwar nicht als revolutionäres Gedankengut, aber als Neuformulierung traditioneller Bestrebungen, diese Dualität zu überwinden (s. Theoriegeschichtlicher Kontext), verbucht werden.

Als Analytiker der Spätmoderne hat Anthony Giddens die soziologische Diskussion über Modernisierung und Globalisierung nachhaltig beeinflusst und eine überaus populäre Modernisierungs- bzw. Globalisierungstheorie vorgelegt. Erklärtes Ziel ist die kritische Reflexion von Entwicklungstendenzen wie Bewusstseinsbildung. Konkrete Dynamiken der Modernisierung bzw. konkrete Probleme der Globalisierung werden jedoch ausgespart, der Grad starker Abstraktheit wird nicht verlassen. Zu bemerken ist überdies, dass andere Modernisierungstheoretiker, wie Peter Wagner, dessen historischer Soziologie der Moderne das Giddenssche Denken zugrunde liegt, oder Scott Lash und Ulrich Beck, die mit Giddens das Theorem der "reflexiven Modernisierung" behandeln, in vielen Punkten weit skeptischer sind, was die Chancen bewusster kollektiver Zukunftsgestaltung betrifft.

Giddens` „dritter Weg“ liefert Perspektiven für den Umbau des Wohlfahrtsstaates, die derzeitige Situation Tony Blairs mag u.U. teilweisen Aufschluss über den Erfolg dieses Programms geben, wobei der tatsächliche Einfluss auf die Politik v.a. sozialdemokratischer Regierungen (von der Clinton-Administration über Deutschland bis nach Neuseeland) durch Giddens natürlich schwer zu ermessen ist. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass auch Gerhard Schröder Giddens als wichtigen Ideengeber für sein am englischen Regierungsvorbild orientierten Projekt der "Neuen Mitte" bezeichnete und ihn zu Beratungen der SPD über ihr neues Grundsatzprogramm einlud (1999).

Hier zeigt sich die Gefahr für den "öffentlichen Intellektuellen" Giddens (Bryant/Jary 2001, S. 172), als politische Legitimationsquelle missbraucht zu werden: Seine Rhetorik des "Dritten Weges" wird gerne übernommen, die Umsetzung verläuft dann aber höchst selektiv. Jörn Lamla schreibt der Giddensschen Strategie, den politischen Kurs grundsätzlich zu verteidigen (öffentliche Zustimmung der Politik Blairs und Schröders) und Nachbesserungen für eine zweite Phase des "Dritten Weges" einfordern, höchst ungewisse Erfolgschancen zu. Zu beobachten ist eine einseitige Verlagerung der geforderten Schwerpunkte (Demokratisierung, bürgerliche Autonomie, Ausbau transnationaler Regierungsinstitutionen, Ausstieg aus den Zwängen des Produktivismus, verstärktes Ökologiedenken...) Richtung arbeitsmarktpolitisch motivierter Flexibilisierung des Sozialstaates mit dem Primärziel der Entlastung des Staatsbudgets.

Giddens „Utopischer Realismus“ und die Hoffnung auf eine postmoderne Ordnung in Frieden und Seeligkeit herbeigeführt durch die neuen sozialen Bewegungen kann nicht als wissenschaftlich tragfähige Analyse bezeichnet werden. Irgendeiner konkreten sozialen Bewegung die Lösung der globalen Probleme von Gegenwart und Zukunft zuzutrauen, hat mit Realismus wohl kaum mehr zu tun. Publizistische Verbreitung und Verkaufszahlen stehen hier eindeutig vorrangig gegenüber wissenschaftlicher Fundierung und Begründung.


Generell ist zu sagen, dass die globale Debatte bezüglich dieser zweier Konzepte und seine Beratungstätigkeit für Tony Blairs "New Labour" Anthony Giddens zu großer Bekanntheit auch außerhalb des sozialwissenschaftlichen Fachpublikums geführt haben. Die unter dem Titel "Runaway World" an unterschiedlichen Orten abgehaltenen "BBC Reith Lectures" (1999) einschließlich umfangreicher Internetdebattten spiegeln die Verlagerung auf einen erweiterten Adressatenkreis wider.


Bezüglich möglicher Nachfolger ist zu sagen, dass viele unterschiedliche Teilgebiete an das sozialtheoretische Denken Giddens` anknüpfen: Neben Peter Wagner ist etwa Manuel Castell (fundamentalistischer Rückzug als kulturelle Definsivreaktion an Stelle des optimistischen Ausblicks Giddens`)zu nennen. Als einzelne Teilbereiche der deutschen Soziologie sind die Soziologie des Raumes und der Zeit (Löw 2001), die Wirtschaftssoziologie (Beckert 1997), die Organisationstheorie (Ortmann/Sydow/Windeler 1997) oder die Analyse historischer Wandlungsprozesse von Technologien (Rammert 2000) oder Wohlfahrtsstaaten (Borchert 1995) anzuführen. All diese Arbeiten bedienen sich konzeptioneller Bausteine der Theorie, um diese als Ausgangspunkt für eigenständige Weiterführung in ihren speziellen Forschungsfeldern zu nutzen. Die dadurch entstehenden Akzentverschiebungen bzw. getroffenen Distanzierungen stellen eine Rezeption im Sinne des Urhebers dar. Giddens` methodologischer Ansatz eignet sich weniger für dogmatische Schulenbildung, als sie einen offenen sozialtheoretischen Denkhorizont darstellen, der in konkreter Anwendung präzisiert und immer wieder modifiziert werden muss.


Literatur

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  • Anthony Giddens (1992):
    "Die Konstitution der Gesellschaft"
    Frankfurt
  • Anthony Giddens (1995):
    "Konsequenzen der Moderne."
    Frankfurt
  • Philip Cassel (1993):
    "The Giddens Reader." The Macmillan Press LTD"
    Houndmills
  • Jörn Lamla (2003):
    "Anthony Giddens."
    Frankfurt
  • Richard Münch (1994):
    "Soziologische Theorie Band 3: Gesellschaftstheorie"
    Frankfurt
  • Günther Schönbauer (1994):
    "Handlung und Struktur in Anthony Giddens "social theory"
    Regensburg
  • Frank Welz (2001):
    "Giddens, Anthony." In: Georg W. Oesterdiekhoff [Hrsg.]: "Lexikon der soziologischen Werke."
    Wiesbaden
  • Günter Wiswede (1998):
    "Sozialer Wandel In: Günter Wiswede: Soziologie: Grundlagen und Perspektiven für den wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bereich"
    Landsberg am Lech


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Giddens, Anthony in G. Schönbauer: “Handlung und Struktur in A. Giddens “social theory", S. 10

Glazer, Nathan

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Biographie in Daten

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Glazer Nathan


  • geboren am 25. Februar 1923 in New York City
  • Soziologe, Redakteur und Regierungsberater


  • Als das jüngste der sieben Kinder von Louis (der von Beruf Schneider war) und Tillie (Zacharevich) wuchs Nathan Glazer in New York auf. Er stammt nach eigenen Angaben aus einer sozialistischen, gemäßigt-orthodoxen jüdischen Familie. So beschreibt er sein familiäres Umfeld als "Socialist, but not too socialist; Orthodox, but not too Orthodox, friendly to Palestine, but not a Zionist; Yiddish-speaking, but not a Yaiddishist."
  • 1943: Glazer heiratete Ruth Slotkin. Er hat drei Töchter, Sarah, Sophie, und Elizabeth. Nach ihrer Scheidung 1958 schloss er 1963 erneut eine Ehe mit der Forscherin Sulochana Raghavan.
  • In seiner Studienzeit kam der angehende Soziologe in Kontakt mit der politischen Bewegung des Sozialistischen Zionismus und wurde Mitglied der zionistischen Organisation ""avukah"", die ihn in seinen jungen Jahren prägte. Glazer wurde außerdem Redakteur der Zeitung ""Avukah Student Action"". Mittlerweile ist er weit weniger revolutionär und kann am ehesten dem rechts-liberalen, neokonservativen Spektrum zugerechnet werden.


Akademische Laufbahn

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  • Im Jahr 1940 begann Nathan Glazer sein Studium am City College of New York. Er gab seine anderen Studien-Interessen der Wirtschaftswissenschaften und Public Administration zugunsten der Soziologie auf, das er schließlich 1944 abschloss. Glazer beschrieb diesen Entscheidungsprozess als „from socialism to sociology“. 1942 studierte er auch an der University of Pennsylvania. Seinen Doktor (Ph. D. in sociology) absolvierte er an der Columbia University.
  • In den 50er Jahren arbeitete er hauptsächlich für Verlage, und nahm danach Lehraufträge wahr. So lehrte er als Soziologie-Professor an der University of California in Berkeley in den Jahren 1957 und 1958 und darauf im Bennington College, in Bennington, Vermont von 1958 bis 1959. In den folgenden zwei Jahren lehrte er am Smith College in Northampton, Massachusetts. Nach dieser Episode des Dozierens war er für die staatlich Behörde „Housing and Home Finance Agency“ als Experte für Stadtsoziologie tätig. Trotz attraktiver Angebote, wie jener der University of California, Berkeley, entschloss er sich erst 1969 für eine fixe Professur an der Harvard University. Heute ist er Professor emeritus der Graduate School of Education an der Harvard University.
  • Glazer wurden viele akademische Ehrungen zuteil. Er bekam nicht nur hochdotierte Forschungsstipendien, u. a. von Guggenheim und Fulbright, sondern erhielt darüber hinaus akademische Ehrungen und Würdentitel von zahlreichen Universitäten. Nathan Glazer wurde schließlich auch als politischer Berater hinzugezogen. So war er in mehreren Regierungsausschüssen und Arbeitsgruppen (Presidential Task Forces) in den Bereichen Bildung und Stadtpolitik tätig. Darüber hinaus war er Mitglied im Komitee der National Academy of Science für Stadtentwicklung und Minderheitsfragen.
  • Nathan Glazer stellt als einflussreicher Soziologe eine Autorität auf den Gebieten der Ethnien (entspricht im Amerikanischen dem Begriff „race“), Immigration, Stadtentwicklung und der US-amerikanischen Sozialpolitik dar. Er prägte mit seinen Publikationen (insbesondere durch „The Lonely Crowd“ und „Beyound the Melting Pot“) den öffentlichen Diskurs insbesondere zu Immigration und der Amerikanischen Identität und Kultur in den Vereinigten Staaten entscheidend mit.


Journalistische Tätigkeit

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+Glazer hat an verschiedenen Magazinen maßgeblich mitgewirkt und macht bis heute seinen Einfluss als politischer Kommentator geltend. Als Mitherausgeber von „The Public Interest“, einer vierteljährlich erschienenen konservativen Zeitung zu Politik und Kultur, arbeitete er u. a. mit Irving Kristol, Francis Fukuyama, Charles Krauthammer und Charles Murray zusammen. Die Publikation richtete sich in erster Linie an Intellektuelle, Journalisten und Politiker, wurde jedoch 2005, nach 40 Jahren, aufgrund von sinkender Nachfrage eingestellt.

+Glazer fungierte auch als Ko-Redakteur des „Commentary“, als Monatszeitschrift des American Jewish Committee 1945 gegründet, in seinen Anfangszeiten strikt liberal und antikommunistisch, seit den 1970ern fest in der Hand der Neokonservativen (Neocons). Heute wird die Zeitschrift im eigenen Verlag publiziert und ist vom AJC unabhängig.

Glazer schreibt Beiträge und arbeitet redaktionell für die vierzehntägig erscheinende, liberale amerikanischen Zeitschrift „The New Republic“.


Historischer und Theoriegeschichtlicher Kontext

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Seit dem 19. Jahrhundert existierte in den USA die Vorstellung eines „melting pot“ , nach der die Bevölkerung verschiedener Rassen wie in einem Schmelztopf zusammengeschmolzen werden und auf diese Weise eine völlig neue Zivilisation entsteht. Diese Idee bezieht sich übrigens auf die Immigrant/inn/en aus Nord- und Westeuropa („old immigrants“), die sich ethnisch von den US-Amerikaner/inne/n nicht außerordentlich unterscheiden.

Der Begriff geht ursprünglich auf das Drama „Melting Pot“ (1908 ) des british-jüdischen Schriftsteller Israel Zangwill zurück. Dieser wuchs sich zu einer Assimilationsideologie in den USA aus, war unreflektierter Teil der damaligen politischen Rhetorik, so auch bei den US-Präsidenten Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson, und bestimmte lange Zeit die Realität US-amerikanischer Einwanderungspolitik. Obwohl der Dramatiker bereits acht Jahre nach der Aufführung seines Stücks seine Position der ethnischen und religiösen Vermischung revidiert hatte, hielt sich der Mythos "Melting Pot" hartnäckig.

Nicht desto trotz sind bis heute, etwa 40 Jahre nach dem Ende der Masseneinwanderung nach New York, die maßgeblichen ethnischen Gruppen erhalten geblieben. New York kann zwar nicht für die gesamten Vereinigten Staaten stehen, jedoch für Teile der USA. Auf jeden Fall erweist sich die Hauptthese von Glazers Studie in New York, dass der Melting Pot nicht realisiert worden ist, auch für die USA als haltbar und gültig. Die Vorstellung, dass sich die unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen zu einem homogenen Ganzen verschmelzen würden, hat sich als falsch und unhaltbar herausgestellt, weil empirisch die Ethnizität nach wie vor bewahrt worden ist. Diese Tatsache zeigt Glazer zusammen mit Moynihan eindrucksvoll.


Werke

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1997: We Are All Multiculturalists Now. Harvard University Press. Cambridge, Massachusetts.

1988: The Limits of Social Policy. Harvard University Press. Cambridge, Massachusetts.

1963: (with Daniel Patrick Moynihan) Beyound The Melting Pot: The Negroes, Puerto Ricans, Jews, Italians and Irish of New York City. MIT Press and Harvard University Press. Cambridge, Massachusetts.

1957: American Judaism: The Chicago History of American Civilization. University of Chicago :Press. Chicago.

1952: (with David Riesman) Faces in the Crowd: Individual Studies in Character and Politics. Yale University Press. New Haven.

1950: (with David Riesman; newest revised edition 2001) The Lonely Crowd: A Study of the Changing American Character. Yale University Press. New Haven.


Das Werk in Themen und Thesen

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Das ökologisches Sequenzmodell

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Das ökologische Sequenzmodell (1957) hat Nathan Glazer mit Louis Wirth erarbeitet. Es bezieht sich auf die Immigration amerikanischer Juden in die USA und umfasst fünf Phasen:

1. Juden aus Nord- und Westeuropa wandern in die USA ein und errichten in ihren Siedlungsgebeiten ihre eigene Infrastruktur und Institutionen gemäß ihrer Kultur und Religion (Synagogen, Schulen usw.).

2. Mitglieder der ersten jüdischen Immigrantengeneration machen allmählich Karriere und erreichen einen gewissen sozialen Aufstieg. Sie ziehen in bessere Wohngegenden, wo es eine größere ethnische Durchmischung gibt und ein liberaleres Klima vorherrscht. Ihre Umgebung ist nun säkular, und die Assimilation wird wahrscheinlicher.

3. In die nun freigewordenen Wohnungen ziehen jedoch wieder orthodoxe Juden, die aus Osteuropa stammen, nach und gründen ihrerseits wieder religiöse Einrichtungen.

4. Auch die zweite und dritte nachgekommenen jüdische Siedlergeneration mit den ehemals traditionellen Juden macht Karriere und verläßt das jüdische Siedlungsghetto zugunsten besserer Wohngegenden.

5. Einige Generationen später, kommt es schließlich zur Vermischung mit den US-BürgerInnen, eine ethnisch gemischte Gesellschaft entsteht. Glazer und Wirth nehmen also an, dass die Intensivierung der Kontakte mit Andersgläubigen zur Assimilation im Aufnahmeland führt.


Insgesamt ist dieses Modell, wie die meisten Zyklen-, Generationen- und Sequenzmodelle, wenig generalisierbar. Das Migrationsmodell, dass sich am ehesten zur Verallgemeinerung eignet, ist Robert E. Parks und Ernest W. Burgess' Race-Relation-Cycle. (vgl. Han 2005: 46)


Beyound the Melting Pot

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„The point about the melting pot, as we say later, is that it did not happen.“

Nathan Glazer und Daniel P. Moynihan (w:en:Daniel Patrick Moynihan) beschrieben ihr Werk „Beyound the Melting Pot“ als „beginning book“, also als wissenschaftliche Arbeit ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Autoren war es „an effort to trace back the role of ethnicity in the tumultuous, varied endlessly complex life of New York City“, in der Hoffnung, auf größere Zusammenhänge zu stoßen.

In der Studie untersuchten sie die Gruppen der Afroamerikaner („Negroes“), Puerto-Ricaner, Juden, Italiener und Iren in der Stadt New York hinsichtlich der Rolle der Ethnizität (the role of ethnicity). Im folgenden sind die Forschungsergebnisse zu den fünf größten ethnischen Gruppen zusammengefasst:


Die Gruppe der Schwarzen (The Negroes)

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1960 betrug der Anteil der Schwarzen an der Bevölkerung von New York mit etwas über einer Million, etwa ein Siebtel. Im Vergleich mit anderen Städten wie Chicago, Detroit, Philadelphia und Cleveland (wo zu dieser Zeit 20-25% der EinwohnerInnen Schwarze sind) ist diese Zahl relativ gering. Der Großteil wanderte aus dem Süden ein. Die AfroamerikanerInnen waren jünger als der Altersdurchschnitt der übrigen New Yorker Bevölkerung, was sich auf die Zahl der SchülerInnen und Jugenddelinquenz auswirkte.

Die schwarzen ArbeiterInnen verdienten 70% des Durchschnittslohns der Weißen und war mit erhöhter Wahrscheinlichkeit von Arbeitslosigkeit betroffen. So stieg mit der Rezession der 1960er Jahre die Arbeitslosigkeit bei den AfroamerikanerInnen mit 10% überdurchschnittlich an. Die Arbeitsmarktchancen der Frauen waren generell deutlich besser, z. B. mit einem Lohn, der 93% des Lohns weißer Frauen entsprach.


Ein großes Problem für die schwarze Bevölkerung New Yorks war die schulische Segregation. So betrug der Anteil schwarzer Kinder 90% in 95 der insgesamt 589 Grundschulen sowie 85% in 22 von insgesamt 125 Mittelschulen aus. In den Gymnasien gab es gar nur 10% schwarze SchülerInnen.

Die überhaupt größte Diskriminierung der Schwarzen gegenüber der Nichtschwarzen Bevölkerung fand im Wohnbereich statt. Trotz eines formalen Diskriminierungsverbots kam es zur räumlichen Segregation durch die hohen Mietpreise. Die Schwarzen, denen der Aufstieg in die Mittelschicht gelang, zogen vermehrt in die Vorstädte, was auf Widerstand der weißen AnwohnerInnen stieß und wiederum zu einer Wegbewegung Besserverdienender Weißer in andere Wohngegenden führte.

Die politische Partizipation (etwa die Wahlbeteiligung) unter den Schwarzen war recht ausgeprägt. Für sie bedeutete die Politik auch ein Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen, in erster Linie die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Obwohl die Rassenbeziehungen in New York im Großen und Ganzen harmonisch waren, herrschten auch antijüdische Ressentiments unter den Schwarzen vor. Die jüdischen PolitikerInnen setzten sich zwar für die schwarze Minderheit ein und auch die Ansiedlung von Schwarzen in jüdischer Nachbarschaft war konfliktfrei. Die Juden sind eine Generation (etwa 40 Jahre) vor den AfroamerikanerInnen nach New York gekommen und haben sich schon ihren Platz in der Gesellschaft etbaliert. So begegneten sie den Schwarzen häufig in einer hierarchischen sozialen Beziehung, etwa als Grund- oder Geschäftseigentümer und Vorgesetzte - insbesondere traf dies zu bei Schwarzen in Niedriglohnarbeit und schwarzen Frauen, die als Haushaltskräfte in jüdischen Haushalten arbeiteten. In diesen Situationen kam es zu Spannungen und Konflikten zwischen beiden Einwanderergruppen.

Anders als die Juden in New York hatten die Schwarzen kaum Know-How und Ressourcen, um eigene Unternehmungen und Geschäfte zu gründen. Der Mangel an notwendiger Bildung, unternehmerischen Fähigkeiten, Geschäftssinn und Umgang mit Geld geht auf ihre Vergangenheit als Sklaven zurück. Noch dazu wurden sie in ihren Vorhaben der Kapitalgründung und Organisieren von Räumlichkeiten oft diskriminiert. Selbst das Potential des neu entstandenen Stadtteil Harlems konnte mangels gemeinsamer Herkunftskultur und aufgrund der schwach ausgeprägten Familienstruktur für die schwarze Community nicht ausgeschöpft werden. Gegenteilig war dies bei den aus Jamaika (ehemals Britisch-Westindien) stammenden Schwarzen, die seit 1920 eingewandert, etwa 17% der schwarzen Bevölkerung ausmachten. Aufgrund ihres ausgeprägten Spar-und Investitionsverhaltens, großer Arbeitsmoral und Förderung von Bildung gelang es ihnen, überdurchschnittlich viele Führungspositionen unter der schwarzen Bevölkerung zu erlangen.


Die Gruppe der Puerto-Ricaner (The Puerto Ricans)

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Die USA besetzten 1900 die kleine Insel Puerto Rico, setzten ihren eigenen Gouverneur ein und verwalteten es seither. Erst mit 1948 wurde der Inselstaat zum Teil unabhängig, verblieb aber im Commonwealth. Die Puerto-RicanerInnen wanderten als US-StaatsbürgerInnen massenhaft in die USA ein, vor allem nach dem Ende des II. Weltkriegs. So betrug 1961 ihre Zahl 613.000. In den 1960ern nahm die puerto-ricanische Einwanderungswelle zwar ab, aufgrund ihrer Geburtenstärke (jede siebte Geburt) wuchs die Gruppe der Puerto-RicanerInnen trotzdem beträchtlich weiter.


Die Einwanderer siedelten sich vor allem im östlichen Harlem an, aus dem die Juden weggezogen waren. Die Puerto-RicanerInnen waren zu 20% schwarz, lehnten allerdings strikt ab, als Schwarze aufgefasst zu werden. Die AfroamerikanerInnen wiederum distanzierten sich generell von Schwarzen aus dem ehemaligen Gebiet Britisch-Westindiens. Wirtschaftlich waren die puerto-ricanischen ImmigrantInnen ähnlich den JamaikanerInnen sehr aktiv, so gründeten sie an die 4.000 Geschäfte, die auf den Konsum der eigenen ethnischen Gruppe ausgelegt waren. Auf der anderen Seite betrug ihr Einkommen nur 63% des Durchschnittseinkommens der New YorkerInnen. Da sie auch wenig qualifiziert waren, waren sie überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen.


Unter Puerto-RicanerInnen gab es das Phänomen von Pendelbewegungen zwischen ihrer Heimat und New York, was nicht zuletzt auf die Einrichtung einer Flugverbindung zwischen San Juan und New York 1945 zurückgeht. Jedoch ist diese Gruppe stark von der Erosion der Familie und geteilten Familien betroffen, wobei ein Teil in Puerto Rico verblieb und der andere Teil in New York lebte. Ein großes Problem zerrütteter Familienstrukturen bestand darin, dass Mütter von ihren Ehemännern verlassen wurden und sie sich in der Folge wegen ihrer Erwerbsarbeit nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern konnten, die zunehmend verwahrlosten und in die Kriminalität und Drogenszene abrutschten.


Die Gruppe der Juden (The Jews)

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Die Juden machten 1960 etwa 25% der Bevölkerung New Yorks aus (ca. ein Drittel der Weißen und Nicht-Puerto-RicanerInnen) – zusammen mit den Juden aus dem Umland der Stadt waren das die Hälfte aller Juden in den ganzen USA. Bis heute ist ihr Anteil in New York vergleichbar geblieben.

Es gab mehrere Einwanderungswellen von Juden nach New York. Erste jüdische Immigration begann bereits 1654 mit einer Gruppe von Sephardim-Juden aus Portugal und Spanien, die auch unter dem Namen „holländische Juden“ („dutch jews“) bekannt geworden sind. Mitte des 19. Jahrhunderts immigrierten viele deutsche Juden aus Österreich, Ungarn, Böhmen und Deutschland nach New York, so lebten 1880 schon etwa 80.000 Juden in der Stadt. In den 1880er Jahren wanderten massenhaft osteuropäische Juden aus Österreich, Rumänien, Ungarn und dem Russischen Reich ein, sodass die Zahl der New Yorker Juden bis 1910 auf 1 Million anwuchs. Die jüdische Immigration erlebte zur Zeit des I. Weltkriegs und 1924 aufgrund des „National Origins Act“, der Einwanderung aus nicht-west- bzw. nicht-nordeuropäischen Staaten massiv erschwerte, kurze Einbrüche. Nichtsdestotrotz gab es 1924 bereits 2 Millionen Juden in New York.


Trotz aller religiösen, kulturellen und sogar sprachlichen Unterschiede kooperierten die Juden, um sich für gemeinsame Interessen einzusetzen. Vertraten die deutschen Juden das reformierte Judentum, so war der Großteil der neu eingewanderten osteuropäischen Juden orthodox. Deutsche reiche Juden gründeten im Jahr 1906 „The American Jewish Committee“ zur Verteidigung der Interessen osteuropäischer Juden. 1917 entstand die „Federation of Jewish Charities“ für koordinierte soziale Aktionen. Für die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in New York angekommenen Juden (1920 Sephardim-Juden aus Griechenland und der Türkei, 1930 jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, europäische Juden in den 1940ern und 1950ern) stand die soziale Organisation der „American Jewish“ bereit, um sie in der Fremde aufzunehmen und zu betreuen.


Die Juden aus Osteuropa waren zum großen Teil erfolgreiche Geschäftstreibende, die für eine gute Ausbildung und qualifizierten Werdegang ihrer Kinder sorgten. Ihnen gelang der soziale Aufstieg aus der Arbeiterklasse in die Mittelschicht trotz widriger gesellschaftlichen Umweltbedingungen. So war ein Siebtel der Regierungsangestellten jüdisch, fast die Hälfte der LehrerInnen und die Mehrheit der SchuldirektorInnen.

Typisch für die jüdischen Geschäftsleute war ihre Neigung, selbständig und in kleinen Familienunternehmen, eingebettet in der jüdischen Gemeinde, zu arbeiten. Das gleiche gilt für die Facharbeiter unter den Juden, obwohl diese aufgrund ihrer Ausbilung eher akkulturiert waren. Die politischen Präferenzen der Juden lagen aufgrund ihrer Liberalität bei den Demokraten, während die weiße, protestantische Mehrheitsgesellschaft republikanisch wählte.

Die erfolgreichen, wohlhabenden hatten zwar Zugang zu elitären gesellschaftlichen Kreisen, wurden jedoch allmählich aus Klubs, berühmten Schulen, bestimmten Wohngegenden und Prestige-Berufen ausgeschlossen. Diese gesellschaftliche Praxis der sozialen Ausgrenzung war besonders ausgeprägt in den 1920er und 1930er Jahren. Hatte dies nach dem II.Weltkrieg zwar nachgelassen, integriert wurden diese Juden nicht wirklich. Dazu trugen auch Tendenzen räumlicher Trennung bzw. residentialer Konzentration bei (z. B. in Forest Hills, Bayside-Oakland-Gardens, Central Queens). Interethnische Heirat kam aus diesem Grund ebenfalls so gut wie nicht vor, was jedoch bei den orthodoxen Juden mit ihrer Art der Lebensführung (Kleidungsordnung, Bräuche, Normen bzgl. äußerer Erscheinung) zusammenhängt.

Die Gruppe der Italiener (The Italians)

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Ab 1870 erlebte Italien eine unglaubliche, dauerhafte Massenauswanderung von Bauern, Bauarbeitern und Handwerkern erst in Richtung Mittelmeerraum und Westeuropa, wo sie insbesondere beim Bau von Eisenbahnstrecken eingesetzt worden sind. Ab 1885 fanden auch transatlantische Migrationsbewegungen statt, vorerst nach Südamerika und Kalifornien, wo sich die italienischen Einwanderer dem Weinbau widmeten. Italienische Immigranten dominierten die Immigration nach Argeninien und Brasilien für Jahrzehnte. Mit den wirtschaftlichen Krisen in den beiden Ländern handelte es sich dann bei der anschließenden italienischen Immigration in die USA um „umgeleitete“ Migrationsströme aus Südamerika. Ab 1900 gab es schließlich auch direkte Migrationsbewegungen von Süditalien (woher der überwiegende Großteil der Einwanderer stammt) nach New York. So wanderten zwischen 1899 und 1910 insgesamt 2,3 Millionen ItalienerInnen in die Vereinigten Staaten ein, 1,9 Millionen davon Süditaliener. Die meisten süditalienischen ImmigrantInnen (77%) hatten keine berufliche Qualifikation, sowie 66% der Norditaliener. Zudem war die Hälfte der eingewanderten SüditalienerInnen Analphabeten. Die zugewanderten Süditaliener ersetzten auch die irischen Bauarbeiter.

In New York siedelten sich die meisten ItalienerInnen an: So lebten 1880 12.000 der 44.000 italienischen Einwanderer in New York. Auch später wählte etwa ein Viertel aller ImmigrantInnen aus Italien New York als Zielort. 1930 gab es inzwischen 1,7 Millionen Italiener in New York, was einem Sechstel der New Yorker Bevölkerung entspricht und in der Größenordnung bis heute gleich geblieben ist. Das macht sie nach den Juden zur zweitgrößten ethnischen Gruppe New Yorks. In den 1950er Jahren wanderten jährlich 15-20.000 Italiener in die USA aus, wovon wiederum ein Drittel in New York geblieben ist.


Eine italienische Eigenart in Bezug auf ihre sozialen Beziehungen, die einen signifikanten Unterschied zur Integration anderer ethnischer Gruppen macht, ist ihr Verhältnis zur Familie und Nachbarschaft. So ist Mobilität keine individuelle Entscheidung, sondern in erster Linie Sache der Familie. Denn selbst die erwachsenen Kinder mit eigenen Familien blieben in der Nachbarschaft ihrer Eltern. So gründeten sie „italienische“ Viertel, die bis heute bestehen, wie East-Harlem (erste italienische Ansiedlung 1920), North Bronx, Greenwich Village und Staten Island.

Die italienische Community in New York war der italienischen Dorfgemeinschaft nachempfunden und stellte eine nach außen geschlossene Gemeinschaft dar, zu der andere Ethnien wie Puerto-RicanerInnen oder Schwarze keinen Zugang fanden. Der Zuzug anderer Ethnien war für die ItalienerInnen sogar ärgerlich. Die Adaption italienischer Kinder verlief langsamer als die anderer ethnischer Gruppen, weil sie stärker von ihrer Familie befürsorgt und abgeschirmt wurden. Die New Yorker LehrerInnen sprachen daher vom „Italien-Problem“, weil die italienischen Kinder beim Schuleintritt häufig große Schwierigkeiten hatten. Es kamen in der italienischen Gemeinde auch kaum Trennungen oder Scheidungen bei den italienischen Ehen bzw. auch wenig JunggesellInnnen vor. Dies widersprach dem Phänomen der modernen Individualisierung anderer ethnischer Gruppen diametral.


Die süditalienische Mentalität und Kultur fand auch Eingang in die Arbeitswelt der ImmigrantInnen. So arbeiteten etwa zwei Drittel aller italienischen ArbeiterInnen in ethnischen Gruppen geleitet von einem „padroni“, einem Führer aus ihrem Heimatdorf. Obwohl dieses System oft zu Asubeutung führte, weigerten sich die SüditalienerInnen, für Behörden anstatt eines „padroni“ zu arbeiten. Aus dem selben Grund, nämlich dass sich die Solidarität auf die Familie und unmittelbare Nachbarschaft beschränkte, brachten die SüditalienerInnen auch keine überregionalen Hilfsorganisationen zu Stande. Durch diesen Umstand sind die ItalienerInnen trotz ihrer großen Zahl politisch wenig organisiert und repräsentiert. Sowohl Politik als auch Wirtschaft sind von der Gruppe der Iren dominiert.

Wenig überraschend konnte die zweite Einwanderergeneration den wirtschaftlichen und sozialen Status im Vergleich zu ihren Eltern kaum verbessern. Die dritte Generation wies eine bedeutend höhere soziale Dynamik auf und erlangte auch qualifizierte Berufe.


Auch in Bezug auf die Religion fand ein Wandel in der italienischen Gemeinde statt: Während erst die katholische Kirche unter den italienischen Einwanderern an Bedeutung verlor, wandelte sich dies in den 1950er Jahren, wo Religion zuminest in der Mittelschicht wieder mehr en vogue war. Das führte beispielsweise dazu, dass interethnische Heirat mit katholischen Frauen irischer Herkunft an Prestige gewann. Die zwei einst rivalisierenden ethnischen Gruppen glichen sich einander nun an und realisierten eine neue religiöse interethnische Identität – und somit eine Variante des Melting Pot-Ideals.


Die Gruppe der Iren (The Irish)

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Die Emigration von Iren (Protestanten und Iren mit englischen oder schottischen Vorfahren) nach Nordamerika fand erstmals im 17. und 18. Jahrhundert statt. Gegen 1800 emigrierten auch katholisiche Iren. Zu umfangreicheren Migrationsbewegungen nach New York kam es zwischen 1846 und 1850 zur Zeit der großen Hungersnot (The Great Famine). So erreichten Iren um 1850 einen Anteil von 26% (rund 130.000) der Bevölkerung New Yorks, 1855 bereits 34%. 1890 waren gar 80% der EinwohnerInnen der Stadt MigrantInnen, davon ein Drittel (fast 410.000) Iren.

Die Mehrheit der Iren hat den Aufstieg aus der Arbeiterklasse in die Mittelschicht vollzogen. So ist das Bankenwesen sowie der juristische Sektor eine irische Domäne, an der „Wall Street“ haben große Banken und prominente irische Rechtsanwaltsbüros ihren Sitz. Insgesamt ist der soziale Aufstieg der Iren als Gruppe im Vergleich zu anderen Ethnien langsam verlaufen und ins Stocken geraten. Außerdem gibt es soziale Probleme, die den Iren eigen zu sein scheinen, wie der Alkoholismus. So lag der Anteil der Iren mit Alkoholabhängigkeit und damit verbunden psychischen Problemen in New York mit fast 26% äußerst hoch.


Die irische Bevölkerung in New York erlebte einen dramatischen Rückgang: 1960 gab es in New York nur noch 312.000 Angehörige der ersten und zweiten Einwanderergeneration, was auch mit einem Zusammenbruch ihrer politischen Macht zu tun hatte. Während viele von ihnen in die Umgebung New Yorks verzogen, wechselten viele Iren zu den Republikanern, sodass die politische Basis wegbrach. Die politischen Funktionäre waren mit einer schwindenden irischen Bevölkerung konfrontiert. Die katholische Kirche, die die Iren in New York als größte Mitgliederorganisation des Landes aufgebaut hatten, konnte lediglich vorübergehend Einfluss auf den amerikanischen Konservatismus nehmen. Denn diese blieb eine irisch-katholische Kirche (1960 lebten in New York eine Million katholische Iren) und verwehrte ihre Öffnung, was ihnen zudem einen Dauerkonflikt mit den liberalen Protestanten bescherte.


Aufgrund des Rückgangs der irischen Immigration in die USA und weil die erste Einwanderergeneration bereits sehr alt ist, was die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte erschwert, wird die irische Identität in Amerika – die es zweifelsohne gibt - zunehmend geschwächt.

Resümee

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  • In der ersten und zweiten Einwanderergeneration gehen Sprache und Kultur teilweise verloren. Mit dem Einfluss der Kultur des Aufnahmelands USA, für das die Immigrantengruppen mehr oder weniger aufgeschlossen sind, verändern sie sich – bleiben aber trotzdem von der Mehrheitsgesellschaft über Jahrzehnte unterscheidbar als solche.


  • Die Erkenntnis, dass es relativ stabile ethnische Gruppen gibt, legt weder nahe, dass Assimilation nicht empirisch stattfindet, noch, dass der kulturelle Pluralismus realisiert bzw. eine ernsthafte und realistische Alternative dazu ist. Die Assimilation wird individuell vollzogen, eine vollständige Assimilation findet jedoch nicht statt: „The American in abstract does not exist“


  • In ihrem Ausblick stellen Glazer und Moynihan fest, dass Religion und Rasse die Hauptfaktoren für die Bildung von Minderheitsgruppen sein würden. So bildeten sich vier große Einwanderergruppen: Die Juden, die Katholiken (umfassen italienische und irische Katholiken), die Puerto-Ricaner und Afroamerikaner - sowie die weißen angelsächsischen Protestanten (WASP).


Hatten einst vor allem unterschiedliche Auffassung über Religion (Protestanten vs. Katholiken bzw. Juden vs. Katholiken, Uneinigkeit in Fragen des Laizismus) Konflikte provoziert, so betonen die Autoren einige Jahre später, in der zweiten Auflage des Werks aus dem Jahr 1970, dass nun ethnische Merkmale (z. B. die Hautfarbe) für die Identität der einzelnen Migrantengruppen mehr an Bedeutung gewonnen haben gegenüber religiösen Motive der Unterscheidung zwischen den Minderheiten (insbesondere zwischen Juden und Katholiken).


Rezeption und Wirkung

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Das 1965 Milton Gordon erschienene Werk „Assimilation in American Life“ liefert die Gegenthese zu Glazers Standpunkt. Nichtsdestotrotz leiteten Glazer und Moynihan mit ihrem Buch einen Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Denken und Diskurs der Migrationssoziologie aus. Die Rezipienten kritisieren vor allem an "Beyound the Melting Pot" ihre einseitige Argumentationsweise bzw. zur Reduktion neigende Darstellung, so beispielsweise Philip Gleason, Historiker und Prof. emeritus der University of Notre Dame (Indiana): „Glazer and Moynhihan invitied an oversimplified reading by the title they chose and by the statement made twice that“ the point about the melting pot ist that it did not happen“. For, despite this seemingly categorial assertion, they did not deny the reality of assimilation. On the contrary, they regarded assimilation as a powerful solvent that washed out immigrant languages, customs, and „the specifically national aspect.“ For that reason they looked upon „the dream of cultural pluralism“, as no more realistic than „the hope of a melting pot“. Glazer and Moynhihan might therefore have said with equal justice that cultural pluralism „did not happen“ either. ( Gleason, Philip zit. n. Steinberg 2007: 115)

Hatten Glazer und Moynihan in ihrem ersten Buch noch die positive Einschätzung vertreten, die Einkommensunterschiede zwischen Schwarzen und Weißen würden in absehbarer Zeit geringer, so mussten sie dies später relativieren.

Literatur

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  • Glazer, Nathan/ Moyinhan, Daniel Patrick (1963):
    "Beyound The Melting Pot: The Negroes, Puerto Ricans, Jews, Italians and Irish of New York City"
    Cambridge, Massachusetts
  • Han, Petrus (2006):
    "Theorien zur internationalen Migration. Ausgewählte interdisziplinäre Migrationstheorien und deren zentralen Aussagen"
    Stuttgart
  • Steinberg, Stephen (2007):
    "Race Relations: A Critique, Stanford, CA "
    Standford University Press.

Goffman, Erving

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Biographie in Daten

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Erving M. Goffman

geb.: 11. Juni 1922, Mannville, Alberta

† 19. November 1982, Philadelphia, PA

  • Eltern:
Max Goffman
Anne Goffman
  • Kinder:
Thomas Edward Goffman (aus der 1. Ehe mit der Psychologin Angelica Schuyler Choate †1964 Freitod)
Alice Goffman (aus der 2. Ehe mit der Linguistin Gillian Sankoff)


  • Akademischer Werdegang:
ab 1939 Studium der Chemie an der University of Manitoba in Winnipeg, Manitoba.
1944-45 Studium der Soziologie an der Universität von Toronto bei Charles William Norton Hart und Ray Birdswhistel
1945 Goffman erwirbt den Grad eines Bachelor of Arts. Daraufhin wechselte er nach Chicago in die Hochburg der amerikanischen Soziologie
1945-49 Seine wichtigsten Lehrer an der Universität Chicago waren Everett C. Hughes und W. Lloyd Warner
1949 Abschluss seines Studiums mit dem Master of Arts
1949-1951 Instruktor am Department of Social Anthropology an der Uni von Edinburgh (Feldstudie auf den Shetland-Inseln)
1953 Promotion zum Doktor der Philosophie in Chicago. Seine Arbeit „Communication Conduct in an Island Community“ wird von W. Lloyd Warner, Donald Horton und Anslem L. Strauss betreut.
1954-1957 Goffman arbeitet als „visiting scientist“ am Laboratory of Socio-Environmental Studies des National Institute of Mental Health.In diesem Zeitraum führt er seine Klinikstudien am St. Elizabeth Hospital durch.
1958-1968 1958 wechselte er nach Berkeley an die Universität von Kalifornien. Zunächst arbeitet er Assistant Professor ('58-'59); später als Associate Professor und ab 1962 schließlich als Full Professor am "Center for the Integration of Social Science Theory"
1969-82 Annahme der Benjamin Franklin-Professur an der Universität von Pennsylvania. Zu Beginn hatte seine Professur die Bezeichnung „Anthropologie und Psychologie“, welche später in „Anthropologie und Soziologie“ umbenannt wird. Ab 1976 ist er Mitherausgeber von „Theory and Society“, zusammen mit Alvin Gouldner. Weiters wandte er sich in den 70er Jahren dem Thema des Geschlechterverhältnisses zu. Ferner hatte er Gastprofessuren, an den Universitäten Harvard, Brandeis, Manchester und Edinburgh inne.
1981 Wahl zum Präsidenten der American Sociological Association (ASA).Seine Presidential Adress, am Ende des Präsidentschaftsjahres, über „Interaction orders“, konnte er wegen seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung nicht mehr halten.
19. November 1982 Erving Goffman stirbt in Philadelphia an Krebs


  • Auszeichnungen:
1977-78 Guggenheim-Fellowship
1978 International Prize for Communicating
1981 Mead-Cooley Award in Social Psychology "Forms of Talk" wird für den National Book Critics Circle Award nominiert


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Dieses Kapitel behandelt einerseits die Frage, welche Einflüsse auf sein Werk sichtbar werden und andererseits die Frage, wie Goffman nach seinem Tode rezipiert wurde. Begonnen wird mit einer Annäherung an die erste Frage -> es wird eine systematische Analyse aller Verweisstellen im Werk von GOFFMAN tabellarisch dargestellt werden. Anschließend werden die inhaltlichen Parallelen, der Autoren die ihn beeinflusst haben, skizziert. Als Basis für die Analyse der Verweisstellen dienten alle Bücher von GOFFMAN.


In der Tab. 1 sind die 12 Namen zusammengestellt, auf die im Werk von GOFFMAN am häufigsten verwiesen wird. Die erste Zahl nennt die Anzahl der Verweise, die zweite die Anzahl der Publikationen, in denen dieser Name vorkommt.

Im weiteren Verlauf werden die Autoren betrachtet, die GOFFMAN für die Gewinnung von Konzepten dienen, und andere, die zumindest auch in einem theoretischen Zusammenhang Eingang finden. Auf die Verweise von Autoren die in Goffmans Publikationen rein zur Illustration (Schaffer, San Francisco Chronicle, Eugen Kogon, Georg Dendrickson/Frederick Thomas) verwendet werden wird nicht näher eingegangen. Abgesehen von den Eigenverweisen ist SACKS derjenige Theoretiker, auf den GOFFMAN am häufigsten Bezug nimmt. Auch wenn SACKS auf die Grundlegung des GOFFMANschen Forschungsprogramms noch keinen Einfluss haben konnte. SACKS war bekanntlich Schüler von GOFFMAN, darum ist die Auseinandersetzung mit ihm ab "Encounter" (1961) für die Fortführung und Ausarbeitung seines Forschungsprogramms von hohem Belang.

Der zweithäufigste zitierte Theoretiker ist BATESON, der sich schon in den frühen 50er Jahren mit der Analyse von Interaktionsvorgängen befasst hatte. BATESON und GOFFMAN verbindet eine enge Wahlverwandtschaft; unverkennbar hat GOFFMAN die Arbeiten von BATESON mit hohem Interesse verfolgt und zweifellos auch, nicht nur durch das Rahmen Konzept, nachhaltig davon profitiert.

Auf keinen anderen Namen mit Ausnahme des eigenen verweist GOFFMAN in so vielen Arbeiten wie auf DURKHEIM. Das meist genannte Werk von DURKHEIM ist dabei "The Elementary Forms of Religious Life". Aus dem Umfeld der University of Chicago ist in der Tab. 1 Hughes, GOFFMANs ehemaliger Lehrer, vertreten. HUGHES stammte aus der alten Chicagoer Schule (Robert E. PARK). Auch wenn HUGHES oftmals zum Symbolischen Interaktionismus gerechnet wird, ist deutlich zu erkennen, dass sein Denken neben PARK stark von Georg SIMMEL und auch von Max WEBER geprägt ist, wenig dagegen von George H. MEAD.

Geht man über diese Liste hinaus, folgt eine Reihe von weiteren Vertretern der University of Chicago: Es lassen sich 20 Verweise, verteilt auf 9 Arbeiten, auf Howard S. BECKER finden, und George H. MEAD wird an 17 Verweisstellen in neun Arbeiten erwähnt. Dabei fällt auf, dass GOFFMAN bei MEAD nie einen Titelhinweis gibt. Dieses Nichtvorhandensein der Titelhinweise dürfte auf eine hohe Vertrautheit mit dem Werk von MEAD zurückzuführen sein. Die Kenntnis des MEADschen Werks scheint für ihn so selbstverständlich zu sein, dass sich biographische Angaben erübrigen. Übrigens auch auf DURKHEIM wird 18mal ohne Titelangabe verwiesen. Neben MEAD sind aus den Anfängen der interpretativen Tradition auch William JAMES (13mal in 5 Arbeiten) oder Charles H. COOLEY (10/7) im Werk von GOFFMAN durchaus präsent. Wenig Spuren in seinem Werk hat dagegen Herbert BLUMER hinterlassen. Es finden sich keine Belege dafür, dass auch Herbert BLUMER wie von manchen Autoren behauptet ein akademischer Lehrer von GOFFMAN gewesen sei.

Nicht nur hat GOFFMAN die Entwicklung der Konversationsanalyse mit hohem Interesse verfolgt, er hat dieses Forschungsprogramm auch stark beeinflusst. Seine Beschäftigung mit der Ethnomethodologie ist nicht nur auf den Zweig der Konversationsanalyse beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Arbeiten von Harold GARFINKEL, dem Begründer der Ethnomethodologie. Erste Verweise auf GARFINKEL finden sich bereits in den Arbeiten aus den 50er Jahren. Insgesamt wird im Werk von GOFFMAN 16mal auf GARFINKEL verwiesen, verteilt auf neun Arbeiten. Viel später, nämlich erst in der "Rahmen Analyse", finden sich dagegen die ersten Hinweise auf die phänomenologische Soziologie von Alfred SCHÜTZ.

Aus der strukturalen Perspektive finden sich neben DURKHEIM im Vorderfeld Alfred R. RADCLIFFE (12/7), dem GOFFMAN "Relations in Public" (1971, dt. 1974) gewidmet hat, und W. Lloyd WARNER (11/8). Warner ist neben HUGHES der andere wichtige Lehrer von GOFFMAN. Warner war stark von DURKHEIM und RADCLIFFE BROWN beeinflusst. Diese beiden Soziologen werden noch übertroffen von Talcott PARSONS (17/6). Hierzu hat sicherlich die lange andauernde dominante Stellung von PARSONS in der amerikanischen Soziologie beigetragen, aber es fällt auch auf, daß GOFFMAN auf PARSONS keineswegs primär kritisch Bezug nimmt. Die vorherrschende Verwendungsweise ist eine andere: GOFFMAN verwendet die Arbeiten von PARSONS insoweit sie für seine eigene Arbeit brauchbar und ergiebig sind.

Aus Tab. 1 fehlt bislang noch Georg SIMMEL, auf den 24 mal in 8 Publikationen verwiesen wird. SIMMEL ist damit hinter DURKHEIM im Werk von GOFFMAN der zweithäufigst zitierte Klassiker der Soziologie, übrigens mit deutlichem Vorsprung vor Max WEBER (6/5) als dem nächstfolgenden Klassiker. Beschränkt man sich auf die frühen Arbeiten von GOFFMAN, dann übertrifft SIMMEL sogar DURKHEIM.

Wichtig wurde für GOFFMAN auch die Spieltheorie, ein Theorieansatz, der im Unterschied zur interpretativen und strukturalen Perspektive und aus diesen Perspektiven vielfach auch kritisiert in der utilitaristischen Theorietradition steht. Wichtig waren für GOFFMAN aus diesem Theorieansatz vor allem die Arbeiten von Thomas C. SCHELLING, der in 6 Arbeiten 13mal vorkommt.


Werke

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  • The Presentation of Self in Everyday Life. New York 1959.
  • Encounters. Two Studies in the Sociology of Interaction. Indianapolis 1961.
  • Stigma. Notes on the Management of Spoiled Identity. Englewood Cliffs 1963.
  • Strategic Interaction. Philadelphia 1969.
  • Frame Analyses. An Essay on the Organization of Experience. New York 1974.
  • Forms of Talk. Philadelphia 1981.
  • The interaction order, in: American Sociological Review 48, 1983, 1-17.


Das Werk in Themen und Thesen

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Interaction order

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Hauptthema der Forschungstätigkeit Erving Goffmans war die Erforschung der „interaction order“. Zentrales Anliegen war hierbei die Erforschung von face-to-face-Interaktion – der Interaktion von mindestens zwei Individuen in unmittelbarer Anwesenheit. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen zu dieser Thematik lag der Fokus bei den Arbeiten von Goffman auf der Besonderheit des Interaktionsprozess als solches, und nicht auf den Resultaten der Interaktionen.

Goffman bezeichnet die gesamte räumliche Umgebung derartiger Interaktionen als „soziale Situation“; und die sich konstituierenden sozialen Einheit als „Zusammenkünfte“, welche wiederum in Form einer zentrierten (Aufmerksamkeit der anwesenden Personen ist aufeinander bezogen) bzw. einer nicht-zentrierten Interaktion (ein gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokus fehlt) ablaufen können.

Die unterschiedlichen Kontexte, in die derartige zentrierte/nicht-zentrierte Interaktionen eingebettet sind, benennt Goffman als „social occasions“ bzw. als „frames“.

Erstere bezeichnen größere soziale Angelegenheiten mit räumlicher und zeitlicher Begrenzung und bestimmter Ausstattung. Die „frames“ (Rahmen) hingegen sind kulturell vorgegebene soziale Darstellungsformen, die für den Sinn von Ereignissen bestimmend sind und das Engagement und den Ablauf der Interaktion vorgeben. Diese Regelstrukturen schränken den Freiheitsspielraum der Individuen zwar ein, haben aber keine determinierende Wirkung auf den eigentlichen Handlungsablauf.


Impression Management

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Erwin Goffman hat als erster darauf hingewiesen, dass Menschen ihre Identität permanent behaupten („Wir alle spielen Theater“). Er ist der Ansicht, dass unser gesamtes menschliches Verhalten ein Schauspiel sei. Wir würden diverse Rollen spielen, in denen wir uns möglichst gut verkaufen müssen. Für Goffman ist Selbstdarstellung eine Art Ritual, in der der Einzelne die anerkannten Werte der Gesellschaft verkörpert, erneuert und nach dem Prinzip des "impression managements" bestätigt. Diese Selbstdarstellung beruhe auf dem Aspekte, die dem erwünschten Eindruck dienlich sind werden überbetont, andere Aspekte werden verborgen oder unterlassen.

Goffman hat festgestellt, dass Individuen, wenn sie in Interaktion treten, ein bestimmtes Bild von sich präsentieren – mit Hilfe verschiedener Techniken der Darstellungen - das von den anderen akzeptiert wird. (= „Dramaturgisches Prinzip“ = Theatermetapher) Auch wenn sie dieses bestimmte Bild von sich präsentieren, müssen sich die Schauspieler bewusst sein, dass ihre Performance von den Zuhörern gestört werden kann. Darum ist es für die Schauspieler nötig die Zuhörer zu kontrollieren, vor allem in den Bereichen, wo sie gestört werden könnten. Ferner hoffen die Schauspieler, dass diese Präsentation ihrer selbst bei den Zuhörern so ankommt, wie sie sich das vorstellen. Weiters hoffen die Schauspieler, dass die Zuhörer dadurch veranlasst werden, so zu handeln wie es die Schauspieler von ihnen verlangen. Goffman charakterisiert dieses zentrale Interesse als „Impression management“. In diesem oben diskutierten Vorgang unterscheidet er zwischen Vorderbühne (=Idealistisches Selbstbild) die eine Hinterbühne impliziert (Verschleierung der Fehler).

Der erste Begriff ist der Teil der Handlung, dessen allgemeinen Funktion fixiert ist, um die Situation, der Individuen die als Schauspieler agieren, zu definieren.

In Bezug auf die Vorderbühne unterscheidet Goffman zwischen sozialer und persönlicher Fassade. Unter der sozialen Fassade versteht man soziale Erwartungsmuster, die mit einer bestimmten Rolle verbunden sind (z. B. feste Vorstellungen, wie man sich als Arzt verhält). Die persönliche Fassade besteht aus dem Equipment, der Gestik und Mimik. Dies bringen die Zuseher mit einer gewissen Rolle in Verbindung. In weiterer Folge unterteilt Goffman die persönliche Fassade in eine Äußere Erscheinung (apperance) und in ein Verhalten (manner). Die Äußere Erscheinung offenbart uns den sozialen Status des Schauspielers und das Verhalten sagt den Zuhörern welche Rolle der Schauspieler in einer bestimmten Situation spielt.

Unter Hinterbühne versteht er den Ort, an dem die unterdrückten Tatsachen oder informelle Handlung auftreten. Die Hinterbühne grenzt an die Vorderbühne an, aber gleichzeitig ist sie von ihr abgeschnitten. Als dritte Kategorie des „Impression Management“ bezeichnet er das Außerhalb.

Rollendistanz

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Jemand füllt eine Rolle zwar aus, demonstriert aber gleichzeitig, dass er ihr distanziert gegenübersteht (z.B. „lässiger Lehrer“). Eine von Goffmans wichtigsten Einsichten ist, dass die Distanz zu einer Rolle eine wichtige Funktion in der Definition des persönlichen Status darstellt. Eine Reinigungskraft, die mit sichtbarem Desinteresse die Toiletten reinigt, demonstriert durch ihre Haltung ihrer Umwelt, dass sie eigentlich „zu gut“ für diese Tätigkeit ist.


Stigma

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Im Kontext der substantiellen Identitätsbedrohung erwähnt Erwin Goffman das Stigma. Darunter versteht er, dass eine Person aufgrund besonderer Attribute stigmatisiert ist. Das Stigma wird dabei Teil der Identität (Behinderte, Alkoholiker, Kriminelle, Homosexuelle, Angehörige „peinlicher“ Berufe). Der Begriff der Normalität wurde von Goffman für die USA ausgearbeitet – normal ist derjenige, der sich nicht zu schämen braucht, d.h. ein Weißer, aus dem Mittelstand kommender, gut gebauter, sportlicher, aus dem Norden stammender, verheirateter College-Abgänger. Goffman unterscheidet zwischen körperlicher Deformation, Charakterfehler (Geistesverwirrung, Sucht, Arbeitslosigkeit, Homosexualität, usw.) und phylogenetischem Stigmata der Rasse, der Nation und der Religion. Für ihn hängt jegliche Interaktion davon ab, welche Art von Stigma man innehat (er geht davon aus, dass wir alle von Zeit zu Zeit stigmatisiert sind), denn damit sind auch die Taktiken verbunden, wie man mit dem Stigma umgeht. Goffman unterscheidet drei Strategien: Die Strategien des Eingestehens werden wie folgt charakterisiert: Die betroffene Person kann echte Unberührtheit von der Stigmatisierung demonstrieren. Ferner kann das Kennzeichen aber auch zu einer Befremdung über sich selbst führen und damit können in weiterer Folge Korrekturversuche der eigenen Identität verbunden sein. Unter den Strategien des Ausbrechens versteht er einen demonstrativer Bruch mit den gesellschaftlichen Normalitätswartungen (Neudefinition von Normalität). Dies kann einerseits dazu führen, dass die betroffene Person vom sekundären Gewinn, der mit dem Stigma verbunden ist, profitiert und andererseits kann die Person so handeln, als ob die Andersartigkeit irrelevant wäre. Die Strategien des Verbergens können zu einem Rückzug, und Aufbau einer individuellen Sonderwelt führen. Jedoch kommt es bei diesen Strategien oft zur Entwicklung sublimer Techniken der Verhaltenskontrolle, des Informationsmanagements und der Selbstpolitik. (Dauerpräsenz der Frage: Wem, wie was wo verbergen oder offenbaren?). Ebenso kann es zur Entwicklung sublimer Techniken der Vermeidung (Vermeidung von Situationen der Sichtbarkeit) sowie von Techniken der Täuschung führen.

Rezeption und Wirkung

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1. Rezeption von GOFFMAN im deutschsprachigen Raum

Die deutschsprachige GOFFMAN Rezeption erweist sich in weiten Teilen als eine "Steinbruch- Rezeption": aus dem Werk von GOFFMAN werden einzelne Konzepte herausgelöst - weitgehend ohne Berücksichtigung der theoretischen Zusammenhänge (z.B.: Jürgen Habermas Weiterentwicklung der "persönlichen Identität“ und der "sozialen Identität“ von Goffman: HABERMAS referiert nicht, daß persönliche und soziale Identität für GOFFMAN, wie bereits gezeigt, Bestandteile der Definitionen anderer Personen über das jeweilige Individuum sind, also vor allem Formen der Identifizierung; nicht erwähnt wird auch die wichtige Unterscheidung von virtueller und aktueller Identität). Zu dieser Art von Rezeption hat das Werk von GOFFMAN durch eine Fülle von Konzepten sicherlich selbst maßgeblich beigetragen. Nicht nur Habermas hat Goffmans soziologische Überlegungen, in Bezug auf „soziale und persönliche Identität“, in seinen Werken verwendet, sondern auch Lothar KRAPPMANN. Neben diesen Identitätskonzepten wurden im deutschsprachigen Raum auch die Konzepte "Rollendistanz" (z.B. HABERMAS 1972; DREITZEL 1968), "totale Institution" (z.B. LISCH 1976; BENARD/SCHLAFFER 1978) oder auch Konzepte in Verbindung mit der Bühnenanalogie (z.B. DREITZEL 1968; ZINNECKER 1975; VESTER 1980) stark rezipiert.

Das Bild von GOFFMAN in der deutschsprachigen Soziologie wurde nachhaltig, abgesehen von Ralf Dahrendorf, von Alvin W. GOULDNER geprägt. GOULDNERs Kritik hatte und hat noch immer eine fatale Konsequenz: In vielen Köpfen der deutschsprachigen Soziologie entstand ein fertiggefügtes und resistentes GOFFMAN-Bild. Dieses scheint für viele ein eigenes Studium des Werkes von GOFFMAN überflüssig gemacht zu haben, und verhinderte in Folge eine theoretische Diskussion des Werkes, die im englischsprachigen Raum viel unbeschwerter verlief.

Für GOULDNER steht GOFFMAN in der Tradition von George H. MEAD und Kenneth BURKE. In seiner Darstellung stützt sich GOULDNER vor allem auf "The Presentation of Self in Everyday Life". Auf dieser Grundlage bezeichnet GOULDNER GOFFMANs Ansatz als dramaturgisches Modell oder kurz als Dramaturgie. GOULDNER formuliert zwei zentrale Kritikpunkte: (1) die Arbeiten von GOFFMAN seien ahistorisch und (2) soziale Ungleichheiten und Machtdifferenzen würden vernachlässigt. Es ist unbestreitbar, dass GOFFMAN die "interaction order" vor allem für die Gegenwart erforscht hat. Nicht übersehen werden darf, dass GOFFMAN nahezu immer auch Versuche unternimmt, auch historische Materialien zur Illustration heranzuziehen. So finden sich unter den wichtigsten Büchern einige historische Darstellungen. Auch Norbert ELIAS (1939) dient GOFFMAN, um nur ein Beispiel anzuführen, immer als Fundgrube für historische Belege. Interaktionsprozesse, stärker als bislang, in unterschiedlichen sozialen Milieus zu erforschen, ist im Sinne von GOFFMAN eine wichtige Aufgabe - eine Aufgabe, der sich die Forschung zuwenden sollte. Nicht nur diese Hinweise auf seinen eigenen Mittelschichts-Standort zeigen, dass GOFFMAN durchaus für die Wahrnehmung sozialer Unterschiede sensibel war.


2. Rezeption von GOFFMAN im englischsprachigen Raum

Auch im englischen Sprachraum ist unbestritten die "Steinbruch-Rezeption" die dominante Form der GOFFMAN-Rezeption. Im Unterschied zum deutschen Sprachraum beschränkt sich diese Rezeption jedoch nicht auf einige wenige zentrale Konzepte - die Anzahl der Konzepte, die aufgenommen wurde, ist erheblich größer.

Für eine große Anzahl von Soziologen im englischen Sprachraum scheint GOFFMAN in erster Linie eine "kuriose Figur", eine "Kultfigur" im ernsten Wissenschaftsbetrieb zu repräsentieren. GOFFMAN gilt ihnen als 'Mode Soziologe', ausgestattet mit einer hohen Sensibilität für das, was gerade in weiten Kreisen populär ist. Untrennbar wird GOFFMAN mit den Modeströmungen seiner akademischen Jugend assoziiert: dem Existentialismus, den "Beatniks", dem absurden Theater und dem Jazz, denen allen eine Idealisierung einer "Ultra-Coolness" gemeinsam war.

Eine zweite Gruppe hat mit diesen Soziologen gemeinsam, dass auch sie GOFFMAN nicht (vorrangig) als Theoretiker sieht, aber den Arbeiten von GOFFMAN dennoch einen hohen Wert zumisst: GOFFMAN wird aufgefasst als Moralist ersten Ranges. Nach Eliot FREIDSON (1983) ein Soziologe, der etwa zur gleichen Zeit wie GOFFMAN in Chicago promovierte, ist es falsch, GOFFMAN als Quelle abstrakter oder systematischer Theorie zu nehmen; dies widerspreche dem Inhalt und Geist seines Werkes. Das Werk von GOFFMAN so FREIDSON sei geprägt durch eine hohe moralische Sensibilität, durch eine leidenschaftliche Verteidigung des Selbst gegen die Gesellschaft. Noch weiter geht Paul CREELAN (1984). CREELAN teilt diese Auffassung, dass GOFFMAN ein beispielhafter Moralist sei; er versucht jedoch zu zeigen, dass GOFFMANs moralischer Standpunkt weit umfassender ist als nur eine Verteidigung des Individuums gegen die Gesellschaft. Die moralische Perspektive von GOFFMAN antwortet auf und artikuliert die moralischen Probleme, die in dem biblischen Moraldrama, dem Buch von Hiob, auftreten.

Eine dritte Gruppe von Soziologen sieht in GOFFMAN vor allem einen wichtigen Theoretiker der Soziologie. Es gibt deutliche Anzeichen, dass das Interesse an GOFFMAN als Theoretiker im englischsprachigen Raum stark im Ansteigen ist. Dafür sprechen nicht nur die beiden Kronzeugen (GIDDENS, COLLINS), die bereits in der Einleitung zitiert wurden. Dieses verstärkte Interesse hat bereits noch zu Lebzeiten von GOFFMAN eingesetzt. 1980 wurde von Jason DITTON ein erster Reader zu GOFFMAN publiziert, und DITTON gab auch mit einer Überschrift im Einleitungsbeitrag "Taking GOFFMAN seriously" das Leitmotiv dieses Bandes vor, das vor allem auf die Gruppe von Soziologen zielte, die GOFFMAN nur als Vertreter der Beat Generation sehen. Nach seinem Tod sind in mehreren Fachzeitschriften nicht nur Nachrufe erschienen, sondern auch eine Reihe von Artikeln, die sich mit seinem Werk befassten.

Goode, William J.

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Biographie in Daten

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Goode William Josiah (Si)


  • geboren am 30.08.1917
  • gestorben am 04.05.2003


Historischer Kontext

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Erläuterung: Wichtige „Ereignisse“ von allgemeiner Relevanz zu Lebzeiten des Autors. Gibt es historische Ereignisse, die den Autor beeinflusst haben? Etc.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Erläuterung: Welche anderen Autoren haben das Werk des besprochenen Autors beeinflusst? Das betrifft sowohl wichtige Autoren der Vorwelt als auch Zeitgenossen


Werke

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Bücher:

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Englisch:

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1939 Some aspects of self-consciouness,

1946 The sociologie of primitive religion

1951 Religion amonge the primitives, Free Press; Glencoe

1952 Methodes in social research, mit Paul K. Hatt, McGraw-Hill, New York

1956 After divorce, Free Press, Glencoe Women in divorce, Free Press, N.Y.

1960 A theorie of role strain, Bobs-Merrill, College Division, Indiana

1962 Illegitimacy, anatomie, and cultural penetration, N.Y.

1963 World revolution and family patterns, Free Press, Glencoe

1964 The family, Prentice-Hall, N.J., Englewood Cliffs Readings on the family and society, Prentice-Hall, N.J., Englewood Cliffs Family and mobility(A report to the Institute of Life Insurance, New York), Sociological Research Association, Montreal

1966 The dynamics of modern society, Atherton Press, N.Y.

1969 The theoretical impotence of love, Bobs-Merrill,Colege Division, Indiana Comiunity within a community: The professions, Bobs-Merrill,College Division,Indiana

1970 On the family, education and war (selected writings of Willard W. Walter), von W. Walter, mit W.J.Goode, F. Fürstenberg, L. Mitchell, London:University of Chicago Press, Chicago

1971 On the half (roads to womens equality, von C.Fuchs Epstein, mit W.J.Goode, Prentice-Hall, N.J., Englewood Cliffs The contemorary American family, Quadrangle Books, Chicago Social systems and family patterns (a propositional inventory), mit E. Hopkins H. McClure

1973 Explorations in social theory, Oxford University Press, N.Y.

1975 The second-time single man´s survival handbook, mit S.Price, Preager, N.Y. The family through literature, von N. Tavuchis, mit W.J.Goode, McGraw-Hill, N.Y. Toward a sociological understanding of the professions, mit Robert King Merton, Columbia University, N.Y.

1977 Principles of sociology, McGraw-Hill, N.Y. Instructor´s manual to accompany Goode Principles of sociology,mit M.Johnson

1978 The celebration of heroes: prestige as a social control system, University of California Press, Berkeley

1993 World changes in divorce patterns, Yale University Press, New Haven

Deutsch:

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1960 Die Struktur der Familie, Westdeutscher Verlag, Köln

1967 Grundfragen der Soziologie, Juventa-Verlag, München

1968 Soziologie der Familie, Juventa-Verlag, München

Japanisch

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1977 Kazoku, mit H. Matsubara, T. Yamamura; Shiseido, Tokyo

1982 Shakaigaku no kihontekina kangaekata, mit Kiyobumi Matsuo; Jiritrushobo, Tokyo

Chinesisch

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1958 She hui xue yan jiu fa, mit P.K.Hatt, Guansan Xu

1976 Gong ye hua yu jia ting ge ming,mit Huiming Huang


Das Werk in Themen und Thesen

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Erläuterung: Welche Themen hat der Autor behandelt? Kurze präzise Aufstellung. Was sind die wichtigsten Thesen, die der Autor formuliert hat?


Rezeption und Wirkung

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Erläuterung: Wie wurde der Autor von Zeitgenossen aufgenommen? Hat der Autor Schulen entwickelt, hat er Schüler, Nachfolger? Ist er für die gegenwärtige Soziolgie noch wichtig? Welche Thesen sind auch für die Gegenwartssoziologie noch von Bedeutung? Wenn ja warum.


Literatur

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Dieses Kapitel oder Buch ist derzeit nicht ausreichend mit Quellen belegt. Du kannst mithelfen, es zu verbessern, indem du Zitate, Referenzen und/oder Quellen einarbeitest.


Internetquellen

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www.worldcat.org

Grundsätzlich: Halten Sie sich beim Schreiben am Besten an einen Lexikon-Stil.

Gorz, Andrè

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Biographie in Daten

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Gorz Andrè


  • geboren 1923 in Wien mit dem Namen Gerhart Hirsch


  • Gorz war Sohn eines jüdischen Holzhändlers und änderte in den 30er Jahren erstmals seinen Namen, um der Verfolgung der Nationalsozialisten zu entkommen.
  • Während des 2. Weltkriegs begann Gorz ein Chemiestudium im Schweizer-Exil, dort verfasste er auch einige philosophische und politische Artikel für eine Schweizer Genossenschaftszeitschrift.
  • 1949 geht Gorz nach Frankreich um als Pressereferent und Militärattaché zu arbeiten. Schon bald wird er Redakteur bei einer Zeitung namens Paris-Presse. Seine sozialphilosophischen Texte werden unter dem Namen A. Gorz veröffentlicht. Als Journalist wird er unter dem Namen Michel Bosquet bekannt.
  • Gorz nimmt die französische Staatsbürgerschaft 1957 an, und wird 1960 Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Les temps Modernes“
  • Andre Gorz nimmt sich am 22.09.2007 gemeinsam mit seiner Frau das Leben

Gorz hat sich in den sechziger und siebziger Jahren einen Namen als Befürworter der politischen Ökologie und Theoretiker der Arbeitsverwaltung gemacht.

Historischer Kontext

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Als geborener Wiener und verfolgter Jude vor und während des 2. Weltkriegs, war Gorz gewissermaßen gezwungen, sich mit den ideologischen Aspekten der zu dieser Zeit dominierenden politischen Herrschaftsformen auseinanderzusetzen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die Bekanntschaft und die spätere Zusammenarbeit mit Jean Paul Sartre haben Gorz mit Sicherheit richtungsweisend beeinflusst. Gorz' Werke beschäftigen sich in erster Linie mit Kapital - Arbeit - und Wissen, als Marxist vertritt er einen Standpunkt, der von vielen als utopisch, oder realitätsfremd kritisiert wird.


Werke

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  • Strategy for labor : a radical proposal. Beacon Press (1968)
  • Die Aktualität der Revolution. Nachtrag zur Strategie der Arbeiterbewegung (1970)
  • Zur Strategie der Arbeiterbewegung im Neokapitalismus (1974)
  • Kritik der Arbeitsteilung (1974)
  • Ökologie und Politik. Beiträge zur Wachstumskrise (1977), (1980)
  • Socialism and revolution. Allen Lane (1975)
  • Der Verräter (1980)
  • Abschied vom Proletariat (1980)
  • Wege ins Paradies (1983)
  • Kritik der ökonomischen Vernunft (1989)
  • Arbeit zwischen Misere und Utopie (1999)
  • Wissen, Wert und Kapital (2004)


Das Werk in Themen und Thesen

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24.8.2005 "Jede Politik, auf welche Ideologie sie sich sonst auch berufen mag, ist verlogen, wenn sie die Tatsache nicht anerkennt, daß es keine Vollbeschäftigung für alle mehr geben kann und daß die Lohnarbeit nicht mehr länger der Schwerpunkt des Lebens, ja nicht einmal die hauptsächliche Tätigkeit eines jeden bleiben kann." [1] Zitat aus André Gorz: Wege ins Paradies

Der Kapitalismus, und die Ausbeutung durch den Kapitalismus, stehen meist im Mittelpunkt von Gorz Werken. Allerdings steht der Kapitalismus laut Gorz kurz vor dem Aus, er hat seinen Höhepunkt erreicht.

Andre Gorz versucht in seinen Werken eine andere Sicht der Dinge darzustellen, und zu zeigen, dass es immer mehrere Wege gibt. Das Wissen ist das neue Kapital unserer Gesellschaft.


Rezeption und Wirkung

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Andre Gorz blieb stets seiner Linie treu. Als Anti-Kapitalist und Marxist veröffentlichte er Werke, die bei seinen Kritikern als unrealistisch und utopisch abgetan wurden. Gorz' Anhänger sehen in seinen Werken alternative Wege zu einer neuen umstrukturierten Gesellschaft.


Literatur

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Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Gorz, Andrè (1984): Wege ins Paradies, Berlin, S. 56

Gouldner, Alvin

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Biographie in Daten

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Alvin Ward Gouldner

  • geboren am 29. Juli 1920 in New York City
  • gestorben am 15. Dezember 1980 in St. Louis, Missouri


  • Eltern: Jüdische Einwanderer


Ausbildung:

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  • 1937: Highschoolabschluss
  • Gouldner Studierte Soziologie, Philosophie, Sozialpsychologie und Geschichte am New Yorker City College (CCNY) und an der Columbia University.
  • 1941: B.B.A. (business degree)
  • 1945: M.A.
  • 1953: Ph.D.


Berufliche Daten:

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  • 1959 bis 1967: Professor der Soziologie an der Washington University
  • 1962: Präsident der Society for the Study of Social Problems
  • Seit 1967: Max-Weber-Professor der Soziologie an der Washington University in St. Louis
  • 1972 bis 1976: Professor der Soziologie in Amsterdam

Außerdem Lehraufträge und Gastprofessuren an der University of Buffalo, Antioch College, University of Illinois, Harvard University, Hebräische Universität Jerusalem, Universität Warschau, Freie Universität Berlin, Universität Stockholm


Andere Tätigkeiten:

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Gründer und Herausgeber einflussreicher sozialwissenschaftlicher Fachzeitschriften:

  • 1963 - 1966: "Trans-Action"
  • seit 1969: "New Critics Press"
  • seit 1974: "Theory and Society"

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die Frankfurter Schule aber auch C. Wright Mills trugen wesentlich zu Gouldners Sichtweise der Rationalität und des Kritizismus bei. Das Interesse an Bürokratie, Macht und Wissen zeigt den Einfluss der Weberschen Tradition auf die Arbeit von A. W. Gouldner.


Werke

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Hauptwerke:

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  • Studies in Leadership (1950)
  • Industry and Bureaucracy. Ph.D. Dissertation (1953)
  • Patterns of Industrial Bureaucracy (1954)
  • Wildcat Strike (1954)
  • Emile Durkheim's Socialism and Saint Simon (1958)
  • Gouldner und Richard A. Peterson: Notes on Technology and the Moral Order (1962)
  • Enter Plato: Classical Greece and the Origins of Social Theory (1965)
  • The Coming Crisis of Western Sociology (1970)
  • For Sociology: Renewal and Critique in Sociology Today (1973)
  • The Dialectic of Ideology and Technology (1976)
  • The Future of Intellectuals and the Rise of the New Class (1979)
  • The Two Marxisms (1980)
  • Against Fragmentation: The Origins of Marxism and the Sociology of Intellectuals (1985)


Gouldner publizierte in vielen Zeitschriften und Journalen, u.a. in folgenden: "American Journal of Sociology", "Social Problems", "American Sociological Review".

Beispiel:

  • "The Norm of Reciprocity: A preliminary Statement." In: American Sociological Review 25: 161- 178.


Das Werk in Themen und Thesen

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Gouldners Hauptinteresse lag immer in der Erneuerung und Kritik der Gesellschaftstheorie. Unter dem Einfuß von Webers Bürokratietheorie entstanden Arbeiten wie „Patterns of Industrial Bureaucracy“ (1954) und „Wildcat Strike“ (1955) mit Inhalten wie Streiks, Management und Sozialer Kontrolle. In den 60er Jahren wandelte sich Gouldners Interesse in Richtung Marxismus und wissenschaftliche Soziologie. Kombiniert mit dem Studium der antiken Klassengesellschaft, v. a. der Sklaverei, Problemen der Ideologiebildung, der Massenkultur und der Revolution, entstand eine Kulturkritik, immer in Bezug auf die Tiefenstruktur des modernen Lebens, die nicht nur Anhänger fand.


In seinem Hauptwerk „The Coming Crisis of Western Sociology“ formulierte Gouldner in den ersten beiden Teilen die Rekonstruktion soziologischer Theoriebildung mit Konzentration auf Parsons methodische Vorgangsweisen. Der dritte Teil ist eine umstrittene Studie zum Funktionalismus und Marxismus und dessen Auswirkungen im Ostblock. Im vierten Teil erarbeitete er die Grundlagen der Reflexiven Soziologie: Die Soziologie selbst sollte zur Praxis und somit zum Bestandteil der Alltagskultur werden. Das Hauptaugenmerk muss nach Gouldner in der Soziologie auf wissenschaftliche Analysen gelegt werden, diese wiederum müssen in die soziologische Theoriebildung eingebettet werden. Ist die Soziologie selbst Praxis, muss der Soziologe selbst auch Teil davon sein und dies in der Analyse berücksichtigen. Reflexion ist von Nöten da der Wissenschaftler dem Untersuchungsobjekt nicht wertfrei gegenüberstehen kann.


„Eine reflexive Soziologie wäre eine moralische Soziologie“.


Die Reflexive Soziologie stellt eine wissenschaftliche Haltung und Arbeitsethik des Soziologen dar.


Prinzip der Reziprozität (und Komplementarität):

Geben und Nehmen bzw. Tauschhandlungen in sozialen Beziehungen erfolgen nach bestimmten Regeln, die insgesamt "Reziprozitätsnorm" genannt werden können. Diese besagt, dass die Tauschbeziehung auf Gegenseitigkeit beruht, was zur Folge hat, dass sowohl der Gebende als auch der Nehmende diese Beziehung als befriedigendes Verhältnis empfindet.

Eine Formulierung der Reziprozitätsnorm besteht aus zwei Teilen. Das erste Prinzip lautet: „Du sollst denen helfen, die dir in der Vergangenheit geholfen haben.“ Das zweite Prinzip: „Du sollst denen, die dir in der Vergangenheit geholfen haben, nicht schaden.“ Das bedeutet, dass sich aus Erfahrungen in früheren Interaktionen mit einem Tauschpartner eine Verhaltensvorschrift für spätere Interaktionen ableitet. Daneben gibt es eine weitere Form, die sogenannte negative Reziprozität, die häufig als Rechtfertigung für Vergeltungsmaßnahmen Verwendung findet: „Du darfst denen, die dir in der Vergangenheit geschadet haben, schaden.“

Rezeption und Wirkung

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Mit der Reflexiven Soziologie beschäftigten sich in den USA während der 70er Jahre Generationen von Studenten. Die linksliberale Kritik der Schulsoziologie gibt Gouldners Werk als Standardliteratur an, welches sensible und informierte Kritik an den westlichen Soziologien übt. Gouldners Ansatz einer praktisch gewordenen Soziologie fand in den 80er Jahren in Deutschland in die wissensoziologisch informierte Verwendungsforschung Eingang.

Die Reziprozitätsnorm wurde von James Coleman im Bereich der „rational choice theory“ als rationale Erklärung für reziproke Tauschhandlungen und der daraus resultierenden Folgen verwendet.


Literatur

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  • , J., J. (1999)
    "Alvin W. Gouldner: Sociologist and Outlaw Marxist. Aldershot (u.a.)"
    Ashgate
  • Maier, J. (1984):
    "Gouldner, Alvin W In: Bernsdorf, W., Knospe, H. [Hrsg.] Internationales Soziologielexikon, Band 2"
    Stuttgart, S.302-303
  • Mutz, G./ Alvin W. Gouldner (2000):
    In Kaesler, D., Vogt, L. [Hrsg.]: Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart, S. 176-180

Dieses Kapitel oder Buch ist derzeit nicht ausreichend mit Quellen belegt. Du kannst mithelfen, es zu verbessern, indem du Zitate, Referenzen und/oder Quellen einarbeitest.

Internetquellen

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Granovetter, Mark

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Mark Granovetter


Biographie in Daten

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Granovetter Mark

  • geboren am 20.Oktober 1943


Ausbildung

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1965 A.B. (Bachelor of Arts) in “American and Modern European History”, Princeton University

1970 Promotion zum Dr. Phil (Ph.D.), Harvard University


Beruflicher Werdegang

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1970- 1973 Dozent an der Johns Hopkins University

1973- 1977 Harvard University

1986-1987 Gastdozent an der Stanford University

1989- 1992 Lehrstuhl für den Fachbereich Soziologie an der State University of New York,Stony Brook

1989 Gastdozent im Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin

1977-1992 Außerordentlicher Professor der Soziologie, State University of New York

1992-1995 Professor der Soziologie, Northwestern University

1994-1995 Direktor des Programms „business institutions“ , Northwestern University

1995- Professor der Soziologie, Stanford

1997- Joan Butler Ford Professor in the school of humanities and sciences, Stanford

2002-2005 Lehrstuhl für den Fachbereich Soziologie, Stanford


Weitere Tätigkeiten

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1998 Hauptredner und Ausbilder in der "Summer School for Graduate Students and Recent PhDs", Kenmare, Irland


Herausgebertätigkeit

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1975-1977, 1992-1994 Herausgeber des "American Journal of Sociology"

1996-1998 Herausgeber der "American Sociological Review"

1985- jetzt Herausgeber der Bücherreihe "Structural Analysis in the Social Sciences" Universitätszeitung Cambridge

1999-jetzt Herausgeber des "Journal of Consumer Culture"


Auszeichnungen

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Woodrow Wilson National Fellowship Foundation, Faculty Development Award National

Science Foundation Science Faculty Professional Development Award

1985 zum Mitglied der Sociological Research Association gewählt

1985 American Sociological Association annual Theory Section Prize für sein Werk "Economic Action and Social Structure"

1995 zum Mitglied der Johns Hopkins University Society of Scholars gewählt

1996 Ehrendoktorat der Universität Stockholm

2006 Ehrendoktorat der politischen Fakultät der Universität Paris


Mitgliedschaften

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1981- 1982 Mitglied in der John Simon Guggenheim Stiftung

1982-1983 National Science Foundation Science Faculty Professional Development Award

1985 Beitritt zur “Sociological Research Association”


Weitere Mitgliedschaften

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American Sociological Association

American Economic Association

International Network for Social Network Analysis (INSNA)

Society for the Advancement of Socio-Economics

European Association for Evolutionary Political Economy


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Granovetters Arbeit wurde hauptsächlich von seinem Lehrer Harrison White (Columbia) beeinflusst. Harrison Whites Theorien über soziale Netzwerke gaben Granovetter den Antrieb, sich auch mit dieser Materie aueinanderzusetzen.

"I have been greatly influence by my Ph.D. adviser, Prof. Harrison White (currently of Columbia University). In my view, he has the most original and sophisticated view of social theory of any living sociologist."(Granovetter, 2007)


Werke und Publikationen

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2006 “The Social Construction of Corruption”. verfügbar in Richard Swedberg and Victor Nee, The Norms, Beliefs and Institutions of Capitalism.

2005 “Shifting Boundaries and Social Construction in the Early Electricity Industry, 1878-1915”. With Patrick McGuire. In Joseph Porac and Marc Ventresca, editors, Constructing Industries and Markets, Elsevier Press.

2005 “Business Groups and Social Organization”. Pp. 429-450 in N. Smelser and R. Swedberg, editors, Handbook of Economic Sociology, 2nd edition. Russell Sage Foundation and Princeton University Press.

2005 “The Impact of Social Structure on Economic Outcomes”. Journal of Economic Perspectives

2003 “Ignorance, Knowledge and Outcomes in a Small World”. Science 301

2002 “A Theoretical Agenda for Economic Sociology”. Pp. 35-59 in Mauro Guillen, Randall Collins, Paula England and Marshall Meyer, editors. The New Economic Sociology: Developments in an Emerging Field. New York: Russell Sage Foundation.

2000 “Social Networks in Silicon Valley”. With Emilio Castilla, Hokyu Hwang and Ellen Granovetter. Pp. 218-247 in Chong-Moon Lee, William F. Miller, Marguerite Gong Hancock, and Henry S. Rowen, editors, The Silicon Valley Edge. Stanford: Stanford University Press.

1997 “Social Networks, Organizational Politics and Governance Coalitions: The Relationship Between Industrial Associations and the American Electricity Industry: 1885-1910”. With Chi-nien Chung. Sun Yat-Sen Management Review 6 1997

1995 "The Economic Sociology of Firms and Entrepreneurs". Pp. 128-165 in Alejandro Portes, editor, The Economic Sociology of Immigration: Essays in Networks, Ethnicity and Entrepreneurship. New York: Russell Sage Foundation .

1994 "Business Groups". Chapter 22 of the Handbook of Economic Sociology, edited by Neil Smelser and Richard Swedberg. Russell Sage Foundation and Princeton University Press.

1993 "Thomas Edison and the Social Construction of the Early Electricity Industry in America". With Patrick McGuire and Michael Schwartz. In Richard Swedberg, editor, Explorations in Economic Sociology, pp. 213-246. New York: Russell Sage Foundation.

1993 "The Nature of Economic Relationships". In Richard Swedberg, editor, Explorations in Economic Sociology, pp. 3-41. New York: Russell Sage Foundation.

1992 "The Nature of Economic Relations". In Sutti Ortiz and Susan Lees, Editors, Understanding Economic Process: Monographs in Economic Anthropology, No. 10, pp. 21-37. Lanham, MD: University Press of America.

1992 "Problems of Explanation in Economic Sociology". In Nitin Nohria and Robert Eccles, Editors, Networks and Organizations: Structure, Form, Action, pp. 25-56. Boston: Harvard Business School Press.

1992 "Economic Institutions as Social Constructions: A Framework for Analysis". Acta Sociologica

1991 "The Social Construction of Economic Institutions". In Amitai Etzioni and Paul Lawrence, editors, Socio-Economics: Toward a New Synthesis, Armonk and London: M.E. Sharpe.

1990 "The Myth of Social Network Analysis as a Separate Method in the Social Sciences". Connections 13 (1-2), Spring-Summer,

1990 "The Old and the New Economic Sociology: A History and an Agenda". In R. Friedland and A.F. Robertson, eds., Beyond the Marketplace: Rethinking Economy and Society, New York: Aldine.

1988 "The Sociological and Economic Approaches to Labor Market Analysis: A Social Structural View". In George Farkas and Paula England, eds., Industries, Firms and Jobs: Sociological and Economic Approaches, New York: Plenum Press.

1988 "Inequality and Labor Processes" (With Charles Tilly). In Neil Smelser, ed., Handbook of Sociology, Newbury Park, CA: Sage Publications.

1986 "Threshold Models of Interpersonal Effects in Consumer Demand. (With Roland Soong). Journal of Economic Behavior and Organization

1986 "The Microstructure of School Desegregation." In J. Prager, D. Longshore and M. Seeman, eds., School Desegregation Research: New Directions in Situational Analysis. New York: Plenum Press.

1986 "Labor Mobility, Internal Markets and Job-Matching: Comparison of the Economic and Sociological Approaches." Research in Social Stratification and Mobility

1974 Getting a Job: A Study of Contacts and Careers. Cambridge, MA: Harvard University Press.( Neuauflage 1995)

1973 "The Strength of Weak Ties." American Journal of Sociology,


Das Werk in Themen und Thesen

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The strength of weak ties

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"The strength of weak ties" ist Granovetters bekanntestes Werk. Wie findet man den richtigen Job? Durch Verwandte, Freunde, Jobagenturen oder Zeitungen? Genau jene Fragen stellte sich auch Granovetter. Er machte unzählige Befragungen zu diesem Thema und untersuchte, inwiefern soziale Beziehungen bei der Stellensuche behilflich sein können.

Granovetter fand heraus, dass die Hälfte der von ihm befragten Personen über persönliche Kontakte eine Stelle bekommen haben - jemand kennt jemanden, der auch jemanden kennt. Des weiteren sind schwache Bindungen (weak ties) nicht nur hilfreicher sondern auch effizienter, als enge zwischenmenschliche Beziehungen oder formelle Stellengesuche.

Seine Theorie löste eine Welle von Untersuchungen zu diesem Thema aus, wobei viele ihm zustimmten aber auch einige kritisierten.


Rezeption und Wirkung

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Granovetter gilt als einer der bedeutesten Soziologen der modernen Soziologie. Große Bekanntheit erlangte er durch seine Studien an sozialen Netzwerken. " The strength of weak ties" und "Getting a job" zählen zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Schriften.


Internetquellen

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Gumplowicz, Ludwig

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Biographie in Daten

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Ludwig Gumplowicz

  • geboren am 9. März 1839 in Krakau
  • gestorben am 19. August 1909 in Graz


  • Eltern: waren Juden, Namen sind unbekannt
  • Ehe: unbekannt
  • Kinder: keine


Biographie:

  • 1875: nach absolviertem Jus- und Publizistikstudium begann er eine akademische Lehrtätigkeit in Graz als Dozent für Verwaltungslehre
  • 1882: er wurde außerordentlicher Professor in Graz
  • 1893: er wurde ordentlicher Professor an der Uni Graz
  • 1905: er veröffentlicht das Buch "Geschichte der Staatstheorien"
  • 1909: Veröffentlichung des Buches "Der Rassenkampf"
  • 1910: nach seinem Tod, Veröffentlichung von "Sozialphilosophie im Umriss"


Historischer Kontext

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Gumplowicz kam in Krakau (welches damals noch zur Donaumonarchie zählte) zur Welt und war von jüdischer Abstammung, weshalb er schon früh mit den Problemen der Minderheiten vertraut war. Diese Problemstellung hat ihn auch sein Leben lang begleitet. Des Weiteren wurde er vom Sozialdarwinismus enorm beeinflusst, welcher zu dieser Zeit im Vormarsch war.

Zur Biographie:

Das Werk "Der Rassenkampf" wurde erstmalig nicht 1909, sondern bereits 1883 vom Verlag der Wagnerschen Universitätsbuchhandlung in Innsbruck herausgegeben.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Gumplowicz wurde, wie bereits erwähnt, sehr stark vom Sozialdarwinismus beeinflusst. Dieser stützt sich auf die Ideen von Charles Darwins Evolutionstheorie. Durch die biologische Entwicklung der Menschen soll mit logischem Schluss die Analyse menschlicher Gesellschaften folgen (siehe auch Positivismus). Die Hauptaussagen des Sozialdarwinismus waren folgende:

  • Kampf und Konflikt als Entwicklungsmotor für sozialen Wandel.
  • Die Chancen von Gruppen im Kampf hängen dabei von ihrer genetischen Überlegenheit ab.


Werke

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  • Grundriss der Soziologie. (Wien, 1877)
  • Rasse und Staat. (Wien, 1875)
  • Philosophisches Staatsrecht. (Wien, 1877)
  • Der Rassenkampf. (Innsbruck, 1883)
  • Die Soziologische Staatsidee. (Graz, 1892)
  • Soziologische Essays. (Innsbruck, 1899)
  • Geschichte der Staatstheorien. (Innsbruck, 1905)


Posthum:

  • Sozialphilosophie im Umriss. (Innsbruck, 1910)


Das Werk in Themen und Thesen

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Ausgangspunkt seiner Theorien waren die so genannten Gruppen (damals noch als „Rassen“ bezeichnet). Den Staat beschrieb er als „Unterwerfungsinstitution“ der jeweils an der Macht stehenden Gruppe. Er hat versucht, seine Gruppentheorie mithilfe der Sozialdarwinistischen Sichtweise zu erklären. Dabei versuchte er, den sozialen Wandel als ein Ergebnis des Konflikts zwischen Gruppen (in ethischer Hinsicht) zu erklären. Dies wird auch intersoziale Selektion genannt.

Eine weitere Aussage von ihm war folgende: „Nur eine soziale Einwirkung erzeugt einen sozialen Zustand“. Er verfolgt die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft von ihren Anfängen bis zum modernen Staat. Was er dabei beobachtet ist, dass der Mensch grundsätzlich Konflikte braucht, um überleben zu können. Gumplowicz meint, dass es nur durch Konflikte zu einer Weiterbildung der Gesellschaft kommen kann. Weiters ist er der Ansicht, dass zumeist eine Minorität die Herrschaft über eine Majorität ausübt.


Rezeption und Wirkung

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Aufgrund seiner rhetorischen Fähigkeiten als Vortragender hatte er zahlreiche Schüler im italienischen, polnischen, und auch deutschsprachigen Raum. Joseph Schmumpeter baute seine „Klassentheorie“ auf dem Werk „Rassenkampf“ von Gumplowicz auf. Durch seine Aussagen zur sozialen Gruppe hat er auch Vorarbeit für die heutigen Konflikttheorien geleistet. Gustav Ratzenhofer griff seine Ideen auf und versuchte diese weiterzuentwickeln. Des Weiteren beeinflusste er ebenfalls Albion Small, Ward, Trade, Durkheim, Simmel und Franz Oppenheimer.


Literatur

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  • Schmid, Josef in Oesterdiekhoff, Georg W. [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke"
  • Eisermann, G. in: Bernstorf, W./ Knospe, H. [Hrsg.] (1980):
    "Internationales Soziologenlexikon"
    Stuttgart
  • Mozetic, Gerald in: Kaesler, Dirk/ Vogt, Ludgera [Hrsg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart

Internetquellen

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Habermas, Jürgen

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Biographie in Daten

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 Jürgen Habermas

  • geboren am 18. Juni 1929


Eltern

  • Vater: Ernst Habermas, Geschäftsführer der Industrie und Handelskammer Köln (Sitz in Gummersbach)
  • Mutter: Grete Habermas, geborene Köttgen, Brauereibesitzertochter, Hausfrau


Geschwister

  • Hans-Joachim Habermas,
  • Anja Habermas


Ehe

  • Ute Wesselhoeft (1955)


Kinder

  • Tillmann Habermas (1956), Psychologe,
  • Rebekka Habermas (1959), Historikerin,
  • Judith Habermas (1967), Buchhändlerin


  • 18.Juni 1929: Habermas wurde als zweites von drei Kindern in Düsseldorf geboren. Er ist in Gummersbach, Nordrhein-Westfalen aufgewachsen und besuchte das Gymnasium, welches er 1949 mit dem Abitur abschloss.
  • 1949-1954: Studium der Philosophie, Geschichte, Psychologie, Germanistik und Ökonomie an der Universität in Göttingen (1949/50), sowie an den Universitäten in Zürich (1950/51) und Bonn (1951-1954).
  • 1954: Dr. phil. (Philosophie) an der Universität Bonn; betreut von Erich Rothacker(1888-1965) und Oskar Becker (1889-1964); Dissertation: "Das Absolute und die Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in Schellings Denken."
  • 1954-1956: Berufliche Tätigkeit als freier Journalist. Hochzeit mit Ute Wesselhoeft, sie schenkt Habermas drei Kinder.
  • 1956-1961: Habermas lebt mit seiner Familie in Frankfurt am Main.
  • 1956-1959: Auf Einladung von Theodor W. Adorno (1903-1969)hin, wird er Forschungsassistent am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main
  • 1959-1961: Zwei-jähriges Habilitations-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Universität Marburg.
  • 1961: Habilitation für Philosophie an der Universität Marburg bei Wolfgang Abendroth (1906-1985); Titel der Habilitationsschrift: "Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft". Sein ursprünglicher Betreuer der Habilitation, Max Horkheimer (1895-1973), verweigerte die Annahme der Arbeit.
  • 1961: Tätigkeit als Privatdozent.
  • 1961-1964: Außerordentlicher Professor der "Philosophie" an den Universitäten Heidelberg und Baden-Württemberg.
  • 1964-1971: Habermas lebt in Steinbach am Taunus, Hessen.
  • 1964-1971: Ordentlicher Professor der "Philosophie" sowie der "Soziologie" an der Universität Frankfurt am Main, Hessen; Habermas kündigt 1971 unter anderem wegen eines Streites mit der Studentenbewegung.
  • 1971-1983: Habermas lebt in Starnberg, Bayern.
  • 1971-1981: Zusammenarbeit mit Carl Friedrich Freiherrn von Weizsäcker (geb.1912), damaliger Direktor des neu gegründeten Max- Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg, Bayern.
  • 1971: Große Debatte mit Niklas Luhmann (1927-1998).
  • 1975-1982: Honorarprofessor am Fachbereich "Philosophie" der Universität Frankfurt am Main.
  • 1980-1982: Direktor des Max-Planck-Instituts für Sozialwissenschaften in München, Bayern.
  • 1983-1994: Habermas lebt in Frankfurt am Main, Hessen.
  • 1983-1994: Ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Frankfurt am Main; 1994 emeritiert.
  • seit 1983: Habermas ist auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Max-Planck-Instituts für Psychologische Forschung in München, Bayern. Daneben absolviert Habermas zahlreiche Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte in den USA und Europa. Fortlaufendes politisches Engagement, vor allem in der Studentenbewegung der 1960er-Jahre und gegen den Balkan-Krieg in Jugoslawien 1989.
  • 1986: Habermas war der Urheber des "Historikerstreits" über die Einzigartigkeit der Naziverbrechen sowie der Begriffe "Meinungsführerschaft" und "kulturelle Hegemonie".
  • seit 1994: Seit seiner Emeritierung (Pensionierung) 1994 lebt er in Starnberg, Bayern.


Historischer Kontext

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1928 wird Jürgen Habermas in eine Zeit großer gesellschafspolitischer und wirtschaftlicher Veränderungen hineingeboren. Durch das Ende des Feudalismus sind Staat und Gesellschaft nicht länger identisch. Eine veränderte Öffentlichkeit bringt dem Individuum die Möglichkeit, am Prozess der Ausbildung einer öffentlichen Meinung teilzunehmen. Prozesse und Zusammenhänge, die Habermas im Laufe seines Lebens beschäftigen werden.

1930 bis 1932 wurde die Welt von einer Wirtschaftskrise erschüttert, was zu einem dramatischen Anschwellen des Kommunismus und Faschismus führte. Habermas wuchs in der Stadt Gummersbach in den Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft auf. Fast die ganze Zeit seiner Kindheit und Jugend waren vom Nationalsozialismus, also von politischem Terror wie auch von der "Zwangsmitgliedschaft" in der Hitlerjugend geprägt. Als Sechzehnjähriger las er erstmals Karl Marx, das einzige Gedruckte, das für Schüler 1945 erschwinglich war.

Bereits vor dem 2. Weltkrieg, etwa zur gleichen Zeit wie der Wiener Kreis, entstand das Frankfurter Institut für Sozialforschung. Diese sogenannte Frankfurter Schule bemühte sich, die, gewissermaßen in eine Krise geratene, Gesellschaftstheorie von Karl Marx philosophisch, historisch und psychoanalytisch neu zu interpretieren. Habermas wird später selbst Mitarbeiter dieses Instituts. Der Kontakt mit der empirischen Sozialforschung beeinflusst und ermöglicht seine Entwicklung der kritischen Gesellschaftstheorie.

1955 heiratete Habermas Ute Wesselhoeft. Aus der Ehe gehen drei Kinder hervor: Tilmann (geb. 1956), Rebekka (geb. 1959) und Judith (geb. 1967). Stabile familiäre Verhältnisse boten den notwendigen Rückhalt, um sich in vielfältigen Bereichen und Debatten des öffentlichen Lebens zu engagieren.

Nach seiner Berufung nach Frankfurt am Main, als Professor für Philosophie beteiligte sich Habermas am sogenannten Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Dabei handelte es sich um eine Auseinandersetzung zwischen dem kritischen Rationalismus (Karl Popper, Hans Albers) und der kritischen Theorie (Max Horkheim, Theodor W. Adorno). Er vertrat die Ansicht, dass gesellschaftspolitische Thesen nicht wie naturwissenschaftliche Thesen falsifiziert werden können, um diese zu verbessern. Es gehe um die Emanzipation von gesellschaftlichen Zwängen.

1965 entwickelte sich von Berlin aus eine studentische Protestbewegung, welche die Forderung nach einer Reform der Hochschulen proklamierte. Neben "Weltnamen" wie Mao Tsetung oder Che Guevara bezog sich die Bewegung auch auf Theorien der Soziologie bzw. der Frankfurter Schule, welche Kritik an der kapitalistischen Überflussgesellschaft übten. Habermas beteiligte sich an der Debatte, distanzierte sich aber von der zunehmenden Radikalisierung der Bewegung, prägte den Begriff des "linken Faschismus" und zerwarf sich mit den Führern der Protestbewegung.

Der Tod Adornos brachte für Habermas erheblichen Organisationsaufwand mit sich, er verhalf Kolakowski an die Spitze der Berufungsliste für Adornos Nachfolge und setzte sich somit gegen die Basisgruppe, die den Studentenführer Oskar Neget als Nachfolger wollte, durch.

Habermas erlebte als Zeitzeuge die umwälzenden Veränderungen des 20. Jahrhunderts mit. Der unaufhaltsame Fortschritt des Kapitalismus und die zunehmende Technologisierung bzw. Modernisierung, bis in die Gegenwart des Kommunikations- und Internetzeitalters. In den 1970er Jahren betrachtete er die kritische Theorie bereits als überholt. "Die Entwicklung der technotronischen Gesellschaft hänge immer stärker von der Entwicklung der Wissenschaft und von einer Theorie der Wissenschaft ab". So beschäftigte er sich mit der Erforschung der Lebensbedingungen der technisch-wissenschaflichen Welt.

1986 entzündeten die Thesen des Berliner Historikers Ernst Nolte, welche die nationalsozialistische Massenvernichtung zu den stalinistischen Verbrechen in Beziehung setzten, den Historiker-Streit. Jürgen Habermas trat als Kritiker auf. Er betrachtete dies als Versuch, die Einzigartigkeit des Judenmordes zu relativieren.

Heute setzt sich Habermas mit der aktuellen politischen Situation, der Entwicklung der Demokratie und wie die Öffentlichkeit dieser gegenübersteht, auseinander und nimmt diesbezüglich Stellung. Er kritisiert die zunehmende Verflechtung von Staat, Wirtschaft und Wissenschaft, sodass Gesetze nicht durch einen unabhängigen Staat beschlossen, sondern von Lobbyisten, Verbänden, 'pressure groups' und all deren Einzelinteressen, beeinflusst werden. Er bemängelt, dass unpolitische, unkritische Bürger in einer politischen (demokratischen) Gesellschaft leben, diese jedoch keine kritische Öffentlichkeit bilden können.

2003 schrieb Habermas gemeinsam mit Jacques Derrida ein "Manifest des europäischen Selbstverständnisses", gleichzeitig diskutierte er über seine Sicht zur europäischen Union, über Schwierigkeiten und Notwendigkeiten, wie er sie sieht. Aber auch zu aktuellen ethischen Fragen, wie jene der Zulässigkeit von Gentechnik oder des amerikanischen Verhaltens im Irak, nimmt Habermas öffentlich Stellung.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Grundsätzlich könnte man sagen, Jürgen Habermas beginnt seinen geistigen, wissenschaftlichen Werdegang auf dem Fundament, welches Karl Marx errichtet hat. Das Studium von Marx verwickelt Habermas auch in die Erkenntnistheorie der Neuzeitlichen Philosophie, von Kant bis Hegel. Eine lange Zeit seines Lebens vertrat Habermas immer wieder Marxistische Thesen. Seine Studienjahre sind charakterisiert von der Dichotomie zwischen seinen philosophischen und seinen politischen Ansichten. Auch zeigte Habermas in jungen Jahren Interesse an dramatischer Literatur. (Georg Kaiser, Hasenclever, Wedekind, Satre,...)

Zur Zeit der Beschäftigung mit seiner Dissertation war Habermas in seinem Denken stark von Heidegger bestimmt. Später führten Heideggers Interpretationen der Tagespolitik diesen an die Seite der Nazis. In einem Aufsehen erregenden Artikel versuchte Habermas, sich über den politischen Inhalt Heideggers Werk Klarheit zu verschaffen. Zum Ersten mal sprang der Funke von der Philosophie zur Politik über.

Habermas soziologische Essays in den Jahren als freier Journalist veranlassten Theodor W. Adorno, ihn als Mitarbeiter im Institut für Sozialfoschung anzufordern. Dort arbeitete er neben Adorno auch mit Max Horkheimer, der auch einen Lehrstuhl inne hatte, zusammen und machte sich die Techniken der empirischen Sozialforschung zu eigen. Auf Grund Horkheimers Einwände gegen seine Dissertation verließ er das Institut und habilitierte in Marburg, bei dem Marxisten Wolfgang Abendroth.

1971 folgte Habermas einer Einladung der Max-Planck-Gesellschaft und übernahm den Posten des Direktors, gemeinsam mit Carl Friedrich von Weizsäcker, am neu gegründeten "Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt".

Denker wie Popper, Hans Albers oder Ernst Topitsch sowie Dahrendorf oder Scheuch haben Habermas insofern beeinflusst, als er sich gegen sie wandte. Und zwar nicht gegen deren empirisch-analytische Methode, sondern gegen die Deutung ihrer eigenen Forschung. Habermas meinte, die Forschung dürfe nicht gegen eine erkenntnistheoretische Selbstreflektion abgeschirmt werden.


Werke

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  • Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Darmstadt/Neuwied, 1980 (1962).
  • Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien, Frankfurt/a.M., 1993 (1968).
  • Erkenntnisse und Interesse. Mit einem neuen Nachwort, Frankfurt/a.M., 1994 (1968).
  • Technik und Wissenschaft als "Ideololgie", Frankfurt/a.M., 1968 (1968).
  • Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt/a.M., 1969.
  • Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie (mit T.W.Andorno, H.Albert, R.Dahrendorf, H.Pilot und K.H.Popper), Neuwied, 1996.
  • Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt/a.M., 1979 (1973).
  • Theorie des kommunikativen Handelns. Band 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, Frankfurt/a.M., 1995 (1981).
  • Theorie des kommunikativen Handelns. Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, Frankfurt/a.M., 1995 (1981).
  • Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt/a.M., 1986 (1983).
  • Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt/a.M., 1995 (1984).
  • Der philosophische Diskurs der Moderne. Frankfurt/a.M., 1986 (1985).
  • Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine poliltische Schriften V, Frankfurt/a.M., 1985 (1985).
  • Eine Art Schadensabwicklung. Kleine politische Schriften VI, Frankfurt/a.M., 1987.
  • Die nachholende Revolution. Kleine poliitische Schriften VII, Frankfurt/a.M., 1990.
  • Erläuterung und Diskursethik, Frankfurt/a.M., 1992 (1991).
  • Texte und Kontexte, Frankfurt/a.M., 1992 (1992).
  • Staatsbürgerschaft und Nationale Identität. Überlegung zur europäischen Union, St.Gallen, 1991.
  • Die Einbeziehung des Anderen. Studie zur politischen Theorie, Frankfurt/a.M., 1997 (1996).
  • Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck. Philosophische Essays, Frankfurt/a.M., 1997.
  • Der gespaltene Westen, Frankfurt/a.M., 2004.

Das Werk in Themen und Thesen

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Als Hauptwerk kann Jürgen Habermas zwei Bände umfassende Studie zur Theorie des kommunikativen Handelns betrachtet werden. Hierbei führt er den "Lebenswelt-Begriff" ein und meint damit, dass sprachliche Verständigung nicht fortwährend einer neuen Interpretation der Situationsbedingungen bedarf, weil diese in bereits eingelebte, intersubjektiv geteilte Hintergrundannahmen eingebettet ist. Diese bezeichnet Habermas als Lebenswelt bzw. als lebensweltliches Wissen (vgl. A. Schütz). Lebensweltliches Wissen wird nach Habermas, im Zuge der gesellschaftlichen Reproduktion, nicht einfach nur an die nächste Generation weitergegeben. Es finden dabei Lernprozesse statt, wodurch dieses Wissen vermehrt wird. Durch diese andauernde Ausdifferenzierung des Orientierungswissens, treten verschiedene Rationalitätsaspekte des kommunikativen Handelns gesondert hervor. Durch soziokulturelle Evolution treten die Mechanismen der Systemintegration aus der gesellschaftlichen Lebenswelt heraus und bilden, quasi als historisches Produkt, autonome Handlungssphären. So postuliert Habermas die Notwendigkeit der Systemanalyse, um die systemischen Formen der materiellen Reproduktion überhaupt untersuchen zu können.

Die Theorie des kommunikativen Handelns bildet gemeinsam mit der Theorie der gesellschaftlichen Evolution die Basis für eine kritische Analyse der Gegenwartsgesellschaft und der Abschätzung von Krisen- und Entwicklungstendenzen spätkapitalistischer Gesellschaften.

Als entscheidendes Merkmal kritischer Theorie gilt für Habermas dabei deren doppelte Reflexivität. Gemeint ist die Erklärung der gesellschaftlichen Evolution durch ihren gesellschaftlichen Entstehungszusammenhang (Bedingungen der Möglichkeiten und ihr gesellschaftlicher Verwendungszusammenhang).


Handlungstypen nach Habermas:

Soziales Handeln setzt sich zusammen aus kommunikativem Handeln sowie aus strategischem Handeln. Strategisches Handeln gliedert sich einerseits in verdeckt strategisches Handeln und offen strategisches Handeln. Verdeckt strategisches Handeln kann entweder als bewußte Täuschung bzw. Manipulation erfolgen, oder als unbewußte Täuschung, auf Grund durch das System verzerrte Kommunikation.


Der Strukturwandel der Öffentlichkeit

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Habermas beschäftigte sich in kritischer und historischer Absicht mit der Veränderung der Geschichte der westeuropäischen Staaten seit dem 18. Jahrhundert. Im Gegensatz zu Ralf Dahrendorf, der sich primär mit der Geschichte der Industriegesellschaft beschäftigte, stand für Habermas die bürgerliche Öffentlichkeit im Vordergrund. Habermas kam zur Erkenntnis, dass die bürgerliche Öffentlichkeit im späten 18. Jahrhundert entstand. Durch den Verfall des Feudalismus wurden Staat und Gesellschaft getrennt, es entstanden zwei verschiedene Sphären. Grund dafür war, dass erst durch das Auflösen des Absolutismus das Individuum in die Öffentlichkeit kam und sich aktiv am Prozess der öffentlichen Meinung beteiligte. Wichtig ist, dass Habermas unter dem Begriff „Öffentlichkeit“ den Bereich des gesellschaftlichen Lebens meint. Die Entstehung der bürgerlichen Öffentlichkeit begann nämlich in der Zeit, als das Bürgertum noch nicht mächtig genug war, sich gegen den Feudaladel zu wehren. Dieser schloss damals die Bürger von der Lenkung des Gemeinwesens aus.

Erst als der Feudaladel nicht mehr verhindern konnte, dass sich Bürger – vor allem Intellektuelle und organisierte Zünfte – zu einem „Publikum“ zusammenschlossen und versammelten, setzten sich diese in der Öffentlichkeit durch. Ziel war es, in Form von Kritik und Kontrolle an der absoluten Herrschaft der Feudalherren, einen allgemeinen rationellen Konsensus zu finden, durch den der allgemeine Wille und die Interessen vertreten werden sollten. Dieser Prozess fand vorzüglich in öffentlichen Clubs und Salons statt, aber auch bereits in der damaligen Presse. Es wurde über Literatur und Politik diskutiert. Die daraus entstehende politische Öffentlichkeit machte es sich nun zur Tugend zwischen Staat und Gesellschaft zu vermitteln, sie war Sphäre dazwischen. Primär daran beteiligt war jedoch nur das männliche Bürgertum, Frauen und die Arbeiterklasse hatten an diesen öffentlichen Willenskundgebungen erst noch keinen Anteil.

Dieses Modell der Öffentlichkeit entsprach auch der Form des damaligen Wirtschaftens, Habermas nannte es einen „liberalen Konkurrenzkapitalismus“. Der Zerfall dieser bürgerlichen Öffentlichkeit wurde schließlich durch den Spätkapitalismus ausgelöst, denn interessanterweise schieben sich nun Institutionen zwischen den Staat und den Bürger. Der Staat musste nun nicht nur die Interessen der Bürger berücksichtigen, sondern auch die Ansprüche der Arbeiterschaft anerkennen.

Für Habermas war schließlich die Einführung des allgemeinen Wahlrechts der eigentliche Grund, der zum Verfall der bürgerlichen Öffentlichkeit führte. Die aufstrebende Arbeiterschaft konnte nun durch ihre Wählerstimmen immer mehr Druck auf den Staat ausüben und stärkte so ihre Machtposition. Dies führte zu Änderungen, zu ihren Gunsten so wie im Bereich der privaten Produktion durch Gesetze und staatliche Normen vorzunehmen.

Die Folge war, dass es nun zu einer Aufhebung von Staat und Gesellschaft kam. Der Staat musste nämlich nun in die Teilhaberechte der Bürger eingreifen, weil der Kapitalismus verlangte, das Privateigentum in Bezug auf die Produktionsmitteln aufrechtzuerhalten. Daraus folgte, dass die Trennung von Staat und Gesellschaft sich nach und nach vollzog, denn der Prozess der Teilhabe setzte sich auch in den Großbetrieben fort und diese übernahmen zunehmend, aufgrund staatlicher Interventionen, nun sozialpolitische Aufgaben, wie Betriebsrenten oder betriebliche Fürsorge. Der Spätkapitalismus war so gekennzeichnet durch staatliche Interventionen einerseits und - aufgrund des Wahlrechts entstehende Massendemokratie - andererseits.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es anfänglich die Öffentlichkeit war, die dem Staat die Interessen vermittelte. Durch den Aufstieg der Arbeiterschaft, aufgrund des Wahlrechts, bekam das Bürgertum zunehmend Konkurrenz und verlor an politischer Kraft. Aber auch die Arbeiterschaft war auf der Verliererseite, denn mit der Übertragung staatlicher Gewalt auf halbstaatliche und private Organisationen minimierte sich auch ihr politischer Einfluss. Die bürgerliche Öffentlichkeit mit ihren stilisierten intellektuellen Diskussionen musste sich immer mehr zurückziehen, sie verlor ihre hohe Wirksamkeit, die sie bei der Emanzipation vom Feudaladel erlangt hatte. Der nachfolgenden proletarischen Arbeiterschaft wurde durch die frühzeitigen Vorsorgeleistungen die Chance genommen, sich selbstständig zu solidarisieren und emanzipieren. Diese Chance bekam sie teilweise in der Mittelstandsschicht wieder.

Rezeption und Wirkung

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Ohne jeglichen Zweifel entfaltete Jürgen Habermas mit seinem (bisherigen) Schaffen einen enormen Wirkungungskreis. Seine Arbeiten haben die sozialwissenschaftlichen (und philosophischen) Diskussionen im deutschsprachigen Raum und auch darüber hinaus maßgeblich beeinflusst bzw. angeregt. In Vielen wecken seine Interpretationen, Analysen und Theorien eine Faszination, aber auch mit massiven Kritiken sieht sich Habermas seit den Anfängen seiner Arbeit konfrontiert.

Habermas kann wohl als der bekannteste Vertreter, der aus der Frankfurter Schule hervorgegangenen, Kritischen Theorie bezeichnet werden. Auch heute ist er noch an Debatten beteiligt und beinflusst Diskussionen über Systemtheorie, Postmoderne, zivilem Ungehorsam und Autoritarismus. Es wird Habermas auch angerechnet, die angelsächsische Philosophie in Deutschland bekannt gemacht zu haben. Sein Werk wird als komplexe Diagnose der Chancen und Risiken unserer Zeit bezeichnet. Habermas darf mit Recht zu den großen Theoretikern des 20. Jahrhunderts gezählt werden, der sich darum bemühte, geschichtsphilosophische Motive in sozialwissenschaftliche Rekonstruktionen und Hypothesen zu transformieren.


Literatur

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Internetquellen

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Podcast-Tipp

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Soziopod #020: Frankfurter Schule – Die Verflüssigung der Macht

Halbwachs, Maurice

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Biographie in Daten

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Halbwachs Maurice

  • geboren am 11. März 1877 in Marne
  • gestorben am 16. März 1945 in Thüringen (KZ Buchenwald)


Eltern:

Gustave (-Francois-Antoine) Halbwachs, elsässischer Professor für Deutsch

Fèlice Halbwachs, Hausfrau

Kinder:

Francis und Pierre Halbwachs


Ausbildung:

  • Besuch des Lycée Michelet und des Lycée Henri-Quatre in Paris, Baccalaureat
  • bis 1898 Studium der Philosophie an der École Normale Supérieure in Paris
  • 1905 - 1909 Studium der Ökonomie, des Rechts und der Mathematik an der Sorbonne in Paris
  • 1909 Forschungsaufenthalt in Berlin, Studium der deutschen Wirtschaftstheorie und des Marxismuns
  • 1912 Einreichung der Habilitationsschrift an der Sorbonne


Berufliche Daten:

  • 1901 bis 1904 Professur am Lycée in Nancy und am Lycée in Tours
  • 1905 bis 1909 wichtiger Mitarbeiter von Émile Durkheim an dessen "Année Sociologique" in Paris, Betreuer der Bereiche Wirtschaft und Statistik, Mitarbeiter bei mehreren sozialistischen Zeitschriften
  • 1908 bis 1909 Professur am Lycée in Reims, Marne
  • 1909 Korrespondent der Zeitung "L´Humanité" in Paris
  • 1914 bis 1918 Angestellter im Kriegsministerium
  • 1919 Lehrbeauftragter für Philosophie an der Universität Caen, Calvados
  • 1919 bis 1935 Professur an der Universität Straßburg
  • 1935 bis 1944 Professur an der Sorbonne in Paris
  • 1942 bis 1944 Leiter der "Annales de Sociologie" in Paris
  • 1944 Ernennung zum Professor der Sozialpsychologie am Collége de France in Paris


Wichtige Ereignisse:

  • 1905 Bekanntschaft mit Émile Durkheim
  • 1906 Beitritt zur "Parti Socialiste Francais"
  • 1909 nach einem Bericht über einen von der Polizei niedergeschlagenen

Streik in Berlin folgte die Ausweisung aus Deutschland

  • 1913 Heirat mit Yvonne Basch
  • 1920er bis 1940er Jahre: Beschäftigung mit dem "memoire collective"
  • 1939 bis 1944 Leben in Paris, er arbeitete unter anderem mit Marcel Mauss zusammen
  • 23.7.1944 Verhaftung durch die Gestapo
  • 20.8.1944 Deportation in das KZ Buchenwald

Historischer Kontext

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Maurice Halbwachs war jüdischer Abstammung und arbeitete während des ersten Weltkrieges für das französische Kriegsministerium. Nach dem Krieg übernahm er einen Lehrstuhl an der französischen Universität Straßburg. Auch war er an der Universität Göttingen als Französisch-Lektor tätig. In dieser Zeit übernahm er wissenschaftliche Vermittlertätigkeit zwischen Frankreich und Deutschland. Durch Halbwachs wurde Max Weber in Frankreich bekannt.


Am 23. Juli 1944 wurde er als Sozialist von der Gestapo verhaftet, er starb acht Monate später im KZ Buchenwald.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Halbwachs wurde von unterschiedlichen Wissenschaftern beeinflusst:

Gottfried Leibniz (1646-1716): Jurist, Naturwissenschafter, Philosoph, Historiker, Politiker

Emile Durkheim (1858-1917): Soziologe, Lehrer von Halbwachs, spricht unter anderem von individuellen und kollektiven Repräsentationen

Henri Bergson (1859-1941): Lebensphilosophie, Existenzialismus, Lehrer von Halbwachs, entwickelt die Theorie, dass sich Erinnerung aus Bildern von abwesenden Dingen zusammensetzt. Das Gehirn akualisiert diese Bilder, um sie für eine spezifische Situation anwenden zu können. Halbwachs orientiert sich daran, nimmt allerdings eine Gegenposition zu dem Körper-Geist-Gegensatz von Bergson ein.

Marcel Mauss (1872-1950): Soziologe, Neffe von Emile Durkheim, Mitherausgeber von "L`Année sociologiqué".

Carl Gustav Jung (1875-1961): Begründer der analytischen Psychologie, Theorie des kollektiven Unbewussten, Halbwachs nimmt die Gegenposition ein.


Werke

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  • Soziale Formenlehre, 1938
  • La mémoire collective, Paris, 1950 (Das kollektive Gedächtnis, 1985)
  • Les cadres sociaux de la mémoire, 1952
  • Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 1966
  • Intellectuel en Guerres Mondiales, 1914-1945, 2003


Das Werk in Themen und Thesen

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Kollektives und individuelles Gedächtnis:

Nur Individuen haben psychische Zustände, also auch Erinnerungen. Diese sind von Gruppen bestimmt, an denen das Individuum teilnimmt. Die Erinnerungen der einzelnen Menschen stellen eine Funktion des kollektiven Gedächtnisses dar. Die möglichen Inhalte des Gedächtnisses werden durch die Partizipationsmuster der sozialen Gruppen bestimmt. Ganze Gesellschaften bilden ein kollektives Gedächtnis aus, das der eigenen Identitätssicherung und -stabilisierung dient. Für Halbwachs gibt es keinen individuellen Erinnerungsgehalt, da die Vorstellungen von vergangenen Ereignissen aus der rekursiven Rekonstruktion allgemeiner Elemente aufgebaut werden.


Kollektives und historisches Gedächtnis:

So wie einem Kind die Betrachtungsweise der Gruppe zugänglich gemacht wird, stellt es eine Verbindung mit dem Schema der Geschichte auf. Dementsprechend werden die Erinnerungen an diese Zeit vom historischen Gedächtnis geprägt. Halbwachs analysiert den Einfluss des historischen Gedächtnisses anhand der Biographie, Familienstruktur und Generationenfolge eines Individuums. Ereignisse der jüngeren Vergangenheit sind als soziale Tatsachen der aktuellen Gruppe präsent, während weiter Zurückliegendes weniger verfügbar ist, sobald das Individuum in andere Gruppen eintritt.


Die Sprache und das Gedächtnis:

Halbwachs nimmt eine innere Sprache des Menschen an und erklärt seine Theorie anhand von Träumen. Durch diese innere Sprache kann der Mensch im Traum Bilder von der Realität unterscheiden, denn er versteht, was er sieht. Dies kann nur gelingen, wenn die Abfolge der Bilder durch sprachliche und somit gesellschaftliche Formen bestimmt ist und nicht bloß durch Assoziationen auf Ebene der Bilder.


Rezeption und Wirkung

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Folgende Persönlichkeiten wurden von Halbwachs` Theorie des Kollektiven Gedächtnisses beeinflusst:

Ferdinand de Saussures (1857-1913): Sprachwissenschafter, Zeichentheorie

Kerwin Lee Klein: bezieht sich auf de Saussures` Zeichentheorie und versucht dadurch kollektives und individuelles Gedächtnis zu unterscheiden

Jan und Aleida Assman: beschäftigen sich unter anderem mit Halbwachs` Erkenntnissen

Pierre Noras: setzt sich mit Gedächtnisorten auseinander

Das Gedächtnis ist ein wesentlicher Forschungsgegenstand der Kulturwissenschaften. Aktuell wird versucht, dieses Phänomen durch Erkenntnisse aus der Neurobiologie zu erklären.

Literatur

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Microsoft Corporation [Hrsg.] (2006): Microsoft Lernen und Wissen DVD

  • Kwaschik, Anne (2004):
    "Rezension von Maurice Halbwachs: Stätten der Verkündigung Land. Eine Studie zum kollektiven Gedächtnis. hrsg. und übersetzt von Stephan Egger in Sehepunkte 4

Internetquellen

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Haug, Frigga

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Biographie in Daten

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Haug Frigga

  • geboren am 28.11.1937 in Mülheim a. d. Ruhr (in Nordrhein-Westfalen)


  • Eltern:

Vater: Heinz Langenberger, Diplom-Volkswirt

Mutter: Melanie Langenberger, geb. Kassler, Dipl. Volkswirtin


  • Geschwister:

Solveig Ehrler, geb. Langenberger (verstorben)

Harald Langenberger (verstorben)

Heinz-Reiner Langenberger


  • Kinder:

"Else" Laudan


Lebenslauf

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  • Allgemeines: Frigga Haug ist eine international renommierte Sozialwissenschaftlerin und Dr. Phil. in Soziologie und Psychologie.


  • 1959 - 1970: Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund
  • 1965: Frigga Haug erfüllt seit 1965 für die Zeitschrift "Das Argument" und den Argument Verlag verschiedenste Funktionen als Redakteurin, Mitherausgeberin, Geschäftsführerin und Verlagsleiterin. Die autonome Frauenredaktion gründete sich mit dem Heft 129 im Jahr 1981.
  • ab 1969: Mitglied der Frauenbewegung, im Aktionsrat zur Befreiung der Frau, später Sozialistischer Frauenbund Westberlin
  • 1971 - 1976: Lehraufträge an der Medizinischen Fakultät; Assistentin am Psychologischen Institut der FU Berlin
  • 1976: Promotion in Psychologie
  • 1977: Lehrstuhlvertretung am Institut für Klinische Psychologie in Kopenhagen
  • 1978: Habilitation für Sozialpsychologie
  • 1979: Gemeinsam mit Wolfgang Fritz Haug gründet sie die Berliner Volksuniversität und ist dort 19 Jahre lang, bis 1996, tätig
  • 1980 – 2001: Einstellung als Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Politik Hamburg. Weiters ist sie Gastreferentin und hält zahlreiche Gastprofessuren in Kopenhangen/Dänemark/Österreich (Innsbruck und Klagenfurt), Sydney/Australien, Toronto/Kanda, Durham NC /USA und erhält diverse andere Lehraufträge im In- und Ausland.
  • Bis dato: Vorsitzende im Institut für Kritische Theorie; Mitglied der Kommission für Psychologie, Pädagogik und Medizin im Bund demokratischer Wissenschaftler; Redakteurin der Zeitschrift "Forum Kritische Psychologie"


Forschungsschwerpunkte:

  • weibliche Vergesellschaftung und Frauenpolitik
  • Arbeit und Automation
  • sozialwissenschaftliche Methoden und Lernen


Auszeichnungen:

  • Zwei Festschriften – zum 50. und 60. Geburtstag:
  • Hauser (Hg.), "Viele Orte überall" Hamburg 1987
  • Meyer-Siebert, Merkens, Nowak, Rego Diaz (Hg.): "Die Unruhe des Denkens nutzen", Hamburg 1998


Weitere wichtige Ereignisse:

  • 1960: Heirat mit Peter Laudan (geschieden 1965)
  • 1965: zweite Ehe mit Wolfgang Fritz Haug


Historischer Kontext

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Frigga Haugs Kindheit haben besonders die Erlebnisse in der Zeit des zweiten Weltkrieges und die damit verbundene Armut wie auch der Tod ihres Vaters, welcher vor Stalingrad fiel, geprägt. Auch die enge Atmosphäre der Adenauer-Ära und die Mädchenoberschule, welche sie besuchte, hatte Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung. Vor allem blieb ihr der Sprung in eine andere Stadt – die Freie Universität als Aufbruch und als Produkt des Kalten Kriegs und damit die Stadt zwischen den Fronten - in Erinnerung.

Haug war Mitglied der 58-er Bewegung – eine Antiatombewegung, die Ostermarschbewegung, und gründete 1958 die Zeitschrift „Das Argument“. Um gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam zu rebellieren, trat sie dem sozialistischen deutschen Studentenbund bei und brach schließlich aufgrund der Geburt ihrer Tochter und Umzug nach Köln das Studium ab. Zwei Jahre später kehrte sie nach Berlin zurück, es kam zur Scheidung von ihrem ersten Mann und zur Ermordung von Benno Ohnesorg auf einer Demonstration in West Berlin gegen den Schah von Persien. Weiters wirkte Frigga Haug im Frauenbund, einer Gruppe, die sich 1968 als Aktionsrat zur Befreiung der Frau gebildet hatte. Dieser spaltete sich in eine Gruppe, die sich fortan Brot und Rosen nannte und eine zweite, die zunächst weiter den alten Namen trug, sich aber 1970 in "Sozialistischer Frauenbund Westberlin" umbenannte. Dieser Frauenbund bestand bis etwa 1980.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die Soziologin wurde vorallem von den Vertretern der Chicago School – welche ihr die Anziehung empirischer Arbeit vermittelte (wie Lazarsfeld u.a.;) beeinflusst. Durch die Ethnomethodologie und Ethnosoziologie erlangte Haug die Faszination für die Alltags und auch die Rollentheorie. Während der Studentenzeit kam das Interesse für Marx hinzu – der sie nach eigenen Angaben: "... bis heute herausfordert und wohl der einflussreichste unter ihren Lehrern war". Von großer Bedeutung war auch die Kritische Psychologie mit Klaus Holzkamp, ihrem Doktorvater. Die Kritische Psychologie will die bürgerliche Psychologie als Ganzes in eine kritische Subjektwissenschaft umzubauen. Haug war an der Bildung dieser Subjektwissenschaft insofern beteiligt, als sie als Lehrende am Institut für Kritische Psychologie unterrichtete und Studien zur Entwicklung der Arbeit und der Automation entwickelte. In der Reihe der Schriften für Kritische Psychologie gab Frigga Haug den Band- "Gesellschaftliche Produktion und Erziehung" heraus.

Die feministischen Schriftstellerinnen, allen voran Marge Piercy, aber auch Ursula K. Le Guin und die Theoretikerin Donna Haraway, lehrten Frigga Haug die Respektlosigkeit gegen die Biologietheorie. Des Weiteren befasste sie sich mit Industriesoziologie, betrieb über 15 Jahre Automationsforschung und beschäftigte sich mit dem Grenzgebiet zwischen Literatur und Philosophie – Brecht und Gramsci. Rosa Luxemburg, Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung und entschiedene proletarische Internationalistin, wie auch die als Idol der Frauenbewegung geltende Literatin Virginia Woolf, hatten Einfluss auf Haugs Arbeiten. Durch die Literatur von Irmtraud Morgner und Christa Wolf wurde sie zur Entwicklung der Methode der Erinnerungsarbeit inspiriert.


Werke

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Dies sind ihre wichtigsten Werke, wobei sie zusätzlich eine große Zahl von Artikeln, auch in Zusammenarbeit mit anderen Autoren, verfasste.

  • Kritik der Rollentheorie und ihrer Anwendung in der bürgerlichen deutschen Soziologie. Frankfurt/M. 1972, 3. Aufl.1975, 4. überarbeitete und aktualisierte Aufl. 1994
  • zusammen mit Projekt Automation und Qualifikation (PAQ): Automation in der BRD. Berlin 1975, 3. Aufl. 1979
  • Gesellschaftliche Produktion und Erziehung. Kritik des Rollenspiels. Frankfurt/M. 1977
  • zusammen mit PAQ: Theorien über Automationsarbeit. Berlin 1978
  • zusammen mit PAQ: Entwicklung der Arbeitstätigkeiten und die Methode ihrer Erfassung. Berlin 1978, 2. Aufl. 1979
  • zus. mit PAQ: Automationsarbeit: Empirische Untersuchungen. Band 1 Berlin 1980
  • (Hrsg.): Frauenformen. Alltagsgeschichten und Entwurf einer Theorie weiblicher Sozialisation. Berlin 1980, 3.Aufl. 1988; gänzlich überarbeitete und aktualisierte Auflage unter neuem Titel: Erziehung zur Weiblichkeit.Berlinund Hamburg 1991
  • (Hrsg.): Gesellschaftliche Arbeit und Individualentwicklung. Studien zur Kritischen Psychologie Band 20. Köln 1980
  • zus. mit PAQ: Automationsarbeit: Empirische Untersuchungen. Band 2 Berlin 1981
  • zus. mit PAQ: Automationsarbeit: Empirische Untersuchungen. Band 3 Berlin 1981
  • (Hrsg.): Sexualisierung der Körper. Frauenformen 2. Berlin 1983, 2. Aufl. 1988; 3. überarbeitete Auflage 1991
  • zus. mit PAQ: Zerreißproben. Automation im Arbeiterleben. Empirische Untersuchungen. Band 4 Berlin 1983
  • zus. mit Projekt Sozialistischer Feminismus: Gechlechterverhältnisse und Frauenpolitik. Berlin 1984
  • (Hrsg. zusammen mit K. Hauser) Subjekt Frau. Kritische Psychologie der Frauen 1. Berlin 1985, 2. Aufl. 1988
  • (Hrsg. zusammen mit K. Hauser) Der Widerspenstigen Lähmung. Kritische Psychologie der Frauen 2. Berlin 1986;2. Aufl. 1989
  • zusammen mit PAQ: Widersprüche der Automationsarbeit. Ein Handbuch. Berlin 1987
  • (Hrsg. zusammen mit G. Brosius): Frauen\Männer\Computer. Empirische Untersuchungen zur Büroarbeit. Berlin 1987
  • Female Sexualization. A Collective Work of Memory. London 1987
  • zusammen mit Frauenredaktion (Hrsg.): Frauenbewegungen in der Welt. Bd. 1: Westeuropa. Berlin 1988; Bd. 2: Dritte Welt. Berlin und Hamburg 1989; Bd. 3: Außereuropäische kapitalistische Länder, Berlin und Hamburg 1990
  • zusammen mit Hauser, K. (Hrsg.): Küche und Staat. Die Politik der Frauen. Berlin 1988
  • zusammen mit Projekt Automation und Qualifikation (Hrsg.): Politik um die Arbeit. Berlin 1988
  • Erinnerungsarbeit. Berlin und Hamburg 1990; 2. Aufl. 1993
  • zus. mit Hauser, K. (Hrsg.): Die andere Angst. Berlin 1991. 2. Aufl. Hamburg 1994
  • Beyond Female Masochism. Memorywork and Politics. London 1992
  • zus. mit Eva Wollmann (Hg.): Hat die Leistung ein Geschlecht? Erfahrungen von Frauen. Berlin und Hamburg 1993
  • Haug, Frigga mit Brigitte Hipfl (Hg.): Sündiger Genuss? Filmerfahrungen von Frauen. Hamburg 1995
  • Frauen-Politiken. Berlin/Hamburg 1996
  • zus. mit Michael Krätke (Hg.): Materialien zum Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus. Berlin und Hamburg 1996
  • Jedem nach seiner Leistung. Kriminalroman, Berlin und Hamburg 1996
  • Jedem nach seinen Bedürfnissen. Kriminalroman. Berlin und Hamburg 1997
  • (zus. mit S. Wittich-Neven (Hg.): Von Lustmolchen und Köderfrauen. Zur Politik um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Berlin und Hamburg 1997
  • Vorlesungen zur Einführung in die Erinnerungsarbeit. The Duke Lectures. Hamburg 1999 - amerikanische Ausgabe in Vorbereitung
  • Lernverhältnisse. Selbstbewegungen und Selbstblockierungen. Hamburg. 2003 ; 2.A 2004
  • (Hg.) Historisch-Kritisches Wörterbuch des Feminismus. Hamburg 2003
  • (Hg. zus. mit Katrin Reimer) Politik ums Kopftuch. Hamburg 2005
  • (Hg.) Nachrichten aus dem Patriarchat. Hamburg 2005
  • Sternschnuppen. Zukunftserwartungen von Schuljugend. Hamburg 2006
  • Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik. Hamburg 2007
  • Die Vier-in-einem-Perspektive. Politik von Frauen für eine neue Linke. Hamburg 2008, 3. Aufl. 2011
  • (Hg.) Briefe aus der Ferne. Anforderungen an ein feministisches Projekt heute. Hamburg 2010
  • (Hg. zusammen mit Sabine Gruber und Stephan Krull) Arbeiten wie noch nie!? Unterwegs zur kollektiven Handlungsfähigkeit. Hamburg 2010
  • (Hg.) Historisch-kritisches Wörterbuch des Feminismus. Band 2: Hierarchie/Antihierarchie bis Köchin. Hamburg 2011


Kleine Studienbücher

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  • Für eine sozialistische Frauenbewegung. Berlin 1978
  • zusammen mit überregionalem Frauenprojekt: Frauengrundstudium 1. Berlin 1980
  • zusammen mit PAQ: Bildungsökonomie und Bildungsreform. Berlin 1980
  • (Hrsg.): Frauen - Opfer oder Täter? Diskussion Berlin 1981, 6. Aufl. 1988
  • zusammen mit Projekt Arbeiterbewegung und Frauenbewegung: Frauenpolitik. Opfer-Täter-Diskussion 2. Berlin 1982
  • zusammen mit Frauenredaktion im Argument: Frauengrundstudium 2. Berlin 1982
  • zus. mit Frauenredaktion: Frauen und Moral. Frauengrundstudium 3. Berlin 1984
  • (Hrsg.): Massenmedien und soziale Herrschaft. Materialanalysen Berlin 1986



Das Werk in Themen und Thesen

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Haugs Buch "Kritik der Rollentheorie" erweckte großes und Interesse und erreichte in kürzester Zeit 70.000 Auflage. ZurArbeits- und Automationsforschung schrieb Haug 9 Bücher, in welchen sie sich mit der Theoriekritik, der historischen und der empirischen Forschung beschäftigt. Die Bücher stehen vor allem unter der zentralen These, dass die Entwicklung der Produktivkräfte für die Arbeitenden nicht dequalifizierend wirken müsse (wie dies allgemein damals die Auffassung war). Vielmehr vertrat Haug den Standpunkt, dass diese Entwicklung höhere Anforderungen stellen und hervorbringen könne und sah dies als Chance zu Entstehung einer neuen Gewerkschaftspolitik. Das Buch "Zerreißproben – Automation im Arbeiterleben“ zeugt von der Widerspruchsorientierung der angewandten Methode.

Zu Haugs einflussreichsten Werken zählt in der feminischten Theorie und Praxis die Entwicklung (mit wechselnden Gruppen) der Methode der kollektiven Erinnerungsarbeit. An vielen Orten der Welt (Australien, Kanada, USA, Skandinavien, Finnland, Österreich) bestehen Forschungen und Veröffentlichungen, die sich darauf beziehen. Erinnerungsarbeit beruht auf der Annahme, dass die Menschen ihre eigene Geschichte und so auch sich selbst machen, Frauen also auch an ihrer eigenen Unterdrückung mitwirken und sich daher auch selbst befreien müssen.

Im Kontext von Marxismus und Feminismus ist die wichtigste These: Geschlechterverhältnisse sind Produktionsverhältnisse – nachlesbar im Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus, Stichwort Geschlechterverhältnisse – eine These, die das Denken des Zusammenhangs von Frauenunterdrückung und Produktionsweise neu und radikal zu fassen ermöglicht.

Haug hat in der Entwicklung der empirischen Methoden gewirkt und in der Lerntheorie kritische Thesen zu Lernblockierungen angemerkt mit der zentralen Aussage, dass Verlernen Grundvoraussetzung von Lernprozessen ist.

Frigga Haugs Werke wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. So etwa der als Klassiker geltende Band "Sexualisierung der Körper" ins englische als auch koreanische, einer der Bände zur Erinnerungsarbeit ins Finnische (zur Zeit noch in Bearbeitung), der Aufsatz: "Frauen – Opfer oder Täter?" in 7 Sprachen.

Rezeption und Wirkung

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Persönliche Stellungnahme von Frigga Haug:

"Ich war immer streitbar, hatte immer eine große Menge von Anhängern, ebenso auch Feinde. Erinnerungsarbeit ist gewiss eine Schule – ebenso der feministische Marxismus, der marxistische Feminismus – die Thesen und Veröffentlichungen zur Automationsforschung gehören zum offiziellen Kanon der Industriesoziologie. Mein Lernbuch wird wie andere Schriften von mir weiter in der Universitätsausbildung benutzt; in der Erwachsenenbildung, Frauengruppen usw. werden Erinnerungsarbeit und die entsprechenden Bücher vielfach gelesen. Das historisch-kritische Wörterbuch des Feminismus ist ein Grundlagenwerk der theoretischen Arbeiten der zweiten Frauenbewegung."


Literatur

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  • Haug, Frigga:
    "Die Vier-in-einem-Perspektive. Politik von Frauen für eine neue Linke. 3. Auflage 2011. Originalsausgabe"
    Hamburg, 2008

Internetquellen

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Hoffmann-Nowotny, Hans-Joachim

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Biographie in Daten

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Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny

Hoffmann-Nowotny Hans-Joachim

  • geboren am 17. März 1934 in Mühlheim an der Ruhr (Niederrhein, Deutschland) als Sohn eines polnischen Einwanderers


  • 1961 Abitur
  • 1961-1966 Studium der Soziologie, Sozialpsychologie, Volks- und Betriebswirtschaftslehre sowie der Jurisprudenz an der Universität Köln
  • 1966 Heirat mit Maria Theresia, Lehrerin aus Deutschland
  • 1969 Promotion in Zürich (Soziologie)
    • Dissertationsthema: Migration. Ein Beitrag zu einer soziologischen Erklärung
  • 1973 Habilitation


Funktionen und Ämter

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  • 1973-2001 Lehrtätigkeit an der Universität Zürich
    • 1973-1974 als Privatdozent
    • 1974-1975 als außerordentlicher Professor
    • 1975-2001 als ordentlicher Professor
  • 1978-1986 Präsident des Research Committee on Migration der International Sociological Association
  • 1982-1986 Mitglied des Vorstandes und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft
  • 1982-2004 Stiftungsrat der Stiftugn für Weltgesellschaft
  • 1983-1988 Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie
  • 1983-1997 Direktor des Soziologischen Instituts an der Universität Zürich
  • 1996-2002 Präsident der Stiftung für Weltgesellschaft


Historischer und theoriegeschichtlicher Kontext

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Hoffmann-Nowotny befasste sich in den 1960er Jahren als einer der ersten Soziologen mit der Migration und gilt heute dank seiner umfangreichen theoretischen sowie empirischen Studien zu dieser Thematik auch als Begründer der westeuropäischen Migrationssoziologie. Sein wichtigstes Thema sollte dabei sein strukturtheoretisches Modell zur Migrationsanalyse werden, welches ihn international berühmt machte. Seine Arbeit dazu beruht auf der "Theorie der strukturellen und anomischen Spannungen" von Peter Heintz (wie Hoffmann-Nowotny ein Mitglied der World Society Foundation) und führt bzw. entwickelt diese weiter. Warum sich Hoffmann-Nowotny gerade mit diesem Thema beschäftigt hatte liegt vor allem aus zweierlei Gründen nahe: Erstens war schon sein Vater nach Deutschland als Gastarbeiter (oder wie man in der Schweiz sagt: als Fremdarbeiter) eingewandert und Hoffmann-Nowotny tat im Verlauf seines Lebens das selbe als akademischer Fremdarbeiter in der Schweiz. Zweitens waren gerade in den 1960er und 1970er Jahren die Fremdarbeiter in aller Munde, da eine "Überfremdung" befürchtet wurde. Die Fremdarbeiter wurden als ein soziales Problem gesehen, was sich letztendlich auch in mehreren Volksbegehren zeigte.


Die Migrationstheorie von Hoffmann-Nowotny

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Die Grundannahmen (strukturelle Spannungen)

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Zentrale Ausgangspunkte für Hoffmann-Nowotnys Migrationstheorie sind klassische soziologische Konzepte wie Macht und Prestige.

  • Macht: "das Ausmaß mit dem eine Einheit (Akteur, Individuum) seinen Anspruch auf Teilhabe (oder Besitz) an zentralen sozialen Werten durchsetzen kann"
  • Prestige: "das Ausmaß mit dem dieser Anspruch auf Teilhabe oder Besitz von sozialen Werten als legitim angesehen wird" [1]

Zentrale soziale Werte sind materielle und immaterielle Güter wie Einkommen und Bildung; aus der Teilhabe an diesen zentralen sozialen Werten ergibt sich ein sozialer Status. Diese Teilnahme aber wird durch einen institutionellen Rahmen ermöglicht oder nicht ermöglicht, denn diese Güter sind in einer Gesellschaft ungleich verteilt. Da nun Macht und Prestige auch ungleich verteilt sind in einer Gesellschaft, kommt es zu "Spannungen innerhalb der verschiedenen Systemeinheiten". [2]

Diese Spannungen treten in zwei verschiedenen Formen auf:

  • soziale Spannungen: Macht und Prestige beim einzelnen Akteur sind ausbalanciert, doch innerhalb der Gesellschaft besteht ein Ungleichgewicht bezüglich Macht und Prestige zwischen den verschiedenen Teilen der Sozialstruktur
  • strukturelle Spannungen: Macht und Prestige beim einzelnen Akteur sind nicht in Balance, es gibt also entweder ein illegitimes Machtdefizit (in der Regel bei unteren Schichten), oder ein illegitimer Machtüberschuss (bei den oftmals überpriviligierten hohen Positionen eines Systems)

Die strukturellen oder anomischen Spannungen können nun dazu führen, dass der einzelne Akteur versucht sein Macht-Prestige-Gefälle auszugleichen. Dies kann nach Hoffmann-Nowotny auf vier verschiedene Arten geschehen:

  • Statusmobilität: Veränderung der Position auf der Machtlinie eines sozialen Systems
  • Rollenakzentuirung: Wertlegung auf Macht bzw. Prestigehältige Rollen
  • kultureller Wandel: Umbewertung des Werte in einem sozialen System, führt zur subkulturellen Differenzierung
  • Migration: Aufgabe der bisherigen Statusposition, Abbau oder Verlagerung der anomischen Spannungen

Die Migration

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Nachdem klar macht, wie es überhaupt zu Migration kommt, versucht er die Migration selber in einem breiteren Rahmen zu beleuchten, da es, seiner Meinung nach, nicht ausreicht die internen Strukturmechanismen zu berücksichtigen, wenn man das Fremdarbeiterproblem sowie die Folgen der Migration für beide Seiten erklären will. Stattdessen müsse man auch die "endogenen Spannungen" berücksichtigen, also die Beziehungen zwischen den nationalen Gesellschaften. Dann ergeben sich zwei mögliche Ausgangspunkte für Migration:

  • Ausgangspunkt A: Ein einzelner Akteur ist zwar selbt im Gleichgewicht, befindet sich allerdings in einem nationalen System mit Machtdefizit. Er schätzt die Chancen seiner nationalen Gesellschaft auf Ausgleich dieses Defizits als gering ein und wählt daher die Migration.
  • Ausgangspunkt B: Ein einzelner Akteur selbst befindet sich in einem Macht-Prestige-Ungleichgewicht, welches aber nicht auf durch die Herkunft aus seinem nationalen Systems begründet ist. Allerdings schätzt er seine Chancen zum Spannungsabbau innerhalb dieses Systems als gering ein und wählt die Migration in eine Gesellschaft, in welcher er größere Chancen dafür sieht.


Die Auswirkungen der Migration

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Da Migration in der Regel von niedriger- zu höherentwickelten Nationen erfolgt, ergibt sich eine "Unterschichtung" der Einwanderungsnation. Neue soziale Positionen werden also geschaffen bzw. übernehmen Einwanderer die bisher von Einheimischen ausgefüllten Positionen. Für die Einheimischen ergeben sich daraus Vor- und Nachteile:

Vorteile Nachteile
Beschäftigungsstruktur wird expandiert durch die Unterschichtung werden die traditionellen Strukturen gefestigt
Größere Mobilitätschancen für Einheimische Unterschichtung lenkt ab von anderen gesellschaftlichen Problemen
Erhöhung der Positionen der Einheimischen auf den vorhanden Statuslinien (finanzieller und sozialer Aufstieg)
weniger Einheimische mit niedrigeren Positionen

Die auf den ersten Blick für die Einheimischen verlockenden Vorteile entpuppen sich nach und nach als Fallen. Die traditionellen Strukturen werden gefestigt und ein sozialer Wandel bleibt somit aus. Die Einheimischen haben nun höhere soziale Positionen als zuvor und fürchten sich vor einem erneuten Abstieg. Durch Qualifikation und Leistung können sie sich aber nicht schützen, da ihr erhaltener Machtüberschuss nicht unbedingt darauf beruht, dass sie besser qualifiziert sind als ein Eingewanderten. Dies führt dazu, dass andere Kriterien als Legitimation für höheren Status gefunden werden müssen und hier kommen Faktoren wie Ethnie und Nationalität ins Spiel. Es kommt nun zu, wie Hoffmann-Nowotny es nennt, "neufeudalen Tendenzen", denn der Zugang zu zentralen sozialen Werte, wie Einkommen und Bildung, wird nun für Migranten erschwert oder gar gesperrt. Eine vollständige Integration wird dadurch unmöglich gemacht.

Nach der Einwanderung erfolgt für die Migranten also ein Spannungsabbau, da sie in der neuen Gesellschaft in der Regel ein besseres Gehalt haben usw. Allerdings kann dieser Spannungsabbau nur so lange anhalten, wie sie sich an ihrer Herkunftsgesellschaft orientieren. Sobald sie dies an der neuen Heimat tun, entstehen neue Spannungen, da ihnen hier nicht die sozialen Werte und der Status zugänglich sind, die ihnen eigentlich zustehen würden. Die Migranten erleben sich in der Aufnahmegesellschaft als neue Unterschicht und der Kreis des Ungleichgewichts schließt sich für sie.

Lösungsansätze

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Migranten müssen sich in das Sprach-, Ausbildungs- und Berufssystem der Aufnahmenation integrieren, um der sozialen Unterpriveligiertheit zu entkommen. Durch solch eine komplette Assimilation in die Strukturen der neuen Gesellschaft werden größere Chancen für sich und die Nachkommen geschaffen. Allerdings entsteht dadurch die neue Gefahr, dass die eigene Kultur vernachlässigt wird, was oft zu internen Problemen wie Scheidungen und Eltern-Kind-Konflikten führt.


Werke

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  • Migration. Ein Beitrag zu einer soziologischen Erklärung, Stuttgart: Enke, 1970.
  • Soziologie des Fremdenarbeiterproblems. Eine theoretische und empirische Analyse am Beispiel der Schweiz, Stuttgart: Enke, 1973.
  • Umwelt und Selbstverwirklichung als Ideologie, München: Carl Friedrich von Siemsens Stiftung, 1977.
  • Soziale Indikatoren V. Politisches Klima und Planung. Konzepte und Forschungsansätze, Frankfurt: Campus, 1977.
  • Soziale Indikatoren VI. Messung sozialer Disparitäten. Konzepte und Forschungsansätze, Frankfurt: Campus, 1978.
  • Soziale Indikatoren VII. Soziale Indikatoren im internationalen Vergleich. Konzepte und Forschungsansätze, Frankfurt: Campus, 1980.
  • Soziale Indikatoren VIII. Sozialbilanzierung. Konzepte und Forschungsansätze, Frankfurt: Campus, 1981.
  • Auslander in Der Bundesrepublik Deutschland Und in Der Schweiz. Segregation Und Integration Eine Vergleichende Untersuchung, Frankfurt: Campus, 1982.
  • Soziale Indikatoren IX. Unbeabsichtigte Folgen sozialen Handelns. Konzepte und Forschungsansätze, Frankfurt: Campus, 1982.
  • Soziale Indikatoren X. Gesellschaftliche Berichterstattung zwischen Theorie und politischer Praxis. Konzepte und Forschungsansätze, Frankfurt: Campus, 1983.
  • Planspiel Familie. Familie, Kinderwunsch und Familienplanung in der Schweiz, Diessenhofen: Rüegger, 1984.
  • Soziale Indikatoren XI. Ansprüche an die Arbeit. Umfragedaten und Interpretationen, Frankfurt: Campus, 1984.
  • Chancen und Risiken multikultureller Einwanderungsgesellschaften, Bern: Schweizerischer Wissenschaftsrat, 1992.
  • Kinderzahl und Familienpolitik im Drei-Länder-Vergleich, Boppard am Rhein: Boldt, 1992.
  • Soziologische Marginalien zur Marginalisierung durch "illegitime" Geburt in: Ludwig Schmugge (Hg.): Illegimität im Spätmittelalter, München: Oldenbourg, 1994.
  • Kultur und Geselllschaft. Verhandlungen des 24. Deutschen Soziologentags, des 11. Österreichischen Soziologentags und des 8. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Zürich 1988, Frankfurt: Campus, 1998.
  • Das Fremde in der Schweiz, Zürich: Seismo, 2001.


Literatur

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  • Judith Katenbrink (2003):
    "Die klassische Migrationstheorie von Hoffmann-Nowotny: Darstellung und kritische Anmerkungen"
    München/Ravensburg


Internetquellen

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  • Hans-Georg Soeffner: Das Fremde im Eigenen. Zum Tode von Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny (Nachruf aus der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie). Weblink: [37]
  • Nachruf an Prof. Dr. Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny auf der Website der World Society Foundation. Weblink: [38]


Einzelnachweise

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  1. Judith Katenbrink: Die klassische Migrationstheorie von Hoffmann-Nowotny: Darstellung und kritische Anmerkungen, München/Ravensburg: Grin, 2003, S. 11
  2. Judith Katenbrink: Die klassische Migrationstheorie von Hoffmann-Nowotny: Darstellung und kritische Anmerkungen, München/Ravensburg: Grin, 2003, S. 12

Homans, George C.

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Biographie in Daten

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Homans George Caspar

  • Geboren am 11. August 1910 in Boston, Massachusetts (USA)
  • Gestorben am 29. Mai 1989 in Cambridge, Massachusetts (USA)


  • Eltern: Robert Homans (Rechtsanwalt; Mitglied der Harvard Corporation); Abigail Adams Homans (Nachfahrin des 2.Präsidentden der Vereinigten Staaten John Adams)
  • Ehe: Nancy Parshall Cooper; 1941
  • Kinder: Elizabeth Susan, Peter


Beruflicher Werdegang

Homans hätte aufgrund einer langen Familientradition Anwalt werden sollen, strebte aber anfänglich eine Karriere als Journalist an.

  • 1923-1928: Besuch der angesehenen St. Paul's School in Concord, New Hampshire
  • 1928-1934: Studium der englischen und amerikanischen Literatur an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts
  • 1932/1933: Assistent von Professor Lawrence Joseph Henderson, er unterstützte diesen bei einem Seminar über Vilfredo Pareto
  • 1934-1939: Studium der Soziologie, wiederum an der Harvard University, später Beginn des Studiums der Anthropologie, er schloss jedoch keines dieser Studien ab
  • 1941-1945: Teilnahme am 2. Weltkrieg als Lieutenant Commander
  • 1939-1980: Mitglied der Harvard University in Cambridge
  • bis 1946: Faculty Instructor als Nachfolger von Robert K. Merton
  • 1946-1953: Associate Professor
  • 1955-1980: Full Professor of Sociology an der Harvard University
  • 1970: Neugründung des Departments of Sociology (ehemaliges Department of Social Relations), wobei Homans den Vorsitz ("Chairman") übernimmt
  • 1980: Emeritiert

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Einer seiner Lehrer während des Englischstudiums war Bernard DeVoto, der ihm Vifredo Paretos Werk Trattato di Sociologia ans Herz legte. Lawrence Joseph Henderson, Professor für Biochemie, entschied sich zwei Jahre später dazu, ein Seminar über Vilfredo Pareto zu halten und suchte dafür einen Assistenten. Homans, der bei der Suche nach einer Stelle als Journalist erfolglos war, wurde hierfür unbezahlt eingestellt. Homans' Einstieg in die Soziologie vollzog sich damit in einem besonders günstigen Umfeld, lernte er doch Joseph Schumpeter, Talcott Parsons, Pitirim A. Sorokin und Robert K. Merton kennen. Auf Empfehlungen hin studierte er bei Charles H. Ilwain Geschichte und verfasste das Buch English Villagers of the Thirteenth Century. Ab 1942 arbeitete er eng mit Elton Mayo zusammen, der ihn zur Lektüre von Radcliffe-Brown und Bronislaw Malinowski veranlasste.

Homans stützt sich in seiner Argumentation stark an die Verhaltenspsychologie, jedoch nicht dem behavioristischen Forschungsprogramm von Buurhus F. Skinner. Über Lern- und Wirtschaftstheorien gelangt er so zu einer verhaltenstheoretischen Soziologie und Austauschtheorie.

Bereits sein Buchtitel Social Behavior (dt. Elementarformen sozialen Verhaltens) weist darauf hin, dass sich Homans nicht auf die Grundbegriffe von Max Weber einlässt, die zu diesem Zeitpunkt bereits hoch anerkannt waren, sondern sich weigert, das Zusammenleben von Menschen der Soziologie alleine zu überlassen. Dadurch verwischt sich in seiner Lehre die Trennung von Soziologie und Psychologie. Dessen ist er sich aber durchaus bewusst, in Elementarformen sozialen Verhaltens weist er sogar ausdrücklich darauf hin, dass er sich damit gegen Durkheims Standpunkt stellt, Soziales ausschließlich durch Soziales zu erklären.

Werke

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  • An Introduction to Pareto: His Sociology (mit C. P. Curtis), New York, 1934
  • English Villagers of the Thirteenth Century, Cambridge, 1941
  • The Human Group, New York, 1950; dt: Theorie der sozialen Gruppe, 1960
  • Bringing Men Back In, in: American Sociological Review 29, 1964
  • Social Behavior: Its Elementary Forms, New York, 1961/1974; dt: Elementarformen sozialen Verhaltens, 1968
  • Sentiments and Activities: Essays in Social Science, London, 1962
  • A Life of Synthesis, in: American Behavioral Scientist 12, 1968
  • The Nature of Social Science, New York, 1967; dt: Was ist Sozialwissenschaft?, 1969
  • Coming to My Senses: The Autobiography of a Sociologist, New Brunswick, 1984
  • Certainties and Doubts. Collected Papers 1962-1985, New Brunswick, 1987


  • R. L. Hamblin und J. H. Kunkel (Hrsg.): Behavior Theory in Sociology. Essays in Honor of George Caspar Homans, New York, 1977
  • H. W. Boger: Der empirische Gehalt der Austauschtheorie von George Caspar Homans, Berlin, 1986

Das Werk in Themen und Thesen

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Theorie der sozialen Gruppe (The Human Group), New York, 1950

Unter einer sozialen Gruppe versteht Homans Personen, die dauerhaft und wechselseitig interagieren und an der Zahl so viele sein dürfen, dass jeder mit jedem in direkten Kontakt (face to face) treten kann. Um diese Definition an Webers Grundbegriffe anzuknüpfen, also eine soziale Beziehung mit einer überschaubaren Anzahl von Mitgliedern. Homans beschäftigt sich so vordergründig mit Mikrosoziologie, formuliert seine allgemeineren Theorien aber derart, dass sich daraus sozialwissenschaftliche Gesetze ergeben, die auf die Grundgesamtheit der Gesamtgesellschaft schließen lassen. Er unterzieht folgende fünf Gruppen seinen Überlegungen:

  • den "Bank Wiring Observations Room" aus der Hawthorne Studie
  • die "Norton Street Gang" aus W. F. Whytes Street Corner Society
  • die Familie auf der Insel Tikopia,
  • Hilltown (eine sozial desintegrierte Gemeinde),
  • eine Elektrofirma, zusammen mit den Daten der Arensberg/Macgregor-Studie

Trotz grundsätzlichen Verschiedenheiten dieser Gruppen zieht er dabei folgende Einheitlichkeit heraus:

  • Aktivität
  • Interaktion zwischen Gruppenmitgliedern
  • Gefühl der Zusammengehörigkeit und Solidarität
  • Explizit oder implizit formulierte Normen

Ergebnis ist, dass es in allen Gruppen gleichermaßen gruppenformende Kräfte gibt, die einer beständigen Situation von gegenseitiger Abhängigkeit ausgesetzt sind. So gilt beispielsweise: Je häufiger Menschen freiwillig miteinander in Kontakt treten, desto eher entsteht Sympathie und andersherum ist die Chance hoch, dass sich Gruppenmitglieder, die sich sympathisch finden, häufig in Kontakt treten.


Elementarformen sozialen Verhaltens (Social Behavior: Its Elementary Forms), New York 1961

Homans geht dabei mit einer strukturell-individualistischen Theorie davon aus, gesellschaftliche Ordnungen seien das Ergebnis einer Vielzahl individueller Handlungen. Neben den gesetzmäßigen Aussagen leugnet er aber keineswegs unbeabsichtigte und unerwünschte Ergebnisse.

Die sechs prägnantesten Hypothesen zur Handlungstheorie formuliert er als Wenn-dann- bzw. Je-desto-Hypothesen:

  • Erfolgshypothese: Je häufiger eine bestimmte Handlung einer Person belohnt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Person diese Handlung wiederholen wird.
  • Stimulushypothese: Wenn früher in einer bestimmten Reizsituation Handlungen belohnt wurden, dann gilt, je ähnlicher die gegenwärtige Reizsituation der damaligen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Handlung wiederholt wird.
  • Werthypothese: Je wertvoller das Ziel (z.B. in Hochkostensituationen), desto wahrscheinlicher ist, dass die erforderliche Handlung ausgeführt wird.
  • Deprivations-Sättigungs-Hypothese: Je häufiger eine bestimmte Handlung belohnt wird, desto weniger wertvoll ist jede weitere Belohnung dieser Art.
  • Aggressions-Billigungs-Hypothese: 1) Wenn eine Person für eine Handlung nicht die erwartete Belohnung erhält, verärgert dies; die Resultate des folgenden aggressiven Verhaltens werden dann für die Person wertvoll. 2) Wenn eine Person nicht die erwartete Bestrafung erhält, sondern eine Belohnung bekommt, wird diese Person auch das gleichartige Handeln anderer tolerieren und diese Ergebnisse als wertvoll erachten.
  • Rationalitätshypothese: Hat eine Person die freie Wahl zwischen mehreren Handlungsoptionen, wird sie jene bevorzugen, deren Handlungskonsequenzen multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit am größten ist.

In sozialen Beziehungen ist aber die Verteilung von Macht und Autorität verschieden, wodurch manche über die Fähigkeit verfügen, Belohnungen zu verteilen.


Weiterhin sind die Ausführungen über Bestrafung erwähnenswert: Wirkt bei einer Person Bestrafung nicht, wird das Maß dieser erhöht. Folge ist entweder, dass a) die Sanktion zum Einlenken bewegt oder b) die erhöhte Bestrafung Verärgerung hervorruft. Dies ist der häufigste Fall, wenn Belohnungen ungerecht verteilt werden, und führt zu abweichendem Verhalten, das gegen die Sanktionsgewalt gerichtet ist.


Was ist Sozialwissenschaft ? (The Nature of Social Science) New York, 1967

Homans zufolge gilt es, adäquat zu bleiben, sowohl übertriebene Hoffnungen zu dämpfen, wie auch tiefen Enttäuschungen entgegenzutreten. Er hat es stets abgelehnt, einen hohen Zaun um die einzelnen Sozialwissenschaften aufzustellen, eine Vorgehensweise die in den Vereinigten Staaten einiges an Rechtfertigung verlangt. Die Soziologie und die Naturwissenschaften unterscheiden sich nicht prinzipiell, sondern nur graduell, er fordert dabei sogar die Angleichung und nicht Abgrenzung. Diese Vermischung hat ihm so manche Kritik eingebracht. Auch wenn die allgemeinsten Hypothesen der Soziologie aus der Verhaltenspsychologie stammen, so liegt die Anwendung und Weiterentwicklung zur Erklärung sozialer Phänomene bei den Soziologen, die Psychologie gibt sich hier auffällig zurückhaltend.


Die Illusion der freien Wahl

Homans spricht hier sehr direkt von der lediglichen "Illusion", denn er denkt, alles, was Menschen tun, ist absolut vorherbestimmt. Dies ist aber weniger als Prophezeiung zu verstehen, sondern eher als erlernte und soziale Bedingtheit, welche menschliches Handeln vorausbestimmt. Jedoch ist ein solcher Determinismus nicht belegbar und somit nur eine Glaubenssache in der Wissenschaft. Die Menschen können darüber durchaus glücklich sein, dürfen sie doch weiter daran glauben, aufgrund ihrer eigenen Entschlüsse ihre Lebensbedingungen schaffen zu können.

Rezeption und Wirkung

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Die Wirkung, die Homans auf die soziologische Folgegeneration ausgeübt hat, ist oft nicht unmittelbar sichtbar. Jedoch hat er unbestritten dazu beigetragen, dass in der Soziologie klare und überprüfbare Hypothesen sowie verständliche Argumentationen vermehrt verwendet werden. Von den Soziologen des 20. Jahrhunderts war Homans der erste, der vehement den individualistischen Ansatz vertreten hat.

Sein Werk war in seinem vollen Umfang nie unumstritten, jedoch sind einzelne Teile, wie die Hypothesen über den sozialen Tausch und seine Theorie der sozialen Gruppe, zu soziologischem Allgemeingut geworden. Weitestgehend anerkannt ist seine grundlegende Idee, befriedigende Erklärungen gesellschaftlicher Prozesse nur dann als möglich anzusehen, wenn diese aufgrund des Zusammenwirkens von Einzelpersonen entstanden sind.

In der einleitenden Anmerkung zu Theorie der sozialen Gruppe verdeutlicht Robert K. Merton den Stellenwert dieses Werkes. So bezeichnet er es als die bahnbrechendste Analyse zur soziologischen (Klein-)Gruppentheorie seit Georg Simmel.

Aber so groß das Ansehen war, so wenig wurde diese Thematik weiter behandelt. Ob die Kleingruppenforschung erschöpft ist oder der Erkenntnisgewinn zu gering, sei dahingestellt, fest steht jedoch, dass in erwähnenswerter Weise nur noch die Sozialpsychologie sich dieses Thema angenommen hat.

Aufgenommen und weiterentwickelt wurden seine Ideen insbesondere in der Theorie des Marktes von Peter Kappelhoff und bei Victor Nees‘ Abhandlung über Normen.

Anwendung fanden sie auch bei Karl-Dieter Opp, der bestehende Theorien abweichenden Verhaltens mit dem individualistischen Ansatz weiterentwickelte.


Literatur

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  • Homans, George Caspar (1972):
    "Elementarformen sozialen Verhaltens"
    Opladen
  • Homans, George Caspar (1972):
    "Was ist Sozialwissenschaft?"
    Opladen
  • Hillmann, Karl-Heinz (1994):
    "Wörterbuch der Soziologie"
    Stuttgart
  • Opp, Karl-Dieter (2000):
    "George Caspar Homans" in: Kaesler, Dirk / Vogt, Ludgera (Hrsg.): "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Opp, Karl-Dieter / Wippler, Reinhard (1999):
    "George Caspar Homans" in: Kaesler, Dirk (Hrsg.): "Klassiker der Soziologie. Bd. 2: Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu"
    München

Internetquellen

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Honneth, Axel

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Axel Honneth 2008

Biographie in Daten

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Honneth Axel

  • geboren 1949 in Essen


Lebenslauf

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  • 1969: Abitur in Essen
  • 1969-74: Studium der Philosophie, Soziologie und Germanistik in Bonn und Bochum (MA in Philosophie)
  • 1974-76: Fortsetzung des Studiums an der FU Berlin
  • 1977- 82: Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie der FU- Berlin
  • 1982-83: Forschungsstipendium vermittelt von Jürgen Habermas am Max- Planck- Institut für Sozialwissenschaften, München
  • 1983: Hochschulassistent am Fachbereich Philosophie der Johann Wolfgang Goethe- Universität- Frankfurt/M
  • Okt. 1989- Juli 1990: Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin
  • 1990: Habilitation in Fachbereich Philosophie in Frankfurt/M.
  • 1991: C3- Professor für Philosophie an der Universität Konstanz
  • 1992: C4- Professor für politische Philosophie am Otto- Suhr- Institut der FU Berlin
  • Sep. 1995- Apr. 1996: Theodor- Heuss- Gastprofessor an der New School for Social Research in New York, USA
  • 1996: C4- Professor für Sozialphilosophie an der Johann Wolfgang Goethe- Universität in Frankfurt/M., Mitglied des Kollegiums des Instituts für Sozialforschung
  • Apr.- Juni 1999: Vertreter des Spinoza- Lehrstuhls am Department of Philosophy der University Amsterdam
  • 2001: seit April 2001 geschäftsführender Direktor des Instituts für Sozialforschung.
  • 2005: Tanner Lectures on Human Values an der University of California, Berkeley
  • 2006: Gastprofessur an der Ecole des Hautes Etudes et Sciences Sociales, Paris


Historischer Kontext

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Es ist nicht anzunehmen, dass es bedeutende historische Ereignisse von allgemeiner Relevanz im Leben Axel Honneths gab, die ihn über das, in der Natur von Ereignissen liegenden Maß beeinflusst hätten. Aus seinem privaten Leben ist wenig in der Öffentlichkeit publik.

Sein „Anerkennungsbewußtsein“ aber hat biographische Wurzeln. Honneth wurde als Sohn eines Arztes 1949 in Essen geboren, wo er eine gut behütete Kindheit erleben durfte. Auf einem Reformgymnasium lernte Honneth Mitschüler aus Bergarbeiterfamilien kennen und so auch deren existentiellen Alltagsnöte. Honneth erinnerte sich: „Wir schämten uns wechselseitig: die einen ihres Reichtums, die anderen ihrer Armut“.

Honneth war begeisterter Wilder, Williams, Steinbeck, Böll, Walser und Handke -Leser. Er begeisterte sich allgemein für Theater, Oper und Literatur, umso überraschender war es als er Germanistik nur als Nebenfach besuchte und als Hauptfach Philosophie wählte.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Axel Honneth war Schüler von Jürgen Habermas. Dieser vermittelte ihn auch 1982 das Forschungsstipendium am Max- Planck- Institut für Sozialwissenschaften. Honneth ist seit 2001 geschäftsführender Direktor an jenem Institut, an dem einst der Philosoph und Soziologe Max Horkheimer und der deutsche Philosoph, Soziologe, Kulturkritiker, Musiktheoretiker und Komponist Theodor W. Adorno begonnen hatten, die Gesellschaft theoretisch- kritisch zu durchleuchten. Durch Axel Honneth hat ihre kritische Gesellschaftstheorie wesentliche Modifikationen erfahren. Genau wie Habermas hat Honneth den Vorwurf der Überrationalisierung erhoben. Er stellt Habermas rationalem Diskurs eine, auf einer tieferen Ebene angesetzten, „Theorie der Anerkennung“ gegenüber. Auf dieser bildet sich erst durch gegenseitige Anerkennung unsere subjektive Identität und Ich- Souveränität. Die Dichotomie „Anerkennung – Missachtung“ und die Überlegung, dass die Identität eines Menschen vor allem durch die Missachtung bedroht sei, hat der Konfliktsoziologie neue Türen geöffnet.

Werke

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1989: Kritik der Macht. Reflexionsstufen einer kritischen Gesellschaftstheorie

1992: Kampf um Anerkennung

1993: Kommunitarismus- Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften

1994: Desintegration - Bruchstücke einer soziologischen Zeitdiagnose

1999: Die zerissene Welt des Sozialen. Sozialphilosophische Aufsätze

2000: Das Andere der Gerechtigkeit. Aufsätze zur praktischen Philosophie

2000: Deutsche Philosophie und deutsche Politik (mit John Dewey)

2001: Leiden an Unbestimmtheit. Eine Reaktualisierung der Hegelschen Rechtsphilosophie

2002: Kommunikatives Handeln (mit Hans Joas)

2003: Unsichtbarkeit. Stationen einer Theorie der Intersubjektivität

2003: Umverteilung oder Anerkennung? ( mit Nancy Fraser)

2003: Befreiung aus der Mündigkeit. Paradoxien des gegenwärtigen Kapitalismus

2004: Sozialphilosophie zwischen Kritik und Anerkennung

2005: Verdinglichung - Eine anerkennungstheoretische Studie

2006: Schlüsseltexte der Kritischen Theorie

2007: Eine soziale Pathologie der Vernunft. Geschichte und Gegenwart der Kritischen Theorie

2007: Von Person zu Person (mit Beate Rössler)


Sonstige Tätigkeiten

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Herausgebertätigkeiten für drei internationale Fachzeitschriften: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, European Journal of Philosophy und Constellations sowie im Rahmen zweier Buchreihen: Theorie und Gesellschaft, Campus Verlag; POLIS, Akademie-Verlag.


Laufende Forschungsprojekte

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Honneth arbeitet zur Zeit an folgenden Forschungsprojekten:

  • Persönlichkeit in der Bewerbung? - Performative Regeln im Verkauf der Arbeitskraft
  • Die Bewährung von Paarbeziehungen in der Bewältigung des Alltags. Zur Struktur und Entwicklung der partnerschaftlichen Kooperation in Hausarbeit, Erwerbsarbeit und Kinderfürsorge
  • Leistung in der Marktgesellschaft: Erosion eines Deutungsmusters?
  • Neue Väter – andere Kinder? Vaterschaft, familiale Triade und Sozialisation


Das Werk in Themen und Thesen

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Im Bereich der Sozialphilosophie

  • Systematische Grundlagen einer Theorie der Anerkennung, Entwicklung einer pluralen Theorie der Anerkennung
  • Rekonstruktion der Moralität interpersoneller Beziehungen

Im Bereich der Logik der Sozialwissenschaften

  • Fortentwicklung einer kritischen Gesellschaftstheorie
  • Auseinandersetzung mit neueren Ansätzen der Sozialontologie und der Systemtheorie


Honneths spezielles Forschungsgebiet ist die Sozialphilosophie. Im Zentrum seines Werkes „Verdinglichung“ (2005) steht eine Theorie der Anerkennung. Honneth versucht diesen marxistischen Schlüsselbegriff anerkennungstheoretisch neu zu formulieren. Ähnlich wie bei Habermas, beschäftigt sich auch Honneth mit dem Thema der Rekonstruktion der Moralität interpersoneller Beziehungen. Die Weiterentwicklung einer kritischen Gesellschaftstheorie im Sinne der Frankfurter Schule steht bei Honneth im Vordergrund, er greift dabei auf psychologische und psychoanalytische Theorien, die Sozialontologie und auf die zeitgenössische soziologische Theorie zurück.


Rezeption und Wirkung

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Mit seinem bisherigen Schaffen entfaltet Axel Honneth einen enormen Wirkungskreis. Durch seine Arbeiten wurden die sozialwissenschaftlichen und philosophischen Diskussionen im deutschsprachigen Raum, aber auch darüber hinaus, angeregt und beeinflusst.

Rezensent Ludger Heidbrink beschreibt Honneth als einen „kritischen Sozialphilosophen“. Anstoß dafür war, dass Honneth die Relektüre der Hegelschen Rechtsphilosophie aus der (Frankfurter) Perspektive einer kritischen Gesellschaftstheorie untersuchte. Der Schwerpunkt seiner Untersuchung liegt nicht auf den Hegelschen Erkenntnissen zu Staat und Gesellschaft, sondern auf der Situation der heutigen Kleinfamilie. Honneth macht Hegel den Vorwurf, dass er zuletzt immer die Absicherung in staatlichen Institutionen gesucht hat, er selbst vertraut auf die Fähigkeit der Individuen und die Freiheitsrechte in vernünftiger Anerkennung des anderen durchzusetzen. Heidbrink findet Honneths Umgang mir Hegel zwiespältig, da er zwar eine „eigenwillige und stellenweise imponierende“ Neuinterpretation leistet, anderseits setzt er aber eine kommunikative Vernunft der Lebenswelt voraus, an diese Hegel nicht geglaubt hat.


Internetquellen

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Horkheimer, Max

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Biographie in Daten

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Max Horkheimer (1895-1973)

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deutscher Philosoph und Soziologe


  • Familie
    • Vater: Moses (Moritz) Horkheimer, jüdischer Textilfabrikant
  • Ehe: 1926-1969 mit Rose Christine (Maidon) Riekher


  • 1895: Horkheimer wird am 14. Februar in Zuffenhausen (Vorort von Stuttgart) geboren
  • 1910:
    • Schulabgang mit Mittlerer Reife
    • Lehre in der väterlichen Fabrik
    • Beginn der lebenslangen Freundschaft mit Friedrich Pollock
  • 1912-1914: Auslandsaufenthalt als Volontär in Paris, London und Brüssel
  • 1916:
    • Betriebsleiter und Prokurist der väterlichen Fabrik
    • Einberufung in den Militärdienst
    • erste Begegnung mit Rose Riekher
  • 1919: gemeinsam mit Pollock macht er das Abitur in München nach
  • 1919-1922:
  • 1922: Promotion mit summa cum laude (mit höchstem Lob) in Frankfurt bei Hans Cornelius mit einer Arbeit aus dem Problemkomplex der Philosophie Kants "Über die Antinomie der teleologischen Urteilskraft"
  • 1922-1925:
  • 1924: Gründung des Institut für Sozialforschung an der Frankfurter Universität
  • 1925: Habilitation: "Kants Kritik der Urteilskraft als Bindeglied zwischen theoretischer und praktischer Philosophie"
  • 1926: Hochzeit mit Rose Christine Riekher.
  • 1926-1930: Privatdozent in Frankfurt
  • 1930: ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt
  • 1931: Errichtung von Zweigstellen des Instituts in Genf und London
  • 1932: In Leipzig erscheint die erste Nummer der "Zeitschrift für Sozialforschung"
  • 1933:
    • Flucht in die Schweiz
    • Entzug des Lehrstuhls
    • Beschlagnahme des Institutsgebäudes und der Bibilothek
    • Die Zeitschrift erscheint in Paris
  • 1934:
  • 1937: Reise nach Europa, dort trifft er Walter Benjamin
  • 1940:
    • Übersiedelung von New York nach Kalifornien
    • Der letzte Jahrgang der "Zeitschrift der Sozialforschung" erscheint in New York
  • 1943-1944: Direktor der wissenschaftlichen Abteilung des American Jewish Committee
  • 1949:
    • Rückkehr nach Deutschland
    • Wiedereinsetzung in sein ehemaliges Ordinariat als Professor für Philosophie und Soziologie an der Frankfurter Universität
  • 1950: Neubegründung und Übernahme der Leitung des Institus für Sozialforschung in Frankfurt
  • 1951-1953: Rektor der Universität
  • 1954-1959: Gastprofessor an der University of Chicago
  • 1959: Emeritierung und Niederlassung in Montagnola in der Schweiz
  • 1969: Tod von seiner Frau Maidon und Theodor W. Adornos
  • 1970: Tod von Friedrich Pollock
  • 1973: 7. Juli: Tod durch Herzversagen in Nürnberg

Auszeichnungen und Ehrungen

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  • 1953: Verleihung der Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt
  • 1960: Ehrenbürger der Stadt Frankfurt
  • 1971: Lessing-Preis der Hansestadt Hamburg

Historischer Kontext

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Familiäres Umfeld

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Am 14. Februar 1895 wurde Max als einziges Kind der wohlhabenden, deutsch-jüdischen Industriellenfamilie Horkheimer geboren. Die Tatsache, dass seine Eltern vermögend waren, ermöglichte ihm seine geistigen und seelischen Kräfte zu entfalten. Horkheimer selbst betonte später in zahlreichen Interviews und Gesprächen, wie sehr ihn die Bedeutung seiner Kindheits- und Jugenderfahrungen in seinem Denken gefördert hatten. Die Analyse der Entwicklung der Familie in der modernen Gesellschaft und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf die Menschen beschäftigten ihn bis an sein Lebensende.
Horkheimers Mutter spielte, vor allem in seinen Jugendjahren, eine große Rolle. Sie war die Kontrastperson des durch das Geschäft hart gewordenen Vaters und brachte ihrem Sohn bei, was Liebe bedeutet.
Als sechzehnjähriger freundete er sich mit dem ebenfalls aus einer wohlhabenden jüdischen Familie stammenden Friedrich Pollock an – eine Freundschaft, die bis zu Pollocks Tod 1970 dauerte. Vor allem in der ersten Phase ihrer Freundschaft übte Pollock einen großen Einfluss auf Horkheimer aus – er war ihm behilflich, sich aus dem patriarchalischen Elternhaus zu befreien und sich gegen seinen Vater zu behaupten. Als Untersekundaner verließ Horkheimer die Schule, absolvierte eine Lehre in der väterlichen Fabrik und wurde 1912 von seinem Vater für ein Sprachenstudium nach England, Frankreich und Belgien geschickt, dem sich Pollock kurzerhand anschloss. Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges kehrten sie wieder nach Stuttgart zurück.
1916 lernte er die Privatsekretärin des Vater, Rose Christine Riekher, näher kennen. Sein Verhältnis zu Maidon, wie er Rose zärtlich nannte, blieb den Eltern nicht lange verborgen. Als Tochter eines christlichen Bankrotteurs war sie, der Meinung der Eltern nach, als Schwiegertochter denkbar ungeeignet. Von da an lebte Horkheimer in Zwist und Streit mit seinem Vater. Um den Kontakt zu seinen Eltern nicht ganz abzubrechen, lebte er zunächst im Konkubinat mit seiner zukünftigen Ehefrau und heiratete sie erst 1926. Seine Ehe zur unkomplizierten, acht Jahre älteren Rose gab Horkheimer ein völlig neues Gefühl der Geborgenheit.

Politisches Umfeld

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  • Der Erste Weltkrieg


Obwohl er sich, wegen der Kriegswichtigkeit der elterlichen Fabrik, vom Militärdienst hätte freistellen lassen können, wurde er 1917 Soldat. Zwar war er Kriegsgegner, doch wollte er den anderen jungen Menschen wegen der väterlichen Fabrik nichts voraushaben.
An die Front kam er jedoch nicht, da er für frontdienstuntauglich befunden wurde. Aus dieser Zeit stammt sein Werk „Aus der Pubertät“, eine Geschichte in Form eines Briefwechsels zwischen den Liebesleuten Luise und Walter. Während Luise vom Krieg begeistert ist, verdammt ihn Walter von ganzem Herzen.


  • Der Zweite Weltkrieg


Am Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler wurde Horkheimers Haus in Kronberg von der SA besetzt. Horkheimer war jedoch einige Tage zuvor in ein Hotel in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofes gezogen. Kurz danach verließ er Deutschland und emigrierte in die Schweiz. Das 1924 gegründete Institut für Sozialforschung wurde von der Polizei durchsucht und wegen staatsfeindlicher Bestrebungen geschlossen. Da Horkheimer als einziges Mitglied des Instituts eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung bekam, emigrierten Friedrich Pollock, Herbert Marcuse, Leo Löwenthal und Horkheimer nach Amerika. Die Übersiedelung des Instituts von Genf nach New York fand 1934 statt. In den Vereinigten Staaten veröffentlichte Horkheimer seine wohl besten Aufsätze und Bücher. „Egoismus und Freiheitsbewegung“ erschien 1936 in der Zeitschrift für Sozialforschung, ein Jahr später wurde die Arbeit „Traditionelle und kritische Theorie“ ebenfalls in der Zeitschrift für Sozialforschung veröffentlicht,
1944 erschien „Dialektik der Aufklärung“, das er gemeinsam mit Adorno verfasst hatte und 1947 wurde „Eclipse of Reason“ veröffenticht.
Als der Krieg ausbrach, und die Vernichtung der Juden immer schlimmer wurde fasste Horkheimer den Entschluss, im Rahmen des Instituts eine wissenschaftliche Untersuchung über den Antisemitismus bzw. den Nationalsozialismus durchzuführen. 1943 entschied sich das American Jewish Committe (AJC), das Antisemitismusprojekt zu finanzieren. Behandelt wurde die Psychologie des Antisemitismus, die Analyse der Artikel und Reden antisemitischer Redner, experimentelle psychologische Untersuchungen der antisemitischen Persönlichkeit und eine Konstruktion einer Skala zur Messung von antisemitischen Meinungen.
In den Nachkriegsjahren verfolgte er die politische und intellektuelle Entwicklung Deutschlands und fand heraus, dass eine politische, sowie eine intellektuelle Stagnation herrschte. 1948 wurde er Gastprofessor in Frankfurt und 1949 kehrte er nach Deutschland zurück, in der Hoffnung, daran mitzuwirken, dass das Entsetzliche des Nazi-Regimes nicht wiederkehrt, aber auch nicht vergessen wird. 1951 wurde das Institut für Sozialforschung neu eröffnet.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Wie im historischen Kontext schon erwähnt, verbrachten Horkheimer und Pollock ein Jahr im Ausland. Frei vom Zwang des elterlichen Hauses konnten sie nun endlich tun, was sie in Stuttgart nur heimlich unternehmen konnten: philosophische Texte von Spinoza, Kant und Schopenhauer lesen und diskutieren, gesellschaftliche Probleme gemeinsam besprechen und von einer Insel der Glückseligen träumen. Vor allem die Philosophie Schopenhauers wird auf sein Werk, besonders in der Spätphase, einen großen Einfluss ausüben. Die für ihn wichtigsten literarischen Einflüsse kamen von Tolstoi, Ibsen, Strindberg und Wedekind. Auch Nietzsches Auffassungen ist in seinen früheren Werken zu finden. Die Zeitschriften Die Fackel von Karl Kraus und Die Aktion von Franz Pfemfert gehörten bis zu seiner Einberufung zum Militär zu seiner ständigen Lektüre.


  • Schwabinger Bohéme

1918 ging Horkheimer nach München, um seine angegriffene Gesundheit zu kurieren. Zu dieser Zeit nahm er Kontakt zur Schwabinger Bohéme auf, der bedeutende Persönlichkeiten wie Johannes Becher, Erich Kästner, Ludwig Thoma, Ernst Toller, Erich Mühsam, Frank Wedekind und andere angehörten. Der Aufenthalt in München während der Novemberrevolution und die Räterepublik prägten zweifellos seine Auffassung der Gesellschaft und sein Weltbild.


  • Karl Marx

Vermutlich studierte Horkheimer Karl Marx´ Werke seit 1920, sein Interesse an Marx blieb jedoch jahrelang Privatsache und fand anfänglich keinen Ausdruck in seinen Aufzeichnungen und Veranstaltungen. Der 1987 veröffentlichten Text der Vorlesung Einführung in die Geschichte der neueren Philosophie, die Horkheimer im Sommersemester 1927 hielt, erinnert stark and die Ideologiekritik von Marx und Engels in ihrem Buch Die deutsche Ideologie


  • Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Zwar versuchte Horkheimer anfangs, Kants Philosophie in einigen Punkten zu korrigieren, im Grunde aber akzeptierte er seine Aussagen. Jedoch verbirgt er nicht, dass auf ihn Hegels dialektische Logik überzeugender wirkt als Kants kritische Philosophie. Während Kant, so Horkheimer, als Ergebnis seiner Untersuchungen bei den Leerformen des menschlichen Gemütes einerseits und einem sinnlosen chaotischen Material andererseits stehen geblieben sei, versuchte Hegel diese Dichotomie zu überwinden. Wahrscheinlich faszinierte Hegels Beschreibung, alle Probleme der Welt rational zu erklären, Horkheimer am meisten.


  • Arthur Schopenhauer

Schopenhauers Philosophie ist neben der Marxschen Lehre die Klammer, die alle Phasen in der Entwicklung von Horkheimers Gedankenwelt zusammenhält und ihren Anfang und Inhalt in hohem Maß geprägt hat. Wie bei Schopenhauer bezeichnet der Wille in Horkheimers Novellen und Tagebuchblättern den Ursprung der menschlichen Vitalität, und in gewissem Sinne kommt durch ihn das ganze Sein in Bewegung. Bei beiden findet der Wille des Menschen in seiner reinsten Gestalt Ausdruck in der Kunst. Horkheimers materialistische Auffassung, dass die individuelle Seele ein Nichts ist, hat ihre Wurzeln in den frühen Schriften der hebräischen Bibel, in den Schriften der französischen Aufklärung sowie auch in Schopenhauers Auffassung, der diesen Begriff nicht benutzt und stattdessen vom Intellekt spricht.

Werke

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  • 1922
    • Zur Antinomie der teleologischen Urteilskraft, Dissertation, Frankfurt am Main, als Typoskript gebunden
  • 1923
    • >Hans Cornelius. Zu seinem sechzigsten Geburtstag<, in: Frankfurter Zeitung, 68Jg., Nr. 715, 27.9.1923
  • 1925
    • Über Kants Kritik zur Urteilskraft als Bindeglied zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, Habilitationsschrift, Frankfurt am Main
  • 1926
    • >Rudolf Eucken. Ein Epigone des Idealismus<, in: Frankfurter Zeitung, Nr. 822, 4.11.1926
  • 1927
    • >Hans Driesch. Zum 60. Geburtstag<, in: Frankfurter Zeitung, Nr. 812, 1.11.1927
  • 1929
    • >Leopold Ziegler<, in: Frankfurter Zeitung, Nr. 657, 4.9.1929
  • 1930
    • Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie, Stuttgart
    • >Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie, und die Aufgaben eines Instituts für Sozialforschung< in: Frankfurter Universitätsreden, Heft XXXVII: Frankfurt am Main
    • >Nicolai Hartmann<, in: Frankfurter Zeitung, Nr. 100, 7.2.1931
    • >Ein neuer Ideologiebegriff?<, in: Carl Grünberg (Hrsg.), Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, Bd.XV
  • 1932
    • >Bemerkungen über Wissenschaft und Krise<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.I, Heft 1/2
    • >Geschichte und Pschologie<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.I, Heft 1/2
    • >Hegel und die Metaphysik<, in:Festschrift für Carl Grünberg, Leipzig
  • 1933
    • >Bergson, Henri,Les deux sources de la morale et de la religion.Paris 1932<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.II, Heft 1
    • >Materialismus und Metaphysik<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.II, Heft 1
    • >Materialismus und Moral<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.II, Heft 2
    • >Spengler, Oswald, Jahre der Entscheidung. Erster Teil: Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung. München 1933< in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.II, Heft 3
  • 1934
    • Dämmerung. Notizen in Deutschland (unter dem Pseudonym Heinrich Regius), Zürich
    • >Zu Bergsons Metaphysik der Zeit<, in:Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.III, Heft 3
    • >Zum Rationalismusstreit in der gegenwärtigen Philosophie<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg. III, Heft 1
  • 1935
    • >Bemerkungen zur philosophischen Anthropologie<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.IV, Heft 1
    • >Zum Problem der Wahrheit<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.IV, Heft 3
  • 1936
    • >Egoismus und Freiheitsbewegung. Zur Anthropologie des bürgerlichen Zeitalters<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg. V, Heft 2
    • >Nachbemerkung zu Greers Buch<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.V, Heft 3
    • >Theoretische Entwürfe über Autorität und Familie: Allgemeiner Teil<, in Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung, Paris
    • >Zu Theodor Haecker: Der Christ und die Geschichte<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.V, Heft 3
  • 1937
    • >Bemerkung zu Jaspers´Nietzsche< in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.VI, Heft 2
    • >Der neueste Angriff auf die Metaphysik<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.VI, Heft 1
    • Max Horkheimer und Herbert Marcuse: >Philosophie und kritische Theorie<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.VI, Heft 3
    • >Traditionelle und kritische Theorie<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.VI, Heft 1
  • 1938
    • >Montaigne und die Funktion der Skepsis<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.VII, Heft 1/2
    • >Die Philosophie der absoluten Konzentration<, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg. VII, Heft 3
  • 1939
    • >Die Juden und Europa<, in: Studies in Philosophy and Social Science, Jg. VIII, Heft 1/2
    • >The Relation between Psychology ans Sociology in the Work of Wilhelm Dilthey<, in: Studies in Philosophy and Social Science, Jg. VIII, Heft 3
    • >The Social Function of Philosophy<, in: Studies in Philosophy and Social Science, Jg. VIII, Heft 3
  • 1941
    • >Art and Mass Culture<, in: Studies in Philosophy and Social Science, Jg.IX, Heft 2
    • >Notes on Institute Activities<, in: Studies in Philosophy and Social Science, Jg.IX, Heft 1
  • 1942
    • >Autoritärer Staat< in: Walter Benjamin zum Gedächtnis (hektographiertes Typoskript), Institut für Sozialforschung (New York, Los Angeles)
    • >Einige Bemerkungen zum Curfew<, in: Der Aufbau, New York, 4.9.1942. Vol,VIII, Nr.36
    • >The end of Reason<, in: Studies in Philosophy and Social Science, Jg. XI, Heft 3
  • 1943
    • >The Psychology of Nazidom<, in: The New Leader, New York, Vol. XXVI, No.33, 14.8.1943
  • 1944
    • Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Philosophische Fragmente,(hektographiertes Typoskript) Institute of Social Research, New York, Los Angeles
  • 1946
    • >Social Background of the Psychoanalytic Approach<, in: Anti-Semitism. A Social Disease. Edited by Ernst Simmel, with a Preface by Gordon W. Allport, New York
    • >Sociology of Art<, in: Dagobert D. Runes, Harry G. Schrickel (Hrsg.), Encyclopedia od the Arts. New York
  • 1947
    • Eclipse of Reason. New York
    • Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Amsterdam
  • 1948
    • >Ernst Simmel and Freudian Philosphy<, in: International Journal of Psychoanalysis, Vol. XXIX
  • 1949
    • >Authoritarianism and the Familiy Today<, in: Ruth Nanda Anshen (Hrsg.), The Familiy: It´s Function and Destiny, New York
    • >Philosophie und Studium<, in: Frankfurter Hefte, Jg. 4, Heft 8
  • 1950
    • > The Lesson of Fascism<, in: Hadley Cantril (Hrsg.), Tension That Cause Wars. Urbana
    • >Politik und Soziales<, in: Staatsanzeiger für das Land Hessen, Beilage Nr. 14 zur Nr. 51, 23.12.1950
  • 1951
    • >Ideologie und Wertgebung<, in: Karl Gustav Specht (Hrsg.), Soziale Forschung in unserer Zeit. Leopols von Wiese zum 75. Geburtstag, Köln und Opladen
    • >Invarianz und Dynamik in der Lehre von der Gesellschaft< in: Kölner Zeitschrift für Soziologie Jg. IV, Heft 2/3
    • >Soziologie an der Universität<, in: Frankfurter Studentenzeitung 1. Jg., Heft 8
  • 1952
    • Zum Begriff der Vernunft, Frankfurter Universitätsreden, Heft 7, Frankfurt am Main
  • 1953
    • >Akademische Freiheit<, in Deutsche Universitätszeitung, 8. Jg., 12.10.1953
    • Gegenwärtige Probleme der Universität, Frankfurter Universitätsreden, Heft 8, Frankfurt am Main
  • 1954
    • >Was heißt Verantwortung?<, in: Deutsche Studentenzeitung, München, Sonderausgabe 6.5.1954
    • >Zur Psychologie des Totalitären<, in: Offene Welt. Mitteilungen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Nr. 30, März/April 1954
  • 1955
    • >Menschen im Großbetrieb<, in: Arthur Hübscher (Hrsg.), XXXVI. Schopenhauer-Jahrbuch für das Jahr 1955. Frankfurt am Main
  • 1957
    • >Zum Begriff des Menschen heute< in: Klaus Ziegler (Hrsg.), Wesen und Wirklichkeit des Menschen. Festschrift für Helmut Plessner. Göttingen
  • 1958
    • >Die gesellschaftliche Lage der Angestellten<, in: Angestellte heute und morgen. Forum-Gespräch am 18.Mai 1958 in Mühlheim (Ruhr). Schriftenreihe der Industriegewerkschaft Metall, Frankfurt am Main
  • 1959
    • >Erinnerung<, in: Das Recht der Tiere. Organ des Bundes gegen den Missbrauch der Tiere e.V., Starnberg, Heft 1/2
    • >Philosophie als Kulturkritik<, in: Untergang oder Überganng. 1. Internationaler Kulturkritikerkongress in München 1958, München
    • >Soziologie und Philosophie<, in: Alexander Busch (Hrsg.), Soziale und moderne Gesellschaft. Verhandlungen des 14. Deutschen Soziologietages vom 20. bis 24. Mai 1959 in Berlin, Stuttgart
  • 1960
    • >Der Mensch in der Wandlung seit der Jahrhundertwende<, in: Hessische Blätter für Volksbildung, 10.Jg., Heft 1
  • 1961
    • >Die Aktualität Schopenhauers<, in: Arthur Hübscher (Hrsg.), XXXXII.Schopenhauer-Jahrbuch für das Jahr 1961. Frankfurt am Main
    • Über die deutschen Juden, in: Germania Judaica. Kölner Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums, Schriftenreihe, Heft III, Köln
    • >Über das Vorurteil<, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 116, 20.5.1961
  • 1962
    • Der Bildungsauftrag der Gewerkschaften, (Rede bei der 40-Jahr-Feier der Akademie der Arbeit, Sonderdruck der Akademie der Arbeit, Frankfurt am Main)
    • Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Sociologica II. Reden und Vorträge. Frankfurter Beiträge zur Soziologie, Bd. 10, Frankfurt am Main
    • Um die Freiheit, Frankfurt am Main
  • 1963
    • >Jenseits der Fachwissenschaft. Adorno zum Geburtstag<, in: Frankfurter Rundschau vom 11.9.1963, Nr. 210
    • >New Pattern in Social Relations<, in: International Council of Sport and Physical Education (ICSPE), International Conference on the Occasion of Baron Pierre de Coubertin Centennial Anniversary, UNESCO House Paris, October 28-30, 1963. Unesco Youth Institute Gauting-Munich (Sonderdruck)
    • >Sozialpsychologische Forschungen zum Problem des Autoritarismus, Nationalismus und Antisemitismus<, in: Autoritarismus und Nationalismus - ein deutsches Problem? Politsiche Psychologie. Eine Schriftenreihe, hrsg. von Wanda v. Baeyer-Katte, Gerhard Baumert, Walter Jacobsen, Theodor Scharmann, Heinz Wiesbrock, Bd. 2, Frankfurt am Main
    • >Theismus - Atheismus< in: Max Horkheimer (Hrsg.), Zeugnisse. Theodor W. Adorno zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main
  • 1964
    • >The American Way of Life<, in: Hessische Hochschulwochen für staatswissenschaftliche Fortbildung, 43. Bd.; Bad Homburg, Berlin, Zürich
    • >Einsicht in die Gegenwart. Friedrich Pollock zum 70. Geburtstag<, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.5.1964, Nr. 117
    • >Feudalherr, Kunde, Fachmann. Das Ende des Märchens vom Kunden als König<, in: Die Zeit, 20.11.1964, Nr. 47
  • 1965
    • >Bedrohung der Freiheit<, in: Deutscher Evangelischer Kirchentag köln 1965, Dokumente. Hrsg. im Auftrag des Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags, Stuttgart
  • 1966
    • >Letzte Spur von Theologie - Paul Tillichs Vermächtnis<, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 7.4.1966
    • >Die Zukunft der Ehe<, in: Krise der Ehe?, München
  • 1967
    • >Erinnerung an Paul Tillich< in: Werke und Wirken Paul Tillichs. Ein Gedenkbuch, Stuttgart
    • >Religion und Philosophie<, in: Arthur Hübscher (Hrsg.), XXXXVIII. Schopenhauer-Jahrbuch für das Jahr 1967. Frankfurt am Main
    • >Zur Idee der Seele<, in Hans Jürgen Schultz (Hrsg.), Was weiß man von der Seele? Erforschung und Erfahrung, Stuttgart
    • Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. Aus den Vorträgen und Aufzeichnungen seit Kriegsende, hrsg. von Alfred Schmidt, Frankfurt am Main
  • 1968
    • >Die Bezeichnung der Soziologie und der Psychoanalyse aus der Sicht der Soziologie<, in: Jahrbuch der Psychoanalyse, Bd. V, Bern, Stuttgart
    • Kritische Theorie. Eine Dokumentation, hrsg. von Alfred Schmidt, Frankfurt am Main
    • >Märtyrer der Freiheit<, in: Peter Norden (Hrsg.), Das zweite Attentat. Der Mord an Robert Kennedy, München
    • >Der Planet als unsere Heimat<, in: Die Weltwoche, 19.1.1968, Nr. 1784
    • >Psalm 91<, in: Karl heinz Schröter (Hrsg.), Mein Psalm, Berlin
    • >War Marx ein schlechter Prophet? Zu seinem 150. Geburtstag<, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 108,4./5.5.1968
    • >Zur Kritik der gegenwärtigen Gesellschaft<, in: Hermann Glaser, Karl Heinz Stahl (Hrsg.): Opposition in der Bundesrepublik. Ein Tagungsbericht, Freiburg
  • 1969
    • Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (1944/47) (Neuauflage), Frankfurt am Main
    • >Dialog über den Dialog<, in: Kontext, Bd. 5, hrsg. von Hans Jürgen Schultz
    • >Die Funktion der Theologie in der Gesellschaft. Ein Gespräch<, in: Paul Neuenzeit (Hrsg.), Die Funktion der Theologie in Kirche und Gesellschaft, München
    • >Ein Genie unserer Zeit< (Gespräch über Theodor W. Adorno), in: Die Weltwoche, Nr. 1866 vom 15.8.1969
    • >Ein großer Geist der Zeit des Übergangs. Professor Max Horkheimer zum Tode von Professor Theodor W. Adorno<, in: Jüdischer Pressedienst, Nr. 7, Juli/August 1969
    • >Himmel, Ewigkeit und Schönheit< (Interview zum Tode Adornos), in: Der Spielgel, Nr. 33, 11.8.1969
    • >Über den Zweifel<, in: Piblik, Nr. 5, 31.1.1969
    • >Zur Produktivität des Zweifels<, in: Gerhard Rein (Hrsg.), Dialog mit dem Zweifel
  • 1970
    • >Radikalsimus<, in: Hans Jürgen Schultz (Hrsg.), Politik für Nichtpolitiker. Ein ABC zur aktuellen Diskussion, Stuttgart, 2.Bd.
    • Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen. Ein Interview mit Kommentar von Helmut Gumnior, Hamburg
    • Traditionelle und kritische Theorie. Vier Aufsätze, Frankfurt am Main
    • Vernunft und Selbsterhaltung, Frankfurt am Main
    • Verwaltete Welt. Gespräch zwischen Prof. Dr. Max Horkheimer und Otmar Hersche, Zürich
    • >Die verwaltete Welt kennt keine Liebe. Max Horkheimer über den Verlust des Absoluten und seine Folgen. Ein Presse-Gespräch mit Janko Musolin zum 75. Geburtstag des Denkers<, in: Die Presse, Wien, 14./15.2.1970
    • > >>Was wir "Sinn" nennen, wird verschwinden<<. Spiegel-Gespräch mit dem Philosophen Max Horkheimer<, in: Der Spiegel, Nr. 1/2, 5.1.1970
  • 1971
    • Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie. Hegel und das Problem der Metaphysik. Montaigne und die Funktion der Skepsis. Mit einer Einleitung von Alfed Schmidt, Frankfurt am Main
    • >Bemerkungen zur Liberalisierung der Religion<, Nachschrift eines Vortrages, bearbeitet von Norbert Leser und Alfred Schmidt, in: Oskar Schatz (Hrsg.): Hat die Religion Zukunft?, Graz, Wien, Köln
    • Neues Denken über Revolution<, in: Gerhard Rein, Warum ich mich geändert habe, Stuttgart
    • >Pessimismus heute<, in: Arthur Hübscher (Hrsg.), LII. Schopenhauer-Jahrbuch für das Jahr 1971 Frankfurt am Main
    • >Die Zeitgemäßheit der Philosophie Schopenhauers<, in: Neue Zürcher Zeitung, 21.3,1971, Nr. 133
    • >Zur Zukunft der kritischen Theorie. Gespräch mit Max Horkheimer im Schweizer Hof in Zürich<, in: Claus Grossner: Verfall der Philosophie. Politik deutscher Philosophen, Reinbek bei Hamburg
  • 1972
    • Gesellschaft im Übergang. Reden und Vorträge 1942-1970, hrsg. von Werner Brede, Frankfurt am Main
    • Sozialphilosophische Studien. Reden und Vorträge 1942-1972. Mit einem Anhang über Universität und Studium, hrsg. von Werner Brede, Frankfurt am Main
    • >Zum Begriff des Geistes und der Verantwortung des Geistes. Ein Gespräch von Chefredakteur Otmar Hersche mit Professor Dr. Max Horkheimer<, in: Vaterland, Luzern
  • 1973
    • > >>Es geht um die Moral der Deutschen.<< Professor Horkheimer über die Zukunftsgesellschaft. Spiegel-Gespräch<, in: Der Spiegel, Nr. 29, 16.7.1973

posthume Veröffentlichungen

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  • 1974
    • Aus der Pubertät. Novellen und Tagebuchblätter, hrsg. von Alfred Schmidt, München
    • >Dokumente - Stationen. Ein Gespräch (aus dem Jahre 1969) zwischen Otmar Hersche und dem Sozialphilosophen Max Horkheimer, der am 7. Juli 1973 gestorben ist<, in: Vaterland, Luzern Nr. 142, 22.6.1974
    • Die gesellschaftliche Funktion der Philosophie. Ausgewählte Essays, Frankfurt am Main
    • Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung, Notizen in Deutschland, hrsg. von Werner Brede, Einleitung von Alfred Schmidt, Frankfurt am Main
    • >Die Situation des jungen Menschen heute<, in: Notwendige Bücher. Heinrich Wild zum 65. Geburtstag, München
  • 1976
    • >Das Schlimme erwarten und doch das Gute versuchen. Ein Gespräch mit Professor Dr. Max Horkkeimer<, in: Dienstgespräche mit Zeitgenossen, Stuttgart
  • 1981
    • Horkheimer, Pollock, Neumann, Kirchheimer, Gurland, Marcuse: Wirtschaft, Recht und Staat im Nationalsozialismus. Analysen des Instituts für Sozialforschung 1939-1942. Hrsg. von Helmut Dubiel und Alfons Söllner, Frankfurt am Main
  • 1984
    • >Vertrauen auf Geschichte<, in: Neue Rundschau, Heft 1/2
  • 1985
    • Gesammelte Schriften, hrsg. von Alfred Schmidt und Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main
      1. Aus der Pubertät. Novellen und Tagebuchblätter 1914-1918. 1988
      2. Philosophische Frühschriften 1922-1932. 1987
      3. Schriften 1931-1936. 1988
      4. Schriften 1936-1941. 1988
      5. Dialektik der Aufklärung und Schriften 1940-1950. 1987
      6. Kritik der insrumentellen Vernunft und Notizen 1949-1969. 1991
      7. Vorträge und Aufzeichungen 1949-1973; 1/3. Philosophisches, Würdigungen, Gespräche. 1985
      8. Vorträge und Aufzeichungen 1949-1973; 4/5. Soziologisches, Universität und Studium. 1985
      9. Nachgelassene Schriften 1914-1931; 1. Vorlesung über die Geschichte der neueren Philosophie. 1987
      10. Nachgelassene Schriften 1914-1931; 2/3. Vorlesung über die Geschichte der deutschen idealistischen Philosophie. Einführung in die Philosophie der Gegenwart. 1990
      11. Nachgelassene Schriften 1914-1931; 4/7. Aufzeichungen und Vorträge, Notizen, Poetische Versuche, Diskussionsprotokoll. 1987
      12. Nachgelassene Schriften 1931-1949; 1/5. Vorträge und Aufsätze, Memoranden. Aufzeichnungen und Entwürfe, Poetische Versuche, Diskussionsprotokolle. 1985
      13. Nachgelassene Schriften 1949-1972; 1/4. Vorträge und Ansprachen, Gespräche, Würdigungen, Vorlesungsnachschrifte. 1989
      14. Nachgelassene Schriften 1949-19725. Notizen. 1988
      15. Briefwechsel: 1913-1936. 1995
      16. Briefwechsel: 1937-1940. 1995
      17. Briefwechsel: 1941-1948. 1995
      18. Briefwechsel: 1949-1973. 1996
      19. Nachträche, Verzeichnisse und Register / hrsg. von Gunzelin Schmidt Noerr. 1996
    • >Kampf und Gewaltlosigkeit<, in: Links. Sozialistische Zeitung, Nr. 186, September 1985
    • >Physiognomik< in: Klaus Dieter Lehmann (Hrsg.), Bibliotheca Publica Francofurtensis. Fünfhundert Jahre Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 1984, Frankfurt am Main
    • >Religionspsychologie<, in: Links. Sozialistische Zeitung, Nr. 186, September 1985
    • >Über Lenins Materialismus und Empiriokritizismus<, in: Neue Rundschau, Heft 3/4

Das Werk in Themen und Thesen

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Die traditionelle und kritische Theorie

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  • Traditionelle Theorie

Den Wissenschaften liegt seit dem 17. Jahrhundert ein Begriff der Theorie zugrunde, den Horkheimer als den "traditionellen" bezeichnet und der in vielen seinen Eigenschaften das Gegenteil der Kritischen Theorie darstellt. Dieser traditionelle Begriff bestehe darin, dass die Prinzipien und die von ihnen abgeleiteten Sätze der Wissenschaft mit tatsächlichen Ereignissen zusammenstimmen. Die nach diesem Theoriebegriff operierenden Forscher beginnen bei den einfachsten und am leichtesten zu erkennenden Gegenständen, um nach und nach bis zur Erkenntnis der am meisten zusammengesetzten aufzusteigen. Auf diese Weise erschließt sich die Ordnung der Welt in einem deduktiven gedanklichen Zusammenhang.

  • Kritische Theorie

Die Bezeichnung der Frankfurter Schule als Kritische Theorie entstammt dem programmatischen Aufsatz Traditionelle und kritische Theorie. Seine kritische Theorie versteht sich selbst als eine Form des gesellschaftlichen Verhaltens und ist sich ihrer Genese und Aufgabe bewusst. Ihre spezifische Funktion beruht darauf, die in der bestehenden Gesellschaft herrschenden Regeln - die Trennung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Individualismus und Gesellschaft, die Arbeitsteilung, den Gegensatz zwischen der im Individuum angelegten Spontanität, Zielbewusstheit, Vernünftigkeit und den für die Gesellschaft grundlegenden Beziehungen des Arbeitsprozesses - als etwas Unnatürliches und Vorübergehendes zu erkennen und die Vorbereitungen zu treffen, sie in der Zukunft aufzuheben. Sie sei darauf gerichtet, Missstände abzusstellen, aber sie sei sich dessen bewusst, dass Übelstände mit der ganzen Struktur der bestehenden Gesellschaft verknüpft sind und dass es deswegen wenig Sinn habe, theoretisch wie auch praktisch nur einzelne negative Phänomene zu begreifen und zu entfernen. Sie wolle und müsse die Gesellschaft als Ganzes begreifen, weil sie die Veränderung des Ganzen zum Ziel habe und auf Emanzipation der ganzen Gesellschaft gerichtet sei.
Die kritische Theorie ist sich auch dessen bewusst, dass es ein absolutes Subjekt der Erkenntnis nicht gibt, und dass in der gesellschaftlichen Reflexion Subjekt und Objekt noch nicht identisch sind; ihre Identiät wird als dialektischer Prozess begriffen, der erst in der Zukunft zustandekommt.
Hauptbeobachtungsfelder sind die Ökonomie, die Entwicklung des Individuums und die Kultur. Die kritisch betrachtete Gesellschaft wird nicht nur als eine Gesamtheit von Menschen in einer bestimmten Zeit aufgefasst, sondern vielmehr als Verhältnisse, die dem Einzelnen übermächtig gegenüberstehen und Charakter und Handlungsmöglichkeiten der Menschen in weitaus stärkerem Maße formen als diese zur Bindung der Gesellschaft beitragen können.

Dialektik der Aufklärung

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1944 wurde das gemeinsame Werk von Adorno und Horkheimer, Die Dialektik der Aufklärung, welches als Hauptwerk der Kritischen Theorie gilt, erstmals veröffentlicht. Die Dialektik enthält einige Motive, die für das Ganze entscheidene Bedeutung haben.

  • Die Aufklärung

Für die Aufklärung wird hier nicht der traditionell bestimmte historische Sinn verstanden, der allgemein gebraucht wird. Horkheimer benutzt ihn als Bezeichnung für die "Entzauberung der Welt", ein Terminus von Webers Essay Wissenschaft als Beruf. Für Horkheimer gehört die Entmythologisierung zum Kanon der Aufklärung, die Säuberung der Welt von Magie und Antisemitismus ist bei ihm die Grundlage der aufklärerischen Tendenz. Der Mensch müsse sich stets mit der Natur auseinandersetzen und ihr seine Existenz abtrotzen.

  • Die Natur

Die Natur sei nicht bloß das Rohmaterial der menschlichen Geschichte, das dem Menschen zur freien Verfügung stehe, sondern auch die Grundlage für die Selbstbehauptung des Menschen und für die ausgebildete Rationalität, die sich über den Warentausch innerhalb der Gesellschaft verwirkliche. Wer die Natur verleugne setze sich Gefahren aus, die seine Existenz bedrohten, denn die Natur rächt ihre Misshandlung. Die Unterwerfung der Natur durch die moderne Technik präge nicht nur das Wesen des Verhältnisses der Menschen zu ihrer natürlichen Umgebung, sondern auch den Charakter der zwischenmenschlichen Verhältnisse.

  • Instrumentelle Vernunft

Die instrumentelle Vernunft ist ein Produkt des Verhältnisses von Mensch und Natur. Die moderne Idee, alles mit Vernunft lösen zu können, verkehrt sich in ihr Gegenteil. Die instrumentelle Vernunft bringt viel Grauen hervor. Sie ist in der Moderne ein universelles Prinzip, das eine systematische Steigerung der Kontrolle über die Natur, über das Subjekt und über die sozialen Verhältnisse ermöglicht.

  • Kritik der Kulturindustrie

Kulturindustrie ist die kommerzielle Vermarktung von Natur - jener Industriezweig, der sich gezielt mit der Herstellung von Kultur beschäftigt. Den beiden Autoren zufolge raubt industriell hergestellte Kultur dem Menschen die Phantasie und übernimmt folglich das Nachdenken für ihn. Dem Menschen kommt nur noch die Aufgabe des Konsumenten zu. Mittels der Massenproduktion wird alles gleichartig, der Unterschied liegt höchstens im kleinen Detail. Alles wird in ein Schema gepresst, es ist erwünscht, die reale Welt so gut als möglich zu imitieren. Ziel der Kulturindustrie ist ökonomischer Art.

  • Antisemitismus und faschistische Propaganda

In diesem Kapitel wird versucht, die judenfeindliche Tendenz und den virulenten Antisemitismus des totalitären Regimes zu erklären. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf faschistischer Propaganda in den USA. Die Autoren gehen von der Prämisse aus, dass der Judenhass nur wenig mit seinem vermeintlichen Objekt, d.h. den Juden, zu tun habe, vielmehr dagegen mit Misserfolg, Fiaskos und Verdrängung der Hassenden.
Ziel der Propaganda ist es, Menschen für sich zu gewinnen, wobei das Hauptaugenmerk auf der Stimulation von Mechanismen des Unterbewusstseins liegt. Der Redner spricht nicht aus hervorgehobener Position, er spricht als "einer von ihnen". Er spricht nicht von abstrakten Dingen, er erzählt natürliche Situationen und stellt sich selbst als Überbringer der Nachricht dar. Dadurch wird die Zusammenhörigkeit zwischen ihm und den Zuhörern gestärkt. Der Redner versucht ein möglichst klares und einheitliches Bild vom Feind zu schaffen. Immer wieder fallen gezielte Schlagworte, die durch die ständige Wiederholung im Unterbewusstsein hängen bleiben und einen hohen Erinnerungswert aufweisen. Der Redner verwendet Klischees, und durch die Schlagworte verankern sich diese Klisches bei der Zuhörerschaft. Weiters werden Dinge nur angeschnitten oder angedeutet, nie jedoch komplett enthüllt. Dadurch bekommen die Zuhörer das Gefühl zur eingeweihten In-Group zu gehören, weil sie die unklaren Äußerungen verstehen und wissen, was gemeint ist. Horkheimer und Adorno führen an, dass der wohl wichtigste Teil des Rituals die Inszenierung, die Show ist. Ein Ritual, wie oben beschrieben, kann sexuelle Befriedigung liefern, sie kann symbolisch für eine Opferdarbietung stehen. Die Darlegung der vom Redner hervorgerufenen "Realität" kommt der Tötung eines Opfers gleich. Daraufhin entsteht der Wunsch, nicht nur symbolisch, sondern real den Feind zu opfern.

Rezeption und Wirkung

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  • Das Institut für Sozialforschung:

Die Idee von Felix Weil, Initiator und Motor des Intellektuellenkreises in Frankfurt, war es, ein Institut zu gründen, das vor allem die Geschichte und Theorie der Arbeiterbewegung, die Wechselwirkung zwischen den wirtschaftlichen und kulturellen Lebensbereichen der Gesellschaft, sowie die Entwicklungstendenzen der modernen Gesellschaft selbst untersuchen sollte. In einer Satzung wurde festgelegt, dass der jeweilige Institutsleiter gleichzeitig Ordinarius an der Frankfurter Universität sein müsse; damit war die Bindung zur Universität wie auch die finanzielle Unabhängigkeit des Direktors von der Gesellschaft und dem Beirat gewährleistet. 1924 wurde der Austromarxist Carl Grünberger, der bis dahin ordentlicher Professor für Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien war, erster Professor des Instituts. Unter seiner Leitung stand die Nationalökonomie im Zentrum vieler intensiver Forschungen, und außerdem genoß die Geschichte der Arbeiterbewegung hohes Ansehen. Die Anziehungskraft, die das Institut in den zwanziger Jahren auf Studenten und Dozenten in ganz Europa ausübte, hatte mehrere Gründe. Es war das erste wissenschaftliche Institut Westeuropas, das sich mit dem Marxismus beschäftigte, und es war im Gegensatz zu den sozialwissenschaftlichen Fakultäten der Universität kein Ausbildungszentrum sozialer Funktionäre. 1930 wurde Horkheimer ordentlicher Professor und Direktor des Instituts. Horkeheimer setzte andere Schwerpunkte als Grünberg. Von vornherein dachte er an planvolle Gemeinschaftsarbeiten von Philosophen, Soziologen, Nationalökonomen, Historikern und Psychologen. Das Kernteam des Institus bestand aus Herbert Marcuse, Leo Löwenthal, Friedrich Pollock und Erich Fromm, später trat auch Jürgen Habermas bei. Schon im ersten Jahr seines Direktorats wurde Horkheimer mit der Gefahr der Machtübernahme von seiten des Nationalsozialismus konfrontiert. 1933 wurde das Institut geschlossen und während der Bombardierung im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört. Glücklicherweise erkannte Horkheimer schon früh die heraufziehende Gefahr und bereitete die Emigration des Instites vor. Über Genf und Paris gelang das Institut schließlich nach New York. Im November 1951 wurde das Institut, wieder unter der Leitung Horkheimers, in Frankfurt wieder neu eröffnet. Das Institut wird seit 2001 von dem Habermas Schüler Axel Honneth geleitet. Bis heute wird der Schwerpunkt der Projekte auf die Analyse von "Paradoxien der kapitalistischen Modernisierung" gerichtet. Das Forschungsprogramm ist unterteilt in die Bereiche

  • Strukturwandel der normativen Integration in kapitalistischen Gesellschaften
  • Kapitalistische Rationalisierung und Arbeit
  • Familialer Wandel und veränderte Sozialisationsbedingungen
  • Entbürokratisierung des Sozialstaates und politsche Demokratie
  • Kulturindustrie und elektronische Medien


  • Zeitschrift für Sozialforschung

Ab 1932 veröffentlichte das Institut die Zeitschrift für Sozialforschung, die das Archiv ablöste. Die Zeitschrift wurde zum wichtigsten Diskussions- und Publikationsforum in den europäischen Sozialwissenschaften. Der erste Jahrgang erschien in Leipzig, nach Hitlers Machtergreifung wurde sie weiterhin in deutscher Sprache in Paris publiziert, und die zwei letzten Jahrgänge (1940-1941) erschienen in englischer Sprache in Nex York. Die Zeitschrift wurde von einer Gruppe, die miteinander arbeitete, herausgegeben. Vor dem Druck wurden die einzelnen Aufsätze von den Institutsmitgliedern diskutiert - auf diese Weise wurde sie zu einer Kollektivarbeit, ohne seinen individuellen Charakter zu verlieren. Löwenthal war Redakteur, Horkheimer hatte jedoch das letzte Wort.


  • Frankfurter Schule - Kritische Theorie

Horkheimer und Adorno gründeten die Frankurter Schule, die auch Kritische Theorie genannt wird. Es handelt sich hierbei um eine neomarixistische, dialektische Theorie. Die Bezeichnung "kritische Theorie" gründet auf Horkheimers Aufsatz Traditionelle und Kritische Theorie vom Jahre 1937. Erforscht werden die ökonomische Basis der Gesellschaft, die psychische Entwicklung des Individuums und der kulturelle Bereich. Hauptwerk der Frankfurter Schule ist das von Horkheimer und Adorno gemeinsam verfasste Werk Dialektik der Aufklärung aus dem Jahre 1947.

Grundzüge der Frankfurter Schule:

  • die Denktradition von Marx und Hegel wird vertreten
  • die Dialektik wird hoch geschätzt
  • Verbindung von marxistischen und psychoanalytischen Gedanken
  • Kritische Betrachtung der Gesellschaft
  • Philosophie hat eine praktische Bedeutung
  • Erwartung (oder Hoffnung), dass in Zukunft bessere gesellschaftliche Verhältnisse existieren werden


Die aufklärerische Rolle der Vernunft, so die Grundaussage der Kritischen Theorie, sei in der modernen Welt zu einer instrumentellen Vernunft verkommen. Weiters würden die Menschen zu Vollzugsorganen und Objekten einer wissenschaftlich - technischen Naturbeherrschung und einer zunehmend bürokratisierten Welt. Grund dafür ist der zunehmende Verlust der Individualität. Neben Horkheimer und Adorno waren Walter Benjamin, Erich Fromm, Jürgen Habermas, Leo Löwenthal, Herbert Marcuse und Friedrich Pollock Vertreter der Frankfurter Schule.


  • Alfred Schmidt

Als Horkheimers Assistent, als Herausgeber der Dämmerung, der Notizen, von Hokheimers Aufsätzen aus der Zeitschrift für Sozialforschung, der Eclipse of Reason, welche er ins Deutsche übersetzte, der Wiederauflage der Zeitschrift für Sozialforschung und als Mitherausgeber der Gesammelten Schriften hat Schmidt wohl am meisten dazu beigetragen, dass Horkheimers Lehre einen bleibenden Einfluss auf die Weiterentwicklung seiner Theorie ausgeübt hat. In zahlreichen Büchern und Aufsätzen über die Kritische Theorie und ihre Geschichte, über Feuerbach, Schopenhauer, den Marxismus, Heidegger, Marcuse u.a untersucht er Probleme der Theorie-Praxis-Relation, der Idealismus-Materialismus-Kontroverse, des Einflusses des Marxismus und Schopenhauers auf die Kritische Theorie, die Bedeutung der Natur und der Geschichte für die Gesellschaft und die Theorie der Gesellschaftsentwicklung.


  • Jürgen Habermas

Habermas, heute der berühmteste deutsche Sozialphilosoph, ist der hervorragendste Vertreter der Kritischen Theorie.
In etwa 40 Büchern entwickelte Habermas die Schlüsselprinzipien und -kategorien der Kritischen Theorie. In seinem Hauptwerk, Theorie des kommunikativen Handelns, entfaltete er eine Gesellschaftstheorie des kommunikativen Handelns, die im Grunde genommen ein Versuch ist, den Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufklärung dargestellten Prozess der Selbstzerstörung der menschlichen Vernunft und der katastrophalen Widersprüche der Zivilisation, die zu einer pessimistischen Zukunftsprognose führen, durch eine andere Interpretation und ein theoretisches Modell zu ersetzen, die die Aporien der älteren Kritischen Theorie auflösen. Im Gegenzug zur Kritischen Theorie von Horkheimer entwickelt Habermas seine eigene Gesellschaftstheorie als Grundlegung einer Theorie des kommunikativen und zwanglosen Handelns. Seine Theorie ist als Fortführung einer durch die Kritische Theorie eröffneten Fragestellung zu betrachten, die in der sich verändernden gesellschaftlichen und politischen Situation des Wohlfahrtsstaates eine neue theoretische Kritik verlangt. Habermas bietet einen wesentlich optimistischeren Ausblick auf die Zukunft als die alte Kritische Theorie.

Literatur

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  • Rosen, Zvi (1995):
  • "Max Horkheimer"
    München
  • Maór, Maimon (1981):
    "Köpfe des XX Jahrhunderts. Max Horkheimer"
    Berlin
  • Gumnior, Helmut/ Ringguth, Rudolf (1973):
    Max Horkheimer. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten"
    Reinbek bei Hamburg

Internetquellen

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Podcast-Tipp

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Hradil, Stefan

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Biographie in Daten

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Hradil Stefan

  • geboren 1946 in Frankenthal


Ausbildung: Schule, Studium, Promotion, Habilitation

  • 1968- 1973/74: Studium der Politikwissenschaften, Philologie und Soziologie an der Universität München
  • 1974- 1989: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie in München
  • 1979: Promotion an der Universität München zum Dr. phil.
  • 1985: Habilitation an der Sozialwissenschaftlichen Universität in München zum Dr. rer. pol. habil., Habilitationsarbeit über die "Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Von Klassen, Schichten und Milieus."


Berufliche Daten: Anstellungen (auch in soziologiefremden Berufen), Professuren etc.

  • 1990- 1991: Professor für Soziologie an der Universität Bamberg
  • ab 1991: Professor für Soziologie an der Johannes- Gutenberg Universität in Mainz


Soziologische relevante Mitgliedschaften:

  • 1991- 1996: Mitglied der "Kommission" für die "Erfassung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels in den neuen Bundesländern."
  • 1995- 1998: Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
  • ab 1999: Mitglied des Kuratoriums der Schader- Stiftung (die Stiftung hat zur Aufgabe den Dialog zwischen den Gesellschaftswissenschaften und der Praxis zu fördern)
  • seit 2001: Vorstandsvorsitzender der Schader- Stiftung


Auszeichnungen:

  • 1994: Verleihung des Dr.h.c.sc.oec. für Wirtschaftswissenschaften in Budapest


Andere Tätigkeiten: Berater von Politikern, politische Tätigkeit etc. Tätigkeitsbereiche/Fachgebiete:

  • Sozialer Wandel/ soziale Ungleichheit
  • Entwicklung moderner Gesellschaften
  • Singel`s und Gesellschaft
  • Sozialstrukturanalyse, im internationalen Vergleich

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Besonderen Einfluss auf Hradils Werke hatten die Umstände der Vermehrung des Wohlstandes, der Bildung, der Freiheiten und der sozialen Sicherung in den 1970er und 1980er Jahren, die die verfügbaren Mittel der Menschen in den Hintergrund und ihre Ziele in den Vordergrund gerückt haben. Hradil versuchte den Auswirkungen dieser Entwicklung auf der Makroperspektive der Sozialstrukturanalyse nachzugehen. (obwohl man diese Faktoren nicht als politische oder historische Ereignisse bezeichnen kann, sondern als persönliche Motivatoren, Werke zu diesen Themen zu verfassen)

Autoren, Zeitgenossen oder Menschen aus der Vorwelt, die ihn besonders beeiflusst haben gibt es nicht. Es erscheint ihm für Soziologen/innen auch ungewöhnlich, sich von einzelnen Menschen oder punktuellen Ereignissen sehr beeinflussen zu lassen. Er sieht langfristige strukturelle Veränderungen als hauptsächlichen Einflussfaktor auf seinen Tätigkeitsbereich an.


Werke

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  • Hradil, Stefan: Die Erforschung der Macht. Eine Übersicht über die empirische Ermittlung von Machtverteilung durch die Sozialwissenschaften. München: Kohlmaier Verlag 1980.
  • Hradil, Stefan: Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Von Klassen, Schichten zu Lagen und Milieus´. Opladen: Leske+Budrich Verlag 1987.
  • Hradil, Stefan: Auswirkungen des demographischen, sozialen und kulturellen Wandels auf die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Schleswig- Holstein, Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei Schleswig- Holstein. Kiel 1993.
  • Hradil, Stefan: Die "Single- Gesellschaft". München: Beck´sche Verlagsbuchhandlung 1995.
  • Hradil, Stefan: Ungleichheit und Sozialpolitik. Berichte zum sozialen und politischen Wandel in Ostdeutschland. München: Leske+Budrich Verlag 1996.
  • Hradil, Stefan: Soziale Ungleichheit in Deutschland. Opladen: Leske+ Budrich Verlag, 2001.
  • Hradil, Stefan: Oberschichten- Eliten- Herrschende Klassen. Opladen: Leske+ Budrich Verlag 2003.
  • Hradil, Stefan: Die Sozialsturkur Deutschlands im internationalen Vergleich. Verlag für Sozialwissenschaften 2004.


Neben den oben angeführten Werken liegen zahlreiche Beteiligungen an Herausgeberschaften und eine Vielfalt von soziologisch relevanten Aufsätzen vor.


Das Werk in Themen und Thesen

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Thematik soziale Ungleichheit

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Zu den meist beschriebenen Thematiken von Stefan Hradil zählt neben der Vermehrung der Zahl alleinlebender Singles und der Auswirkungen durch die Vermehrung des Wohlstandes, auch die soziale Ungleichheit. Er bezieht seine Definition der sozialen Ungleichheit "auf bestimmte Güter". "Alle Menschen die über wertvolle Güter verfügen, haben Vorteile, dass sie besser oder höhergestellt als andere erscheinen." Was als wertvoll gilt ist jedoch an die jeweilige Gesellschaft bzw. Zeit gekoppelt. Dies kann sich von Gesellschaft zu Gesellschaft und von Zeit zu Zeit ändern. Eine weitere wichtige These um überhaupt von sozialer Ungleichheit sprechen zu können ist, dass es innerhalb einer Gesellschaft bestimmte Vorstellungen geben muss, wie die "wertvollen Güter" verteilt werden. Wenn die Güter "regelmäßig und relativ dauerhaft unregelmäßig verteilt sind" so Hradil, sprechen wir von sozialer Ungleichheit. Universelle Kriterien zur Festlegung sozialer Ungleichheit gibt es nicht.


Die "Single- Gesellschaft"

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  • Das Werk wurde im Auftrag des Bundeskanzleramtes Bonn angefertigt.
  • Ziel der Veröffentlichung war es, mögliche Auswirkungen durch die kontinuierlich steigende Zahl alleinlebender Singles im geringen Maße zu minimieren.
  • Neben klaren Begriffsbestimmungen gibt es in diesem Werk Handlungsempfehlungen vom Autor.
  • Es wird auf die Chancen und Risiken des Singledaseins Bezug genommen.


Wichtigste Thesen zum Thema Singles

"Singles gelten- wie wir sehen werden, mit einigem Recht- als "Speerspitze" des Wertewandels." [1]


"Fast überall in entwickelten Industriegesellschaften wird, erstmals in der Geschichte überhaupt, eine Generation nahezu geschlossen alt." [2]


"Besonders die ökonomisch entwickelsten Länder vermehren ihre Bevölkerung zunehmend durch Einwanderung." [3]


"Der wirtschaftliche Bedeutungsverlust der Ehe (vor allem für die Frau), das Ende der Norm der Heirat und die Entdiskriminierung des Alleinlebens, all das waren insofern Determinanten des Singletums, als Barriere wegfielen, die früher Menschen daran hinderten, allein zu leben." <Hradil, Stefan, Die Single- Gesellschaft, Seite 170 </ref>


"Wenn Individuen davon überzeugt werden, dass bestimmte Tätigkeiten sinnvoll sind und eigenen Zielsetzungen entsprechen, legen sie ungeheure Aktivitäten an den Tag, auch wenn es sich dabei um Leistungen für das abstrakte Ganze oder um konkrete Solidaritätsleistung handelt." [4]

Oberschichten- Eliten- Herrschende Klassen

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  • "Elite" kann als Gegenpart zur "Masse" gesehen werden.
  • Es werden klare Grenzen zwischen "Elitebegriff", Macht, Herrschaft und Autorität gezogen.
  • Es gibt eine Vielfalt von Eliten, die die Spitze einer Pyramide bildet.


"Zu den oberen Milieus rechnen wir diejenigen sozialen Gruppen, die sich durch einen "distinktiven Habitus" im Sinne Bourdieus (1982: 405- 499) von den übrigen Milieus abgrenzen." (Oberschichten- Eliten- Herrschende Klassen, Seite 133)

Rezeption und Wirkung

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Neben zahlreichen Vorträgen insbesonders über die Bevölkerungsentwicklungen, den Wertewandel und die Sozialstruktur Deutschlands, hält Hradil gegenwärtig Soziologie Vorlesungen an der Johannes Gutenberg- Universität.


Zu seinen Vortragsthemen zählen:

  • Einführung in die soziale Ungleichheit
  • Sozialer Wandel in modernen Gesellschaften
  • Schichten, Klassen, Milieus und Lebensstile; etc.

Zu seinen veröffentlichten Werken kommen zahlreiche Herausgeberschaften hinzu. Weiters ist er ein renommiertes Mitglied der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie", "Institut für Mobilitätsforschung", "Schadner Stiftung-Gesellschaftswissenschaften und Praxis", "Herbert- Quant Stiftung" etc. Er nimmt in der Gegenwartssoziologie innerhalb seines Arbeitsbereiches eine relevante Position für die Soziologie ein.


Literatur

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  • Stefan, Hradil(2001):
    "Einführung in die Soziologie, Band 1"
    Wiesbaden
  • Stefan, Hradil (1995):
    "Die Single Gesellschaft"
    München
  • Stefan Hradil (2003):
    "Oberschichten- Eliten- Herrschende Klassen"
    Opladen


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Hradil, Stefan, Die Single- Gesellschaft, Seite 55
  2. Hradil, Stefan, Die Single- Gesellschaft, Seite 104
  3. Hradil, Stefan, Die Single- Gesellschaft, Seite 104
  4. Hradil, Stefan, Die Single- Gesellschaft, Seite 170

Hughes, Everett C.

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Biographie in Daten

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Persönliche Daten

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Hughes Everett Cherrington

  • Geboren am 30.11.1897 in Ohio/USA
  • Gestorben am 04.01.1983 in Cambridge/Massachusetts/USA


  • 1928 Erwerb des Doktorgrades (Ph.D.) nach einem Studium der Soziologie und Anthropologie in Chicago
  • 1927-1938 Lehrtätigkeit an der McGill Universität in Montreal
  • 1938-1961 Lehrtätigkeit an der Universität von Chicago
  • 1941-1960 Mitherausgeber und Herausgeber des American Journal of Sociology
  • 1942-1943 Gastprofessur an der Universität Laval, Quebec, Canada
  • 1948, 1953 und 1958 Gastprofessor an der Universität Frankfurt
  • 1949 Berufung zum Professor für Soziologie an die Universität von Chicago
  • 1950 Präsident der Society for Applied Anthropology
  • 1952 Lehrtätigkeit an der medizinischen Fakultät der Universität Kansas
  • 1952-1956 Vorstand des Department of Sociology an der Universität Chicago
  • 1961-1968 Lehrtätigkeit an der Brandeis Universität und Gastprofessor am Boston College
  • 1962-1963 Präsident der „American Sociological Association“
  • 1964 Mitglied der „American Academy of Arts and Sciences“
  • 1965 Gastprofessor an der McGill Universität in Montreal
  • 1968 Lehrtätigkeit am Boston College
  • 1976 Emeritierung


Familie

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E.C. Hughes heiratete 1927 Helen Gregory Mac Gill und hatte zwei Töchter mit ihr. Er war in seiner Ethik, besonders in seiner Ablehnung von Nationalismus und Rassendiskriminierung zweifellos von seinem Vater beeinflusst, einem methodistischen Geistlichen, der sich sehr für die Gleichwertigkeit aller Menschen/Menschenrassen einsetzte und deshalb vom Ku-Klux-Klan bedroht wurde.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Hughes studierte hauptsächlich bei Robert Ezra Park, der ein Unterstützer von Booker T. Washington war, einem der bedeutendsten afro-amerikanischen Politiker seiner Zeit. Hughes und Robert E. Park verband eine lebenslange Freundschaft. Weitere bekannte Lehrer von H. waren Ernest W. Burgess, Ellsworth Faris, Robert Redfield, Ruth Shonle Cavan, W. I. Thomas und Niels Anderson. Seine prominentesten Schüler sind Erving Goffman und Howard Becker.

Hughes war einer der Hauptvertreter der Soziologie der „Chicago School“, neben Herbert Blumer, Ernest W. Burgess, W.I. Thomas, und Florian Znaniecki, Albion W. Small und George Herbert Mead. Mit William Lloyd Warner fühlte H. sich durch die Art und Weise ihrer Feldforschungsmethode verbunden.

Hughes setzte sich mit Max Weber und Werner Sombart auseinander und versuchte, die amerikanische Öffentlichkeit auch auf Gabriel Tarde aufmerksam zu machen. Er ließ sich von Alexis de Tocqueville, Walter Bagehot, William James und Sigmund Freud inspirieren. Mit Georg Simmel stimmte er darin überein, dass die Grenze zwischen Soziologie und sozialem Leben eine durchlässige Membran sei.

Seine Frau Helen MacGill Hughes war an vielen seiner Projekte als wissenschaftliche Partnerin und Coautorin beteiligt.


Werke

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  • 1943 French Canada in transition
  • 1948 Good people and dirty work
  • 1952 Where peoples meet: Racial and ethnic frontiers mit Helen MacGill Hughes
  • 1953 Theorie der Institutionen (in Principles of Sociology von Alfred M. Lee)
  • 1958 Men and their work
  • 1958 Race: Individual and Collective Behavior mit Edgar T. Thompson
  • 1958 Twenty thousand nurses tell their story: A report on studies of nursing functions sponsored by the American Nurses Association
  • 1961 Boys in White - Student Culture in Medical School, a study of medical students mit Howard S. Becker, Blanche Geer und Anselm Strauss
  • 1968 Making the grade: The Academic Side of College Life mit Howard S. Becker und Blanche Geer
  • 1971 The sociological eye: Selected Papers on Institutions, Race, Work and the Study of Society (ed. by David Riesman and Howard S.Becker) [Überblick über die Vielfalt der von Hughes behandelten Themen]
  • 1979 The Chicago real estate board: The growth of an institution
  • On Work, Race and the sociological Imagination (ed. by Lewis A. Coser)


Das Werk in Themen und Thesen

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Soziologische Hauptgebiete (Überblick)

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Everett C. Hughes gilt als einer der Hauptvertreter der Schule, die im 20. Jahrhundert an der University of Chicago entstanden ist, geprägt von Robert Ezra Park, seinem Lehrer, inspiriert von Max Weber und Georg Simmel. Ein zentrales Thema der Chicago School und von Hughes war die Erforschung städtischer Subkulturen, ethnischer Minderheiten und deren Integration. Hughes Interesse galt der Entwicklung der kanadischen Gesellschaft insgesamt und darunter besonders den Fragen, wie Menschen verschiedenster Religionen, ethnischer Gruppen, Rassen und Kulturen durch Industrialisierung und Urbanisierung miteinander vermischt werden und welche Probleme daraus resultieren. Ein zweiter großer Themenbereich von Hughes war die Soziologie von Institutionen, besonders von Arbeit und Beruf. Der dritte Themenbereich, durch den Hughes bekannt wurde, umschloss Fragen der Gesundheitserziehung und der Organisation von Erziehung. Alle seine Forschungen waren auf wichtige Probleme der Lebenspraxis gerichtet und dienten zugleich der Erforschung grundlegender soziologischer Fragen. Sein übergeordnetes Ziel war es, die systematische Grundlage für die Vielfalt zu entdecken, nicht durch Simplifizierung, sondern durch Abstraktion auf das Wesentliche (Becker et al., S. ix).


Methodik und "Meilensteine" seiner Arbeit

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Hughes war in Fragen der Methodik niemals dogmatisch, sondern ging davon aus, dass es zur Erforschung von soziologischen Problemen immer unterschiedliche Zugänge gibt. Ein für ihn wichtiger Zugang war die Statistik, den Studenten empfahl er aber als ersten Zugang, von eigenen Erfahrungen auszugehen (Becker et al., S, vii). Er war ihnen gegenüber aber ein alles fordernder Lehrer. Er förderte die Feldforschung, ist aber nicht als Empiriker zu bezeichnen, da er durchaus auch Phänomene zusammenfasste und in ein übergeordnetes Konzept integrierte, für deren Zusammenhang keine Evidenz gegeben war (Becker et al., S. ix). Forschungsethik war ihm kein Anliegen, kein Thema war tabu, jedes Mittel einschließlich der Schnüffelei und des Vertrauensbruchs war ihm recht, um an Daten für die soziologische Forschung zu kommen (Becker et al., S. viii).

Während seines Aufenthaltes in Montreal beschreibt H. das Zusammenleben der englisch sprechenden Protestanten und der französisch sprechenden Katholiken der kleinen Industriestadt Drummondville im Osten der Provinz Quebec und veröffentlicht 1943 darüber das Buch „French Canada in transition“. Dies gilt als eine der besten amerikanischen Studien über Beziehungen zwischen Mehrheit und Minderheit(en). In „Good people and dirty work“ beschreibt er das Unrecht, das durch das NS-Regime in Deutschland an Minderheiten verübt wurde. Er weist darin aber auch deutlich darauf hin, dass dies nicht nur ein deutsches Übel ist, sondern dass auch in Amerika die Minderheiten für dreckige Arbeiten missbraucht werden. H. wendet sich nicht nur hier vehement gegen Nationalismus und Rassismus sowie den amerikanischen Ethnozentrismus.

H. war vor seiner akademischen Laufbahn in der „Steel Company“ in Chicago als Englischlehrer und Integrationshelfer von Einwanderern tätig und kam dabei mit den unterschiedlichsten Kulturen und Menschengruppen der Stadt Chicago in Kontakt. In seinem Bericht „Queries Concerning Industry and Society Growing Out of Study of Ethnic Relations in Industry“ beim jährlichen Treffen der „American Sociological Society“ in Chicago, der später auch veröffentlicht wurde, zeigt er überraschende Auswirkungen der Industrialisierung auf. Er kommt darin zu dem Schluss, dass die Industrie dem Land generell mehr Arbeitskräfte abverlangt, als dieses bieten kann. Der daraus resultierende Import von Arbeitern aus der ganzen Welt bedingt nach H. einen Bevölkerungsmix aus unterschiedlichen Rassen und Religionen.

Als liberaler, verfassungstreuer Demokrat wehrte er sich gegen Einschränkungen der akademischen Freiheit und bestand darauf, dass auch solche Forschungergebnisse veröffentlicht werden sollten, die sich gegen die allgemeinen öffentlichen Auffassungen richteten. Es gab für ihn keine zu geringen Themen, er beschränkte sich niemals auf nur einen bestimmten Bereich und ermutigte seine Studenten zu Experimenten in der Feldforschung. Er war immer am gesamten Umfang der Möglichkeiten und allen Formen interessiert, die ein gegebener Gegenstand annahm. Nachdem er sämtliche Wege, wie etwas hätte sein können identifiziert hatte, begann er zu untersuchen warum es passierte, warum gerade hier und warum so und nicht anders. Seine Schlüsse, Argumentationen und unkonventionellen Gedanken führten zu Ergebnissen, die neue Wege des Denkens möglich werden ließen. Seine Analogien sind immer eine große Hilfe zum Verständnis abstrakter Zusammenhänge. Als Hauptwerkzeug sozialer Forschung galt für ihn das Interview. Er war stolz auf seine bäuerlichen Vorfahren in Ohio und Virginia und fand so leichter Zugang zu den Menschen. Kommunikation bedeutete für ihn die Möglichkeit der Überwindung von Grenzen, seien es solche der Klasse, des Geschlechts, der Rasse oder der Nation.

Zusätzlich zur Redaktion des „American Journal of Sociology“ nutzte er kurze Zeitschriften und Artikel um besonders Arbeiten von Leuten mit nicht amerikanischer Abstammung an die Öffentlichkeit zu bringen. Als führendes Mitglied des „Interdisciplinary Committe on Human Development“ an der Universität Chicago nahm er aktiv Anteil an der Feldforschung in Kansas City in den 1950ern. 1960 entwarf er eine Petition gegen den Vietnam Krieg. Er war schon in jungen Jahren Mitglied und später Präsident der „Society for Applied Anthropology“. Von 1962-1963 war er Präsident der „American Sociological Association“, in deren Rahmen er 1963 beim jährlichen Treffen in Los Angeles seine Rede „Race Relations and the Sociological imagination“ vortrug, die im „American Sociological Review“ veröffentlicht wurde.

In der Berufssoziologie spricht Hughes von einem Prozess mit wichtigen „Wendepunkten“, die eine berufliche Laufbahn durchläuft. Ebenso befasst er sich mit dem Willensbildungsprozess in der Berufsgruppe (1958). Zur Rolle der Unternehmerschaft und der Industriearbeiterschaft in unterentwickelten Ländern merkt Hughes neben Melvin J. Herskovitz an „ … es ist ebenfalls wichtig zu vermerken, dass man unter den Umwelteinflüssen auch Veränderungen wie die der Geschwindigkeit und der Routine der Arbeit, den täglichen Pflichtenzyklus, die Kontrolle der menschlichen Bewegung … und vor allem die soziale Hierarchie, die durch die Arbeitssituation in der Fabrik entwickelt wird, berücksichtigen muss“ (König S 293).

Rezeption und Wirkung

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Erläuterung: Wie wurde der Autor von Zeitgenossen aufgenommen? Hat der Autor Schulen entwickelt, hat er Schüler, Nachfolger? Ist er für die gegenwärtige Soziolgie noch wichtig? Welche Thesen sind auch für die Gegenwartssoziologie noch von Bedeutung? Wenn ja warum.

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Literatur

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  • König, Renè [Hrsg.] (1969):
    "Handbuch der empirischen Sozialforschung. Band 8: Beruf Industrie Sozialer Wandel"
    Stuttgart
  • Becker et al. (1968):
    "Institutions and the Person: Papers Presented to Everett C. Hughes. Contributors and Editors: Howard Saul Becker, Blanche Geer, David Riesman, Robert S. Weiss."
    Chicago
  • Hughes, Everett Cherrington (1971):
    "The sociological eye: Selected Papers ed. by David Riesman and Howard S. Becker"
    Chicago


Internetquellen

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  • fr.wikipedia.org/wiki/Everett_Hughes. Abgerufen 04.06.07

Inglehart, Ronald

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Biographie in Daten

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Ronald Franklin Inglehart


Akademischer Lebenslauf:

  • bis 1956: Bachelor Studium an der Northwestern University
  • bis 1962: Master Studium der Politikwissenschaft in Chicago
  • 1963/64: Fullbright Studium an der Universität Leiden (Niederlande)
  • 1967 Promotion an der Universität Chicago (Ph.D)
  • im selben Jahr Ass. Professor für Politikwissenschaft an der Universität Michigan (University of Michigan - Ann Arbor)
  • 1972: Associated Professor ebenda
  • 1978: Professor an der Universität Michigan
  • seit 1985: Programmdirektor am Institut für Sozialforschung (Center for Political Studies) an der Univeraität Michigan
  • Gastprofessor u.a. in Genf, Mannheim, FU Berlin,University of Kyoto, Universität Rom


Privat:

  • Verheiratet mit Marita R. Inglehart (Ph.D)
  • Kinder: Elizabeth, Rachel, Ronald, Marita

Historischer Kontext

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Nachdem Inglehart (im Jahre 1967) promovierte, gab es eine Studentenrevolte in der "westlichen Welt" (68er Bewegung / vgl. in Deutschland: "Marsch durch die Institutionen" & "Rudi Dutschke"), die sich gegen Establishment und Authorität richtete und v.a. für "Werte" wie Selbstbestimmung, Mitsprache und kollektive Lebens- & Arbeitsformen eintrat. Kritisiert wurde dabei das kapitalistische Streben ebendieser Gesellschaft und gefordert wurde eine vermehrte Bedachtnahme auf Lebensqualität, vor allem im Hinblick auf Umweltschutz und die Akzentuierung der Individualität. Von dieser Bewegung beeinflusst, entwirft und publiziert Inglehart 1971 erstmals seine These vom Wertewandel, welche schließlich 1977 in seinem Buch "The Silent Revolution" Fuß fasste. Nachdem Inglehart seine Thesen vom Wertewandel im Zuge seiner "World Value Survey"(seit 1981) weiter ausbaute und verfestigte, waren es vor allem die Reformtätigkeiten Michail Gorbatschows seit 1985, die seine Thesen nach individueller Selbstverwirklichung der Bevölkerung untermauerten.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Vorab: Mit vierzehn hat Inglehart das Werk von George Orwell "1984" gelesen, welches ihm laut Eigenaussage (vgl. Armin Pongs S.191) die Augen für gesellschaftliche Phänomene geöffnet hat. Außerdem war Aldous Huxleys Roman "Brave New World" für Ingleharts Sensibilisierung gegenüber den Gesellschaftswissenschaften von Bedeutung.

Bedürfnispyramide nach Maslow

Selbstverwirklichung

Anerkennung und Wertschätzung

Sozialbedürfnis

Sicherheit

Grund- oder Existenzbedürfnisse

(Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Maslow)

Abraham Maslow entwickelte 1954 ein Bedürfnispyramidenmodell, anhand dessen sich die menschlichen Handlungsmotivationen beschreiben lassen. Diese Maslowsche Bedürfnishierarchie bildet die Grundlage für Ingelharts Forschung über den Wandel der Werte vom Materialismus hin zum Postmaterialismus. Erst wenn die Bedürfnisse der jeweils unteren Stufe der Pyramide erfüllt werden, werden die Bedürfnisse der nächst höhren Stufe interessant. Maslow liefert somit mit seinem Modell den Grundstein für Ingleharts Mangelhypothese (siehe weiter unten), welche einen gesellschaftlichen Wandel ursächlich erklären will.

Auch Max Webers Ausführungen über den Übergang von der vorindustriellen Gesellschaft zur Industriegesellschaft sind in Ingleharts Werken stets zu finden (Vgl.Modernisierung und Postmodernisierung, S.15). Die von Weber beschriebene protestantische Ethik und die daraus resultierende Anhäufung von Kapital zwischen 1870 und 1913 findet nach wie vor in den Studien von Inglehart Eingang, indem er zwischen protestantischen und katholischen "Kulturkreisen/Ländern" in seinen Studien unterscheidet (siehe:[39]). Von ihm übernimmt Inglehart die Ansicht, dass sich ein derartiger Übergang durch die alles durchdringende Rationalisierung jeglicher Bereiche einer Gesellschaft auszeichnet, was zu einer Verschiebung von traditionsgebundenen (religiösen) hin zu rationalen Werten im ökonomischen, politischen und sozialen Leben führt.

Werke

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Publikationen in deutscher Sprache:

  • Inglehart,Ronald (1982): Die stille Revolution. Vom Wandel der Werte, Athenaeum
  • Inglehart,Ronald (1989): Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt, Campus Verlag GmbH
  • Inglehart,Ronald (1998): Modernisierung und Postmodernisierung. Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in 43 Gesellschaften, Campus Verlag GmbH


(englische) Originalausgaben:

  • Inglehart,Ronald (1977): The Silent Revolution. Changing Values and Politic Styles among Western Publics, Princeton Univ. Press
  • Inglehart,Ronald (1990): Culture Shift in Advanced Industrial Society, Princeton Univ. Press
  • Inglehart,Ronald (1995): Value Change on Six Continents, Ann Arbor: University of Michigan Press
  • Inglehart,Ronald (1997): Modernization and Postmodernization: Cultural, Economic and Political Change in 43 Societies, Princeton Univ. Press
  • Inglehart,Ronald (1998): Human Values and Beliefs: A Cross-Cultural Sourcebook, University of Michigan Press
  • Inglehart,Ronald (2003): Rising Tide: Gender Equality and Cultural Change Around the World, Cambridge University Press, (with Pippa Norris).
  • Inglehart,Ronald (2004): Sacred and Secular: Reexamining the Secularization Thesis, Cambridge University Press, (with Pippa Norris).
  • Inglehart,Ronald (2004): Human Beliefs and Values: a cross-cultural sourcebook based on the 1999-2002 values surveys, Mexico City: Siglo XXI
  • Inglehart,Ronald/Welzel,Christian (2005): Modernization, cultural change, and democracy : the human development sequence, Cambridge Univ. Press


& zahlreiche Veröffentlichungen in Sammelwerken und soziologischen Zeitschriften!


Das Werk in Themen und Thesen

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Begriffsdefinitionen:

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  • Wertewandel: "Bezeichnung für die Veränderung von soziokulturellen Werten und Wertsystemen sowie von Wertvorstellungen, die in der modernen Gesellschaft beschleunigt abläuft und zu einem folgenreichen Schlüsselproblem geworden ist."(Hillmann, S. 966) Nach Inglehart: Verschiebung von modernen Werten (Wirtschaftswachstum, materielle Sicherheit,...) zu den postmodernen Werten (Lebensqualität, individuelle Autonomie, Selbstverwirklichung).
  • Postmaterialismus: "Begriff zur Bezeichnung [...] von [...] Wertprioritäten, die vorrangig nicht materielle Ziele beinhalten." (Hillmann, S.693) Gemeint sind damit vor allem Werte wie Mitbestimmung im politischen und Arbeitsumfeld, Rede- und Meinungsfreiheit, Umweltschutz, Ästhetik (Verschönerung städtischer und ländlicher Gebiete) et cetera. Es ist damit vor allem eine Aufwertung der Lebensqualität verbunden. Der Postmaterialismus ist ein Phänomen der Postmodernen Gesellschaft.
  • Postmoderne Gesellschaft: sind hochtechnisierte Gesellschaften, die über ein historisch einzigartiges Wohlstandsniveau verfügen. Sie durchlaufen einen gesamtstrukturellen kulturellen Wandel, der materialistische Werte stetig zurückdrängt. Eine derartige Entwicklung findet in Gesellschaften statt, die den Modernisierungsprozess erflogreich durchlaufen haben und sich nun im Prozess der Postmodernisierung befinden, der mit einer ansteigenden Betonung postmaterieller Werte einhergeht.

Wertwandelstheorie:

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In The Silent Revolution (1977) beschreibt Inglehart zum ersten Mal seine diesbezüglichen Thesen, dass die Werte der westlichen Gesellschaften sich insofern verändert haben, als dass eine Betonung der Lebensqualität im Verhältnis zur Betonung materieller und physischer Sicherheit voranschreitet. I. unterscheidet zwischen Materialisten und Postmaterialisten.

Zu den ersteren zählt die eher konservative Bevölkerungsmehrheit, also die überwiegend älteren und weniger gebildeten, ökonomisch schlechter gestellten Menschen, die noch "ältere" Wertorientierungen aufzeigen. Personen, deren Jugend von unsicheren Verhältnissen geprägt war, neigen eher zu materialistischen Werten.

Die Postmaterialisten bilden die Spitze der Inglehartschen Wertwandeltheorie: Es handelt sich dabei um jene eher junge Bevölkerungsschicht, die ein hohes Bildungsniveau und einen gehobenen Lebensstandart aufweisen. Gemäß der Maslowschen Bedürfnishierarchie sind Postmaterialisten solche Menschen, deren existenzielle und materialistische Nachfrage gedeckt ist und sich somit "höheren Werten" widmen. Eine interessante, sinnvolle Tätigkeit ist ihnen wichtiger als ein hohes Einkommen. Der Lebensstil und eine Statusmaximierung sind von zunehmender Bedeutung.

"Auch Freizeitaktivitäten spielen für sie eine wichtigere Rolle als für Materialisten" [1].

Postmaterialisten halten ihren Wohlstand für selbstverständlich und fokusieren somit andere Aspekte des Lebens an.


Ingleharts Theorie basiert auf zwei Schlüsselhypothesen:

  • Mangelhypothese:

Die Menschen begehren solche Güter, die knapp sind. Wie bereits im vorigen Absatz in Anlehnung an Maslow erwähnt, drängen Menschen nach dem Erreichen ihres physiologischen Befriedigungsniveaus (Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Sexualität) auf das Erreichen der nächsthöheren Stufe in der Bedürfnispyramide (staatliche & wirtschaftliche Stabilität, sicheren Arbeitsplatz, traditionelle Werte wie Religion, Familie...)usw.


  • Sozialisationshypothese:
    Der postmaterialistische Wertewandel 1970 png

Ein Wertewandel wird erst dann soziologisch relevant, wenn ein Großteil der Generationen in ihrer Kindheit und Jugend wirtschaftliche Prosperität (Wohlstand) erleben, und dadurch gemeinschaftlich nach neuen kulturellen Werten wie Selbstbestimmung streben. Wer in Zeiten des materiellen Notstandes aufgewachsen ist, wird mehr zu materiellen Werten tendieren als solche, die dieses Schicksal nicht teilen bzw. teilen mussten. Das ausschlaggebende Kriterium sind die formative years der in einer Wohlstandsgesellschaft sozialisierten Generation: Ein Wertewandel findet nach Inglehart demnach nicht innerhalb ein und derselben Generation statt, sondern bei bestehendem wirtschaftlichen Wohlstand nur in den jüngeren Folgegenerationen nach "Aussterben" der nach materialistischen Werten sozialisierten älteren Generationen (vgl. Grafik). Der Wertwandel vollzieht sich somit im Sinne einer Stillen Revolution.

In Ingleharts Folgewerken [Inglehart (1989) und Inglehart (1998)] werden seine Theorien weiter ausgeführt und zudem stützen sie sich mittlerweile auf in 43 Gesellschaften (70% der Wetlbevölkerung) erhobenen Daten. Weiters kann er nachweisen, dass eine zunehmende Toleranz gegenüber Abtreibung, Ehescheidung, Homosexualität, außerehelichen Sex, Sterbehilfe und Selbstmord in Staaten stattgefunden hat, in welchen von ihm bereits 1977 eine postmaterialistische Wende festgestellt respektive prognostiziert wurde.

Rezeption und Wirkung

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Inglehart ist für die Wertewandelforschung einer der bedeutendsten (wenn nicht sogar der bedeutendste) Vertreter der Gegenwart. Seine empirischen Studien bezüglich des Postmaterialismus und der Postmoderne machen ihn zum wegweisenden und vielleicht wichtigsten noch lebenden Sozialforscher, wenngleich er auch Kritik erntet. Als Präsident der schwedischen World Value Survey Organisation ist er der Kopf eines beinahe weltweit tätigen Forscherteams, welches seit 1981 empirische Daten sammelt und somit einzigartig in diesem Umfang, Aussagen über die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Einstellungen der (Welt)Bevölkerung treffen kann. Diese Daten, sind für Organisationen wie die Weltbank oder die Vereinten Nationen gute Anhaltspunkte, wie sich die Welt entwickeln könnte.


Literatur

[Bearbeiten]
  • Hillmann, Karl-Heinz(2007):
    "Wörterbuch der Soziologie. 5., vollständig überarbeitete Auflage"
    Stuttgart
  • Inglehart, Ronald (1998):
    "Modernisierung und Postmodernisierung. Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in 43 Gesellschaften"
    Frankfurt/Main
  • Kässler, Dirk/Vogt, Ludgara [Hg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Oesterdiekhoff, Georg W. [Hg.] (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden
  • Pongs, Armin (2004):
    "In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Individuum und Gesellschaft in Zeiten der Globalisierung. 2., erw. u. überarb. Auflage. Band 1"
    München
  • Reinhold, Gerd [Hrsg.] (2000):
    "Soziologie-Lexikon. 4. Auflage"
    Oldenburg


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Inglehart , Ronald in: Pongs, Armin, S. 201

Jahoda, Marie

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Biographie in Daten

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Marie Jahoda

  • geboren am 26.1.1907
  • gestorben am 28.4.2001

verheiratete Lazarsfeld, später Albu; auch: Marie Jahoda-Lazarsfeld, Marie Lazarsfeld-Jahoda, Marie Jahoda Albu;


  • Eltern:
    • Vater: Carl Jahoda (1867-1926), Kaufmann
    • Mutter: Betty Jahoda, geborene Propst (1881-1967), Hausfrau
  • Geschwister: Eduard Jahoda (später: Edward Jahoda; 1903-1980), Unternehmer; Rosi Jahoda, verheiratete Kuerti (geb. 1905), College-Lehrerin (Biologie); Fritz Jahoda (geb. 1909), Dirigent und Professor of Music
  • 1. Ehe: 1927 mit Paul Felix Lazarsfeld (1901-1976), Soziologe; 1934 geschieden.
  • 2. Ehe: 1958 Austen Harry Albu (1903-1994), Labour-Politiker, Member of Parliament 1948-1974, Minister of State am Department of Economic Affairs (1965-1967)
  • Kinder: Lotte Franziska Lazarsfeld, verheiratete Bailyn (geb. 1930), Sozialpsychologin, Professor of Management
  • Religion: jüdisch; seit 1925 o.B.


Biographie

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  • 26.01.1907: Geboren in Wien.
  • 1918-1926: Besuch des Mädchen-Realgymnasiums des Vereines für realgymnasialen Mädchenunterricht in Wien; 1926 Matura.
  • 1924-1926: Beitritt 1924 zur "Vereinigung sozialistischer Mittelschüler"; Obfrau im Schuljahr 1925/26. 1926 Sekretärin des landesweiten "Bundes Sozialistischer Mittelschüler". Beitritt zur "Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs".
  • 1926-1928: Besuch der Pädagogischen Akademie Wien; 1928: Diplom.
  • 1926-1931: Studium der Psychologie an der Universität Wien.
  • 1932: Promotion zum Dr. phil. (Psychologie); Dissertation: Anamnesen im Versorgungshaus (Ein Beitrag zur Lebenspsychologie); Betreuer: Karl Bühler (1879-1963) und Robert Reininger (1869-1955).
  • 1928 - 1929: Ein Jahr Aufenthalt in Paris und vorübergehend in Étretat, Seine-Maritime.
  • 1929-1930: Projektmitarbeiterin bei Gustav Ichheiser (1897 - 1969) am Berufsberatungsamt in der Stadt Wien und der Niederösterreichischen Arbeiterkammer in Wien
  • 1929-1934: Politische Aktivitäten innerhalb der Sozialdemokratie; Stellvertretende Sekretärin des Vereins "Arbeitskreis sozialistischer Pädagogen". Referentin bei sozialdemokratischen Frauenvereinen im Rahmen der "Sozialistischen Bildungszentrale". Bibliothekarin der Arbeiterbücherei im Karl-Marx-Hof
  • 1931-1935: Mitarbeiterin, später wissenschaftliche Leiterin, der von ihrme Mann Paul F. Lazarsfeld initiierten "Österreichischen wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle" in Wien
  • 1931-1932: Führend beteiligt an der Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" im niederösterreichischen Gramatneusiedl.
  • 1932-1933: Vierzehnmonatige Psychoanalyse bei Heinz Hartmann
  • 1933-1934: Aushilfslehrerin an verschiedenen Volks- und Hauptschulen in Wien; 1934 als Sozialdemokratin nicht weiterbeschäftigt
  • 1935-1936: Nach Auflösung des Vereins "Österreichische Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle" Neugründung als "Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeiter der Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle" als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht und alleinige Leiterin.
  • 1934-1936: illegale Tätigkeiten innerhalb der sozialdemokratischen und sozialistischen Bewegung: Mitglied der "Gruppe Funke", seit 1935 enge Zusammenarbeit mit dem Obmann der illegalen "Revolutionären Sozialisten Österreichs" Joseph Buttinger (1906 - 1992)
  • 1936-1937: 1936 wegen illegaler Tätigkeit verhaftet; Schließung der "Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeiter der Österreichischen Wirtschafspsychologischen Forschungsstelle" (diente den "Revolutionären Sozialisten Österreichs" als Poststelle". Wurde wegen eben dieser Poststelle für eine verbotete Organisation zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, jedoch vorzeitige Entlassung 1937 wegen internationaler Proteste, jedoch unter der Bedingung Österreich zu verlassen.
  • 1937-1945: Exil in Großbritannien
  • 1937-1938: Untersuchung eines Selbsthilfeprojekts der "Subsistence Production Societey" arbeitsloser Bergleute im südwalisischen Eastern Valley. Davor und danach Aufenthalt in London.
  • 1938-1940: Lebte in Bristol
  • 1939-1940: Sutie "Socio-Psychological Problems in a Factory" im Rahmen des ihr für drei Jahre zuerkannten Pinsent-Darwin Studentship of Cambridge University.
  • 1940: Übersiedelung nach Street, Somerset.
  • 1940-1941: Assistant Editor beim "War-time Social Survey"
  • 1941-1943: Redakteurin und Sprecherin beim Geheimsender "Radio Rotes Wien" in Woburn bei London im Rahmen des British Foreign Office.
  • 1943-1944: Mitarbeit beim National Institute of Social and Economic Research in London
  • 1944-1945: Angestellte des Research Co-ordination Department der Firma Marks and Spencer Ltd. in London.
  • 1945-1958:Übersiedelung in die USA. Lebte zuerst in Detroit, Michigan, dann in Manhasset, New York
  • 1945-1948: Research Associate bei Max Horkheimer (1895-1973) am Department of Scientific Research des "American Jewish Committee". Beginn der Zusammenarbeit mit Stuart Cook (1913-1993).
  • 1948-1949: Research Associate bei dem von ihrem geschiedenen Ehemann Paul F. Lazarsfeld gegründeten Bureau of Applied Social Research der Columbia University in New York. Enge Zusammenarbeit mit Robert K. Merton.
  • 1949-1958: Associate, dann Full Professor of Psychology an der New York University. 1957 Sabbatical Year (Karenz-Urlaubsjahr), Aufenthalt in London bei ihrem späteren Ehemann Austen Albu.
  • 1958-2001: Lebte in London, seit den 1960er Jahren in Keymer, Sussex.
  • 1958-1965: Zunächst Senior Lecturer in Psychology, seit 1958 Research Fellow am Brunel College of Advanced Technology in Uxbridge, Hillingdon bei London. Mit der Umwandlung in eine Universität seit 1962 Professor of Psychology. Aufbau des Department of Psychology and Social Science.
  • 1965-1973: Professor of Social Psychology an der University of Sussex in Falmer, Brighton. Aufbau des ersten Department of Social Psychology in Großbritannien. 1973 emeritiert.
  • 1965-1978: Zahlreiche Nebenbeschäftigungen: unter anderem Mitglied des britischen "Social Research Council", des Advisory Committee des "Home Secretary on Race Relations Research", des "Council for Science Policy", des "Council for Science Policy", des "Genetic Manipulation Advisory Committee"
  • 1971-1995: Senior Research Consultant, seit 1985 Visiting Professor der "Science Policy Research Unit", einer interdisziplinären Einrichtung der University of Sussex.
  • 28.04.2001: Gestorben in Keymer, Sussex (UK)


Historischer Kontext

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Marie Jahoda ist im intellektuellen Milieu in Wien aufgewachsen. Sie war schon als Schülerin politisch aktiv und damals noch sehr optimistisch, sie war überzeugt davon, dass ihre Generation den demokratischen Sozialismus aufbauen würde. Bei ihrer politischen Tätigkeit kam sie auch in Kontakt mit dem Arbeitermilieu. Nach dem Scheitern der sozialdemokratischen Bewegung, ihrem Gefängnisaufenthalt und ihrer erzwungenen Emigration war ihre Einstellung ziemlich pessimistisch und sie wandte sich mehr der Wissenschaft als der Politik zu. 1938 setzte sie sich für Flüchtlinge ein und konnte auch ihren Familienangehörigen die Einreise nach England ermöglichen. Während dem Krieg arbeitete sie zeitweise für "Radio Rotes Wien". Ansonsten stand die Forschung im Mittelpunkt. In den USA erlebte sie während der McCarthy-Ära die Veränderung des geistigen Klimas, die auch ein Forschungsgegenstand für sie wurde.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Marie Jahoda stand in keiner festgelegten Denktradition. Wichtig war ihr der lebensnahe Zugang zu den von ihr erforschten Lebensbereichen. Die Wahl ihrer Themen stand in Zusammenhang mit politischen Zielen, sie beschäftigte sich mit realen Problemen, besonders mit dem Problem sozialer Ungleichheit. Aufgrund ihres Psychologiestudiums und ihres Interesses an Psychoanalyse hatte sie eine Neigung zu einem interdisziplinären Zugang zur Erforschung sozialer Beziehungen.


Werke

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(Auswahl)


  • "Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkung langdauernder Arbeitslosigkeit" (mit Paul Lazarsfeld & Jams Zeisel) 1932
  • "Antisemetism and emotional disorder. A psychoanalytic interpretation" 1950
  • "Research methods in social relation. With especial reference to prejudice" (mit M. Deutsch & S.W. Cook) 1951
  • "Studies in the scope and method of 'The anthoritarian personality'. Continuities in social research." (mit N.W. Ackermann, T.W. Adorno, u.a.) 1954
  • "The first industrial period. A pilot study and research reflections." 1959
  • "Attitudes. Selected readings." 1966
  • "Thinking about the future. A critique of the limits to growth." 1973
  • "Progress and problems in social forecasting: disciplinary contributions to an interdisciplinary task." 1976
  • "World futures. The great debate." 1978
  • "Des Menschen hohe Braut. Arbeit, Freizeit, Arbeitslosigkeit." 1983
  • "Arbeitslose bei der Arbeit. Die Nachfolgestudie zu 'Marienthal' aus dem Jahr 1938." 1989
  • "Sozialpsychologie der Politik und Kultur." 1994
  • "Sozialwissenschaft und soziale Realität. Ein persönliches Plädoyer." 1995
  • "Ich habe die Welt nicht verändert. Lebenserinnerungen einer Pionierin der Sozialforschung." 1997


Das Werk in Themen und Thesen

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Die Arbeitslosen von Marienthal

Die Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" wurde von Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel zum Beginn der 1930er Jahre, in einem kleinen Ort an der Donau in der Nähe von Wien, durchgeführt. Die Besonderheit in diesem Ort war eine Fachspinnerei. Die Menschen arbeiteten dort seit 1830 bis zur ersten Krise 1926, in der die halbe Belegschaft entlassen wurde. Im Jahre 1930 musste die Fabrik endgültig geschlossen werden.

Die sogenannten "Arbeitslosen von Marienthal" werden als "ermüdete Gemeinschaft" bezeichnet. Anhand einiger Beispiele soll dies hier verdeutlicht werden:


Bei Arbeit:

  1. regelmäßige Fahrten (Einkäufe,...) nach Wien
  2. reges Teilnehmen bei Festen, Feiern,...
  3. Kindergarten gut besucht
  4. viele gehören einem Verein an


Bei Arbeitslosigkeit:

  1. keine Fahrten mehr nach Wien, da zu teuer
  2. keine großen Veranstaltungen mehr
  3. Kindergarten nicht mehr finanzierbar
  4. Mitgliederrückgang bei Vereinen


Die durchgeführte Studie will das Leben der Menschen in Not und Arbeitslosigkeit beleuchten und Veränderungen gegenüber früheren, besseren Zeiten herausarbeiten. Sie zeigt, dass Arbeitslosigkeit und Armut keine Radikalisierung der Menschen, sondern Resignation zur Folge hat.


Auswirkungen der Arbeitslosigkeit:

Das Interesse an Freizeitbeschäftigungen lässt nach. Der Mitgliederrückgang in den Vereinen, die keinen materiellen Vorteil bringen, zeigt, dass nicht mehr die Aktivität im Verein, sondern nur noch der Nutzen von Bedeutung ist. Das Interesse an Politik verringert sich. Es werden weniger Zeitungen abonniert und Zeitungen, die mehr auf Unterhaltung als auf Politik eingestellt sind, werden bevorzugt. Die Menschen betätigen sich seltener in politischen Parteien und Vereinen. Es gibt weniger politische Auseinandersetzungen und statt dessen mehr persönliche Anfeindungen. Die gleich bleibenden Wahlergebnisse zeigen, dass sich die politischen Einstellungen nicht ändern. Sie verlieren nur an Bedeutung. Der Bibliotheksbesuch geht zurück, die freie Zeit wird nicht zur Weiterbildung genutzt. Die geordnete Haushaltsführung und die körperliche Pflege der Kinder wird aufrechterhalten. Die Haltung der Betroffenen lässt sich in vier Haltungstypen einteilen:


1. ungebrochen:

  • Aufrechterhaltung der Ordnung im Haushalt
  • gute Betreuung der Kinder
  • Geld wird für die Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse eingeteilt
  • subjektives Wohlbefinden
  • Aktivität
  • Pläne und Hoffnungen für die Zukunft
  • aufrechterhaltene Lebenslust
  • immer wieder Versuche zur Arbeitsbeschaffung


2. resigniert (die größte Gruppe):

  • keine Pläne
  • keine Beziehung zur Zukunft
  • keine Hoffnung
  • maximale Einschränkung aller Bedürfnisse, die über die Haushaltsführung hinausgehen
  • Aufrechterhaltung der Ordnung im Haushalt
  • ordnungsgemäße Versorgung der Kinder
  • Geld wird eingeteilt
  • Gefühl relativen Wohlbefindens


3. verzweifelt:

  • Verzweiflung, Depression, Hoffnungslosigkeit
  • Gefühl der Vergeblichkeit aller Bemühungen
  • keine Arbeitssuche, keine Versuche, die Situation zu verbessern
  • häufig wiederkehrende Vergleiche mit der besseren Vergangenheit
  • Aufrechterhaltung der Ordnung im Haushalt
  • Versorgung der Kinder
  • Geld wird eingeteilt


4. apathisch:

  • energieloses, tatenloses Zusehen
  • kein Versuch, etwas vor dem Verfall zu retten
  • Wohnung und Kinder sind unsauber und ungepflegt
  • es gibt oft Streit in der Familie
  • das Unterstützungsgeld wird schon in den ersten Tagen ausgegeben
  • Betteln und Stehlen sind häufige Begleiterscheinungen
  • keine Hoffnung
  • keine Pläne für die Zukunft oder für die nächsten Tage und Stunden
  • die Stimmung ist nicht verzweifelt, sondern gleichgültig


Die Stimmungslage steht in einem Zusammenhang mit der Höhe der Arbeitslosenunterstützung. Der Haltungstyp hängt davon ab, ob genügend Geld vorhanden ist, um beschädigte Kleidungsstücke, Schuhe und Haushaltsgegenstände zu ersetzen oder zu reparieren und um ausreichendes Essen zu kaufen. Allerdings spielen auch persönliche Faktoren und die frühere Lebenssituation eine Rolle.

Auch Kinder und Jugendliche nehmen bei Arbeitslosigkeit der Eltern eine resignierte Haltung an.


Arbeit gibt eine feste Zeitstruktur vor und die begrenzte Freizeit wird genutzt. Bei Arbeitslosigkeit verliert die Zeiteinteilung ihren Sinn. Die freie Zeit wird mit Nichtstun verschwendet. Die Arbeit im Haushalt dauert wegen der Einschränkung der Mittel wesentlich länger.


Vorurteils- und Antisemitismusforschung

Vorurteilsbehaftete Personen weichen Informationen, die im Widerspruch zu ihren Ansichten stehen, aus. Wenn sie mit solchen Informationen konfrontiert werden, vermeiden sie es, sich damit auseinandersetzen zu müssen, indem sie die betreffende Botschaft einfach nicht verstehen und umdeuten. Dieser psychische Mechanismus ermöglicht es, die Ansichten nicht an der Realität zu überprüfen und sie trotz ihrer irrationalen Basis nicht ändern zu müssen.

Das antisemitische Stereotyp ergibt nicht wie andere Stereotype ein zusammenhängendes Bild, sondern es ist in sich widersprüchlich. Juden wird unterstellt, sie wären zugleich Kapitalisten und Kommunisten, geizig und verschwenderisch, zu ehrgeizig und arbeitsscheu... Personen mit antisemitischen Vorurteilen haben eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur. Sie sind unfähig, Mehrdeutigkeiten zu ertragen. Zu ihren Einstellungen gehören eine zustimmende Haltung zu scharf definierten sozialen Hierarchien, Autoritätsgläubigkeit, Verachtung gegenüber Schwachen, Überbetonung von Strafe als Mittel der sozialen Kontrolle, Ablehnung jeder Art von Abweichung, Antiintellektualismus und eine Abneigung gegen die Introspektion.

Bei dem Ausmaß der Irrationalität und den selbstdestruktiven Aspekten der Persönlichkeit ist ein psychiatrischer Zugang zum Problem des Antisemitismus naheliegend. Antisemitismus ist nicht nur eine oberflächliche Meinung, es ist ein Symptom einer fundamentalen Persönlichkeitsstörung.

Die Untersuchung von Fallgeschichten von Patienten in psychoanalytischer Therapie mit antisemitischen Einstellungen ergab folgende Persönlichkeitsmerkmale:

  • subjektiv nicht eingestandene diffuse Ängste werden durch Aggressionen ersetzt
  • Tendenz zu zwanghafter Unterwerfung
  • Forderung nach Konformität
  • defektes Gewissen
  • Unsicherheit und Verwirrung als Reaktion auf die Unterschiede zwischen den Eltern
  • sprunghaft wechselnde Gruppenloyalitäten
  • Pseudoidentifikation mit mächtigen herrschenden Gruppen

Teile der Persönlichkeit werden nicht akzeptiert und durch Projektion eliminiert. Sie werden durch Introjektionen ersetzt.


Konformismus

Während der McCarthy-Ära entstand in den USA durch Loyalitätsüberprüfungen aus Furcht vor kommunistischer Unterwanderung ein konformistisches geistiges Klima. Zur Untersuchung der Auswirkungen der Überprüfungen wurden höhere Bundesbeamte und Angehörige verschiedener Universitäten befragt.

Wie reagieren Unbeteiligte auf McCarthyismus?

Es gibt folgende Verhaltensänderungen und Vorsichtsmaßnahmen, um nicht verdächtigt zu werden:

  • Zeitungen werden am Kiosk gekauft, um nicht auf der Abonnentenliste zu stehen
  • Bücher, die vielleicht verdächtig erscheinen könnten, werden nicht mehr aufbewahrt
  • in Gesprächen werden politische Themen vermieden
  • Auf Mitgliedschaft in Organisationen mit gemeinnützigen und sozialen Zielen wird verzichtet

Die Auswirkungen sind geringer, wenn die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbeziehungen gut sind und wenn Unterstützung vom Vorgesetzten erwartet wird. Je klarer jemand die Positionen in dem Weltkonflikt erfasst hat, unso weniger wirken sich die Sicherheitsmaßnahmen auf sein Verhalten aus.

Eine Untersuchung wegen falscher Anschuldigungen fügt dem Beschuldigten erheblichen Schaden zu. Neben den Anwaltskosten und der Verunsicherung wegen den unklaren Kriterien der Schuld, wirkt sich die Untersuchung rufschädigend aus. Auch nach einem Freispruch wird jemandem, der verdächtigt wurde, noch Mißtrauen entgegengebracht.

Rezeption und Wirkung

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Kaum andere Untersuchungen können und konnten jemals einen derart fesselnden und intensiven Eindruck vom sowohl materiellen als auch ideellen Elend aufgrund der Arbeitslosigkeit widerspiegeln wie "Die Arbeitslosen von Marienthal".

Seit Erscheinen ist dieses Werk ein Klassiker in der Gemeindeforschung und in der Widerspiegelung der Folgen von Arbeitslosigkeit. Neben ihrem Hauptthema Arbeitslosigkeit hat Jahoda auch in anderen Bereichen einen Beitrag zum Erreichen des heutigen Wissensstandes geleistet. Wichtig ist auch ihr Beitrag zur Entwicklung lebensnaher Forschungsmethoden.

Literatur

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  • Marie Jahoda/ Paul F. Lazarsfeld/ Hans Zeisel (1978):
    "Die Arbeitslosen von Marienthal, 2. Aufl."
    Frankfurt am Main
  • Marie Jahoda (1997):
    "Ich habe die Welt nicht verändert, herausgegeben von Steffani Enger und Brigitte Hasenjürgen"
    Frankfurt am Main
  • Marie Jahoda (1994):
    "Sozialpsychologie der Politik und Kultur. Ausgewählte Schriften, hrsg. u. eingel. von Christian Fleck, 1. Auflage"
    Graz-Wien

James, William

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Biographie in Daten

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James William

  • geboren am 11. Jänner 1842 in New York
  • gestorben am 26. August 1910 in Chocoruna, New Hampshire


Eltern: Vater: Henry James Sr. Geschwister: Henry James, Alice James, Garth Wilkinson James, Robertson James, William James

  • Kindheit: Intellektuell stimulierendes Umfeld; mehrere Bildungsreisen nach Frankreich und Deutschland, daher auch fließende Sprachkenntnis des Deutschen und Französischen


Wissenschaftliche Laufbahn:

  • ab 1861: wissenschaftliche Studien an der Lawrence Scientific School in Harvard
  • ab 1864: Studium der Medizin an der Harvard Medical School
  • 1865: Wissenschaftliche Expedition an den Amazonas, jedoch nach 8 Monaten vorzeitiger Abbruch wegen Krankheit
  • 1868: Mehrmonatiger intelektuell fruchtbarer Aufenthalt in Deutschland und endgültige Entscheidung für Philosophie und Psychologie
  • 1869: Doktor der Medizin
  • 1873: Dozent für Psychologie in Harvard
  • In den 1870ern: Mitglied des "Methaphysical Club"
  • 1885: Professor für Philosophie in Harvard
  • 1887: Professor für Psychologie in Harvard
  • 1894-1895: Präsident der "Society for Psychical Research"
  • 1907: Ruhestand, jedoch fortgesetzte publizistische Tätigkeit


Historischer Kontext

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Historische Ereignisse spielen im Leben von William James eine untergeordnete Rolle. Erwähnenswert ist lediglich der amerikanische Bürgerkrieg (1861-1865), in dem zwei seiner Brüder kämpften. Jedoch spiegelt sich auch dieses Ereignis nicht merklich in seinen wissenschaftlichen Arbeiten wieder.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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William James war dank seiner Europa-Reisen schon sehr früh mit den Arbeiten des Physiologen und Physikers Hermann von Helmholtz (1821-1894) und Pierre Janets (1859-1947), einer der Pioniere der Psychiatrie und Psychotherapie, bekannt. Besonders das Werk Janets veranlasste ihn zu seinen psychologischen Forschungen. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts war James Mitglied des illustren "Methaphysical Club", in dem z.B. auch der Jurist Oliver Wendell Holmes, der Chemiker und Philosoph Charles Peirce und der Psychologe und Reformpädagoge John Dewey Mitglieder waren.


Werke

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Sämtliche Werke William James aufzuzählen, würde bei weitem den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher hier nur die größten bzw. wichtigsten:

  • The Principles of Psychology, 2 vols. (1890)
  • Psychology (Briefer Course) (1892)
  • The Will to Believe, and Other Essays in Popular Philosophy (1897)
  • Human Immortality: Two Supposed Objections to the Doctrine (1897)
  • Talks to Teachers on Psychology: and to Students on Some of Life's Ideals (1899)
  • The Varieties of Religious Experience: A Study in Human Nature (1902), ISBN 0140390340
  • Pragmatism: A New Name for Some Old Ways of Thinking (1907), 1981: ISBN 0915145057
  • A Pluralistic Universe (1909)
  • The Meaning of Truth: A Sequel to "Pragmatism" (1909)
  • Some Problems of Philosophy (1911)
  • Memories and Studies (1911)
  • Essays in Radical Empiricism (1912)
  • Letters of William James, 2 vols. (1920)
  • Collected Essays and Reviews (1920)


Das Werk in Themen und Thesen

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William James Werke befassen sich hauptsächlich mit Psychologie und Philosophie. Diese beiden Bereiche werden bei ihm nicht starr voneinander getrennt, sie vermischen sich am meisten in seiner pragmatistischen Erkenntnistheorie.


  • Erkenntnistheorie: James vertritt die Ansicht, dass der Wahrheitsgehalt eines Konzepts bzw. einer Idee darin besteht, wie sie sich praktisch bewährt, wie „nützlich“ sie für denjenigen ist, der an sie glaubt. James hat diesen Faktor „Nützlichkeit“ nie genau definiert. Er ist wohl einerseits vom Darwinismus inspiriert, d.h. die "Nützlichkeit" von Konzepten ist mit der Darwinschen "Fitness" vergleichbar, andererseits bezieht James diese "Nützlichkeit" auch auf ästhetische und religiöse Kategorien (siehe unten). Dieses Verständnis der "Wahrheit" als eher relativ und subjektiv führt James auch als Begründung seiner Forderung nach mehr Toleranz an. Seiner Meinung nach liegt auch noch in der Weltanschauung einer Person, die uns als dumm erscheint, eine gewisse -relative- Wahrheit.


  • Religionsphilosophie: Auch in seiner Religionsphilosophie vertritt James den Ansatz des "Pragmatismus". Er plädierte weiterhin dafür, sich eher mit den religiösen bzw. mystischen Erfahrungen des Einzelnen zu beschäftigen als mit religiösen Institutionen, da letztere ihren Ursprung in ersteren haben. Das Studium von religiösen Erfahrungen trage außerdem zum allgemeinen Verständnis der menschlichen Psyche bei, da religiöse Erfahrungen oft den Charakter alltäglicher Erfahrungen höherer Intensität trügen. James Aussagen über die Religion sind zum Teil inkohärent: Während sie einmal für ihn nur eine bewährte Idee im Sinne des "Pragmatismus" ist, stellt er sie ein anderes mal als einzigen Zugang zu einer überwissenschaftlichen Erfahrungswelt dar.


  • Geschichtsphilosophie: So wie für James in der Religion der Einzelne mit seinen Erfahrungen eine herausragende Rolle einnimmt, verhält es sich im allgemeinen auch in der Geschichte, d.h. sie ist für James primär das Werk einzelner Genies und nicht das der "Massen". Allerdings zählt er zu diesen Genies auch solche auf den Gebieten der Kunst und der Wissenschaft, und nicht nur große Militärs und Politiker.


  • Psychologie: James war der Urheber vieler bahnbrechender Konzepte und Theorien in der Psychologie, die er zum größten Teil in seinem Monumentalwerk "Principles of Psychologie" darlegt. Auf ihn geht Beispielsweise das Konzept des "Gedankenstroms" bzw. "Bewusstseinsstroms" zurück, weiterhin beschrieb er die Wahrnehmungswelt eines Kleinkindes auf revolutionäre Weise und lieferte eine große Anzahl an faszinierenden introspektiven Beobachtungen. Besondere Erwähnung verdient außerdem die James-Lange-Theorie der Emotion (so genannt weil unabhängig von James auch von Carl Lange (1834-1900) entwickelt). Sie besagt dass, entgegen der allgemeinen Vorstellung, ein Ereignis nicht ein Gefühl und dieses wiederum eine körperliche Reaktion hervorruft, sondern letztere direkt vom Ereignis hervorgerufen wird und das Gefühl lediglich eine Reaktion auf den Körperzustand ist. James lieferte hierfür ein berühmtes Beispiel, das als "James' Bear" bekannt ist: Wenn wir einen Bären sehen, laufen wir nicht davon, weil wir Angst haben, sondern wir haben Angst, weil wir davonlaufen. Das Gehirn reagiert also auf einen veränderten Körperzustand (Herzklopfen, starke Atmung, Adrenalinausstoß etc.) mit dem Gefühl. Ein Gefühl ohne Körper wäre also unmöglich.


Rezeption und Wirkung

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James war schon zu Lebzeiten ein bekannter und vielgelesener Wissenschaftler und blieb dies auch nach seinem Tod, vor allem in seinem Hauptgebiet, der Psychologie. Jedoch haben seine Thesen auch Eingang in die Soziologie gefunden, vor allem durch Alfred Schütz, der sich James Konzept des "pluralistischen Universums" d.h. der Vielfalt von Lebenswelten und Konzepten für seine Soziologie zunutze machte. Auch James Idee, dass der Glaube eine Vorbedingung des Wissens ist, und seine Philosophie des Pragmatismus spiegelt sich teilweise in Schütz' Konzept der Lebenswelt wieder. Viele von James Thesen leben auch heute in veränderter Form wieder auf, so z.B. die James-Lange-Theorie der Emotionen, die eine große Ähnlichkeit mit Antonio Damasios Bewusstseinstheorie aufweist, weiterhin die Philosophie des Pragmatismus, die man als frühen Vorläufer des umstrittenen Memetik-Konzepts betrachten kann.


Literatur

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Internetquellen

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Joas, Hans

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Biographie in Daten

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Hans Joas

  • geboren 1948
  • studierte in München und an der freien Universität Berlin Soziologie, Geschichte und Philosophie .
  • Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken seit 2008


Wissenschaftlicher Werdegang

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1979 Promotion in Berlin.

1979-1983 Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Bildungsforschung im Max-Planck- Institut, Berlin.

1981 Habilitation an der FU Berlin.

1980- 1981 Übernahme der Vertretung einer Professur am Soziologischen Seminar an der Universität Tübingen.

1984-1987 Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

1985 Gastprofessor der Universität Chicago, in der Abteilung für Soziologie.

1986 ebenfalls Gastprofessor der Universität Toronto, Abteilung für Soziologie.

1987-1990 Professor (C 3), im Institut für Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg.

1990-2002 Professor (C4) am John F. Kennedy-Institut für Nordamerkastudien und Institut für Soziologie, Freie Universität Berlin.

1992 Gastprofessor an der Universität Uppsala und Fellow (Partner, Kollege) am SCASSS (The Swedish Collegium for Advanced Study in the Social Sciences).

1994 Fellow am Indiana Institut für Advanced Study in Bloomington, Indiana.

1996 Gastprofessor der Abteilung für Soziologie an der Universität Winconsin, Madison.

1997 Professor der Abteilung für Soziologie, an der New School for Social Research in New York.

1998 Gastprofessor an der Duke Universität in Durham, North Carolina.

Seit 1998 ordentliches Mitglied der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

1998 Gastprofessor, in der Abteilung für Soziologie, an der Universität Wisconsin, Madison.

1999/2000 Fellow (Partner) am SCASSS (Swedish Collegium for Advanced Study in the Social Sciences) in Uppsala, Schweden.

Seit 2000 Professor der Abteilung für Soziologie an der Universität Chicago, Member of the Committee on Social Thought.

Seit 2002 Leiter (Dekan) und Professor des Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien an der Universität Erfurt.

Oktober 2002 Gastprofessor am Institut für Soziologie der Universität Wien.

2004-2005 Ernst-Cassirer-Professor, Swedish Collegium for Advanced Study in the Social Sciences, Uppsala, Schweden.

2005-2006 Fellow, Wissenschaftskolleg zu Berlin.


Hans Joas ist Ehrenmitglied der Humboldt- Universität zu Berlin.

Werke

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Die gegenwärtige Lage der soziologischen Rollentheorie.

Frankfurt 1973, (Akademische Verlagsgesellschaft).


Praktische Intersubjektivität.

Die Entwicklung des Werks von George Herbert Mead.

Frankfurt 1980 (Suhrkamp).


Soziales Handeln und menschliche Natur.

Anthropologische Grundlagen der Sozialwissenschaften.

Frankfurt 1980 (Campus, Studium-Reihe) (zusammen mit Axel Honneth).


Wissenschaft und Karriere.

Frankfurt 1987, (Campus), (zusammen mit Michael Bochow.).


Pragmatismus und Gesellschaftstheorie.

Frankfurt 1992, (Suhrkamp).


Die Kreativität des Handelns.

Frankfurt 1992,(Suhrkamp).


Die Entstehung der Werte.

Frankfurt 1997, (Suhrkamp).


Kriege und Werte.

Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Weilerswist 2000, (Velbrueck).


Sozialtheorie.

Zwanzig einführende Vorlesungen.(mit Wolfgang Knöbl)

Frankfurt 2004, (Suhrkamp).


Braucht der Mensch Religion?

Über Erfahrungen der Selbsttranszendenz.

Freiburg 2004, (Herder).


Herausgeberschaften Hans Joas

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Philosophie der Demokratie.

Beiträge zum Werk von John Dewey.

Frankfurt 2000, (Suhrkamp) .


Kriege und Werte.

Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Weilerswist 2000, (Velbrueck).


Lehrbuch der Soziologie.

Frankfurt 2001, (Campus).


Was sind religiöse Überzeugungen?

Göttingen 2003, (Wallstein).


The Dialogical Turn: New Roles for Sociology in the Postdisciplinary Age.

Charles Chamic/Hans Joas (eds.), Lanham 2004, MD (Rowman and Littlefield).


Braucht der Mensch Religion?

Hans Joas, Freiburg 2004, (Herder).


Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen.

Hans Joas/Wolfgang Knöbl, Frankfurt 2004, (Suhrkamp).


Interdisziplinarität als Lernprozeß.

Erfahrungen mit einem handlungstheoretischen Forschungsprogramm.

Hans Joas/Hans G. Kippenberg (Hg.), Göttingen 2005,(Wallstein).


Die kulturellen Werte Europas.

Hans Joas/Klaus Wiegandt (Hg.), Frankfurt 2005, (Fischer).


Die Zehn Gebote. Ein widersprüchliches Erbe?

Köln 2006,(Böhlau).


Säkularisierung und die Weltreligionen.

Hans Joas/Klaus Wiegandt (Hg.),Frankfurt am Main 2007, (Fischer).


Das Werk in Themen und Thesen

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Schwerpunkte in der Lehre Hans Joas:

Hauptsächlich beschäftigt sich Hans Joas in seiner Lehre mit der klassischen und modernen Theorie der Soziologie, aber auch mit der Sozialstruktur der USA.

Weitere Schwerpunkte sind die Kriegsursachen und Kriegsfolgen, Sozialphilosophie und Soziologie des amerikanischen Pragmatismus und Kommunitarismus sowie die Religionssoziologie.


Kurzbeschreibung des Werks Die Kreativität des Handelns

In Joas' Werk "Die Kreativität des Handelns" geht es um die Handlungstheorien. Der Autor hat die Theorie aufgestellt, dass neben dem rationalen und dem normativ orientierten Handeln ein weiterer Aspekt wichtig ist. Es ist hier vom kreativen Charakter menschlichen Handelns die Rede.


Forschungsprojekte

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Wertbindung und sozialer Wandel

In diesem Forschungsprojekt geht es Hans Joas um die Frage, wie Werte entstehen und wie eine Kommunikation über sie funktioniert. Werte entstehen nicht nur aus positiven Erfahrungen, sondern sie entstehen auch durch die Verarbeitung negativer Erfahrungen. In historisch-soziologischen Studien werden aus diesem Grund die Wechselwirkungen von der Wertentstehung und Gewaltgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts erforscht.

Mit diesem Forschungsprojekt hängt aber noch ein zweites Projekt Joas' zusammen. Bei diesem Projekt liegt der Schwerpunkt auf der Kommunikation über Werte.

Der Dritte Schwerpunkt von Joas' Forschung hängt eng mit seinem bisherigen wissenschaftlichen Werk zusammen. Die Philosophie des amerikanischen Pragmatismus.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt Joas' beschäftigt sich mit Theorien sozialen Wandels.


Internetquellen

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Kaufmann, Franz-Xaver

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Biographie in Daten

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Kaufmann Franz Xaver

  • geboren am 22. August 1932 in Zürich


  • Franz-Xaver Kaufmann ist das jüngstes von 6 Kindern des Rechtsanwalts Dr. Joseph Kaufmann
  • verheiratet
  • 2 Söhne und bisher 4 Enkelkinder


Ausbildung

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  • die ersten Gymnasiljahre verbrachte Franz-Xaver Kaufmann im Benediktinerkolleg Disentis, die letzten am Literaturgymnasium des Kantons Zürich wo Franz-Xaver Kaufmann (Matura 1951)
  • 1952 bis 1958: Juristische, soziologische sowie wirtschaftswissenschaftliche Studien an der Universität Zürich, der Hochschule St. Gallen (heute Universität St. Gallen) und an der Université de Paris
  • 1956: an der Hochschule St. Gallen Lizenziat der Wirtschaftswissenschaften
  • 1956/57: Tätigkeit als Assistent am volkswirtschaftlichen Seminar der Hochschule St. Gallen


Beruflicher Werdegang

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  • 1960: an der Hochschule St. Gallen Doktorat der Wirtschaftswissenschaften
  • 1960 bis 1963: tätig im Personalwesen der CIBA AG (in Basel)
  • 1963 bis 1968: wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster
  • 1968: Tätigkeit an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster/Westf. Habilitaton für Sozialpolitik und Soziologie
  • 1969: seit 1969 ordentlicher Professor für Sozialpolitik und Soziologie an der Universität Bielefeld-Fakultät für Soziologie
  • 1971 bis 1976: Leiter der Projektgruppe "Verwaltung und Publikum"
  • 1975 bis 1981: Leiter der Projektgruppe "Wirkungsanalysen der Sozialpolitik"
  • 1979 bis 1983: Direktor am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld; Leiter der Forschungsgruppe "Steuerung und Erfolgskontrolle im öffentlichen Sektor"
  • 1980 bis 1986: Koordination des DFG-Schwerpunktprogrammes "Staat, intermediäre Instanzen und Selbsthilfe"
  • 1980 bis 1992: Gründungsbeauftragter sowie Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik Bielefeld; Leiter des Arbeitsbereichs "Sozialpolitik und Familie"
  • 1997: seit diesem Jahr Professur emeritus
  • 1998/99: am Wissenschaftskolleg zu Berlin Fellow
  • 2003: am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen Senior Fellow


Mitgliedschaften

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  • 1970 bis 1979: Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Jugend und Gesundheit (den Vorsitz 1974 bis 1978)
  • 1985 bis 1999: Fachbeirat das Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht in München
  • 1987 bis 2001: Fachbeirat des Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln (Vorsitz 1988 bis 1997)
  • 1990 bis 2005: Wissenschaftlicher Beirat des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen (Vorsitz 1991 bis 1998)
  • 1991 bis 1994: Sachverständigenkomission für den 5. Familienbericht der Bundesregierung (stv. Vorsitz)
  • 1991 bis 2001: Kommission 6 der Deutschen Bischofskonferenz für gesellschaftliche und soziale Fragen
  • 1994 bis 1998: Kommission zur Gründung eines Max-Planck-Instituts für demographische Forschung
  • seit 1995: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zur Herausgabe der "Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945"
  • seit 2001: Wissenschaftlicher Rat der Katholischen Akademie in Berlin (Vorsitz)
  • seit 2005: Beraterkreis des "Forums Demographischer Wandel" des Bundespräsidenten


Historischer Kontext

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  • 1933: wurde Adolf Hitler durch Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Das war das Ende der Weimarer Republik und der Beginn der Diktatur des Nationalsozialismus
  • 1939: begann der Zweiten Weltkrieg. Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis 1945 kam es zum Holocaust dem beispiellosen Völkermord an den Juden. 1945 war das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Beginn der Besatzungszeit in Österreich und Deutschland
  • 1949: Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
  • 1956: Ungarn Aufstand
  • 1962 bis 1965 Zweites Vatikanisches Konzil
  • 1986: ereignete sich die Katastrophe von Tschernobyl
  • 1990: Deutsche Wiedervereinigung nach dem Fall der Mauer
  • 1993: Gründung der EU


"Das Ende der IV. Republik habe ich in Paris live miterlebt. Am stärksten betroffen war ich durch den Ungarn Aufstand 1956. Lebensgeschichtlich und auch (religions-)wissenschaftlich war für mich das zweite Vatikanische Konzil am wichtigsten." Franz-Xaver Kaufmann 2007


Theoriegeschichtlicher Kontext

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"Raymond Aron (Paris) verdanke ich das nüchterne Denken in der Tradition Max Webers; Georg Gurvitch (Paris) und Niklas Luhmann (Bielefeld] die multidimensionale Rekonstruktion sozialer Gegebenheiten. Dieter Claessens (damals Münster) das Interesse an der anthropologischen Fundierung der Modernisierungstheorie."' Franz-Xaver Kaufmann 2007


Werke

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Wichtigste Bücher

  • Die Überalterung - Ursachen, Verlauf, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen des demographischen Alterungsprozesses (Zürich/St. Gallen:Polygraph. Verl. 1960)
  • Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem (Untersuchungen zu einer Wertidee hochdifferenzierter Gesellschaften, Stuttgart: Enke 1970)
  • Bürgernahe Sozialpolitk (Planung, Organisation und Vermittlung sozialer Leistungen auf örtlicher Ebene, Frankfurt New York:Campus, 1979)
  • Kirche begreifen (Analysen und Thesen zur gesellschaftlichen Verfassung des Christentums, Freiburg i. Br.: Herder, 1979)
  • Sozialpolitik und familiale Sozialisation (zur Wirkungsweise öffentlicher Sozialleistungen, Stuttgart: Kohlhammer, 1980)
  • Guidance, Control, and Evaluation in the Public Sector (Berlin New York: De Gruyter, 1986)
  • Religion und Modernität (Sozialwissenschaftliche Analysen, Tübingen, J.C.B.Mohr(Paul Siebeck) 1989)
  • Zukunft der Familie (München: C.H.Beck, 1990)
  • The Public Sector - Challenge for Coordination and Learning (Berlin/New York: De Gruyter, 1991)
  • Der Ruf nach Verantwortung Risiko und Ethik in einer unüberschaubaren Welt, Freiburg i.Br.: Herder, 1992)
  • Herausforderungen des Sozialstaats (Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1997)
  • Family Life and Family Policies in Europe (Vol 1: Structures and Trends in the 1980s, 1997; Vol 2: Problems and Issues in Comparative Perspective, 2002)
  • Sozialpolitik und Sozialstaat. Soziologische Analysen (Opladen: Leske+Budrich, 2002)
  • Wie überlebt das Christentum (Freiburg i. Br.: Herder 2000; 2nd ed. 2000. Italien:Brescia 2002, Croatian: Zagreb 2003 Polish: Kraków 2004)
  • Varianten des Wohlfahrtsstaats (Der deutsche Sozialstaat im internationalen Vergleich; Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2003; 4th ed. 2004. Chinese:Taipeh 2005)
  • Sozialpolitisches Denken: Die deutsche Tradition (Frankfurt a.M.:Suhrkamp, 2003)
  • Schrumpfende Gesellschaft. Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2005. Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2005)


Das Werk in Themen und Thesen

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Hauptarbeitsgebiete

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  • Religionssoziologie
  • Familiensoziologie und Familienpolitik
  • Geschichte und institutionelle Entwicklungen der Sozialpolitik
  • Theorie der Sozialpolitik und des Wohlfahrtstaats

Religion

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1. Verkirchlichung des Christentums: 'Zuerst in „Kirche begreifen –Analysen und Thesen zur gesellschaftlichen Verfassung des Christentums“ (1979). Entgegen der damals dominierenden Säkularisierungsthese, die ein allmähliches Verschwinden der christlichen Religion prognostizierte, argumentierte Franz-Xaver Kaufmann differenzierungstheoretisch: Religion verselbständigt sich in den Kirchen und gibt die übrigen gesellschaftlichen Bereiche von ihren Deutungsansprüchen frei. Gleichzeitig steigt der Organisationsgrad der Kirchen, die dadurch eine modernitätskompatible Form gewinnen. Allerdings sinkt die milieumäßige konfessionelle Bindung, sodass es den Kirchen immer schwerer fällt, ihre Mitglieder in einem Glaubenszusammenhang zu halten.


2. Welt-Religion: „Religion“ ist ein okzidentaler und damit partikulärer Begriff, der von der Vorerfahrung der christlichen Konfessionen her konstruiert wurde und vor allem von der im Horizont des Protestantismus entstandenen Religionswissenschaft als universale Kategorie postuliert wurde. „Religion“ impliziert die Trennung von „Heilig“ und „Profan“ oder religiösem und nicht- religiösem Bereich. Genau das trifft jedoch für die außerwestlichen Kulturen nicht zu. Fraz-Xaver Kaufamnn glaubt jedoch (seit 2003) beobachten zu können, dass im Zuge der Globalisierung auch der Religionsbegriff sich globalisiert, d.h. dass nunmehr auch in Kulturen, die die „Apartheit von Religion“ (J. Matthes) traditionellerweise nicht kennen, die Ausdifferenzierung und semantische Kohärenz von „Religion“ zunimmt, sodass zunehmend eine wechselseitige Orientierung zwischen den Repräsentanten unterschiedlicher „Religionen“ entsteht.


Familie und Bevölkerung

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ie meisten Familiensoziologen beschäftigen sich mit den Veränderungen von Familien auf der Gruppenebene, also aus einer meso- oder mikrosoziologischen Perspektive. Franz-Xaver Kaufmann interessiert sich mehr für die gesellschaftliche Wechselwirkung zwischen Familien und anderen Gesellschaftsbereichen, also eine makrosoziologische Perspektive. Zuerst (1975) interessierte ihn der Zusammenhang zwischen „Familiären Konflikten und gesellschaftlichen Spannungsfeldern“. Daraus resultierte die These einer Strukturellen Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft gegenüber den Familien, die Franz-Xaver Kaufmann in den 5. Familienbericht der Bundesregierung (1994) eingebracht hat. Ebenda hat Kaufmann zusammen mit Hans-Günter Krüsselberg das Konzept des Humanvermögens entwickelt, das eine brauchbare Brücke zu bildungs-, sozial-, wirtschafts- und bevölkerungspolitischen Fragestellungen schlägt. Schon 1980 hat Franz-Xaver Kaufmann ferner (quantitative und qualitative) Nachwuchssicherung als gesellschaftliche Funktion der Familien bestimmt. Heute gebraucht Franz-Xaver Kaufmann den Begriff als integrierendes Leitkonzept für Familien-, Bildungs- und Migrations- bzw. Integrationspolitik.


Sozialpolitik und Wohlfahrtsstaat-Begriffsdefinitionen von Franz-Xaver Kaufmann

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Eine die vielfältigen Einzelfelder der Sozialpolitik und Probleme des Sozial- oder Wohlfahrtsstaat übergreifende Perspektive ist in den letzten Jahren Franz-Xaver Kaufmann zu seinem besonderen Anliegen geworden. Dabei hat er zahlreiche bereits gelegentlich verwendete Begriffe aufgenommen und ihnen einen präziseren Sinn gegeben.

  • Sozialpolitische Intervention: Menschen brauchen Rechte, ökonomische Ressourcen, Gelegenheiten und Kompetenzen, und jede dieser Zieldimensionen sozialpolitischen Handelns impliziert andere Interventionsstrategien. „Intervention“ macht zudem klar, dass sozialpolitische Maßnahmen ambivalent wirken, also nicht nur wohltätige Effekte, sondern häufig auch unerwünschte Nebenwirkungen zeitigen.
  • Sozialpolitik erster und zweiter Ordnung: Das herkömmliche Verständnis von Sozialpolitik orientiert sich an der Lösung sozialer Probleme (= SP erster Ordnung). Je weiter die wohlfahrtsstatlichen Einrichtungen ausgebaut sind, desto mehr tritt die Abarbeitung von Folgeproblemen sozialpolitischer Interventionen in den politischen Vordergrund (= SP zweiter Ordnung).
  • Wohlfahrtsproduktion: Das ist Franz-Xaver Kaufmanns Grundbegriff für die vergleichende Betrachtung privater, marktlicher, staatlicher und verbandlicher Aktivitäten, die eine Verbesserung der Lebenslage der Menschen zum Ziele haben.
  • Inklusion – soziale Rechte: Den gesellschaftstheoretisch bereits etablierten Begriff der Inklusion sucht er unter dem Gesichtspunkt der Funktion sozialer Rechte zu präzisieren und deren Bedeutung auch ideengeschichtlich aufzuhellen.
  • Wohlfahrtskultur: Sozialpolitsche Maßnahmen implizieren regelmäßig Umverteilungen, welche legitimationsbedürftig sind, zumal in einer vorherrschend individualistischen Kultur. Deshalb interessiert Kaufmann sich für die normativen und ideellen Grundlagen der Sozialstaatlichkeit und ihre ideologischen oder nationalen Ursprünge.

Rezeption und Wirkung

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Franz-Xaver Kaufmanns Habilitationsschrift "Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem" hat wohl erstmals die Normativität des Sicherheitsbegriffs expliziert und zu seiner kulurtheoretischen Verankerung beigetragen. Franz-Xaver Kaufmann hat zahlreiche Begriffsdefinitionen mit einem präziseren Sinn verliehen (Definition unter Sozialpolitk und Wohlfahrtsstaat) Sozialpolitische Intervention, Sozialpolitk erster und zweiter Orndung, Wohlfahrtsproduktion, Inklusion-soziale Rechte und Wohlfahrtskultur in wissenschaftliche und zum Teil auch in politische Diskussionen eingebracht.


Auszeichnungen

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  • 1991: Ausländisches Mitglied der Königlich-Flämischen Akademie der Wissenschaften und schönen Künste von Belgien
  • 1993: Dr. theol. h. c. (Universität Bochum)
  • 1993: Ordentliches Mitglied der Academia Europea Scientiarum et Atrium, Salzburg
  • 1994: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
  • 1997: Dr. oec. h. c. (Universität St. Gallen)
  • 1998: Ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften
  • 2001: Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen
  • 2005: Ludwig Preller-Preis für Sozialpolitik
  • 2007: Schader-Preis


Veröffentlichungen über Prof. Dr. Franz-Xaver Kaufmann

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  • Modernität und Solidarität. Konsequenzen gesellschaftlicher Modernisierung. Für Franz-Xaver Kaufmann. Hrsg. von Karl Gabriel, Alois Herlth und Klaus Peter Strohmaier. Freiburg i.Br.: Herder 1997
  • Sozialstaat am Scheideweg. Innere und äußere Gründe des Veraltens wohlfahrtsstaatlicher Arrangements. Leibfried, Stephan: Essay zu Franz-Xaver Kaufmann, Herausforderungen des Sozialstaates. Soziologische Revue 21. Jg. (1998) 427-438
  • Moraltheologie unter Modernisierungsdruck: Interdisziplinarität und Modernisierung als Provokationen theologischer Ethik-im Dialog mit der Soziologie Franz-Xaver Kaufmanns. Stephan Goertz: Münster. LIT-Verlag, 1999
  • Zukunftsfähigkeit der Theologie. Anstöße aus der Soziologie Franz-Xaver Kaufmanns. Hrsg. von Karl Gabriel, Johannes Horstmann und Norbert Mette. Paderborn: Bonifatius-Verlag, 1999
  • Fragen und Folgen. Der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann wird siebzig. In: Christ in der Gegenwart 54 Jg. (2002), Nr. 34, 278. Michael N. Ebertz.
  • Soziologische Abklärung der Sozialpolitik. Laudatio auf Prof. Dr.DDr.h.c.Franz-Xaver Kaufmann anlässlich der Verleihung des Ludwig-Preller-Preises für Sozialpolitik am 14.01.2005 in Frankfurt am Main. Lutz Leisering. In: Zeitschrift für Sozialreform 51. Jg. (2005) Nr. 3, 245-272
  • Franza-Xavera Kaufmanna Koncepcja socjologii religii (Franz-Xaver Kaufmanns Konzeption der Religionssoziologie) Agnieska Fedcak. Diss. Katholische Universität Lublin, 2005


Über Franz-Xaver Kaufmann

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  • ""Franz-Xaver Kaufmann ist seit Jahrzehnten so etwas wie ein wissenschaftliches und ethisches Frühwarnsystem"; Elisabeth von Thadden, Die Zeit
  • Franz-Xaver Kaufmann ist ein hoch renomierter Wissenschaftler mit großer internationaler Ausstrahlung. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit hat sich Franz-Xaver Kaufmann immer auch öffentlich engagiert, als Berater, Zeitdiagnostiker und als Intellektueller, der sich in aktuelle Debatten fundiert und sachlich einmischt.[1]


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. http://www.springerlink.com/content/51xq4840377t1847/fulltext.pdf

Kingsley, Davis

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Biographie in Daten

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Kingsley Davis

  • geboren am 20. August 1908 in Tuxedo, Texas

Er war ein US-amerikanischer Soziologe und Demograph.


Vater: Sein Vater war Joseph Dyer Davis.

Mutter: Seine Mutter war Winifred Davis. Sie war eine geborene Kingsley.


Kingsley Davis war 3 Mal verheiratet.

1 Ehe: 1936 heiratete er Jane Quinn. Sie hatten gemeinsam 2 Kinder, Jo Ann Davis, verheiratete Daily und Jefferson Kingsley Davis.

2 Ehe: 1954 heiratete Davis Judith Blake und ließ sich 1977 von ihr scheiden. Sie hatten eine gemeinsame Tochter namens Laura Isabelle Davis.

3 Ehe: Das letzte Mal heiratete Kingsley Davis 1985 Marta H. Seoane. Sein jüngster Sohn heißt Austin Alexander Davis.


Wissenschaftlicher Werdegang

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1922-1932 studierte Davis an der Universität Texas in Austin, Texas; 1930 B.A. (English), 1932 M.A. (Philosophy).

1932-1936 studierte er Soziologie an der Harvard Universität in Cambridge, Massachusetts; 1933 M.A. (Sociology). In dieser Zeit wurde Davis beeinflusst von Talcott Parsons (1902-1979).

1936 verfasste er seine Dissertation (Ph.D. Sociology): A structural analysis of kinship; prolegomena to the sociology of kinship.

1934-1936 war Davis Instructor in Sociology am Smith College in Northampton, Massachusetts.

1936-1937 Assistent Professor of Sociology an der Clark Universität in Worcester, Massachusetts.

1937-1944 war er Mitglied der Pennsylvania State Universität in University Park, Pennsylvania.

1937-1942 Associate Professor.

1942-1944 Full Professor of Sociology.

1942-1944 Head of the Division of Sociology.

1940-1942 gleichzeitig Studien zur Demographie als Fellow (Partner, Kollege) des Social Science Research Council an der Universität Chicago in Chicago, Illinois.

1942-1944 Visiting Research Associate am Office of Population Research der Princeton University in Princeton, New Jersey.

1944-1948 war Davis Mitglied der Princeton Universität in Princeton, New Jersey: 1944-1948 Research Associate.

1944-1945 Associate Professor of Public Affairs.

1945-1948 Associate Professor of Anthropology and Sociology an dem von ihm gegründeten Department.

1948-1955 lebte Kingsley Davis in New York.

1948-1955 Full Professor of Sociology an der Graduate Faculty of Political Science der Columbia Universität in New York, New York. Hier arbeitete Davis unter anderem mit Robert K. Merton (1910-2003) zusammen.

1949-1955 gleichzeitig Associate Professor.

seit 1952 Full Professor of Sociology sowie Associate Director.

seit 1952 Director des von Paul F. Lazarsfeld (1901-1976) gegründeten Bureau of Applied Social Research an der Columbia Universität.

Außerdem 1954-1961 United States Representative bei der Population Commission der UNO.

1961-1963 Chairman des Department of Sociology.

1955-1970 Full Professor of Sociology and Comparative Studies an der Universität California in Berkeley, California.

1970-1976 Ford Professor of Sociology and Comparative Studies.

1976-1977 Ford Professor emeritus recalled.

1977 Kingsley emeritiert.

Gleichzeitig 1956-1977 Chairman des von ihm gegründeten Programms für "International Population and Urban Research".

Außerdem 1970-1971 Mitglied des Advisory Council for Science and Technology der Legislative Assembly.

1977-1997 lebte Kingsley Davis in Los Angeles, California.

1977-1992 Distinguished Professor of Sociology an der Universität Southern California in Los Angeles, California.

1981-1992 war er teilzeitbeschäftigter Senior Research Fellow.

1992-1997 emeritus Senior Research Fellow an der Hoover Institution on War, Revolution, and Peace in Stanford, California.

1977-1982 war Kingsley Davis Mitglied des NASA Advisory Council in Washington.

In den letzten Jahren seines Lebens litt Davis an der parkinsonschen Krankheit.

27.2.1997 verstarb Davis Kingsley in Stanford, California.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Kingsley Davis aber auch Robert K. Merton und Wilbert E. Moore waren wichtige Schüler von Talcott Parsons. Nach Parsons strukturell-funktionaler Theorie beschäftigten sich auch andere Soziologen mit diesem Thema. Unter anderem Kaspar D. Naegele, Kingsley Davis, Wilbert Moore, Marion Levy und Robert K. Merton. Diese verfassten auch wichtige Beiträge zu funtionalistischen Schichtungstheorie.

Kingsley Davis und Wilbert E. Moore erarbeiteten: Einige Prinzipien der sozialen Schichtung. Sie gingen davon aus, dass keine Gesellschaft klassenlos oder ungeschichtet ist.

Kingsley Davis arbeitete mit der Soziologin Judith Blake zusammen. 1956 entwickelten sie elf Variablen, die auf die Fertilität (Fruchtbarkeit) einwirken.


Werke:

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Youth in the depression.

(With illustrations by Fred Cooper. Chicago, Ill.: University of Chicago Press 1935.)


Urbanization in Latin America.

(New York, N.Y.: Milbank Memorial Fund 1946, mit Ana Casis.)


Modern American society.

Readings in the problems of order and change. (New York, N.Y.: Rinehart 1949, miit Harry Charles, Bredemeier & Marion Joseph Levy, Jr..)


Human Society

(MacMillan, 1949)


People on the move.

(London: Bureau of Current Affairs 1950, mit Julius Isaac.)


The Population of India and Pakistan

(Princeton University Press, 1951) The world's metropolitan areas, (by International Urban Research, Institute of International Studies. (Under the direction of Kingsley Davis.) Berkeley, University of California Press 1959.)


India's urban future.

(Selected studies from an international conference sponsored by Kingsley Davis, Richard Leonard Park, Catherine Bauer Wurster. Edited by Roy Turner. Berkeley, University of California Press 1962 ((c) 1961).


Future demographic growth of the San Francisco Bay area.

(Berkeley, Institute of Governmental Studies, University of California 1963 (= The Franklin K. Lane project.), mit Eleanor Langlois)


Problems and solutions in international comparison for social science purposes.

(Buenos Aires: Instituto Torcuato Di Tella 1964 (= Documento de trabajo. 6.)


World Urbanization

1950-1970 (Berkeley: Institute of International Studies, 1969, 1972)


Their Origin, Growth and Human Impact

(W.H. Freeman, 1973).


Cities and mortality.

(Reprint of a paper delivered at the International Population Conference, Liege, 1973). Berkeley, University of California 1973, (= Population reprint series. 433.)


A structural analysis of kinship.

Prolegomena to the sociology of kinship. (New York, N.Y.: Arno Press 1980 (= Dissertations on sociology.)


Herausgeberschaften:

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World population in transition.

(Edited by Kingsley Davis. Philadelphia, Pa.: [American Academy of Political and Social Science] 1945 (= American Academy of Political and Social Science. Annals. 237.).


A crowding hemisphere: population change in the Americas.

(Edited by Kingsley Davis. Philadelphia, Pa.: [American Academy of Political and Social Science] 1958 (= American Academy of Political and Social Science. Annals. 316.)


Family structure in Jamaica. The social context of reproduction.

(by Judith Blake in collaboration with Joseph Mayone Stycos and Kingsley Davis. New York, N.Y.: Free Press of Glencoe 1961)


California's twenty million.

Research contributions to population policy. (Kingsley Davis and Frederick G. Styles, editors. (Held [...] under the auspices of the Assembly Science and Technology Advisory Council.) Berkeley, Calif.: Institute of International Studies, University of California 1971 (= Population monographs series. 10.) Cities. Their origin, growth, and human impact; readings from Scientific American. (With introductions by Kingsley Davis. San Francisco, Calif.: Freeman 1973, 297 S.)


Contemporary marriage.

Comparative perspectives on a changing institution. (Edited by Kingsley Davis, in association with Amyra Grossbard-Shechtman. New York, N.Y.: Russell Sage Foundation 1985.)


Below-replacement fertility in industrial societies. Causes, consequences, policies.

(Kingsley Davis, Mikhail S. Bernstam [i.e. Mihail S. Bernstam], Rita Ricardo-Campbell, editors. (Based on papers presented at a seminar held at the Hoover Institution, Stanford University, November 1985.) New York, N.Y.: Population Council 1987 (= Population and development review, a supplement to volume 12.)


Population and resources in a changing world. Current readings.

(Edited by Kingsley Davis, Mikhail S. Bernstam [i.e. Mihail S. Bernstam], Helen Sellers. Stanford, Calif.: Morrison Institute for Population and Resource Studies, Stanford University 1989.)


Resources, environment, and population. Present knowledge, future options.

(Kingsley Davis, Mikhail S. Bernstam [i.e. Mihail S. Bernstam], editors. (Based on a conference held at the Hoover Institution, Stanford University, 1-3 February 1989.) New York, N.Y. / Oxford: Population Council / Oxford University Press 1991 (= Population and development review. A supplement to volume 16.)


Das Werk in Themen und Thesen

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Davis Kingsley wirkte bei den Studien amerikanischer und weltweiter Gesellschaften mit. Er formte und prägte den Begriff der „Bevölkerungs- Explosion“ und den Begriff des „null Bevölkerung Wachstums“ . Kingsley führte spezifische Studien über die amerikanische Bevölkerung durch. In seinem wissenschaftlichen Arbeiten widmete er sich der Weltgesellschaft, basierend auf der empirischen Analyse jeder Gesellschaft in ihrem eigenem Lebensraum. Davis Bücher schließen demnach die menschliche Gesellschaft (MacMillan, 1949), die Bevölkerung von Indien und Pakistan (Princeton Universitätspresse, 1951), und die Weltverfeinerung 1950-1970 mit ein.


Nullbevölkerung Wachstum ist ein wichtiges Konzept der heutigen Soziographie und Demographie. Das Nullbevölkerung Wachstum drückt eine Situation aus, in der eine Bevölkerung nicht wächst noch sinkt. Ein Nullbevölkerung Wachstum wird in einer Bevölkerung erzielt, wenn die Geburtenrate einer Bevölkerung, und die Sterblichkeitsrate übereinstimmen. Die Bevölkerung stagniert, das bedeutet es herrscht ein Zustand der demographischen Balance. Zu Nullbevölkerung Wachstum kommt es durch ökonomische Faktoren, wie zum Beispiel Ausdehnung der Armut, soziale Ungleichheit ec.


Funktionalistische Schichtungstheorie

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Gegen Ende des 2. Weltkrieges geriet die USA verstärkt unter internen Legitimationsdruck, daraufhin entwickelten Davis und Moore (1945) die funktionalistische Schichtungstheorie. In dieser Theorie wurde die amerikanische Gesellschaft als Leistungsgesellschaft vorgestellt. Kingsley und Moore gingen von sozialer Ungleichheit als Universalie aus. Diese Theorie versucht zu erklären, warum soziale Ungleichheit zu den universellen Charakteristiken von Gesellschaften zählen.


Grundannahmen dieser Theorie:

Gewisse Positionen sind in jeder Gesellschaft funktional wichtiger als andere. Daraus ergibt sich, dass für diese Positionen spezielle Fähigkeiten zu ihrer Ausführung verlangt werden.

Nur eine limitierte Anzahl von Individuen in jeder Gesellschaft besitzt die Begabung, die notwendig ist, um die für bestimmte Positionen angemessenen Tätigkeiten zu erfüllen.

In jeder Gesellschaft gibt es unterschiedliche Positionen, die wieder unterschiedliche Funktionen benötigen. Für den Fortbestand der Gesellschaft sind diese Funktionen in ungleichem Ausmaß wichtig. Zur Ausübung der Funktionen sind unterschiedliche Anforderungen an die Fähigkeiten der Individuen erforderlich. Es soll daher von jeder Gesellschaft ein Mechanismus bereitgestellt werden, der die Besetzung aller Positionen ermöglicht und versichert. Dieser Mechanismus soll auch garantieren, dass alle Pflichten erfüllt werden, die mit den unterschiedlichen Positionen verbunden sind. Daraus ergibt sich ein Motivationsproblem, mit welchen Mitteln die Individuen dazu gebracht werden sollen bestimmte Positionen einzunehmen und die damit verbundenen Aufgaben auszuüben.


Das Belohnungssystem:

Die knappen Talente müssen besonders motiviert werden, damit sie sich den Mühen der nötigen Ausbildung unterziehen. Materielle (Geld) und immaterielle Entlohnungen (Prestige) wären die Anreize dafür.

Dieses Belohnungssystem ist notwendig um die Positionen entsprechend zu besetzen, die für das gelingen der Gesellschaft von Bedeutung sind. Das heißt, dass funktional wichtige Positionen dringender zu besetzen sind als unwichtigere Positionen. Hierbei ergibt sich aber das Problem, dass man nur schwer bestimmen kann, welche Position funktional wichtiger ist wie eine andere. Davis und Moore arbeiteten zwei Kriterien für eine Bestimmung aus:

• Funktionale Eigenständigkeit (wie leicht lässt sich ein Individuum in einer Position von anderen Individuen auswechseln)

• die Abhängigkeit von übergeordneten Positionen

Daraus ergibt sich, dass Positionen mit hochgradigen Anforderungen schwerer zu besetzen sind, als solche mit niedrigen Anforderungen. Bei Positionen mit hoher Anforderung ist das in Frage kommende Personal knapper, da nur wenige diese Qualifikationen und Talente besitzen. Darum müssen wichtige Positionen mit hohen Anforderungen höher entlohnt werden als Positionen mit niedrigen Anforderungen. Je höher die Qualifikationsanforderungen an die talentierten Individuen ist, desto höher ist die Entlohnung, die mit der Besetzung dieser Position verbunden ist. Die nötigen Qualifikationen und Anforderungen werden im Wesentlichen durch die Ausbildung erworben. Wichtig dabei ist, dass sich die Höhe der Entlohnung aus dem Marktmechanismus ergibt. Dieser Marktmechanismus liegt der funktionalistischen Schichtungstheorie zugrunde. Der Marktmechanismus ist dafür verantwortlich, dass Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung gebracht werden. Das bedeutet, dass je höher das Angebot an möglichen qualifizierten Personal für eine bestimmte Position ist, desto geringer ist die Belohnung, die mit dieser Position verbunden wird, und umgekehrt. Der Marktmechanismus ist für das Funktionieren einer Gesellschaft besonders wichtig, denn ein Außerkraftsetzen des Marktes, das zu dauerhaftem Über- oder Unterangebot von Kandidaten für funktional wichtige Positionen führen würde, gefährdet sogar den Fortbestand einer Gesellschaft.


Soziale Ungleichheit ist folglich ein unbewusst entstandenes Werkzeug, mit dessen Hilfe die Gesellschaft versucht, die bedeutsamsten Positionen von den talentiertesten Individuen gewissenhaft zu besetzen.


Elf Variablen zur Fertilität (Fruchtbarkeit) von Davis Kingsley und Judith Blake

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3 Variablen von Kingsley Davis und Blake beeinflussen den Geschlechtsverkehr (intercourse variables), dazu gehören die

Bildung und Auflösung sexueller Beziehungen während der Fortpflanzungsperiode.


Variable 1. Das Alter der Akteure ist bei eingehen sexueller Kontakte zu berücksichtigen.


Variable 2. Die Zahl der Frauen ohne hetero-sexuelle Beziehungen fließt in die Fertilitätsrate mit ein. Aber in der heutigen Zeit muss berücksichtigt werden, dass Frauen auch ohne Männer Kinder bekommen können.


Variable 3. Ende von Beziehungen bzw. Unterbrechung oder Auflösung von Beziehungen durch Trennung, Scheidung oder Tod des Partners wird berücksichtigt.


3 Variablen die den Geschlechtsverkehrs innerhalb bestehender heterosexueller Partnerschaften beinflussen:

Variable 4. Die Partner sind freiwillig enthaltsam.


Variable 5. Die Partner sind unfreiwillig Enthaltsam zum Beispiel durch Abwesenheit, Krankheit, Impotenz,etc.


Variable 6. Koitushäufigkeit


Weitere 3 variablen beeinflussen die Empfängnis (conception variables):


Variable 7. natürliche Empfängnismöglichkeit oder Unmögliche Empfängnismöglichkeiten


Variable 8. Empfängnisverhütung jeder Art (Pille,...)


Variable 9. beabsichtigt geschaffene Empfängnismöglichkeit oder beabsichtigt geschaffene Unmöglichkeit der Empfängnis.

Darunter fallen zum Beispiel Sterilisation, medizinische Behandlung gegen Unfruchtbarkeit,…


2 Variablen wirken auf die Schwangerschaft und Geburt (gestation variables):


Variable 10. Fötussterblichkeit zum Beispiel durch einen spontanen Abortus


Variable 11. Abtreibung


Die Auswirkung der Variablen und das demographische Gewicht sind je nach gesellschaftlichen Verhältnissen verschieden.


Literatur

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  • Davis, Kingsley / Moore Wilbert E. (1967):
    "Einige Prinzipien der sozialen Schichtung In: Hartmann, Heinz [Hrsg.]: Moderne amerikanische Soziologie"
    Stuttgart

Internetquellen

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Funktionale Schichtungstheorie:


Bevölkerung:

König, Rene

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Biographie in Daten

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König Rene

  • geboren am 05. Juli 1906 in Magdeburg
  • gestorben am 21. März 1992 in Köln


Eltern:

Vater: Dipl. Ing. Gustav König

Mutter: Marguerite König, geborene Godefroy LeBoeuf


Kinder:

Mario König (12. November 1947)

Oliver König (30. September 1951)


Ausbildung:

1914 Schulbesuch in Paris

1915 Eintritt ins Gymnasium in Halle

1922 - 1925 Gymnasium in Danzig

1925 Abitur, Studienbeginn in Wien (drei Semester: Philosophie und Psychologie, daneben islamische Sprachen)

1926 Ferienuniversität für Ausländer in Florenz, Studienbeginn in Berlin (Philosophie sowie Kunst- und Kulturwissenschaften, Ethnologie und Romanistik)

1929 Promotion zum Dr. phil. in Berlin (Philosophie, Romanistik und Ethnologie); Dissertation: "Die naturalistische Ästhetik in Frankreich und ihr Auflösung"

1938 Habilitation in Zürich mit der Arbeit: "Kritik der historisch-existentialistischen Soziologie. Ein Beitrag zur Begründung einer objektiven Soziologie"


Berufliche Daten:

1931 erste Veröffentlichung in der Zeitschrift Sociologus "Die neuesten Strömungen in der gegenwärtigen französischen Soziologie"

1938 - 1947 Privat-Dozent in Zürich

1939 - 1940 Forschungsaufenthalt in London

1947 Honorarprofessor an der Universität Zürich; Gastvorlesungen in Marburg und München

1949 Gründung der ISA (International Sociological Association) in Oslo; Berufung an die Universität zu Köln als ordentlicher Professor für Soziologie an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftichen Fakultät

1952 - 1953 Reise-Stipendium der Rockefeller-Foundation (7 Monate); Reisen an verschiedene Universitäten in den USA

1955 - 1974 Direktor des "Forschungsinstitut für Soziologie" der Universität zu Köln

1955 Vortragsreise in den Nahen Osten

1957 Gastprofessor University of Michigan, Ann Arbor; Gastprofessor University of California at Berkeley

1955 - 1985 Herausgeber der "Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie"

1959 Gastprofessor Columbia University in New York; Gastprofessor University of California at Berkeley

1962 Gastprofessor University of Colorado at Boulder

1962 - 1977 Fakultätsbeautragter der WISO-Fakultät für die Partnerschaft mit der Universität Kabul

1962 - 1964 Dekan der WISO-Fakultät in Köln

1962 - 1966 Präsident der ISA

1964 Gastprofessor University of California at Berkeley

1966 Vortragsreise für das "Goehte-Institut" nach Nordafrika und in den Nahen Osten

1968 Gastprofessor University of Arizona

1969 Gastdozent am Collége de France, Paris

1975 Gastprofessor University of Michigan, Ann Arbor

1979 Feldforschung auf der Navajo-Reservation in Arizona

1981 Forschungsaufenthalt auf der Navajo-Reservation in Arizona


Wichtige Ereignisse:

1937 Emigration (von Köln aus während der Karnevalszeit) in die Schweiz (Zürich)

1947 Heirat mit Irmgard König (geb. Tillmanns)

1947 Geburt des Sohnes Mario König

1950 Literaturpreis des Kantons Zürich

1951 Geburt des Sohnes Oliver König

1974 Emeritierung nach Köln

1974 Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

1975 Afghanischer Orden für Erziehung

1980 Ehrendoktor der University of Illinois

1981 Ehrendoktor der Universität Augsburg

1982 Ehrendoktor der Universität Wien

1986 Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der BRD

1988 Verleihung des Arthur-Burkhardt-Preises


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Émile Durkheim

König galt in den 50er Jahren als Vertreter einer reinen Soziologie, die wie er sagte "nichts als Soziologie" sein sollte. Eine Soziologie dieser positiven Sozialwissenschaften war für ihn vor allem im Werk Émile Durkheims verkörpert.

In seiner Habilitationsschrift "Kritik der historisch-existentialistischen Soziologie. Ein Beitrag zur Begründung einer objektiven Soziologie" setzt er sich mit dieser "reinen" Soziologie auseinander, und beschreibt vor allem die soziologische Situation Deutschlands in den 30er Jahren. König nimmt darin auf die deutsche Tradition der historisch-existentialistischen Soziologie bezug und vergleicht sie mit der französischen Tradition, aus der Durkheim hervorgegangen ist. Nach Königs Auffassung erreicht die französische Soziologie eine Art des soziologischen Denkens, die im Gegensatz zur deutschen Tradition dem von ihm vertretenen Ideal - also einer positiver Soziologie - entspricht. Kritisiert wurden von König dabei vor allem deutsche Werke von Martin Heidegger und Nicolai Hartmann.

Königs Kritik richtete sich vor allem gegen die Komponenten der deutschen Tradition, die nach 1933 das Feld beherrschten. Sie hatten sich laut König deshalb entwickeln können, weil das Werk Max Webers im deutschen Sprachraum nicht so prägend war, wie das Werk Émile Durkheims in Frankreich.

Im Zusammenhang mit Durkheims Arbeiten und einiger seiner Vorläufer machte König außerdem darauf aufmerksam, dass die soziale Krise große Bedeutung für die Entstehung der Soziologie hatte. Mit dem Krisenproblem hing seiner Ansicht nach aber auch die Problematik sozialer Ordnung zusammen. Im Sinne der Durkheimschen Soziologie stellte König fest, dass der eigentliche Gegenstand der Soziologie die Gruppe sei und dass "in der Gruppe als Organ der weltverändernden Praxis das Prinzip gefunden worden sei, aus dem allein die soziale Welt ihre Ordnung erfahre."


Ein Zitat René Königs über Émile Durkheim zeigt gut, wie sehr er diesen schätzte:


"Äußerlich trat dieser schon hervor in der Art seines Vortrages: leidenschaftlich, erregt floß der Strom seiner Rede, die trotz sorgfältiger (schriftlicher) Vorbereitung fast immer schöpferischer Improvisation entsprang. Und gerade das Schauspiel dieses Einsatzes eines ganzen Menschen für seine Sache verlieh ihm in den Augen seiner Zuhörer jene Autorität, von der alle berichten, die jemals Zeuge seiner Wirksamkeit waren. Sein leidenschaftliches Gefühl steht ganz und gar im Dienste der Sache. So allein konnte er dem strengsten wissenschaftlichen Vortrag den Nachdruck seherischer Prophetie verleiehen, die schon aus seinem Angesicht...zu seinen Schülern sprach...so war ihm auch das akademische Lehramt mehr als eine Anstalt zur Übermittlung eines neutralen Wissenstoffes. ...Allerdings suchte er...die Erziehung Gleichgesinnter nicht zu erreichen durch billige Kathederprophetie, sondern einzig durch die Übermittlung einer methodischen Forschungsweise."


Sein kritisches Verhältnis zur deutschen Soziologie

René König hatte vor allem zu bestimmten Vertretern der deutschen Tradition des soziologischen Denkens ein kritisches Verhältnis. Unter anderem gehörten dazu Hans Freyer und Helmut Schelsky, aber auch Martin Heidegger. Zunächst als verbündet betrachtet, nahm er im Laufe der Zeit auch Abstand zu Vertretern der Frankfurter Schule wie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Vor allem Schelsky nahm kritisch zu Königs Untersuchungen Stellung. So warnte er ausdrücklich vor Fehlentwicklungen, zu denen die von König geforderte autonome Soziologie führen könnte. Schelsky wurde hingegen von König vor allem deshalb kritisiert, weil dessen Forschungen keinen theoretischen Hintergrund zu haben schienen. In dem Lexikon „Soziologie“ stellte König diesbezüglich fest: „...dass sich die deutsche Soziologie heute teilweise in einem völlig hilflosen Empirismus bewegt, dem auf der anderen Seite ein totaler Mangel an Theorie gegenübersteht. Die üppig ins Kraut schießenden kulturkritischen, geschichts- und sozialphilosophischen Ansätze ,wie auch mancherlei Versuche, zu einer Theorie der Gesellschaft zu gelangen, vermögen diesen aufdringlichen Mangel an soziologischer Theorie nicht auszugleichen.“ Zu Max Webers Werken lassen sich hingegen immer wieder Parallelen ziehen. So bekannte sich König in seiner Habilitationsschrift ausdrücklich zur Max Weberschen Haltung und einer moralischen Rationalität, die in erster Linie eine Haltung und erst in zweiter Linie eine Methode sein sollte.


König wurde außerdem beeinflusst von:

  • Claude-Henri Saint-Simon
  • Auguste Comte
  • Marcel Mauss
  • Max Weber

Deutschsprachige Werke

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  • Die naturalistische Ästethik in Frankreich und ihre Auflösung. Ein Beitrag zur systemwissenschafltichen Betrachtung der Künstlerästethik. Leipzig: Universitätsverlag von Robert Noske 1931, 233 Seiten
  • Vom Wesen der deutschen Universität. In: Verpflichung und Aufbrauch. Schriften zur Gegenwart. Gerhard Bahlsen (Hrsg.). Berlin: Verlag die Runde 1935, 211 Seiten
  • Niccolo Machiavelli. Zur Krisenanalyse einer Zeitenwende. Erlenbach-Zürich: Eugen Rentsch Verlag 1941, 352 Seiten
  • Sizilien. Ein Buch von Städten und Höhlen, von Felsen und Lava und von der großen Freiheit des Vulkans. Zürich: Büchergilde Gutenberg 1943, 244 Seiten
  • Materielien zur Soziologie der Familie. In: Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie, Band 1. Bern: A. Francke Verlag 1946, 179 Seiten
  • Grundformen der Gesellschaft. Die Gemeinde. In: Rowohlts deutsche Enzyklopädie 79. Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag 1958, 200 Seiten
  • König R. & Silbermann A.: Der unversorgte selbständige Künstler. Über die wirtschaftliche und soziale Lage der selbständigen Künstler in der Bundesrepublik. Stiftung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung über Wesen und Bedeutung der freien Berufe (Hrsg.). Köln-Berlin: Deutscher Ärzte Verlag 1964, 99 Seiten
  • Soziologische Orientierungen. Vorträge und Aufsätze. Köln-Berlin: Kiepenheuer und Witsch 1965, 575 Seiten
  • Lüschen G. & König R.: Jugend in der Familie. In: Überblick zur wissenschaftlichen Jugendkunde, Band 3. München: Juventa Verlag 1965, 112 Seiten
  • Kleider und Leute. Zur Soziologie der Mode. Frankfurt a. Main: Fischer Bücherei 1967, 173 Seiten
  • Studien zur Sozilogie. Thema mit Variationen. Frankfurt a. Main-Hamburg: Fischer Bücherei 1971, 269 Seiten
  • Macht und Reiz der Mode. Verständnisvolle Betrachtungen eines Soziologen. Düsseldorf-Wien: Econ Verlag 1971, 269 Seiten
  • Inianer wohin? Alternativen in Arizona. Skizzen zur Entwicklungssoziologie. Opladen: Westdeutscher Verlag 1973, 248 Seiten
  • Die Familie der Gegenwart. Ein interkultureller Vergleich. In: Beck´sche Schwarze Reihe 116. München: C.H. Beck Verlag 1974, 176 Seiten
  • Kritik der historisch-existentialistischen Soziologie. Ein Beitrag zur Begründung einer objektiven Soziologie. München: R. Piper Verlag 1975, 299 Seiten
  • Émile Durkheim zur Diskussion. Jenseits von Dogmatismus und Skepsis. München-Wien: Carl Hanser Verlag 1978, 367 Seiten
  • Leben im Widerspruch. Versuch einer intellektuellen Autobiographie. München-Wien: Carl Hanser Verlag 1980, 383 Seiten
  • Menschheit auf dem Laufsteg. Die Mode im Zivilisationsprozeß. München-Wien: Carl Hanser Verlag 1985, 387 Seiten
  • Soziologie in Deutschland. Begründer, Verächter, Verfechter. München-Wien: Carl Hanser Verlag 1987, 503 Seiten

Fremdsprachige Werke

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  • Sociologie In Deze Tijd. Mit einer Einleitung von P.J. Bouman, Amsterdam: Uitgeverij H.J. Paris 1952, 135 Seiten.
  • Matériaux pour une sociologie de la famille, Paris 1957.
  • La Sociología y la Sociedad Actual, Madrid: Instituto de Estudios Politicos 1959, 177 Seiten.
  • Orientaciones Sociológicas. La sociología como ciencia de la oposicion y como crítica de la sociedad, Bueños Aires: Editorial Sur, S.A. 1968, 197 Seiten.
  • The Community, London: Routledge and Kegan Paul Ltd. 1968, 218 Seiten.
  • The Community, New York: Schocken Books 1968.
  • Sociologie de la mode, Paris: Petite Bibliothèque Payot 1969, 187 Seiten.
  • Sociologische Verkenningen, Utrecht und Antwerpen: Het Spectrum Aula 1969, 312 Seiten.
  • Sociologia de la Communidad Local, Madrid: Fundacion Foessa 1971, 281 Seiten.
  • The Restless Image. A Sociology of Fashion. Mit einer Einleitung von Tom Wolfe, London: George Allan and Unwin Ltd. 1973, 239 Seiten.
  • A la Mode. On the Social Psychology of Fashion. Mit einer Einleitung von Tom Wolfe, New York: The Seabury Press 1973.
  • Il potere della moda, Neapel: Liguori Editori 1976, 256 Seiten.
  • Potega i vrok mody, Warschau: Wydawnictawa Artystyczne i Filmowe 1978, 312 Seiten.
  • La familia in nuestro tiempo. Una comparación intercultural, Madrid: Siglo veintuno editores, S.A. 1981, 186 Seiten.

Das Werk in Themen und Thesen

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König vertrat die "positive Soziologie", die eine werturteilsfreie Wissenschaft sein sollte, die sich mit sozialen Tatsachen befasst und sie zu erklären versucht. In den 30er Jahren setzte sich König intensiv mit philosophischen Problemen auseinander, vor allem in Bezug auf die Begründung einer, an objektiver Erkenntnis interessierten reinen Soziologie.

Eines der Hauptinteressen von König war es, Lösungsvorschläge für die zentrale gesellschaftliche Problemstellung zu finden und aufzuzeigen, wie soziale Ordnung möglich ist. Er bricht mit utilitaristischen Theorien wie sie zuvor von Hobbes oder Smith aufgestellt wurden, weil diese seiner Ansicht nach auf dem individuellen Nutzenkalkül aufbauen und nicht-vertragliche Elemente im Vertrag ausblenden. Sehr pointiert erklärt König den normativen Charakter sozialen Daseins mit folgenden Worten: "Grundsätzlich kann gesagt werden, dass nur Obligationen im strengen Sinne soziologisch vollgültig relevant sind, die die Chance der Internalisierung haben, während Zwänge, die nur von außen wirken, ohne jemals zum Motiv des Handelns werden zu können, als 'Gewalt' bezeichnet werden müssen."

Damit wird auch verständlich, warum er sich in seinen Untersuchungen intensiv mit Interaktionsgefügen von Menschen und intermediären Gruppen (Familie, lokale Gemeinden, informelle Gruppen in Betrieben) beschäftigte und nicht mit dem Staat oder bürokratischen Großorganisationen.

In seinem Buch "Grundformen der Gesellschaft: Die Gemeinde" beschreibt er die Gemeinde als soziales System, welche in allen erdenklichen Gesellschaften unabhängig von räumlichen Gegebenheiten Strukturen bildet. Die Gemeinde stellt in Königs Sinn "das bedeutendste intermediäre Sozialgebilde zwischen der Familie und gesellschaftlichen Großgebilden" dar. Wie die Familie ist Gemeinde für ihn Primärgruppe, eine "globale Gesellschaft" oder auch eine "soziale Totalerscheinung" im Sinne von Marcel Mauss. Außerdem beschreibt König die Gemeinde in folgenden 3 Dimensionen: Nachbarschaft, Macht und soziale Schichtung. Aufgabe der Gemeinde ist seiner Ansicht nach die räumliche und soziale Integration, die mittels sozialer Beziehungen und Institutionen zu erbringen ist.

König hat die deutsche Soziologie nach dem zweiten Weltkrieg entscheidend beeinflusst. Er hat auch dafür gesorgt, dass Werke von Saint-Simon, Comte und vor allem Durkheim in Deutschland veröffentlicht wurden, nicht ohne Grund gilt König als einer der kompetentesten Durkheim-Interpreten seiner Zeit. Vor allem die Ereignisse rund um den zweiten Weltkrieg brachten König dazu, sich vom kritischen Szientismus Max Webers zu lösen und sich dem französischen Positivismus Durkheims zuzuwenden. In seinen kulturkritschen Abhandlungen wendet sich König gegen Sozialromantik, Diskrimination ethnischer Minoritäten und totalitäre Ideologien. Als Mitbegründer und Herausgeber der "Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie" setzte er in Deutschland neue Standards in Bezug auf empirische Soziologie und Methodologie.

Heute gilt König als einer der Begründer der empirischen Sozialforschung in Deutschland.


Rezeption und Wirkung

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Eines der größten Anliegen Réne Königs war sicher die Bekanntmachung der französischen Soziologen - darunter vor allem Èmile Durkheim - in Deutschland der Nachkriegszeit. Vor allem als Mitbegründer und langjähriger Herausgeber der "Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie" war er darauf bedacht die deutsche Soziologie durch internationale Beiträge positiv zu beeinflussen. Heute werden Königs Werke vor allem durch die Réne-König-Gesellschaft repräsentiert.


Literatur

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  • Weiske, Christine (2001)In: Georg W. Oesterdiekhoff [Hrsg.]:
    "Lexikon der soziologischen Werke "
    Wiesbaden, Seite 357.
  • Reimann, Horst (1984):
    "Internationales Soziologenlexikon, Band 2. Beiträge über lebende oder nach 1969 verstorbene Soziologen herausgegeben von Wilhelm Bernsdorf & Horst Knospe"
    Stuttgart


Internetquellen

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Kropotkin, Peter

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Biographie in Daten

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Peter Kropotkin (russisch: Pjotr Alexejewitsch Kropotkin/ Пётр Алексеевич Кропоткин)

  • geboren am 9.12.1842 in Moskau
  • gestorben am 8. Februar 1921


Russischstämmiger anarchistischer Revolutionär, Natur- und Gesellschaftswissenschaftler.


  • Vater: Fürst Alexei Petrowitsch Kropotkin
  • Geschwister: Alexander Kropotkin (älterer Bruder), zwei weitere Geschwister


Den ersten Teil von Kropotkins Leben (bis 1886) kann man anhand seiner Autobiografie, der vom Herausgeber der Titel "Memoiren eines Revolutionärs" gegeben wurde, nachlesen. Die Autobiografie ist, ganz im Stile des russischen Naturalismus, sehr nüchtern gehalten. Kropotkin beschreibt hier anhand seines Lebens auch eindringlich die Verhälnisse in Russland zu seiner Zeit.


  • 9.12.1842: Geburt in Moskau als Sohn hoher, aber politisch bedeutungsloser Adeliger.
  • 1857: Eintritt in das Pagenkorps des Zaren in Sankt Petersburg. Ausbildung in Naturwissenschaften, Erwachen literarischen Interesses, u.a. an den Schriften von Alexander Herzen.
  • 1861: Kropotkin wird Sergeant im Pagenkorps und Kammerpage Zar Alexanders II (besonders ironisch im Hinblick auf seine späteren sozialrevolutionären Ambitionen).
  • 1862: Kropotkin meldet sich nach Abschluss der Ausbildung im Pagenkorps als Offizier in einem sibirischen Kosakenregiment am Amurfluss-anders als die anderen Zöglinge des Pagenkorps, die in prestigeträchtige Garderegimente eintreten. Kropotik lernt dort das sibirische Verbannungswesen kennen, nimmt an mehrerern geografischen Expeditionen, u.a. in die Mandschurei und ins Sajangebirge teil und wird Attaché des Generalgouverneurs von Ostsibirien für Kosakenangelegenheiten.
  • 1867: Austritt aus dem Militär in Folge eines Gefangenenaufstands, der Kropotkin die Unvereinbarkeit zwischen seiner (damals noch sozialdemokratischen) politischen Einstellung und seiner Stellung beim Militär verdeutlicht.
K. beginnt ein Mathematikstudium in S. Petersburg, setzt seine geografischen Studien fort und wird Sekretär der Sektion "Physische Geographie" der Geographischen Gesellschaft. Seine Entdeckungen zur Geographie Asiens sind bedeutend.
  • 1871: Teilnahme an geographischen Forschungsexpeditionen in Finnland und Schweden. Ihm wird der Sekretärsposten der russischen geographischen Gesellschaft angeboten den er jedoch ablehnt, um "ins Volk zu gehen", d.h. als Revolutionär zu wirken.
  • 1872: Reise nach Westeuropa: Durch Deutschland in die Schweiz. In Zürich erster Kontakt zur Internationalen Arbeiter- Assoziation("Internationale"). Kropotkin kommt in Kontakt mir sozialistischen Ideen, auch denen des Anarchisten Michael Bakunin. Er wird Mitarbeiter der Genfer Sektion der Internationale. In Neuchatel und im Jura schließt sich Bakunin dem föderalistischen Anarchismus an.
Rückkehr nach Sankt Petersburg: Kropotkin wird Mitglied des revolutionären Tschaikowski-Kreises, einer Gruppierung der sog. "Narodniki".
  • 1874: Kropotkin wird verhaftet und ohne Prozess in der Peter-Paul-Feste eingekerkert.
  • 1876: Abenteuerlicher Ausbruch unter Mitwirkung zahlreicher Helfer aus dem Petersburger Militärgefängnis (ausführlich beschrieben in den Memoiren). Flucht nach England.
  • 1877: Rückkehr in die Schweiz. Arbeit in der anarchistischen Jura-Föderation. Er nimmt an verschiedenen internationalen sozialistsichen Kongressenteil.
  • 1878: Reisen nach England, Frankreich, Spanien.
  • 1879: Gründung der Zeitschrift Le Révolté.
  • 1882: Verhaftung in Lyon im Zusammenhang mit Aufständen in der Umgebung.
  • 1883: Anarchistenprozess in Lyon. Kropotkin wird zu fünf Jahren Haft verurteilt.
  • 1886: Kropotkin wird vorzeitig aus der Haft entlassen. Er lebt zunächst in Paris, geht dann aber nach London.
In den folgenden Jahren wird Kropotkin nicht mehr direkt revolutionär oder agitatorisch wirksam. Er widmet sich seinen Arbeiten zu Philosophie, Geschichte, Moral und Anarchismus, sowie verschiedenen soziologischen und naturwissenschaftlichen Themen.
  • 1897: Vortragsreise nach Nordamerika.
  • 1905-1914: Mehrere Aufenthalte in Frankreich, der Schweiz und Italien.
  • ab 1914: Kropotkin rückt im ersten Weltkrieg- zum Entsetzen vieler seiner Freunde und der Mehrzahl der Anarchisten- von seiner antimilitaristsichen Postion ab und unterstützt die Aliierten.
  • 1917: In Folge der Februarrevolution Rückkehr nach Russland: Empfang durch ca. 60.000 Menschen in St.Petersburg.
Kropotkin berät die Kerenski-Regierung. Er tritt für eine Fortsetzung des Krieges gegen Deutschland sowie für eine republikanische Verfassung Russlands ein.
  • 1918-1921: Die Verfolgung der Anarchsiten durch die Geheimpolizei der Bolschewiki bringt Kropotkin zu einer Wiederannäherung an den Anarchismus. Kropotkin warnt vor den Folgen der Politik der Bolschewiki.
1919 trifft er Lenin (auf dessen Wunsch), und versucht diesen (erfolglos) von seiner Politik abzubringen
  • 1921: Am 8. Februar stirbt Kropotkin. Die Beisetzung findet in Moskau Stadt, wo hunderttausende Menschen seinem Sarg folgen. Die Beerdigung stellt die letzte große anarchistische Demonstration vor der kompletten Auslöschung des russischen Anarchsimus durch die sowjetische Diktatur dar.


Historischer Kontext

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Kropotkins Leben fällt in eine sehr unruhige Epoche der europäischen Geschichte: In Russland gab es viele politische Strömungen, die gegen die Autokratie des zaristischen Regimes opponierten, darunter zahlreiche sozialrevolutionäre Bewegungen wie die "Narodniki"("Volkstümler"-eine, wenngleich sehr polemische, Beschreibung der politischen Strömungen findet sich in Dostojewskis "Die Dämonen").

In Westeuropa bildete sich zu dieser Zeit die internationale Arbeiterbewegung aus, mit ihrem "autoritären" Flügel unter Führung von Karl Marx, und dem freiheitlich-anarchistischen Flügel der von den Ideen Michail Bakunins inspiriert war und in dem auch Kropotkin aktiv wurde.

Ein besonderes Ereignis stellt der Pariser Kommuneaufstand von 1871 dar, der als erste (zumindest in Teilen) sozialistische Revolution der Geschichte angesehen werden kann. Obwohl Kropotkin nicht direkt daran beteiligt war, hatte dieser wesentlichen Einfluss auf sein Denken.

In die zweite Lebenshälfte Kropotikins fällt der erste Weltkrieg, in dem sich Kropotkin auf die Seite der Aliierten schlug- seine Gründe hierfür sind nach wie vor rätselhaft (eine gewisse Antipathie gegen Deutschland dürfte eine Rolle gespielt haben), isolierte ihn diese Entscheidung doch von fast allen anderen Anarchisten.

Die Februarrevolution 1917 veranlasste Kropotkin zur Rückkehr nach Russland. Er beriet die Kerenski-Regierung und war für eine Fortsetzung des Krieges gegen Deutschland und Österreich. Nach der Oktoberrevolution übte er in mehrerern Briefen und Erklärungen Kritik an den Bolschewiki, wohl wissend um die zunehmende Entwicklung Russlands zu einer Diktatur. Er traf sich in dieser Zeit auch mit Lenin, jedoch blieb seine Kritik ohne Erfolg, sein Wirken wurde auch bald von der Tscheka(Geheimpolizei) behindert.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Kropotkin bediente sich in seinem Leben der Werke verschiedenster Autoren als Quellen seiner Arbeit. Besonderen Einfluss hatte jedoch auf dem Gebiet der Politik (d.h.:des Anarchismus) das Werk Michail Bakunins, auf dem Gebiet der Wissenschaft das Werk Darwins, mit dem Kropotkin schon seit seiner Jugend vertraut war, und auf literarischem Gebiet der russische Naturalismus mit Vertretern wie Tolstoi (der von K's Memoiren "entzückt" war), Gogol, Dostoijewski.


Kropotkin hatte im Zuge seiner geographischen Expeditionen nach Sibirien und Skandinavien auch selbst sehr viel Gelegenheit zum Studium von Natur und einheimischen Kulturen. Diese Erfahrungen bilden zu einem nicht unerheblichen Teil die Basis seiner wissenschaftlichen Arbeiten.


Werke

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  • Worte eines Rebellen. 1885, herausgegeben von Elisée Reclus.
  • In russischen und französischen Gefängnissen. 1887.
  • Die Eroberung des Brotes. 1892.
  • Memoiren eines Revolutionärs.1899.
  • Landwirtschaft, Industrie und Handwerk. 1899.
  • Moderne Wissenschaft und Anarchismus. 1901/1913.
  • Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt. 1902, in Artikeln fortgesetzt.
  • Ideale und Wirklichkeit in der russischen Literatur. 1905.
  • Die Schreckensherrschaft in Russland. 1909.
  • Die französische Revolution 1789-1793.
  • Ethik.ab 1900, unvollendet, erster Band posthum 1922.


Das Werk in Themen und Thesen

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  • Peter Kropotkins bekanntestes Werk ist wohl seine Autobiographie "Memoiren eines Revolutionärs", in dem er auch die sozialen Zustände im Russland seiner Jugend, besonders auch im Hinblick auf die Behandlung der Leibeigenen und die Verhältnisse am Zarenhof, die er aus nächster Nähe beobachten konnte, aufzeigt.


  • Seine Hauptwerke zum Thema "Anarchismus" sind: "Worte eines Rebellen", "Die Eroberung des Brotes" und "Moderne Wissenschaft und Anarchismus". Ersteres beschäftigt sich mit der Kritik der bestehenden Gesellschaft, das zweite mit Ideen über das mögliche Vonstattengehen einer konkreten Revolution in einer Großstadt. Als Vorbild diente hier der Pariser Kommune-Aufstand von 1871-, während das letzte eine Ideengeschichte des Anarchismus darstellt.


  • Ein historisches Werk ist die "Französische Revolution 1789-1793", in dem er die Geschichte der französischen Revolution aus der Sicht des Volkes beschreibt (Lenin soll dieses Buch für das Beste zu diesem Thema gehalten haben).


  • Sein Wissenschaftliches Hauptwerk bildet die 1902 erschienene und in Artikeln fortgesetzte und ergänzte ARbeit "Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt". Kropotkin opponiert hier gegen die Auslegung des Darwinismus in seiner Zeit, die das Diktum des "Kampf ums Dasein"("struggle for life") und des "Überleben des Stärkeren"("survival of the fittest") allzu wörtlich auslegte und davon ausgehend sozialdarwinistische Konzepte wie Eugenik, Rassenkunde etc. entwickelte, deren Gefährlichkeit Kropotkin schon früh erkannte und gegen die er heftig opponierte.

Kropotkin erkennt zwar an, dass Konkurrenz zwischen und innerhalb der Tierarten einen wichtigen Mechanismus der Evolution darstellt, er stellt diesem aber das Prinzip der Kooperation, der Gegenseitigen Hilfe zur Seite. Das Werk ist systematisch aufgebaut: Im ersten Kapitel wird die "Gegenseitige Hilfe bei den Tieren" beschrieben, dann "bei den Wilden", "bei den Barbaren", "in der Stadt des Mittelalters" und schließlich "in unserer Zeit". An seinem Aufbau kann man bereits erkennen, das Kropotkin keine starke Trennlinie zwischen Natur und Kultur zieht. Für ihn (wie auch schon für Charles Darwin) entspringt das Sozialverhalten des Menschen ganz selbstverständlich seinem sozialen Instinkt, der sich der natürlichen Evolution verdankt. Während viele der Inhalte des ersten Kapitels im Hinblick auf Erkenntnisse der modernen Biologie und Verhaltensforschung heute relativiert werden müssen, bilden die folgenden Kapitel, besonders jene die sich mit der "Stadt des Mittelalters" und der (damaligen) Gegenwart beschäftigen, einen Fundus an Bräuchen und Institutionen die laut Kropotkin der Förderung der Kooperation und der Vermeidung von Konflikten dienen. Besondere Beispiele derartiger Institutionen sind für ihn die Marktgenossenschaften (Dörfer) und die Gilden und Zünfte des Mittelalters, sowie die Gewerkschaften und das Vereinswesen der Neuzeit. Kropotkin erläutert auch, wie die jeweils Mächtigen immer wieder versuchten, diese Institutionen zu zerstören oder unter ihre Kontrolle zu bringen-ein Beispiel hierfür sind die Bauernkriege im 16.Jh, in denen die Fürsten die traditionelle Gerichtsbarkeit der Bauern abschaffen wollten.


  • Mit dem Buch "Landwirtschaft, Industrie und Handwerk" wollte Kropotkin zeigen, wie sich mit den technischen Mitteln seiner Zeit nicht nur eine effektivere, sondern auch eine menschlichere Produktion realisieren lassen würde. Ein interessanter Aspekt dieses Werkes ist auch Kropotkins Theorie, dass nicht (nur) die Spezialisierung, sondern das Beherrschen von vielerlei Fertigkeiten zur Steigerung der Produktivität führt (bzw. führen kann- vergleichbar mit der Idee des "uomo universale" in der Renaissance).


Rezeption und Wirkung

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Peter Kropotkin gilt noch heute als einer der bedeutensten anarchistischen bzw. anarchokommunistische Theoretiker. Vor allem in den romanischen Ländern sowie in Russland (bis zur Machtübernahme der Bolschewiki) fanden seine Ideen weite Verbreitung. U.a. war auch die spanische Revolution von 1936 von seinen Ideen beeinflusst.

Sein wissenschaftliches Werk, insbesondere seine Betonung des Elementes der Kooperation in der Evolution, wurde schon zu Lebzeiten durch Kropotkins Veröffentlichungen in "Times", "Nature", "Nineteenth Century" und der "Enzyclopedia Britannica" bekannt und lebt ebenfalls noch heute weiter- z.B. erschien in der Märzausgabe 2004 von "Spektrum der Wissenschaft" ein Artikel mit dem Titel "Prinz Kropotkin", der sich mit der Frage der "Veranlagung des Menschen zum Guten" beschäftigt.


Literatur

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Internetquellen

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Lazarsfeld, Paul Felix

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Biographie in Daten

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Lazarsfeld Paul Felix

  • geboren am 13. Februar 1901 in Wien, Österreich
  • gestorben am 30. August 1976 in New York, USA


Eltern:

Vater: Robert Lazarsfeld (1871-1940)

Mutter: Sophie Lazarsfeld, geborene Munk (1881-1976), Individualpsychologin und Publizistin

Geschwister: Elisabeth Henriette "Liesl" Lazarsfeld (1905-1986), sozialdemokratische Parteifunktionärin


1. Ehe: 1927 Marie Jahoda (1907-2001), Sozialpsychologin

2. Ehe: 1936 Herta Herzog (1910)

3. Ehe: 1949 Patricia Louise Kendall (1921-1990), Sozialwissenschaftlerin

Kinder: Lotte Franziska Lazarsfeld (1930), Sozialpsychologin, Professor of Management; Robert Lazarsfeld (1953)


Ausbildung:

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1919: Matura an einem Wiener Gymnasium

1919-1924: Studium der Mathematik und Physik an der Universität Wien

1924: Dr. Phil. der Mathematik

1924-1925: Post-Graduierten-Studium an der Sorbonne in Paris


Berufliche Daten:

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1925-1929: Gymnasialprofessor für Mathematik und Physik in Wien

1927-1933: Mitglied des Psychologischen Instituts der Universität Wien als Assistent von Karl Bühler und Charlotte Bühler mit Lehrauftrag für Psychologie

1931-1933: Initiator und wissenschaftlicher Leiter der "Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle" in Wien

1933-1935: Forschungsprojekt der Rockefeller Foundation in den USA

1935-1936: Supervisor bei der National Youth Administration in New Jersey

1936-1937: Direktor des Research Center der Universität von Newark, New Jersey

1937-1940: Forschungsdirektor und Co-Direktor des von der Rockefeller Foundation geförderten Office of Radio Research an der Princton University in Princeton, New Jersey

1939-1971: Fakultätsmitglied der Columbia University; zuerst Associate Professor, dann Full Professor of Sociology; erster Quetelet Professor of Social Sciences; Chairman des Graduate Department of Sociology

1940-1976: Direktor des Bureau of Applied Social Research in New York; legte später die Leitung zurück und blieb seit 1949 Associate Director. Intensive Zusammenarbeit mit Merton

1963: Gründung des Instituts für Höhere Studien in Wien zusammen mit Oskar Morgenstern; wiederholt hier als Gastprofessor tätig

1971-1976: Distinguished Professor of Social Sciences an der Universität in Pitsburgh, Pennsylvania


Andere Tätigkeiten:

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Berater des War Production Board im US-Kriegsministerium während des 2. Weltkriegs

1949: Berater der New York Public Service Commission on Canned Music

1948-1949: Gastprofessor an der Universität Oslo

1962-1963 und 1967-1968: Gastprofessor an der Sorbonne Paris

Außerdem Mitarbeit an zahlreichen TV Reasearch Commissions und am TV Bureau of Advertising


Wichtige private Ereignisse:

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1933: Emigration in die USA

1943: Annahme der Amerikanischen Staatsbürgerschaft

Historischer Kontext

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Bereits 1933 arbeitete er in den USA an wissenschaftlichen Projekten, was ihm die spätere Flucht vom Austro – Faschismus erleichterte, da er bereits Bekanntschaften mit Wissenschaftlern hatte. Außerdem war es in den Staaten nicht, wie dies in Europa der Fall war, verpönt, Projekte aus ökonomischen Prämissen zur Finanzierung von wissenschaftlichen Arbeiten heranzuziehen.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Vor allem die Mitarbeiter an seinen Projekten, unter anderem Robert K. Merton und James Coleman, profitierten von seinen methodischen Ansätzen.


Werke

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  • 1931: Jugend und Beruf. Kritik und Material.
  • 1933: Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langdauernder Arbeitslosigkeit. (Mit Marie Jahoda & Hans Zeisel)
  • 1944: The people's choice. How the voter makes up his mind in a presidential campaign. (Mit Bernard Reuben Berelson & Hazel Gaudet)
  • 1948: What is sociology?
  • 1955: Personal influence. The part played by people in the flow of mass communications. (Mit Elihu Katz)
  • 1958: Academic mind. Social scientists in a time of crisis. (Mit Wagner Thielens jr.)
  • 1968: The use of panels in social research..


Das Werk in Themen und Thesen

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Empirische Sozialforschung

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Paul F. Lazarsfeld gilt als der Begründer der modernen empirischen Sozialforschung. Er definierte verschiedene methodische Vorgangsweisen zur Datenerhebung. Am bekanntesten ist die zusammen mit Marie Jahoda und Hans Zeisel durchgeführte Untersuchung über die Arbeitslosigkeit in Marienthal. Seine dabei charakteristischen Vorgangsweisen :

Regel 1: Es ist wichtig Daten aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen (Datentriangulation) zu erheben, auszuwerten und zu interpretieren (z.B.: Auswertung von Tagebücher und Schularbeiten, Beobachtungen einer Ärztin, Interviews, etc.).

Regel 2: Um ein exakteres Ergebnis zu erhalten, sollte man sowohl subjektive (z.B.: Interview über das Befinden einer Person) also auch objektive (z.B.: Messung der Gehgeschwindigkeit) Daten einfließen zu lassen.

Regel 3: Es sollen gegenwärtige und vergangene Zustände Teil des Erhebungsgegenstandes sein.

Regel 4: Neben „natürlichen“, also verdeckt beobachteten Daten (non-reaktiv; z.B.: Gespräche zwischen Nachbarn), sollten auch experimentelle, d.h. offen erhobene Daten (reaktiv; z.B.: Befragung mittels Fragebogen) herangezogen werden.

Regel 5: Man sollte sowohl „einfache“ (z.B.: Geschlechterverteilung) als auch „komplexe“ (z.B.: Analyse von Netzwerken) Daten heranziehen.


Die Arbeitslosen von Marienthal

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Das Marienthal war eine wirtschaftlich aufblühende Gemeinde, bedingt durch die ortsansässige Fabrik. Nach der Schließung der Fabrik 1929 entstand große Arbeitslosigkeit und damit wurde die Existenzgrundlage vieler Bewohner bedroht. Die im Ort Gebliebenen bildeten die Grundgesamtheit für die durchgeführte Studie. Untersuchungsgegenstand war die Frage, wie die Menschen auf Arbeitslosigkeit reagieren bzw. wie diese ihren Lebensstil beeinflusst. So wurde in dieser Studie Kontakt zu diversen Gruppen und Vereinen geschlossen und weiters wurden auch von den Wissenschaftlern, zur Erhebung von weiteren Daten, bestimmte Initiativen gegründet (z.B.: Kleidersammlung, Erziehungsberatung, Turnverein usw.). So entstand, ausgehend von der Beschäftigungslosigkeit, ein äußerst eindeutiges Bild der Perspektivenlosigkeit. Die Ergebnisse der Untersuchung von 478 Familien waren zum Beispiel: Der Verlust des Zeitbewusstseins und soziale Desorganisation.


Diese Studie würde man heute als Aktionsforschung bezeichnen. Aktionsforschung bedeutet, dass der Wissenschaftler selbst teilnehmender Gegenstand der Untersuchung ist und den Untersuchungsgegenstand beeinflusst (Reaktivität).


„The Academic Mind“ (1958)

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The Academic Mind war eine Studie zur Überprüfung, wie sehr sich der Druck des McCarthyismus auf die Lehrenden an US – amerikanischen Colleges und Universitäten auswirkte. Bedeutend an dieser Studie sind die methodischen Ansätze die er verwendet, die immer noch beispielhaft sind. Um z.B. die Produktivität der Lehrenden zu bestimmen, bildet er verschiedene Kategorien (Dissertation; Dissertation und mind. eine Veröffentlichung; + mind. ein Buch, usw.) und versieht sie mit Punkten (1 Punkt für Dissertation, 2 Punkte für + Veröffentlichung, 3 Punkte für + ein Buch, usw.). So ergibt sich ein Index für Produktivität. Diese Vorgangsweise ist typisch für Lazarsfelds Umgang mit latenten Variablen.


„The People’s Choice“ (1944)

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Sie ist die erste bedeutende Wahluntersuchung in den USA, bei der Lazarsfeld eine neue Forschungsmethode erfolgreich benutzte. Die Studie untersuchte den Präsidentschaftswahlkampf 1940 zwischen dem Republikaner Willkie und dem Demokraten Roosevelt, mit der zentralen Fragestellung „How the Voter makes up his mind in a Presidential Campaign?”

Das Neue an seiner Methode (Panel Methode) war, dass er sieben Mal, in gewissen Zeitabständen, die gleichen potentiellen Wähler befragte. Dadurch ließ sich erstmals der Einfluss großer Reden, Wahlkundgebungen bis hin zu Stellungsnahmen in lokalen Zeitungen des Untersuchungsgebietes feststellen. Die Ergebnisse seiner Studie brachten aber auch noch andere Ergebnisse. Er fand heraus, dass die meisten Wähler im Voraus zu einer Partei tendieren. Diese Prädisposition wird durch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bestimmt, dabei gilt je niedriger der sozio - ökonomische Status, desto wahrscheinlicher ist die Wahl der demokratischen Partei. Weiters zeigte er die hohe Bedeutung der Interaktionen der Wähler auf. Er formulierte die Idee des „opinion leaders“, der sein Umfeld nicht nur politisch berät, sondern auch versucht, anders Gesinnte zu überzeugen. Er entdeckte diesen opinion leader in allen gesellschaftlichen Gruppierungen. Aufbauend auf dieser Idee entwickelte er eine weitere These: „the two step flow of communication“. In dieser beschreibt er, wie Massenmedien ihre Zielgruppen in zwei Schritten - über die opinion leader - erreichen.


Rezeption und Wirkung

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Paul Felix Lazarsfeld gilt als Begründer der modernen Sozialforschung. Auf Grund ihrer Methodologie, Entwicklung durch projektnahes Arbeiten und seiner Bemühung um Institutionalisierung konnte er seine visionären Gedanken umsetzen.

Weiters definierte er seine eigene Rolle in der amerikanischen Medienforschung und wird damit als intellektueller Begründer der modernen Kommunikationsforschung gesehen. Seine Werke stellen auch für Gegenwart und Zukunft verschiedener Disziplinen eine bislang bei weitem nicht ausgeschöpfte Herausforderung dar.


Literatur

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  • Kaesler, Dirk [Hrsg.] (1999):
    "Klassiker der Soziologie: Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu"
    München, S.7-22
  • Bernsdorf/ Knospe (1984
    "Internationales Soziologenlexikon Band 2: Beiträge über lebende oder nach 1969 verstorbene Soziologen. 2., neu bearbeitete Auflage"
    Stuttgart, S. 476
  • Oesterdiekhoff, Georg W. [Hrsg.] (2001)
    "Lexikon der soziologischen Werke. 1. Auflage"
    Wiesbaden, S.379
  • Langenbucher, Wolfgang R. [Hrsg] (1990):
    "Paul F. Lazarsfeld. 1. Auflage"

Internetquellen

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Lenski, Gerhard

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Biographische Daten

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Lenski Gerhard Emmanuel

  • geboren am 13. August 1924 in Washington D.C. geboren


Eltern

Sr. Gerhard Lenski, lutherischer Pastor und Christine Umhau Lenski, vor ihrer Heirat Sekretärin, später Hausfrau und Mutter, aus der Ehe geht ein Kind hervor.


Ehe

Heirat mit Jean Lenski (geborene Cappelman), die später sechs Editionen von "Human Societies" co-authored, aus der Ehe gehen vier Kinder hervor. Jean Lenski stirbt 1994.

1996 heiratet Gerhard Lenski die Autorin, Herausgeberin und Evaluations-Spezialistin Ann Bonar Blalock.


Ausbildung

  • Lenski wuchs als Einzelkind in bürgerlichen Verhältnissen auf.
  • 1941 Studium mit dem Haupfach Wirtschaftswissenschaften als Stipendiat an der Yale University
  • 1942 zweieinhalbjährige Studienunterbrechung, Lenski tritt in die Army ein und dient am North of London Stützpunkt in einer B-17 Bombeneinheit
  • 1946 Wiederaufnahme des Studiums in Yale, Studienwechsel zum Hauptfach Soziologie
  • 1947 B.A. der Soziologie, Einstieg in das graduate program in Soziologie; in dieser Zeit auch Heirat mit Jean Cappelmann
  • 1950 Dissertation bei Professor A.B. Hollinshead mit dem Titel Prestige Status and Wealt, eine Studie über die Beziehung zwischen Prestige und Vermögen einer kleinen Textilindustriestadt


Beruflicher Werdegang

  • 1950 Anstellung als Dozent am Fachbereich Soziologie der University of Michigan at Ann Arbor
  • 1952-1953 Teilnahme an der ersten Detroid Area Study (DAS; Forschungs- und Unterrichtseinrichtung für Graduierte, des Fachbereichs Soziologie der University of Michigan)
  • 1954 Assistenzprofessor an der University of Michigan
  • 1957-1958 erneute Teilnhame an der DAS (sole Investigator)
  • 1959 außerordentlicher Professor an der University of Michigan
  • 1961 Veröffenltichung seines ersten wissenschaftlichen Buchs The Religious Factor basierend auf den Forschungsergebnissen des DAS von 1957-1958
  • 1963 ordentlicher Professor an der University of Michigan, im selben Jahr Wechsel an die University of North Carolina at Chapel Hill
  • 1965-1968 Vorstandsmitglied der American Sociological Association
  • 1966 Veröffentlichung des zweiten Hauptwerkes Power and Privilege
  • 1969-1972 Vorsitzender des UNC Ressorts für Soziologie
  • 1970 Veröffentlichung des Werkes Human Societies (dieses Werk blieb seither im Druck(Lenski 1970; Lenski and Lenski 1974, 1978, 1982, 1987;Lenski, Lenski and Nolan 1991; Lenski, Nolan, and Lenski 1995; Nolan and Lenski 1999; Nolan and Lenski 2004))
  • 1970-1971 Vizepräsident der American Sociological Association
  • 1972 Wissenschaftspreis: Guggenheim Forschungsstipendium
  • 1973 Verleihung des Titels Alumni Distinguished Professor of Sociology
  • 1976 Mitgliedschaft in der American Academy of Arts and Sciences
  • 1976-1978 Vorsitzender der Universitätsabteilung für Sozialforschung (UNC)
  • 1977-1978 Präsident der Southern Sociological Society
  • 1979 senior IREX [40] Fakultätsaustausch nach Polen und 1988 nach Ungarn
  • 1986 Lenski beendet seine regelmäßige Lehrtätigkeit aufgrund zunehmender Probleme mit dem Gehör, setzt jedoch seine Forschungstätigkeit und Beratung von graduate students bis 1992 fort.
  • 1994 Tod seiner Frau Jean Lenski
  • 1996 Hochzeit mit seiner zweiten Ehefrau Ann Bonar Blalock
  • 2002 Lenski bekommt den American Sociological Assoziation Award of Distinguished Scholarship verliehen
  • 2005 Veröffentlichung des Werks Ecological-Evolutionary Theory: Principles and Applications

Historischer Kontext

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Gerhard E. Lenski wurde in Washington D.C., USA als Sohn von Gerhard Lenski und Christine Umhau Lenski geboren. Er wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf, wo die Diskussionen bei Tisch oft um die Ereignisse und Probleme der Zeit kreisten. Man unterhielt sich unter anderem über New Deal, den Nazismus und Kommunismus. Lenski's Vater selbst war ein Bewunderer von Norman Thomas, dem langjährigen sozialistischen Kandidaten.

Das Washington der 1930er wurde allmählich zu einer kosmopolitischen Stadt mit einer zunehmend vielschichtigen Einwohnerschaft, v.a. was deren politische Einstellung anging. Lenski, der eine öffentliche Schule besuchte und somit viele Kinder aus unterschiedlichen Kreisen kennenlernte, empfand diese Vielschichtigkeit selbst als sehr anregend. Lenski, der bereits als Kind viel las, entwickelte bereits früh sein Interesse für soziale Fragen und nachdem er das Buch Genesis gelesen hatte und ihn der Bericht, über den Verlauf des Lebens von Adam und Eva bis zu Abraham frustierte, interessierte er sich auch vermehrt für Religion und Evolution.

Im Jahre 1941 begann Lenski sein Studium mit dem Haupfach Wirtschaftswissenschaften an der Eliteuniversität Yale. Er finanzierte sich dieses mit einem Stipendium und einem zwanzig Stunden pro Woche - Job in der Küche der freshmen dining hall. In Yale stieß Lenski aber auch das erste mal auf Mitglieder der vermögenden Oberschicht des Landes und bemerkte die soziale Trennung zwischen Studenten aus öffentlichen Schulen der Mittelschicht und der dort zahlenmäßig weitaus stärker vertretenen Elite. 1942 unterbrach Lenski sein Studium und trat in die Army ein, um an einem Londoner Stützpunkt in einer B-17 Bombeneinheit zu dienen. Seine dort gewonnenen Bekanntschaften und Freundschaften waren von der Army Angeworbene GI's, einfache Soldaten der Arbeiterschicht mit oftmals ländlichem Hintergrund - ein auffallender Kontrast zu seinen Studienkollegen von Yale. Da er jedoch bei einer ortsansässigen Familie untergebracht war, hatte er auch vermehrt Kontakt zu britischen Bügern, vor allem während seiner regelmäßigen Beurlaubungen von seinem Luftstützpunkt. Lenski selbst empfand seine in London und später in Frankreich gemachten Erfahrungen als sehr bereichernd. Einerseits die Reglementierungen des Militärs, mit seiner Befehlsstruktur und seinem Rangsystem - so verschieden vom alltäglichen Leben, wodurch er aber (wie er selbst behauptet) ein Verständnis für die Schichtung der Gesellschaft bekam, andererseits die Übersee-Erfahrung - für einige Zeit ein "Mitglied" der britischen Gesellschaft zu sein, die sowohl in militärischer als auch sozialer Hinsicht verschieden genug von der amerkanischen war, um ihn zu faszinierten. Im Jahre 1946 gelang es Lenski mit Hilfe seiner GI-Bescheinigung, sein Studium in Yale wieder aufzunehmen, wo sein Haupfach von Wirtschaftswissenschaften zu Soziologie wechselte. Bereits 1947 machte er seine B.A. in Soziologie und besuchte das graduate program für Soziologie im selben Jahr. 1950 reichte er seine Dissertation mit dem Titel Prestige Status and Wealt bei A.B. Hollingshead ein.

Von 1950 bis 1963 lehrt Lenski an der University of Michigan at Ann Arbor, wechselt danach jedoch an die University of North Carolina at Chapel Hill, wo ihn v.a. die Geschehnisse und Umstände des Vietnamkrieg beschäftigen (auch die anti-Kriegsbewegung). Ebenso erforscht Lenski den Kommunismus und dabei insbesondere die Schriften von Karl Marx. Er versucht die Fehlschlüsse der marxistischen Theorie aufzudecken und veröffentlicht diese im Rahmen zahlreicher Aufsätze. Man sagt, dass der Zerfall des Kommunisums in Europa seine Einschätzung sozusagen untermauert. In seinen frühen Forschungsjahren beschäftigt er sich allerdings auch mit der Religionssoziologie und über seine gesamte wissenschaftliche Laufbahn interessieren ihn weiters unter anderem Rassenprobleme (amerikanische Rassengesetze), Genderproblemen (Feminismus), sozialen Schichtungsproblemen und das amerikanische Bürgerrechte .

Gerhard Lenski ist bis heute forscherisch tätig und veröffentlichte 2005 sein bisweil letztes Buch mit dem Titel Ecological-Evolutionary Theory: Principles and Applications.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Gerhard Lenski erweiterte in seinen Werken "Power and Privilege" (1966) and "Human Societies: An Introduction to Macrosociology" (1974) die Arbeiten von Lewis Henry Morgan und Leslie White.

Lewis Henry Morgan war ein US-amerikanischer Anthropologe und Mitbegründer der Ethnologie. Er war der Überzeugung, dass die kulturelle Entwicklung jeder Gesellschaft in drei Stufen ablaufen würde. Die erste und primitivste Stufe ist die der Wildheit. Eine Gesellschaft dieser Entwicklungsstufe kennt lediglich Ernährung durch wildwachsende Pflanzen und Jagd - Viehzucht und Konservierung von Nahrungsmittel ist in dieser ersten Stufe fremd. Die zweite Stufe nennt Morgan Barberei. Gesellschaften dieser Entwicklungsstufe betreiben bereits Landwirtschaft und halten Tiere. Die dritte und höchste Entwicklungsstufe ist die Zivilisation. Sie zeichnet sich durch die Entwicklung der Schrift, genauer der Geschichtsschreibung, aus, die eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft zuläßt und letztere planbar macht, was als Grundlage für eine höhere Entwicklung angesehen werden kann. Morgan stellt damit eine Verbindung zwischen sozialem und technologischem Fortschritt her, wobei der technologische Fortschritt die Kraft hinter jedem sozialem Wandel darstellt. Somit basieren für Morgean alle sozialen Einrichtungen, Organisationen und Ideologien auf einer technologischen Veränderung.

In Morgans Hauptwerk, Ancient Society, Or: Researches in the lines of human progress from savagery through barbarism to civilisation (Die Urgesellschaft oder Untersuchung über den Fortschritt der Menschheit aus der Wildheit durch die Barbarei zur Zivilisation), erschienen 1877 (deutsch 1891) entwickelte er seinen kulturellen Evolutionismus, wie er auch von Edward B. Tylor und Herbert Spencer vertreten wurde. Auch Friedrich Engels beschäftigte sich mit Morgans Untersuchungen zur Urgesellschaft. Morgan nahm auf der Basis von Forschungen die Einteilung zwischen einer "Societas" und einer "Civitas" vor. Als "Societas" wird eine Gesellschaft, beruhend auf persönlichen Beziehungen genannt, und "Civitas" eine auf Besitz beruhende. Diese Einteilung diente wiederum als Vorlage für Ferdinand Tönnies Einteilung in "Gemeinschaft" und "Gesellschaft".

Der US-amerikanische Anthropologe Leslie Whitewurde vor allem durch seine Theorien zur kulturellen Evolution, des sozialen Evolutionismus und des Neoevolutionismus bekannt. Er war der Überzeugung, dass die Kultur die Summe aller menschlichen Handlungen und kulturellen Aktivitäten ist, wobei die technische Komponente für die kulturelle Entwicklung die Wichtigste ist. Diese technologische Komponente besteht aus mechanischen, physikalischen und chemischen Instrumenten und wie diese von den Menschen verwendet werden. Das heißt also, dass die kulturelle Entwicklung maßgebend von der materiellen und mechanischen Anpassung der Menschen an ihre Umgebung abhängt.

Werke

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Bücher

  • Lenski, G. 1950. Prestige Status and Wealth. Ph.D. dissertation. New Haven, CT: Yale University.
  • Lenski, G. 1961. The Religious Factor: A Sociological Study of Religion's Impact on Politics, Economics, and Family Life. Garden City, NJ: Doubleday.
  • Lenski, G. 1966. Power and Privilege: A Theory of Social Stratification. New York: McGraw-Hill.
  • Lenski, G. 1970. Human Societies: A Macrolevel Introduction to Sociology. New York: McGraw-Hill.
  • Lenski, G., ed. 1984. Current Issues and Research in Macrosociology. Leiden, the Netherlands: E.H. Brill.
  • Lenski, G. 2005. Ecological-Evolutionary Theory: Principles and Applications. Colorado: Paradigm Publishers


Aufsätze

  • Lenski, G. 1952. "American Social Classes: Statistical Strata or Social Groups?" American Journal of Sociology 58: 139-149.
  • Lenski, G. 1953. "Sozial Correlation of Religious Interest." American Sociological Review 18: 533-544.
  • Lenski, G. 1954. "Status Crystallization: A Non-Vertical Dimension of Social Status." American Soziological Review 19: 405-413.
  • Lenski, G. 1956. "Social Participation and Status Crystallization." American Soziological Review 21: 458-464.
  • Lenski, G. 1958a. "Social Stratification." Pp. 521-538 in Contemporary Sociology, edited by J. Roucek. New York: Philosophical Libary.
  • Lenski, G. 1958b. "Trends in Inter-Generational Mobility in the United States." American Sociological Review 23: 521-523.
  • Lenski, G. 1959. "Religion and the Modern Metropolis." Review of Religious Research 1: 24-29.
  • Lenski, G. 1962a. "Religion's Impact on Secular Institutions." Review of Religious Research 4: 1-17.
  • Lenski, G. 1962b. "The Church and Community Change." The City Church 13: 5-7.
  • Lenski, G. 1962c. "Die Religionssoziologie in den Vereinigten Staaten von Amerika." Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozial Psychologie 6: 123-48.
  • Lenski, G. 1963. "Religions Impact on Daily Life, * Bulletin: Gettysburg Seminary, 43 (May): 25-36.
  • Lenski, G. 1964. "Comment." Public Opinion Quarterly 28: 326-330.
  • Lenski, G. 1965. "Religious Pluralism in Theoretical Perspective." International Yearbook for the Sociology of Religion 1: 25-42
  • Lenski, G. 1967. "Status Inconsistency and the Vote: A Four Nation Test." American Sociological Review 32: 298-301.
  • Lenski, G. 1971. "The Religious Factor in Detroit Revisited." American Sociological Review 36(February): 48-50.
  • Lenski, G. 1975. "Social Structure in Evolutionary Perspecive." Pp. 135-153 in Approaches to Social Structure, edited by P. Blau. New York: Free Press.
  • Lenski, G. 1976. "History and Social Change." American Journal of Sociology 82: 548-564.
  • Lenski, G. 1978. "Marxist Experiments in Destratification: An Appraisal" Social Forces 57: 364-383.
  • Lenski, G. 1979. "Probabalilism Reasserted: A Reply to Becker." American Journal of Sociology 84: 1242-1245.
  • Lenski, G. 1980. "Social Structures and Social Mobility in Evolutionary Perspective." Journal of Asian-Pacific and World Perspectives 4: 3-14.
  • Lenski, G. 1983a. " Rethinking the Introductory Course." Teaching Sociology 10: 153-168.
  • Lenski, G., ed. 1983b. "Current Issues and Research in Macrosociology." International Journal of Comparative Sociology 24: 1-136.
  • Lenski, G. 1984a. "Income Stratification in the United States: Toward a Revised Model of the System." Annual Review of Research in Social Stratification and Mobility 3: 173-205.
  • Lenski, G., ed. 1984b. "Sociology, Anthropology and the Study of Human Societies" Teaching Sociology 11: 335-340-
  • Lenski, G. 1985. "Rethinking the Introductory Course." Pages 101-125 in The Teaching Sociology: The Quest for Excellence, edited by F.L. Campbell, H. M. Blalock, Jr., and R. McGee. Chicago: Nelson Hall.
  • Lenski, G. 1988. "Rethinking Macrosociological Theory." American Sociological Review 53: 163-171.
  • Lenski, G. 1991. "Positivism's Future - and Sociology's" Canadian Journal of Sociology 16:187-195.
  • Lenski, G. 1994a. "New Light on Old Issues: The Relevance of 'Really Exsisting Socialism' for Stratification Theory." Pp. 77-84 in Social Stratification: Class, Race, and Gender in Sociological Perspective, 2d. ed., edited by D. Grusky. Boulder, CO: West view Press.
  • Lenski, G. 1994b. "Societal Taxonomies: Mapping the Social Universe." Annual Review of Sociology 20: 1-26.
  • Lenski, G. 1996a. "Ecological-Evolutionary Theory and Societal Transforamtion in Post-Communist Europe." Czech Sociological Review. 4: 149-156.
  • Lenski, G. 1996b. "Technology, Ideology, and Societal Development." Sociological Perspectives 39: 23-38.
  • Lenski, G. 2001. "New Light on Old Issues: The Relevance of 'Really Existing Socialist Societies' for Stratification Theory ." Pp. 77-84 in Social Stratification: Class, Race, and Gender in Sociological Perspective, 2d ed., edited by D. Grusky. Boulder, CO: Westview Press.


Das Werk in Themen und Thesen

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Religionssoziologie

Die Religionssoziologie befaßt sich mit den Voraussetzungen, die für Religion gegeben sein müssen, mit den aus ihr hervorgehenden sozialen Formen, bzw. jenen die sie selbst annimmt und allgemein mit ihrem Einfluss auf die Gesellschaft. Im Rahmen der Religionssoziologie beschäftigt man sich sowohl mit der Analyse der Funktion von Religion für die Gesamtgesellschaft, als auch auf mikrosoziologischer Ebene mit ihren Auswirkungen auf einzelne religiöse Gruppen und Praktiken.


Lenski's Beiträge zur Religionsphilosophie beschränken sich auf den ersten Teil seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Sein Werk The Religious Factor: A Sociological Study of Religion's Impact on Politics, Economics, and Family Life (1961) bekam deshalb so grosse Aufmerksamkeit, weil die empirische Untersuchung auf der das Buch basiert (1957-1958 Detroit Area Study) die erste Hauptanwendung der sich später etablierenden Techniken der betrachtenden Untersuchung zum Thema Religion war. In gewisser Weise erhob er somit die Religionssoziologie auf den Stand der empirischen Sozialforschung. Außerdem waren seine Untersuchungen der empirische Test für Max Weber's "Protestanische Ethik". Dazu untersuchte und dokumentierte er religiös-ethnische Gemeinschaften (Weiße, Schwarze, Protestante, Katholiken und Juden) und es gelang ihm die Konsequenzen der Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe nachzuweisen.


Funktionale Schichtungstheorie

Lenski wird als Vertreter der funktionalen Schichtungstheorie angesehen, wenngleich er aber selbst anfügt, dass seine Theorie, vor allem als er sein Werk Macht und Privileg schrieb, noch näher an dieser Position war, als einige Jahre später, wo die weitere Analyse von Vergleichsmaterialien eine Verschiebung erzwang.


Da diese jedoch im oben angeführten Werk noch nicht zu erkennen ist, werden hier die Grundthesen der funktionalen Schichtungstheorie kurz dargestellt:

In jeder Gesellschaft müssen bestimmte Positionen besetzt werden, um das soziale System zu erhalten. Diese Positionen werden von Individuen eingenommen, die jeweils ihren eigenen, funktionalen Beitrag leisten, wobei jede Position unterschiedlich gewichtet wird. Daraus ergibt sich eine Schichtung der Gesellschaft, innerhalb der die für die Gesellschaft am wichtigsten erachteten Positionen von den tatsächlich fähigsten Personen eingenommen werden. Grundvoraussetzung dafür ist ein freier Wettbewerb um diese Positionen und eine Knappheit der dafür in Frage kommenden Individuen (Knappheit der Talente). Gleichzeitig wird angenommen, dass der Mensch von sich aus aber ein Wesen ist, dass motiviert werden muss um diese wichtigen Positionen überhaupt einnehmen zu wollen, weshalb eine dementsprechendes System an Gratifikationen bereitgestellt werden muss.


Gerhard Lenskis Werk Power and Privilege (1966) ist der Vesuch die mannigfaltigen und oftmals gegensätzlichen Theorien zum Thema soziale Schichtung in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Obgleich er zunächst fürchtete, er könne die Arbeiten der verschiednen Theoretiker wie Marx, Spencer, Gumplowicz, Sumner, Veblen, Mosca, Pareto, Michels, Sorokin, Pasons, Davis, Dahrendorf und Mill lediglich in chronologischer Reihenfolge anführen und als in sich abgeschlossene Theorien präsentieren, eröffnete sich im Zuge der Bearbeitung des Materials eine neue Möglichkeit. Lenski fand heraus, dass sich solch gegensätzliche Theorien, wie z.B. die von Dahrendorf und Parsons, oder jene von Marx und Mosca unter Anwendung der sogenannten Hegelschen Dialektik zu einer neuen Synthese verbinden lassen. Dahinter steht die Theorie, dass eine Idee eine ihr entgegengesetzte Idee erzeugt, wobei die Synthese, die sich aus deren Gegenüberstellung ergibt (These - Antithese - Synthese), Elemente beider enthält und in einen neuen, höheren Zusammenhang stellt. Anhand dieser Methode, davon ist der Autor überzeugt, lässt sich eine sinnvolle Struktur aufdecken, die hinter der verwirrend anmutenden Vergangenheit der Schichtungstheorien steckt. Gleichzeitig lassen sich so aber auch aktuelle Tendenzen erkennen, ja sogar zukünftige Entwicklung auf Grundlage dieser Analyse herausfinden. Gleichzeitig hebt Lenkski die Gültigkeit von auf induktiven Schlüssen basierenden Theorien hoch, unter der Bedingung, dass neue Daten berücksichtigt werden, wonach also mit Modifikationen der Theorie zu rechnen ist. Der Autor ist bemüht nicht nur die zentralen Tendenzen herauszuarbeiten, sondern auch Randtendenzen oder überhaupt gegensätzliche Tendenzen, die sich auf quantitatives Datenmaterial stützen lassen, zu erörtern. Zusätzlich versucht er sich mehr auf die Ursache von sozialer Schichtung als auf ihre Auswirkungen zu konzentrieren. Dabei analysiert er hauptsächlich den Einfluss von Macht und Privilegien (Besitz oder Kontrolle eines Teils des von der Gesellschaft produzierten Überschusses).


Schichtungsaxiome nach Lenski:

  • Der Mensch ist ein soziales Wesen, er ist von Natur aus gezwungen mit anderen Menschen zusammenzuleben.
  • Der Mensch ist egoistisch, er ist von seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen motiviert und kooperiert nur unter der Aussicht auf Gratifikation, die sich bei einer Einhaltung eines Regelsystems wahrscheinlicher einstellt, als bei einer Missachtung.
  • Die meisten, für den Menschen erstrebenswerten Güter sind knapp, das heißt, die Nachfrage übersteigt das Angebot, da der Mensch stets mehr Güter und Dienstleistungen erstrebt, vor allem jene mit hohem Gebrauchs- wie Statuswert.
  • Nicht alle Menschen sind mit denselben, für den Kampf notwendigen Fähigkeiten, ausgestattet.
  • Menschen sind Gewohnheitstiere, die die sich gerne auf die Bräuchen der Gesellschaft stützen.


Zwei Verteilungsgesetzte

  • Bedürfnis:Auch wenn Menschen ihre eigenen Bedürfnisse über jene der anderen Stellen, sind sie zur Kooperation gezwungen, um überhaupt überleben zu können und die darüber hinausgehenden Ziele erreichen zu können. Somit zwingt der Egoismus die Menschen dazu, Teil einer Gesellschaft zu bleiben und sich an der Arbeitsteilung zu beteiligen. Um das Überleben der Positionsinhaber und damit die Produktion aufrecht erhalten zu können, müssen die Menschen die Güter und Dienstleistungen teilen.
  • Macht: Grundvoraussetzung dafür, dass Güter und Dienstleistungen nach Macht verteilt werden, ist, dass von der Gesellschaft ein Überfluss produziert wird.

Gesellschaften die sich auf einem technologisch primitiven Stand befinden, verteilen die vorhandenen Güter weitgehend nach Bedarf. Je fortgeschrittener eine Gesellschaft ist, d.h. je mehr technologisches Wissen ihr zur Verfügung steht (und tatsächlich angewendet wird), desto mehr entsteht eine Verteilung auf der Basis von Macht. Demnach lässt sich eine Klassifikation der Gesellschaften nach Technologie vornehmen.


Technologie und Information

Während Leslie White der Auffassung war, dass Technologien zur Erzeugung und Nutzung von Energie befähigen, analysierte Lenski mehr den Einfluss des Informationsstandes einer Gesellschaft auf deren Entwicklungsstand. Er fand heraus, dass der Fortschritt einer Gesellschaft proportional zu ihrem Informationstand ansteigt, wobei hier das Hauptaugenmerk auf jene Informationen zu legen ist, die der Formung der Umwelt dienen. Während die Informationen zunächst nur über die Gene weitergegeben wurden, geht mit der Entwicklung eines Bewusstseins eine Lernfähigkeit einher, die es möglich macht durch Erfahrung zu lernen und die gelernten Inhalte weiterzugeben. In weiterer Folge beginnen die Menschen zunächst Zeichen zu benutzen und Logik zu entwickeln und schaffen später Symbole, entwickeln eine Sprache und Schrift.

Lenski trifft nun eine Einteilung von Gesellschaften, basierend auf Technologie-, Kommunikations- und Ökonomiestand:

  1. Jäger und Sammler
  2. einfache Landwirtschaft
  3. fortschrittliche Landwirtschaft
  4. Industrie
  5. spezielle Formen wie Fischerei

Rezeption und Wirkung

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Gerhard Lenski ist sowohl für die Religionssoziologie als auch für die Theorien zur kulturellen Evolution und sozialen Schichtung bedeutend.

Er führte die empirische Arbeitsweise in die Religionssoziologie ein, erweiterte Morgan's und Whites' Beiträge zur kulturellen Evolution, indem er den Informationsstand einer Gesellschaft als deren Indikator für den allgemeinen Entwicklungsstand einführt. Lenskis Untersuchungen zur funktionalen Schichtung, vor allem im Rahmen seines Werkes "Macht und Privileg", sind von allgemeiner Wichtigkeit.


Literatur

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  • Lenski, Gerhard (1977):
    "Macht und Privileg. Eine Theorie der sozialen Schichtung, übersetzt von Hanne Herkommer (Titel der Originalausgabe: 1966. Power and Privileg. A Theory of Social Startification)"
    Frankfurt am Main
  • Bernice McNair Barnett (2004):
    "Introdutction: The Life, Career, and Social Thoughts of Gerhard Lenski - Scholar, Teacher, Mentor, Leader" Sociological Theory
    S. 164-192.


Internetquellen

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Levi-Strauss, Claude

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Biographie in Daten

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Claude Lévi- Strauss

  • geboren am 28. November 1908 in Brüssel (Belgien) als Sohn wohlhabender jüdischer Eltern (Vater war Künstler)


  • französischer Ethnologe und Anthropologe
  • Begründer des Strukturalismus


  • 1927-1931 Studium an der Sorbonne und École Normale Supèrieure
  • 1934 Professur für Soziologie an der Universität Sao Paulo
  • 1935-1939 Ethnographische Missionen im Amazonasgebiet
  • 1939-1940 Freiwilliger Militärdienst in Frankreich
  • 1941 Flucht nach New York (aufgrund seines jüdischen Glaubens), wo er an der School for Social Research unterrichtet
  • 1947 Rückkehr nach Frankreich aus Exil
  • 1949 Professur für Anthropologie und Religionswissenschaften am renommierten Collége de France
  • Direktor des Musée de l'Homme in Paris
  • Direktor der Ècole pratique des hautes études
  • 1958-1960 Forschungsprofessur
  • 1964/65/67 Ehrendoktor in Oxford, Yale, Chicago
  • 1967 Goldmedaille des C.N.R.S. (Centre National des Rechèrches en Sciènces)
  • 1973 Erasmus- Preis
  • Aufnahme in die renommierte Académie Francaise
  • 1982 Emeritierung
  • 1996 Geehrt mit Aby-M.-Warburg-Preis
  • 1. November 2009 gestorben in Paris

Historischer Kontext

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Claude Lévi- Strauss lebte zur Zeit des Nationalsozialismus. Als er 1939 von ethnologischen Expeditionen in Zentralbrasilien nach Frankreich zurückkehrte, musste er aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1941 aus der von den Deutschen besetzten Heimat fliehen. Bis zum Kriegsende ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der New York School for Social Research.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Lévi-Strauss wurde in seinem linguistischen Denken wesentlich vom russischen Philologen, Linguist und Semiotiker Roman Jakobson (1896-1962), geprägt, auf den er 1941 in der französischen Exil-Universität in New York traf. Auch Jakobson musste aufgrund seines jüdischen Glaubens aus der Tschechoslowakei fliehen. Er beschäftigte sich besonders mit der Kindersprache und allgemeinen Gesetzen, nach denen unsere Sprache funktioniert. Außerdem war Jakobson Anhänger der strukturalistischen Schule, der sich auch Lévi-Strauss anschloss. Nach strukturalistischer Denkweise werden Gegenstände durch ihre Beziehung zu anderen Elementen des Systems konstituiert, die ohne dieses nicht existieren könnten und in ihren Eigenschaften beschrieben werden sollen.

Auch Linguist Ferdinand de Saussure, der als Begründer der modernen Linguistik und des Strukturalismus gilt, beeinflusste Lévi-Strauss grundlegend. Er beschäftigte sich mit dem Unterschied von Signifikant (die Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens) und Signifikat (die Inhaltsseite des sprachlichen Zeichens). Bezüglich der Sprache unterscheidet er „langue“ (das abstrakte System für Zeichen, Regeln, die die Sprache umfassen) und „parole“ (die realisierte Form der Sprache). Saussure meint, dass das menschliche Denken von der Sprache dirigiert wird.

Die Werke von Lévi-Strauss sind nach seinen eigenen Angaben von der Psychoanalyse Sigmund Freuds geprägt: Scheinbare Unordnung kann man erklären, man muss nur Determinanten finden, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Hinter dem scheinbar Irrationalen liegt ein tieferer Sinn.

Lévi-Strauss sieht seinen Strukturalismus außerdem als Ergänzung zu Karl Marx - der Unterschied liegt in der Zielsetzung, denn während Marx sich hauptsächlich für die ökonomische Basis eines Systems interessierte, wollte Lévi-Strauss eine Theorie der kollektiven Ideen aufstellen.

Bezüglich der Mythentheorie griff Lévi-Strauss Emile Durkheim und dessen Untersuchungen zu Religion auf und ersetzt diese durch den Mythos, von dem er annimmt, dass er in allen Kulturen zu finden sei.

Werke

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1948 Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft
1952 Rasse und Geschichte
1955 Traurige Tropen
1958 Strukturale Anthropologie I
1962 Das Ende des Totemismus
1962 Das wilde Denken
1964 Mythologiques, Bd. I, Le cru et le cuit (dt. v. Eva Moldenhauer, Mythologica I. Das Rohe und das Gekochte, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971)
1966 Mythologiques, Bd. II, Du miel au cendres (dt. v. Eva Moldenhauer, Mythologica II. Vom Honig zur Asche, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972)
1968 Mythologiques, Bd. III (dt. v. Eva Moldenhauer, Vom Ursprung der Tischsitten, 1973)
1971 Mythologiques, Bd. IV, L’homme nu (dt. v. Eva Moldenhauer, Mythologica IV. Der nackte Mensch, 2 Bde., Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975)
1975 Strukturale Anthropologie II
1985 Der Blick aus der Ferne
1987 Die eifersüchtige Töpferin
1993 Sehen, Hören, Lesen
1996 Das Nahe und das Ferne (Autobiografie)

Das Werk in Themen und Thesen

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Strukturalismus

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Lévi-Strauss postuliert, dass es universelle Strukturen des menschlichen Geistes gibt, die sich als zugrunde liegende Strukturen aus unterschiedlichen Erscheinungsformen ableiten lassen- es gibt also strukturelle Gemeinsamkeiten, die sich in jeder Kultur widerspiegeln.


Kern des Strukturalismus:

  • Strukturen prägen die Gesellschaft
  • Der Mensch ist Teil der Natur
  • Strukturen sind nicht von außen aufgedrängt, sondern bestehen und sind aus sich heraus gewachsen – sie müssen nur noch vom Forscher entdeckt werden
  • Die durch Struktur und Wirkungsweise des Gehirns bestimmten Denkgesetze regulieren die menschlichen Ausdrucksformen
  • Verschiedene Formen gesellschaftlichen Lebens sind keine einmaligen geschichtlichen Phänomene sondern unterliegen inwendigen Strukturen
  • Struktur = System, das über alle Transformationen hinweg unverändert bleibt
  • Alle menschlichen Äußerungen sind universell wirksamen Denkgesetzen unterworfen
  • Binäre Opposition (Denken in Gegensatzpaaren, z.B.: oben-unten, heiß-kalt,...)

Diese Art der mentalen Prozesse ist nach Lévi-Strauss in allen Kulturen gleich, nur die Manifestationen würden sich unterscheiden. Den grundlegenden Gegensatz stellt die Opposition von Natur (natürlich) und Kultur (künstlich) dar.

  • Wildes Denken: Das Denken der Angehörigen der vermeintlich "primitiven" schriftlosen Kulturen ist demjenigen der Menschen in modernen Industriegesellschaften in kognitiver Hinsicht keineswegs unterlegen, sondern lediglich weitgehend auf andere Ziele gerichtet


Verwandtschaftssysteme

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In seinem Buch „Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft“ (1949) analysierte Lévi-Strauss Verwandtschaftssysteme mit der Allianztheorie, womit er sich klar von der britischen Anthropologie, die die Verwandtschaft mittels der Deszendenz (Abstammung) der Personen untersucht, abgrenzt. Es wird unterschieden zwischen:

  • Heiratsgebote- Gesellschaft gibt vor, aus welcher Gruppe geheiratet werden soll
  • Heiratsverbote- es wird vorgeschrieben, aus welcher Gruppe man nicht heiraten darf --> Inzesttabu (nach westlichen Vorstellungen)


Mythenanalyse

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Lévi-Strauss geht davon aus, dass man durch Mythen, aus noch nach unbestimmten Regeln zusammengesetzten Einheiten, zu den grundlegenden Strukturen des menschlichen Denkens vorstoßen könne, da sie ein Produkt der entsprechenden Kultur sind

  • Mythen sind bewusste Ordnungen in denen die Codierungen (globaler) unbewusster Ordnungen enthalten sind

Levi-Strauss argumentiert, dass in jeder Gesellschaft mythisches, wissenschaftliches und philosophisches Denken existieren und entdeckt, dass sich vor allem die Mythen der Süd- und Nordamerikanischen Indigenen, bei denen er nach ihrer "inneren Ordnung" forschte, in ihrer Struktur ähneln. Das mythische Denken beantwortet zuvor unbeantwortete Fragen also mit Analogien- "Typen" von Geschichten, die immer wieder vorkommen.

Um Mythen lesen und interpretieren zu können, greift Lévi-Strauss auf die Sprachwissenschaft zurück.


Strukturalistische Linguistik

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Kultur interpretiert Lévi- Strauss als Kommunikations"maschine" zwischen Menschen. Die strukturalistische Linguistik war ihm zufolge revolutionär, weil sie

  • die Untersuchung bewusster (linguistischer) Phänomene auf die Untersuchung ihrer unbewussten Determinanten verlagert
  • Begriffe nicht als unabhängige Einheiten behandelt (Die Beziehungen zwischen den Begriffen bilden die Grundlage der Analyse)

Lévi-Strauss weist auf die Arbitrarität von Zeichen hin: Der sprachliche Ausdruck ist von seiner semantischen Bedeutung unabhängig.

  • Mythen sind als eine Kette von Zeichen zu lesen
  • Nicht die unmittelbare Semantik der einzelnen Zeichen steht im Vordergrund, sondern ihre Verknüpfung zu einer Struktur, über die die wahre Bedeutung erst entschlüsselt werden kann
  • Mythen haben den Charakter eines sprachlichen Systems
  • Differenzierung zwischen parole (aktuelle Äußerung) und langue (Struktur der Sprache)
  • Zeitlose Dauerstruktur
  • Mytheme: Zeichen, die eine Beziehung ausdrücken

Rezeption und Wirkung

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Heute gilt Claude Lévi-Strauss als wichtigster Kultur- und Sozialanthropologe nach der malinowskischen Ära. Die Wirkung seiner Werke geht weit über die Grenzen der Ethnologie und Kultur- bzw. Sozialanthropologie hinaus. Er beeinflusste insbesondere neuere Ansätze der Geschichtswissenschaft und Philosophie (Poststrukturalismus- Kritik des Strukturalsimus), wie auch der Psychoanalyse. Außerdem ist anzumerken, dass der Ethnologe Claude Lévi-Strauss mit seinem von überkommenen Vorurteilen befreiten Blick auf die sogenannten "Wilden" die moderne Völkerkunde revolutioniert und eine eigenwillige Methode mit Elementen der Strukturanalyse eingeführt hat. Sein Werk "Das Wilde Denken" gab den Begriffen "Rasse", "Kultur" und "Fortschritt" eine neue Bedeutung. Zwei seiner Grundthesen wurden jedoch widerlegt, nämlich

  • dass alles und jedes im menschlichen Denken auf Binarität zurück zu führen ist und
  • dass alle Formen von Verwandtschaftssystemen auf Frauentausch basieren


Zusammen mit Henri Focillon und Jacques Maritain gründete Lévi- Strauss zwischen 1942 und 1946 die École libre des hautes études de New York - eine französische und belgische Exilhochschule.


Literatur

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  • Pickel, Gert (2005):
    "Einführung in die soziologischen Strukturen"


Internetquellen

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Lindenberg, Siegwart

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Biographie in Daten

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Lindenberg Siegwart

geboren am 26.Dezember 1941 in München


Ausbildung

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  • 1960-1962: Musikstudium in Köln
  • 1962-1966: Studium der Soziologie, der Sozialökonomie, der Sozialpsychologie und Wissenschaftstheorien an der Universität Mannheim
  • 1966:         Abschluss als Diplom-Soziologe an der Universität Mannheim mit der Diplomarbeit
                     "Klasse und Klassenkonflikt: Untersuchungen in einer Hessischen Industriegemeinde"
  • 1966-1969: Teilnahme am PhD Programm für Soziologie an der Harvard Universität
  • 1971:         Promotion in Soziologie an der Harvard Universität mit der Dissertationsarbeit "Aspects of the Cognitive Representation of Social Structures"


Berufliche Tätigkeiten

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  • 1967-1969: Doktorantenassistent der Harvard Universität für den Unterricht von Studententutorien in Statistik und Programmieren
  • 1969-1973: Assistenzprofessor für Soziologie an der Princeton Universität
  • 1973-1980: Außerordentlicher Professor für Theoretische Soziologie an der Universität Groningen (Niederlande)
  • seit 1980:   Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Groningen
  • seit 1986:   Mitbegründer des "Interuniversity Center for Social Science Theory and Methodology" (ICS)

Mitgliedschaft und Forschung

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  • 1964-1968: Mitglied der Friedrich-Ebert-Stiftung
  • 1977-1978: Mitglied des "Netherlands Institute for Advanced Study" (N.I.A.S.) in Wassenaar
  • 1983-1984: Staatliche Förderung für ein Forschungsjahr in Havard
  • seit 1980:   Forschungsgelder der "Netherlands Organization for Scientific Research" (NWO)
  • 1989-1990: Mitglied des "Netherlands Institute for Advanced Study" (N.I.A.S.) in Wassenaar
  • 1996:         Mitglied des "Center for Advanced Study" in Stanford (Palo Alto)

Berufliche Aktivitäten

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  • 1974-1988: Vorsitzender der Abteilung "General and Theoretical Sociology" der Soziologieabteilung Groningen
  • 1979-1983: Mitgründer und Mitvorsitzender der "Theory Section of the German Sociological Association"
  • 1979-1982: Dekan der Sozial- und Kulturwissenschaftlichen Fakultät
  • 1985-1990: Vorsitzender der Abteilung "Explanatory Sociology" der "Netherlands Organization for Scientific Research" (NWO)
  • seit 1987:   Mitherausgeber der Publikationsserie "Scientia Nova" des Oldenbourg Wissenschaftsverlag
                     (1987 wurde u.a. in Deutsch "Die Evolution der Kooperation" von Robert Axelrod und
                     1991 "Grundlagen der Sozialtheorie" von James S. Coleman veröffentlicht)
  • 1986-2001: Mitglied des Redaktionsausschusses der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
  • seit 1988:   Mitglied des Redaktionsausschuss der Zeitschrift "Rationality and Society"
  • seit 1988:   Mitglied des Beratungsausschusses von der Arbeitsstelle für neue Institutionenökonomie der Universität des Saarlandes (Saarbrücken)
  • 1989-1990: Koordinator der Themengruppe "Organization Studies" am "Netherlands Institute for Advanced Study" (N.I.A.S.)
  • seit 1986:   Gründungsmitglied und Co-Direktor des "Interuniversity Center for Social Science Theory and Methodology" (ICS)
  • seit 1995:   Mitglied des Redaktionsausschuss des Journals für "Computational and Mathematical Organization Theory"


Ehrenamtliche Tätigkeiten

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  • seit 1994:   Mitglied der "Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences"


Theoriegeschichtlicher Kontext

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In seinen Themen und Thesen wurde Lindenberg vor allem durch Talcott Parsons, George C. Homans, seine Professoren an der Havard Univeristät, sowie durchJohannes Lepsius und Harrison White, einer der bekanntesten Pioniere der Mathematischen Soziologie, beeinflusst. Der Einfluss der neueren kognitiven Psychologie [41] auf Lindenberg wird bereits in seiner Dissertation mit dem Titel "Aspects of the Cognitive Representation of Social Structures" (1971) ersichtlich.


Werke

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Publizierte Artikel in Büchern und Zeitschriften

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  • 2003: "Governance seen from a framing point of view: The employment relationship and relational signaling." in: Nooteboom, B. and Six, F.E. (eds), The Trust Process in Organizations, Empirical Studies of the Determinants and the Process of Trust Development, S 37-57
  • 2003: "The cognitive side of governance" in: Research in the Sociology of Organizations, Vol 20, S 47-76
  • 2002: "Solidarity, its microfoundations and macrodependence" in: O. Favereau and Emmanuel Lazega (eds),
    Conventions and Structures in Economic Organization. Markets, Networks and Hierarchies S 282-328
  • 2002: "The European Academy of Sociology" in: European Sociological Review, vol. 18: S 369-370
  • 2001: "Intrinsic Motivation in a New Light" in: Kyklos - International review for social sciences, 54: S 317-342
  • 2001: "Social rationality as a unified model of man (including bounded rationality)" in: Journal of Management and Governance, 5: S 239-251
  • 2001: "Sociology of groups" in: International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences, Vol. 9: S 34-39
  • 2001: "Social rationality versus rational egoism" in: Turner, J. (ed.) Handbook of Sociological Theory, S 635-668
  • 2000: "James Coleman" in: G. Ritzer (ed.), The Blackwell Companion to Major Social Theorists, S 513-544
  • 2000: "The Role of the State in Making a Market Economy" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics (JITE), 156: S 89-94
  • 2000: "It takes both trust and lack of mistrust: The workings of cooperation and relational signaling in contractual relationships" in:
    Journal of Management and Governance, 4: S 11-33
  • 2000: "The extension of rationality: Framing versus cognitive rationality" in: J. Baechler, F. Chazel, and R. Kamrane (eds.),
    L'Acteur et ses Raisons. Mélanges en l'honneur de Raymond Boudon, S 168-204
  • 2000: "Contracting: A matter of both trust and mistrust" in: W. Franz, H. Hesse, H.J. Ramser and M. Stadler (eds.),
    Ökonomische Analyse von Verträgen, S 25-53
  • 1998: "Solidarity: its microfoundations and macrodependence. A framing approach" in: P. Doreian and Fararo, T.J. (eds.),
    The Problem of Solidarity: Theories and Models, S 61-112
  • 1998: "The cognitive turn in institutional analysis: beyond NIE and NIS" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics (JITE), 154: S 716-727
  • 1998: "The influence of simplification on explananda: phenomenon-centered versus choice-centered theories in the social sciences" in: H. -P. Blossfeld and G. Prein (eds.), Rational Choice Theory and Large-Scale Data Analysis, S 54-69
  • 1997: "Grounding groups in theory: functional, cognitive, and structural interdpedencies" in: Advances in Group Processes, Vol.14, S 281-331
  • 1996: "Theoriegesteuerte Konkretisierung der Nutzentheorie: Eine Replik auf Kelle/Lüdemann und Opp/Friedrichs" in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 48: S 560-565
  • 1996: "Low evidence situations in the social and historical sciences: Rational choice as a heuristic device" in: The Netherlands' Journal of Social Sciences, 32/1: S 25-34
  • 1996: "Choice-centered versus subject-centered theories in the social sciences: the influence of simplification on explananda." in: European Sociological Review, 12: S 147-157
  • 1996: "Low evidence situaties in de sociale wetenschappen: rationele keuze als heuristiek" in: Amsterdams Sociologisch Tijdschrift, 22/4: S 610-619
  • 1996: "Constitutionalism versus relationalism: two versions of rational choice sociology." in: Jon Clark (ed.), James S. Coleman.
    Falmer Press Series, S 299-312
  • 1996: "Multiple-tie networks, structural dependence and path-dependency: another look at hybrid forms of governance." in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 152/1: S 188-196
  • 1996: "Die Relevanz theoriereicher Brückenannahmen." in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 48: S 126-140
  • 1995: "Short-term prevalence, social approval and the governance of employment relations" in: J. Groenewegen (ed.), Transaction Cost Economics and Beyond, S 129-147
  • 1995: "Complex Constraint Modeling (CCM): A bridge between rational choice and structuralism." in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 151/1: S 80-88
  • 1994: "Revolutie en rationaliteit: het beperkte nut van aandacht voor het freerider-effect" in: H. Flap en H.D. van Leeuwen (red.),
    Op lange termijn, S 119-127
  • 1994: "Inleiding" in: N.D. de Graaf en R. Wielers (red.) Theorie en praktijk: verklarende modellen in de arbeidsmarktsociologie, S 9-16
  • 1994: "Norms and the power of loss: Ellickson's theory and beyond." in: Furubotn, E.G. and Richter, R., (eds), The New Institutional Economics. Bounded Rationality and the Analysis of State and Society. Special Issue of the Journal of Institutional and Theoretical Economics, 150/1, S 101-113
  • 1993d: "Framing, empirical evidence, and applications" in: Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, S 11-38
  • 1993c: "Rights to act and beliefs" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 149/1: S 233-239
  • 1993a: "The rationality of belief at the frontier of social science" in: International Studies in the Philosophy of Science, Vol.7, No.1: S 51-53
  • 1992e: "Cohorts, social production functions and the problem of self-command" in: Becker, H. (ed.),
    Dynamics of Cohort and Generations Research, S 283-305
  • 1992: "The explanation of preferences." in: H. van Goor (ed.), Empirische sociologie als opdracht., S 49-66
  • 1992: "An extended theory of institutions and contractual discipline." in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 148/2: S 125-154
  • 1992: "The method of decreasing abstraction" in: J. S. Coleman and T.J. Feraro (eds.), Rational choice theory: Advocacy and Critique, S 3-20
  • 1992: "Cohorts, social production functions and the problem of self-command" in: H. Becker, (ed.), Dynamics of Cohort and Generations Research
  • 1992: "A theory of bargains in experience" in: Marc E. Carvallo (ed.),
    Nature, Cognition and System II. Volume 2: On Complementarity and Beyond., S 245-268
  • 1991d: "Recent contributions of Dutch sociologists toward a new integration of the socioeconomic sciences, especially sociology and economics" in: H.A. Becker and F. Leeuw (eds.), What has Dutch Sociology Achieved
  • 1991c: "Corporate actors: the challenge for constitutional analysis." Review of J.S. Coleman's "Foundations of Social Theory.", Constitutional Political Economy
  • 1991: "A missed chance and still useful: A reply to Brough and Elliott" in: Rationality and Society, Volume 3
  • 1991: "Die Methode der abnehmenden Abstraktion" in: H. Esser und K. Troitzsch (Hrsg.), Modellierung sozialer Prozesse
  • 1991b: "Social approval, fertility and female labour market behaviour" in: J. Siegers, J. de Jong-Gierveld and E. van Imhoff, Female Labour Market Behaviour and Fertility: A rational Choice Approach, S 32-58
  • 1990d: "Homo socio-oeconomicus: the emergence of a general model of man in the social sciences" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 146: S 727-748
  • 1990c: "Towards the construction of interdisciplinary theoretical models to explain demographic behaviour, a comment" in: C.A. Hazeu and G.A.B. Frinking, Emerging Issues in Demographic Research
  • 1990b: "A new push in the theory of organization" in: E. Furubotn and R. Richter (eds.), The New Institutional Economics. Different Approaches to the Economics of Institutions, Special Issue of the Journal of Institutional and Theoretical Economics, Volume 146/1, S 76-84
  • 1990a: "Rationalität und Kultur" in: H. Haferkamp (Hrsg.), Sozialstruktur und Kultur, S 249-287
  • 1989b: "Social Production Functions, Deficits, and Social Revolutions: pre-revolutionary France and Russia" in: Rationality and Society, 1/1: S 51-77
  • 1989a: "Choice and Culture: The behavioral basis of cultural impact on transactions" in: H. Haferkamp (Hrsg.), Social Structure and Culture
  • 1988b: "Drei Thesen über den Zusammenhang von Erkenntnis und Entscheidung" in: Molden, O. (ed.), Erkenntnis und Entscheidung: Die Wertproblematik in Wissenschaft und Praxis, S 316-323
  • 1988a: "Contractual relations and weak solidarity: the behavioral basis of restraints on gain-maximization" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 144: S 39-58
  • 1987b: "Diepte en modellenbouw: een pleidooi voor verklaring in de sociale wetenschappen zonder reductie naar psychologie" in: Kennis en Methode, 11: S 91-100
  • 1987a: "Common Sense and Social Structure: A Sociological View" in: F.L. van Holthoon and D.R. Olson (eds.), Common Sense: The Foundations for the Social Sciences, S 199-215
  • 1986c: "Rational choice and framing: the situational selection of utility arguments.", Verfasste Abhandlung für das Rational Choice Group Treffen am 11. Weltsoziologiekongress in New Delhi am 22. August
  • 1986b: "Individual economic ignorance versus social production functions and precarious enlightenment" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 142:S 20-26
  • 1986a: "The paradox of privatization in consumption" in: Diekmann A. and Mitter P. (eds.), Paradoxial Effects of Social Behavior. Essays in Honor of Anatol Rapoport., S 297-310.
  • 1985d: "Die Verteilung gemeinsamer Güter: Wer bekommt welchen Anteil?" in: G. Büschges und W. Raub (Hrsg.), Soziale Bedingungen, Individuelles Handeln, Soziale Konsequenzen, S 83-114
  • 1985c: "An assessment of the new political economy: its potential for the social sciences and for sociology in particular" in:
    Sociological Theory, 3/1: S 99-114
  • 1985b: "Rational choice and sociological theory: new pressures on economics as a social science" in:
    Journal of Institutional and Theoretical Economics, 141: S 244-255
  • 1985a: "Begrotingstekorten en de Franse en Russische Revolutie" in: J.M. Buchanan et al., Staatsschuld en Politiek, Rotterdam, Nr. 18
  • 1984c: "Habermehl: Kommentar ohne Wert" in: Zeitschrift für Soziologie, 13/1: S 75-76
  • 1984b: "Preference versus constraints" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, 140: S 96-103
  • 1984a: "Normen und die Allokation sozialer Wertschätzung" in: Todt, H. (Hrsg.), Normengeleitetes Verhalten in den Sozialwissenschaften, Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Neue Folge Bd.141, S 169-191
  • 1983c: "Utility and morality" in: Kyklos, 36/3: S 450-468
  • 1983b: "Zur Kritik an Durkheims Programm für die Soziologie" in: Zeitschrift für Soziologie, 12/2: S 139-151
  • 1983a: "The New Political Economy: its potential and limitations for the social sciences in general and for sociology in particular" in: Sodeur, W. (Hrsg.), Ökonomische Erklärung sozialen Verhaltens, S 1-68
  • 1982d: "Theories of revolution and empirical evidence" in: W. Raub (ed.), Theoretical Models and Empirical Analysis., Utrecht: Explanatory Sociology Publications, S 63-75
  • 1982c: "Sharing groups: theory and suggested applications" in: Journal of Mathematical Sociology, 9: S 33-62
  • 1982b: "A Theory of Sharing Groups" in: Sodeur, W. (Hrsg.), Mathematische Analyse von Organisationsstrukturen und Prozessen, S 79-116
  • 1982a: "De onvolledigheid van algemene hypothesen: een pleidooi voor verklarende modellen" in: Mens en Maatschappij, 57/4: S 373-391
  • 1981b: "Rational, repetitive choice: The discrimination model versus the Camilleri-Berger model" in: Social Psychology Quarterly, 44, S 312-330
  • 1981a: "Erklärung als Modellbau: Zur soziologischen Nutzung von Nutzentheorien" in: W. Schulte (ed.), Soziologie in der Gesellschaft, S 20-35
  • 1980b: "Instigation of and participation in revolts and revolutions: An analysis of Marx’ possible contribution to this problem and analysis of an alternative.", Verfasste Abhandlung für das jährliche Treffen der Werkgemeenschap Verklarende Sociologie in Utrecht
  • 1980a: "Marginal utility and restraints on gain maximization: the discrimination model of rational, repetitive choice" in: Journal of Mathematical Sociology, 7/2: S 289-316
  • 1979: "Solidaritätsnormen und soziale Struktur.", Verfasste Abhandlung für das jährliche Treffen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
  • 1977c: "Individuelle Effekte, kollektive Phänomene und das Problem der Transformation" in: Eichner, K. und Habermehl, W. (Hrsg.), Probleme der Erklärung sozialen Verhaltens, S 46-84
  • 1977b: "Differentiation among people: Blau’s revised view of sociology" in: Mens en Maatschappij, 52/3: S 301-323
  • 1977a: "The direction of ordering and its relation to social phenomena" in: Zeitschrift für Soziologie, 6/2: S 203-221
  • 1976c: "Actor analysis and depersonalization" in: Mens en Maatschappij, 51/2: S 152-178
  • 1975c: "Three psychological theories of a classical sociologist" in: Mens en Maatschappij, 50/2: S 133-153
  • 1975b: "Sociology of sociology" in: Wetenschap en Democratie, 2/2: S 111-118
  • 1975a: "A shortcut to progress? Commentary on Wippler's view of Development in Theoretical Sociology" in: Mens en Maatschappij, 50/3: S 302-314
  • 1971b: "Simulation und Theoriebildung" in: H. Albert (ed)., Sozialtheorie und soziale Praxis, S 78-113


Co-Autor

[Bearbeiten]
  • 2002: Nieboer, A. & Lindenberg, S. "Substitution, buffers and subjective well-being: A hierarchical approach." in: E. Gullone & R.A. Cummins (Eds.) The Universality of Subjective Well-Being Indicators. Social Indicators Research Book Series, Volume 16, S 175-189
  • 2002: Philips, C., Wielers, R., & Lindenberg, S. "Crazy signs. Instant gemeenschap op Club Med" in: Vrijetijd Studies, 20/2: S 21-35
  • 2001: Diekmann, A. & Lindenberg, S. "Cooperation: Sociological aspects" in: International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences
  • 1999: Ormel, J., Lindenberg, S., Steverink, N. & Verbrugge, L.M. "Subjective well being and social production functions" in: Social Indicator Research 46:
    S 61-90
  • 1998: Nieboer, A., Schulz, R., Matthews, K.A., Scheier, M.F., Ormel, J., & Lindenberg, S. "Spousal caregivers activity restriction and depression: a model for changes over time" in: Social Science and Medicine 47: S 1361-1371
  • 1998: Steverink, N., Lindenberg, S. & Ormel, J. "Towards understanding successful ageing: patterned change in resources and goals" in: Ageing and Society 18: S 441-467
  • 1997: Ormel, J., Lindenberg, S., Steverink, N. & Vonkorff, M. "Quality of life and social production functions: A framework for understanding health effects" in: Social Science and Medicine 45, 7: S 1051-1063
  • 1996: Ganzeboom, H. & Lindenberg, S. (eds) "Verklarende Sociologie: Opstellen voor Reinhard Wippler" Amsterdam: Thesis Publishers
  • 1996: Ormel, J., Lindenberg, S., Steverink, N. & Verbrugge, L.M. "Welbevinden en de theorie van de sociale productie functies" in: Kempen, G.I.J.M. & Ormel, J. (red.) Dagelijks functioneren van ouderen, S 117-135
  • 1994: Ligthart, P.A.M. & Lindenberg, S. "Solidarity and Gain Maximization in Economic Transactions: Framing Effects on Selling Prices" in: A. Lewis and K.E. Wärneryd (eds.), Ethics and Economic Affairs, S 215-230
  • 1993: Lindenberg, S. & Frey, B. "Alternatives, frames, and relative prices: a broader view of rational choice" in: Acta Sociologica, 36: S 191-205
  • 1993: Lindenberg, S. & Schreuder, H. (eds.) "Interdisciplinary Perspectives on Organization Studies." in: Pergamon Press, S 366
  • 1990: Coleman J.S. & Lindenberg, S. "In memoriam George Caspar Homans" in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 42: S 189-190
  • 1987: Wippler, R. & Lindenberg, S. "Collective phenomena and rational choice" in: J.C. Alexander, B. Giesen, R. Münch und N.J. Smelser (eds), The Micro Macro Link
  • 1986: Lindenberg, S. & F. N. Stokman "Interuniversitaire tweede fase opleiding: een nieuwe basis voor sociologie" in: Broerstraat 5/1: S 20-21.
  • 1986a: Lindenberg, S., J.S. Coleman, & S. Nowak (eds.) "Approaches to Social Theory" in: New York: Russell Sage S 398
  • 1985: Lindenberg, S. & H. de Vos "The limits of solidarity: relational contracting in perspective and some criticism of traditional sociology" in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 141: S 558-569
  • 1983: Lindenberg, S. & F.N. Stokman (red.) "Modellen in de Sociologie" in Deventer: van Loghum Slaterus, S 379
  • 1978a: Lindenberg, S. & R. Wippler "Elemente der Rekonstruktion im Theorienvergleich" in: Bolte, K.M. (Hrsg.), Materialien aus der soziologischen Forschung, S 1148-1167
  • 1978b: Lindenberg, S. & R. Wippler, "Theorienvergleich: Elemente der Rekonstruktion" in: Hondrich, K.O und Matthes, G. (Hrsg.), Theorienvergleich in den Sozialwissenschaften, S 219-231
  • 1978: Lindenberg, S. & P. Oppenheim "The Bargain Principle" in: Synthese 37, S 387-412
  • 1974: Lindenberg, S. & P. Oppenheim "Generalization of Complementarity" in: Synthese 28, S 117-139
  • 1972: Lindenberg, S. & Suzanne Keller "When Parents Can Choose--Which Sex Will It Be?" in: The Futurist, S 193-196
  • 1964: Lindenberg, S., M.Sukale & S.Wolf "Zeittafel" in: Baumgarten, E. (Hrsg.), Max Weber. Werk und Person, S 679-720


Das Werk in Themen und Thesen

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Siegwart Lindenbergs Hauptinteressen liegen vor allem in den Bereichen:

  • Mikro-Grundlagen: Hier insbesondere die Theorien kollektiver Phänomene, die Theorie der Modellbildung, die Theorie der sozialen Rationalität, Framing-Theorie, die Theorie menschlicher Ziele und deren Wohlbefinden (SPF - Theorie – social production function) sowie die Theorie der Normen.
  • Gruppen und Netzwerke: Hier im Besonderen die Theorie der Interdependenzen (funktional – Ziele und Zielausführung, kognitiv – framing und Kategorisierung - und strukturell), die Theorie der Verteilung und gemeinsamen Produktion sowie die Theorie der Solidarität.

Auf der Basis von drei nachfolgenden Themenbereichen, die zu Lindenbergs Forschungsbereichen zählen, werden die Theorien der Mikro-Grundlagen und die Theorien der Gruppen und Netzwerke angewandt und weiterentwickelt:

  • Gemeinschaft: Gemeinschaft als Multifunktionalität in sozialen Beziehungen – die Theorie der sozialen Produktion des Wohlbefindens, die moralische Macht der Gemeinschaft – Theorie der Solidarität und Gemeinschaft und Identität – die Theorie nach dem Zugehörigkeitssinn
  • Regierung/Machtausübung: in Organisationen, von Organisationen (Unternehmensführung) und im Staat selbst (Theorie der Revolutionen)
  • Institutionen: im Speziellen die Theorien formaler Institutionen


RREEMM – Modell

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Die reinen Modelle - homo oeconomicus und homo sociologicus - sind für die Zwecke einer Akteurtheorie bzw. einer soziologischen Erklärung zu einseitig. Lindenberg hat die wesentlichen Aspekte der beiden Modelle in das RREEMM-Modell einbezogen. Der Akteur ist ein restricted, resourceful, evaluating, expecting, maximizing man. Das RREEMM-Modell berücksichtigt die Rechte und sozialen Normen, denen der Mensch gegenübersteht, die subjektiven Erwartungen, welchen der Mensch situationsabhängig unterliegt und auch die Kreativität, neue Lösungsansätze zu finden. Der Mensch ist aufgrund von bestehenden Bedingungen in Handlungssituationen in seinem Handeln begrenzt – restricted. Jedoch auch wenn er in seinem Handeln begrenzt ist, ist er nicht zwingend auf bestimmte Normen und Institutionen festgelegt. Ihm ist dennoch bewusst, wie er diese Bedingung zur Zielrealisierung nutzen kann – resourceful. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Zielerreichung hat das Individuum bestimmte Erwartungen gegenüber Andern bzw. ist dem Menschen bewusst, dass Andere auch etwas von ihm erwarten – expecting. Der Mensch bewertet und überprüft vergangene, gegenwärtige und zukünftige Situationen – evaluating. Und aus den beschränkten Möglichkeiten wird versucht das Beste heraus zu holen – maximizing.

Hartmut Esser hat sich in seiner soziologischen Erklärung auf das RREEMM–Modell berufen.


Theorie der sozialen Produktionsfunktionen

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Um theoretisch fundierte Aussagen über die Art der Präferenzen von Menschen treffen zu können, stellte Lindenberg die Theorie der sozialen Produktionsfunktionen auf. Handeln wird als die Produktion von Nutzen definiert, wobei Lindenberg davon ausgeht, dass der Mensch prinzipiell drei primäre Grundbedürfnisse – soziale Wertschätzung, physisches Wohlbefinden und Vermeidung von Verlust– hat. Diese müssen fortwährend befriedigt werden. Die Grundbedürfnisse können jedoch nur über so genannte primäre Zwischengüter befriedigt werden. Ein sozialer Status ist ein primäres Zwischengut das wiederum über andere indirekte Zwischengüter, wie Wissen oder Wohlstand, hergestellt werden kann. Daher auch die Bezeichnung soziale Produktionsfaktoren. Somit werden konkrete Ziele und Güter, wie z.B. hoher sozialer Status über Produktionsfaktoren wie Einkommen mit sozialen Produktionsfunktionen wie soziale Wertschätzung verknüpft. Die sozialen Produktionsfunktionen unterscheiden sich in verschiedenen sozialen Positionen, Gruppen oder Zeiträumen und sind kulturabhängig.


Erklärung sozialer Prozesse

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Als Methodologie der soziologischen Analyse zur Erklärung sozialer Prozesse und der Verbindungsherstellung zwischen Struktur und Handeln haben Lindenberg und Reinhard Wippler neben Raymond Boudon und James S. Coleman u.a. das Modell der soziologischen Erklärung von Hartmut Esser erörtert. Um soziale Prozesse auf der Makroebene tiefgreifend erklären zu können, muss die Mikroebene des Akteurs analysiert werden.


Lindenberg und Wippler haben den Begriff des analytischen und theoretischen Primaten eingeführt. Diese beiden Begriffe sind die zwei Grundannahmen, die die Basis für das Modell der soziologischen Erklärung bilden. Wobei laut Lindenberg und Wippler der analytische Primat die kollektive Ebene und der theoretische Primat die individuelle Ebene, im Sinne von den Akteuren und ihr Handeln, darstellt.


Die Methode der abnehmenden Abstraktion

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Diese Methode ist ein Teil der Rationalen Wahl. Lindenberg entwickelte die Methode für den Fall, dass ein einfaches und abstraktes situationslogisches Modell nicht zur Erklärung eines Phänomens ausreicht, da Menschen oft so handeln wie es nicht erwartet wird. Es wird von einem relativ einfachen Modell ausgegangen und es erfolgt eine schrittweise Anpassung bis ein Modell erreicht wird, das eine realistische Abbildung darstellt.

Hintergrund ist das Konzept der theoriegesteuerten Analyse, deren Sinn es ist, nach allgemeinen Hauptaspekten eines Phänomens zu suchen, um dies erklären zu können. Die Unterscheidung in zwei Dimensionen ist nötig:

  • Haupt- und Nebenaspekte eines Phänomens, wobei die Hauptaspekte, diejenigen Aspekte sind, die berücksichtigt und analysiert werden müssen, um überhaupt zu einer adäquaten Lösung zu kommen. Die Nebenaspekte sind Sachverhalte, die die Qualität der Lösung des Problems erhöhen können.
  • Allgemeine und besondere Aspekte eines Problems. Dabei stellen allgemeinen Aspekte, allgemeine Strukturen, ein allgemeines Schema dar, innerhalb derer unterschiedliche Situationen ablaufen. Besondere Aspekte definieren nur einen Teilbereich bzw. die Anwendungsbedingungen


Gemeinschaft – Gesellschaft - Sharing Groups

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Ausgehend vom Begriff der Gemeinschaft, die den einzelnen Mitgliedern unter Umständen soziale Wertschätzung in hohem Maß vermittelt, sind Normen und kontinuierliche informelle Interaktionen für Lindenberg Ausgangspunkte für so genannte Sharing Groups. Als solche werden Gruppen bezeichnet, in denen sich Akteure Ressourcen teilen müssen, um überleben zu können. Die Abhängigkeit wird größer, je mehr sich die Akteure teilen müssen. Demzufolge wird jedoch die Versorgung mit sozialer Bestätigung auch größer und steigert das psychische Wohlbefinden. Im Rahmen der Gesellschaft fehlt laut Lindenberg die Versorgung an sozialer Wertschätzung, hier steht das physische Wohlbefinden im Vordergrund. Durch diese Unterversorgung entsteht ein hoher Bedarf gerade danach. Innerhalb der Modernisierung und funktionalen Differenzierung entstehen wiederum neue Gemeinschaften, die Orientierung bieten und soziale Wertschätzung vermitteln.

"… klagt man über den Egoismus des Menschen und seine materialistische Neigung, die physisches Wohlbefinden weit höher als geistige Werte und Sorge um seine Mitmenschen stellt. Man wird auch das System kritisieren, das jeden dazu antreibt, in einem Wettrennen um höheren Status gegen alle anderen anzutreten. Dagegen träumt man von einer Gesellschaft, in der man sich um den anderen sorgt, in der gemeinsame Werte wieder zwischenmenschliche Beziehungen bestimmen, in der die nur scheinbar altmodische Unterscheidung von ‚richtig und falsch’ dem Individuum wieder einen Halt gibt." [1]


Literatur

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  • Esser Hartmut (2002)
    "Soziologie – Spezielle Grundlagen, Band 1: Situationslogik und Handeln, Band 2: Die Konstruktion der Gesellschaften, Band 4: Opportunitäten und Restriktionen


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Lindenberg, Siegwart (1984): Normen und die Allokation sozialer Wertschätzung, S. 190

Linton, Ralph

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Biographie in Daten

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Linton Ralph

  • geboren am 27. Februar 1893 in Philadelphia, Pennsylvania
  • gestorben am 24. Dezember 1953 in New Haven, Connecticut. Linton erlag einem Herzinfarkt.


Vater: Isaiah Waterman Linton, Besitzer einer Restaurantkette; Quäker Mutter: Mary Elizabeth Gillingham; Quäker 1. Ehefrau: Josephine Foster, Heirat in 1925. 2. Ehefrau: Margaret McIntosh, Heirat nach dem Ersten Weltkrieg. 1934 zerbrach die Ehe. 3. Ehefrau: Adelin Sumner Briggs, Heirat in 1935. Später seine Sekretärin. Kinder: 1 Sohn aus 2ter Ehe.


Lebenslauf

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27.02.1893 geboren in Philadelphia, Pennsylvania; besuchte im schulfähigen Alter die Friends High School 1911 - 1915 Swarthmore College B.A. 1912 Archäologische Forschungstrips in New Mexico und Colorado 1913 in Guatemala 1916 M.A. University of Pennsylvania 1920 - 1922 Ethnologische Forschungen auf den Marquesas Inseln im Pazifik 1924 Archäologische Forschungen in Ohio 1925 Ph.D. Harvard University. Ehe mit Josephine Foster 1925 Unterrichtet an der University of Wisconsin und an der Columbia University WW1 Kämpfe in Frankreich. Linton verließ die Armee als Liaison Corporal. Ehe mit Margaret McIntosh. 1 Sohn. 1925- 1927 Ethnologische Forschungen auf Madagaskar und Ost-Afrika. The Tanala: a Hill Tribe of Madagascar 1928 Lehrtätigkeit an der University of Wisconsin 1934 Scheitern der Ehe mit Margaret McIntosh 1935 Heirat mit Adelin Sumner Briggs 1936 The Study of Man 1937 - 1946 Lehrtätigkeit an der Columbia University WW2 Lehrtätigkeit an der Columbia's School of Military Government & Administration. The Cultural Background of Personality 1946 Sterling Professor of Anthropology an der Yale University & Präsident der American Anthropological Association
1951 Mitgliedschaft in der National Academy of Sciences
1951 - 1953 Beginn mit der Arbeit an The Tree of Culture, seine Frau vervollständigte diese 24.12.1953 Tod an einem Herzinfarkt in New Haven, Connecticut 1954 Erhalt der Huxley Memorial Medal of the Royal Anthropological Institute


Historischer Kontext

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Während des Ersten Weltkrieges kämpfte Linton in Frankreich. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Linton in die Kriegsplanung (war planning) involviert, was seine Gedanken über den Krieg und die Rolle der Vereinigten Staaten veränderte und deutlich Einfluss auf seine folgenden Nach-Kriegs-Werke hatte. Besonders in The Science of Man in the World Crisis (1945) und Most of the World (1949) kommt dies zum Ausdruck.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Die Bekanntschaft mit Alfred Radcliffe-Brown, ein britischer Sozialanthropologe und Mitbegründer des Strukturfunktionalismus, hatte großen Einfluss auf Linton's Werk The study of Man, da Radcliffe-Brown ein Schüler Emile Durkheims und Anhänger der Philosophen Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau war.


Werke

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The Tanala, a Hill Tribe of Madagascar, 1933, Chicago : Field Museum of Natural History
The Study of Man 1936, Appleton Century Crofts Inc.
The Science of Man in the World Crisis, 1945, Columbia University Press
The Cultural Background of Personality, 1945, Appleton Century Crofts.
Most of the World, 1949
The Tree of Culture, 1955, Knopf


Das Werk in Themen und Thesen

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Linton begründete 1936 die Rollentheorie (Study of Man), wobei er sich hauptsächlich mit den Konzepten Rolle und Status befasste.


Thesen

  • Jedes Individuum verfügt über mehrere Status.
  • Jedem Status wird eine bestimmte Anzahl an Rollen zugeschrieben.
  • Die Rollen werden mit der Zeit angeglichen, um Rollenkonflikte zu vermeiden.
  • Innerhalb einer sozialen Struktur gibt es nichts, was zu Konflikten führen könnte.
  • Faktoren, die zu Konflikten führen, sind extern.


Rezeption und Wirkung

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Zu seiner Zeit als Professor an den verschiedenen Universitäten hatte Ralph Linton viele Schüler, die später durch ihre Arbeiten und Forschungen aus der Anthropologie nicht mehr wegzudenken waren. ZU diesen zählten Clyde Kluckhohn, Marvin Opler und Sol Tax.


Linton's Rollentheorie hat sich bis heute durchgesetzt - Talcott Parsons übernahm diesen Ansatz und entwickelte die pattern variables, welche folglich von Parson's Schüler Robert K. Merton in einem mehrdimensionalem Modell weiterverarbeitet wurden.


Internetquellen

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Lipset, Seymour

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Biographie in Daten

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 Seymour Martin Lipset

  • geboren am 18. März 1922 in New York
  • gestorben am 31. Dezember 2006 in Arlington in Virginia
  • Seymour Lipset war ein Soziologe, dessen Arbeiten sich hauptsächlich auf die Politiksoziologie, Gewerkschaftsorganisation, soziale Schichtung, öffentliche Meinung und die „Sociology of Intellectual Life“ konzentrierten.


  • Lipset war der Sohn eines russisch-jüdischen Immigranten.
  • Er war zweimal verheiratet. Mit seiner ersten Frau, Elise, hatte er drei Kinder: David, Daniel, und Cici.
  • 1987 starb Elise.
  • 1990 heiratete er seine zweite Frau Sydnee.


Wissenschaftlicher Werdegang

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  • 1949 promovierte er im Fach Soziologie an der Columbia University.
  • 1950–1956: Lehrbeauftragter an der Columbia University.
  • 1956–1966: Lehrbeauftragter an der University of California.
  • 1960 verließ er die Socialist Party of America.
  • 1962–1966: Leiter des Institute of International Studies.
  • 1975–1990: Munro Professor für Politikwissenschaften und Soziologie an der Stanford University sowie George D. Markham Professor of Government und Soziologie an der Harvard University.
  • 1979–1980: Präsident der American Political Science Association.
  • 1992–1993: Präsident der (beiden) American Sociological Association.
  • 1997: Mit dem Helen Dinnerman Prize (vergeben von der World Association for Public Opinion Research) geehrt.
  • 2006: Fellow Senior an der Hoover Institution und Hazel Professor of Public Policy an der George Mason University bis zu seinem Tod.


Werke

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  • Agrarian Socialism: The Cooperative Commonwealth Federation in Saskatchewan, a Study in Political Sociology. (1950)
  • We'll Go Down to Washington. (1951)
  • Union Democracy. (1956)
  • Social Mobility in Industrial Society. (1959)
  • Economic Development and Political Legitimacy. (1959)
  • Political Man: The Social Bases of Politics. (1960)
  • The First New Nation. (1963)
  • Social Structure and Mobility in Economic Development. (1966)
  • Student Politics. (1967)
  • Revolution and Counterrevolution: Change and Persistence in Social Structures. (1968)
  • Prejudice and Society. (1968)
  • The Politics of Unreason: Right Wing Extremism in America, 1790–1970. (1970)
  • The Divided Academy: Professors and Politics. (1975)
  • The Confidence Gap: Business, Labor, and Government in the Public Mind. (1987)
  • Continental Divide: The Values and Institutions of the United States and Canada. (1989)
  • "Liberalism, Conservatism, and Americanism", Ethics & International Affairs. (1989)
  • Jews and the New American Scene. (1995)
  • American Exceptionalism: A Double-Edged Sword. (1996)
  • "Steady Work: An Academic Memoir". In: Annual Review of Sociology, Vol. 22. (1996)
  • It Didn't Happen Here: Why Socialism Failed in the United States. (2001)


Das Werk in Themen und Thesen

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Die Modernisierungstheorie

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In dieser Theorie beschäftigte sich Seymour Martin Lipset mit der Korellation zwischen Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung. Es gibt weiter Vertreter der Modernisierungstheorie, welche inhaltlich nicht sonderlich von diesem hier beschriebenen Ansatz abweichen.

Die klassische Modernisierungstheorie besagt, dass mit steigender wirtschaftlicher Entwicklung die Chance einer Demokratisierung wächst. Lipset ging von dieser aus und stützte sie empirisch durch vergleichende Untersuchungen in (hauptsächlich) europäischen und lateinamerikanischen Ländern. Er behauptet, dass in entwickelten Staaten die Demokratie eine höhere Chance hat weiter zu bestehen, als in weniger entwickelten Staaten. Obwohl er vermerkte, dass die Wandlung vom autoritären zum demokratischen Regime nicht mit dem Entwicklungsstand in Zusammenhang stehen würde.


Merkmale für wirtschaftliche Entwicklung

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Bei den Untersuchungen in den einzelnen Ländern bezog sich Lipset auf folgende, die Demokratisierung begünstigenden Merkmale für die wirtschaftliche Entwicklung:

  1. Bildung
  2. Verstädterung
  3. Industrialisierung
  4. Wohlstand

Das Resultat bestätigte seine Annahme: war in einem Land Demokratie vorzufinden, erreichte es auch hohe Werte bei jedem der vier sozioökonomischen Merkmale.


Bedingungen für Demokratisierung

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  1. Vergrößerung der Mittelschicht
  2. Wirtschaftliche Sicherheit der Unterschicht (in relativem Maße)
  3. Vertikale Mobilität
  4. Hoher Organisierungsgrad der Bürger
  5. Egalitäres Wertsystem (in relativem Maße)


Kritik an der Modernisierungstheorie
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Schon zu Beginn der Modernisierungstheorie stand die Korrelation von Wohlstand, Wertwandel und Demokratie im Mittelpunkt. Man ging davon aus, dass wachsender Wohlstand einen Wertwandel zur Folge hat, welcher sich besonders in dem Bedürfnis nach Mit- und Selbstbestimmungsrecht (demokratisch) äußert.

Der Hauptkritikpunkt dieser Theorie besteht in dem nicht miteinbezogenen Wertwandel. Dieser konnte zur Zeit der Entstehung dieser Theorie allerdings gar nicht miteinbezogen werden, da die benötigten Daten dafür nicht vorhanden waren. Es gab zu wenig repräsentative Daten aus Umfragen in Gesellschaften. Erst später standen in diesem Bereich durch die „Weltwertstudie“ von Ronald Inglehart (beinhaltet ca. sechzig Gesellschaften weltweit, in denen Umfragen gemacht wurden) verwendbare Daten zur Verfügung.


Die Cleavage-Theorie

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Die Cleavage-Theorie ist der Versuch, Wahlergebnisse auf relativ dauerhafte soziale Konflikte zurückzuführen (das englische Wort cleavage bedeutet „Spaltung“) und die mögliche Größe der Anhängerschaft einer Partei zu bestimmen. Die Cleavage-Theorie wurde 1967 von Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan aufgestellt.

Die Theorie besagt, dass sich politische Parteisysteme aufgrund vier sozialer Konflikte bildeten. Diese Bildung vollzog sich im 19. Jahrhundert und war das Ergebnis von Konflikten zwischen sozialen Gruppen deren Organisation Kontakte zu Politikern knüpften, um ihre Interessen gegenüber anderen durchzusetzen. Aus diesen (dann) längerfristigen Kontakten entwickelten sich erst die politischen Parteien.

Die vier sozialen Konflikte (oder Cleavages) sind:

  1. Besitzer-Arbeiter
  2. Stadt-Land
  3. Staat-Kirche
  4. Zentrum-Peripherie


Die sozialen Konflikte im Detail

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  • Besitzer/Arbeiter (oder auch Klassenkonflikt)
    Darunter wird der Konflikt zwischen Arbeiter und Kapitalinhaber verstanden, sowie allgemein die Arbeiterbewegung und die Industrielle Revolution.
  • Stadt/Land
    Die Industrielle Revolution sowie der Interessenskonflikt zwischen Stadt (industriell Präferenz) und Land (agrarische Präferenz) sind hier Teil dieser Konfliktlinie.
  • Staat/Kirche
    Hier stehen im Mittelpunkt die Konflikte über offene Moral und Erziehung, die zwischen der Kirche und dem Staat herrschen. Weiters ist auch die Nationale Revolution (französische Revolution > Säkularisierung) Teil dieser Konfliktlinie.
  • Zentrum/Peripherie
    stellen die geographischen Konflikte dar, sowie Nationale Revolution, Konflikte zwischen der nationsbildenden Kultur (zentral) und der in Bezug auf Sprache, Religion, und allgemeine Ethnien, andersgearteter Bevölkerung (peripher). Der letzte beinhaltete Konflikt besteht zwischen dem sich modernisierenden Zentrum und der relativ traditionell bleibenden lokalen Peripherie (Elite).


Dimensionen der Cleavage-Theorie

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  • Funktionale Dimension
    Beinhaltet Konflikte über/um:
    1. Verteilung von Ressourcen
    2. Moral, Ideologien, historische Deutungen.
  • Territoriale Dimension
    Beinhaltet Konflikte über/um:
    1. Kontrolle, Organisation, politische Möglichkeiten, etc. des Systems
    2. Lokale Opposition und nationalen Eliten im System.

Die Dimensionen geben die so genannten „Eingangschwellen“ vor. Diese definieren, in welchen Formen sich die Konflikte in Parteisystemen auswirken können.


Kritik an der Cleavage-Theorie
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Die Cleavage-Theorie war erfolgreich bei der Erklärung der Entstehung und Entwicklung von Parteisystemen in Industriestaaten (besonders in Europa), doch 1980 war ein Umschwung der Parteisysteme zu erkennen, der zur Folge hatte, dass sich immer weniger Bürger relativ dauerhaft an eine Partei binden wollten. Dies steht im Widerspruch mit der besagten Theorie. Weiters liefert sie keinen Aufschluss über fallende Wahlbeteiligung, Protestwahlverhalten, rechtspopulistische und ökonomische Parteien. So ist man in wissenschaftlichen Kreisen der Meinung, dass die Cleavage-Theorie heute nur noch bedingt anwendbar ist.


Extremismus der Mitte

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Dies ist eine Theorie die 1958 von Seymour Martin Lipset aufgestellt wurde. Sie besagt, dass der Ausgangspunkt von Extremismus in Gesellschaften, in jeder sozialen Schicht liegen kann. Am Bekanntesten ist in dieser Beziehung Lipsets Beurteilung der Wahlerfolge der NSDAP, wobei er den Erfolg dieser, vorwiegend auf den Extremismus der unteren Mittelschicht zurückführte. Daher hat diese Theorie auch ihren Namen. Als Gründe für die Unterstützung der NSDAP seitens der Mittelschicht sind von Lipset die wirtschaftliche Not, sowie die (scheinbare) Bedrohung durch Großkapital und organisierte Arbeiterschaft angeführt worden. Lipset kam zu dem Schluss, dass die Bedrohung des Status eines Menschen mit der Tendenz zum Rechtsradikalismus in Verbindung steht.


Internetqeullen

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Luckmann, Thomas

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Biographie in Daten

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 Thomas Luckmann

  • geboren am 14. Oktober 1927 in Jesenice (Slowenien)

Vater: Carl Luckmann (österreichischer Abstammung)
Mutter: Virina Vodusek (slowenischer Abstammung)

  • 1942: Luckmanns Vater wird in Jesenice von Kommunisten erschossen.
  • 1943: Gemeinsam mit seiner Mutter übersiedelt Luckmann nach Wien. Formal gilt er (nach der deutschen Invasion) als deutscher Staatsbürger und ist wehrpflichtig, was zu seiner Einberufung als Flakhelfer führt. Später meldet sich Luckmann zur deutschen Luftwaffe, wird leicht verletzt und gerät in Kriegsgefangenschaft.
  • 1946: Nach seiner Entlassung besucht Luckmann erneut das Gymnasium in Wien.
  • 1947: Matura in Wien und Inskription an der Universität Wien (Sprachwissenschaften und Philosophie)
  • 1948: Absetzung aus der russischen Besatzungszone in Wien. Luckmann setzt seine Studien, erweitert um Psychologie, Kirchenslawisch, Ägyptologie, franz. Philologie sowie Geschichte und Germanistik in Innsbruck fort.
  • 1949: Luckmann lernt die aus Riga stammende Benita Petkevic, seine spätere Frau, kennen.
  • 1950: Hochzeit in Salzburg. Benita Luckmann reist in die USA aus, da es Probleme bei der Visaerteilung gab, folgt Thomas Luckmann zeitversetzt nach.
  • 1950-1952: Geburt der beiden Töchter Maya und Mara. Die junge Einwandererfamilie hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, dennoch setzten beide ihre Studien fort(Luckmann: Philosophie, Soziologie, Psychologie) an der New School for Social Research in New York fort. Dort kommt er mit einigen bekannten Persönlichkeiten wie Alfred Schütz, Karl Löwith, Albert Salomon sowie Carl Mayer in Kontakt, die als Lehrkräfte an der New School tätig waren. Luckmann verlagert seinen Studienschwerpunkt auf die Soziologie, während eines Seminars von Löwith kommt es zur ersten Begegnung mit Peter L. Berger.
  • 1953: Magisterabschluss in Philosophie mit einer Arbeit über die Moralphilosophie Camus', Alfred Schütz führt den Prüfungsvorsitz. Luckmann wird die amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen.
  • 1955: Luckmann erhält eine Stelle als „Teaching Assistant“ am Lehrstuhl von Carl Mayer und führt Feldforschungen im Nachkriegsdeutschland durch.
  • 1956: Promotion zum Dr. phil. (Ph. D.) der Soziologie. Danach nimmt Luckmann eine Stelle als Teaching Assistant am Hobart College in Geneva, New York, an.
  • 1959: Alfred Schütz stirbt am 20. Mai in New York, Luckmann lehrt mehrere Sommer als Fulbright Professor in Freiburg.
  • 1960: Thomas Luckmann wird soziologischer Nachfolger seines ehemaligen Lehrers Alfred Schütz an der Graduate Faculty der New School for Social Research, zuerst als Assistant Professor, später als Associate Professor.
  • 1963: Luckmanns erstes Buch erscheint, es widmet sich dem Problem der Religion in der modernen Gesellschaft. Im selben Jahr publiziert er den ersten gemeinsamen Aufsatz mit Peter L. Berger.
  • 1965: Wechsel an die Universität Frankfurt am Main. Die dritte Tochter Metka kommt zur Welt.
  • 1966: Luckmann und Berger veröffentlichen gemeinsam „Die soziale Konstruktion der Wirklichkeit“.
  • 1970: Luckmann wird Professor für Soziologie an der Universität in Konstanz. Hier gründet Luckmann das „Sozialwissenschaftliche Archiv“ (Alfred-Schütz-Archiv).
  • 1971-1979: Zahlreiche wichtige Publikationen. Im Jahr 1979 stirbt Luckmanns Mutter in Ljubljana.
  • 1980: Luckmann beginnt seinen Forschungsschwerpunkt in Richtung sprachlicher Interaktion und Kommunikation zu verlagern. Er verbringt einen sechs Monate andauernden Forschungsaufenthalt an der Harvard Divinity School in Cambridge, ist Gastprofessor u. a. an der Universität Wien und wird Honorarprofessor an der Universität Salzburg.
  • 1983: Umzug nach Gottlieben (Schweiz).
  • 1986: Luckmann erhält die Ehrendoktorwürde der Universität Linköping.
  • 1987: Benita Luckmann stirbt am 3. März dieses Jahres.
  • 1990: Luckmann wird Titularprofessor für Soziologie an der Universität Ljubljana.
  • 1991: Luckmann engagiert sich im Jugoslawischen Nationalkrieg für die politische Unabhängigkeit Sloweniens, welche am 8. Oktober diese Jahres anerkannt wird. Luckmann ist Mitglied der slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste.
  • 1993: Ehrendoktorat der Universität Ljubljana.
  • 1994: Emeritierung
  • 1995-2002: Publikation von Modernität, Pluralismus und Sinnkrise (gemeinsam mit Berger, 1995) und Wissen und Gesellschaft (2002). 1998 erhält Thomas Luckmann die Ehrendoktorwürde der NTNU in Trondheim.


Historischer Kontext

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Thomas Luckmanns Lebensweg ist von dessen Kindheit an durch die Begegnung verschiedener Kulturen geprägt. Zu diesem Umstand tragen bereits die Verhältnisse in seiner Herkunftsfamilie bei, ist doch sein Vater (Karl Luckmann) österreichischer Abstammung während seine Mutter (Virina Vodusek) gebürtige Slowenin ist. So wächst Luckmann nicht nur zweisprachig auf, er kommt über die verwandtschaftlichen Beziehungen auch mit zwei verschiedenen Kulturen in Berührung. Dies legt Luckmann einen Blick hinter die Kulissen der kulturell gefärbten und sozialen Konstruktion der Wirklichkeit sowie ein allgemeines Interesse für Sprachen in die Wiege.
Während des Zweiten Weltkrieges wird Jugoslawien von der deutschen Wehrmacht besetzt und ein Teil in das Deutsche Reich eingegliedert. Der 16 jährige Luckmann wird formal deutscher Staatsbürger und direkt von der Schule weg in eine Flugzeugabwehr-Batterie in den Wienerwald einberufen. Während der Kriegswirren wird er leicht verletzt und in ein Lazarett in Altötting eingeliefert, von wo aus Luckmann direkt in Kriegsgefangenschaft gerät. Es gelingt ihm die Absetzung über den Inn nach Österreich, wo er sich nach Wien durchschlägt.
Die Nachkriegszeit verbringt Luckmann im zerbombten Wien wo er erst die Matura nachholt und später seine Studien aufnimmt. Allgemein müssen harte Lebensumstände vorgeherrscht haben, zum einen war Wien in vier Besatzungszonen eingeteilt, was die Bewegungsfreiheit einschränkte, zum anderen musste sich der junge Student am Wiederaufbau beteiligen und zudem seinen Lebensunterhalt selbst bewerkstelligen. Auch der Umstand, dass Luckmann als „Ausländer“ in Wien regelmäßig bei der Polizei erscheinen musste um eine Aufenthaltsverlängerung zu erwirken und dass er an der Universität Bestnoten erringen musste um nicht ein vielfaches der Studiengebühren bezahlen zu müssen, kann lediglich als widrig bezeichnet werden. Dennoch könnte dies seine Leistungsbereitschaft angespornt haben.
1948 schmuggelt sich Luckmann aus der russischen Besatzungszone hinaus und setzt sein Studium in Innsbruck fort, sein Entschluss ins Ausland zu gehen steht bereits fest. In Kärnten kreuzen sich die Wege von Thomas Luckmann und Benita Petkevic, die kurze Zeit später heiraten. Seine Frau, nunmehr Benita Luckmann, absolviert selbst eine akademische Ausbildung und darf in ihrem Einfluss bzw. in der Unterstützung, die sie der Arbeit ihres Mannes angedeihen ließ, nicht unterschätzt werden. Beide reisen in die USA aus. Während in Europa, insbesondere im deutschsprachigen Raum, der Fortschritt der sozialwissenschaftlichen Forschung durch den Krieg brach lag und wesentliche wissenschaftliche Kapazitäten den Kontinent verlassen hatten, kann in Amerika von einer sozialwissenschaftlichen „Hochkonjunktur“ und einem pulsierenden Wissenschaftsbetrieb gesprochen werden (vgl. Hintergründe zum Braindrain in die USA während der NS Zeit). Es war also mit Sicherheit keine schlechte Entscheidung, den Atlantik zu überqueren.
Der Neustart in Amerika war anfänglich kein leichter und von prekären existentiellen Bedingungen gekennzeichnet. Schließlich ist es glücklichen Zufällen zu verdanken, dass Thomas und Benita Luckmann ein Stipendium an der New School for Social Research erhalten und ihre Studien fortführen können. Die Graduate Faculty an der New School ist ein wahres Auffangbecken für während des Naziregimes vertriebene Intelligenz aus Europa. Hier trifft Luckmann mit zahlreichen Denkern Europas zusammen, hier entfaltet sich sein wissenschaftliches Denken und er erhält Impulse und Prägungen, die sein Lebenswerk nachhaltig beeinflussen.


Theoriegeschichtlicher Kontext und Wegbereiter

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Luckmann ist in seinem Denken und Forschen vielseitig von Zeitgenossen und Klassikern geprägt worden. Er selbst nennt wiederholt verschiedene Einflüsse wie die von Max Weber, Arnold Gehlen, George H. Mead, Maurice Halbwachs und Émile Durkheim. Letzterer beeinflusst insbesondere seine gesellschaftstheoretischen Arbeiten. Luckmann knüpft zudem stark an den methodologischen Individualismus und die Handlungstheorie Max Webers an, die Ausgangspunkt seines Denkens werden. Nachhaltigen Einfluss übt auch Alfred Schütz aus, der ihm Lehrer, Doktorvater und Freund wird und dessen mundanphänomenologische Herangehensweise er aufgreift. Einer der einflussreichsten akademischen Weggenossen ist Peter L. Berger, mit dem Luckmann über Jahre zusammenarbeitet und schreibt, unter anderem Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit.

Werke

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  • Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (1966, mit Peter L. Berger)
  • Die unsichtbare Religion (1967)
  • Berufssoziologie (1972)
  • Soziologie der Sprache (1975)
  • Phenomenology and Sociology (1978)
  • Strukturen der Lebenswelten, Band I (1979, mit Alfred Schütz)
  • Strukturen der Lebenswelten, Band II (1979, mit Alfred Schütz)
  • Lebenswelt und Gesellschaft (1980)
  • Religion in den Gegenwartsströmungen der deutschen Soziologie (1983, mit Fritz Daiber)
  • The Changing Face of Religion (1989, mit J. A. Beckford)
  • Theorie des sozialen Handelns (1992)
  • Moral im Alltag (1998)
  • Die Kommunikative Konstruktion von Moral (1999, mit Jörg Bergmann)
  • Wissen und Gesellschaft, Ausgewählte Aufsätze 1981 - 2002 (2002)


Das Werk in Themen und Thesen

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Thomas Luckmann beschäftigte sich neben der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit (im weiteren Verlauf GKW), auch mit der Religion und der Sprache.

Die GKW basiert auf zwei Grundvoraussetzungen:

  • "Alle Realität ist sozial konstruiert"
  • "Die Soziologie des Wissens muss den Prozess analysieren, auf dem dies geschieht"

Die Gesellschaft ist ein ständiger Prozess der wiederum auf drei Komponenten beruht:

  • Internalisierung: Die Wirklichkeit des signifikant Anderen (enge Bezugspersonen des Individuums) wird im Rahmen der primären Sozialisation vom Individuum internalisiert.
  • Objektivation: Die Gesellschaft der Anderen wird vom Individuum angenommen.
  • Externalisierung: Es entsteht ein reflektierendes und reflektiertes Selbst, das im Verlauf der sekundären Sozialisation institutionalisierte Rollen übernimmt.

Nun stehen sich eine subjektive Wirklichkeit des Einzelnen und eine objektive Wirklichkeit der Gesellschaft gegenüber. Die objektive Wirklichkeit ist die Gesamtheit aller subjektiven Wirklichkeiten. "Objektiv" ist diese Wirklichkeit auch deshalb, weil sie intersubjektiv geteilt wird, sodass die Individuen ein zumindest ähnliches und in großen Teilen übereinstimmendes Verständnis von dieser Wirklichkeit haben. Durch das Verteilen des Wissens auf unterschiedliche Individuen, kristallisiert sich aber eine Fülle von Subwelten heraus. Dies wird in erster Linie durch die Sprache bewirkt. Die Sprache als darstellendes Moment dieser Wirklichkeit thematisiert Luckmann gemeinsam mit Peter Berger bereits in diesem Werk, führt es aber in folgenden noch weiter aus.


In seiner Religionssoziologie behandelte Luckmann insbesondere das Thema der Säkularisierung. Diese schreitet voran und bewirkt, dass Religion zu einer Privatsache wird. Nicht jedoch in einem protestanischen Sinne, sondern in dem, dass man es sich vorbehält, auf die Religion nur noch fallweise zurückzugreifen und eine Gelegenheitsreligion daraus macht. Luckmann ortet eine Reihe möglicher funktionaler Äquvalente zur Religion und erkennt diese in einer funktionalistischen Weise an. Er spricht vom Markt der Religionen in dem man sich wie in einem Supermarkt an Weltdeutungsangeboten auswählen kann. Dieses individuelle Zusammenstellen der Weltdeutungs- und Religionsangebote lässt sich unter den Begriff der miltiplen Konversion fassen. Luckmann hält manchen Positionen in der Säkularisierungsdiskussion, die die Religion mit anderen Bereichen gleichsetzen, welche diese allmählich übernehmen werden, entgegen, dass es mehrere Stufen der Transzendenz gibt und die Religion nach wie vor jene der größten Transzendenz behält. Die Säkularisierung betrifft für ihn damit nur die Kirchenreligionen aber nicht das Maß an Religiosität. Mit dem Bedeutungsverlust der Kirchen geht auch jener der Sekten einher, die als kirchliche Konfliktgruppen zu verstehen sind.


Im Bereich der Sprachsoziologie untersuchte Luckmann in empirischen Forschungen face-to-face-Kommunikationen, um die Objektivierungsvorgänge näher zu betrachten, in denen die Deutungsmuster und damit auch die Wirklichkeitsgestaltung entsteht. Diese wiederum konnte er in die Religionssoziologie eingliedern und die religiöse Erfahrung damit näher erklären.


Rezeption und Wirkung

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Thomas Luckmann's Wirkung besteht insbesondere in Weiterführung der Ideen von Schütz, dessen unvollständigen Manuskripte und Unterlagen er nach dessen Tod aufgearbeitet und neu herausgegeben hat. Damit hat Luckmann dazu beigetragen, Alfred Schütz bis in die Gegenwartssoziologie hinein aktuell zu behalten. In seinen weiteren Werken verbindet er diese phänomenologische Soziologie insbesondere mit Sprache und Religion. In beiden Bereichen sind so, teilweise einseitige Betrachtungen erweitert und mit weiteren Disziplinen kombiniert worden.


Literatur

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  • Berger, Peter / Luckmann, Thomas (1980):
    "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit"
    Frankfurt
  • Hillmann, Karl-Heinz (1994):
    "Wörterbuch der Soziologie"
    Stuttgart
  • Knoblauch, Hubert (2005):
    "Thomas Luckmann, in: D. Kaesler [Hrsg.], Aktuelle Theorien der Soziologie"
    München, 127-146
  • Luckmann, Thomas (2002):
    "Wissen und Gesellschaft. Ausgewählte Aufsätze 1981-2002"
    Konstanz
  • Quadflieg [Hrsg.]
    "Kultur. Theorien der Gegenwart"
    Wiesbaden, S. 170-184
  • Schnettler, Bernt (2006):
    "Thomas Luckmann"
    Konstanz
  • Schnettler, Bernt (2006):
    "Thomas Luckmann, Kultur zwischen Konstitution, Konstruktion und Kommunikation"
    Konstanz
  • Stagl, Justin (2007):
    "Allgemeine Soziologie I. Vorlesung an der Universität Salzburg"
    Salzburg
  • Weiß, Johannes (2007):
    "Säkularisierung oder nicht? Ein Klärungsversuch. Unveröffentlichter Aufsatz im Rahmen der Vorlesung: Religionssoziologie an der Universität Salzburg"
    Salzburg


Internetquellen

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Luhmann, Niklas

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Biographie in Daten

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Luhmann Niklas

  • geboren am 8.12.1927 in Lüneburg
  • gestorben am 6.11.1998


Eltern:

  • Wilhelm Luhmann (….-….) Besitzer einer Brauerei
  • Dora Luhmann (…. Mädchenname Gurtner - 1977) Hausfrau


Kinder:

  • Veronika Luhmann (1961 - )
  • Jörg Luhmann (1963 - )
  • Clemens Luhmann (1963- )


Biografie


  • 1944 wird er als Luftwaffenhelfer eingesetzt
  • 1945 gerät er in amerikanische Gefangenschaft
  • 1946- 1949 studiert er Rechtswissenschaften in Freiburg und absolviert eine Referendarausbildung
  • 1952- 1953 neben seiner intensiven Beschäftigung mit Literatur begann er schon bald mit seinen eigenen Ausführungen
  • 1954- 1962 war er Verwaltungsbeamter in Lüneburg
  • 1954- 1955 arbeitete er am Oberverwaltungsgericht. Er war Assistent des Präsidenten.
  • 1955- 1962 war er als Landesreferent im niedersächsischen Kulturministerium tätig.
  • 1960 heiratete er Ursula von Walter
  • 1960 – 1961 Bekanntschaft mit Talcott Parsons. Weiters Beurlaubung zum Studium der Verwaltungswissenschaften
  • 1962 war er als Verwaltungsjurist in der öffentlichen Verwaltung von Niedersachsen tätig.
  • 1962- 1965 verfolgte er seine Tätigkeit als Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer
  • 1964 Veröffentlichung seines ersten Buches „Funktion und Folgen formaler Organisation“
  • 1965 studierte er ein Semester Soziologie in Münster
  • 1966 promovierte er in Münster zum Doktor der Sozialwissenschaften. Zur gleichen Zeit erfolgte seine Habilitation für Soziologie bei Dieter Claessens und Helmut Schelsky
  • 1968- 1993 lehrte er an der Universität in Bielefeld als Professor der Soziologie
  • 1977 stirbt seine Frau Ursula
  • 1984 erscheint sein Hauptwerk „Soziale Systeme“
  • 1997 erscheint nach 30 jähriger Forschung sein Werk „Die Gesellschaft der Gesellschaft“
  • 1989 erhält er den Hegel-Preis der Stadt Stuttgart
  • 6.11.1998 starb Luhmann in Oerlinghausen bei Bielefeld. Die Todesursache ist bis heute noch umstritten, vermutlich erlag er einer Pilzerkrankung.
  • 2000 wurde das „Städtische Gymnasisum Oerlinghausen“ in das „Niklas-Luhmann Gymnasium“ umbenannt.


Luhmann war Soziologe, Rechts- und Verwaltungswissenschaftler und Pädagoge. Luhmann ist einer der bekanntesten Vertreter der Systemtheorie. Diese Systemtheorie hat besonders in der Soziologie für heftige Debatten gesorgt.


Historischer Kontext

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Während seiner Gymnasiumszeit wurde Luhmann 1944 als Luftwaffenhelfer zum Kriegsdienst bestellt und kam kurz vor Kriegsende, 1945, noch in Amerikanische Gefangenschaft. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, den Gymansiumabschluss nachzuholen, in Freiburg Rechtswissenschaften zu studieren und selbst später noch seine berufliche Laufbahn zu unterbrechen, um noch einmal ein Studium zu beginnen.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Luhmann kam erstmals mit Talcott Parsons in nähere Berührung als er von seiner Tätigkeit als Landtagsrefernt im niedersächsischen Kultusministerium 1960/61 zum Studium der Verwaltungswissenschaften und der Soziologie an der Universität Harvard beurlaubt wurde. Dort beschäftigte er sich intensiv mit der dort von Talcott Parsons vertretenen soziologischen Systemtheorie, in die auch organisationssoziologische Impulse (Chester I. Barnard) eingegangen waren. Parsons sollte ihn nicht mehr loslassen, es kam zu „einer lebenslangen Hinwendung zur Systemtheorie“.


Werke

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Monographien

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1963 Verwaltungsfehler und Vertrauensschutz - Möglichkeiten gesetzlicher Regelung der Rücknehmbarkeit von Verwaltungsakten

1964 Funktion und Folgen formaler Organisation

1965 Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet

1965 Grundrechte als Institution - Ein Beitrag zur politischen Soziologie

1966 Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung - Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung

1966 Theorie der Verwaltungswissenschaft - Bestandsaufnahme und Entwurf

1968 Vertrauen - Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität,

1968 Zweckbegriff und Systemrationalität - Über die Funktion von Zwecken in sozialen Systemen,

1969 Legitimation durch Verfahren

1970 Soziologische Aufklärung 1: Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme

1971 Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie - Was leistet die Systemforschung?

1971 Politische Planung. Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung

1972 Rechtssoziologie

1973 Personal im öffentlichen Dienst - Eintritt und Karrieren

1974 Rechtssystem und Rechtsdogmatik

1975 Macht

1975 Soziologische Aufklärung 2: Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft

1977 Funktion der Religion

1978 Organisation und Entscheidung

1979 Reflexionsprobleme im Erziehungssystem

1980 Gesellschaftsstruktur und Semantik - Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft

1981 Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat

1981 Ausdifferenzierung des Rechts - Beiträge zur Rechtssoziologie und Rechtstheorie

1981 Soziologische Aufklärung 3: Soziales System, Gesellschaft, Organisation

1982 The Differentation of Society

1982 Liebe als Passion - Zur Codierung von Intimität

1982 Zwischen Technologie und Selbstreferenz - Fragen an die Pädagogik

1984 Soziale Systeme - Grundriß einer allgemeinen Theorie

1986 Die soziologische Beobachtung des Rechts

1986 Zwischen Intransparenz und Verstehen. Fragen an die Pädagogik

1986 Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?

1987 Soziologische Aufklärung 4: Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft

1988 Die Wirtschaft der Gesellschaft

1988 Erkenntnis als Konstruktion

1989 Reden und Schweigen

1990 Risiko und Gefahr

1990 Paradigm Lost - Über die ethische Reflexion der Moral

1990 Soziologische Aufklärung, Bd. 5: Konstruktivistische Perspektiven

1990 Die Wissenschaft der Gesellschaft

1991 Soziologie des Risikos

1992 Beobachtungen der Moderne

1992 Universität als Milieu

1993 Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen?

1993 Das Recht der Gesellschaft

1994 Die Ausdifferenzierung des Kunstsystems

1995 Die Realität der Massenmedien

1995 Soziologische Aufklärung 6: Die Soziologie und der Mensch

1995 Die Kunst der Gesellschaft

1996 Zwischen System und Umwelt - Fragen an die Pädagogik

1996 Die neuzeitlichen Wissenschaften und die Phänomenologie

1997 Die Gesellschaft der Gesellschaft

2000 Organisation und Entscheidung

2000 Die Politik der Gesellschaft

2000 Die Religion der Gesellschaft

2002 Das Erziehungssystem der Gesellschaft

2002 Einführung in die Systemtheorie


Das Werk in Themen und Thesen

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Einführung und Vorbemerkungen zur Theorie Luhmanns

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Zunächst einige allgemeine Aspekte zur Theorie Luhmanns: Es ist zu beachten, dass die Theorie Luhmanns eine Entwicklung durchmachte und je nach dem, welche Literatur man von ihm heranzieht Unterschiede zu erkennen sind. Hier wird auf die einzelnen historischen Abschnitte des Theorieentwurfs und auf den chronologischen Entwicklungsverlauf nicht eingegangen. Vielmehr wird versucht, ein konsistentes Bild dieser Theorie darzustellen. Bezug wird dabei vor allem auf die neuesten Entwürfe, Veränderungen etc. der Systemtheorie Luhmanns genommen. Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden, soll angemerkt werden, dass im Rahmen der folgenden Ausführungen mit dem Begriff ‚Systemtheorie’ stets auf jene Luhmanns Bezug genommen wird.

Zunächst ist zu sagen, dass Niklas Luhmann versucht hat, eine universelle, umfassende und vor allem beschreibende Theorie zu erstellen, die alle gesellschaftlichen Phänomene (zumindest theoretisch) umfassen kann. Dieser Allgemeinheitsanspruch Luhmanns führt dazu, dass alle Betrachtungen der Systemtheorie sehr abstrakt erscheinen. Die zentrale Frage, die sich Luhmann stets stellte, war, wie gesellschaftliche Ordnung möglich ist und wie sich diese immer wieder reproduziert.

Niklas Luhmann studierte bei Talcott Parsons, dem Begründer der struktur-funktionalen Systemtheorie (Strukturfunktionalismus). Parsons fokussierte den Begriff der Struktur und ging stets davon aus, dass die Erfüllung von Funktionen die Systemstrukturen erhalten. Das zentrale Ziel ist somit die Strukturerhaltung. Luhmanns Frühwerk wird oftmals mit dem Ausdruck ‚funktional-strukturelle Theorie’ bezeichnet. Im Vergleich zu Parsons dreht er die Sache um und stellt die Funktion in den Mittelpunkt seiner Theorie. Erst durch die Übernahme/Ausbildung einer Funktion entsteht ein System, wobei die Funktion immer im Verhältnis zur Systemumwelt entsteht. Bei Luhmann ist somit die Frage der Entstehung von Systemen durch die Übernahme von Funktionen zentral (vgl. Korte, 2004, S. 75f.).

Grundannahmen

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Die Beschaffenheit der Welt

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Die zentrale Eigenschaft, die Niklas Luhmann der Welt zuschreibt, ist die Komplexität. Er nimmt an, dass die Welt - vor allem die soziale - sehr komplex ist und von den Menschen auch so erlebt wird. Die hohe Komplexität erklärt sich Luhmann vor allem dadurch, dass es prinzipiell unendlich viele Ereignisse in der Welt gibt und dass zwischen diesen Ereignissen eine Vielzahl von Beziehungen auftreten können (vgl. Münch, 2004, S. 182). Die hohe Komplexität der Welt drückt Luhmann oftmals mit dem Begriff der ‚Kontingenz’ aus. „Hohe Kontingenz von Ereignissen bedeutet, dass alles, was ist, auch anders sein könnte“ (Münch, 2004, S. 183).


Soziologische Anthropologie

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Die Anthropologie Arnold Gehlens geht davon aus, dass der Mensch nach Orientierung strebt und daher die Komplexität der Welt in irgendeiner Weise reduzieren muss. Da der Mensch ein weltoffenes Lebewesen ist und sich nur im geringen Maße durch instinkthaftes Verhalten an die Welt anpassen kann, benötigt er Institutionen (vgl. Münch, 2002, S. 182).

Luhmann entwickelt eine weitaus abstraktere Theorie für die Lösung des Problems der Komplexität. Laut Luhmann wird Komplexität mit Hilfe von Systemen reduziert. Sie treten an die Stelle der Institutionen der Gehl’schen Theorie. Reduktion von Komplexität wird von unterschiedlichen Systemen bewerkstelligt, z. B. von sozialen Systemen, psychischen Systemen (siehe unten) (vgl. Münch, 2002, S. 182). Da alle Systeme in ihrer grundlegenden Struktur gleich sind, setzt Luhmann voraus, dass die Welt „strukturelle Einheitlichkeit“ (Diekmann, 2004, S. 13) aufweist.

Es wird deutlich, dass Gehlen und auch Luhmann davon ausgehen, dass Menschen ein grundlegendes Bedürfnis nach Ordnung und Orientierung besitzen.


Allgemeine Theorie sozialer Systeme

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System

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Der Begriff des ‚Systems’ bedeutet ‚das Zusammengestellte’ (aus dem Altgriechischen: ‚systema’) (vgl. Diekmann, 2004, S. 12). Eine klassische Definition des Systembegriffes lautet wie folgt: „Als System soll eine Menge von Objekten einschließlich ihrer Eigenschaften bezeichnet werden, die als Elemente über Relationen verbunden sind“ (Hennen, 2002, S. 587). Doch wie verwendet nun Niklas Luhmann diesen Begriff? Luhmann kommt es vor allem auf den Begriff der ‚Differenz’ an (vgl. Diekmann, 2004, S. 35). Ein System konstituiert sich laut Luhmann durch eine Grenze, nämlich durch jene zwischen System und Umwelt (Leitdifferenz), sprich „ein System ‚ist’ die Differenz zwischen System und Umwelt“ (Luhmann, 2002, S. 66). Im Rahmen der Systemtheorie stellt die Umwelt eines Systems alles jenseits der Systemgrenze dar. Die Hauptaufgabe eines Systems und somit auch jene der Grenzziehung, ist wiederum die Reduktion von Komplexität. Dies bewerkstelligt ein System durch die ‚relative Offenheit’ (vgl. Autopoiesis weiter unten), d. h. ein System nimmt einen Input aus der Umwelt auf und transformiert ihn nach den eigenen Strukturen . Dadurch kann ein Output (z. B. Leistung) generiert werden (vgl. Luhmann, 2002, S. 47).

Ein System hat demnach einen Input-Output-Charakter. Dabei ist zu beachten, dass es prinzipiell viele verschiedene Transformationsfunktionen geben kann, nach denen ein System operiert (vgl. Luhmann, 2002, S. 50ff.). Durch die Ziehung einer Grenze reproduziert sich ein System und schafft sich quasi eine Identität. Identität wird sozusagen durch die Produktion der Grenze bzw. der Differenz erst produziert (vgl. Diekmann, 2004, S. 33f).

Die wichtigsten Systeme, die Niklas Luhmann unterscheidet, sind das organische, das psychische und das soziale System (vgl. nächster Punkt). Das organische System bildet z. B. den Körper eines Menschen und das psychische System könnte man besten mit dem Begriff ‚Bewusstsein’ übersetzten (Luhmann, 2002, S. 45).


Soziales System

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Da Luhmann in erster Linie ein Soziologe war, beschäftigte er sich hauptsächlich mit sozialen Systemen. Luhmann postuliert, dass erstens die soziale Welt keine zufällige Abfolge von Ereignissen und Interaktionen ist und dass zweitens Interaktionen nicht nur auf den Fähigkeiten, Motivationen, Eigenschaften etc. der Akteure beruhen und diese vorantreiben. Vielmehr gibt es laut Luhmann soziale Systeme, die „die Abfolge der Ereignisse, das Auftreten sozialer Handlungen und den Verlauf der sozialen Interaktionen“ (Münch, 2004, S. 180) bestimmen. Was sind nun diese sozialen Systeme genau? Wie bereits oben angedeutet erfüllen soziale Systeme folgende Funktion: „[Soziale] Systeme erfassen, verarbeiten und reduzieren Komplexität und machen somit die Welt anpassbar an das Bedürfnis des Menschen nach minimaler Ordnung, sodass der Mensch sich orientieren und planmäßig in der Welt handeln kann“ (Münch, 2004, S. 182f.). Ein soziales System ist daher immer weniger komplex als seine Umwelt. Komplexitätsreduktion gelingt vor allem dadurch, dass es weniger Möglichkeiten zur Anschlusskommunikation in sozialen Systemen gibt. Auch soziale Systeme konstituieren sich durch eine Grenze (Differenz) zur Umwelt. Diese Systeme „sind von ihrer Umwelt in sachlicher [z. B. Inhalte die nicht sinnhaft erfasst oder mit dem bisherigen in Verbindung gebracht werden können], zeitlicher [z. B. ein Seminar] und sozialer [z. B. bestimme Teilnehmer in einer Diskussion] Hinsicht differenziert“ (ebd., S. 220). Die Entstehung sozialer Systeme wird unter dem Punkt ‚doppelte Kontingenz’ genauer beschrieben.

Luhmann unterscheidet drei Formen von sozialen Systemen: Interaktionssysteme, Organisationssysteme und Gesellschaftssysteme. Das Gesellschaftssystem ist das System höchster Ordnung, da es alle anderen Systeme beinhaltet (nur sich selbst nicht).


Doppelte Kontingenz

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Mit dem Begriff der ‚doppelten Kontingenz’ versucht Niklas Luhmann „das Entstehen von sozialen Systemen und somit sozialer Ordnung“ (Münch, 2004, S. 183) zu verdeutlichen. Wie bereits oben erwähnt, ist die Welt geprägt durch hohe Kontingenz. Doppelte Kontingenz meint nun, dass die an einer Kommunikation beteiligten psychischen Systeme nicht darüber gewiss sein können, wie die anderen Systeme handeln werden. Beispielsweise weiß ein Akteur A nicht welche Information von Akteur B mitgeteilt werden wird, somit weiß auch A noch nicht, wie er sich verhalten wird. Luhmann stellt sich nun die Frage, wie doppelte Kontingenz, die „die Koordination und gegenseitige Vorhersagbarkeit von Handlungen sehr schwierig und unwahrscheinlich“ (Münch, 2004, S. 154) macht, bewältigt werden kann. Da, wie bereits oben angesprochen, Menschen das Bedürfnis haben, Komplexität zu reduzieren, geht die Systemtheorie davon aus, dass „sich die Akteure an allem festhalten, was eine Verbindung und Fortsetzung von Handlungen ermöglicht“ (Münch, 2004, S. 185). Nun behauptet Luhmann, dass bereits die gegenseitige Erwartung von doppelter Kontingenz bereits ein erstes strukturierendes, ordnendes Prinzip in sich trägt, da dies die Akteure dazu zwingt, ein (soziales) System gegenseitiger, aufeinander bezogener Erwartungen zu konstruieren. Dadurch entsteht ein soziales System. „Und es gibt noch einen weiteren Schritt, der zur Einrichtung von Ordnung in einem solchen System führt: Jede Handlung, die einen Anschluss an eine andere Handlung erlaubt, wird wahrscheinlich festgehalten und fortgeführt“ [1]. Die beschriebene Möglichkeit zum Anschluss von Handlungen bzw. von Kommunikation (vgl. etwas weiter oben) begründet Luhmann wiederum mit dem fundamentalen Bedürfnis des Akteurs, Komplexität zu reduzieren. Durch die Interaktion der Akteure entsteht aufgrund der doppelten Kontingenz und ihrem Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion ein soziales System, „ein aus Kommunikation bestehendes System gegenseitig ausgerichteter Erwartungen und Handlungen, das eine eigene Qualität annimmt. Es entstammt dem Bewusstsein jedes Einzelnen und unterscheidet sich dennoch vom Bewusstsein der beiden“ (Münch, 2004, S. 186). Dadurch kann Luhmann soziale Systeme auch mehr oder minder unabhängig von psychischen Systemen (bzw. Akteuren) modellieren.


Interpenetration

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Wie noch erwähnt wird, ‚arbeiten’ Systeme mit dem Medium des Sinns. Der Sinn des psychischen Systems und des sozialen Systems sind jedoch nicht identisch. Dies kann man dadurch erklären, dass ein soziales System aus verschiedenen Quellen (aus mindestens zwei Akteuren) entsteht. Die „Beziehung zwischen den Quellen produziert das neue [soziale] System“ (Münch, 2004, S. 186). Die Verknüpfungen (siehe strukturelle Kopplung) und Durchdringung der Akteure untereinander und mit dem sozialen System nennt Luhmann Interpenetration (vgl. Abbildung 2). Diese Durchdringung geht wie folgt von statten: Für jedes psychische System wird ein anderes psychisches System als Umwelt und somit auch als Umweltkomplexität wahrgenommen. Die Komplexität des gegenüberstehenden psychischen Systems wird jedoch reduziert, indem sie durch das jeweilige System erfasst und verarbeitet wird. Diese gegenseitige Durchdringung ist somit auch Voraussetzung für die Entstehung eines sozialen Systems und auch Bedingung für die Bildung und Aufrechterhaltung der Autonomie und Identität des jeweiligen Systems. Ähnlich lässt sich auch der Prozess der Interpenetration zwischen dem psychischen und dem sozialen System beschreiben. Das soziale System, das sich aus den unterschiedlichen Quellen (psychischen Systeme) speist, wird durch jedes psychische System nach ihren jeweiligen Eigenschaften erfasst und in der Komplexität reduziert. Es werden beispielsweise nur jene Sinnelemente aus dem sozialen System erfasst, die auch relevant für das einzelne psychische System sind, selektiert werden vor allem jene Elemente, die die Anschlusskommunikation gewährleisten. Kann dies nicht geleistet werden, steht die Existenz des Systems auf dem Spiel, da ansonsten die Differenz bzw. die Systemgrenzen nicht laufend produziert und aufrecht erhalten werden können (vgl. Münch, 2004, S. 186ff.).


Sinn als Medium von Systemen

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Nun stellt sich die Frage welches Medium Systeme verwenden. Prinzipiell konstituieren sich Systeme (genauer: psychischen und sozialen Systemen) durch Sinn, wobei psychische Systeme mit Gedanken und soziale Systeme mit Kommunikation (siehe unten) operieren. Sinn definiert Luhmann „als eine Auswahl zwischen Alternativen“ (Münch, 2004, S. 192), wobei die nicht gewählten Alternativen für zukünftiges Handeln/Kommunizieren möglich bleiben (Stichwort: Kontingenz). Mit Hilfe von Sinn können Systeme Komplexität reduzieren, da sie durch Sinn Möglichkeiten selektieren (vgl. Münch, 2004, S. 187) und den Spielraum für sinnhafte Anschlusskommunikation einschränken (vgl. ebd., S. 192). Dies ist laut Luhmann notwendig, „weil allein aus Gründen begrenzter Zeit und Ressourcen nicht alle denkbaren Bezüge beachtet und realisiert werden können“ (Vogd, 2007, S. 302). Der Sinnbegriff geht Hand in Hand mit dem Begriff des ‚Verstehens’. Systemen wird das Verstehen durch ihre Fähigkeit zur selbstreferenziellen Beobachtung ermöglicht.


Autopoiesis

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In der neuesten Theorieversion führte Luhmann das Konzept der Autopoiesis (Selbstreferenz) ein. Unter dem Begriff der Selbstreferenz wird jener Umstand verstanden, dass Systeme durch die Verarbeitung der Umweltkomplexität ihre eigene Autonomie erzeugen und bewahren. Autopoietische Systeme sind zwar operativ geschlossene Systeme, da sie nur aufgrund ihrer internen Struktur bzw. ihren internen Codes verfahren. Jedoch sind sie nach Außen hin offen, da sie die Umwelt ‚beobachten’ und deren Komplexität reduzieren. Damit können sich Systeme durch den Bezug auf die Umwelt stets reproduzieren. Luhmann spricht hier von „Offenheit durch Geschlossenheit“: Der intern geschlossene Charakter eines Systems und die Fähigkeit unter den systeminternen Bedingungen auf die Umwelt zuzugreifen, erlaubt eine maximale Offenheit gegenüber der Komplexität der Umwelt (vgl. Münch, 2004, S. 190; Luhmann, 2002, S. 100ff.).

Die Selbstreferenz autopoitischer Systeme kann auf drei unterschiedliche Ebenen bezogen werden:

  • Code
  • Struktur bzw. Programm
  • Prozesse

Der Code ist ein binäres Differenzierungsschema, das z. B. zwischen wahr und unwahr unterscheidet, der für die Schließung des Systems sorgt. Die Strukturen bzw. Programme sind Bedingungen, nach denen die Entscheidung für die eine oder die andere Seite der Differenzierung getroffen wird. Es sind dies generalisierte Erwartungen, Werte, Normen, Rollen usw. (Münch, 2004, S. 208ff; Kneer & Nassehi, 1997, S. 133). Im Rahmen der binären Codes bilden die jeweiligen Systeme Formen aus, wobei die Codes für die Geschlossenheit der jeweiligen Systeme sorgen, die dadurch erst die spezifische Form der Offenheit erlauben. Autopoiesis). Diese Offenheit der Systeme wird durch die Programme gewährleistet; Luhmann (1986, S. 83 zitiert in: Kneer & Nassehi, 1997, S. 133) schreibt hierzu:

"In Bezug auf seinen Code operiert das System als geschlossenes System, indem jede Wertung wie wahr/unwahr immer nur auf den entgegengesetzten Wert desselben Codes und nie auf andere, externe Werte verweist. Zugleich aber ermöglicht die Programmierung des Systems, externe Gegebenheiten in Betracht zu ziehen, dass heißt die Bedingungen zu fixieren, unter denen der eine oder andere Wert gesetzt wird."

So gilt für das Teilsystem der Wissenschaft, dass die Theorien die Programme sind, die über Wahr oder unwahr unterscheiden. Der Prozess entspricht der fortschreitenden Interaktion (Münch, 2004, S. 208ff; Kneer & Nassehi, 1997, S. 133).


Kommunikation

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„Was immer in der Gesellschaft geschieht, ist Kommunikation“ [2]. Damit will Luhmann deutlich machen, dass es die Kommunikation ist, die Gesellschaft konstituiert und nicht das Handeln der einzelnen Individuen (vgl. ebd., S. 79). Soziale Systeme bzw. deren Grenzen werden durch Kommunikation erzeugt und aufrechterhalten, ohne Kommunikation keine Gesellschaft. Kommunikation wird durch Sinn vorangetrieben, indem immer wieder an den Sinn des sozialen Systems angeschlossen wird. In der Systemtheorie werden drei Komponenten der Kommunikation unterschieden. Jede Kommunikation enthält Information, darunter versteht man einen bestimmten Sachgehalt einer Mitteilung. Die Mitteilung ist sozusagen die Form der Kommunikation (mündlich, schriftlich, Mimik etc.). Der dritte Aspekt der Kommunikation bildet das Verstehen von Sinn. Damit man von Kommunikation sprechen kann, muss es jemanden (z. B. ein psychisches System) geben, der die Mitteilung aufnimmt und die Information verarbeitet (Entschlüsselung). Der Erfolg (d. h. dass alle Beteiligten das gleiche unter der Information verstehen) ist kein notwendiges Kriterium für Kommunikation. Information kann auch immer ‚falsch’ verstanden werden. Widerspricht sich Kommunikation bzw. die Information, wird zwar mit großer Wahrscheinlichkeit die Kommunikation aufrecht erhalten um diesen Widerspruch (Akzeptanz/Nichtakzeptanz) zu beseitigen, jedoch können dadurch Konflikte entstehen (vgl. Münch, 2004, S. 192ff.).


Operation

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Unter Operation versteht Niklas Luhmann (2002, S. 101) den Akt der Aufrechterhaltung bzw. der Reproduktion eines Systems. Soziale Systeme reproduzieren sich autopoietisch durch Kommunikation, sie kommunizieren damit Kommunikation aufrechterhalten werden kann. Ähnlich verhält es sich auch mit psychischen Systemen: Gedanken sind die Operationen des psychischen Systems, gibt es keine Gedanken (z. B. durch den Tod des organischen Systems), kann das psychische System nicht aufrechterhalten werden. Ein soziales System existiert somit nur, wenn es operiert. Man könnte daher sagen, ein System ist nicht mehr als eine Kette von Operationen.


Beobachtung

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Grundsätzlich ist das Konzept der Beobachtung oder des Beobachters in der Systemtheorie zentral. Beobachtung ermöglicht Unterscheidung (Differenz), das Beobachten an sich ist somit eine Operation (vgl. oben). Durch Beobachtung kann das System von der Umwelt unterschieden und die Umwelt ‚bezeichnet’ bzw. unterschieden werden. Bezeichnungen können ‚gespeichert’ werden und bilden dadurch Anschlussfähigkeit. Der Beobachter ist somit eine Kette von Beobachtungen und bildet ein System bzw. ein Teil eines Systems, das speziell zur Beobachtung abgestellt wird. Hier muss auch zwischen Selbst- und Fremdbeobachtung unterschieden werden. Ein System kann sich selbst beobachten, aber auch andere Systeme in der Umwelt. Beobachtung ist jedoch immer von der jeweiligen systeminternen Struktur abhängig (Beobachtung ist selbstreferenziell), d. h. es gibt nichts, „was unabhängig vom Beobachter gesagt werden kann“ (Luhmann, 2002, S. 140). Dadurch kann es zu ‚blinden Flecken’ kommen, d. h. ein System kann aufgrund ihrer Strukturen nur jenes wahrnehmen, was diese internen Strukturen dem System erlauben zu sehen. Ein blinder Fleck kann jedoch durch ‚Beobachtung zweiter Ordnung’ ausgeschaltet werden. D. h. wenn ein Beobachter einen Beobachter beobachtet, kann dieser über den blinden Fleck des ersten Beobachters reflektieren (vgl. Luhmann, 2002, S. 141ff.). Hier wird die konstruktivistische Herangehensweise Luhmanns deutlich.

Wie schon erläutert, haben Systeme die Fähigkeit zu beobachten. Hier entsteht jedoch ein Paradox, denn wenn ein System etwas beobachten will, muss es sich von dem, was es beobachtet, unterscheiden. Diese Unterscheidung ist jedoch wiederum nur durch Beobachtung möglich (vgl. Luhmann, 2002, S. 73). Prinzipiell kann dieses Henne-Ei-Problem nicht gelöst werden, fest steht jedoch, dass Selbstreferenz bzw. Beobachtung der Startpunkt der Reproduktion und Anschussfähigkeit (bei sozialen Systemen durch Kommunikation) des Systems ist.

Es stellt sich die Frage, wie soziale Systeme, die nur aus Kommunikation bestehen, in der Lage sind zu beobachten. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte diese Frage erläutert werden! Außerdem wird dabei auch deutlich, wie es Luhmann möglich ist soziale Systeme ohne psychische Systeme zu modellieren. Beobachtungen brauchen laut Luhmann keine Instanz (z. B. eine Akteur). In sozialen Systemen sind Kommunikation den Beobachtungen gleich zu setzen. Ein soziales System ist somit eine Verkettung von Kommunikation und dadurch auch von Beobachtungen, denn auch eine Kommunikation kann unterscheiden und bezeichnen. So verhält es sich auch mit psychischen Systemen: Das Bewusstsein ist eine Verkettung von Gedanken und Wahrnehmungen ohne ein Subjekt, das diese Operationen durchführt. Hierzu ein Beispiel:

"Ein Lehrer beobachtet die Schüler (…). Die Schüler beobachten den Lehrer (…). Der Lehrer beobachtet auch, dass die Schüler ihn beobachten. Aber jetzt kommt hinzu, dass die Interaktion die Schüler beobachtet, zuweilen auch sogar den Lehrer (…): Der Lehrer wird zum Thema der Diskussion im Unterricht. Das soziale System beobachtet psychische Systeme; die psychischen Systeme beobachten psychische Systeme; die psychischen Systeme könne soziale Systeme beobachten." [3]"


Strukturelle Kopplung

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Strukturelle Kopplung meint die Beziehung zwischen Systemen. Sie ist zwischen Funktionssystemen (siehe weiter unten) aber auch zwischen sozialen und psychischen Systemen vorhanden. Psychische Systeme operieren in Gedanken, soziale Systeme in Kommunikation. Die Kopplung geschieht in diesem Fall durch die Sprache. „Sprache hat (…) eine Doppelseitigkeit. Sie ist sowohl psychisch als auch kommunikativ verwendbar und verhindert nicht, dass die beiden Operationsweisen (…) separat laufen und separat bleiben“ (Luhmann, 2002, S. 275). Durch die strukturelle Kopplung kann zwar ein System nicht in das andere ‚eingreifen’, da alle Systeme nach eigenen Regeln operieren, dennoch kann beispielsweise ein psychisches System Irritation in einem sozialen System auslösen, d. h. das soziale System wird die Umweltreize zwar wahrnehmen, diese jedoch nach den eigenen Regeln verarbeiten.


Gesellschaftstheorie

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Im vorhergehenden Kapitel wurden die begrifflichen Grundlagen der Systemtheorie von Luhmann eingeführt und erläutert. Nun soll also die Anwendung dieser grundlegenden Konzepte auf den Gegenstand der Soziologie, auf die sozialen Systeme, erfolgen. In einem ersten Schritt werden die drei Ebenen der Systembildung dargestellt. Darauf folgen die Beschreibung der systemischen Differenzierung und ihre Stellung in der Evolution der Gesellschaft. Abschließend in diesem Kapitel wird die Theorie des Gesellschaftssystems und im Besonderen die funktionale Differenzierung der modernen Gesellschaft beleuchtet.


Drei Ebenen der Systembildung

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Luhmann unterscheidet im Bereich der sozialen Systeme drei besondere Typen:

  • Interaktionssysteme
  • Organisationssysteme
  • Gesellschaftssystem


Interaktionssysteme

Interaktionssysteme entstehen durch die Handlung von Anwesenden. Anwesende in diesem Sinne sind Personen die sich gegenseitig wahrnehmen. Interaktionssysteme sind situativ. Bspw. ist ein an der Universität stattfindendes Seminar als ein Interaktionssystem zu sehen, zu dem alle von den Teilnehmer getätigten Handlungen gehören: Wortmeldungen in Diskussionen, Referate, Gespräche etc. Zur Umwelt dieses Interaktionssystems gehören alle Handlungen, die von Personen außerhalb dieses Seminarraumes durchgeführt werden. Sobald die Seminarteilnehmer auseinander gehen, löst sich dieses Interaktionssystem auch wieder auf (zumindest bis zum nächsten Seminartermin) (vgl. Münch, 2004, S. 205; Kneer & Nassehi, 1997, S. 42).


Organisationssysteme

Wenn die Mitgliedschaft in einem sozialen System an eine bestimmte Bedingung geknüpft ist, dann wird dieses soziale System als organisiert bezeichnet. Organisationen gelingt es mit Hilfe von Mitgliedschaftsregeln, „hochgradig künstliche Verhaltensweisen relativ dauerhaft zu reproduzieren“ (Luhmann, 1975, S. 2 zitiert in: Kneer & Nassehi, 1997, S. 43). Als wichtige Funktion von Organisationen ist die Berechenbarkeit – sowohl für Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder – zu sehen. Ein Beispiel für ein Organisationssystem stellt die Universität dar: Es kann eine Unterscheidung in Mitgliedschaftsgruppen getroffen werden (Wissenschaftliche und Administrative Mitarbeiter, Studenten), der Eintritt als auch der Austritt aus der Organisation ist an bestimmten Bedingungen geknüpft und damit auch formell geregelt (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 42f).


Gesellschaftssysteme

Luhmann versteht unter Gesellschaft das umfassendste Sozialsystem; es gehören alle Interaktions- und Organisationssysteme der Gesellschaft an, wobei die Gesellschaft nicht in den Interaktions- und Organisationssystemen aufgeht. So ist die Gesellschaft kein Interaktionssystem, da in ihr die Handlungen von Abwesenden auch inkludiert sind; und sie hebt sich vom Organisationssystem ab, indem man der Gesellschaft angehört und keine Ein- und Austrittsbedingungen wie in Organisationen gegeben sind. Gesellschaft geht über die Summe aller Interaktions- und Organisationssysteme hinaus, da in ihr Handlungen auftreten, die nicht schon von den anderen Systemen hervorgebracht werden. So schreibt Luhmann, dass die Gesellschaft „ein System höherer Ordnung, ein System anderen Typs“ (Luhmann, 1975, S. 11 zitiert in: Kneer & Nassehi, 1997, S. 43) bildet. Somit ist die Gesellschaft einerseits als besonderer Systemtyp als auch als das umfassendste System zu betrachten (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 43).


Systemische Differenzierung und gesellschaftliche Evolution

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Der Grundbegriff der ‚Systemdifferenzierung’ „bezeichnet die Fähigkeit von sozialen Systemen, Subsysteme zu bilden“ (Kneer & Nassehi, 1997, S. 112), diese ist „nichts weiter als Wiederholung der Systembildung in Systemen“ (Luhmann, 1975, S. 37 zitiert in: Kneer & Nassehi, 1997, S. 112). „Man kann die Differenzierung von Systemen als eine Wiederholung der Differenz von System und Umwelt innerhalb von Systemen beschreiben“ (Luhmann, 2005, S. 238). Durch die Teilung eines Systems in Teilsysteme werden interne System-/Umweltdifferenzen geschaffen, so dass die anderen Teilsysteme eines Gesamtsystems als Umwelt des jeweiligen Teilsystems vorkommen (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 112).

Die systemtheoretische Gesellschaftstheorie muss sich mit der Frage befassen, wie eine Gesellschaft mit Komplexität umgeht sowie mit seiner internen Teilung in Sub- und Teilsysteme (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 112f). Die Möglichkeiten der Erfassung und Verarbeitung der Umweltkomplexität sind vielfältig (vgl. Münch, 2004, S. 203). Beobachtbar ist, dass eine traditionale Gesellschaft eine deutlich geringere Komplexität aufweist als eine moderne Gesellschaft, ob jedoch auch eine geringere Differenzierung vorliegt, ist nicht so leicht zu bestimmen. Für Luhmann ist somit die entscheidende gesellschaftstheoretische Frage, in welcher Form die Differenzierung der Gesellschaft erfolgt. Zwischen Komplexität und Systemdifferenzierung besteht kein unilinearer Zusammenhang, sondern dass „die Komplexität, die Gesellschaftssystem erreichen kann, abhängt von der Form [Hervorhebung im Original] seiner Differenzierung“ (Luhmann, 1980, S. 22 zitiert in: Kneer & Nassehi, 1997, S. 113)

Gesellschaftssysteme lassen sich anhand ihrer primären Differenzierung charakterisieren. Es gibt auch sekundäre Differenzierungsformen, doch ist für eine bestimmte Gesellschaft auch ein dominanter bzw. primärer Typ der Differenzierung festzustellen. Die drei zu besprechenden Formen der primären Differenzierung sind (vgl. Luhmann, 2005, S. 248ff; Münch, 2004, S. 203ff; Kneer & Nassehi, 1997, 115ff):

  • Segmentäre Differenzierung
  • Stratifikatorische (hierarchische) Differenzierung
  • Funktionale Differenzierung


Segmentäre Differenzierung

Die segmentäre Differenzierung ist als das einfachste Differenzierungsprinzip anzusehen. Diese Form der Differenzierung wird einfachen, bspw. archaischen, Gesellschaftssystemen zugeordnet. Das Prinzip der segmentären Differenzierung ist eine Aufteilung in gleiche Teile, wie Familien, Stämme, Siedlungen usw. Die innergesellschaftliche Umwelt stellt sich für jedes Teilsystem als eine Ansammlung von gleichen oder ähnlichen Systemen dar (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 122f). Die segmentäre Differenzierung „ist eine Wiederholung von Gruppenbildungen, die darauf ausgerichtet sind, dieselben Funktionen zu erfüllen: Familien innerhalb einer einfachen Stammesgesellschaft sind in ihrer Struktur ähnlich und erfüllen dieselbe Funktion der Reproduktion der ökonomischen, gemeinschaftlichen, politischen und kulturellen Lebensweise des Stammes“ (Münch, 2004, S. 203).

In primitiven Gesellschaften existieren Interaktions-, Organisations- und Gesellschaftssysteme nebeneinander, innerhalb jeder Begegnung. Das Gesamtsystem ist bei dieser Differenzierungsform in seiner Komplexität auf ein niedriges Niveau beschränkt. Diese Einschränkung fußt auf dem Rahmen der segmentären Differenzierung: Die Teilsysteme haben ihre Grenzen in Lokalität und konkreten Handlungssituationen. Ein wesentliches Kriterium für die Zugehörigkeit zum (Teil-)System ist die Präsenz von Personen. Da Handlungen und ihre Möglichkeiten auf Anwesenheit aufbauen, ergibt sich, dass sich nur ein geringes Ausmaß von Arbeitsteilung herausbilden kann (vgl. Münch, 2004, S. 205; Kneer & Nassehi, 1997, S. 122f).


Stratifikatorische (hierarchische) Differenzierung

Während die segmentäre Differenzierung gleichartige Teile voneinander trennt, so wird ab der Stufe der stratifikatorische Differenzierung eine Unterteilung in ungleiche Teilsysteme vorgenommen. Dies ist als ein Schritt zur Überwindung der strukturellen Limitationen des Systems im Rahmen der segmentären Differenzierung. zu sehen. Der Übergang in der Differenzierungsform wird zwar empirisch nur schwer nachvollziehen zu sein, theoretisch kann allerdings vermutet werden, dass segmentär differenzierte Gesellschaften durch das Erleben ihrer eingeschränkten Möglichkeiten zu neuen Formen gelangen (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 124f).

In der hierarchischen Differenzierung ist das Prinzip der Einteilung eine Differenzierung in ungleiche Schichten. Die Gesellschaft ist nicht mehr in gleiche Teilsysteme gegliedert, sondern in verschiedene Teilsysteme, die jetzt in einer hierarchischen Beziehung und nicht mehr auf der gleichen Ebene beliebig zu einander stehen. Die Leitdifferenz der stratifizierten Gesellschaften ist oben/unten. Diese Gesellschaftsform differenziert sich vorwiegend in der Sozialdimension und ordnet mit ihrer Differenzierung die Menschen unterschiedlichen Ständen zu. Wichtig in Bezug auf die Leitdifferenz von oben und unten ist nicht, was gesagt wird, sondern von wem etwas gesagt wird. Der Zusammenhalt der Gesellschaft geschieht „durch eine gesamtgesellschaftliche Grundsymbolik der Hierarchie und er direkten Reziprozität“ (Luhmann, 1975, S. 29 zitiert in: Kneer & Nassehi, 1997, S. 127). Dies geschieht durch eine primär religiös ausgerichtete Auslegung des Seins in der Welt, wo jeder durch göttlichen Ratschluss an seinen Platz gesetzt wird. In dieser vertikalen Differenzierung der Gesellschaft ist der Zuwachs an Komplexität gegenüber der segmentären Differenzierung sehr groß, nichtsdestotrotz bleibt die Positionsbestimmung innerhalb der Gesellschaft noch recht transparent. Dies vor allem auf Grund der eindeutigen Leitdifferenz von oben/unten, die unabhängig von der Beobachtungsperspektive gleich bleibt (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 126f).


Funktionale Differenzierung

Die funktionale Differenzierung beschreibt die primäre Differenzierungsform der modernen Gesellschaft. Diese Form der Differenzierung setzte sich spätestens mit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch, nachdem die Entwicklung zur vermehrten Ausprägung der funktionalen Differenzierung bereits zu Ende des 16. Jahrhunderts sich abgezeichnet hat. Die Differenzierung erfolgt hin zu verschiedenen Teilsystemen, die eine je unterschiedliche – nicht füreinander substituierbare – funktionelle Bedeutung haben und auf der selben Ebene ohne hierarchische Beziehung zueinander stehen. Die Gesellschaft differenziert sich in Teilsysteme, die nicht mehr durch eine gemeinsame Grundsymbolik integriert werden können, sondern die einzelnen Teilsysteme operieren aus ihrer je eigenen Perspektive – aus ihren je eigenen Leitdifferenzen – heraus (vgl. Münch, 2004, S. 204; Kneer & Nassehi, 1997, S. 131f).

Zu diesen beobachtungsleitenden Unterschieden schreibt Luhmann (1989, S. 430 zitiert in: Kneer & Nassehi, 1997, S. 132): „Man sieht jetzt deutlich, dass die Funktionssysteme sich nicht nur über eigene Kriterien des Richtigen, also nicht nur über Gesamtformeln ihrer Programme (Friede bzw. Gemeinwohl, Wohlstand, Bildung, Gerechtigkeit etc.) ausdifferenzieren, sondern dass dies primär über binäre Codes [Hervorhebung durch Kneer & Nassehi] geschieht“ (Luhmann, 2005, S. 264). Der Begriff des binären Codes kennt nur zwei Werte und schließt dritte Möglichkeiten aus. Die Zweiwertigkeit der binären Codes ist für die Beobachtung der Teilsysteme das leitende Schema. So unterschiedet das Teilsystem des Rechts nach recht/unrecht, die Wissenschaft nach wahr und unwahr usw. Wichtig ist zu bedenken, dass die in

"den binären Codierungen enthaltenen Unterscheidungen nicht irgendwelchen kontingenten Beobachtungsgeneratoren sind, die in der Wirtschaft, in der Politik, im Recht usw. neben anderen vorkommen. Sie kommen nicht in den Systemen vor, sondern sie sind [Hervorhebungen durch Kneer & Nassehi] es letztendlich, die die jeweiligen Teilsysteme als soziale Systeme konstituieren." [4]

Durch die zweiwertige Unterscheidung und den Ausschluss von dritten Möglichkeiten, die diesen Unterscheidungen nicht unterliegen, ergibt sich in der modernen Gesellschaft, dass bspw. Macht nicht durch wissenschaftliche Wahrheit gesichert werden kann. Zwar dient wissenschaftliche Erkenntnis oft zur Begründung politischer Entscheidungen, dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Beziehungen zwischen den Teilsystemen so geartet sind, dass sie die Grenzen zwischen den Systemen nicht sprengen (vgl. Kneer & Nassehi, 1997, S. 132f).

Wie oben dargelegt (vgl. 4.6. Autopoiesis), wird die Schließung der Teilsysteme durch den Code und die spezifische Form der Offenheit durch die Programme gewährleistet. Dabei sind Programmierungen die Möglichkeit für die operativ geschlossenen Teilsysteme, ihre jeweilige Umwelt in die eigenen Operationen einzubauen, ohne ihre jeweils spezifische Codierung zu verlassen. Würden bspw. in einem totalitär geführten Staat nur bestimmte Ergebnisse als erwünscht betrachtet und andere Ergebnisse durch Repressalien unterdrückt werden, so kann die Wissenschaft trotzdem nicht aus ihrem Differenzierungsschema wahr/unwahr ausbrechen. Die politischen Vorgaben müssten in Theorien ausgedrückt werden, die Bedingungen enthalten, warum die Partei Recht hat. Systeme können nur innerhalb ihrer eigenen Grenzen operieren und sie können ihren Umweltkontakt nur systemrelativ – mit eigenen Systemoperatoren – herstellen. Dies entspricht einer unaufhebbaren operativen Differenz zwischen den funktionalen Teilsystemen. Die unterschiedlichen Teilsysteme, die jeweils durch unterschiedliche binäre Codierungen konstituiert werden, sind nicht die Gesellschaft in verschiedene Seins-Bereiche differenzierende Unterscheidungen, sondern entsprechen unterschiedlichen Beobachtungen – hinsichtlich der angewandten Leitdifferenz – der ganzen Welt. „Nicht das Sein der Welt wird geteilt, sondern es kommt zu unterschiedlichen Beobachtungen [Hervorhebung im Original]“ (Kneer & Nassehi, 1997, S. 135).

Zu den nach ihrer Funktion differenzierten Teilsystemen der modernen Gesellschaft gehören: Wissenschaft, Politik, Bildung, Religion, Recht, Wirtschaft, Kunst etc. Jedes dieser Systeme funktioniert, wie oben bereits angesprochen, nach je eigenen Codes, Programmen und Prozessen. Für vier dieser Teilsysteme sind diese in Tabelle 1 dargestellt.

Wissenschaft Politik Recht Wirtschaft
Funktion Erweiterung von Wissen Kollektiv verbindliche Entscheidungen Stabilisierung normativer Erwartungen Regulierung von Knappheit
Medium Wahrheit Macht Recht Geld
Code wahr/unwahr Macht haben/nicht haben recht/unrecht Zahlen/nicht zahlen
Programm Methode und Theorie Regeln der Politik Rechtsordnung, Gesetze etc. Wirtschaftsordnung
Kommunikation wissenschaftliche Aussage Politische Entscheidung Rechtsaussagen Wirtschaftliche Transaktion

Tabelle 1: Funktionssysteme (angelehnt an: Schneider, 2002, S. 361, Tafel 9.13 übernommen aus Münch, 2004, S. 213, Tabelle 3.1)

Diese funktionalen Teilsysteme stehen in einer System/Umwelt-Beziehung zueinander, was der Gesellschaft eine möglichst hohe Komplexität intern zu produzieren. Die wechselseitigen Irritationen dieser Funktionssysteme werden durch strukturelle Kopplung (vgl. 4.10. Strukturelle Kopplung) geordnet, wodurch diese Irritationen in eine geordnete Form gebracht werden. So werden bspw. Recht und Wirtschaft durch Eigentum und Vertrag aneinander gekoppelt. Für eine Übersicht siehe Tabelle 2. Zur strukturellen Kopplung schreibt Münch (2004, S. 213): „Strukturelle Kopplung führt nach Luhmanns Konstruktion nicht zur Überschneidung zwischen den Funktionssystemen. Die Brücke ist in beiden aneinander gekoppelten Systemen in jeweils anderer Weise, nämlich in eigener Beobachtung präsent.“ So gilt z. B. für „das Recht ist das Eigentum ein Rechtstitel, für die Wirtschaft eine ökonomische Ressource“ (Münch, 2004, S. 213). Die funktionellen Teilsysteme bleiben trotz dieser strukturellen Kopplung strikt voneinander getrennt.

Funktionssystem Strukturelle Kopplung Funktionssystem
Recht Verfassung Politik
Recht Eigentum/Vertrag Wirtschaft
Wissenschaft Universitäten Erziehungssystem
Wirtschaft Zeugnisse/Zertifikate Erziehungssystem
Politik Steuern/Abgaben, Notenbank Wirtschaft
Politik Politische Beratung Wissenschaft

Tabelle 2: Strukturelle Kopplung (Übernommen aus Münch, 2004, S. 214, Tabelle 3.2)

Diskussion

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Nun sollen verschieden Kritikpunkte an der Systemtheorie aufgelistet werden. Da diese Theorie etliche Fragen aufwirft, sind auch viele der nachstehenden Punkte als solche formuliert.

  • Die Systemtheorie bietet ein grundlegendes, umfassendes, logisches, in sich geschlossenes Begriffssystem an.
  • Die Theorie Luhmanns ermöglicht eine theoretische Analyse des Sozialen und der Gesellschaft.
  • Luhmann zeigt auf, „wie das soziale Leben über unmittelbare Interaktionen hinaus organisiert ist“ (Münch, 2004, S. 222).
  • Es kann gezeigt werden (natürlich nur modellhaft), wie durch Selbstorganisation Ordnung reproduziert werden kann (vgl. Münch, 2004, S. 222f.).
  • Luhmann stellt seine Theorie auf mehr oder weniger naturwissenschaftliche Beine.
  • Die Systemtheorie schafft es ohne einen „philosophisch vorbelasteten“ Subjektivitätsbegriff auszukommen (vgl. Vogd, 2007, S. 300).
  • Durch die Betonung der je eigenen Strukturen, Programme, Codes etc. unterschiedlicher Systeme/Funktionssysteme kann stets aufgezeigt werden, dass ein soziales Geschehen unterschiedlich interpretiert wird und zu verschiedener Anschlusskommunikation führt (vgl. Kühl, 2007, S. 289).
  • Die Inhalte der Systemtheorie können auch als Kritik an dieser verwendet werden: Die Theorie Luhmanns geht davon aus, dass der Beobachter nur das sieht was er sehen kann, für alles andere ist er ‚blind’. Wenn man mit Hilfe der Systemtheorie ‚beobachtet’, könnte man unterstellen, dass man ebenso für vieles blind wird.
  • Die Theorie ist sehr abstrakt und allgemein. Es ist daher schwierig, sie empirisch zu überprüfen. Ihre Erklärungen, die sie für gesellschaftliche Phänomene liefern kann, bleiben daher auch abstrakt und allgemein.
  • Wie soll die Systemtheorie operationalisiert werden?
  • Luhmanns Theorie beschäftigt sich zu sehr mit sich selbst, anstatt dass sie einen praktikablen Bezugsrahmen für empirische Forschung darstellt (vgl. Vogd, 2007, S. 297).
  • „Ihre [jene der Systemtheorie] Abstraktionen sind nur sinnvoll, wenn Systeme als empirische Gegenstände begriffen werden, die zwar als rationale Gebilde nicht sichtbar und greifbar, die sehr wohl aber als prinzipiell rekonstruierbar zu verstehen sind“ (Vogd, 2007, S. 295). Könnte man der Systemtheorie hier Reifikation vorwerfen?
  • Wo bleibt der intentional handelnde Mensch? Kann Intentionalität als täglich wahrnehmbares mentales Phänomen bezweifelt werden?
  • Jedes System ist selbstreferentiell und in seiner Logik geschlossen. Jedes System ist daher „Funktion seiner selbst“ (Vogd, 2007, S. 300). Ist dies nicht tautologisch?
  • Ist die Grundannahme Luhmanns – die Komplexität der Welt – immer richtig? „Normalerweise leben die Menschen nicht in einer so komplexen Welt, weil sie in einer vorgegebenen Lebenswelt gemeinsam geteilter Weltsichten und Normen hineingeboren werden“ (Münch, 2004, S. 224).
  • Eine weitere Annahme von Luhmann ist jene, dass Akteure (fast) jede Art von Ordnung akzeptieren, nur damit überhaupt Ordnung vorhanden ist. Entspricht dies der Wahrheit? Akzeptieren Menschen in modernen Gesellschaften jede Art von Herrschaft bzw. Machtausübung?
  • Luhmann stellt in seiner Theorie die Welt in ihrer Ordnung so instabil dar, als dass sie jederzeit zusammenbrechen könnte. Nach Luhmann gibt es keine dauerhafte Struktur, da alles einem ständigen Reproduktionsprozess unterliegt. Würde dies der Wahrheit entsprechen gäbe es prinzipiell keine Vorhersagbarkeit. Das Entstehen von nicht zufälliger Ordnung (z. B. Zwang, Konsensbildung etc.) lässt sich durch das Begriffsinventar Luhmanns nur sehr schwer fassen (vgl. Münch, 2004, S. 223f.).
  • Systeme weisen unterschiedliche Strukturen auf, nach denen sie Kommunikation transformieren. Luhmann geht davon aus, dass sich diese Systeme nicht überschneiden können, da die systeminternen Regeln stets andere sind. Wie können Phänomen wie z. B. Konsensbildung oder rationaler Diskurs erklären?
  • Ist die Annahme von binären Codes richtig? Lässt sich beispielsweise die Struktur/der Code eines politischen Systems nur auf das Ziel der Gewinnung von Wählerstimmen reduzieren? (vgl. Münch, 2004, S. 225)
  • Es ist durchaus nachvollziehbar, dass z. B. das politische System lediglich nach Kriterien der Macht(erhaltung) operiert, es ist jedoch sehr schwer vorstellbar, dass beispielsweise das wissenschaftliche System keine oder nur wenig Einfluss auf das politische System nimmt. Wissenschaftliche Errungenschaften finden meist sehr bald Anklang in Politik und Wirtschaft.


Rezeption und Wirkung

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Obwohl Luhmann Hobbes Lösung ablehnt, zeigt sich seine Darstellung der Systemtheorie als ähnlich. Beide befinden dass die Menschheit Erfahrung von Unordnung als untragbar empfindet und dadurch konvergierend die Ordnung der Unordnung vorzieht. Somit beschäftigt sich Luhmann noch einmal mit der Lösung des Ordnungsproblems durch Hobbes. Einzig unterscheidet sich Luhanns Definition darin, dass er soziale Ordnung als verhandelte Ordnung sieht und nicht wie Hobbes als ein für alle Mal in einem Sozialvertrag geschaffene (vgl. Münch, 2004).

Weiters ist Luhmanns Ansatz was die Frage nach "wie Ordnung in einer Gesellschaft entsteht und sich auflöst" der Chaostheorie oder Chaosforschung ähnlich. Jedoch ist zufällige Ordnung nur ein Aspekt des sozialen Lebens, auch ist es eine künstliche Annahme, wenn er von der Komplexität der Welt ausgeht. Vielmehr sind wir durch eine vorgegebene Lebenswelt, in der alle ähnliche Weltsichten und Normen teilen, hineingeboren und damit in unseren Sinngrenzen eingeschlossen (vgl. Münch, 2004).


Literatur

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  • Diekmann, Johann (2004):
    "Luhmann-Lehrbuch"
    Paderborn
  • Hennen, Manfred (2002):
    "Systemtheorie In: Endruweit, Günter & Trommsdorff, Gisela [Hrsg.]
    "Wörterbuch der Soziologie. 2. Auflage"
    Stuttgart, S. 587-590.
  • Kneer, Georg/ Nassehi, Armin (1997):"
    "Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. 3. Auflage"
    München
  • Korte, Hermann (2004):
    "Soziologie"
    Konstanz
  • Kühl, Stefan (2007):
    "Formalität, Informalität und Illegalität in der Organisationsberatung In: SozW. Soziale Welt. Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis"
    S. 271-295.
  • Luhmann, Niklas (2005): Einführung in die Theorie der Gesellschaft. (herausgegeben von Dirk Baecker). Heidelberg: Carl-Auer-Systeme.
  • Luhmann, Niklas (2002):
    "Einführung in die Systemtheorie (herausgegeben von Dirk Baecker)"
    Heidelberg
  • Luhmann, Niklas (1989)
    "Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie. Band 3"
    Frankfurt am Main
  • Luhmann, Niklas (1986):
    "Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?"
    Opladen
  • Luhmann, Niklas (1980):
    Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie. Band 1"
    Frankfurt am Main
  • Luhmann, Niklas (1975):
    "Soziologische Aufklärung. Band 2. 3. Auflage"
    Opladen
  • Münch, Richard (2004):
    "Soziologische Theorie. Band 3: Gesellschaftstheorie"
    Frankfurt am Main, S. 179-232.
  • Schneider, Wolfgang (2002):
    "Grundlagen der soziologischen Theorie. Band 2"
    Wiesbaden
  • Vogd, Werner (2007):
    "Empirie oder Theorie? Systemtheoretische Forschung jenseits einer vermeintlichen Alternative In: SozW. Soziale Welt. Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis. 2007, 58 (3)"
    S. 295-323

Internetquellen

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Podcast-Tipp

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Soziopod #046: Was ist das für 1 Luhmann?

Einzelnachweise

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  1. Münch, 2004, S. 185
  2. Luhmann, 2002, S. 90
  3. Luhmann, 2002, S. 147f.
  4. Kneer & Nassehi, 1997, S. 132

Maffesoli, Michel

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Biographie in Daten

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Maffesoli Michel

  • geboren am 14. November 1944:in Graissessac (Hérault), in Frankreich


  • Maffesoli besuchte das Gymnasium Henri IV in Béziers.
  • 1969: Im März heiratet er Hélène Strohl, mit der er vier Töchter hat.
  • 1971: Maffesoli absolviert bei Lucien Braun und Julien Freund seine Studienabschlussprüfung. Die Abschlussarbeit trägt den Titel "Explications et modification. La technique chez Marx et Heidegger". Anschließend nimmt Maffesoli eine Assistentenstelle an der Universität Pierre Mendès-France in Grenoble an.
  • 1973: Aus den Arbeiten in Grenoble über die Alltagskultur der einfachen Leute entsteht seine Doktorarbeit.
  • 1978: Maffesoli schließt seine Habilitationsarbeit mit dem Titel "La dynamique sociale ("Die gesellschaftliche Dynamik") im Juni ab.
  • 1978: Im selben Jahr kehrt er wieder nach Straßburg zurück, wo er die Leitung für Konfliktforschung übernimmt. Er besetzt die Position des Maître-Assistant, was soviel wie selbstständig lehrender Oberassistent auf Lebenszeit bedeutet.
  • 1981: Maffesoli wird auf die Pariser Université René Descartes (Paris V) - Sorbonne- berufen, um den Lehrstuhl für Soziologie zu besetzen.
  • 1982: Maffesoli gründet mit Georges Balandier das Centre d`Etudes sur l`Actuel et le Quotidien (CEAQ) an der Sorbonne. In der von Maffesoli gegründeten und herausgegebenen Zeitschrift "Sociétés" werden viele Arbeiten der CEAQ veröffentlicht.
  • 1988: Er gibt die Zeitschrift "Cahiers de l‘Imaginaire" heraus. Diese Zeitschrift gehört zum Centre de Recherche sur l`Imaginaire in Paris, das er seit Anfang der 1980er Jahre, nunächst gemeinsam mit Gilbert Durand und später dann alleine, leitet.
  • Ebenfalls Anfang der 1980er Jahre organisieren Michel Maffesoli und Georges Balandier die ersten großen Soziologiekongresse in Frankreich.
  • 1990: Maffesoli erhält unter anderem den Prix de l`Essai André Gautier für das Buch "Au creux des apparences" (deutsche Übersetzung: "Im Hohlraum der äußeren Erscheinungen").
  • 2003: Maffesoli bekommt den Orden des Chevalier der französischen Ehrenlegion und weitere Titel, wie z.B. des Chevalier du mérite. Letzterer gilt in Frankreich als höchste Auszeichnung für militärische oder zivile Verdienste, die französische Gesellschaft betreffend.


Historischer Kontext

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Michel Maffesoli ist in einer kleinen Ortschaft in den Cevennen geboren. Seine Familie väterlicherseits ist eine Einwandererfamilie. Der Großvater stammte aus Norditalien und seine Großmutter aus Algerien. Dort lernten sich die beiden auch kennen und zogen 1910 gemeinsam nach Frankreich. Maffesolis Vater wurde in Graissessac geboren. Seine Mutter hingegen stammte aus einer alteingesessenen franzözischen Familie, die in der selben Region lebte.

Graissessac und seine Bewohner/innen waren stark durch den Untertage-Kohlebergbau beeinflusst. Durch diese Einnahmequelle lebten zahlreiche Immigrant/innen in dem Ort, v.a. aus Spanien, Italien,Polen,etc. Maffesoli wuchs also in einer Umgebung auf, die von der harten Bergbauarbeit, welche auch die Beschäftigung seines Vaters darstellte, geprägt war. Zu Maffesolis stärksten Erinnerungen gehört das Heulen der Sirene, welche ein Unglück ankündigte:

"In my childhood,the sound of the bell brought every woman, dressed in black, to the coal mine to organize immediate funerals" [1]

Der Arbeitsalltag in Graissessac wurde regelmäßig durch kollektive Dorffeiern, bei denen die Familien das schwere Leben vergessen konnten, unterbrochen.

Maffesolis Schulkarriere ist nicht mit der Ausbildung vieler seiner Kolleg/inn/en in Eliteschulen vergleichbar. Meffesoli besuchte das Gymnasium Henri IV in Béziers, in Südfrankreich. Nach einer kurzen Zeit in Lyon, wo Maffesoli Propädeutik und Literaturwissenschaften studierte, wechselt er 1967 an die Universität Straßburg. Dort beginnt er mittelalterliche Philosophie und Soziologie zu studieren. Zu dieser Zeit herrschen Student/inn/enunruhen und politischer Aufstand. In Straßburg war es die Zeit der Situationisten.

Die Situationistische Internationale war eine anarchistische und aktionistische Gruppierung, die hauptsächlich aus Avantgardkünstler/inne/n und Intellektuellen bestand, und von 1957-1972 existierte. Guy Debord ist die zentrale Figur in dieser Bewegung. Die Situationistische Internationale befasste sich vor allem mit Malerei,Theorie,Geschichte und Stadtplanung, wobei sich der Fokus immer mehr in Richtung Politik richtete. Ihre Ideen waren anarchistisch und libertär. Maffesoli hat sich in Gruppen aufgehalten, die dieses Gedankengut auch lebten und teilte großteils die Ideen von Debord, außer dessen in der "Gesellschaft des Spektakels" geäußerte Entfremdungskritik. Außerdem beschäftigte sich Maffesoli in Heidelberg, wo er sich während seiner Studienzeit in Straßburg oft aufhielt, mit dem deutschen Rätekommunismus.

Als Maffesoli 1971 die Assistentenstelle am Institut für Stadtforschung an der Université Pierre Mendes Frances in Grenoble annimmt, arbeitet er hauptsächlich am Thema Alltagskultur der einfachen Leute. Die Sozialist/inn/en, welche die Stadtpolitik in Grenoble zu dieser Zeit bestimmten, befürworteten eine Veränderung der gegenwärtigen Situation, hin zum "Totalitarismus der planenden und kalkulierenden Vernunft" (Keller 2006:14). Maffesoli stimmte der Einstellung der Sozialist/inn/en mit ihrer Haltung der Anarchie und des Situationsismus zu und ist bis heute ein Freund des libertären Denkens, des Anarchismus und Situationismus geblieben.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Zu Maffesolis bedeutendsten Lehrern während seiner Studienzeit zählen vor allem Lucien Braun, der auf dem Gebiet der Philosophie und Mystik des Mittelalters ein Fachmann war, und der Konfliktsoziologe Julien Freund. Durch sie lernt Maffesoli auch Max Weber und Georg Simmel kennen. Maffesoli orientiert sich schließlich an Simmels Grundverständnis von Soziologie. Auch Karl Marx hat Maffesoli beeinflusst, genauer die philosophisch-marxistischen Strömungen. Aus dieser Perspektive untersuchte Maffesoli die "Funktionsweise des Imaginären" (Keller 2006:14), nachzulesen in Logique de la domination" ("Die Logik der Herrschaft" 1976).

Auch das Werk von Martin Heidegger hat Maffesoli nachhaltig beeinflusst, wie auch die philosophischen Ansätze von Friedrich Nietzsche: z.B. die Annahme einer beständigen Wiederkehr des Gleichen oder die strikte Amoralität (vgl. Keller 2006:36). Aspekte der alten Kritischen Theorie mit Vertretern wie Henri Lefèbvre oder Herbert Marcuse sind in Maffesolis Werken ebenso wiederzufinden.

Da Maffesoli sich vor allem für theoretisch fundierte qualitative und interpretative Methoden in der Soziologie interessiert und ausspricht, befasst er sich auch eingehend mit der Lektüre von Soziolog/inn/en, die eine phänomenologische und wissenschaftssoziologische Tradition verfolgen, wie u.a. Alfred Schütz, Peter Berger und Thomas Luckmann.

Im Hinblick auf den gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Zusammenhalt beruft sich Maffesoli auf Emil Durkheims Reflexionen.

Die Position Maffesolis zum Sinnbild des Dionysos wurde vor allem durch Georges Bataille beeinflusst, auch wenn Maffesoli Bataille nicht in allen Bereichen zustimmt.

Zur Bedeutung des Imaginären, was einen Schwerpunkt in Maffesolis Arbeit darstellt, schließt er vor allem in späteren Arbeiten an den Zugang von Carl Gustav Jung an.

Guy Debord sollte an dieser Stelle auch genannt werden, da er ja wie bereits erwähnt, eine zentrale Figur des Situationismus darstellte, deren Ideen Maffesoli weitgehend teilte.

In den Jahren, die Mafffesoli in Grenoble verbringt, entstehen auch Freundschaften mit anderen Randgängern der französischen Soziologie, wie etwa zu dem Philosophen und Schriftsteller Jean Baudrillard,Gilbert Durand, einem der bedeutendsten Mentoren von Maffesoli,Edgar Morin, der eine eigenständige Form systemtheoretischer und soziologischer Reflexion auf die Komplexität der Beziehungen von Gesellschaft und Natur entwickelt hat (vgl. Keller 2006:21) und Pierre Sansot, der sich vor allem mit den Phänomenen der Alltagskultur beschäftigte.

Der Afrikaexperte,Ethnologe und Soziologe Georges Balandier ist auch eine präsente Figur in Maffesolis Leben, so ist er zum Beispiel eine jener Personen, die Maffesoli zu dem Lehrstuhl für Soziologie an der Pariser Sorbonne verholfen haben und neben Maffesoli, Organisator der ersten großen Soziologiekongresse in Frankreich. Außerdem sind er und Maffesoli gemeinsame Gründer des Centre d'Études sur l'Actuel et le Quotidien (CEAQ) an der Sorbonne.


Werke

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Monographien

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Maffesoli, Michel (1976): Logique de la domination. Paris

Maffesoli, Michel (1979): La Violence totalitaire. Paris

Maffesoli, Michel (1979): La Conquête du présent. Sociologie de la vie quotidienne. Paris

Maffesoli, Michel (1982): L'Ombre de Dionysos. Contribution à une sociologie de l'orgie. Paris

Maffesoli, Michel (1984): Essais sur la violence banale et fondatrice. Paris

Maffesoli, Michel (1985): La Connaissance ordinaire, précis de sociologie compréhensive. Paris

Maffesoli, Michel (1988): Le Temps des tribus. Le déclin de l'individualisme dans les sociétés de masse. Paris

Maffesoli, Michel (1990): Au Creux des apparences. Pour une éthique de l'esthétique. Paris

Maffesoli, Michel (1992): La Transfiguration du politique. Paris

Maffesoli, Michel (1993): La Contemplation du monde.

Maffesoli, Michel (1996): Éloge de la raison sensible. Paris

Maffesoli, Michel (1997): Du Nomadisme. Vagabondages initiatiques. Paris

Maffesoli, Michel (1997): Le Mystère de la conjonction. St Clément de Rivière

Maffesoli, Michel (2000): L'Instant éternel. Paris

Maffesoli, Michel (2003): Notes sur la postmodernité. Le lieu fait lien. Paris

Maffesoli, Michel (2003): Le voyage ou la conquête des mondes.

Maffesoli, Michel (2004): Le Rythme de la vie. Paris

Maffesoli, Michel (2004): La Part du Diable. Champs-Flammarion

Maffesoli, Michel (2007): Le Réenchantement du Monde. Paris


Werke in Kollaboration

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Maffesoli, Michel / Pessin, Alain (1978): La violence fondatrice. Paris

Maffesoli, Michel / Bruston, Andre (1979): Violence et transgression. Paris

Maffesoli, Michel (1980): La galaxie de l'imaginaire. Dérive autour de l'oeuvre de Gilbert Durand. Paris

Balandier, Georges / Maffesoli, Michel (1981): Les Sociologies I. Band 1. Paris

Balandier, Georges / Maffesoli, Michel (1981): Le pluriel. In: Recherches Sociologiques: Vol 13, Nr.1/2. Straßburg

Balandier, Georges / Maffesoli, Michel (1982): Les Sociologies I. Band 2. Louvain

Rivière, Claude / Maffesoli, Michel (1985): Une Anthropologie des Turbulences. Hommage à Georges Balandier. Paris

Maffesoli, Michel (1989): The Sociology of Everyday Live. In: Current Sociology. ISA. The Sociology of Everyday life: Vol 37, Nr.1. London


Das Werk in Themen und Thesen

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Michel Maffesolis praktisches Verständnis von Soziologie

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Um die wichtigsten Thesen Maffesolis zu verstehen, ist es notwendig etwas über seine Einstellung zur Soziologie und seine "Praktizierung" der Soziologie zu wissen: Wie bereits erwähnt, steht Maffesoli für ein qualitative, interpretative und verstehende Soziologie aus einer libertären Perspektive. Deshalb sind auch seine wichtigsten behandelten Themen und Thesen nicht auf das Logische reduzierbar und quantifizierbar. Vielmehr geht es um ein affirmatives soziologisches Erkennen. (vgl. Keller 2006:62).

" Ist das, was ich mache, etwas Wissenschaftliches? Da bin ich mir nicht sicher. Nehmen Sie es lieber als eine Art von Wachträumerei, der ich nachgehe und die ich zur Diskussion stelle." [2]

Die Umsetzung von Maffesoli´s Ideen werden als "Phänomenologie des "Stils" und der "Formen" postmoderner Sozialität" (Keller 2006:69)bezeichnet. Diese operiert mit verschiedenen Techniken des Sichtbarmachens, wie z.B Metaphern. "Stil" bedeutet in diesem Sinn, zum Beispiel eine epochenspezifische Ausdrucksform, bei Maffesoli besonders die Unterscheidung zwischen "modernem" und "postmodernem" Stil. Seiner Meinung nach reflektiert der Stil einer wichtigen Zeitspanne, das Denken und Gefühl einer Kultur. "Formen" bezeichnen in diesem Sinn die verschiedenen Strukturbildungen innerhalb sozialer Beziehungen. (Vgl. Keller 2006:62-77)


Themen und Formanalysen

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Macht und Gewalt

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Maffesoli macht bei seinen Reflexionen über Gewalt, aber auch Macht und Herrschaft auf die "Doppelgesichtigkeit" aufmerksam. Auf der einen Seite ist Gewalt zerstörerisch, auf der anderen Seite schaffend. Gründungen von modernen Nationen beruhen meist auf Gewaltanwendungen.

Außerdem unterscheidet Maffesoli zwischen der"totalitären Gewalt der institutionalisierten Mächte", wie Bürokratien oder Staaten, einer "begründenden anomischen Gewalt sozialer Kollektive" und der "banalen,im Alltagsleben ritualisierten Gewalt".

In Bezug auf das Politische unterscheidet Maffesoli zwei soziale Erscheinungsformen:

  • "puissance": nicht-organisierte bzw. -institutionalisierte Macht. Erinnert an Nietzsches "Wille zur Macht".
  • "pouvior": politisch institutionalisierte und legitimierte Macht (z.B.: Staatsmacht)

(Vgl. Keller 2006:78-93)


Das Alltagsleben

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Für Maffesoli stellt das Alltagsleben einen Ort der widerständigen und nicht politischen Sozialität, aber auch die"sich vollziehende Vergemeinschaftung" (Maffesoli 1985b:13, zit. nach: Keller 2006:94) dar. Der Alltag ist ein "Mittel der schöpferischen Alternative und Widerstandsraum" (vgl. Balandier 1983:12, in: Keller 2006:93).

Für die soziologische Analyse hat Maffesoli zwei Ansatzpunkte herausgearbeitet:

  • Alltagsleben, als Ausdruck der existenziellen Sinnlosigkeit ("Sein zum Tode")
  • Alltag, durchzogen von Rituellem und Irrationalem, welche die "grundsätzliche Tragik der Existenz auffangen" (Keller 2006:94)


Das Dionysische Paradigma

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In der griechischen Götterwelt ist Dionysos ein Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase. Er stellt sowohl Liebe als auch Tod dar, ist Symbol von der "Entfesselung" von Sorgen, aber auch des Leidens und der Widersprüche.

Nach Nietzsche, Freud und Durkheim greift u.a. Maffesoli die unproduktiven und dionysischen Aspekte des Alltagslebens wieder auf. Er versucht diese Situationen des "Außer-Sich-Seins" (Keller 2006:101), des Rausches und der Ekstase empirisch nachzuweisen und im nächsten Schritt die Argumentation einer Wieder-Verbreitung des Dionysischen zu entwickeln. Damit ist eine Verbindung von neuem Hedonismus, der Ökologie-Bewegung und der "Zirkulation der Leidenschaften" gemeint (Vgl. Keller 2006:100f.). Die Logik der Vergemeinschaftung beginne, so Maffesoli, die Logik der Vergesellschaftung abzulösen. Der Orgiasmus stellt in diesem Zusammenhang das Verschmelzen des Individuums mit dem Kollektiv zu einer "konfusiellen Ordnung korrespondierender Elemente" (Keller 2006:102) dar.


Neo-Tribalismus und postmodernes Nomadentum

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  • Neo-Tribalismus: Maffesoli hat die These aufgestellt, dass der Gesellschaftsvertrag durch ein konfliktreiches, zergliedertes und sich ständig neu arrangierendes Netz aus "Stammesbildungen"abgelöst wird. Er bezeichnet diese "Abstimmung" als "postmoderne Form des sozialen Bandes" (Maffesoli 1993a:73, zit. nach: Keller 2006:106). Der Begriff des Stammes verdeutlicht, dass die Verbindungen nicht zweckorientiert sind, sondern aufgrund gemeinsamer Erlebnisse, Gefühle und Erfahrungen entstehen. Innerhalb des Stammes bestehen Rituale, Zwänge, etc., an die sich die Mitglieder des Stammes halten müssen. Kennzeichnend für den Neo-Tribalismus ist das dynamische Hin und Her zwischen der "Masse" und den Stämmen, wobei auch gemeint ist, dass die Zugehörigkeit zu einem Stamm nur temporär ist und Stammeswechsel möglich sind.
  • postmodernes Nomadentum: Die Individuen agieren in dieser postmodernen Gesellschaftsform als ruhelose "Nomaden" zwischen den Stämmen. Der postmoderne Nomade ist als Idealtypus zu verstehen. Er ist in den vielen sozialen Kreisen, in denen er verkehrt sowohl zugehörig, als auch außerhalb, zugleich verbunden und getrennt. Er lehnt das Streben nach Konsistenz und Eindeutigkeit ab. Vielmehr ist er ein dahintreibendes Individuum auf der Entdeckung verschiedenster Möglichkeiten und Selbstverwirklichung.(Vgl. Keller 2006:106-123)


Rezeption und Wirkung

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Dass Michel Maffesoli für seine Leistungen reichlich Anerkennung findet, lässt sich schon aus dem Kapitel "Biographie in Daten" (siehe Beginn des Artikels), in dem einige Auszeichnungen aufgelistet sind,ableiten. Auch die Auflagenzahlen seiner Bücher sprechen für Maffesoli. Allerdings gilt er unter manchen französischen Soziolog/inn/en durch seine "anderen" Ansichten als Aufrührer.

Insgesamt hat Maffesoli jedoch wichtige Begriffe geprägt und zahlreiche Denkanstöße sowie Forschungsprogramme geliefert. Weltweit nutzen Soziolog/inn/en seine Arbeit für ihre Forschungen. Aktuelle Beispiele wären Themen wie z.B. Banden der Pariser Metro-Unterwelt, Drogenszenen, etc. Im deutschen Sprachraum wurden seine Arbeiten vor allem von Dietmar Kamper und Christoph Wulf für das Projekt einer "Historischen Anthropologie der Leidenschaften" genutzt. Im englischsprachigen Raum trifft man vor allem auf seine Theorien zum Neo-Tribalismus und zum postmodernen Nomadentum. Außerdem gilt er in Cultural Studies als bedeutender französischer Kulturtheoretiker (Vgl. Keller 2006:123-126)


Literatur

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  • Keller, Reiner (2006):
    "Michel Maffesoli. Eine Einführung"
    Konstanz
  • Evans, David (1997):
    "Michel Maffesoli´s sociology of modernity and post-modernity: an introduction and critical assesment. In: The Sociological Review: Vol.45"
    S.220-243
  • Fish, Jonathan S. (2003):
    "Stjepan Mestrovic and Michel Maffesoli´s "implosive" defence of the Durkheimian tradition: theoretical convergences around Baudrillard´s thesis on the "end" of the social In: The Sociological Review: Vol.51, Nr.2"
    S.257-275
  • Keller, Reiner (1988):
    "Das ästhetische Paradigma in der Soziologie von Michel Maffesoli. Ein exemplarischer Vergleich französischer und deutscher Theorien der Gegenwart. Unv. Diplomarbeit"
    Bamberg
  • Keller, Reiner (2006):
    "Michel Maffesoli. Die Rückkehr der Stämme in der Postmoderne In: Moebius, Stephan / Quadflieg, Dirk [Hrsg.]: Kultur. Theorien der Gegenwart"
    Wiesbaden
  • Keller, Thomas (2004):
    "Ein französischer Lebenssoziologe. Michel Maffesoli In: Moebius, Stephan / Peter, Lothar [Hrsg.]: Französische Soziologie der Gegenwart"
    Konstanz


Internetquellen

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Einzelnachweise

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  1. Maffesoli, 2005, S. 200, zit. nach Keller, 2006, S. 10
  2. Maffesoli 2004c, zit. nach Keller, 2006, S. 62

Malinowski, Bronislaw

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Biographie in Daten

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Pobóg-Malinowski Bronisław Kasper

  • geboren am 17.04.1884 in Krakau (Polen)
  • gestorben am 16.05.1942 in New Haven (Connecticut, USA) ( Ursache: Herzinfarkt)

Religion: Römisch-katholisch

Eltern:

  • Vater: Lucjan Malinowski (27.05.1839-15.01.1898); Beruf: Dialektologe, Folkloreforscher und Slawist; Professor der Slawistik an der Jagiellonen-Universität
  • Mutter: Józefa Malinowska, geb. Łącka (?.?.1848-24.01.1918); polnische Adelige; Beruf: Linguistin

Geschwister: Keine

Kinder: Józefa Mary (*08.08.1920); Wanda (*25.01.1922) und Helena (*17.05.1925); alle 3 Kinder aus erster Ehe

Ehe:

  • 1. Ehe: 1919 mit Elsie Rosalie Masson (29.09.1890-18.09.1935)
  • 2. Ehe: 1940 mit Valetta Swann (Anna Valetta Hayman-Joyce) (?-?.?.1973)

Ausbildung

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  • 189?-1902: Schulbildung am King Jan III Sobieski-Gymnasium in Krakau
  • 1902: Abitur (Externistenprüfung)
  • 1902-1907: Studium der Mathematik und Naturwissenschaften
  • 1904-1907: Studium der Psychologie und Philosophie
  • 1907: PhD in Philosophie
  • 1909-1910: Studium der Physikalischen Chemie und Völkerpsychologie an der Universität Leipzig; bekam das „Barczewski“-Stipendium für die Ausbildung zum Universitätsprofessor
  • 1910-1916: Studium der Anthropologie an der London School of Economics and Political Science (LSE)
  • 1916: PhD in Science

Berufliche Daten

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  • 1924: Lehrbeauftragter für Sozialanthropologie (LSE)
  • 1927: Professor für Sozialanthropologie (LSE)
  • 1939: Gastprofessor (Yale-University)

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Malinowski wurde in jungen Jahren von dem naturwissenschaftlichen Philosophen Ernst Mach beeinflusst. Später beschäftigte er sich stark mit der damals populären Psychoanalyse Sigmund Freuds. Er wies darauf hin,die interkulturellen Unterschiede wichtiger sozialer Beziehungen (z.B. Eltern-Kind-Beziehungen) zu beachten und warnte davor, Freuds Erkenntnisse auf fremde Kulturen zu übertragen.

Werke

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  • 1922: "Argonauten des westlichen Pazifik"
  • 1927: "The father in the primitive psychology"
  • 1929: "Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien"
  • 1935: "Coral Gardens and their Magic"
  • 1944: "A Scientific Theory of Culture and Other Essays"
  • 1948: "Magic, Science and Religion"
  • 1949: "A Scientific Theory of Culture"
  • 1949: "Sitte und Verbrechen bei den Naturvölkern"
  • 1951: "Die Dynamik des Kulturwandels"
  • 1951: "Kultur und Freiheit"
  • 1967: "Tagebücher Malinowskis" (Hrsg. Valetta Malinowski)

Das Werk in Themen und Thesen

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Theorie der Bedürfnisse

Malinowski erstellte die funktionalistische Theorie der Bedürfnisse, die er aus der Theorie der menschlichen Bedürfnisse und der Theorie der Institutionen ableitete. In der Theorie der menschlichen Bedürfnisse sammelte er funktionale Imperative. Die Theorie der Institutionen umfasst die Antworten auf diese funktionalen Imperative bzw. Bedürfnisse. Beide Theorien bildeten die Basis für seine Theorie der Bedürfnisse, in der er die Grundbedürfnisse mit ihren kulturellen Entsprechungen verknüpfte. Malinowski versteht dabei Kultur als einen instrumentellen Apparat zur Lösung von Problemen und zur Bedürfnisbefriedigung von Individuen. Weiters unterscheidet er in seiner Theorie der Bedürfnisse zwischen Grundbedürfnissen („basic needs„) und abgeleiteten Bedürfnissen bzw. Folgebedürfnissen („derived needs„). Die Grundbedürfnisse (z.B. physischer Komfort) werden durch Institutionen (z.B. Unterkünfte) befriedigt, jedoch existieren auch Institutionen, die nur in funktionalem Zusammenhang mit den Grundbedürfnissen stehen, also nicht ausschließlich die Grundbedürfnisse befriedigen, sondern darüber hinaus auch Folgebedürfnisse. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Malinowski unter Kultur ein interdependentes System von Institutionen versteht, wobei jede Institution als Mittel zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung fungiert.

5 Axiome für seine Kultur der Gesellschaft

1) Kultur ist ein instrumenteller Apparat zur Problemstellung und Problemlösung der Umwelt.

2) Kultur ist ein System von Objekten, Tätigkeiten und Einstellungen, die als Mittel zum Zweck dienen, sie tragen also zur Erhaltung der gesellschaftlichen Struktur bei.

3) Kultur ist ein Ganzes, das aus vielfältigen Elementen besteht, die einander bedingen. Kultur besteht nicht aus zufälligen Elementen, sondern ist organisiert und interdependent.

4) Handlungen, Einstellungen und Objekte, die zu sozialen Beziehungen beitragen, organisieren sich in Institutionen.

5) Verschiedene Institutionen passen sich den gegenwärtigen Bedürfnissen an.

Magie, Wissenschaft und Religion

Malinowski widmet sich auch der Frage der Dreiecks-Konstellation zwischen Magie, Religion und Wissenschaft. Für primitive Völker wird Magie als unerlässliches Ritual verstanden, damit ihre Pflanzen gedeihen können. Er erwähnt weiter, dass diese Völker nicht wissen, dass ihre Pflanzen auch ohne dem Ritual der Magie wachsen würden.

Rezeption und Wirkung

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Malinowski nahm mit seiner Theorie der Bedürfnisse Einfluss auf soziologische und ethnologische Theorien.

Literatur

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  • Bernsdorf/ Knospe (1984):
    "Internationales Soziologenlexikon Band 2: Beiträge über lebende oder nach 1969 verstorbene Soziologen. 2., neu bearbeitete Auflage"
    Stuttgart
  • Oesterdiekhoff, Georg W. [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke. 1. Auflage"
    Wiesbaden

Internetquellen

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Mannheim, Karl

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Biographie in Daten

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Mannheim Karl

  • geboren am 27.03.1893 in Budapest
  • gestorben am 09.01.1947 in London


Familie:

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  • Eltern: Gusztáv Mannheim, Textilhändler und
Rosa Mannheim, geborene Eylenburg, Hausfrau
  • Kinder: keine
  • Ehe: 1921 mit Károlyné Júlia Láng (1893-1955), Dr. phil., Psychologin


Ausbildung:

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Besuch des Kölcsey-Gymnasiums in Budapest, 1911 Matura
  • 1911-1916 Studium der Philosophie und Literaturwissenschaften in Budapest
Es folgten Studienjahre in Berlin, Paris, Freiburg und Heidelberg
  • 1918 Promotion mit einer Arbeit über »Die Strukturanalyse der Erkenntnistheorie« im Fachbereich Philosophie der Universität Budapest
  • 1926 Habilitiert für Soziologie bei Alfred Weber (1868-1958) an der Universität Heidelberg;
Habilitationsschrift: Altkonservatismus (später veröffentlicht unter dem Titel: Konservatismus. Ein Beitrag zur Soziologie des Wissens)


Berufliche Daten:

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  • 1918-1919 Professor für Französisch und Deutsch an der Oberhandelsschule in Budapest
Sommer 1919 Lehrbeauftragter für Philosophie an der Hochschule für Erziehungswissenschaften in Budapest
  • 1926-1930 Privatdozent in Heidelberg, 1927/28 Lehrauftrag an der Universität Heidelberg
  • 1930-1933 Ordentlicher Professor der Soziologie und Nationalökonomie und Institutsvorstand an der Universität Frankfurt am Main
  • 1933-1947 Mitglied der "University of London" in London: 1933-1945 außerplanmäßiger Lecturer für Soziologie an der London School of Economics and Political Science, außerdem 1941-1945 Lecturer am Institute of Education, 1945-1947 Professor of Education und Chairman am Institute of Education
  • 1942-1947 Begründer und Leiter der Schriftenreihe "International Library of Sociology and Social Reconstruction" (London-New York, N.Y.)
  • 1946 designierter Chairman der Europäischen Section der UNESCO, konnte das Amt aus Gesundheitsgründen aber nicht mehr antreten


Weitere wichtige Daten:

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  • 1919-1923 nach der Niederschlagung der Ungarischen Räterepublik musste er Ungarn verlassen und floh über Wien, Berlin und Freiburg nach Heidelberg
  • 1921 Eheschließung mit seiner langjährigen Studienkollegin, Psychologin Károlyné Júlia Láng
  • 1933 nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten aus dem Universitätsdienst entlassen. Emigration nach London über Amsterdam und Paris


Historischer Kontext

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Karl Mannheim wurde in eine gut situierte jüdische Familie geboren. Bereits als sehr junger Mann verkehrte er in verschiedenen intellektuellen Kreisen in Budapest, die nicht nur das geistige, sondern auch das politische Leben und die Entwicklung Ungarns mitbestimmten. Die fortschrittlichen Denker der Zeit waren in zwei Gruppierungen geteilt. Die eine bestand aus Verfechtern der Modernisierung, die andere aus Befürwortern radikalen kulturellen und geistigen Erneuerung. Mannheim war beiden Richtungen verbunden, somit stand seine frühe intellektuelle Entwicklung unter dem Eínfluss von den beiden Führern dieser Gruppierungen: Oscar Jászi und Georg Lukács. Politisch war Mannheim eher Jáski zugeneigt aber auf intellektueller Ebene war Lukács bedeutend wichtiger für ihn, nahm er doch auch an Lukács Budapester "Sonntagskreis" teil. Nach der Oktoberrevolution 1918 trat dieser in die kommunistische Partei ein. Mannheim folgte ihm zwar nicht, doch er blieb mit ihm verbunden und erhielt von der revolutionär-kommunistischen Regierung sogar eine Dozentenstelle an der Hochschule für Erziehungswissenschaften in Budapest. Ein Jahr später wurde die kommunistische Regierung gestürzt. Das neue Regime war antikommunistisch, reaktionär und auch antisemitisch. Somit mussten sowohl Mannheim als auch Lukács und zahlreiche andere Intellektuelle das Land verlassen. Mannheim floh über Wien, Berlin und Freiburg nach Heidelberg, wurde dann an die Universität Frankfurt berufen.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor er 1933 seine Professur und musste sofort emigrieren. Mannheim galt als besonders gefährdet, da er unter den Machthabern als links galt und außerdem Jude war. Somit ging er ins Exil nach England. Er erhielt dort von der London School of Economics eine außerplanmäßige Dozentur übertragen, die aus besonderen Mitteln für exilierte Forscher finanziert wurde. Dort machte er es sich zu seiner neuen Aufgabe, die übergreifende Krise zu diagnostizieren, die er für die deutsche Katastrophe verantwortlich machte. Weiters wollte er in Großbritannien an vorbeugenden und therapeutischen Maßnahmen mitarbeiten.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Während eines Studiensemesters in Berlin im Jahre 1914 hörte Mannheim Georg Simmel, er sah ihn als „subtilen Vermittler zwischen Kulturphilosophie und Soziologie“. Auch Edmund Husserl und Heinrich Rickert waren wichtige deutsche Lehrer für ihn. In seiner deutschen Phase wandte sich der gebürtige Ungar immer mehr den Sozialwissenschaften zu, besonders dem Werk Max Webers (zu dessen Kreis gehörte auch Lukács), Max Schelers und Karl Marx`. Mannheim hat den Ideologiebegriff von Karl Marx erweitert, indem er nicht nur alle anderen in Ideologien verwickelt sah, sondern auch die eigene Position unter Ideologieverdacht stellte.

Als Mannheim seine Studien bei Alfred Weber fortsetzte, arbeitete er sich in die Kultursoziologie ein und verband sie mit seinen bisherigen wissenschaftlichen Interessen. Die Kultursoziologie befasste sich zu der Zeit mit der Untersuchung von Denken, Wissen und Wissenschaft. Daraus begründete Mannheim die eigentliche soziologische Disziplin „Wissenssoziologie“. Als grundlegende Frage sah er dafür den Zusammenhang zwischen Sein und Bewusstsein.

Mit der Zeit grenzte er sich immer mehr von der Kultursoziologie Alfred Webers ab, doch erst auf dem Züricher Soziologentag 1928, wo Mannheim den Vortrag „Die Bedeutung der Konkurrenz im Gebiete des Geistigen“ hielt, wurden die Differenzen zwischen den beiden offen gelegt. Dieser Vortrag wurde zu einem Stück Geschichte der Soziologie, denn damit legte Mannheim den Grundstein der Wissenssoziologie. Doch er entfachte auch ein Disput mit Alfred Weber, welchen er in seinem Vortrag direkt angriff und als einen Vertreter des Liberalismus zitierte. Weber verfasste eine Erwiderung, in der auch er Mannheim attackierte. Zum beiderseitigen Glück wurde Mannheim ein Jahr später nach Frankfurt an den Lehrstuhl für Soziologie berufen, womit der Konflikt in Heidelberg einstweilen stillgelegt war.

Werke

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  • Die Strukturanalyse der Erkenntnistheorie. Berlin 1922
  • Ideologie und Utopie. Bonn 1929
  • Die Gegenwartsaufgaben der Soziologie. Tübingen 1932
  • Mensch und Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus. Leiden 1935
  • Diagnosis of our Time. London 1943
  • Freedom, Power and Democratic Planning. Hrsg. Ernest K. Bramsted and Hans Gerth. London 1950
  • Strukturen des Denkens. Hrsg. von David Kettler, Volker Meja und Nico Stehr, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980
  • Konservatismus. Hrsg. von David Kettler, Volker Meja und Nico Stehr, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1984


Das Werk in Themen und Thesen

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Überblick

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Karl Mannheims Biografie lässt sich in drei Hauptphasen unterscheiden: Ungarn, Deutschland, England. Seine ersten ungarischen Schriften, in denen er vorwiegend literarische und philosophische Themen bearbeitet, sind kaum bekannt. Danach folgt die deutsche, soziologisch-philosophische Phase (1921 -1933), in der er sich mit Themen wie Interpretation, Erkenntnis, Wissen beschäftigt und mit den, dem Wissen zugrunde liegenden sozialen Prozessen auseinandersetzt. In dieser Zeit verfasst er auch sein Hauptwerk „Ideologie und Utopie“ Noch bevor er Deutschland verlassen muss, schreibt er ein Resümee seiner Positionen. (Zur Problematik der Soziologie in Deutschland, 1929; Wissenssoziologie, 1931; Die Gegenwartsaufgaben der Soziologie, 1932) Darin erkennt man schon deutlich, dass Mannheim seine Zeit verstehen will. In seiner letzten Phase in England macht er es sich schließlich zur Aufgabe, Diagnosen zu erstellen und Verbesserungsprogramme zu entwickeln. Das erste Werk dieser Phase schreibt er noch auf Deutsch (Mensch und Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus, 1935), doch seine restlichen Publikationen verfasst er nur noch in englischer Sprache. Mannheim schrieb zwei Bücher (Diagnose of Our Time, 1943; Freedom, Power and Democratic Planning, 1950) wobei letzteres erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Außerdem verfasste er eine Vielzahl von Artikeln, die in populären Zeitschriften publiziert wurden.


Wichtigste Themen und Thesen

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Karl Mannheim gilt als Begründer und wichtigster Vertreter der Wissenssoziologie, der Lehre von der historischen und sozialen Bedingtheit aller Erkenntnis, deren Grundlagen er vor allem in seinem 1929 erschienenen Hauptwerk »Utopie und Ideologie« schildert.

Für Mannheim ist jegliches Denken in sozialen Zusammenhängen jeglicher Art, Thema der Wissenssoziologie. Er vertritt die These, dass menschliches Denken und somit auch menschliches Wissen nicht nur von den Gegebenheiten des menschlichen Geistes und den Tatsachen der Welt abhängig ist, sondern entscheidend bestimmt wird von Faktoren des sozialen Seins. Die soziale "Seinsgebundenheit des Wissens" sagt somit aus, dass historisch-soziale Prozesse und Strukturen ebenso wie die Positionen der gesellschaftlichen Gruppen innerhalb dieser sozialen Strukturen unser Wissen beeinflussen. Die einzelnen Gruppen entwickeln spezifische Motive und Machtinteressen aufgrund ihres sozialen Standorts, diese prägen schließlich die Denkstrukturen und Weltanschauungen der Gruppe. Solche Denkstrukturen legen fest, wie eine Sache gesehen wird, wie sie einem bewusst wird und welches formulierbare Wissen daraus entstehen kann. Somit ist jedes Denken, auch das eigene, ideologisch, also perspektivisch zu betrachten. Denn aus unterschiedlichen Auslegungen des Seins entstehen eben verschiedene Ideologien.

Der von Mannheim vorgeschlagene "allgemeine und totale Ideologiebegriff" bezieht sich somit auf die gesamte spezifische Denkstruktur und das darin formulierte Wissen einer jeden Gruppe. Jede Ideologie besitzt schließlich einen charakteristischen Denkstil, der in seiner Perspektive eingeschränkt ist und somit immer auf irgendeine Art unvollkommen und einseitig ist. Die verschiedenen Denkrichtungen lassen sich grundsätzlich auf wenige historisch spezifische Typen reduzieren, wobei Liberalismus, Konservatismus und Sozialismus die Hauptmuster darstellen.

Die Wissenssoziologie versucht nun den gesamten ideologischen Bereich zusammen mit seinen historischen Wechselwirkungen und Veränderungen zu erfassen. Weiters kann sie Erklärungen für die sich ständig verändernden Klassen- und Generationssituationen abgeben. Dadurch wird es möglich, ein Bild der „Totalität“ der Situation als Ganzes zu erstellen, das dem ideologisch ausgerichteten Betrachter sonst nur in Teilstücken möglich wäre.

Mannheim ist überzeugt, dass ideologisches Denken durch Wissenssoziologie überwunden werden kann, da unser Denken und die Ideologien vom Sein abhängig sind. Soziale Seinslage definiert Mannheim auch als Erlebenslage. Wie bereits erwähnt, beruht unser Denken darauf, wie wir die rationalen Prozesse wahrnehmen, wie wir sie erleben, wie sie uns bewusst werden. Nicht „das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein“, wie es Marx formuliert hat, sondern umgekehrt aus dem Bewusstsein entsteht das Sein, so Mannheim. In so genannten Erlebenslagen gibt es nun die Möglichkeit der gezielten Einflussnahme auf die soziale Lage. Allerdings sind nicht alle Gesellschaftsmitglieder dafür geeignet, sondern dies sind vor allem Intellektuelle. Er verwendet hier einen Begriff von Alfred Weber - die sozial „freischwebende Intelligenz“ - eine soziale Schicht, die sich keinen Interessen verpflichtet fühlt, da sie nicht absolut in die Seinslage eingebunden ist. Durch ihr wissenschaftlich fundierten Wissens sind diese Intellektuellen in der Lage, Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Wissens- und Ideologieformen richtig zu erkennen und zwischen ihnen zu vermitteln bzw. Synthesen zu ermöglichen.

Daraus ergibt sich, dass die Menschen durch das Sein formbar sein müssten. Mannheims Idee ist es nun, durch die freischwebende Intelligenz, eine demokratische Planung für die Menschen zu entwickeln, um die Menschen so umzuformen, dass eine demokratische Gesellschaft möglich ist. Letztendlich erklärt Mannheim die Wissenssoziologie sogar zur zentralen Disziplin der Soziologie. Denn nur sie würde es schaffen, die Zeit- und Standortgebundenheit des Denkens aufzubrechen.

Rezeption und Wirkung

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Karl Mannheim wurde erst nach seinem Tod zu einem „Klassiker“ der Soziologie, im Gegensatz zu vielen anderen Denkern. Vor allem in den zwanziger Jahren, während derer er am bedeutendsten und lebhaftesten war, hat Mannheim beachtliche Reaktionen hervorgerufen. Vor allem mit der Veröffentlichung seines Buches „Ideologie und Utopie“ rief er allgemeine Aufregung hervor. Bald darauf war er in Frankfurt einer größeren intellektuellen Gemeinschaft und einer breiten Öffentlichkeit als kommender Soziologe bekannt. Auch eine bemerkenswerte Gruppe junger Denker wurde damit auf ihn aufmerksam gemacht und verfasste lange kritische Analysen und Auseinandersetzungen über sein Werk. Darunter waren Paul Tillich, Hannah Arendt, Herbert Marcuse und Hans Speier.

Vor allem als Mannheim die Wissenssoziologie als Möglichkeit vorstellte, die konkurrierenden politischen Parteien in die Lage zu versetzen, trotz aller Differenzen auf ein gemeinsames Verständnis der gegenwärtigen Situation hinzuarbeiten, wurde er heftig kritisiert. Doch seine Deutung der geistigen Situation der Zeit fand allgemeine Zustimmung.

Das Weimarer Publikum, das politisch und literarisch sehr gebildet war, sah Mannheim als einen der aktuellsten Denker an und sein Werk „Ideologie und Utopie“ galt als das repräsentativste seiner Zeit. Für die einen war es ein Symptom der Kulturkrise und für die anderen eine Verheißung eines Ausweges.

Im Laufe der Zeit wurde Mannheim bei politischen und methodologischen Fragen immer vorsichtiger, was in seiner Deutschland-Phase, vor allem in Frankfurt zu eher kühlen Beziehungen zu seinen Kollegen führte. Bis auf die gelegentlichen Treffen in einem Kreis religiöser Soziologen um Paul Tillich, gab es dort kaum Kontakt zu anderen Soziologen. Eine Ausnahme stellte sein Assistent Norbert Elias dar. Die Beziehung zwischen den beiden war mehr als nur ein Meister-Lehrling-Verhältnis. Zahlreiche Themen und Thesen aus Mannheims Vorlesungsnotizen wurden von Elias in seinen späteren Veröffentlichungen wieder bearbeitet.

Robert K. Merton schrieb 1941 einen einflussreichen Aufsatz („The Sociology of Knowledge“), indem Mannheim als großer Gesellschaftstheoretiker bezeichnet wird. Merton erkennt ihm zwar zu, dass Mannheim die „Umrisse der Wissenssoziologie mit erstaunlicher Einsicht und Kenntnis“ aufgezeigt hat, kritisiert jedoch seine Theorie als nicht logisch genug. Weiters schreibt Merton, dass Mannheim Verbindungen zwischen dem Wissen und der sozialen Struktur aufzeigt, die bisher unerkannt geblieben sind. Sie werden aber erst überzeugen können, wenn die logischen Unstimmigkeiten beseitigt worden sind, so Merton.

Mannheim wurde somit zwar als Wegbegleiter der Soziologie anerkannt, auf seinen totalen Ideologiebegriff wurde jedoch verzichtet, obwohl gerade damit Mannheims Auseinandersetzung mit der wissenssoziologischen Problematik begonnen hat.

Seit den Sechziger Jahren ist ein erneutes aber verändertes Interesse an Mannheim festzustellen. Viele Kritiker sehen in Mannheims Denkweise gewisse „linke“ Züge, deshalb wird Marxisten sogar immer wieder empfohlen, das Werk „Ideologie und Utopie“ zu lesen, trotz der „unpolitischen Ideologie“, die Karl Marx völlig widerspricht und deshalb oft verurteilt wird.

Zu den schärfsten Kritikern Mannheims gehören auch Persönlichkeiten wie Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse, alle drei wichtige Vertreter der Frankfurter Schule.

Trotz der vielen Kritikpunkte gibt es auch immer wieder Soziologen, die sich mit der Problematik aus Mannheims Hauptwerk beschäftigen und an seine Denkweise anknüpfen, so z.B. Kurt H. Wolff. So gilt Mannheim als ein Gesprächspartner, den manche junge Soziologen in den Dialog mit großen Persönlichkeiten, wie Pierre Bourdieu bringen kann. Ein Grund dafür mag sein, dass die geistige Situation der heutigen Zeit, wenn man die Postmodernisierungsproblematik beiseite lässt, mit der Problemkonstellation zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu vergleichen ist.

Literatur

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  • Kettler, David/ Meja, Volker (2003):
    "Karl Mannheim In: Käsler, Dirk [Hrsg.]: Klassiker der Soziologie. Band 1 Von Auguste Comte bis Norbert Elias. 4. Auflage"
    München
  • Kettler, David/ Meja, Volker (2000):
    "Karl Mannheim In: Käsler, Dirk /Vogt, Ludgera [Hrsg.]: Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart, S.261 ff
  • Korte, Hermann [Hrsg.] (1995):
    "Einführung in die Geschichte der Soziologie. 3. Auflage"
    Opladen
  • Mannheim, Karl (1952):
  • "Ideologie und Utopie. 3. und vermehrte Auflage"
    Frankfurt am Main
  • Microsoft Corporation [Hrsg.] (2003):
    "Encarta Enzyklopädie Professional"
  • Schofer, Bernd (2001):
    "Mannheim Karl. Ideologie und Utopie In: Oesterdiekhoff, Georg W.[Hrsg.]: Lexikon der soziologischen Werke"
    Wiesbaden
  • Wolff, Kurt H. (1978):
    "Karl Mannheim In: Käsler, Dirk[Hrsg.]: Klassiker des soziologischen Denkens. Band II Von Weber bis Mannheim"
    München


Internetquellen

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Marcuse, Herbert

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Biographie in Daten

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Marcuse Herbert

  • geboren am 19. Juli 1898
  • gestorben am 29. Juli 1979


  • Herbert Marcuse wird als Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten aus Pommern in Berlin geboren.
  • 1917-1919 Mitglied der SPD.
  • 1918 Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg. Während der Revolution wird Marcuse in den Soldatenrat von Berlin-Reinickendorf gewählt.
  • 1918-1922 Marcuse studiert in Berlin, dann in Freiburg Germanistik und neue deutsche Literaturgeschichte im Hauptfach, Philosophie im Nebenfach. Er promoviert 1922 in Freiburg mit der Arbeit "Der deutsche Künstlerroman".
  • 1924 Marcuse heiratet Sophie Wertheim. Aus der Ehe geht ein Sohn hervor.
  • 1928-1932 Rückkehr nach Freiburg. Fortsetzung des Studiums der Philosophie bei Edmund Husserl (1858-1938) und Martin Heidegger. Der Versuch, sich bei Martin Heidegger zu habilitieren, scheitert auf Grund von Differenzen zu Heideggers anfänglich positiver Einstellung zum Nationalsozialismus. Seine Habilitationsschrift wird jedoch trotzdem veröffentlicht.
  • 1930 Neben Erich Fromm und Max Horkheimer gehört Marcuse zu den Mitgründern des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt/Main.
  • 1933 Durch Vermittlung von Leo Löwenthal (1900-1993) tritt Marcuse am 30. Januar dem von Max Horkheimer geleiteten Frankfurter Institut für Sozialforschung bei. Zu Horkheimers engsten Mitarbeitern zählten weiterhin Theodor W. Adorno, und Erich Fromm. Herbert Marcuse verlässt Deutschland und übernimmt die Leitung der Zweigstelle des Instituts in Genf. Anschließend geht er nach Paris.
  • 1934 Marcuse emigriert nach New York, wo er weiter am Institut für Sozialforschung, das neue Räume an der Columbia-University erhält, arbeitet.
  • 1940 Marcuse erhält die amerikanische Staatsbürgerschaft.
  • 1941 In New York erscheint "Reason and Revolution. Hegel and the Rise of Social Theory", das 1962 erstmals unter dem Titel "Vernunft und Revolution. Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie" in deutscher Sprache veröffentlicht wird.
  • 1942-1950 Marcuse arbeitet als Sektionschef im Office of Strategic Services in Washington, der US-Spionageabwehrbehörde, und wird dann Leiter der Europaabteilung. Ab 1950 Verschiedene Lehraufträge und Forschungsprojekte an amerikanischen Universitäten
  • 1950-1951 Vorlesungen an der Washington School of Psychiatry. Vorarbeiten zu seinem Band "Eros and Civilisation".
  • 1951 Marcuses erste Ehefrau Sophie Wertheim stirbt an Krebs.
  • 1952-1953 Marcuse ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Russian Institute der Columbia-University in New York.
  • 1954-1955 Untersuchungen am Russian Research Center der Harvard-University in Cambridge/Massachusetts. Hieraus resultiert die Arbeit "Soviet Marxism".
  • 1954-1965 Professor für politische Wissenschaften an der Brandeis-University in Waltham/Massachusetts.
  • 1955 Veröffentlichung von "Eros and Civilisation". Der Band erscheint 1965 in deutscher Übersetzung mit dem Titel "Triebstruktur und Gesellschaft".
  • 1956 Heirat mit Inge Neumann, geb. Werner. Und Witwe von Franz L. Neumanns, dem Leiter der Europaabteilung.
  • 1958 Veröffentlichung der Schrift "Soviet Marxism", die 1964 in der Bundesrepublik unter dem Titel "Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus" erscheint.
  • 1964 Veröffentlichung seines Hauptwerks "One-Dimensional Man", das 1967 in Deutsch unter dem Titel "Der eindimensionale Mensch" erscheint. Hierin verdeutlicht Marcuse, dass im kapitalistischen System zwar dank immer neuer Technologien die anfallenden Krisen bewältigt werden könnten, jedoch um den Preis der Manipulation und des Konformismus. Dem könne man sich nur durch Verweigerung entziehen. Marcuse teilt nicht den Pessimismus der anderen Vertreter der Kritischen Theorie wie Horkheimer und Adorno, die die gesellschaftlichen Missstände zwar kritisieren, aber keine konkreten Lösungsansätze anbieten. "Der eindimensionale Mensch" und "Triebstruktur und Gesellschaft" zählen zu den wichtigsten Büchern der Kritischen Theorie und zu den Standardwerken der Studentenbewegung der 60er Jahre in den USA und der Bundesrepublik Deutschland.
  • 1965 Marcuse erhält einen Lehrstuhl an der Universität von Kalifornien in San Diego. Veröffentlichung seines häufig diskutierten Essays "Repressive Toleranz" in dem Sammelband "Kritik der reinen Toleranz".
  • 1967 Marcuse ist Hauptredner auf dem vom Berliner SDS veranstalteten Vietnam-Kongress, der maßgeblich von Rudi Dutschke mitorganisiert wurde. Marcuse hält das Eröffnungsreferat "Das Ende der Utopie" und einen weiteren Vortrag mit dem Titel "Das Problem der Gewalt in der Opposition". Er nimmt an zwei Diskussionsveranstaltungen teil. Eine zunächst in Aussicht gestellte Gastprofessur an der Freien Universität Berlin wird nicht realisiert.
  • 1972-1977 Veröffentlichung der Schriften "Konterrevolution und Revolte" (1972), "Studies in Critical Philosophy" (1973), "Zeitmessungen" (1975) und "Die Permanenz der Kunst - wider eine bestimmte marxistische Ästhetik" (1977).
  • 1973 Inge (Neumann) Marcuse stirbt an Krebs.
  • 1976 Heirat mit Erica Sherover.
  • 1979 Teilnahme an den Frankfurter Römerberggesprächen. Marcuse stellt unter dem Titel "Die Angst des Prometheus" fünfundzwanzig Thesen zu Technik und Gesellschaft vor.
  • 29. Juli: Herbert Marcuse stirbt während eines Deutschlandbesuchs in Starnberg.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Für Herbert Marcuse war Martin Heidegger der beste Lehrer und Denker den er je angetroffen hatte.


Werke

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  • Der deutsche Künstlerroman. Frühe Aufsätze / Herbert Marcuse.
  • Hegels Ontologie und die Theorie der Geschichtlichkeit.
  • Aufsätze aus der Zeitschrift für Sozialforschung.
  • Vernunft und Revolution : Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie.
  • Triebstruktur und Gesellschaft : ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud.
  • Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus.
  • Der eindimensionale Mensch : Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft.
  • Aufsätze und Vorlesungen. Versuch über die Befreiung.
  • Konterrevolution und Revolte. Zeit-Messungen. Die Permanenz der Kunst.


Das Werk in Themen und Thesen

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* Triebstruktur und Gesellschaft


Unter Herrschaft des Realitätsprinzips

Herbert Marcuse sieht die Ananke, die Lebensnot, unter deren Einfluss die Repression der Triebe sich entwickelt, als historisch-kontingentes Faktum und nicht als zeitlose Bedingung menschlicher Existenz schlechthin an. Die historisch vorherrschende Form des Realitätsprinzips ist das Leistungsprinzip, während das Lustprinzip zeitlich auf die Freizeit und räumlich auf die Genitalität begrenzt wird. Der Mensch kann sich und seine soziale Umgebung unter Bedingungen natürlichen Mangels reproduzieren, da ein Großteil der Zeit und des menschlichen Körpers für die Verrichtung entfremdeter Arbeit frei wird. In der gegenwärtigen Phase ist das Leistungsprinzip durch die Erfordernisse der produktiven Effizienz und der Konkurrenz geprägt. Durch die entfremdete Arbeit werden nun selbst Freiheitsgrade geschaffen. Vordergründig handelt es sich um die Freiheit von natürlichen Zwängen, welche damit mittelbar dem Lustprinzip dient und dies um den Preis einer unterdrückenden Kultur. Durch Marcuse wird nun der Begriff der zusätzlichen Unterdrückung (surplus repression) geprägt, welche für die Existenz von Kultur nicht notwendig ist, sondern der Organisation der Herrschaft des Menschen über den Menschen dient. Diese Herrschaft wird im Laufe der Geschichte immer wieder durch revolutionäre Prozesse überwunden, aber gleich wieder aufgerichtet, da die Subjekte durch die internalisierte Unterdrückung die Herrschaft mit der Existenz lebenssichernder Ordnung schlechthin identifizieren. Aus diesem Grund entsteht ein doppeltes Schuldgefühl und zwar durch den Verrat an der Herrschaft und an den eigenen Wünschen nach Freiheit. Produktion und Konsum sind eine Art Rechtfertigung für die Herrschaft und täuschen darüber hinweg, dass die Menschen die Fähigkeit hätten ihre Bedürfnisse selbst bestimmen zu können.


Jenseits des Realitätsprinzips

Aufgrund der Steigerung der Produktivität in der entfremdeten Arbeit schafft das Realitätsprinzip im Laufe der Geschichte die Bedingungen dafür, die herrschende Form des Realitätsprinzips abschaffen zu können.(„Je vollständiger die Entfremdung, desto größer das Potential der Freiheit.“) Marcuse sieht eine historische Phase kommen, in der die Menschen ihre Bedürfnisse selbst bestimmen können. Man könnte durch die Automation der Produktion die weiterhin lebensnotwendige entfremdete Arbeit auf ein zeitliches Minimum begrenzen. Der Eros würde dadurch in großem Ausmaß von seinen destruktiven Beschränkungen befreit. Eine Vorbedingung dafür wäre jedoch der Verzicht auf den erreichten Lebensstandard in der westlichen Welt. Marcuse geht davon aus, dass ein solcherart befreiter Eros nicht zum Untergang der Kultur führen würde, sondern im Gegenteil: zu dauerhaften Werkbeziehungen, durch die Befreiung des Eros. Es käme zu einer Selbst-Sublimierung der Sexualität, welche kultiviertere Beziehungen der Individuen untereinander ermöglichen würde. Marcuse geht von einer dem Eros innewohnenden libidinösen Moral aus, die nach der Abschaffung der zusätzlichen Unterdrückung und der damit verbundenen Herrschaftsformen zur Ausprägung einer befreiten Gesellschaft führen könnte. Dank der freigewordenen zeitlichen Ressourcen und der gesteigerten Möglichkeiten freier Wahl könnte Arbeit den Charakter des Spiels annehmen. Antizipiert sieht Marcuse diese Entwicklungsmöglichkeiten in der ästhetischen Aneignung der Wirklichkeit, in der Kunst. Diese Kunst entspringt der Phantasie, welche die einzige Form des Denkens ist, die sich von der Herrschaft des Realitätsprinzips freigehalten hat. In der Kunst sieht Marcuse eine Form menschlicher Arbeit verwirklicht, weitgehend ohne Triebunterdrückung vor sich gehend und ein hohes Maß an libidinöser Befriedigung bietend, und das ohne destruktiv zu sein. Im Kunstschaffen und in der Kunstrezeption kommt es zu einer wenigstens zeitweisen Befreiung des Eros. So kann die ästhetische Erfahrung als Modell einer von repressiven Strukturen befreiten Welterfahrung dienen. Laut Marcuse könnte das Lustprinzip in einer befreiten Gesellschaft als Realitätsprinzip eingesetzt werden, und zwar ohne die Kultur zu zerstören.


* Der eindimensionale Mensch

In dem Werk „Der eindimensionale Mensch“, erschienen 1964 in den USA, untersucht Marcuse die Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft (Untertitel). Er konstatiert ein eindimensionales und positives bzw. positivistisches Denken, sowohl in der Wissenschaft als auch im öffentlichen Diskurs. Die Wissenschaft flüchte sich aus Furcht vor Werturteilen oder politischer Einmischung in quantitatives Denken und in Empirie. Anstatt die Ungleichheit im Kapitalismus und die nukleare Bedrohung anzugreifen oder zu kritisieren, würden diese Probleme nur verwaltet und somit immer neu reproduziert.

Hier setzt Marcuse die Negation entgegen: einerseits die Verneinung durch Kritik, andererseits die Weigerung, das Spiel mitzuspielen und die Suche nach dem qualitativ Anderen. Marcuse war bezüglich der Änderung der Verhältnisse sehr pessimistisch eingestellt und betonte die stabilisierende, "affirmative" Kraft des eindimensionalen Denkens.

Auf den letzten Seiten dieses Werks taucht das Schlagwort der Großen Verweigerung als Ausweg auf. Viele Gruppen der 68er-Bewegung und der alternativen Szenen bezogen sich auf dieses Motiv und auch auf andere Werke und propagierten weiters ein Aussteigen aus dem kapitalistischem System. Eine Utopie liegt darin, dass Marcuse eine befreite Gesellschaft vernunfttheoretisch und triebtheoretisch begründen wollte.

Dieser Ansatz wird 1967 in einem vor Studenten der freien Universität Berlin gehaltenen Vortrag näher ausgeführt (Am Ende der Utopie). In Gesellschaften mit hochentwickelten Produktivkräften besteht demnach die Möglichkeit zu einer Umwälzung. Ziel ist es, Armut, Elend und entfremdete Arbeit abzuschaffen. Anders als Marx beschrieben hatte, kann das Reich der Freiheit im Reich der Notwendigkeit erscheinen. Für Marcuse ist die Negation der bestehenden Gesellschaft die Voraussetzung zur Transformation menschlicher Bedürfnisse. Es bedarf einer neuen Moral, einer Moral jenseits der judäo-christlichen Moral stehenden, die die vitalen Bedürfnisse nach Freude und nach dem Glück erfüllt und weiters die ästhetisch-erotischen Dimensionen umfasst. Er befürwortet ein Experiment der Konvergenz von Technik und Kunst sowie von Arbeit und Spiel. Interessant auch, dass Fourier die Differenz zwischen einer freien und einer unfreien Gesellschaft erstmals deutlich gemacht hat, indem er eine Gesellschaft in Aussicht stellte, in der selbst gesellschaftlich notwendige Arbeit im Einklang mit den befreiten, eigenen Bedürfnissen der Menschen organisiert werden kann. Hier wird von Marcuse der Begriff vom möglichen Ende der Geschichte geprägt.


* Repressive Toleranz

In seinem Essay zur Repressiven Toleranz, erschienen im Jahr 1965 und den Studenten der Brandeis University zugeeignet, formuliert Marcuse Gedanken, die großen Einfluss auf die Studentenbewegung in den USA und in Europa ausübten. Darin bezeichnet Marcuse die zu Beginn der Neuzeit entwickelte Idee der Toleranz als parteiliches Ziel, als subversiven, befreienden Begriff und ebensolche Praxis. Es gäbe gegenwärtig keine Macht, Autorität oder Regierung, welche eine befreiende Toleranz umsetzen würde. Jedoch ging es darum die praktizierte Art von Toleranz, beispielsweise die Macht der zerstörerischen Gewalt in Vietnam, zu stärken.

Weiters formulierte Marcuse eine utopische Gesellschaftsvorstellung, in der das Individuum frei in Harmonie mit anderen lebt und öffentliche und private Wohlfahrt für alle gewährleistet ist. Man wollte eine Gesellschaft, ohne Versklavung der Menschen durch Institutionen. Die gegenwärtig herrschende Toleranz, auch in demokratischen Staaten, schenkte einer aggressiven Politik, Aufrüstung, dem Chauvinismus und der Diskriminierung aus rassischen und religiösen Gründen Akzeptanz.

Für Marcuse existiert eine objektive Wahrheit, durch die Diskussion des Volkes in Gestalt von Individuen und Mitgliedern politischer und anderer Organisationen, die die Politik einer zukünftigen demokratischen Gesellschaft bestimmen. Diese Idee der Freiheit bezweckt für Marcuse eine uneingeschränkte Toleranz gegenüber rückschrittlichen Bewegungen. In Wirklichkeit wird die bereits etablierte Maschinerie der Diskriminierung von unparteiischer Toleranz in Schutz genommen. In seinem Essay legitimiert er dieses Programm mit der Feststellung, dass das Telos der Toleranz die Wahrheit sei.

Während Marcuses Gedanken vom Sozialistischen deutschen Studentenbund aufgriffen werden und damit das Streben nach einer besseren neuen Gesellschaftsordnung begründen, werfen Kritiker Marcuse vor, dass er den Gedanken des politischen Pluralismus zugunsten einer Parteilichkeit verwirft. Insbesondere kritisiert wird Marcuses Forderung, dass Intoleranz auch gegenüber dem Denken, der Meinung und dem Wort geübt werden solle (Intoleranz vor allem gegenüber den Konservativen und der politischen Rechten).


Internetquellen

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Martineau, Harriet

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Harriet Martineau


Biographie in Daten

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Martineau Harriet


  • geboren am 12. Juni 1802 in Norwich, Norfolk, England
  • gestorben am 27. Juni 1876 bei Ambleside, Cumbria, England


Eltern:

Vater: Thomas Martineau (9. April 1764 - 21. June 1826), Tuchfabrikant hugenottischer Herkunft. Mutter: Elizabeth Martineau, geborene Rankin (6. November 1771 - 1848), Hausfrau.

Geschwister: Elizabeth Martineau (20. Aug 1794 - 10. Feb 1850), verheiratete Greenhow, Arztgattin/ Thomas Martineau/ Robert Martineau, Geschäftsmann/ James Martineau (1805-1900), unitarischer Geistlicher/ Rachel Martineau/ Ellen Martineau, verheiratete Higginson, Hausfrau.


Ehe: Unverheiratet.

Verlobungen: John Hugh Worthington

Kinder: keine.

Religion: unitarisch


Ausbildung:

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  • 12.6.1802: Geboren als sechstes von acht Kindern in Norwich, Norfolk.
  • Zunächst Privatunterricht durch ältere Geschwister (auf Französisch), dann gemeinsam mit ihrer Schwester Rachel zwei Jahre in der Schule beim unitarischen Reverend Isaac Perry.
  • 1818: Harriet wird zu einer Tante nach Bristol geschickt. Sie steht hier unter dem Einfluss des unitarischen Geistlichen und Pädagogen Lant Carpenter (1780-1840),und ihrem Bruder James Martineau (1805-1900), Verfechter der Lehren von Joseph Priestley (1733-1804).

Berufliche Daten:

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  • 1822: Harriet begann zu schreiben. Ihr erster Artikel erschien anonym in der unitarischen Zeitung "The Monthly Repository" (London). Dort wurde sie bald zur wichtigsten Kolumnistin. Kurz darauf begann sie sich mit der Frauenfrage auseinander zu setzen.
  • 1829: Drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters schloss die Tuchfabrik der Martineaus. Harriets beschloss ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin zu bestreiten, da sie auf Grund ihrer Taubheit keinen anderen Beruf ausüben konnte. Ermutigt dazu wurde sie unter anderem 1830, durch die Teilnahme an einem Wettbewerb der "British and Foreign Unitarian Association" über unitarische Ideen, bei dem sie in allen drei Kategorien gewann. Danach löste sie sich allerdings von den unitarischen Vorstellungen.
  • 1831-1832: Sie begann 1831 mit Geschichten auf utilitaristischer Grundlage nach der Tradition von Joseph Priestley and Jeremy Bentham (1748-1832) zur Illustration der Prinzipien der Nationalökonomie. Sie trug damit wesentlich zur Popularisierung der Ideen von Thomas Robert Malthus (1766-1834) und David Ricardo (1772-1823) bei. Ihr Werk dazu "Illustrations of Political Economy" (25 Teile in 9 Bänden, 1832-1834) wurde ein Bestseller.
  • 1832-1839: Martineau erarbeitete sich ein kleines Einkommen, indem sie Artikel für den Herausgeber des "Monthly Repository" (London) schrieb. Anfangs schrieb sie, durch die frühere Beeinflussung ihrer unitarischen Familie und Pädagogen, religiöse Bücher, doch sie wandte sich dann politischen und ökonomischen Themen zu. Sie entwickelte sozialreformerische Ideen, beeinflusst von Jeremy Bentham und John Stuart Mill (1806-1873). Mit ihren Büchern gelangte sie sehr schnell zu einem guten Einkommen.
  • 1839: Veröffentlichung ihres ersten Romans.
  • 1845-1876: Harriet schrieb Bücher und verfasste Zeitschriftenartikel, übersetzte aus dem Französischen, betrieb eine kleine Landwirtschaft und hielt im Winter Unterrichtskurse für Arbeiter ab. Im Sommer vermietete sie ihr Haus an Touristen und unternahm Reisen durch England und nach Irland.
  • 1852: wurde Martineau Mitglied des Staffs der Zeitung "The Daily News" (London). In den nächsten 14 Jahren schrieb sie über 1.600 Artikel für die Zeitung. Daneben schrieb sie auch für andere Zeitungen und Zeitschriften, wie zum Beispiel "The Edinburgh Review" (Edinburgh), "The Westminster Review" (London), "The Cornhill Magazine" (London), "Tait's Edinburgh Magazine" (Edinburgh), "Household Words" (London) und "Once a Week" (London).
  • 1853: Übersetzung des sechsbändigen Cours de Philosophie Positive Comtes ins Englische von Auguste Comte (1798-1857).
  • 1866: Harriet zeichnete mit Elizabeth Garrett Anderson (1836-1917), Emily Davies (1830-1921), Dorothea Beale (1831-1906) und Frances Mary Buss (1827-1894) eine Petition an das Parlament über die Einführung des Frauenwahlrechts.
  • 1866: Harriet musste krankheitsbedingt das Schreiben aufgeben. Allerdings schrieb sie 1869 noch eine Artikelserie gegen die Contagious Diseases Acts, die es der Polizei erlaubten, Frauen ohne männliche Begleitung unter dem Verdacht der Prostitution festzunehmen. Sie würde Mitbegründerin der "National Association for the Repeal of the Contagious Diseases Act".

Zuletzt intensive Unterstützung für Florence Nightingale (1820-1910), die sie allerdings nie persönlich kennen lernte.


Andere Tätigkeiten:

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  • 1834-1836: Zweijähriger Aufenthalt in den USA, bei dem sie über 10.000 Meilen zurücklegte und soziologische Beobachtungen betrieb. Martineua machte sich auch hier für die Abschaffung der Sklaverei (Abolitionismus) stark.
  • 1846: Sie machte eine achtmonatige Reise in den Nahen Osten nach u.a. Ägypten und Palästina, was sie in ihrer Loslösung vom Christentum bestärkte, wenngleich sie an ein Weiterleben nach dem Tod glaubte.


Wichtige private Ereignisse:

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  • 1814: Erstes Auftreten der Taubheit, ein Leiden, das sie in mehr oder weniger ausgeprägter Form bis zu ihrem Tod begleitete.
  • 1826: Tod ihres Vaters und damit verbundene Schließung der Textilfabrik drei Jahre später.
  • 1832-1839: Harriet lebte mit Unterbrechung mit ihrer Mutter in London und in Westminster bei ihrer Tante Margaret Martineau Lee.
  • 1839: Reise nach Italien bei der sie in Venedig schwer erkrankte.
  • 1839-1845: Harriet wurde nach Tynemouth nahe Newcastle gebracht, um ihrem Schwager, dem Arzt Thomas Michael Greenhow, nahe zu sein. Diagnose: Tumor an der Gebärmutter und an den Eierstöcken. Sie nahm Opiate gegen die Schmerzen und hörte nicht auf zu schreiben. Sie wartete fast fünf Jahre auf ihren Tod, danach glaubte sie durch Mesmerismus ihre Gesundheit wiedererlangt zu haben.
  • 1845-1876: Martineau lebte in Ambleside, Cumbria, im Lake District, unweit ihrer Freunde, der Schriftsteller William Wordsworth (1770-1850) und Matthew Arnold (1822-1888). Dort ließ sie sich nach eigenen Entwürfen ein Haus ("The Knoll") bauen.
  • 1855/56: 1855 Beginnt ihr körperliches Unwohlseins, das zunächst als Herzkrankheit gedeutet wurde. 1856 kam die Diagnose, dass der als geheilt erachtete Tumor zu enormer Größe angewachsen war. In Erwartung eines baldigen Todes schrieb sie in nur drei Monaten ihre Autobiografie. Einen dritten Band sollte später ihre lebenslange Freundin, die US-amerikanische Abolitionistin Maria Weston Chapman (1806-1885), schreiben. Nunmehr bis zu ihrem Tod schwer krank, wurde sie von ihrer Nichte Maria Martineau betreut, zu der sie eine intensive Freundschaft entwickelte, die aber 1864 an Typhus starb. Danach wurde sie von Marias jüngerer Schwester Jane (Jenny) Martineau gepflegt.
  • 27.6.1876: Martineau stirbt in ihrem Haus nahe Ambleside.

Historischer Kontext

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Harriet wuchs als das Sechste von acht Kindern in einer englischen oberen Mittelschicht-Familie auf. Ihre Eltern waren Thomas und Elizabeth (Rankin) Martineau. Thomas war ein Hersteller von Textilwaren und ein Einfuhrhändler von Wein in die alte Kathedralen-Stadt von Norwich. Norwich war einmal ein bedeutendes Kultur- und Produktionszentrum, allerdings wurde es später zum Opfer der industriellen Revolution.

Von Beginn ihres Lebens an, war Frau Martineau durch ihre Taubheit und ihren nicht vorhandenen Geruchs- und Geschmacksinn beeinträchtigt. Sie wurde als Kind als schwach, klug und unglücklich beschrieben.

Mit 16 Jahren zwang sie ihr gesundheitlicher und nervlicher Zustand zu anhaltenden Besuchen bei ihrer Tante väterlicher Seite, die eine Schule in Bristol führte. Dort wurde sie von Dr. Lant Carpenter und ihrem Bruder James Martineau stark in ihrem unitarischen Glauben geprägt.

Ein weiterer wichtiger Punkt in ihrem Leben war der Tod ihres Vaters, der sie aus finanziellen Gründen dazu zwang einen Autorenjob anzunehmen, da sie auf Grund ihrer Krankheiten keinen anderen Job annehmen konnte.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Von 1832 bis 1839 lebte Martineua in London. Während dieser Jahre wurde sie Teil eines sehr einflussreichen literarischen Kreises, der auch Einfluss auf ihre Arbeiten hatte. Zu diesem eingeschlossenen Kreis gehörten: Charles Babbage, Thomas Carlyle, George Eliot, Florenzer Nachtigall, Charles Dickens, Thomas Malthaus, William Wodsworth, Charlotte Bronte, und Charles Darwin.

Der französische Philosoph Auguste Comte hatte den größten Einflüsse auf die Soziologie Martineaus. Sie übernahm die Übersetzung des sechsbändigen Cours de Philosophie Positive Comtes ins Englische, welche schließlich in zwei Volumina 1853 als "Die Positive Philosophie von Auguste Comte", frei übersetzt und komprimiert von Harriet Martineau (The Positive Philosophy of Auguste Comte, Freely translated and condensed) veröffentlicht wurde. Comte selbst empfahl seinen Studenten, diese Volumina anstatt des Originalwerks zu lesen. Einige Schriftsteller, unter anderen Alice Rossi (1973), betrachten Martineau selbst als die erste Soziologin. Ihre Einführung von Comte zur englisch sprechenden Welt und den Elementen der soziologischen Perspektive, die in ihren ursprünglichen Schriften gefunden werden kann, ist Grund für ihre Anerkennung als ein verwandter Geist, wenn nicht sogar ein bedeutender Mitwirkender.


Werke

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Die wichtigsten Werke von Harriet Martineau:

Illustrations of Political Economy, 1832-34 Poor Laws and Paupers, 1833 The Tendency of Strikes and Sticks to Produce Low Wages and of Union between Masters and Men to Ensure Good Wages, 1834 Illustrations of Taxation, 1834 Society in America, 1837 Retrospect of Western Travel, 1838 How to Observe Morals and Manners, 1838 Deerbrook, 1839 The Peasant and the Prince, 1841 The Hour and the Man, 1841 Life in the Sickroom, 1844 Eastern Life, Present and Past, 1848 Household Education, 1848 History of England during the Thirty Years' Peace, - Vol. I, Vol. II, Vol. III, Vol. IV. 1849–50 How to Make Home Unhealthy, 1850 International Copyright Question, with P.A. Towne, 1882 Sketches from Life, 1851 Letters on the Laws of Man's Nature and Development, 1851 The Positive Philosophy of Auguste Comte, Freely translated and condensed, 1853 Sister Ana's Probation, 1862 Biographical Sketches, 1869 Merdhin, The manor and the eyrie ; and Old landmarks and old laws, ? Harriet Martineau's Autobiography, 1877

Eine genaue Auflistung all ihrer Werke finden Sie unter:

http://agso.uni-graz.at/lexikon/klassiker/martineau/29bib.htm


Das Werk in Themen und Thesen

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Harriet Martineau schrieb die erste systematische methodologische Abhandlung in der Soziologie, und übersetzte den Cours de Philosophie Positive von Auguste Comte ins Englische. Ihre Meinungen gewannen immer mehr an Popularität, indem sie soziale wissenschaftliche Instruktionen in eine Reihe von viel gelesenen Romanen einpackte. Sie war eine scharfsinnige soziologische Theoretikerin, Methodologin und Analytikerin der ersten Stunde.


Society in America (1837)

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Dies ist eine zwei jährige Studie über die Gesellschaft der USA und wurde zu dieser Zeit zur bekanntesten Arbeit unter allen US-Amerikanischen Soziologen. Die Untersuchung handelt von den Problemen methodologischer Strategien mit dem Ethnozentrismus. In der Arbeit vergleicht Martineau geschätzte moralische Grundsätze und erkennbare soziale Muster, die die Unterschiede zwischen Redekunst und Wirklichkeit aufschlussreich illustrieren.


How to Observe Morals and Manners (1838)

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In diesem Buch artikulierte sie die Grundsätze und Methoden der empirischen sozialen Forschung.


Cours de Philosophie Positive (1853)

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(The Positive Philosophy of Auguste Comte)


Die positive Philosophie:


a) Die drei Stadien.

Nach Comte durchläuft die menschliche Erkenntnis drei Stadien:

1) das Theologische, 2) das Metaphysische, 3) das Positive,


ad 1) Im theologischen Stadium, kann sich der Mensch seine Umgebung, seine Welt nur durch das herrschen persönlicher, übernatürlicher Wesen begreiflich machen. Entwicklungsstufen: Fetischismus, Polytheismus und Monotheismus.

ad 2) Im metaphysischen Stadium, glaubt der Mensch Erscheinungen in seiner Welt, auf abstrakte Ideen, Prinzipien oder Kräfte zurückführen zu können, die schließlich in eine Urkraft, nämlich die Natur münden. Wie auch die Theologie, so verspricht auch die Metaphysik alle Dinge erklären zu können, allerdings versucht sie es an Stelle von Phantasie mit logischen Beweisen. Dadurch wird der theologische Vorstellungskreis zerschlagen und an die Stelle der Autorität tritt jetzt der zweifelnde, egoistische Individualismus auf religiösem, politischem und sozialem Gebiet.

ad 3) In der positiven oder wissenschaftlichen Periode, die Comte zu seiner Zeit beginnen sieht, soll das einzige Kriterium die Übereinstimmung mit den Tatsachen, entsprechend den Naturgesetzten, sein. Die positive Philosophie, soll eine Philosophie des Wirklichen, Sicheren, genau Bestimmbaren, Organischen und Nützlichen sein. Denn sie soll auf die zukünftige Entwicklung schließen und lehren (voir pour prévoir).


b) Die Hierarchie der Wissenschaften.

Die Wissenschaften treten nicht gleichzeitig auf sondern nach einer bestimmten Reihenfolge. Man kann diese Reihenfolge auch als Entwicklungsfolge bezeichnen, die vom einfachsten zum Komplexen geht. Comte kommt daher auf diese Reihenfolge:

1. Mathematik 1.a) abstrakte Mathematik – angewendete Methoden: Logik 1.b) konkrete Mathematik - angewendete Methoden: Logik, Beobachtung 2. Astronomie - angewendete Methoden: Logik, Beobachtung 3. Physik - angewendete Methoden: Logik, Beobachtung, Experiment 4. Chemie - angewendete Methoden: Logik, Beobachtung, Experiment, Klassifikation 5. Biologie - angewendete Methoden: Logik, Beobachtung, Experiment, Klassifikation, Vergleich 6. Soziologie - angewendete Methoden: Logik, Beobachtung, Experiment, Klassifikation, Vergleich, historische Methode.

Diese sechs Gruppen, sind nicht reduzierbar, klar voneinander getrennt und jede Wissenschaft baut historisch wie methodisch auf der vorhergehenden auf.


Entwicklungsnaturalismus

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Die vier Bestandteile dieses Gedankens sind:

1) Die Idee, dass die Evolution der Schlüssel zum Verstehen aller Änderung in allen Ebenen der Existenz ist. 2) Die Anerkennung der Operation als Ursache und Wirkung im menschlichen Verhalten. 3) Die Annahme, dass Wissen von Menschen ausnahmslos ausgedacht und verifiziert wird. 4) Der Glaube, dass Moral, Kreativität und Wille nicht autonom sind, sondern sie begründen und beschränken sich auf die menschliche Erfahrung.


Rezeption und Wirkung

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Martineau hatte Einfluss auf die ganze nach ihr folgende Soziologie, da sie zur ersten Soziologin gekürt wurde. Harriet Martineau untersuchte noch vor den großen, auch heute noch sehr bekannten Soziologen, wie Marx, Engels oder Weber, Phänomene wie: die soziale Klasse, die Religion, den Selbstmord, den nationalen Charakter, die Innenbeziehungen, den Frauenstatus, die Kriminalität und die Wechselbeziehungen zwischen Institutionen / Organisationen und Personen.

Weiters beeinflusste und erleichterte bzw. ermöglichte ihre Übersetzung des Cours de Philosophie Positive von Auguste Comte ins Englische, die gesamte strukturelle Einführung der Soziologie und speziell des Positivismus in England und den USA.


Literatur

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  • Hill, M. R. Women In Sociology "Harriet Martineau" S. 289-297
  • Chapman, M. W. Harriet Martineau's Autobiography Boston, James Osgood, 1877.
  • Miller, Fenwick Harriet Martineau (1884, "Eminent Women Series").
  • Pichanick, Valerie K. (1980):
    "Harriet Martineau, The Woman and Her Work, 1802-76"
    University of Michigan Press.
  • Riedesel, Paul L. (1981)
    "Who Was Harriet Martineau?". Journal of the History of Sociology, vol. 3"
    S.63-80.
  • Webb RK. Harriet Martineau, a radical Victorian. Heinemann, London 1960
  • Weiner, Gaby (1983)
    "Harriet Martineau: A reassessment (1802-1876) in Spender, Dale (ed.) Feminist theorists: Three centuries of key women thinkers"
    Pantheon, S. 60-74

Internetquellen

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Marx, Karl

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Biographie in Daten

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Karl Marx


Marx Karl

  • geboren am 05.Mai 1818 in Trier (Moseltal/Deutschland)
  • gestorben am 14.März 1883 in London


  • seine Eltern: Heinrich Marx, Rechtsanwalt, lebte von 1777 bis 1838, Henriette Marx, geboren als Henriette Preßburg,
  • seine Geschwister: Sophie, Hermann, Henriette, Louise, Emilie und Caroline Marx
  • seine Ehefrau: Johanna Bertha Julie, lebte von 1814 bis 1881
  • seine Kinder:
  • Jenny Caroline, lebte von 1844 bis 1883;
  • Jenny Laura, lebte von 1846 bis 1911;
  • Charles Louis Henri Edgar, lebte von 1847 bis 1855;
  • Heinrich Edward Guy (Guido), lebte von 1849 bis 1850;
  • Jenny Eveline Frances (Franziska), lebte von 1851 bis 1852;
  • Jenny Julia Eleanor, lebte von 1855 bis 1898;
  • Frederick Lewis Demuth, lebte von 1851 bis 1929;




Sein Lebenslauf

  • 1830-1835 Besuch des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Trier
  • 1835 Abitur
  • 1835-1836 studiert er Rechtswissenschaft an der Bonner Universität
  • 1836-1841 studiert er Rechtswissenschaft an der Berliner Universität
  • 1841 Promotion in Philosophie an der Jenaer Universität in absentia; sein Betreuer ist Ernst Reinhold, ein Philosoph, lebte von 1793-1855; Thema seiner Arbeit: Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie. Die akademische Laufbahn wurde ihm aus Gesinnungsgründen verwehrt.
  • 1842-1843 wird er Redakteur bei der "Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe" in Köln
  • 1843-1845 zieht er nach Paris, wo er mit seinen ökonomischen Studien beginnt
  • 1844 ist er mit Arnold Ruge (ein deutscher Schriftsteller, wurde wegen der Mitgliedschaft in einem geheimen Bund verhaftet, lernte Marx in Paris kennen, die Zusammenarbeit endete nachdem sie sich nicht auf die politische Richtung einigen konnten, er lehnte den Kommunismus ab, lebte von 1802-1880), Herausgeber der Zeitschrift "Deutsch-Französische Jahrbücher" in Paris
  • 1844 beginnt die Freundschaft mit Friedrich Engels, der Politiker, Philosoph, Unternehmer und Militärhistoriker war, lebte von 1820-1895, die erste Begegnung fand 1842 statt, darauf hin entstand eine enge Zusammenarbeit
  • 1845-1848 Exil in Brüssel, nachdem er auf Veranlassung Preußens, Frankreich verlassen musste, da er im Wochenblatt "Vorwärts" den Absolutismus angriff, in Deutschland wäre er wegen Hochverrat angeklagt worden
  • 1845 Abgabe der preußischen Staatsbürgerschaft, da er erfuhr, dass Preußen seine Auslieferung von Belgien forderte
  • 1845 erste Studienreise nach England mit Friedrich Engels im Sommer, dort nahmen sie Kontakt zu den Chartisten (Reformer in Großbritannien, die die Zulassung von Gewerkschaften, Arbeitszeitverkürzungen, Verbesserung des Wahlrechts und die Abschaffung der Kornzölle forderten) auf
  • 1846 Gründung des kommunistischen Korrespondenz-Komitees mit Friedrich Engels, es soll den Zusammenschluss von Arbeiterbewegungen in mehreren Ländern koordinieren, darin sollen revolutionäre Kommunisten und Arbeiter mit einer gemeinsamen Idee vereinigt werden und Grundlage für eine Parteigründung schaffen
  • 1847 gründet er mit Friedrich Engels einen "Deutschen Arbeiterverein" in Brüssel, gleichzeitig ist er Mitglied des "Bunds der Kommunisten", der 1848 aufgelöst wurde; für diesen Verein schrieb er mit Friedrich Engels das "Kommunistische Manifest"
  • 1847-1848 ist er Mitarbeiter bei der "Deutsch-Brüsseler-Zeitung" in Brüssel
  • 1848-1849 Exil in Paris, da er aus Belgien ausgewiesen wurde
  • 1848-1849 nach der Märzrevolution (in Deutschland 1848-1849, der erste Versuch einen einheitlichen und demokratischen Staat in Deutschland zu schaffen, sie wurde von Preußen niedergeschlagen)
  • 1848-1849 arbeitet er als Chefredakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie" in Köln
  • 1849 im Prozess aufgrund der "Aufreizung zur Rebellion" wurde er freigesprochen, doch nachdem die Reaktionäre wieder an der Macht waren, wurde er aus Deutschland ausgewiesen
  • 1849-1883 Exil in England, wo er als Journalist und Privatgelehrter arbeitete
  • 1850 wird er Herausgeber der "Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue"
  • 1850 Beginn der Beziehung mit seiner Haushälterin Helena Demuth, lebte 1823-1890 und gebar ihm einen Sohn (Frederick Lewis Demuth)
  • 1852-1856 arbeitet er bei der Zeitung "The People's Paper. The Champion of Political Justice and Universal Right" in London mit
  • 1855 arbeitet er bei der "Neuen Oder-Zeitung" in Breslau mit
  • 1861 reist er nach Deutschland
  • 1861 in Berlin trifft er Ferdinand Lassalle (deutscher Schriftsteller, Politiker, Staatssozialist und Arbeiterführer, war erster Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereines, aus dem die Sozialdemokratische Partei Deutschlands entstanden ist, gilt damit als einer der Gründerväter der deutschen Sozialdemokratie, lebte von 1825 bis 1864)
  • 1861-1862 arbeitet er bei der Zeitung "Die Presse" in Wien mit
  • 1864 gründet er die "Internationale Arbeiter-Assoziation" oder auch "Erste Internationale" genannt mit
  • 1865 beendet er die Zusammenarbeit mit dem "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein"
  • 1866 wurde er auf dem 1. Kongress der "Internationalen Arbeiter-Assoziation" in Genf in den Generalrat gewählt
  • 1871 arbeitet er bei der Zeitung "Der Volksstaat. Organ der sozial-demokratischen Arbeiterpartei und der Internationalen Gewerksgenossenschaften" in Leipzig mit
  • 1872 Streit auf dem 5. Kongress der "Internationalen Arbeiter-Assoziation" in Den Haag mit den Anarchisten; daraufhin spaltet sich die Internationale und verlegt den Generalrat nach New York, sie wird 1876 aufgelöst, der anarchistische Sektor bleibt bestehen
  • 1882 mehrere Reisen in die Schweiz, Frankreich und Algier


Historischer Kontext

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1848-1849 Märzrevolution

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Politische Hintergründe der Revolution

  • 1815 im Wiener Kongress wurden die politischen Veränderungen, die durch Napoleons Expansionspolitik verursacht wurden, rückgängig gemacht. In dieser Restaurationsphase hat sich vor allem Fürst von Metternich hervorgetan. So wurden die alten Staatsgrenzen wieder gezogen und der Adel hat seine verlorenen Privilegien wieder zurück erlangt. Die Pressefreiheit wurde wieder eingeschränkt und revolutionäre, nicht nationalistisch denkende Schriftsteller wie Heinrich Heine, Georg Büchner (Hessischer Landbote) und Heinrich Hoffmann von Fallersleben, wurden zensiert bzw. verboten.
  • 1817 wurde im Wartburgfest eine politische Einigung Deutschlands gefordert. Reaktionäre Bücher wurden verbrannt, die sich gegen eine solche Einigkeit aussprachen, wie z.B. jenes von August von Kotzebues.
  • 1819 wurden die Karlsbader Beschlüsse durchgesetzt. Sie richteten sich gegen die Burschenschaften, die fortan staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Ursache war die Ermordung des Dichters August von Kotzebue durch den nationalistischen und demokratischen Burschenschafter Karl Ludwig Sand.
  • 1830 gab die Julirevolution von Frankreich, in der der reaktionäre König Karl 10. durch den bürgerlich-liberalen König Louis Philippe von Orleans ausgetauscht wurde, der deutschen demokratischen und nationalen Bewegung neuen Aufwind. An mehreren Orten kam es zu Aufständen und teilweise wurden daraufhin Verfassungen eingeführt.
  • 1832 wurde trotz der Demagogenverfolgung und der Repressionen das Hambacher Fest veranstaltet. Dort versammelten sich die Anhänger der deutschen Einigung und die Schwarz-Rot-Goldene Fahne wurde zum Symbol dieser Bewegung.
  • 1833 fand der Frankfurter Wachensturm statt. Ziel der Aktion war es, die Frankfurter Polizeiwachen zu stürmen und daraufhin alle Abgeordneten des Bundestages festzunehmen. Im Bundestag sahen die Demokraten eine Vertretung der reaktionären Macht. Allerdings scheiterte dieser Versuch von etwa 50 Studenten, da die Aktion verraten wurde.
  • 1848 brach in Frankreich die Februarrevolution aus. Grund dafür war die steigende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Bürgerkönig Louis Philippe von Orleans, der vom liberalen Kurs abwich. Diese Revolution griff auf Deutschland über.


Soziale und wirtschaftliche Hintergründe

  • Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann ein flächendeckender Pauperismus (lat. Armut). Diese Massenarmut hat eine Massenverelendung und Entwurzelung der Unterschicht zur Folge. Eine Bevölkerungsexplosion, verursacht durch eine bessere hygienische Situation, und die Befreiung der Bauern (1807), sowie eine Überbesetzung im Handwerk hat eine enorme Stadtflucht ausgelöst. Da die Industrialisierung erst im Anfang war, fehlte es an Arbeitsplätzen für die neuen Ströme an Arbeitern, die ihr Glück in der Stadt suchten. Das nun entstandene Proletariat hatte nur die Arbeitskraft zu verkaufen und waren damit lohnabhängig geworden. Durch den starken Konkurrenzdruck sanken Einkommen und Lebensbedingung für die Arbeiter.
  • 1846 fand eine Missernte in Zentraleuropa statt, die das Krisenjahr 1847 zur Folge hatte.
  • Durch allgemeine Verarmung der Bevölkerung stieg der Anteil der Anhänger demokratischer und nationaler Kreise aufgrund der sozialen Notlage.
  • In Manufakturen und Fabriken konnten durch neue rationale Methoden billig Massenprodukte hergestellt werden. Der Einsatz von Maschinen ersetzte immer mehr die menschliche Arbeitskraft. Massenarbeitslosigkeit entstand durch das Überangebot an Arbeitskräften und durch die fehlenden Arbeitsplätzen. Das Handwerk verlor durch die Industrialisierung zunehmend an Bedeutung.
  • Das verarmte Proletariat lebte in Ghettos und Slums und konnte kaum für das Existenzminimum sorgen. Mitunter wurde durch die Landflucht das traditonelle System der Altersvorsorge zerstört.
  • 1844 fand der schlesische Weberaufstand statt. Derartiges gab es bereits im 18. Jahrhundert, jedoch die Heftigkeit und öffentliche Aufmerksamkeit übertraf die vorhergehenden Aufstände. Durch die Annektierung Schlesiens durch den preußischen König Friedrich 2. von 1740, war das Land an das feudale System gebunden und musste Abgaben leisten. Zusätzlich sank im zunehmend kapitalistischeren System die Preise der hergestellten Waren. Diese doppelte Belastung musste mit entsprechender Mehrproduktion ausgeglichen werden. Trotz der Arbeitszeitverlängerung und Kinderarbeit konnte aber die Verelendung nicht verhindert werden. So kam es am vom 4. bis 6. Juni 1844 zum Aufstand. Die aufgebrachte Menge zerstörte teilweise Fabriken und vertrieb die Unternehmer. Am 6. Juni wurde jedoch der Aufstand zerschlagen und die Teilnehmer verhaftet.

Verlauf der Revolution

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  • 1. März 1848 beginnt die Revolution mit der Besetzung des Ständehauses des badischen Landtags in Karlsruhe
  • 4. März Aufstände in München
  • 5. März lädt die Heidelberger Versammlung zu einem Vorparlament
  • 6. März erste Unruhen in Berlin
  • 13. März in Wien Sturm auf das Ständehaus und Rücktritt des Staatskanzlers Fürst von Metternich
  • 18. März in Berlin entsteht ein Aufstand bei der Verlesung eines königlichen Patents, der Reformen in Preußen zum Inhalt hatte. Protestierende Bürger und Mititär liefern sich daraufhin heftige Kämpfe.
  • 20. März dankt der bayerische König Ludwig Ⅰ. ab, an seine Stelle tritt sein Sohn Maximilian ⅠⅠ. Dies ist eine Reaktion auf die Unruhen in Bayern.
  • 31. März bis 3. April tagt das Vorparlament in Frankfurt/ Main
  • April Beginn des Krieges Preußen-Dänemark wegen der dänischen Forderungen in Schleswig und Holstein.
  • 12. April bis 20. April findet der Heckerzug in Baden statt. Dieser wird am 20. April vom Militär niedergeschlagen.
  • 18. Mai wird die Frankfurter Nationalversammlung eröffnet, die das erste mal vom gesamten deutschen Gebiet demokratisch gewählt wurde. Die Aufgabe der Nationalversammlung lag darin, eine Verfassung auszuarbeiten.
  • 24. Juni wird der französische Juniaufstand in Paris niedergeschlagen. Daraufhin gewinnt die Konterrevolution wieder an Stärke.
  • 26. August wird ein Waffenstillstand zwischen Preußen und Dänemark beschlossen. Da die Nationalversammlung zustimmen muss, erleidet die Revolution einen weiteren Rückschlag
  • 18. September Barrikadenkämpfe gegen preußische und österreichische Truppen in Frankfurt
  • 21. bis 25. September findet der zweite badische Aufstand in Lörrach statt
  • 9. November wird Robert Blum, ein Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, in Wien hingerichtet. Dies gilt als weiteres Symbol des Scheitern der Märzrevolution.
  • 2. Dezember dankt der österreichische Kaiser Ferdinand I. ab. An dessen Stelle tritt sein Neffe Franz Joseph I.
  • 27. Dezember verabschiedet die Nationalversammlung Grundrechte
  • 28. März 1849 verabschiedet die Nationalversammlung nach etlichen Diskussionen die Paulskirchenverfassung
  • 28. April lehnt der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone ab, die die Nationalversammlung ihm anbot. Damit ist endgültig die Idee der Einigung Deutschlands mit einer demokratischen Grundordnung gescheitert.
  • von Mai bis Juli werden zahlreiche lokale Aufstände von preußischen Truppen niedergeschlagen.
  • 23. Juli ist das Ende der Märzrevolution mit der Niederschlagung des badischen Aufstandes.


Industrialisierung

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Begriffsklärung

  • In der Literatur finden sich die Begriffe Industrialisierung und Industrielle Revolution. Beide werden oftmals fälschlicherweise gleichgesetzt. Die Frage ist nun, welcher der Begriffe nun zutreffender ist. Dabei ist es notwendig die vorhandenen statistischen Daten auszuwerten. Ist nun dieser Prozess ein spontaner gewesen, also eine Revolution oder war es eher ein langsam schleichender Prozess.


Ursachen der Industrialisierung

  • Zunächst einmal ist die Frage zu klären, warum die Industrialisierung in Europa und nicht beispielsweise im technisch weiter entwickelten China stattfand. Dazu gibt es mehrere Theorien. Eine davon argumentiert, dass die vorhandenden nichtindustriellen Methoden dominant genug waren, dass eine Industrialisierung sozusagen unnötig war. Außerdem fehlte es China an geeigneten Rohstoffen, die Europa durch die Importe aus den Kolonien im Überfluss hatte. Ein weiterer Grund könnte die Wettbewerbslage sein. Im vielstaatlichen Europa herrschte eine nationale Konkurrenz, die im Kaiserreich China unbekannt war.
  • Die Ursprünge der Industrialisierung liegen in England. Deswegen werden die Bedingungen vor allem von England betrachtet.
  • Gesellschaftlich gesehen waren die Gedanken der Aufklärung eine wichtige Grundlage für die Industrialisierung. Naturbeherrschung, Rationalität
  • Die religiöse Strömung des Calvinismus rechtfertigte das Streben des Menschen in der Industrialisierung. Fleiß, Gewinnstreben als Tugend
  • Verbesserung der Lebensbedingungen durch medizinische und hygienische Verbesserungen.
  • Ausbau der Infrastruktur, Meer, Flüsse, Kanäle, Straßen Technik
  • Bevölkerungsexplosion
  • Wirtschaftsliberalismus in England nach Adam Smith
  • Vorteile aus der Kolonialmachtstellung, Rohstoffe, Ressourcen für England
  • Agrarrevolution, Fruchtwechsel statt Dreifelderwirtschaft, Produktivitätssteigerung, Intensievierung
  • hohe Investitionsfreudigkeit durch Calvinismus
  • Förderlich ist auch der in England herrschende Parlamentarismus.
  • Gesetze schützen den Handel und Patente in England.
  • Urbanisierung


Verlauf der Industrialisierung

  • Weiterentwicklung der Dampfmaschine durch James Watt
  • Gründung von Kapitalgesellschaften
  • Erfindergeist steigt
  • "Spinning Jenny" der mechanische Webstuhl von James Hargreaves
  • Kohleabbau
  • Schwerindustrie


Die soziale Frage

  • Landflucht
  • Frauenarbeit
  • Kinderarbeit
  • Wohnungsfrage
  • "Industrielle Reservearmee" (Karl Marx)


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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Kurze Biografie

  • wurde am 27. August 1770 in Stuttgart geboren
  • Grundschule und Gymnasium in Stuttgart, war vielseitig interessiert, lernte Griechisch, Latein, Französisch und Englisch
  • sammelte Zeit seines Lebens Exzerpte von Zeitungen und eigene Notizen zu allen Wissenschaften seiner Zeit
  • ab 1788 besuchte er das Theologische Seminar im Tübinger Stift; dabei interessierten ihn vor allem die klassischen Philosophen, weniger die zeitgenössische Theologie
  • 1790 erhält er den Titel "Magister der Philosophie"
  • im Sommer 1792 schließt er sich einem Studentenclub an, der die Ideen der Französischen Revolution aufnahm und sprach sich für Freiheit und Gleichheit aus
  • 1793 erhält er eine Anstellung als Hofmeister in Bern bei Kapitän ("Dragonerhauptmann") Karl Friedrich von Steiger (1754-1841), der Mitglied der Gesetzgebung war; als Privatlehrer für die Kinder des liberalen Kapitäns entschied er sich gegen eine kirchliche Karriere
  • erwarb sich in ein umfangreiches Wissen in Philosophie durch die Studien in der ausgewählten Bibliothek der Familie Steiger
  • 1797 bis 1800 war er Hauslehrer in Frankfurt
  • 1801 Habilitation in Jena, 1805 aufgrund der Empfehlung von Goethe zum Professor ernannt
  • ab 1809 Gymnasiallehrer in Nürnberg
  • Heirat mit Marie von Tucher am 16. September 1811
  • ab 1816 Professor in Heidelberg
  • ab 1818 Professor in Berlin
  • starb am 14. November 1831 in Berlin


Seine Philosophie

  • Hegel war ein Anhänger des Deutschen Idealismus
  • er wurde von der Deutschen Klassik beeinflusst
  • er war eng mit den Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling und Friedrich Hölderlin befreundet
  • er lehnte die Aufklärung und damit auch Immanuel Kant ab
  • er beeinflusste Karl Marx
  • in seiner Enzyklopedie versuchte er die Welt als System zu begreifen, dabei bildete er den Begriff "Kreis aus Kreisen", der erste Kreis bezeichnet die Logik (begriffliche Grundlage), der zweite die Naturphilosophie (biologische, chemische und physikalische Grundlagen) und letztlich der Geist (Politik und Weltgeschichte)
  • "Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit" bedeutet, dass im Laufe der Geschichte immer mehr Menschen zur Freiheit gelangt sind, im Christentum nun hat jeder Mensch die Freiheit erlangt, auch wenn er beispielsweise im Gefängnis sitzt
  • seine Philosophie schließt die Vergangenheit mit ein, durch die geschichtliche Entwicklung antitetischer Gesellschaftsschichten entsteht eine synthetisch neue bessere Gesellschaft


Die Dialektik

  • das wichtigste Element seiner Philosophie ist seine Dialektik
  • ursprünglich bedeutete Dialektik "Kunst der Gesprächsführung"
  • These - Antithese - Synthese (diese Begriffe stammen nur inhaltlich von Hegel): die Dinge dieser Welt haben alle einen Widerspruch, erst die Synthese von Spruch und Widerspruch bildet die Wahrheit
  • Beispiel: Sein = These, Nichts = Antithese, Werden = Synthese, Hegel stellte fest, dass eigentlich das Sein und das Nichts identisch ist; dies ist vergleichbar mit der Idee des Jin - Yang, beide Pole gehen ineinander über und sind damit Antithese des anderen
  • relevantes Beispiel: durch die antitetische Beziehung zwischen zwei Bewusstheitszuständen kommt es zur Polarität Knechtschaft und Herrschaft. Es geht dabei um die jeweilige Anerkennung durch das Gegenüber. Dabei finden Kämpfe um Leben und Tod statt, aber das Gegenüber wird nicht beseitigt, da sonst keine Anerkennung mehr vorhanden wäre. Unabhängig davon sieht Hegel aber in der Knechtschaft das stärkere Prinzip, denn sie bearbeitet die Natur und wird damit Herr über sie. Wenn der Knecht seine innere Angst der Unfreiheit überwindet und gegen seinen Herrn auflehnt, gelangt er zu Freiheit, die nun im dialektischen System die Synthese ist.
  • historisch interpretiert stellt diese Synthese die Entwicklung von einer feudalen Gesellschaft zu einer bürgerlichen dar
  • Karl Marx entwickelte aus dieser Antithese den Klassenkampf
  • weitere wichtige Begriffe der Philosophie Hegels: das An-Sich-Sein stellt ein Ding an sich dar und ist noch nicht mit seinem dialektischen Gegenüber in Kontakt gekommen
  • Das Für-Andere-Sein ist die erste Antithese des An-Sich-Seins. So hat sich das Ich eigentlich für andere aufgebaut. Das ist vergleichbar mit Martin Bubers "Am Du zum Ich" und dem Meadschen "I, Me and Self". Das An-Sich-Sein hat sich damit verändert.
  • Das Für-Sich-Sein ist die Synthese aus An-Sich-Sein und Für-Andere-Sein und gleichsam die Negation des Für-Andere-Sein, weil es dieses überwunden hat. Das entäußerte Wesen kehrt wieder zu sich zurück und ist am Anderen gereift. Es ist ein von sich selbst wissendes Subjekt geworden.
  • Das An-Und-Für-Sich-Sein ist das nun neu entstandene An-Sich-Sein, ursprünglich aus jenem hervorgegangen, weiterentwickelt zum Für-Andere-Sein und Für-Sich-Sein und schließlich zu diesem, das nun wieder reflektiert wird. Diese Begriffe bilden nun einen Kreislauf.
  • Negation ist für Hegel die Kraft der Dialektik. Sie wird auf drei Arten ausgedrückt: die einfache Verneinung bedeutet die Vernichtung eines Begriffes. Sie kann aber auch eine Aufhebung bedeuten, im Sinne dass ein Begriff im anderen aufgeht (siehe das An-Und-Für-Sich-Sein), oder im Sinne einer Kollision zweier Begriffe und deren Synthese
  • Substanz ist ursprünglich (so bei Aristoteles) das Wesen der Dinge. Bei Hegel ist es das eigentliche Subjekt, das sich aber weiterentwickelt und damit das System einer sich bewegenden Welt darstellt.

Friedrich Engels

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kurze Biografie und Kontakt zu Karl Marx

  • Engels wurde am 28. November 1820 in Barmen/ Preußen (heute Wuppertal) geboren
  • er besuchte die städtische Schule und das Gymnasium in Elberfeld
  • er musste die Schule 1837 vorzeitig abbrechen um als Handlungsgehilfe im Geschäft seines Vaters zu arbeiten
  • 1838 bis 1841 ging er in Bremen wieder zur Schule
  • 1841 leistete er in Berlin Militärdienst und besuchte in dieser Zeit philosophische Vorlesungen und kam mit Junghegelianer in Kontakt
  • 1842 reiste er nach Köln, wo er Karl Marx bei der Rheinischen Zeitung das erste Mal persönlich traf
  • daraufhin reiste er nach Manchester, um in der Baumwollspinnerei seines Vaters seine Ausbildung als Kaufmann zu beenden
  • in England wird er von der harten Realität der Arbeiterklasse geprägt, die seine politische Haltung verändert
  • in London kontaktiert er den Bund der Gerechten, der ersten deutschen revolutionären Arbeiterorganisation
  • in Leeds kontaktiert er die Chartisten (Reformbewegung im Großbritannien des 19. Jahrhunderts, im Fordergrund standen vier Forderungen: Gewerkschaftszulassung, Arbeitszeitverkürzung und bessere Arbeitsbedingungen, Wahlrechtserweiterung und Aufhebung der Kornzölle) und schreibt Artikel für die owenistische Zeitung (geht zurück auf Robert Owen, ein britischer Unternehmer und Frühsozialist sowie Begründer des Genossenschaftswesens, er arbeitete sich zum Besitzer in der Baumwollindustrie hoch, und schuf einen Betrieb mit menschenwürdigen Bedingungen für die Arbeiter und erregte damit internationales Aufsehen, er baute günstige würdige Mietwohnungen, verkürzte die Arbeitszeit, verbot Kinderarbeit bis 10 Jahre, baute eine Schule, gründete eine Kranken- und Rentenversicherung sowie Genossenschaften, sein Erfolg: motivierte Arbeiter, Produktivitätssteigerung und internationale Bekanntheit), die auch in der chartistischen Zeitung The Northern Star erschienen
  • 1844 begann er Artikel für die Deutsch-Französichen Jahrbücher zu schreiben, diese wurden von Karl Marx und Arnold Ruge herausgegeben wurden, in dieser Zeit entstand ein Briefwechsel mit Karl Marx
  • besuchte er Karl Marx in Paris, aufgrund der gedanklichen Kongruenz über den Kapitalismus entschieden sie sich für eine Zusammenarbeit
  • 1845 lud er Karl Marx zu sich nach England ein, wo sie bekannte Chartisten trafen
  • 1846 kamen sie nach Brüssel und gründeten dort das "Kommunistische Korrespondenz-Komitee", mit der Absicht eine europäische Plattform für führende Sozialisten zu schaffen
  • 1847 traten sie dem ehemals genannten Bund der Gerechten bei, dieser hat sich ihrem Gedankengut angenähert und nannte sich nun Bund der Kommunisten; Friedrich Engels und Karl Marx übernahmen das Schreiben des Programms: Das Kommunistische Manifest
  • während der Märzrevolution 1848/1849 schreiben beide für die von Karl Marx gegründete Zeitung
  • 1845 schrieb er nach seinem Aufenthalt in England über "Die Lage der arbeitenden Klasse in England"
  • 1849 tritt Engels in die badisch-pfälzisch Armee ein und kämpft als Adjutant Willichs im revolutionären Kampf
  • nach der Niederlage der Revolutionäre geht Engels nach England, dort arbeitet er im familiären Betrieb, den er schließlich erbt und an den Geschäftspartner Ermen verkauft, durch sein Vermögen konnte er auch Karl Marx unterstützen
  • seine militärischen Erfahrungen im Wehrdienst und im badisch-pfälzischen Aufstand machten ihn zum Militärexperten, so verfasste er mehrere militärische Schriften
  • die Regierung von Preußen forderte von England die Auslieferung beider
  • nach dem Tod von Karl Marx im Jahr 1883 hat er dessen Werk bearbeitet und herausgegeben
  • er starb am 5. August 1895 in London


seine Wirkung

  • Friedrich Engels war Unternehmer, Politiker, Philosoph und Militärhistoriker
  • er entwickelte mit Karl Marx die revolutionäre soziale Gesellschaftstheorie des Marxismus
  • er schrieb mit Karl Marx 1848 das Kommunistische Manifest
  • nach dem Tod von Marx gibt er den zweiten und dritten Band des Kapitals heraus
  • die gemeinsamen Thesen siehe unten


sein Werk

  • 1839 Briefe aus dem Wuppertal
  • 1840 Cola di Rienzi, (dramatischer Entwurf zu Cola di Rienzo)
  • 1844 Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie
  • 1845 Die Lage der arbeitenden Klasse in England
  • 1847 Der Status quo in Deutschland
  • 1847 Grundsätze des Kommunismus
  • 1850 Der deutsche Bauernkrieg
  • 1851/1852 Revolution und Konterrevolution in Deutschland
  • 1855 Die Armeen Europas
  • 1859 Po und Rhein
  • 1865 Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei
  • 1866 Betrachtungen über den Krieg in Deutschland
  • 1868 Konspekt über "Das Kapital" (erster Band) von Karl Marx
  • 1870 Die Geschichte Irlands
  • 1872 Zur Wohnungsfrage
  • 1872 Von der Autorität
  • 1873-1886 Dialektik der Natur
  • 1876 Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen (in Dialektik der Natur
  • 1878 Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft
  • 1880 Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft
  • 1884 Ursprung der Familie, des Privateigentum und des Staates
  • 1885 Die Geschichte des Bundes der Kommunisten
  • 1886 Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie
  • 1887/1888 Die Rolle der Gewalt in der Geschichte
  • 1891 Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs
  • 1893 Kann Europa abrüsten?
  • 1894 Zur Geschichte des Urchristentums
  • 1895 Einleitung zu "Klassenkämpfe in Frankreich" Karl Marx

Werke von Karl Marx

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Das Kapital
  • 1844 Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
  • 1845 Die heilige Familie (Kritik an der Philosophie Bruno Bauers)
  • 1845 Deutsche Ideologie
  • 1845 Thesen über Feuerbach
  • 1847 Misére de la philosophie (Reaktion auf Proudhons)
  • 1848 Discours sur la question du Libre Echange
  • 1848 Manifest der Kommunistischen Partei oder Das Kommunistische Manifest
  • 1849 Lohnarbeit und Kapital
  • 1850 Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848-50
  • 1852 Enthüllungen über den Kommunistenprozess zu Köln und Die großen Männer des Exils
  • 1852 Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte
  • 1853 Die britische Herrschaft in Indien
  • 1853 Die ostindische Kompanie, ihre Geschichte und die Resultate ihres Wirkens
  • 1853 Lord Palmerston
  • 1853 Die künftigen Ergebnisse der britischen Herrschaft in Indien
  • 1854 Das revolutionäre Spanien
  • 1855 Lord John Russel
  • 1858 Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie
  • 1859 Zur Kritik der politischen Ökonomie
  • 1860 Herr Vogt
  • 1864 Inauguraladresse und Satuten der Internationalen Arbeiterassoziation
  • 1864 Lohn, Preis, Profit
  • 1867 Das Kapital
  • 1869 Konfidentielle Mitteilung über Bakunin
  • 1871 Der Bürgerkrieg in Frankreich
  • 1875 Kritik des Gothaer Programms (der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands)
  • 1881 Brief an Sassulitsch
  • 1883 Le programme du parti ouvrier


Das Kapital

Das Werk in Themen und Thesen

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Dialektische Methode

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  • Lenin meinte, man könne das Werk von Karl Marx nur verstehen, wenn man die Dialektik von Hegel kennt. Natürlich war das übertrieben, allerdings ist für das Verständnis von Marx die Dialektik Hegels sehr hilfreich.
  • Die Idee einer dialektischen Methode ist in der Philosophie schon sehr alt. Sie beruht auf dem Prinzip der Gegensätze. Während viele philosophische Ansätze sich an der Tatsache der Widersprüche stoßen und nicht weiter kommen, erkennt die Dialektik diese an und baut ihr System darauf auf.
  • Hegel ging davon aus, dass der historische Wandel für die Gegenwart sehr wichtig ist. Er löst Probleme im dialektischen Sinn und schafft damit die Essenz der Gegenwart.
  • Auch Marx sprach von Klassenkämpfen und Widerstreit des Kapitalismus, allerdings glaubte er nicht wie Hegel, dass diese im Kopf stattfinden würden, sondern in der Realität.
  • Marx glaubte nicht, dass ein Philosoph diese Problem am Schreibtisch lösen kann, sondern es ist ein sozialer Kampf um Leben und Tod in der Realität.
  • Genau hier wird Karl Marx relevant für die Soziologie, da er die Dialektik von der philosophischen Realität in die Realität sozialer Beziehungen in der materiellen Welt mitnimmt.
  • Ein dialektisches Beispiel von Marx: Im Kapitalismus sind Arbeiter und Kapitalisten ein dialektisches System. Die Kapitalisten besitzen die Fabriken und beuten die Arbeiter aus, damit sie Gewinn machen. Dies ist für Marx das Zentrum des Kapitalismus. Wenn sich nun der Kapitalismus noch mehr ausweitet, also sowohl die Zahl der Arbeiter als auch der Grad der Ausbeutung steigt, dann wird sozialer Wandel notwendig werden. Da hilft keine Philosophie. Es wird damit der Widerstand der Arbeiter zunehmen. Dieser Widerstand wird letztlich zu mehr Ausbeutung und Repression von Seiten der Kapitalisten führen und schließlich zu einer Konfrontation der beiden Klassen.
  • So entwickelte Marx eine dialektische Analyse.
  • In der dialektischen Analyse wird nicht zwischen persönlichen Werten und Forschung sozialer Tatsachen (hier nicht im Sinne von Durkheim) unterschieden. Auch wenn einige Soziologen dies fordern, scheint dies vielmehr praktische Realität zu sein.
  • Die dialektische Methode kennt keine einfache Einweg-Ursache-Wirkungs Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen der sozialen Welt, sondern es existieren vielmehr Wirkungsketten. Situationen schaukeln sich hoch bis sie eskalieren. Damit wird differenzierter analysiert als bei einfachen Ursache-Wirkungsforschern. Damit existieren reziproke Beziehungen für Dialektiker.
  • Wie bei Hegel auch ist für dialektische Soziologen die Vergangenheit wie Zunkunft für die momentane Entwicklung der sozialen Welt von besonderer Bedeutung. Das heißt, dass dialektische Soziologen ernsthaft die Vergangenheit studieren. Denn die Menschheit kann zwar ihre eigene Geschichte machen, aber sie tut dies in Umständen, die aus der Vergangenheit kommen. Außerdem denken Dialektiker, dass man Prognosen für die Zunkunft auf der Basis der gegenwärtigen Analyse ziehen kann.
  • Die dialektische Methode besagt aber nicht, dass die Zukunft von der Gegenwart bestimmt wird, also unvermeidlich ist. Soziale Phänomene basieren auf ständigem Agieren und Reagieren. So kann die Zukunft auf aktuellen Modellen basieren, muss es aber nicht.
  • So haben Akteure Wahlmöglichkeiten, diese sind aber begrenzt. Marx sagte deshalb, dass die Menschen die Wahl haben, entweder im Klassenkampf teilzunehmen oder den allgemeinen Ruin der streitenden Klassen zu fördern.
  • Marx differenziert hier und geht davon aus, dass es keine Unvermeidlichkeiten gibt. Wenn also einige "Marxisten" behaupten, dass Marx die soziale Realität nur mit These, Antithese und Synthese ausgedrückt hat, ist das eine große Vereinfachung seiner Theorie. Der dialektische Soziologe ist an realen Beziehungen mehr interessiert als an großen Abstraktionen.
  • Marx' Theorie stellt sämtliche Beziehungen zwischen Akteuren, Strukturen und der zeitlichen Dimension dar. So beeinflusst die gesellschaftliche Struktur der Vergangenheit die gegenwärtige, sowie die gegenwärtige die zukünftige und umgekehrt. Außerdem beeinflussen vergangene Strukturen die Akteure der Vergangenheit und Gegenwart; die momentane Struktur hat Wirkung auf die Akteure aller drei Zeiten und die die zukünftige Struktur hat Wirkung auf die Akteure der Gegenwart und Zunkunft. Akteure der Vergangenheit wirken auf die Struktur der Vergangenheit und Gegenwart ein, sowie auf gegenwärtig Akteure; Akteure der Gegenwart haben Wirkung auf die Struktur aller drei Zeiten und auch auf die Akteure der Vergangenheit und Zukunft. Parallel dazu wirken die Akteure der Zunkunft auf die Struktur von Gegenwart und Zukunft ein, sowie auf die Akteure der Gegenwart.
  • Diese großen Strukturen helfen also den Akteuren, sich selbst zu verwirklichen. Andererseits stellen sie aber für Marx eine große Bedrohung für die Menschheit dar.

Die menschliche Natur

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  • Für Marx war es wichtig, sich Gedanken über die menschliche Natur zu machen, damit man die soziale Realität versteht und eine Theorie über den Kapitalismus aufstellen kann.
  • Marx war überzeugt, dass es einen Widerspruch zwischen der Natur des Menschen und der Arbeitsweise im Kapitalismus gibt.
  • Die menschliche Natur ist mit den sozialen Beziehungen und dem institutionellen Kontext verflochten. Daher ist sie nicht statisch, sondern variiert historisch und sozial gesehen. Um also die menschliche Natur verstehen zu können, ist ein Verständnis der sozialen Geschichte notwendig.
  • Einige Marxisten zweifeln jedoch Weise an, dass Karl Marx überhaupt an die menschliche Natur geglaubt hat.


Arbeit

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  • Marx definiert Arbeit als Prozess, in dem Mensch und Natur teilnimmt und in dem der Mensch aus eigenem Antrieb beginnt, die materiellen Reaktionen zwischen ihm und der Natur zu regulieren und kontrollieren. Indem der Mensch die externe Welt verändert, verändert er seine eigene Natur. Und dies ist nur dem Menschen zu eigen. Er vergleicht dies mit einer Spinne. Sie konstruiert ein Netz, ein Architekt konstruiert ein Haus, macht sich aber vorher in seiner Vorstellung Gedanken über das Projekt. Die Produktion spiegelt also den Zweck wider. Dies nennt Marx Objektivierung.
  • Arbeit ist materiell. Sie sichert menschliche materielle Bedürfnisse.
  • Arbeit ist die Veränderung der Natur und des Menschen.
  • Vergleich mit künstlerischer Tätigkeit. Ein Künstler hat gedankliche Vorstellungen, die er schließlich umsetzen und präsentieren möchte.
  • Die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse führt zu neuen Bedürfnissen. Der Mensch arbeitet als Antwort auf menschliche Bedürfnisse, die Arbeit verändert die Bedürfnisse, was zu neuen Formen produktiver Tätigkeit führen kann. Nach Marx ist genau diese Transformation der Motor der menschlichen Geschichte.
  • Für Marx ist die Arbeit die Entwicklung unserer wahren menschlichen Kräfte und Potentiale.
  • Arbeit ist auch eine soziale Tätigkeit. Es entstehen reziproke Netzwerke. Notwendige Werkzeuge und Rohstoffe werden ver- und angekauft.
  • Arbeit transformiert die Gesellschaft. Der Mensch ist ein zoon politikon. Er kann sich nur in einer Gesellschaft zum Individuum entwickeln.
  • Diese Transformation betrifft also auch das menschliche Bewusstsein.


Der Mehrwert

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  • Die Kapitalisten zahlen den Arbeitern weniger als den Wert, den diese produzieren und behalten sich den Rest.
  • Dies führt zum Konzept des Mehrwertes. Er definiert sich durch die Differenz zwischen dem Wert des Produktes wenn es verkauft wird und dem Wert aller Elemente, die zur Herstellung des Produkts nötig waren, einschließlich der menschlichen Arbeit.
  • Der Kapitalist kann diesen Gewinn für den eigenen Nutzen verwenden. Er wird ihn aber für weitere Investitionen nutzen, damit sich der Mehrwert vergrößert.
  • Der Mehrwert ist nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor sondern auch ein sozialer. Die wahre Quelle des Mehrwertes ist für Marx nämlich die Arbeit der Lohnarbeiter (soweit diese "produktiv" beschäftigt sind). Marx ging davon aus, dass die Höhe des Mehrwertes den Grad der Ausbeutung anzeigt. Je höher dieser ist, desto größer ist auch die Ausbeutung der Arbeiter.
  • Marx vergleicht dies mit folgender Metapher: Kapital ist tote Arbeit, das wie ein Vampir nur leben kann, wenn es lebende Arbeit aussaugt. Je mehr es saugen kann, desto mehr lebt es.
  • Der Kapitalist existiert und kann nur existieren, wenn es viele davon gibt. Durch den Wettbewerb müssen sie immer mehr Gewinn machen und investieren, ansonsten sind sie aus dem Rennen. Das bedeutet, dass sie mehr ausbeuten müssen und das Gehalt der Arbeiter fast bis null drücken müssen.
  • Dieses Verlangen nach mehr Profit und größeren Mehrwert nennt Marx das allgemeine Gesetz der Anhäufung von Kapitalisten.
  • Allgemein gilt: Wert des Produktes = Wert Produktionsmittel + menschliche Arbeitskraft + Mehrwert


Entfremdung

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  • Marx glaubte an eine innere Verbindung zwischen Arbeit und menschlicher Natur. Der Kapitalismus hat diese Verbindung zerstört. Diese neue zerstörte Beziehung nennt Marx Entfremdung.
  • Er analysierte die besondere Form, die unter dem Kapitalismus entstand. So kann der Mensch nicht mehr die Arbeit als Ausdruck seines Zweckes betrachten. Es gibt keine Objektivierung mehr. Stattdessen arbeitet der Mensch nun zum Zwecke des Kapitalisten, der den Arbeiter einstellt und bezahlt. Der Sinn der Arbeit ist lediglich nur mehr ein Geldverdienen. Da die Arbeit nicht mehr dem Menschen Eigen ist, entsteht auch keine persönliche Transformation. Stattdessen ist der Mensch seiner Arbeit entfremdet worden und damit von seiner menschlichen Natur.
  • Marx nutzte diese Verfremdungstheorie, um die verheerende Wirkung der kapitalistischen Produktion auf die Menschen und Gesellschaft offenzulegen.
  • Das Zweiklassensystem besteht aus den Kapitalisten, die die Arbeiter einstellen, die Produktionsmittel besitzen und schließlich auch die Endprodukte. Um zu überleben sind die Arbeiter gezwungen, ihre Arbeitszeit zu verkaufen. Das ist die soziologische Basis der Verfremdung.
  • Die Menschen fühlen sich nur noch in ihren tierischen Funktionen, Essen, Trinken und Fortpflanzen, frei. Im menschlich wichtigen Prozess der Arbeit fühlen sie sich nur noch als Tiere.
  • Die Verfremdung äußert sich in vier Punkten: Zunächst entfremden sich die Arbeiter in kapitalistischen Gesellschaften von ihrer produktiven Aktivität. Sie produzieren nicht mehr nach ihren eigenen Ideen oder um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Stattdessen arbeiten sie für die Kapitalisten, die die Produktion vorgeben. Durch die Spezialisierung verliert der Einzelne den Sinn des Gesamten. Die Tätigkeit ist auf eine langweilige Arbeit reduziert worden, und das nur um Geld zu verdienen. Zweitens haben sich die Arbeiter auch von ihren Produkten entfremdet. Das Produkt gehört nur dem Kapitalisten, der es gewinnbringend verkauft. Wenn die Arbeiter dieses Produkt haben wollen, müssen sie dieses wie andere auch erst kaufen, egal wie ihre Lage ist. Drittens sind sie von den Arbeitskollegen entfremdet. Im Kapitalismus werden natürliche Kooperationen gestört. Die Arbeiter sind sich oftmals fremd und die Technisierung isoliert die Leute. Sie werden auch zum Konkurrenzkampf untereinander herausgefordert. Bewusst lassen sie gegeneinander arbeiten und jene die am meisten produzieren, bekommen Prämien. Jene, die nicht mithalten konnten, wurden entlassen. So entsteht unter den Arbeitern eine gegenseitige Feindschaft. Schließlich werden die Arbeiter von ihrem menschlichen Potential entfremdet. Anstatt dass Arbeit eine Vollendung der menschlichen Natur wäre, fühlt sich der Mensch in der Arbeit am wenigsten als Mensch. Diese Misslage kann nur durch einen realen sozialen Wandel verändert werden.


Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft

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Veränderungen in der Gesellschaft/ Sozialer Wandel

  • Das Europa zu Marxs Zeiten machte eine steigende Industrialisierung durch. Die Menschen mussten den Landwirtschaftssektor und das Handwerk verlassen und in Fabriken unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten.
  • Bis in die 1840er erfuhr Europa flächendeckend soziale Krisen. Dies führte zu einer Reihe von Revolutionen im Jahre 1848 (Märzrevolution). Das war kurz nach dem Erscheinen des Kommunistischen Manifests.
  • Marxs Analyse des Kapitalismus bezog sich auf die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen, die er um sich herum sah.
  • Er fand heraus, dass das kapitalistische System die Hauptursache der Entfremdung war. Die Arbeiter wurden von den Kapitalisten ausgebeutet.
  • Der Kapitalismus ist mehr als nur ein wirtschaftliches System, es ist vielmehr auch ein politisches System und ein System von Kräfteverhältnissen.
  • Probleme in der Gesellschaft werden nun der "Wirtschaft" zugeschrieben. Sie werden nicht mehr als Folge sozialer und politischer Fehlentscheidungen gesehen.
  • Marx wollte genau diese sozialen und politischen Aspekte aufzeigen.

Das Kapital, Kapitalisten und Proletarier

  • Marx sah das Herzstück des Kapitalismus in der Massenware. Eine Gesellschaft, die bei Objekten dominiert wird, deren Hauptbedeutung der Umsatz ist, erzeugt gewisse Kategorien von Menschen. Die zwei Haupttypen sind das Proletariat und der Kapitalist.
  • Das Proletariat sind Arbeiter, die ihre Arbeitskraft vermieten und über die Produkte ihrer Arbeit nicht verfügen können. Sie besitzen keine Werkzeuge oder Fabriken, und nach Marx verlieren sie auch ihre Fähigkeiten, da sie ständig nur Maschinen bedienen müssen. Sie produzieren nur für den Umsatz und sind selbst Konsumenten. Sie kaufen diese Waren mit ihrem Lohneinkommen, deshalb sind sie vom Lohn abhängig und damit von denen, die den Lohn auszahlen.
  • Dies machen die Kapitalisten. Sie besitzen die Produktionsmittel.
  • Das Kapital ist Geld, das mehr Geld produziert. In anderen Worten: es wird Geld in Güter investiert, nicht um die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um das Geld zu vermehren.
  • Für Marx gibt es zweierlei Modelle von Warenzirkulation. Das erste Modell: Waren - Geld - Waren ist die nicht-kapitalistische Variante. Als Beispiel dafür dient der Fischer, er fängt seine Ware, verkauft sie und aus dem Geld kauft er sich Brot. Das zweite Modell: Geld - Waren - größere Summe von Geld. Dieses ist eigentümlich für den Kapitalismus.
  • Der kapitalistische Kreislauf hat nur den Zweck, das Geld zu vermehren. Es gilt "kaufen um zu verkaufen". Ein Geschäftsbesitzer kauft Fische und verkauft diese teurer. Schließlich kauft er ein Boot und die Ausrüstung und bezahlt jemanden, der fischen geht.
  • Kapital ist für Marx eine soziale Beziehung. Geld wird also nur zum Kapital, wenn es auf der einen Seite den Proletarier gibt, der die Ware produziert und auf der anderen Seiten den Kapitalisten, der das Geld investiert.
  • Es ist damit ein Kräfteverhältnis gegeben. Kapital kann nur durch die Ausbeutung der Arbeiter wachsen. Sie werden von einem System ausgebeutet, das sie ironischerweise selbst durch ihre Arbeit erschaffen.


Ausbeutung

  • Ausbeutung ist für Marx mehr als nur eine ungleiche Verteilung von Reichtum und Macht.
  • Ausbeutung ist ein notwendiger Bestandteil des kapitalistischen Systems.
  • Natürlich ist Ausbeutung in allen Gesellschaften vorhanden, aber im Kapitalismus entsteht sie durch das unpersönliche ökonomische System.
  • Die Arbeiter können nicht mehr für sich selbst produzieren. Sie sind auf die Beschäftigung durch die Kapitalisten angewiesen.
  • Der Kapitalismus schafft eine Reservearmee von Arbeitslosen. Wenn jemand nicht für den geringen Lohn arbeiten will, gibt es genug Ersatz aus der Reservearmee. Und die Kapitalisten zahlen den Arbeitern nicht den Gesamtwert der Produktion, sondern nur den Wert der Arbeitskraft, die wie eine Ware von den Lohnarbeitern verkauft wird.


Klassenkonflikt

  • Marx verwendete zwar den Begriff der Klasse sehr oft, definierte diesen aber nie ausdrücklich. Er benutzte ihn oftmals für eine Gruppe von Leuten, die in ähnlicher Lage bezüglich der Kontrolle über Produktionsmittel sind.
  • Marx sah aber auch in diesem Begriff das Potential für Konflikte. Individuen schließen sich zu einer Klasse zusammen, weil sie in einem gemeinsamen Konflikt mit anderen aufgrund des Mehrwertes sind.
  • Im Kapitalismus gibt es einen inneren Konflikt zwischen denen, die Lohnarbeiter einstellen, und jenen, deren Arbeit in einen Mehrwert umgewandelt wird. Dieser innere Konflikt schafft Klassen.
  • Für Marx existiert eine Klasse erst richtig, wenn sich die Menschen darin ihrer eigenen Situation bewusst werden, nämlich dass sie in einem Konflikt mit einer anderen Klasse stehen. Ohne dieses Bewusstsein ist es nur eine Klasse an sich. Wenn sie sich des Konfliktes bewusst werden, ist es eine Klasse für sich.
  • Marx fand zwei Klassen: Bourgeoisie und Proletariat. Die Bourgeoisie ist ein besonderer Name für die Kapitalisten in der modernen Wirtschaft. Sie besitzen die Produktionsmittel und beschäftigen Lohnarbeiter.
  • Der Klassenkonflikt kann nur durch die Veränderung der kapitalistischen Struktur gelöst werden.
  • Ausbeutung, Mechanisierung der Arbeit und Reservearmeen werden letztlich dazu führen, dass es nur einige wenige Kapitalisten gibt und eine große industrielle Reservearmee.
  • Der Kapitalismus wird schließlich jene Massen hervorrufen, die unter Missständen leiden und dadurch die Möglichkeit eines Widerstandes gegen das System wächst. Sodann werden gerade die internationalen Firmen zu einem translokalem Bewusstsein führen, das wahrscheinlich in einer Revolution enden wird.
  • Marx macht keine Individuen der Bourgeoisie verantwortlich, denn sie müssen laut der kapitalistischen Logik Mensch ausbeuten, da sie sonst keine Chance am Wettbewerb hätten. Er führt diese Lage auf die Logik des Systems zurück. Sie ist es auch, die den Untergang des Systems bringt. Der Kapitalismus zerstört sich also selbst.


Ideologien

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  • Ideologien sind für Marx Institutionen oder gängige Ideen, die den Wandel verhindern.
  • Marx präzisiert diesen Begriff niemals, aber er scheint ihn für Arten von Ideen zu verwenden. Erstens bezieht sich die Ideologie auf jene Ideen, die natürlicherweise aus dem kapitalistischen Alltag entstehen. Diese Ideen werden aber durch die Natur des Kapitalismus verändert. Für sie verwendet er den Begriff der camera obscura, die eine optische Eigenart anwendet, um ein reales aber umgedrehtes Bild zu erzeugen. Dieser Typ von Ideologie wird vom Geld repräsentiert. Obwohl man weiß, dass Geld nur ein Stück Papier ist, hat es eine enorme Bedeutung durch die sozialen Beziehungen. Es scheint das Geld gibt dem Menschen seine Bedeutung. Diese Ideologie ist anfällig für Brüche, denn menschliche Werte hängen nun einmal nicht an materiellen Verträgen. Zweitens bezieht sich Ideologie auf Regelsysteme, die versuchen, die Klassengegensätze, die das Herz des Kapitalismus sind, zu verstecken. Sie präsentieren ein Ideensystem, wie z.B. eine Religion, Philosophie, Literatur oder Gesetzeswerk, das die Gegensätze kohärent macht. Sie erklären solche Erfahrungen, die die Gegensätze aufdecken würden, meistens als persönliche Probleme. Oder sie präsentieren den kapitalistischen Gegensatz als wirklichen Gegensatz in der menschlichen Natur.
  • Der zweite Typ von Ideologie wird meist von der herrschenden Klasse verwendet. So kritisiert Marx den gutbürgerlichen Philosophen Hegel, dass er nur vortäuscht, dass die materiellen Gegensätze allein durch die Denkweise gelöst werden können. Aber auch das Proletariat kann solche Ideologien bilden. Menschen, die ihre Hoffnung auf einen sozialen Wandel aufgegeben haben, bedürfen solcher Ideologien.
  • Aber egal wer die Ideologien aufgestellt hat, sie begünstigen immer die herrschende Klasse durch das Verheimlichen der Gegensätze.

Religion

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  • Religion ist für Marx eine Ideologie. Sie ist Opium des Volkes.
  • Allerdings ist für ihn die religiöse Verzweiflung sowohl der Ausdruck echter Verzweiflung als auch der Protest gegen die echte Verzweiflung. Religion ist das Seufzen unterdrückter Kreaturen, das Herz einer herzlosen Welt, also das Opium der Menschen.
  • Religion reflektiert also eine Wahrheit, aber sie ist verdreht. Die Menschen können einfach nicht sehen, dass ihre Verzweiflung und Unterdrückung aus dem kapitalistischen System entsteht. Sie geben ihr einfach eine religiöse Form. Marx ist also nicht gegen die Religion, sondern gegen ein System, das religiöser Illusionen bedarf.
  • Diese religiöse Form ist anfällig für Brüche und deshalb ist es denkbar, dass sie Grundlage einer revolutionären Bewegung wird. Marx dachte, dass die Religion leicht die Ungerechtigkeit des Kapitalismus als Test für die Gewissenhaftigkeit nutzt und damit jeglichen revolutionären Wandel aufschiebt, bis in das Leben nach dem Tod. Damit wird der Schrei der Unterdrückten für weitere Unterdrückung genutzt.


Kommunismus

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  • Marx schrieb oft, dass Änderungen in der Produktionsweise unvermeidlich sind. Sein historischer Materialismus ist wahrscheinlich durch die Sehnsucht nach einer Vorhersagbarkeit von Trends erklärbar. Das Aufdecken dieser Trends soll jene Punkte aufdecken, wo eine politische Tätigkeit am effektivsten sein kann. So wird Marx seine Theorien in seinen politischen und ökonomischen Studien eingesetzt haben.
  • Wenn das Ziel von Marxs materieller Sichtweise der Geschichte das Vorhersagen solcher Aspekte war, dann ist aus seiner Sicht, was als nächstes Stadium kommt, sehr wichtig. Marx dachte, dass der Kapitalismus seine produktiven Kräfte so entwickelt hat, dass es Zeit für eine neue Produktionsweise würde. Diese nennt er Kommunismus. Er verweilte bei seiner Analyse vor allem bei solchen Konflikten seiner Gegenwart, die zu dieser neuen ökonomischen Form führen würden.
  • Obwohl ihm die zukünftige kommunistischen Gesellschaft sehr wichtig war, verwendete er nicht sehr viel Zeit damit, diese zu beschreiben. Er weigerte sich, ein Rezept für die Zukunft zu verfassen.
  • Die Zeit, in der Marx schrieb, war erfüllt von Diskussionen über Revolutionen und neuen Gesellschaftsformen, Kommunismus, Sozialismus, Anarchie und anderen. Marx aber intellektuell genug, um von solchen utopischen Zukunftsvisionen abstand zu nehmen.
  • Für ihn war es die wichtigste Aufgabe, die gegenwärtige kapitalistische Gesellschaft zu analysieren. Er glaubte daran, dass eine solche Kritik den Kapitalismus zerstören würde und die Bedingungen für eine neue sozialistische Welt schaffen würde.
  • Generell jedoch glaubte Marx, dass der Kommunismus mit sich bringen würde, dass er Entscheidungen darüber treffen wird, was produziert wird. (Weg also von der vergegenständlichten Wirtschaft, die im Interesse weniger Kapitalisten läuft.) Stattdessen werden soziale Entscheidungen getroffen, die es erlauben, dass die Bedürfnisse der Mehrheit endlich zählen.
  • Kommunismus im Sinne von Marx ist also eine klassenlose Gesellschaft. Durch die Zuspitzung der Gegensätze im Kapitalismus ist eine soziale Revolution entstanden. Anschließend findet eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel statt. Eine erste Phase ist die Herrschaft des Proletariats. Danach wird der Staat als Instrument der Klassenherrschaft überflüssig werden und die zweite Phase beginnt. Sie ist gekennzeichnet als höchste Phase des Kommunismus mit dem Prinzip, dass jeder nach seinen Fähigkeiten tätig ist und jeder nach seinen Bedürfnissen lebt.
  • Grundsätzlich war Sozialismus und Kommunismus für Marx und Engels synonym.

Rezeption und Wirkung

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Kritik an Karl Marx

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  • Michail Bakunin: Kritik an Karl Marx wurde zu seinen Lebzeiten am radikalsten vom anarchistischen Revolutionär Michail Bakunin(1814-1876) geäußert. Während er Marxs Analyse des Kapitalismus bewunderte, missfielen ihm insbesondere die autoritären Züge seiner Lehre. Er ahnte bereits, dass das Konzept der "Diktatur des Proletariats" zu einer Diktatur über das Proletariat und zur Errichtung einer "roten Bürokratie" führen würde. Weiterhin war ihm Marxs theoretischer Absolutheitsanspruch zuwider sowie seine Ambitionen zur Kontrolle der Internationalen Arbeiter-Assoziation, in der auch er Mitglied war.
  • Industrielle Revolution: In Großbritannien brachte zwar die Industrielle Revolution umwälzende gesellschaftliche Veränderungen, da dies aber langsam in einem großen Zeitraum geschah, ist es fraglich, ob man noch von einer Revolution sprechen kann. Aus diesem Grund ist es besser von Industrialisierung zu sprechen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden etwa die Hälfte der erzeugten Waren mit der Hand in Heim- und Hausgewerbe erzeugt und nicht in der Fabrik. So hat die Maschinisierung der Garnspinnerei gar zu einer Ausdehnung der Handweberei geführt, der Aufbau von Textilfabriken führte zum Wachstum der Herstellung von Kleidung in Heimarbeit und das Entstehen der Eisenindustrie führte zur Vervielfältigung handwerklicher Schneidwaren- und Nägelproduktion. Es lässt sich nicht behaupten, dass der Lebensstandard der Unterschichten in der Industrialisierungsphase zurückgegangen ist. Dazu ist es relevant, die Reallohnentwicklung oder den Durchschnittskonsum der Unterschichten dieser Zeit zu betrachten. Die sogenannten Lebensstandardoptimisten verwenden Einkommensdaten und stellen im Zeitraum von 1780 bis 1850 einen Reallohnanstieg von drei Viertel fest, was eine bedeutende Verbesserung des Lebensstandards dokumentiert. Die Lebensstandardpessimisten nehmen die Konsumdaten der Arbeiterschicht zu Hand. Die ökonometrische Abschätzung des Durchschnittseinkommens der Unterschicht mit Hilfe von Konsumdaten ergibt eine weitgehende Konstanz in diesem Zeitraum. Diese Diskrepanz kann damit erklärt werden, dass in diesem Zeitraum die Heimarbeiter überwiegen und deren Lohn nicht von den Statistiken erfasst wurde, jedoch ihr Konsum. Aus diesem Grund kann man ableiten, dass vor allem Fabriksarbeiter ihren Lebensstandard verbessern konnten, während Heimarbeiter zunehmend verelendeten. Ab 1850 fand unbestritten ein Anstieg des Lebensstandards statt. Bedenkt man, dass die Bevölkerung Großbritanniens zwischen 1750 und 1850 auf das Zweieinhalbfache anstieg, hat sich der Lebensstandard der Unterschichten offenbar nicht verschlechtert, sondern verharrte auf relativ hohem Niveau. Anders formuliert, es hat sich der Lebensstandard in der Industrialisierung nicht oder nur wenig verbessert, aber keinesfalls massiv verschlechtert.
  • Die Agrarrevolution: Die Agrarrevolution spielt eine bedeutende Rolle in der Industrialisierung. Das Gleichbleiben des Lebensstandards der Unterschichten war mit der Sicherung der Lebensmittelproduktion verbunden. Etwa Arnold Toynbee behauptet, dass die Industrielle Revolution ohne Agrarrevolution nicht möglich gewesen wäre, da man dann Nahrungsmittel importieren hätte müssen, sodann wären kaum noch Devisen für wirtschaftlich bedeutende Produkte, wie Baumwolle für die Baumwollindustrie, vorhanden gewesen. Dann wäre der Verlauf der Industrialisierung anders gekommen, da die von diesem Rohstoff abhängige Industrie niemals diese Bedeutung erlangt hätte, die sie damals einnahm. Ein weiterer Aspekt ist, dass die heimische britische Landwirtschaft sehr wichtige Rohstoffe lieferte, wie Wolle, Flachs, Stroh, Holz, Talg und Farben. Zudem stammte ein erheblicher Teil des investierten Kapitals aus der Landwirtschaft und diente beispielsweise zum Infrastrukturausbau. Im Verlauf der Industrialisierung erfolgte eine gewaltige Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft. Die absoluten Beschäftigungszahlen in der Landwirtschaft nahmen leicht zu in dieser Phase. Erstaunlich ist, dass das Land der ersten Industriellen Revolution weniger durch die Durchschnittsproduktivität des Gewerbes, sondern der Landwirtschaft, andere Länder überragte. Die kapitalistische Struktur scheint vor allem in der Landwirtschaft genutzt worden zu sein. Überflüssige Arbeitskräfte wurden wegrationalisiert, der Pächterbauer als Kapitalist setzte die Lohnarbeiter nur solange ein, wie ein Gewinn zu erwarten war. So stieg die Kapitalkraft der Landwirtschaft stark an, nicht benötigte Arbeitskräfte mussten in anderen Wirtschaftssektoren nach Arbeit suchen. Die sogenannten Landlords vergrößerten ihre Güter. Einstiges gemeinschaftliches Land wurde privatisiert, die enclosures. Da die Landlords auch die politische Macht inne hatten, wurden die enclosures gegen Willen der Landbevölkerung gesetzlich durchgedrückt. Die Landlords waren sehr an neuen Anbaumethoden interessiert, um die Produktivität zu steigern. (siehe oben- Kapitel Industrialisierung)
  • Industrialisierung in Deutschland: Deutlich zu bemerken ist, dass das Wirtschaftsleben zur Zeit des Wiener Kongresses und sogar noch 1830 in traditionellen Bahnen verlief. Man könnte sogar von einer Deindustrialisierung in dieser Zeit sprechen, auf jeden Fall von einer Stagnation der Industrialisierungstendenz. Moderne Fabrikindustrie fehlte noch und in traditionellen Gewerben war die internationale Konkurrenz zu hoch und ließ die Industrie schrumpfen. So kam es in Deutschland aufgrund des Bevölkerungswachstums und der damit verbundenen Arbeitskräftepotentialsteigerung dazu, dass die Bevölkerung zunehmend verelendete. Aus diesem Grund kann man nur hier am ehesten von einer Krisensituation sprechen. Die Ursache für den Entwicklungsrückstand lag im politisch und religiös gespaltenen Deutschen Bund, der aus vielen kleinen souveränen Staaten bestand. Erst 1834 wurde der Deutsche Zollverein gegründet. Erst der Bau der Eisenbahn in Deutschland war Anstoß der Industrialisierung und verband die Wirtschaftskraft.
  • Es gibt mehrere Probleme in Marx Theorien, die diskutiert werden müssen. Eines davon ist der aktuell existierende Kommunismus. Das Versagen kommunistischer Gesellschaften und ihr Wandel hin zu einer mehr kapitalistisch orientierten Wirtschaft, zwingt die Rolle der marxistischen Theorie in der Soziologie zu überdenken. Seine Ideen scheinen bereits versucht worden zu sein und versagt zu haben. Fast ein Drittel der Gesamtweltbevölkerung lebte schon einmal in Staaten, die von Marxs Ideen inspiriert waren. Jetzt sind viele dieser ehemaligen marxistischen Staaten kapitalistisch, und selbst solche, die immer noch behaupten marxistisch zu sein, sind nichts anderes als eine hochbürokratisierte Form des Kapitalismus. Gegen diese Kritik könnte man einwenden, dass diese Staaten niemals wirklich den marxistischen Ideen gefolgt sind und dass es unfair wäre, Marx für jeden Missstand der Theorie die Schuld zu geben. Jene aber, die solche Kritik einwenden, behaupten, dass Marx selbst insistiert hätte, dass seine Theorie nicht von der aktuell existierenden Praxis getrennt werden dürfe. Wenn der Marxismus niemals in der Praxis funktioniert, ist er für Marx wertlos. Es scheint klar zu sein, dass das Fehlen einer Theorie, die die Probleme der staatlichen Bürokratie abschätzt, zu den Fehlern des aktuell existierenden Kommunismus beigetragen hat. Hätte Marx eine solche komplette Theorie über staatliche Bürokratie geliefert, wäre zu erwarten, dass sie sich vor allem auf die Mängel des Kapitalismus beziehen würde.
  • Ein weiteres Problem wird oftmals als missing emancipatory subject bezeichnet. Es geht dabei um die Marxsche Idee, dass das Proletariat im Mittelpunkt des sozialen Wandels den Kommunismus herbeiführt. Tatsache ist aber, dass es kaum diese führende Position einnahm. Ja, es gehörte sogar zu den Gruppen, die sich am meisten gegen den Kommunismus stellten. Dies ist mit der Tatsache verbunden, dass Intellektuelle, wie zum Beispiel akademische Soziologen, in die Lücke des Proletariats gesprungen sind und den Klassenkampf durch intellektuelle Aktivität ersetzten. Zusätzlich hat sich die Enttäuschung der Intellektuellen über den proletarischen Konservatismus in eine Theorie gewandelt, die die Rolle der Ideologie viel mehr betont, als Marx es tat.

Internetquellen

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Wikiversity hat einen Kurs mit Übungen zu diesem Buch:


Podcast-Tipp

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Soziopod #018: Schlag zu mit Marx

Mauss, Marcel

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ein französischer Soziologe, Ethnologe und Anthropologe



Biographie in Daten

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Mauss Marcel


  • geboren am 10.05.1872 in Epinal (Vosges, Frankreich)
  • gestorben am 11.02.1950 in Paris


Eltern:

Vater: Gerson Mauss, Kleinunternehmer in der Textilbranche

Mutter: Rosine Mauss, älteste Schwester von Emile Durkheim

Geschwister: Camille-Henri Mauss


Ausbildung:

1890 Studienbeginn in Bordeaux (Philosophie, Psychologie, Jura und Soziologie; sein Onkel Emile Durkheim lehrt); 1892 erhält er das Lizenziat für seine Studien

1892 Umzug nach Paris; Studienbeginn an der École pratique des Hautes Études (Hochschule für Forschung; vergleichende indo-europäische Linguistik, Indologie, Sanskrit, Hebräisch und Religionen alter Völker); Studienende 1900

1895 Agrégation für Philosophie an der Sorbonne in Paris; seine Habilitationsschrift "Das Gebet" schließt er noch nicht vollständig ab; sein Doktorat schließt er niemals ab


Berufliche Daten:

1892 - 1899 Mitglied der „Parti Ouvrier Socialiste“ Francais (sozialistische Partei)

1894 beginnt für die Zeitschrift „Le Devenir social. Revue internationale d’économie, d’histoire et de philosophie“ in Paris zu schreiben

1897 Beitritt zum Verein „L’Avanir de Plaisance“; bis 1898 unternimmt er einige Studienreisen (Niederlande, England), dabei besucht er auch andere bedeutende Soziologen und Ethnologen

1899 begründet er gemeinsam mit anderen die „Boulangerie Socialiste“ (Sozialistische Bäckerei)

1900 Gründung der „Bourse des Coopératives Socialistes“

1901 - 1912 Herausgeber der Zeitschrift „L’Anneé sociologique“ (gegründet 1896/97) in Paris (gemeinsam mit Emile Durkheim); diese Arbeit beansprucht ihn sehr; er übernimmt vor allem die religionssoziologische Abteilung

1902 Professor für „Religionsgeschichte der nicht-zivilisierten Völker“ an der „Ecole Pratique des Hautes Ètudes“ in Paris, wo er 1914 Studiendirektor und 1938 President dieser Einrichtung wird; 1939 Rücktritt von diesem Amt aufgrund antisemitischer Einstellungen anderer Kollegen und Mitarbeiter

1904 Korrespondent der Zeitung „L’Humanité“

1905 Beginn der Mitgliedschaft bei der „Parti Socialiste. Section Francaise de l’Interantionale Ouvrière“

1906 - 1929 Gesandter und Regierungsbeauftragter in Deutschland, in Großbritannien und in der Sowjetunion

1909 Teile von „Das Gebet“ werden publiziert

1913 - 1925 Anschuss an den Office Technique der „Fédération nationale des Coopératives de Consommation“

1923 - 1925 Herausgeber der Zeitschrift „L’Année sociologique. Nouvelle série“ in Paris

1925 Gründung und Leitung des Ethnologische Institut in Paris bis 1929; gemeinsam mit Paul Rivet und Lucien Lévy-Bruhl

1927 - 1939 Herausgeber des „Annuaire. École pratique des hautes études, section des sciences religieuses“ in Paris

1931 - 1941 Professor für den Lehrstuhl Soziologie am „Collège de France“ in Paris; dies kann als die Krönung seines Lebenswerkes bezeichnet werden

1934 wird er Herausgeber der „Annales sociologiques. Série A-E“


Wichtige Ereignisse

1896 vermehrte Teilnahme an Genossenschaftsbewegungen, denen er bis zu seinem Tod treu bleibt

1914 freiwilliger Soldat im Ersten Weltkrieg; 1919 kehrt er zurück

1934 Heirat mit Marthe Dupret (geboren 1886); sie wird niemals in der Öffentlichkeit gesehen, da sie sehr bald krank wird; Mauss betreut sie bis zu ihrem Tod 1947

1939 Rücktritt von seinem Lehrstuhl an der „Ecole pratique“, da er sich wegen nationalsozialistischen Bewegungen große Sorgen macht

1941 Rücktritt von seinem Amt am „Collège de France“; einige Freunde und Kollegen sind bereits von den Nationalsozialisten gefangen genommen und in Konzentrationslager verschleppt worden, auch Maurice Halbwachs (Halbwachs wurde im Juli 1944 von den Nationalsozialisten interniert)

1944 Rehabilitation als Ehrenprofessor am „Collège de France“, jedoch nimmt er diese Professur nicht mehr wahr; in seinen letzten Lebensjahren publizierte er nicht mehr; zu dieser Zeit sorgte sein Bruder immer wieder wieder für ihn

Historischer Kontext

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Seine jüdische Herkunft

Marcel Mauss war ein Enkelsohn des großen, sehr liberalen Rabbi, Moïse Durkheim (Vater von Émile Durkheim) von Epinal. Obwohl er Hebräisch lernte und regelmäßig an jüdischen Festen und Bräuchen teilnahm, entschloss er sich mit ca. 18 Jahren dem Judentum den Rücken zu kehren. Andererseits faszinierte ihn sein zweiter Vorname Israël sehr, darum erkundete er dessen Herkunft und Ursprung. Außerdem war er in den 1930ern auch Mitglied des Zentralkomitees der "Alliance Israëlite Universale". Sein Standpunkt im Hinblick auf das Judentum war und ist nicht ganz klar. Trotz dieses sehr zwiespältigen Verhaltens, war seine Beziehung zu seiner zum Teil sehr religiösen Familie gut.

Seine jüdische Herkunft war aufgrund seines Namens für jeden offensichtlich. Er versuchte jedoch niemals seine Herkunft zu verheimlichen, obwohl dies manches Mal von Vorteil gewesen wäre. Es wird auch heute noch häufig darüber spekuliert, warum Mauss, aufgrund seiner jüdischen Herkunft, nicht von der Gestapo aufgegriffen wurde. Manche sind der Meinung, dass deutsche Anthropologen dafür gesorgt haben, dass in dieser Sache interveniert wird und er auf diese Weise geschützt wurde.


Die Dreyfus Affäre

Ende des 19. Jahrhunderts war ganz Frankreich in Aufruhr, da aufgrund der Dreyfus Affäre antisemitische Ressentiments ihren Höhepunkt erreichten. Marcel Mauss war von der damaligen Situation in Frankreich sehr betroffen und stellte sich auf die Seite Dreyfus’. Vor allem zu dieser Zeit zeigte Mauss großes politisches Engagement (z. B. Beitritt zur sozialistischen Partei). Er war, im Gegensatz zu Émile Durkheim, der Meinung, dass die Gründe für den Antisemitismus nicht in der Moral, sondern vielmehr in den ökonomischen Bedingungen dieser Zeit zu suchen wären. Generell war Mauss ein Verfechter der Menschenrechte.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Seine Verwandtschaft zu Émile Durkheim

1890 beginnt Mauss sein Studium in Bordeaux, wo sein vierzehn Jahre älterer Onkel, Émile Durkheim (1858 - 1917), lehrt. Schon früh ist Marcel Mauss seinem Onkel bei seinen Schriften über den Selbstmord behilflich. Nach seiner unabgeschlossenen Habilitation arbeitet er vermehrt an der Soziologie seines Onkels, die er absichert und erweitert. Dabei werden Durkheim und Mauss immer engere Freunde. Nach dem Tod Durkheims führt Mauss die Soziologie seines Onkels weiter. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Marcel Mauss eine zentrale Rolle in der sog. Durkheim-Schule einnimmt. Obwohl ihm die Verwandtschaft zu Durkheim sicherlich einige Vorteile einbringt, hat er das Gefühl, dass "...the shadow of Èmile Durkheim stood over him throughout his entire life" (James & Allen, 1998, S. 44)


Bronislaw Malinowski

Der polnische Anthropologe und Funktionalist Bronislaw Malinowski (1884 - 1942) beeinflusst Mauss vor vor allem durch sein Werk "Argonauten des westlichen Pazifik" (1922). In diesem Buch beschreibt Malinowski ein rituelles Gabentauschsystem mit verzögerter Reziprozität auf den Trobriand Islands, Papua-Neuguinea. Getauscht wird ein Objekt namens Kula, das jedoch keinen praktischen Nutzen für die Bewohner der Insel trägt. Durch dieses Geschenk wird eine Art Vertrag geschlossen, wobei der Beschenkte wiederum verpflichet ist den Bewohnern einer anderen Insel ein ähnlich nutzloses Geschenk zu machen. Die Funktion dieses Rituals ist es eine soziale Beziehung zwischen den Bewohnern der einzelnen Inseln aufzubauen und zu verstärken. Diese Phänomen greift Mauss auch in seinem Werk "Die Gabe" auf.


Maurice Halbwachs

Maurice Halbwachs (1877 - 1945) wird ebenfalls zu den "Durkheimianern" gezählt. Wie Mauss engagiert sich Halbwachs politisch und tritt 1906 ebenfalls der sozialistischen Partei bei. Auch er ist Befürworter von Dreyfus. 1905 lernt Halbwachs Émile Durkheim kennen und wird Mitarbeiter bei der "L´Année sociologiqué", wo Mauss gemeinsam mit seinem Onkel als Herausgeber tätig ist.


Werke

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  • La Religion et les origines du droit pénal (Die Religion und die Ursprünge des Straf-rechts), 1897
  • Essai sur la nature et la fonction du sacrifice, 1898, gemeinsam mit Henri Hubert
  • La sociologie: objet et méthode, 1901, gemeinsam mit Paul Fauconnet
  • De quelques formes primitives de classification, 1902, gemeinsam mit Émile Durkheim
  • Esquisse d'une théorie générale de la magie (Entwurf einer allgemeinen Theorie der Magie), 1902, gemeinsam mit Henri Hubert
  • L’Origine des pouvoirs magiques dans les sociétés australiennes. Avec un rapport som-maire sur les conférences pour l’exercice, 1904 - 1905, Paris
  • Mélanges d’histoire des religions. De quelques résultats de la sociologiereligieuse, le sacrifice, l’origine de pouvoir magiques, la représentation du temps, 1909, Paris, mit Henri Hubert
  • La Prière. I. Les Origines (Das Gebet), 1909, Habilitationsschrift, nur Teile publiziert
  • Essai sur le don (Die Gabe), 1924
  • Mémoires, 1934, Paris, gemeinsam mit André Philip
  • Manuel d’ethnographie, 1947, Paris
  • Sociologie et anthropologie (Soziologie und Anthropologie),1950, Paris
  • Oeuvres, 1968-1969, Paris, 3 Bände
  • Essais de sociologie, 1969, Paris
  • Écrits politiques, 1997, Paris
  • Émile Durkheim: Lettres à Marcel Mauss, 1998, Paris


Herausgeber von

  • L’Année sociologique, 1901 – 1912, Paris, gemeinsam mit Émile Durkheim
  • L’Année sociologique. Nouvelle série, 1923 – 1925, Paris
  • Annuaire. École pratique des hautes études, section des sciences religieuses, 1927 - 1939, Paris
  • Émile Durkheim: Le Socialisme. Sa définition, ses débuts. La Doctrine saintsimonienne, 1928, Paris
  • Henri Hubert: Les Celtes et l’expansion jusqu’à l’époque de LaTène, 1932, Paris
  • Annales sociologiques. Série A-E, 1934 - 1942, Paris
  • Robert Hertz: Le Péché et l’expiation dans les sociétés primitives, 1988, Paris


Das Werk in Themen und Thesen

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Das Werk von Marcel Mauss ist geprägt von der Methodologie und Soziologie Durkheims. Jedoch versucht Mauss, "die Dimension des handelnden Subjekts und der symbolischen Bedeutung der gesellschaftlichen Gegebenheiten in seinen Arbeiten zu berücksichtigen" (Kaesler, 1999, S. 255).


Das Verstehen menschlichen Praxisverhaltens

Mauss geht davon aus, dass menschliches Handeln nur dann verstanden und erklärt werden kann, wenn die Bedeutung von z.B. gesellschaftlichen Riten, Symbolen, Zeichen etc. bekannt ist. Laut Mauss ist die soziale Wirklichkeit jedoch mehrdeutig. In seinen religionswissenschaftlichen Studien weist er beispielsweise nach, dass die Strafe aus dem Blickwinkel der Religion bzw. der Gesellschaft (institutionalisierte Strafe) jeweils andere Bedeutungen hat und auch andere Funktionen erfüllt. Die Bedeutung von Riten, Symbolen und Zeichen (z.B. Gebet, Magie) wird einerseits durch kollektive Vorstellungen aber andererseits auch durch individuelle Erwartungen generiert. So entsteht die bereits oben angesprochene Mehrdeutigkeit. Marcel Mauss führte auch Studien über sog. "primitive" Völker durch. Beispielsweise weist er nach, dass das Volk der Eskimos rationales Denken aufweist. Die Denksysteme dieses Volkes sind durch gesellschaftliche Srukturen und die damit zusammenhängende Sozialisation bedingt. (Kaesler, 1999, S. 259ff)


Der Gabentausch

Bei seinen ethnologischen Studien findet Mauss heraus, dass in nicht staatlichen Gesellschaften das Geschenk ("die Gabe") ein Phänomen darstellt, das das friedliche Zusammenleben und die Beziehung zwischen Menschen bzw. Gruppen stärkt. Die Handlung des Schenkens integriert so zu sagen jedes einzelne Individuum in die Gesellschaft. Vor allem in "primitiven" Gesellschaften garantiert dieses Phänomen die soziale Ordnung, da dem Schenken Verpflichtungen inne wohnen, nämlich die des Annehmens und des Erwiderns. Können beispielsweise Geschenke nicht sofort erwidert werden, entsteht zwischen den Parteien ein soziales "Band", eine Verpflichtung, die sie verbindet. Wichtig erscheint hierbei, dass dieses Prinzip nicht nur für Waren und Güter Gültigkeit hat, es erstreckt sich auch auf Höflichkeiten, Feste, Dienste aller Art, Religiöses, etc. (-> Reziprozitätsprinzip). Zusammenfassend ist zu sagen, dass laut Mauss der Tausch den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft gewährleistet.


Soziale Totalphänomene

Unter sozialen Totalphänomenen versteht Mauss Institutionen jeglicher Art (religiöse, juristische, wirtschaftliche, etc. Institutionen). Jede einzelne Institution für sich alleine betrachtet ist etwas "Ganzes" aber zugleich auch ein Element, ein Teil eines übergeordneten "Ganzen". Jedes Phänomen und jede Institution ist somit im Bezugsrahmen gesamtgesellschaftlicher Ordnung zu sehen. (vgl. Kaesler, 1999, S. 258)


Der vollständige Mensch

Unter diesem Begriff versteht Marcel Mauss einen Menschen „der durch seine Leiblichkeit konstituiert, von seiner Vernunft geleitet und von den gesellschaftlichen Bedingungen geprägt wird“ (Kaesler, 1999, S. 259). Laut Mauss müssen soziologische Erklärungen alle diese Aspekte berücksichtigen, die Summe dieser Aspekte bilden sozusagen den "vollständigen Menschen". Dies erscheint wichtig, da beispielsweise Durkheim das Psychische in seinen Theorien vernachlässigt. In seiner Studie "die Techniken des Körpers" beschreibt Mauss, wie selbst der Körper und das Körperverhalten eines Menschen durch die Gesellschaft und die herangetragenen Erwartungen beeinflusst wird. Zusammenfassend ist der "vollständige Mensch" ein Konzept, das alle Erfahrungen und Erwartungen von Individuen aber auch von Gruppen berücksichtigt. (vgl. Kaesler, 1999, S. 259)


Rezeption und Wirkung

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Marcel Mauss hat keine eigene Schule gegründet, jedoch hat sein Werk in der neueren Soziologie relativ großen Einfluss. Folgende Bereiche hat Mauss nachhaltig geprägt:


Das wissenschaftliche Werk von Marcel Mauss kann als sehr "offen" bezeichnet werden. D. h. er hat viele Themen und Bereiche diskutiert und angesprochen, z. B. die Bedeutung des Körpers (siehe oben), die erst später wissenschaftliche Bedeutung bekamen. Mauss war stets darum bemüht, dass das soziologisches Denken auch praktische Anwendung findet. Zudem setzte er sich mit unterschiedlichen Disziplinen (z. B. mit der Psychologie) auseinander. Dies verschaffte ihm einen weiteren Blick, um menschliches Handeln und gesellschaftliche Institutionen besser verstehen zu können. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mauss’ Thesen heute immer noch zu Denkanstößen führen. (vgl. Kaesler, 1999, 259f)


Wie bereits mehrmals angedeutet, ist Marcel Mauss der Nachfolger von Émile Durkheim. Er und Maurice Halbwachs werden daher auch als "Durkheimianer" bezeichnet. Mauss wird vor allem darum so große Bedeutung beigemessen, da er als Vorläufer der strukturellen Anthropologie gilt. Wie im Buch "Die Gabe" ersichtlich, versteht er den Tausch als fundamentales Strukturierungsmoment der Gesellschaft. Außerdem weist er auf die Bedeutung der Sprache für den gesellschaftlichen Aufbau hin. Einfluss nimmt Mauss vor allem auf Claude Lévi-Strauss. Dieser kritisiert, dass Mauss von einer soziologischen Theorie des Symbolischen ausgeht. Lévi-Strauss postuliert, dass die Gesellchaft ihren Ursprung im Symbolischen hat. Die oben besprochenen Thesen über das "soziale Totalphänomen" und den "vollständigen Menschen" werden in der modernen Soziologie relativ selten rezitiert und diskutiert. Dies liegt wohl daran, dass die heutige Soziologie zu Mehrdimensionalität neigt und im Vergleich zu früher, andere, veränderte Methoden verwendet. Die Interpretation der Mauss´schen Tauschtheorie wird heute noch diskutiert, vor allem, ob sich dieser Ansatz für die Untersuchung moderner Gesellschaften noch eignet. (Kaesler, 1999, S. 260f)


Mit den Ausführungen über den Tausch und "die Gabe" verfolgte Mauss auch das Ziel, eine Grundlage zu schaffen um die Wirklichkeit (die "Praxis") zum Besseren zu verändern. Für Mauss stellt das Bessere eine gerechte, solidarische Gesellschaft dar. In seinem Buch "die Gabe" beschreibt er, dass es dem Kapitalismus und seiner Definition des Marktes nicht möglich ist, eine gerechte und solidarische Gesellschaft zu bilden. Mauss stellt somit auch eine utilitaristische Denkweise in Frage und nimmt Einfluss auf die Diskussion über ein anti-utilitaristisches Paradigma in der Soziologie. Hier lässt sich auch der Einfluss von Marcel Mauss auf den Neomarxismus erkennen. (Kaesler, 1999, S. 261f)


Weiters nahm Marcel Mauss Einfluss auf:

  1. Jean Rouch: 1917 - 2004, Filmemacher, v.a. ethnographische Filme, Erfinder Cinéma Vérité
  2. Robert Hertz: Freund und Kollege von Mauss
  3. Michel Leiris: 1901 - 1990, Schriftsteller und Ethnologe, bekanntester Roman ist "Mannesalter" (1939, Mitbegründer des "Collège de Sociologie"
  4. Roger Caillois: 1913 - 1978, Soziologe, Literaturkritiker und Philosoph, Mitbegründer des "Collège de Sociologie"
  5. Louis Dumont: 1911 - 1998, Anthropologe mit dem Spezialgebiet Indien
  6. Henri Lévi-Bruhl
  7. Claude Lévi-Strauss
  8. Georges Gurvitch
  9. Pierre Bourdieu
  10. M.A.U.S.S. (Mouvement Anti-Utilitariste dans les Sciences Sociales)


Literatur

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  • Moebius, Stephan (2006):
    " Marcel Mauss"
    Konstanz
  • Moebius, Stephan/Papilloud, Christian [Hrsg.] (2006):
    "Gift - Marcel Mauss' Kulturtheorie der Gabe"
    Wiesbaden
  • Moebius, Stephan (2006):
    "Die Zauberlehrlinge. Soziologiegeschichte des Collège de Sociologie"
    Konstanz
  • Moebius, Stephan/Papilloud, Christian [Hrsg.] (2006):
    "Das Sakrale, die Sünde und der Tod. Kultur- wissens- und religionssoziologische Studien von Robert Hertz"
    Konstanz
  • James, Wendy & Allen, N. J. (1998):
    "Marcel Mauss. A Centenary Tribute"
    New York
  • Kaesler, Dirk (1999):
    "Klassiker der Soziologie. Von Auguste Comte bis Norbert Elias"
    München


Internetquellen

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Mayntz, Renate

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Biographie in Daten

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  • Mayntz Renate
  • geboren 1929 in Berlin


  • 1947 Abitur in Berlin
  • 1950 B.A., Wellesley College (USA)
  • 1953 Dr. phil. Freie Universität Berlin
  • 1953 - 1957 UNESCO-Institut für Sozialwissenschaften zu Köln
  • 1957 Habilitation an der Freien Universität Berlin
  • 1958 - 1959 Fellowship der Rockefeller Foundation
  • 1959 - 1960 Visiting Assistant Professor, Columbia University, New York
  • 1960 - 1965 Privatdozentin (Diätendozentur) und a.o. Professorin an der Freien Universität Berlin
  • 1964 Gastprofessorin an der University of Edinburgh
  • 1965 - 1971 Ordinarius für Soziologie an der Freien Universität Berlin
  • 1965 Gastprofessorin an der FLASCO (Facultad Latino-americana de Ciencias Sociales, Santiago de Chile
  • 1966 - 1970 Mitglied des Deutschen Bildungsrates
  • 1968 Theodor-Heuss-Lehrstuhl an der New School for Social Research in New York
  • 1970 - 1973 Mitglied der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts
  • 1971 - 1973 Ordinarius für Organisationssoziologie, Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer
  • 1973 - 1985 Ordinarius für Soziologie an der Universität zu Köln
  • 1974 - 1980 Mitglied des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft
  • 1977 Ehrenpromotion zum Dr. h.c. der Universität Uppsala
  • 1979 Ehrendoktorat der Universität Paris X - Nanterre
  • 1985 Gründungsdirektorin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln
  • 1985 Honorarprofessorin an der Universität zu Köln
  • 1997 Emeritierung
  • 1999 Preis der Schader-Stiftung, Darmstadt
  • 2002 Ehrenpromotion des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz
  • 2002 Wahl zum Auswärtigen Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
  • 2004 Bielefelder Wissenschaftspreis, gemeinsam mit Fritz W. Scharpf
  • 2006 Preis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) für ein herausragendes wissenschaftliches Lebenswerk

Werke

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Monographien

  • 1954: (Mit Gerhard Wurzbacher) Das Dorf im Spannungsfeld industrieller Entwicklung. Stuttgart: Enke
  • 1958: Die soziale Organisation des Industriebetriebes, Stuttgart: Enke
  • 1958: Soziale Schichtung und sozialer Wandel in einer Industriegemeinde. Stuttgart: Enke
  • 1959: Parteigruppen in der Großstadt. Köln, Opladen: Westdeutscher Verlag
  • 1963: Soziologie der Organisation, Reinbek b. Hamburg: Rowohlt. Übersetzt ins Holländische, Spanische, Dänische.
  • 1964: Zum gegenwärtigen Stand der Organisationssoziologie. Bern: Paul Haupt
  • 1964: The Study of Organizations - A Trend Report and Bibliography. Oxford: Blackwell
  • 1968: (Hrsg.) Bürokratische Organisation. Neue Wissenschaftliche Bibliothek, Band 27. Köln: Kiepenheuer & Witsch
  • 1969: Einführung in die Methoden der empirischen Soziologie (mit K. Holm und P. Hübner). 5. Auflage 1978. Opladen: Westdeutscher Verlag. Übersetzt ins Spanische, Englische, Polnische.
  • 1973: (Hrsg.) Planungsorganisation - Die Diskussion um die Reform von Regierung und Verwaltung, mit Fritz W. Scharpf (Hrsg.). München: Piper
  • 1973: Personal im öffentlichen Dienst. Eintritt und Karrieren (mit Niklas Luhmann). Baden-Baden: Nomos
  • 1975: Policy-Making in the German Federal Bureaucracy (mit Fritz W. Scharpf). Amsterdam: Elsevier
  • 1978: Soziologie der öffentlichen Verwaltung, 4. durchgesehene Auflage 1997. Heidelberg: C.F. Mueller Verlag, Hüthig GmbH. Übersetzt ins Italienische, Spanische, Japanische.
  • 1980: (Hrsg.) Implementation politischer Programme. Empirische Forschungsberichte, Königstein/Ts.: Athenäum
  • 1983: (Hrsg.) Implementation politischer Programme II - Ansätze zur Theoriebildung, Opladen: Westdeutscher Verlag
  • 1985: Forschungsmanagement - Steuerungsversuche zwischen Scylla und Charybdis. Probleme der Organisation und Leitung von hochschulfreien, öffentlich finanzierten Forschungsinstituten. Opladen: Westdeutscher Verlag
  • 1988: Differenzierung und Verselbständigung - Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme (mit B. Rosewitz, U. Schimank, R. Stichweh). Frankfurt a. M.: Campus
  • 1988: Hrsg. (mit Thomas P. Hughes): The Development of Large Technical Systems. Frankfurt a. M.: Campus
  • 1991: Hrsg. (mit B. Marin): Policy Networks: Empirical Evidence and Theoretical Considerations. Frankfurt a. M.: Campus
  • 1994: (unter Mitarbeit von Hans-Georg Wolf) Deutsche Forschung im Einigungsprozeß. Die Transformation der Akademie der Wissenschaften der DDR 1989 bis 1992. Frankfurt/M.: Campus
  • 1994: Aufbruch und Reform von oben. Ostdeutsche Universitäten im Transformationsprozeß. Frankfurt/Main: Campus
  • 1995: Hrsg. (mit Fritz W. Scharpf): Gesellschaftliche Selbstregulierung und politische Steuerung. Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln, Bd. 23. Frankfurt a.M.: Campus
  • 1998: Hrsg. (mit Jürgen Kocka): Wissenschaft und Wiedervereinigung. Disziplinen im Umbruch. Forschungsberichte der Interdisziplinären Arbeitsgruppen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin : Akademie Verlag, Band 6
  • 2002: Hrsg.: Akteure - Mechanismen - Modelle. Zur Theoriefähigkeit makro-sozialer Analysen. Frankfurt: Campus.


Aufsätze 1955 bis 1969

  • 1955: Lokale Parteigruppen in der kleinen Gemeinde. In: Zeitschrift für Politik, 2. Jg., Heft 3, 59-74
  • 1956: Gedanken und Ergebnisse zur empirischen Feststellung sozialer Schichten. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 3. Auflage 1966, Sonderheft 1, 79-104
  • 1960: The Visiting Fellow - An Analysis of an Academic Role. In: American Sociological Review, 25, Heft 5, 735-741
  • 1961: Soziologie in der Eremitage? Kritische Bemerkungen zum Vorwurf des Konservativismus der Soziologie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 13, Heft 1, 110-125
  • 1961: Kritische Bemerkungen zur funktionalistischen Schichtungstheorie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 5, 10-28
  • 1965: Max Webers Idealtypus der Bürokratie und die Organisationssoziologie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 17. Jg., Heft 3, 493-502


Aufsätze 1970 bis 1979

  • 1970: Role Distance, Role Identification, and Amoral Role Behavior. In: Archives Européennes Sociologiques, Band 11, 368-378
  • 1973: Die Funktionen des Beförderungssystems im öffentlichen Dienst. In: Die öffentliche Verwaltung 5, 149-153
  • 1975: Legitimacy and the Directive Capacity of the Political System. In: Leon N. Lindberg et al. (Hrsg.) Stress and Contradiction in Modern Capitalism - Public Policy and the Theory of the State. Lexington, Mass.: Heath, 261-274
  • 1975: Stichwort Sozialstruktur. In: Hermann Kunst et al. (Hrsg.) Evangelisches Staatslexikon, Stuttgart: Kreuz, Spalte 2413-2418
  • 1976: Conceptual Models of Organizational Decision-Making and their Application to the Policy Process. In: G. Hofstede, M. Sami Kassem (Hrsg.) European Contributions to Organization Theory. Assen: Van Gorcum, 114-125
  • 1977: Sociology, Value Freedom, and the Problems of Political Counseling. In: Carol H. Weiss (Hrsg.) Using Social Research in Public Policy-Making, Lexington, Mass.: Lexington Books, 55-65
  • 1978: Intergovernmental Implementation of Environmental Policy. In: Kenneth Hand, Fritz W. Scharpf (Hrsg.) Interorganizational Policy-Making - Limits of Coordination and Central Control. Modern Politics Series 1, London: Sage, 202-214
  • 1979: Regulative Politik in der Krise?. In: J. Matthes (Hrsg.) Sozialer Wandel in Westeuropa, Verhandlungen des 19. Deutschen Soziologentages 1979 in Berlin. Frankfurt a. M.: Campus, 55-81
  • 1979: Public Bureaucracies and Policy Implementation. In: International Social Science Journal 31, Nr. 4, 633-645


Aufsätze 1980 bis 1989

  • 1980: Executive Leadership in Germany - Dispersion of Power or "Kanzlerdemokratie"? In: Richard Rose, Ezra Suleiman (Hrsg.) Presidents and Prime Ministers. Washington: American Enterprise Institute, 139-170
  • 1980: Soziologisches Wissen und politisches Handeln. In: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie 6, Nr. 3, 309-320
  • 1982: Bürger im bürokratischen Staat: Repräsentative Beurteilungen und Handlungseinschätzungen (mit J. Feick). In: Die Verwaltung 4, Band 15, 409-434
  • 1982: Intergovernmental Relations and Local Autonomy in Germany. In: Rivista Trimestrale di Diritto Pubblico Nr. 2, Rom, 608-624
  • 1983: The Conditions of Effective Public Policy - A New Challenge for Policy Analysis. In: Policy and Politics 11, Nr. 2, 123-143
  • 1984: The Higher Civil Service of the Federal Republic of Germany. In: Bruce L.R. Smith (Hrsg.) The Higher Civil Service in Europe and Canada - Lessons for the United States. Washington D.C.: The Brookings Institution, 55-68
  • 1984: La "nuova" scienza dell'amministrazione tedesca. In: Rivista trimestrale di diritto pubblico, Rom, Nr. 1, 224-228
  • 1985: Die gesellschaftliche Dynamik als theoretische Herausforderung. In: Burkhart Lutz (Hrsg.), Soziologie und gesellschaftliche Entwicklung. Verhandlungen des 22. Deutschen Soziologentages 1984. Frankfurt a. M.: Campus, 27-44
  • 1985: On the Use and Non-Use of Methodological Rules in Social Research. In: Uta E. Gerhardt, Michael E. Wadsworth (Hrsg.) Stress and Stigma - Explanation and Evidence in the Sociology of Crime and Illness, Frankfurt a. M.: Campus, 39-52
  • 1987: Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme. Anmerkungen zu einem theoretischen Paradigma. In: Th. Ellwein, J.J. Hesse, R. Mayntz, F.W. Scharpf (Hrsg.) Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft Bd. 1, Baden-Baden: Nomos, 89-110
  • 1987: Eigendynamische Soziale Prozesse. Anmerkungen zu einem analytischen Paradigma (mit Birgitta Nedelmann). In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 4, 648-668
  • 1988: Soziale Diskontinuitäten: Erscheinungsformen und Ursachen. In: Klaus Hierholzer, Heinz-Günter Wittmann (Hrsg.) Phasensprünge und Stetigkeit in der natürlichen und kulturellen Welt, Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 15-37
  • 1989: Party Patronage and Politicization of the West German Administrative Elite 1970-1987 - Toward Hybridization? (mit Hans-Ulrich Derlien). In: Governance, An International Journal of Policy and Administration 2, Nr. 4, 384-404


Aufsätze 1990 bis 1999

  • 1990: American and German Federal Executives - Technocratic and Political Attitudes (mit J. D. Aberbach, H.-U. Derlien, B. A. Rockman). In: International Social Science Journal (Policy Actors), Bd. 123, Nr. 9, 13-17
  • 1990: Politische Steuerbarkeit und Reformblockaden: Überlegungen am Beispiel des Gesundheitswesens. In: Staatswissenschaften und Staatspraxis 3. Baden Baden: Nomos, 283-307
  • 1991: Naturwissenschaftliche Modelle, soziologische Theorie und das Mikro-Makro-Problem. In: W. Zapf (Hrsg.) Die Modernisierung moderner Gesellschaften - Verhandlungen des 25. Deutschen Soziologentages in Frankfurt am Main 1990. Frankfurt: Campus, 55-68
  • 1991: Scientific Research and Political Intervention - The structural development of publicly financed research in the Federal Republic of Germany. In: A. Orsi Battaglini/ F. Roversi Monaco (Hrsg.) The University within the Research System - An international comparison. Baden-Baden: Nomos, 45-60
  • 1992: The Influence of Natural Science Theories on Contemporary Social Science. In: M. Dierkes, B. Biervert (Hrsg.) European Social Science in Transition. Frankfurt/Main: Campus, 27-79
  • 1992: Social Norms in the Institutional Culture of the German Federal Parliament. In: R. Münch, Neil J. Smelser (Hrsg.) Theory of Culture. Berkely: University of California Press, 219-240
  • 1993: Modernization and the Logic of Interorganizational Networks. In: John Child, Michel Crozier, Renate Mayntz et al. (Hrsg.) Societal Change Between Market and Organization. Aldershot, GB: Avebury, 3-18
  • 1993: Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen. In: Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft Policy Analyse, 39-56
  • 1994: Politikberatung und politische Entscheidungsstrukturen: Zu den Voraussetzungen des Politikberatungsmodells. In: Axel Murswieck (Hrsg.) Regieren und Politikberatung. Opladen: Leske + Budrich, 17-29
  • 1994: Academy of Sciences in Crisis: A Case Study of a Fruitless Struggle for Survival. In: Uwe Schimank/ Andreas Stucke (Hrsg.) Coping With Trouble. How Science Reacts to Political Disturbances of Research Conditions. Frankfurt a.M.: Campus Verlag, 163-188
  • 1995: Zum Status der Theorie sozialer Differenzierung als Theorie sozialen Wandels. In: H.-P. Müller/ M. Schmid (Hrsg.) Sozialer Wandel. Modellbildung und theoretische Ansätze. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 139-150
  • 1995: Historische Überraschungen und das Erklärungspotential der Sozialwissenschaft. In: Heidelberger Universitätsreden (Hrsg.) Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Band 9. Heidelberg: C.F. Müller Verlag
  • 1995: Gesellschaftliche Modernisierung und die veränderte Rolle des Staates. In: Max-Planck-Gesellschaft (Hrsg.), Jahrbuch 1995, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 57-70
  • 1996: Politische Steuerung: Aufstieg, Niedergang und Transformation einer Theorie. PVS-Sonderheft: Politische Theorien in der Ära der Transformation, hrsg. von Klaus von Beyme und Claus Offe. Opladen: Westdeutscher Verlag, 148-168
  • 1997: Die Transformation des Wissenschaftssystems: Ostdeutschland als Sonderfall? In: Wielgohs, Jan/ Helmut Wiesenthal (Hg.), Einheit und Differenz. Die Transformation Ostdeutschlands in vergleichender Perspektive. Berlin: Berliner Debatte Wissenschaftsverlag, 68-82
  • 1998: New Challenges to Governance Theory. European University Institute, The Robert Schuman Centre. Jean Monnet Chair Papers 50: Florence
  • 1998: Socialist Academies of Sciences: The Enforced Orientation of Basic Research at User Needs. Research Policy 27, 781-791
  • 1999: Wissenschaft, Politik und die politischen Folgen kognitiver Ungewißheit. In: Gerhards, Jürgen/Ronald Hitzler (Hrsg.), Eigenwilligkeit und Rationalität sozialer Prozesse. Festschrift zum 65. Geburtstag von Friedhelm Neidhardt. Westdeutscher Verlag: Opladen/Wiesbaden, 30-45
  • 1999: Multi-Level Governance: German Federalism and the European Union. In: Lankowski, Carl (Hg.), Governing Beyond the Nation-State. Global Public Policy, Regionalism or Going Local? American Institute for Contemporary German Studies, The Johns Hopkins University. AICGS Research Report No. 11, Washington 1999, S. 1-124


Aufsätze 2000 bis heute

  • 2000: Political Context and Scientific Cognition, in: L’acteur et ses raisons. Mélanges en l’honneur de Raymond Boudon. Paris: Presses Universitaires de France, 258-271
  • 2000: Wissenschaftliches Fehlverhalten: Formen, Faktoren und Unterschiede zwischen Wissenschaftsgebieten, in: Max-Planck-Forum 2, Ethos der Forschung, Ringberg-Symposium, München, S. 57-72
  • 2001: Triebkräfte der Technikentwicklung und die Rolle des Staates, in: Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 31/2000 „Politik und Technik", Analysen zum Verhältnis von technologischem, politischem und staatlichem Wandel am Anfang des 21. Jahrhunderts, hrsg. von Georg Simonis, Renate Martinsen und Thomas Saretzki, Westdeutscher Verlag Wiesbaden, 3-18
  • 2001: Das Menschenbild in der Soziologie. Gerda Henkel Vorlesung, hrsg. von der gemeinsamen Kommission der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Gerda Henkel Stiftung. Rhema: Münster
  • 2001: Die Bestimmung von Forschungsthemen in Max-Planck-Instituten im Spannungsfeld wissenschaftlicher und außerwissenschaftlicher Interessen: Ein Forschungsbericht. MPIfG Discussion Paper 01/8. Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung
  • 2001: Zur Selektivität der steuerungstheoretischen Perspektive. In: Hans-Peter Burth/ Axel Görlitz (Hrsg.), Politische Steuerung in Theorie und Praxis. Baden-Baden: Nomos, 17-27.
  • 2002: Common Goods and Governance. In: Adrienne Héritier, Hrsg., Common Goods. Reinventing European and International Governance. Lanham, Boulder, New York, Oxford: Rowman and Littlefield.
  • 2002: Internationale Organisationen im Prozess der Globalisierung. In: Peter Nahamowitz/ Rüdiger Voigt (Hrsg.), Globalisierung des Rechts II; Internationale Organisationen und Regelungsbereiche. Baden-Baden: Nomos, 85-100.
  • 2002: Politikwissenschaft in einer entgrenzten Welt. In: Christine Landfried (Hrsg.), Politik in einer entgrenzten Welt. 21. wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft. Kongressband. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 29-47.
  • 2002: Kausale Rekonstruktion: Theoretische Aussagen im akteurzentrierten Institutionalismus. Mannheimer Vorträge, Nr. 17. Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung.
  • 2002: Hrsg.: Akteure - Mechanismen - Modelle. Zur Theoriefähigkeit makro-sozialer Analysen. Frankfurt: Campus.
  • 2003: Zur Institutionalisierung von Politikberatung. In: Gaia 12, Nr. 2, 137-138.
  • 2003: Die Reformierbarkeit der Demokratie. Innovationen und Blockaden. In: Renate Mayntz, Wolfgang Streeck (Hrsg.): Die Reformierbarkeit der Demokratie. Innovationen und Blockaden. Frankfurt: Campus, 9-28.
  • 2003: Sociology - Objective or Normative Science? In: IHS Newsletter, Nr. 2, 13
  • 2003: New challenges to governance theory. In: Henrik Bang (Hrsg.), Governance as social and political communication. Manchester, New York: Manchester University Press, 27-40.
  • 2004: Mechanisms in the Analysis of Social Macro-Phenomena. In: Philosophy of the Social Sciences, Band 34, Nr. 2, Juni 2004, 237-259.
  • 2004: Governance im modernen Staat. In: Arthur Benz (Hrsg.), Governance - Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 65-76.
  • 2004: Hierarchie oder Netzwerk? Zu den Organisationsformen des Terrorismus. In: Berliner Journal für Soziologie, Band 14, Nr. 2, 251-262.
  • 2005: Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie? In: Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien. Nomos: Baden-Baden, 11-20.
  • 2005: Vom Dorf zur Weltgesellschaft. In: Soziologie, Jg. 34, Heft 3, 285-296.
  • 2005: zusammen mit Fritz W. Scharpf: Politische Steuerung - Heute? (Vortrag, gehalten am 4. Dezember 2004 anläßlich der Verleihung des "Bielefelder Wissenschaftspreises im Gedenken an Niklas Luhmann" an Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf). In: Zeitschrift für Soziologie, vol. 34, no. 3, June 2005, 236-243.
  • 2005: zusammen mit Armin von Bogdandy, Philipp Genschel, Susanne Lütz: Globale Strukturen und deren Steuerung. Auswertung der Ergebnisse eines Förderprogramms der Volkswagenstiftung. Forschungsbericht 1, Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.
  • 2005: Nuevos Desafíos De La Teoría De La Gobernanza. In: Agustí Cerrillo i Martínez, Ministerio de Administraciones Publicas (Hrsg.): La Gobernanza Hoy: 10 Textos De Referencia. Estudios goberna. Madrid: Instituto Nacional De Administración Publica, 83-98. (Quelle: New challenges to governance theory. 1998, Jean Monnet Chair Papers, The Robert Schuman Centre at the European University Insitute, Florenz.)
  • 2005: Soziale Mechanismen in der Analyse gesellschaftlicher Makro-Phänomene. In: Uwe Schimank, Rainer Greshoff (Hrsg.), Was erklärt die Soziologie? Berlin: LIT Verlag, 204-227.
  • 2006: From government to governance: Political steering in modern societies. In: Dirk Scheer, Frieder Rubik (Hrsg.), Governance of Integrated Product Policy. Aizlewood Mill, Greenleaf Publishing, 18-25.
  • 2006: Die Organisation wissenschaftlicher Politikberatung in Deutschland. In: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Politikberatung in Deutschland. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 115-122.
  • 2006: Hiёrarchie, netwerk, of een type sui generis? Organisationsvormen van terrorisme. In: Taco Brandsen, Wim van Donk, Patrick Kenis (Hrsg.): Meervoudig bestuur. Den Haag: Lemma, 289-310. (Übersetzung von: Hierarchie oder Netzwerk? Zu den Organisationsformen des Terrorismus. In: Berliner Journal für Soziologie, Band 14, Nr. 2, 251-262.
  • 2006: Control of a Terrorist Network: Lessons from the 9/11 Commission Report. In: International Public Management Journal 9 (3), 295-311.
  • 2006: Systemkohärenz, institutionelle Komplementarität und institutioneller Wandel. In: Jens Beckert, Bernhard Ebbinghaus, Anke Hassel, Philip Manow (Hg.): Transformationen des Kapitalismus. Frankfurt/ New York: Campus.
  • 2006: Governance en el estado moderno. In: PostData. Revista de Reflexión y Análisis Político, Número 11, 103-107.
  • 2007: Die Handlungsfähigkeit des Nationalstaats in Zeiten der Globalisierung. In: Ludger Heidbrink, Alfred Hirsch (Hg.), Staat ohne Verantwortung? Zum Wandel der Aufgaben von Staat und Politik. Frankfurt/ New York: Campus, 267-281.

Das Werk in Themen und Thesen

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Forschungsinteressen

Allgemeine Schwerpunkte

  • Gesellschaftstheorie
  • politische Steuerung, Politikentwicklung und Implementation
  • Technikentwicklung, Wissenschaftsentwicklung, Wissenschaft und Politik
  • transnationale Strukturen und transnationale Regelungsversuche


Aktuelle Arbeiten

  • Theoretische Aussagen bei der Erklärung von sozialen Makrophänomenen, speziell Aussagen über soziale Mechanismen
  • Zusammenhang zwischen internen und externen Faktoren bei der Wissenschaftsentwicklung
  • Organisationsformen der Politikberatung
  • legale und illegale transnationale Strukturen, internationale Organisationen und "global governance"


Rezeption und Wirkung

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Forschungsprojekte

Globalisierung und Governance auf nationaler und internationaler Ebene

„Forschung über politische Steuerung hat sich für lange Zeit relativ auf die westlichen Nationalstaaten beschränkt. Durch Europäisierung und Globalisierung haben sich die Bedingungen nationalstaatlicher Steuerungsfähigkeit geändert. Zum gleichen Zeitpunkt sind neue inter- und transnationale Regelungsstrukturen entstanden. Dadurch wurde das steuerungstheoretische Paradigma zunehmend durch das Konzept Governance verdrängt, das sich auf das Mit- und Nebeneinander hierarchischer und nichthierarchischer, staatlicher und nichtstaatlicher Regelung bezieht. In diesem Kontext stellt sich zum einen die Frage nach den durch die Globalisierung bedingten Veränderungen nationalstaatlicher Handlungsfähigkeit, zum anderen die nach der Beschaffenheit und Wirkung der Regelungsstrukturen jenseits des Nationalstaats. Der ersten Frage widmet sich eine systematische Sekundäranalyse der einschlägigen Literatur. Die zweite Frage hat bereits das abgeschlossene Projekt zur Entwicklung internationaler Organisationen geleitet; sie wird jetzt im Kontakt mit einschlägig interessierten Fachkollegen weiterverfolgt. Projektdauer: Mai 2006 bis Dezember 2007."


Emergenz und Reduktion

„Soziale Makrophänomene werden dem Ansatz des methodologischen Individualismus folgend als Ergebnis des Verhaltens von Elementen auf der Mikroebene von Individuen, Haushalten oder (Populationen von) Organisationen verstanden. Das wirft die Frage auf, ob soziale Makrophänomene kausal vollständig auf individuelles Handeln reduzierbar sind oder ob es sich um emergente Phänomene handelt, deren Erklärung zwar einer so genannten Mikrofundierung bedarf, die aber nicht vollständig auf individuelles Handeln rückführbar sind. Diese Frage wurde bereits im Zusammenhang mit der Analyse sozialer Mechanismen aufgeworfen; sie wird jetzt mit dem Ziel einer Differenzierung der Erklärungsansätze für unterschiedliche Typen emergenter Phänomene weiterbehandelt. Projektdauer: Juni 2006 bis Dezember 2007.“


Ausführliche Information zu Rezeption und Wirkung der Soziologin:

  • Interview von Herrn Vobruba mit Sabine Hark in "Soziologie" 34(3) 2005
  • Beitrag in Armin Pongs "In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?" Band 2, 2000
  • Beitrag in Fritz-Vannahme "Wozu heute noch Soziologie?" Leske + Budrich 1996.

Internetquellen

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Mead, George

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Biographie in Daten

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Mead George Herbert

  • geboren am 27. Februar 1863 in South Hadley, Massachusetts
  • gestorben am 26. April 1931 in Chicago, Illinois


  • Vater: Hiram Mead (1827-1881), protestantischer Pfarrer und späterer College Professor
  • Mutter: Elisabeth Storrs Mead, geborene Billings (1832-1917)
    Lehrerin und spätere Präsidentin des Holyoke College
  • Schwester: Alice Mead, geboren 1859


  • 01.10.1891: Mead heiratet die Schwester seines Freundes Henry Castle,
    Helen Kingsbury Castle. Sie stribt am 25.12.1929. Ihr Tod geht G.H. Mead sehr nahe.
  • 1892: Sohn Henry Castle Albert Mead wird geboren. Er wird Physiker.


  • 1870: Die Familie Mead zieht nach Oberlin, Ohio. Sein Vater unterrichtet am Oberlin College, das für religiöse Orthodoxie bekannt war, aber auch für sein außerordentliches soziales Engagement und seinen Einsatz für die Gleichberechtigung von Frauen und Schwarzen.
    Seine Erziehung wurde sehr durch dieses religiöse Umfeld beeinflusst.
  • 1879-1883: Studium am Oberlin College, dass er 1883 mit einem B.A. abschließt.
  • 1883: Mead unterrichtet 4 Monate an einer Schule, wird aber, wegen seiner Art wie er disziplinäre Probleme löst, entlassen.
  • 1883-1887: Surveyor bei der Wisconsin Central Rail Road Company
  • 1887-1888: M.A. in Philosophie an der Harvard Universität, wo er unter anderem auch Psychologie, Griechisch, Latein, Deutsch und Französisch studiert. Während dieser Zeit ist er Tutor für die Kinder von William James (1842-1910).
  • 1888-1889: Studium der Philosophie und Psychologie an der Universität von Leipzig. Zu dieser Zeit beginnt er sich für Darwin zu interessieren.
  • 1889-1891: Mead führt seine Studien an der Universität von Berlin fort (Psychologie, Philosophie und Nationalökonomie).
  • 1891-1894: Er unterrichtet Philosophie und Psychologie an der Universität von Michigan. Um dieses Angebot anzunehmen unterbricht er die Arbeit an seiner Dissertation. Er hat sie nie beendet.

Hier wurde er beeinflusst von den Arbeiten vom Soziologen Charles Horton Cooley (1864-1929), dem Psychologen Alfred Lloyd und dem Philosophen John Dewey (1859-1952). Eine Freundschaft zwischen Mead und Dewey entstand.

  • 1894-1931: John Dewey holt Mead an die neu gegründete Universität von Chicago, als Assistenz Professor für Philosophie. Das neue Zentrum des "American Pragmatism" wird gegründet. Die "Chicago Pragmatists" wurden geleitet von James Haydn Tufts, John Dewey und George Herbert Mead.

Mead war dem Hull House (einer der ersten versuche moderner Sozialarbeit) aufs engste verbunden.

G.H. Mead engagierte sich stark im Kampf für Frauenrechte und wollte eine Reform des Jugendstrafrechts erzielen. Die Zeitung „Elementary School Teacher“ wurde von ihm herausgebracht und er war Vorsitzender eines Komitees für Probleme der Erziehung.

Weiters gehörte Mead lange Zeit dem City Club an, einer Vereinigung reformwillig gesinnter Intellektueller und Unternehmer mit Einfluss auf die Kommunalpolitik

  • 1907: Mead bekommt eine volle Professur an der Universität von Chicago. Diese Stelle behält er bis zu seinem Tod am 26.04.1931. Für das Studienjahr 1931/1932 wollte Dewey Mead für eine Professur an die Columbia Universität holen. Dazu kam es nicht mehr.


Historischer Kontext

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Zu seiner Studienzeit im College von Oberlin spitzte sich der Konflikt zwischen religiöser Dogmatik und der Ausbreitung der Naturwissenschaften zu. Die Evolutionslehre von Darwin stand hier im extremen Gegensatz zur christlichen Schöpfungslehre. Die naturwissenschaftliche Methodik wird für Mead zunehmend interessant, jedoch hält er an den moralischen Werten des Christentums fest. Er sucht nach einem Weg, der diese beiden Gegenpole miteinander verbindet.


Während seines Studiums in Leipzig und Berlin zeigt sich Mead sehr von der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung beeindruckt. Er hegt den Wunsch, ähnliches in angemessener Form auch in den USA zu fördern. Sein vorrangiges Interesse gilt sozialen Reformen. Er hofft auf eine Erziehung durch den Staat, die Verständigung und Solidarität unterstützt und somit zu einer gewaltfreien Einigung beträgt.


Als Mead 1894 an die Universität von Chicago wechselt, ist diese Stadt im Aufbruch. Durch die großen Ströme an Zuwanderern und die enorme kapitalistische Industrialisierung erlebt die Stadt ein unglaubliches Wachstum mit all seinen sozialen Problemen. Die neu eingerichtete Universität sollte helfen, diese Probleme zu bewältigen. So wendete sie sich sehr praktischen Problemen zu und suchte nach wissenschaftlichen Lösungen für kommunale Fragen.


Ein weiteres einschneidendes Erlebnis in Meads Leben war der Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg. Hier unterstützte G.H. Mead die Politik des Präsidenten (Woodrow Wilson).


Die letzten Jahre seines Lebens musste G.H. Mead viele Enttäuschungen erleben, da Ende der 20er Jahre die sozialreformerische Bewegung in Chicago durch eine restriktive und konservative Politik zurück gedrängt wurde.

Theoriegeschichtlicher Kontext

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Während seiner Studienzeit zeigte sich G.H. Mead sehr beeindruckt von den Lehren der deutschen philosophischen Tradition von Immanuel Kant und später den Idealisten Fichte, Schelling und Hegel. Vor allem war für ihn Kants kritische Philosophie von besonderer Bedeutung. Sie begründen die Grundrichtung von Meads Arbeiten.


Mead hegt in Harvard große Bewunderung für seinen Lehrer Josiah Royce. Er war auch Student von George Herbert Palmer. Später in Deutschland studiert er bei Dilthey, Ebbinghaus, Paulsen und Schmoller.


G.H. Mead zählt neben William James, John Dewey und Charles S. Peirce zu den führenden Vertretern des amerikanischen Pragmatismus. Eine eigenständige Strömung der amerikanischen Philosophie, bei der die Beziehung des handelnden Menschen, zu seiner natürlichen und sozialen Umwelt in den Mittelpunkt der Analyse gestellt wurde. Der Pragmatismus war Ende des 19 Jahrhunderts die führende Schule der amerikanischen Philosophie und damit maßgebend für die Entwicklung der Soziologie in den USA.


Mead, William I. Thomas, und Robert E. Park waren die Begründer der Chicagoer Schule der Soziologie. Sie entwickelten den Pragmatismus weiter und machten das Individuum, seine Identität und seine Beziehungen in seiner unmittelbaren Umgebung (Familie, Nachbarschaft, etc.) zum Objekt ihrer Untersuchungen. Sie entwickelten also einen eigenständigen mikrosoziologischen Ansatz.


Werke

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G.H. Meads Denken fand erst nach seinem Tod, vor allem durch seine Schüler,Verbreitung. Er selbst hat wohl Artikel und Aufsätze, nie jedoch ein Buch veröffentlicht.

  • The Philosophy of the Present. (1932/1959)
  • Mind, Self and Society (1934)
  • Movements of Thought in the Nineteenth Century (1936)
  • The Philosophy of the Act (1938)
  • Selected Writings (1964)


Das Werk in Themen und Thesen

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Signifikante Symbole

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Ausgehend von Darwins Analyse des Ausdrucksverhaltens von Tieren und dem Begriff der Gebärde bei Wilhelm Wundt entwickelt G.H. Mead seine Theorie der symbolvermittelten Kommunikation.

Sprache wird hier als signifikantes Symbol verstanden. Ein solches ist eine Geste (im Fall von Sprache ein Laut), die in dem der sie verwendet und im Interaktionspartner dieselbe Reaktion hervorruft. Im Gegensatz zur Konversation bloßer Gebärden, die bei Sender und Empfänger unterschiedliche Reaktionen hervorrufen kann. Signifikante Symbole müssen also die gleiche Reaktion in beiden Interaktionspartnern auslösen, aber auch in jedem, der an der Kommunikation teilnimmt oder teilnehmen könnte.


Denken

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Denken ist bei Mead internalisierte interne Kommunikation. Ein Kind erlernt zuerst, laut zu sich selbst zu sprechen, später ein inneres auf sich selbst bezogenes Gespräch zu führen und daraus entsteht die innere Kommunikation, ein abstraktes Vorwegnehmen möglichen Verhaltens, möglicher Reaktionen und Absichten. So wird durch signifikante Symbole Intelligenz möglich, denn nur durch diese Symbole kann Denken stattfinden.


„Taking the role of the other“

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Durch die signifikanten Symbole kann man das eigene Verhalten an den potentiellen Reaktionen des anderen ausrichten. Handeln wird vorhersagbar und eine gezielte Verbindung von Handlungen ist möglich. Somit entsteht ein gemeinsam verbindliches Muster wechselseitiger Verhaltenserwartungen – eine Rolle. Somit ist mit „taking the role of the other“ die Annahme der Rolle des anderen gemeint. Man nimmt hier nicht etwa die Rolle wirklich ein (und damit die Position des anderen), sondern erwirbt dadurch das Wissen darüber, was die Bezugsgruppen von einem erwarten.


I & Me = Self

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Der Begriff I meint das spontane, kreative ich, inklusive der biologischen Triebausstattung. Me hingegen ist die Vorstellung, die ich davon habe wie mich andere sehen, also das was ich aus den Reaktionen der anderen auf mich, über mich selbst erfahre und die Erwartungen, die Bezugspersonen an mich haben. Zukünftige Handlungen werden geprägt von früheren Reaktionen auf ähnliche Handlungen. Da mir aber mehrere Bezugspersonen gegenüberstehen, gewinne ich mehrere unterschiedliche „me“s. Diese müssen zu einem einheitlichen Selbstbild geformt werden. Dann kann das self entstehen.


Play & Game; der Signifikante Andere und der Generalisierte Andere

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Als Play bezeichnet G.H. Mead nachahmende Rollenspiele (Bsp. Kaufladen) wo Kinder nicht auf koordinierte Weise miteinander spielen sondern vielmehr für sich selbst. Hierbei werden die Rollen des signifikanten Anderen übernommen (Bezugspersonen wie z.B. die Mutter oder der Vater). Der signifikante Andere ist es auch, der das Kind in der Sozialisation zum ersten Mal mit Reaktionen auf sein Verhalten konfrontiert. Bei diesen Spielen bezieht sich das Kind nicht auf jemand anderen, sondern die „imaginären Spielpartner“ folgen einer auf den anderen.

Game hingegen sind Sportspiele oder Wettkämpfe. Hier ist es notwendig, sich auf organisierte Weise nach festgelegten Spielregeln zu koordinieren (eigenes Team) und das Handeln des gegnerischen Teams vorauszuahnen und zu berücksichtigen.

Durch das Verinnerlichen dieser organisierten Einheit, dem Ausrichten des eigenen Handelns an einem für alle Handelnden gültigen Ziel, erlernt das Kind sich auf den generalisierten Anderen zu beziehen. Der generalisierte Andere ist quasi der Repräsentant der Gesellschaft. Der generalisierte Andere trägt so die Erwartungen der anderen, das kollektive Gewissen und die Regeln (Normen und Werte) im Allgemeinen, an das Individuum heran.

Das Kind überwindet die Teilung des me und erreicht das self, das in seinen Einstellungen zu sich einheitlich ist.

G.H. Mead betont aber, dass es keinen Widerspruch gibt, zwischen wachsender Individualität und wachsender Sozialität, weil das Individuum ja der sozialen Umgebung bedarf um ein einmaliges Selbst zu entwickeln.

Rezeption und Wirkung

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Wie bereits erwähnt hat G.H. Mead zu Lebzeiten kein Buch veröffentlicht und seine Wirkung beruht zunächst rein auf seine Lehrtätigkeit in Chicago und seinem Mitwirken an der Chicagoer Schule der Soziologie.

Seine Freundschaft zu John Dewey lieferte G.H. Mead auch Anregungen für seine Arbeit und umgekehrt. Dewey publizierte quasi unaufhörlich und erlangte bereits zu Lebzeiten große Beachtung und Bekanntheit. G.H. Meads Thesen hingegen fanden erst durch seine Schüler wahre Verbreitung.

Nicht nur John Dewey und G.H. Mead beeinflussten sich gegenseitig, solche Beeinflussung gab es auch zwischen Mead und W.I. Thomas.

Sein Schüler, Herbert Blumer, entwickelte aus seinen Ansätzen den symbolischen Interaktionismus als eigenes soziologisches Paradigma – was zu einer der führenden mikrosoziologischen Strömungen werden sollte.

Ein weiterer Schüler von Mead, Ellsworth Faris entwickelte die motivationstheoretischen Grundlagen in Meads Sinn weiter.


Literatur

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  • Kaesler, Dirk (1999):
    "Klassiker der Soziologie: Von Auguste Comte bis Norbert Elias"
    München
  • Münch, Richard (2003):
    "Soziologische Theorie, Band 1:Grundlegung durch die Klassiker"
    Frankfurt am Main
  • Münch, Richard (2003):
    "Soziologische Theorie, Band 2: Handlungstheorie"
    Frankfurt am Main


Internetquellen

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Mead, Margaret

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Biographie in Daten

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  • Geboren: 16. 12.1901 in Philadelphia / Pennsylvania
  • Gestorben: 15.11.1978 in New York City


Eltern: Mutter: Emily Fogg Mead (Soziologin); Vater: Edward Sherwood (Wirtschaftsprofessor an der University of Pennsylvania)

Kind: Mary Catherine Bateson (geboren 1939, Anthropologin, Dekanin an der Raza Civar University im Iran)

Margaret Mead studierte am Barnard College Psychologie und Anthropologie (Abschluss 1923) und erlangte 1929 an der University of Columbia den Doktortitel, in weiterer Folge wurden ihr 28 Ehrendoktorate verliehen.

Dreimal verheiratet (Luther Cressmann, Reo Fortune, Gregory Bateson) und geschieden. Mit ihrem letzten Mann, dem Anthropologen und Biologen Bateson, eine Tochter.

Beruflicher Werdegang:

  • 1926 Beginn der Anstellung im Naturhistorischen Museum (die bis an ihr Lebensende andauerte)
  • 1939-41 Gastprofessur am Vassar College
  • 1947-51 Gastprofessur am Teachers College der Columbia Universität
  • ab 1954 außerordentliche Professorin für Anthropologie an der University of Columbia

Forschungsreisen:

  • 1925 Samoa (mit dem resultierenden Werk coming of age in samoa)
  • 1931 Neuguinea (erforschte die Rollenverteilung der Arapesh, Mudugumor und Tchambuli)
  • 1936 Bali, gemeinsam mit ihrem Mann Gregory Bateson

Mitgliedschaften:

  • Präsidentin der American Association for the Advancement of Science (1973)
  • Society for Applied Anthropology
  • World Federation of Mental Health
  • American Anthropological Association
  • Presidential Medal of Freedom (posthum)

Theoriegeschichtlicher Kontext

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  • Während ihrer Studienzeit auf dem Barnard College begann sich Margaret für Anthropologie zu interessieren, vor allem wegen ihres Lehrers Franz Boas (1858-1942) und seiner Assistentin Ruth Benedict. Vor allem Franz Boas hatte auch einen großen intellektuellen Einfluss auf Margaret während ihrer Zeit auf der Columbia University. Er war es auch, der ihre ersten Forschungen auf den Samoa Inseln überwachte. Bis zu seinem Tod blieben sie Freunde. Genauso stand sie immer in engem Kontakt mit Ruth Benedict, die sich mit Indianerstämmen in Nordamerika beschäftigte. Sie konnten gegenseitig von den jeweiligen Ergebnissen profitieren.
  • Sie wurde ebenfalls von William Ogburn unterstützt. Er beeinflusste sie vor allem auf dem Barnard College, wo sie unter ihm Psychologie studierte. Später unterstützte er sie auch in ihren Forschungen auf den Samoa-Inseln.
  • Durch William Ogburn lernte sie die Arbeiten von Sigmund Freud kennen, der ihr vor allem durch seine „early childhood experiences“ imponierte, diese Theorien ließ sie auch in ihre Forschung auf den Samoa-Inseln einfließen. Ebenso wie Talcott Parsons, ein berühmter Zeitgenosse von Mead, greift sie immer wieder auf Freud zurück, wenn Geschlechtsrollen und Geschlechtsidentität analysiert werden.
  • In den letzten Jahren wurde Margarets Forschungen vor allem von dem australischen Anthropologen Derek Freeman hinterfragt, welcher ihre Ergebnisse über das Sexualverhalten der Samoaner als falsch darstellte.

Werke

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Margaret Mead schrieb über 44 Bücher (davon 18 gemeinsam mit anderen) und veröffentlichte über 1000 wissenschaftliche Artikel. Nachfolgend ihre wichtigsten Werke:

  • Coming of Age in Samoa, A Psychological Study of Primitive Youth for Western Civilization (1928)
  • An Inquiry into the Question of Cultural Stability in Polynesia (1928)
  • The Maoris and their Art (1928)
  • Growing up in New Guinea (1930)
  • Social Organizations of Manu’s (1930)
  • The Changing Culture of an Indian Tribe (1932)
  • Sex and Temperament in Three Primitive Societies (1935)
  • The Mountain Arapesh (1938-49; 5 Bände)
  • From the South Seas (1939)
  • Balinese Character (1942; gemeinsam mit Gregory Bateson)
  • And keep your powder dry (1942)
  • Balinese Character, a Photographic Analysis (1942)
  • Male and Female (1949)
  • Soviet Attitudes toward Authority (1951)
  • Growth and Culture (1951, gemeinsam mit Frances Cooke Macgregor)
  • The Study of Culture at a Distance (1953, gemeinsam mit Rhoda Métraux)
  • Primitive Heritage (1953, gemeinsam mit Nicholas Calas)
  • Themes in French Culture (1955, gemeinsam mit Rhoda Métraux)
  • Childhood in Contemporary Cultures (1955, gemeinsam mit Martha Wolfenstein)
  • New Lives for Old (1956)
  • An Anthropologist at Work (1959)
  • People and Places (1959)
  • A Creative Life for your Children (1962)
  • Continuities in Cultural Evolution (1964)
  • Family (1965, gemeinsam mit Ken Heyman)
  • Anthropologists and what they do (1965)
  • American Women (1965, gemeinsam mit Frances B. Kaplan)
  • The Wagon and The Star (1966, gemeinsam mit M. Brown)
  • The Changing Cultural Patterns of Work and Leisure (1967)
  • Culture and Commitment (1970)
  • A Way of Seeing (1970, gemeinsam mit Rhoda Métraux)
  • A Rap on Race (1971, gemeinsam mit James Baldwin)
  • Blackberry Winter: My earlier years; Autobiography (1972)
  • Letters from the Field 1925 – 1975 (1978)
  • Margaret Mead, Some Personal Views (1979, gemeinsam mit Rhoda Métraux)
  • Aspects of the Present (1980, gemeinsam mit W. W. Kellogg)
  • The Atmosphere (1980)

Das Werk in Themen und Thesen

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Margaret Mead ist bekannt für ihre Forschungen in

  • vergleichbarer Kinderpsychologie
  • ozeanischer Ethnologie
  • und Kooperation und Konkurrenz unter primitiven Völkern.

Sie war bereits zu ihren Lebzeiten berühmt. Sie erforschte sieben Südseeinseln, unter anderem Bali, Samoa und Neu Guinea.

  • In Bali setzte sie zum ersten Mal die Photografie für die anthropologische Forschung ein, indem sie über 30.000 Photografien der Balinesen machte.
  • Nach ihrem Studien auf den Samoa-Inseln schrieb sie ihr wohl berühmtestes Buch „Coming of Age in Samoa“. In diesem stellt sie die Theorie auf, dass Adoleszenz nicht eine Zeit der Umwälzung ist, sondern dass die Gesellschaft die Probleme verursacht, dadurch dass sie Sexualität verhindert und versteckt.
  • Mead war auch eine der ersten, welche Kindererziehungspraktiken und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft erforschte. Ihre Theorie der kindlichen Prägung, durch welche Kinder auch lernen, wird bis heute weiter erforscht. Mead glaubte, dass das Studium der Kinder zur Verbesserung und Verständnis unserer Zukunft wichtig ist.
  • Sie kombinierte ebenso Psychologie und Anthropologische Studien zum ersten Mal. Sie fand es sehr wichtig, dass die Anthropologie mit anderen Wissenschaften kombiniert wird. Diese Meinung präsentierte sie auch immer wieder der Öffentlichkeit, durch Artikel, Radiosendungen und Fernsehauftritten.


Geschlecht und Temperament in drei sog. "primitiven" Gesellschaften

In diesem Werk arbeitet Mead heraus, dass Identität nicht bloß auf die Persönlichkeit zurückzuführen ist, sondern im kulturellen Kontext entsteht und verstehen werden muss. So sind unsere Vorstellungen von aggressiver Männlichkeit und hilfsbereiter Weiblichkeit in anderen Kulturen keine Selbstverständlichkeit. Bei dem Volk der Arapesh sind Männer und Frauen gleichermaßen auf Kooperation und Harmonie bedacht, sexuelle Bedürfnisse werden gleichermaßen von Normen beschränkt. Die Mundugumor hingegen zeigen sich angriffslustiger und ihre Kultur lässt ein höheres Maß an Sexualität zu. Die mindere Rolle der Frau in der amerikanischen Gesellschaft ist rein sozialisationsbedingt, womit sie soziologisch interessant die Relevanz von Sozialisationsprozessen verdeutlicht. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau, die wir oft fälschlicherweise auf biologische Unterschiede zurückführen, widerlegt Margaret Mead und hebt die sozialen und kulturellen Einflüsse heraus. So ist sie die Wegbereiterin für die die heute geläufigere Unterscheidung in biologisches Geschlecht (sex) und soziales Geschlecht (gender).


Arbeitsteilung

Im System der Arbeitsteilung der Geschlechter gibt es jedoch Paralellen zu der Entwicklung in westlichen Gesellschaften. So gibt es Dörfer, in denen Männer fischen und Frauen weben, und solche, in denen Frauen fischen und Männer weben. Aber gleichgültig um welche Art der Teilung es sich handelt, die Arbeit der Männer wird höher eingeschätzt. So werden Arbeiten die ursprünglich von Frauen verrichtet wurden und in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung steigen, zumeist von Männern übernommen.


Sexualität

Ähnlich wie bereits Malinowski sieht Mead Sexualität zwar biologischen Ursprungs in ihrer Auslebung und Unterdrückung, aber sozial gesteuert. Unsere Ansicht und Ausübung von Sexualität sind demnach eine Fusion aus Kultur und Natur. Kritisiert wurde sie dabei, zwar bestehenden Vorstellungen die Legitimität zu entziehen, aber mit bestehenden Kategorien zu denken und argumentieren.

Rezeption und Wirkung

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Nach Margaret Meads Tod wurden einige ihrer Theorien in Frage gestellt und auch widerlegt, trotzdem gibt es keinen Zweifel an ihren wichtigen Beiträgen für die Wissenschaft der Anthropologie und des Verständnisses der menschlichen Natur.

Ihre Untersuchungen des Zusammenlebens der Geschlechter wirkte unterstützend für die Frauenbewegung der 70er-Jahre. Teilweise wurden ihre Thesen überhöht und ausgebaut und zum anderen verfiel Mead selbst in eine konsvervativere Auffassung der Geschlechterrollen, ihre Absicht und ihre Wirkung gingen damit in verschiedene Richtungen.

Ihre Theorien fanden aber Eingang in die Queer-Theory und wurden von Michel Foucault unter anderem um Themen wie Homosexualität erweitert.

Literatur

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http://www.fembio.org/frauen-biographie/margaret-mead.shtml (12.04.2006)

http://www.cas.usf.edu/anthropology/women/mead/margaret_mead.htm (12.04.2006)

http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/mead_margaret.html (12.04.2006)

http://pages.slc.edu/~cfraver/directory/meadbio.htm (13.04.2006)

http://akak.essortment.com/margaretmead_rbys.htm (13.04.2006)

http://www.gwu.edu/~asc/people/Mead/ (21.04.2006)

http://www.answers.com/topic/margaret-mead (21.04.2006)

http://www.kirjasto.sci.fi/mmead.htm (21.04.2006)

Merton, Robert K.

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Biographie in Daten

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Meyer Robert Schkolnick, nahm dann, aufgrund seiner Tätigkeit als Zauberer in jungen Jahren, das Pseudonym „Robert Merlin“ an und änderte später seinen Namen in Robert King Merton.


  • geboren am 05. Juli 1910 in Philadelphia, Pennsylvania, USA
  • gestorben am 23. Februar 2003 in New York, USA


Eltern: Jüdische Einwanderer aus Osteuropa. Betrieben ein Butter-, Eier- und Käsegeschäft Geschwister: 1 Schwester


Kinder: Stephanie Tombrello; Robert Carhart Merton (*1944), Wirtschaftsnobelpreisträger 1997; Vanessa Merton 1.Ehe: 1934 Suzanne M. Carhart

2.Ehe: 1993 Harriet Zuckerman


Ausbildung:

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1927: Highschool-Abschluss, Stipendium für das Temple College, Philadelphia

1927-1931: Studium der Philosophie und Biologie; Merton lernte Pitirim A. Sorokin kennen, der seine Studienwahl, bzw. den Wechsel zur Soziologie, beeinflusste

1927-1931: B.A. in Soziologie an der Temple University in Philadelphia (Pennsylvania, USA), Stipendium für Harvard

1931-1934: M.A. in Soziologie an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA); Merton war in dieser Zeit Schüler von Sorokin und Parsons

1936: Ph.D. in Soziologie an der Harvard University


Berufliche Daten:

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1934-1936: Tutor

1936-1939: Instructor der Soziologie an der Harvard University (Secretary des Board of Tutors in Sociology)

1939-1940: Associate Professor der Soziologie an der Tulane University in New-Orleans(Louisiana, USA)

1940-1941: Full Professor der Soziologie und Chairman (Fachbereichsvorsitzender) des Department of Sociology an der Tulane University in New-Orleans (Louisiana, USA)

1941-1947: Assistant Professor der Soziologie an der Columbia University in New York (N.Y., USA)

1942-1971: Associate Director des Bureau of Applied Social Research in New York.

1947-1963: Full Professor der Soziologie an der Columbia University

1963-1974: Giddings Professor

1974-1979: University Professor der Soziologie

1979: University Professor e.m.

1979-1984: Special Service Professor


Andere Tätigkeiten:

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1947-?: Advisory Editor für Soziologie beim Verlag Harcourt Brace Jovanovich

1952-1975: Trustee Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences in Palo Alto, California

1963-1979: Mitglied des Educational Advisory Board der Guggenheim Foundation

1971-1979: Chairman des Educational Advisory Board der Guggenheim Foundation

1964-1968: Trustee der Temple University in Philadelphia, Pennsylvania

1979-?: Adjunct Faculty Member der Rockefeller University in New York (N.Y., USA); erster Foundation Scholar der Russell Sage Foundation

1983-1988: MacArthur Prize Fellow (als erster Soziologe)

1986-1988: George Sarton Professor of History of Science an der Universität von Gent/ Gand


Wichtige private Ereignisse:

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1994: Verleihung der National Medal of Science (höchste Wissenschaftliche Auszeichnung der USA)


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Merton lernte Pitirim Sorokin, den Direktor des neugegründeten Department of Sociology, in Harvard auf einem Treffen an der Temple University kennen.. Nachdem er an der Universität angenommen worden war, arbeitete er zuerst eng mit Sorokin zusammen und half diesem bei Forschungsprojekten. Kurze Zeit später veröffentlichte er, gemeinsam mit seinem Mentor, einen bedeutenden Artikel über die soziale Zeit im American Journal of Sociology. Mertons Anhänglichkeit an Sorokin wurde schwächer, als er einem jungen und noch nicht ganz so bekannten Mitglied der Fakultät begegnete: Talcott Parsons.

Weiters wichtig an der Harvard Universität waren für Merton der Wirtschaftshistoriker E. F. Gay, der große Wissenschaftshistoriker George Sarton und der Biochemiker und Soziologe Joseph L. Henderson. Die Spuren dieser Gelehrten kann man in vielen von Mertons Veröffentlichungen wieder finden, am ehesten jedoch in seiner Dissertation und in anderen früheren Werken.

Fragt man nach der Bedeutung früherer Soziolgen für Merton, so steht das Werk Emile Durkheims ganz oben an. Mertons erster veröffentlichter Aufsatz befasst sich dessen Ausführungen

Auch der Bezug zu Karl Marx ist deutlich und besonders in Mertons früheren Arbeiten sichtbar.

Max Webers Einfluss tritt am deutlichsten in Mertons Dissertation hervor, doch er wird in den späteren Arbeiten wesentlich schwächer.

Georg Simmel war für Mertons Arbeit hauptsächlich in den fünfziger Jahren und danach wichtig.

Zur selben Zeit, als Merton in Harvard studierte, arbeitete Talcott Parsons an jenem Buch, das später einen nachhaltigen Einfluss auf die Theoriebildung nicht nur der amerikanischen, sondern auch der Soziologie der gesamten Welt ausüben sollte. Structure of Social Action. Merton, der eigentlich wegen Sorokin nach Harvard gekommen war und diesem nahe stand, wandte sich nun Parsons zu und wurde zum Mitglied der gerade entstehenden Schule des Funktionalismus. Trotzdem konnte man schon damals die deutlichen Unterschiede der Denkweisen von Parsons und Merton bemerken.

In den folgenden Jahrzehnten war die Karriere Mertons sehr eng mit der Columbia University verbunden. Er arbeitete mit einer Vielzahl von Kollegen in Columbia zusammen, so unter anderem mit Robert Lynd, Kingsley Davis und William J. Goode.

Paul F. Lazarsfeld wurde für sehr viele Jahre - bis zu seinem Tode 1976 - ein enger Mitarbeiter und intellektueller Gefährte Mertons. Auch wenn Merton sehr viel von Parsons gelernt hatte, er eiferte ihm nicht darin nach, allumfassende Großtheorien zu konstruieren. Sein Bestreben war es, „Theorien mittlerer Reichweite“ zu entwickeln, die nicht das ganze Panorama menschlichen Handelns und all seiner Widersprüche erhellen sollten, sondern klar abgegrenzte Aspekte der sozialen Realität. Auf dieser Basis fanden Merton, der problemorientierte Theoretiker, und Lazarsfeld, der problemorientierte Empiriker, zusammen und wurden unzertrennliche Kollegen und Freunde.


Werke

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1938: Science in Seventeenth Century England

1938: Social Structure and Social Anomie

1949: Social Theory and Social Structure: Toward the Codification of Theory and Research

1957: Paradigm of Functional Analysis in Sociology

1957: Priorities in Scientific Discoveries: A Chapter in the Sociology of Science

1965: On the shoulders of giants: A Shandean Postscript

1968: The Matthew Effect in Science

1973: The Sociology of Science: Theoretical and Empirical Investigations

1976: Sociological Ambivalence and Other Essays

1979: The Sociology of Science. An Episodic Memoir

1982: Social research and the practicing professions. Edited and with an introduction by Aaron Rosenblatt and Thomas F. Gieryn

1985: Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen. Aufsätze zur Wissenschaftssoziologie

1996: On social structure and science. Edited and with an introduction by Piotr Sztompka

2003: The Travels and Adventures of Serendipity: A Study in Sociological Semantics and the Sociology of Science (mit Elinor Barber)


Das Werk in Themen und Thesen

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Strukturfunktionalismus

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Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist die Tatsache, dass die Handlung einer Person in der jeweiligen Sozialstruktur vorgegeben wird, jedoch niemals im vollen Umfang (es sind also gewisse Abweichungen möglich). In totalen Institutionen zum Beispiel, herrschen engere bis keine Handlungsspielräume, es werden also nur sehr wenige Abweichungen geduldet. Merton versucht, verschiedene strukturelle Abwandlungen zu erklären, deren Entscheidungsmuster von motivierten Akteuren bestimmt werden. Es muss also beachtet werden, dass man die diversen Strukturen von einer bestimmten Perspektive betrachtet. Wichtig dabei ist, dass man diesen Hauptbezugspunkt bei der Betrachtung von Mertons Thesen nie außer Acht lässt

Rollentheorie (Role model)

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Handelnde Individuen sind immer in sozialen Strukturen eingegliedert und stehen in Beziehung bzw. Interaktion mit verschiedenen Rollenträgern. Diese soziale Strukturen setzen sich aus einer Vielzahl sozialer Statuspositionen zusammen, die wiederum diverse Rollen-Sets innehaben sowie auch zuschreiben. Rollen-Sets können als Gesamtheit der an eine Position gerichteten Rollenerwartungen definiert werden.

Konflikte zwischen Rollen sind eher der Normalfall als die Ausnahme. Es gibt zum Einen Inter-Rollenflikte, wenn eine Person mindestens zwei Rollen gleichzeitig inne hat, die sich widersprechen, zum Beispiel wenn ein Lehrer sein eigenes Kind unterrichten muss (Rolle des Vaters vs. Rolle des Lehrers). Zum Anderen gibt es den Intra-Rollenkonflikt, wenn eine Rolle aufgrund verschiedener Erwartungen von den Bezugsgruppen in Konflikt gerät. An den Lehrer werden zum Beispiel unterschiedliche Erwartungen vom Direktor, von seinen Schülern und von deren Eltern herangetragen. Der Direktor verlangt, dass der Lehrplan eingehalten wird, die Schüler verlangen, dass er nicht zu streng ist und deren Eltern verlangen, dass ihre Kinder gerecht beurteilt werden und eine gute Ausbildung erhalten.


Bezugsgruppentheorie (Reference Group Theory)

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Rollenerwartungen bestehen nicht nur von den Mitgliedern der Bezugsgruppen (reference groups), denen eine Person zugehörig ist, sondern auch von Bezugsgruppen (Aspirationsgruppen), in denen sich die Person nicht befindet, ihnen aber angehören möchte. (z.B. Immigranten.)


Im Zentrum des Merton’schen Menschenbildes steht der Begriff der "choice", der Wahl. Menschen, die in einer sozialen Struktur unterschiedlich eingebunden sind, erleiden unterschiedliche Schicksale und treffen auf unterschiedliche Wahlmöglichkeiten, die ihre gegenwärtigen und zukünftigen Lebenschancen bestimmen. Daraus entstand die Rational Choice Theory , die Merton gemeinsam mit James Coleman erarbeitet hat.


Self-fulfilling prophecy

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Die Selbsterfüllende Prophezeiung ist eine Vorhersage, die wahr wird, nur weil sie vorhergesagt bzw. erwartet wurde. Die Überlegung basiert auf dem Prinzip, dass man selber auf die Umwelt Einfluss nimmt und sie in die Richtung verändert, die man erwartet. Dadurch wird eine Erwartung zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung (z.B. Aberglaube). Bei der theoretischen Herleitung dieser Theorie verweist Merton auf das Thomas-Theorem. Es verdeutlicht, dass der Akteur weniger auf die objektive Realität einer spezifischen Situation reagiert, sondern vielmehr aufgrund der individuellen Bedeutung handelt, die er in ihr erkennt.

Es gibt verschiedene Erscheinungsformen der Self-fulfilling prophecy, wie etwa den Pygmalion-Effekt, den Placebo-Effekt, den Hawthorne-Effekt, den Messiah-Effekt, den Mitläufer-Effekt und den Matthäus-Effekt (von Merton analysiert). Der Matthäus-Effekt bedeutet die soziologische Tatsache, dass denjenigen mehr gegeben wird, deren Ruf und soziale Position hoch ist. Er folgt dem Prinzip der positiven Rückkopplung und ist hauptsächlich ein Phänomen, welches häufig bei der Zitierhäufigkeit von wissenschaftlichen Veröffentlichungen beobachtet wird. Mertons Prinzip besagt, dass bekannte wissenschaftliche Autoren häufiger zitiert werden und dadurch noch bekannter werden (success breeds success). Die Bezeichnung dieses Effekts stammt aus dem Gleichnis von den anvertrauten Zentnern an: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“


Manifeste und latente Funktionen

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Genauso wie Handlungen beabsichtigte und unvorhersehbare Folgen haben können, können Strukturen manifeste und latente Funktionen haben. Anstelle nicht erfüllter manifester Funktionen können Handlungen latente Funktionen erfüllen, auch wenn die Akteure die Konsequenzen ihres Tuns in keiner Weise vorhergesehen haben. Merton geht sogar einen Schritt weiter und behauptet, dass gerade die latenten Funktionen und deren Analyse das eigentliche Gebiet der Soziologie ausmachen, da sie die Aufmerksamkeit auf theoretisch ergiebige Forschungsfelder lenken und erst soziologische Aufklärung möglich machen. Wirtschaftlicher Konsum hat beispielsweise die manifeste Funktion der Nützlichkeit, aber auch die latente Funktion, unter anderem der Prestigegewinnung oder -erhaltung.


Funktion vs. Dysfunktion

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Ein Phänomen kann nach Merton sowohl funktional, systemerhaltend, als auch dysfunktional, systemzerstörend/verändernd, sein. Diese Einstufung hängt vom Standpunkt im System ab. Unterschiedliche Gruppen können also Phänomene unterschiedlich funktional oder dysfunktional betrachten.


Anomietheorie

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Merton übernahm Emile Durkheims Begriff der Anomie, gab ihm jedoch eine eher weitreichendere Bedeutung. Die Anomie gilt als Erklärungsversuch für deviantes (abweichendes) Verhalten in verschiedenen Bereichen der Sozialstruktur durch kulturelle und strukturelle Ursachen. Merton betrachtet abweichendes Verhalten und Konformität als Auswirkungen des sozialen Umfelds. Zuerst beschäftigt er sich mit der Analyse der Sozialstruktur, danach untersucht der die Art und Weise, wie sich Personen an normative Anforderungen anpassen und welche Formen ihre Abweichungen annehmen. Er ordnet sie fünf verschiedenen Typen zu: Konformität (Übereinstimmung mit den angepassten kulturellen Mustern), Innovation (Neuerung), Ritualismus (die Ziele werden so weit herabgeschraubt, bis der Einzelne fähig ist, sie in seiner Position auch zu erreichen), Rückzug (Verweigerung der Auseinandersetzung mit der Diskrepanz zwischen Normen und Zielen) und Rebellion (Widerstand).


Anpassungsformen Kulturelle Ziele Institutionelle Mittel
Konformität + +
Innovation + -
Ritualismus - +
Rückzug - +
Rebellion +/- +/-

Typen der Anpassung (Merton 1938)


Rezeption und Wirkung

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Merton und sein einstiger Lehrer Parsons sind die Urväter funktionalistischer Analyse in der US-amerikanischen Soziologie. Während Parsons dazu ein übermächtiges Theoriesystem aufzustellen versuchte, welches die Gesamtheit sozialer Strukturen und Funktionen einschließen sollte, entwickelte Merton eine Theorie mittlerer Reichweite (middle range theory). Er bezog seine Theorien nicht auf die gesamte Menschheit sondern auf soziale Phänomene, die nur in bestimmten Bereichen auftreten.

Merton versuchte, das soziale Handeln von Individuen nicht deterministisch zu erklären, sondern verwies auch auf die Möglichkeit, dass sie auch von der Norm abweichend handeln können. Dies versuchte er mit einer Vielzahl seiner detaillierten „Theorien mittlerer Reichweite“ zu begründen.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Neunziger Jahre war Mertons Einfluss innerhalb der Soziologie weitreichend.


Literatur

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  • Kaesler, Dirk und Vogt, Ludgera (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Münch, Richard (2004):
    "Soziologische Theorie. Band 3: Gesellschaftstheorie"
    Frankfurt am Main
  • Kaesler, Dirk (1999):
    "Klassiker der Soziologie. Band 2: Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu. 4. Auflage 2003."
    München

Internetquellen

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Michels, Robert

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Biographie in Daten

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Roberto Michels

  • geboren am 9. Jänner 1876 in Köln
  • gestorben am 2. Mai 1936 in Rom


  • Eltern:

Vater: Julius Michels Mutter: Anna Michels (geborene Schnitzler)


  • Ehe:

1900: mit Gisela Lindner

  • Kinder:

Mario Michels (geb. 1901) Manon Michels (geb. 1904) Daisy Michels (geb. 1906)


Biographie

  • 1885-1889: Besuch des Collège Français in Berlin (davor: Privatunterricht)
  • 1889–1894: Besuch des Carl Friedrich-Gymnasiums in Eisenach, Thüringen (1894 Abitur)
  • 1895–1896: Militärdienst an der Kriegsschule in Hannover und in Weimar
  • 1896–1900: Studium der Geschichte und Nationalökonomie an den Universitäten Paris, München, Leipzig und Halle.
  • 1900: Dr. phil. (Geschichte) an der Universität Halle-Wittenberg in Halle an der Saale; Dissertation: Zur Vorgeschichte von Ludwig XIV (Einfall in Holland). Eintritt in die „Partitio Socialista Italiano“ und in die Camera del Lavoro (Arbeiterkammer) von Mailand. (Seit 1903 in der syndikalistischen Strömung innerhalb der sozialistischen Bewegung aktiv.)
  • 1900–1901: Fortsetzung der Studien and der Universität Turin
  • 1901–1907: Wohnhaft in Marburg an der Lahn, Hessen (mit Unterbrechungen). Trotz des öffentlichen Einsatzes von Max Weber (1864–1920) wird ihm als Mitglied der „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ die Habilitation an den Universitäten Marburg, Hessen und Jena, Thüringen verweigert
  • 1903–1905: Lehrbeauftragter an der Université Nouvelle in Brüssel
  • 1905: Lehrbeauftragter (Chargé d’Enseignement) am Collège Libre des Sciences Sociales in Paris
  • 1906: Mitglied des Organisationsausschusses des Internationalen Instituts für Sozialbibliographie in Berlin.
  • 1907–1914: Wohnhaft in Turin
  • 1907: Habilitation für Economia Política an der Università degli Studi di Torino in Turin bei Achille Loria (1857-1943). Italienischer Delegierter am Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart; danach Abkehr von seinen ursprünglichen sozialistischen und syndikalistischen Ideen.
  • 1913: Annahme der italienischen Staatsbürgerschaft
  • 1907–1928: Dozent der Politischen Ökonomie (Docente d’Economia política) mit dem Titel eines außerordentlichen Professors (Professore Straordinario) an der Universität in Turin.
  • 1913–1914: Mitherausgeber des „Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ in Tübingen
  • 1914–1928: Wohnhaft in Basel. Ordentlicher Professor der Nationalökonomie und Statistik sowie Lehrbeauftragter für Soziologie an der Universität Basel (unter Beibehaltung der außerordentlichen Professur in Turin); Enge Beziehung zu Vilfredo Pareto (1848-1923).
  • 1923: Eintritt in die italienische „Partito Nazionale Fascista“
  • 1926: Gastvorlesungen an den Universitäten in Messina und in Rom
  • 1927: Gastprofessor an der University of Chicago und im Williams College in Williamstown, Massachusetts
  • 1928–1936: Wohnhaft in Perugia, Umbria und Rom; Ordentlicher Professor der Allgemeinen und korporativen Ökonomie an einem eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl sowie 1928-1933 Lehrbeauftragter für Geschichte der Wirtschaftstheorie an der Fakultät der politischen Wissenschaften in Perugia. Michels wurde von Benito Mussolini (1883-1945) persönlich gefördert, als dessen Propagandist er bis zu seinem Tod wirkte.
  • 1929–1931: Lehrer am Istituto Superiore di Scienze Sociali Cesare Alfieri in Florenz

Historischer Kontext

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Durch den Versuch der nationalistischen Bewegung, die Bevölkerungsklasse, welche durch neue Produktionstechniken sozial am meisten benachteiligt wurde, zu mobilisieren, entstand in Italien eine neue Art des Sozialismus, die weder marxistisch noch internationalistisch war. Diese wurde später vom Faschismus abgelöst, welcher eine Art Synthese aus dem politischen Autoritätsdenken der Nationalisten und aus bestimmten Formen des Sozialismus war.

Michels gehörte vorerst dem revolutionären Teil der deutschen Sozialisten an und war Gegner der deutschen sozialdemokratischen Partei. Dieser Flügel hatte eine sehr große Ähnlichkeit mit dem Syndikalismus in Italien und Frankreich (Syndikalismus: griechische Bezeichnung für sozialrevolutionäre Bestrebungen mit dem Ziel der Übernahme der Produktionsmittel durch autonome Gewerkschaften). Durch seine Kritik an der sozialdemokratischen Partei Deutschlands blieb Michels eine erfolgreiche Karriere verwehrt, sodass er nach Italien zog, wo er schließlich Faschist und ein guter Freund Mussolinis wurde.

Als Libyen im italienisch – osmanischen Krieg (1911-12) erobert wurde, beschleunigte dies Michels’ politische Entwicklung. Zu dieser Zeit spaltete sich die sozialistische Partei in zwei Teile. Erstmals tauchte in Italien ein radikal linker Flügel auf (mit Benito Mussolini als Anführer), der sich gegen den Parlamentarismus und die Demokratie aussprach und revolutionäre Gewalt predigte. (1911 veröffentlichte er sein Hauptwerk zur Soziologie des Parteiwesens.)

Zur Zeit des ersten Weltkriegs hielt sich Michels in Basel in der neutralen Schweiz auf, wo er an der dortigen Universität Nationalökonomie und Statistik lehrte.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Max Weber nahm Michels in seinen „Salon des refusés“ in Heidelberg auf und setzte sich öffentlich für seine akademische Karriere in Deutschland ein (leider ohne Erfolg). 1913/14 war Michels neben Max Weber, Werner Sombart und Edgar Jaffé Mitherausgeber der wichtigsten sozialwissenschaftlichen Zeitschrift im deutschen Raum, dem „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“.

Mit Hilfe seines Kollegen Gaetano Mosca verarbeitete Michels die Elitentheorie von Vilfredo Pareto, zu dem er eine enge freundschaftliche Beziehung pflegte, weiter.


Werke

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  • Die Brautstandsmoral. Eine kritische Betrachtung. (Leipzig, 1904)
  • Storia del Marxismo in Italia: Compendio critico con annessa bibliografia. (Rom, 1909)
  • Die Grenzen der Geschlechtsmoral: Prolegomena Gedanken und Untersuchungen. (München, 1911)
  • Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen für die oligarischen Tendenzen des Gruppenlebens. (Leipzig, 1911)
  • Saggi economico-statistici sulle classi popular. (Mailand, 1913)
  • Probleme der Sozialphilosphie (Leipzig, 1914)
  • Amour et chasteté : essais sociologiques. (Paris, 1914)
  • Problemi di sociologia applicata. (Turin, 1919)
  • Lavoro e razza. (Mailand, 1924)
  • Sozialismus und Faschismus als politische Strömungen in Italien. (München, 1925)
  • Corso di sociologia politica. (Mailand, 1927)
  • Bedeutende Männer. Charakterologische Studien. (Leipzig, 1927)
  • Italien von heute. Politik-Kultur-Wirtschaft. (Zürich, 1928)
  • Die Verelendungstheorie. Studien und Untersuchungen zur internationalen Dogmengeschichte der Volkswirtschaft. (Leipzig, 1928)
  • Sittlichkeit in Ziffern: Kritik der Moralstatistik. (München, 1928)
  • Der Patriotismus. Prolegomena zu seiner soziologischen Analyse. (München, 1929)
  • Das psychologische Moment im Welthandel. (Leipzig, 1931)
  • Umschichtungen in den herrschenden Klassen nach dem Kriege. (Stuttgart, 1934)


Das Werk in Themen und Thesen

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Das eherne Gesetz der Oligarchie:

Oligarchie ist die Herrschaft einer kleinen Gruppe. Die Führungsgruppe ist dabei mehr an den eigenen Interessen (Privilegien, etc.) als an den Zielen und Wünschen der Gruppe orientiert (Verselbstständigung der Führung). Sie wollen die soziale Basis, die Masse beherrschen. Oligarchie ist laut Michels eine Form menschlichen Zusammenlebens in größeren Gruppen/Verbänden, die vorherbestimmt ist. In der „Soziologie des Parteiwesens“ werden drei verschiedene Entstehungsursachen für Oligarchisierung unterschieden:

  • 1. Technisch – administrative Ursachenkomplexe
  • 2. Psychologische Ursachenkomplexe
  • 3. Intellektuelle Ursachenkomplexe

Ohne Organisation durch einen Führer bzw. mit hierarchischer Gliederung sind Demokratien handlungsunfähig. Da die breite Masse zu träge ist, „alles selbst in die Hand zu nehmen“, fällt es der herrschenden Minderheit relativ leicht, ihren Einfluss auf die Bevölkerung zu stabilisieren und beizubehalten. Da bei der Oligarchie jeder Einzelne ersetzbar ist, bedarf ist eines starken Durchsetzungsvermögens gegenüber der Konkurrenz. Diese „aktive Minderheit“ entspricht Paretos „Elite“ und Moscas „herrschender Klasse“. Michels lässt seine Oligarchientheorie auch in die Elitenthesen einfließen. Michels Meinung nach zirkulieren die Eliten nicht in demselben Sinne, wie bei Paretos Theorien. Er ist eher der Ansicht, dass Eliten miteinander fusionieren und somit den Gesamtcharakter einer Organisation verändern.


Fusion der Eliten:

Michels hat die Elitentheorie von Pareto weiter differenziert. Während Pareto ständig wechselnde Eliten sah, blieb die herrschende Klasse bei Michels erhalten. Stattdessen werden in seinen Theorien die Führungspersonen aus Volksbewegungen in die Elite aufgenommen, die sich dadurch immer wieder verjüngen und revitalisieren lässt.


Rezeption und Wirkung

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Michels’ Soziologie des Parteiwesens wurde ausgiebig diskutiert. Studien von McKenzie, Duverger, und Bryce beschäftigten sich mit dessen Fragestellungen und reflektieren seine Hypothesen.


Literatur

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  • Stölting, Erhard, Robert, Michels, in: Kaesler, Dirk [Hrsg.] (1999):
    "Klassiker der Soziologie Band 1: von Auguste Comte bis Norbert Elias"
    München
  • Detjen, Joachim, Michels, Robert in: Oesterdiekhoff, Georg W. [Hrsg.] (2001):
    "Lexikon der Soziologischen Werke. 1. Auflage"
    Wiesbaden
  • Stölting, Erhard, Robert Michels, in: Kaesler, Dirk; Vogt, Ludgera [Hrsg.] (2000):
    "Hauptwerke der Soziologie"
    Stuttgart
  • Ferrarotti, Franco, Michels, Robert, in: Bernstorf, Willhelm; Knospe, Horst [Hrsg.] (1980):
    "Internationales Soziologenlexikon, 2., neubearbeitete Auflage"
    Stuttgart

Millar, John

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Biographie in Daten

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John Millar

  • geboren am 22. Juni 1735
  • gestorben am 30. Mai 1801 an Rippenfellentzündung in Glasgow


Vater: James Millar (Minister) Mutter: Ann, eine Tochter von Archibald Hamilton of Westburn


1735: John wurde als erstes Kind von vier Geschwistern im ersten Jahr nach der Liebesheirat der Eltern geboren. Die Hochzeit der Eltern wurde von ihren Familien nicht gutgeheißen, da sie nicht den jeweiligen Ständen entsprachen. Deshalb wurde die Mutter (Ann) von ihrer Familie ferngehalten und John Millar wuchs bis zu seinem siebten Lebensjahr bei seinem Vater auf.

1742 kam Millar in die Grundschule in Hamilton. Dort lernte er nicht nur Latein, sondern auch Griechisch. Schon in seinen Kindheits- und Jugendjahren lernte er viele bedeutende Denker kennen, die sein Leben und Werk nachhaltig prägten. Darunter befanden sich unter anderen David Hume, James Watt und William Cullen, ein Cousin seiner Mutter.

1746 ging er zur Universität in Glasgow und wurde ein Freund von William Morehead, später von Herbershire, dem Onkel von Francis Jeffrey. Millar studierte in Glasgow Recht und nahm nach dem Abschluss der Studien ein Angebot als Privatlehrer für den Sohn von Lord Kames an.

1759 heiratet John Millar Margaret Craig, eine Frau aus Glasgow, die ihm wegen ihrer Intelligenz imponierte. In den ersten achtzehn Jahren der Ehe wurden dreizehn Kinder geboren. Darunter befanden sich fünf Buben und acht Mädchen. Zwei Kinder starben nach der Geburt. Alle Söhne kamen an die Universität des Vaters, wo die Familie Millar außerordentlich gut vertreten war.

1760 wurde der schottische Moralphilosoph Anwalt und zeigte vielversprechende Ansätze. Im Jahr 1761 nahm er eine professorship for law an der University of Glasgow an und behielt sie bis zu seinem Tod im Jahr 1801. Er hielt Vorlesungen in civil law, jurisprudence und auch english law, die äußerst beliebt waren. John Millar hatte den Crown Chair of Civil Law in the University of Glasgow. Er war ein Schüler und später ein guter Freund von Adam Smith. Diese Tatsache spiegelt sich auch in den Werken Millar´s wieder.

1801:Millar hinterließ nach seinem Tod vier Söhne und sieben Töchter. Alle Söhne machten Karriere an der university of Glasgow, Militär oder als writer to the signet. Eine der Töchter war die Mutter von Allan Thompson (professor for surgery, university of Edinburgh).


Historischer Kontext

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Schottland im 18. Jahrhundert

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Das 18. Jahrhundert war eine Zeit, in der sich das Land wirtschaftlich sowie gesellschaftlich in einer problematischen Lage befand. Die Vertreibung der Hochländer sowie das Verbot der Gälischen Sprache und der Ausübung ihrer Kultur führte zu einer zunehmenden Orientierungslosigkeit der Bevölkerung. Ein weiterer Störfaktor der Gesellschaft war der Anschluss Schottlands an England durch den act of union. Durch ihn herrschte in der Bevölkerung Unzufriedenheit. Dieser act of unit zog unter anderem Konsequenzen in der Thronfolge nach sich, welche die Bevölkerung als Einmischung in ihre Kultur und Politik auffasste. Die wirtschaftliche Lage war durch die wenigen Exportgüter und durch die eher primitive Agrargesellschaft geschwächt, ebenso der Handel.

Im Gegensatz dazu etablierte sich aber eine geistige Elite in Schottland, die von einem auflkärerischen Wandel durchwirkt war, durch welchen die Sozialwissenschaften aufblühen konnten, ein markantes Zeichen dieser Zeit. Das 18. Jahrhundert war also auch das Jahrhundert der Aufklärung und der Emanzipation des Geistes.

Die Arbeit von John Millar zeigt in ihren Theorien und Erkenntnissen, dass er von dieser Aufbruchstimmung beeinflusst wurde. Vorallem seine Erkenntnisse auf dem Wirtschaftlichen Gebiet und seine Schichtungstheorien können auf seine Gedanken über die gesellschaftlichen Veränderungen in seinem Heimatland zurückgeführt werden.


Die Rolle Edinburghs in der Aufklärung

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Viele Philosophen und Gelehrte aus den verschiedensten Bereichen befanden sich zu dieser Zeit in Edinburgh, wo augrund des Anschlusses an England viele Adelige die Stadt verlassen hatten, um Richtung London, der neuen Hauptstadt, zu gehen. Nun konnte sich in der Stadt die intelektuelle Szene entwickeln. Diese Gesinnung wurde auch in Glasgow spürbar, wo sich John Millar aufhielt. Aufgrund von Schiffsverbindungen kam er auch in Berührung mit dem Handel, der dort getrieben wurde.

In Edinburgh stand die größte Universität des Landes, wo auch viele bekannte Professoren unterrichteten. Unter ihnen befanden sich bereits bekannte Namen wie James Watt, William Cullen, Adam und David Hume. Mit ihnen stand John Millar schon in seinen frühen Jahren in Kontakt.

Millar war von diesem neuen Geist, der auch, wie oben erwähnt, Glasgow erreicht hatte, beeinflusst. Millars Überlegungen zur sozialen Ungleichheit sind geprägt von den Einflüssen seiner Zeit. Er versuchte, die Ursache der sozialen Ungleichheiten in den Strukturbedingungen einer Gesellschaft zu finden. Auch die Verbindung von sozialer Ungleichheit und dem Handel kann auf den Einfluss der Zeit zurückzuführen sein.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Der schottische Philosoph und Historiker Millar war Anhänger der Lehre von Adam Smith und ebenfalls ein berühmter Mitbegründer der modernen Philosophie, sowie ein bedeutender Moralphilosph. Als Professor an der Glasgow University genoss er einen guten Ruf, er ging auf die Interessen seiner Studenten ein. Auch in seinem Privatleben war seine Lehrtätigkeit präsent. Er lud Studenten zu sich nach Hause ein, diskutierte mit ihnen und vertiefte seine Vorlesungsinhalte. John Millar war außerdem ein gewähltes Mitglied in der Literary Society of Glasgow, die 1752 gegründet wurde.

Mit Thomas Reid, Professor für Moralphilosophie an der Universität Glasgow und der nachfolgende Lehrende von Adam Smith, der diesen Lehrstuhl zuvor besetzte, verband ihn eine Kollegenschaft, die geprägt war von Diskussionen über Theorien. Trotz ihrer verschiedenen Ansichten blieb ihre Freundschaft aufrecht.

Bei John Millar wird der Einfluss von Adam Smith besonders deutlich. Millar bezeichnet Adam Smith als den Newton der Moraliphilosophie. Um Millars Lehre verstehen zu können, ist ein kurzer Einblick in das Werk von Adam Smith nötig.

Seine Theorie der moralischen Gefühle besteht im Wesentlichen aus der Frage, wie es zu moralischen Urteilen kommt und was das Wesen von moralischen Urteilen ist, beziehungsweise welche Funktion sie erfüllen.

Fixer Bestandteil dieser Theorien ist die Empathie, die Smith allerdins noch als Sympathie bezeichnete, der Sinnhaftigkeit aber eher der Empathie (sich in andere hineinversetzen können) entspricht. Mit Hilfe der Empathie können Handlungen von anderen in gewissen Situationen mit der Vorstellung des eigenen Handelns verglichen werden. Dadurch kann man laut Adam Smith feststellen, ob die Handlung angemessen oder unangemessen war.

Eine weitere Theorie von Smith ist die Theorie der Affekte. Er unterscheidet asoziale und soziale Affekte, die sich wiederum hinsichtlich der Akzeptanz oder eben der Nichtakzeptanz der Affekte von den anderen Menschen unterscheiden. Dies ist laut Smith notwendig, um Schichtung aufrechtzuerhalten. Smith glaubt an eine natürliche Ordung, die er auch als unsichtbare Hand bezeichnet.

Weiters beschäftigte sich Smith mit seiner Theorie über den Ursprung des Wohlstands der Völker. Arbeitsteilung, Tausch, Bedürfnislehre und Wirtschaftsstufenlehre haben Erwähnung gefunden und sind unter anderem auch Grundlage für die Theorien von John Millar.

Im Verlgeich der Theorien von Millar und Smith wird man feststellen, dass es sich bei Millars Thesen nicht um eine gespiegelte Variante von Adam Smiths Werk handelt, sondern eher um eine Art symbiontische Beeinflussung, die erst beide Theorien zu einem Ganzen vereint.


Werke

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Millar, John (1771): Observations Concerning the Distinction of Ranks in Society. John Murray, London (Disputatio in Latein)

Millar, John (1779): The Origin of the Distinction of Ranks: or, An Equiry into the Circumstances which Give Rise to INfluence an Authority in the Different Members of Society. Murray, London

Millar, John (1787): An Historical VIew of the English Government: From the Settlement of the Saxons in Britain to the Accession of the Hause of Steward. Murray, London

Millar, John (1796): Letters of Crito. London


Millars Werke in Thesen und Themen

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Schichtung

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Mit Schichtung meint Millar nicht nur die ökonimische Schichtung sondern auch, wie oben erwähnt, die Machtverteilung innerhalb der Gesellschaft. Die ökonomischen Faktoren sind für ihn aber die Ursachen für die verschiedenen Verhältnisse von den einzelnen Schichten zueinander. Die einzelnen Schichten hat John Millar in seiner Wirtschaftsstufenlehre aufgelistet:

Wirtschaftsstufenlehre
1. Urkultur (Jäger und Sammler)
2. Weide- und Hirtenwirtschaft
3. Ackerbaukultur
4. Handwerkliches Gewerbe
5. Manufaktur

Eine weitere Funktion, die der Soziologe den ökonomischen und technischen Faktoren zuschreibt, ist, dass sie die Veränderungen und Unterschiede in Gesellschaften erst verursachen. Ohne sie würde eine Gesellschaft stillstehen. Hier sind eindeutige Parallelen zu Marx sichtbar, der sich ebenfalls auf die Vorrangstellung von ökonomischen Faktoren stützt.


Soziale Ungleichheit

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Soziale Ungleichheit entsteht, so Millar, durch die Anhäufung von Eigentum. Ohne Eigentum würde Gleichheit der Menschen in der Gesellschaft herrschen. In seiner Theorie der sozialen Ungleichheit beschäftigt sich Millar mit verschiedenen Teilbereichen, die unter den Menschen ungleich verteilt sind: Boden/Land, Güter (durch Handel).

Allerdings behauptet er, dass erst wenn in einer Gesellschaft ein Überschuss erwirtschaftet wird, Ungleichheit entstehen kann, da erst dann jeder Eigentum anhäufen möchte und zwar in Form von Boden und Gütern. Ist dies bereits der Fall, wird die Gesellschaft in verschiedne Schichten aufgeteilt.


The Origin of the Distinction of Ranks

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In seinem Hauptwerk "Vom Ursprung des Unterschieds in den Rangordnungen und Ständen der Gesellschaft" gibt es drei Punkte mit denen er sich vorrangig beschäftigte:

1. Die Rolle der Frau in der Gesellschaft:
Seine These zu diesem Thema: Je luxuriöser die Gesllschaft ist, desto unbedeutender die Stellung der Frau, weil unter anderem der Beitrag den sie für die Gesellschaft leisten muss, um deren Überleben zu sichern, immer geringer wird. Millar nimmt dabei als Ausgangspunkt eine Verfeinerung der Sitten an.

2. Unterschiede in den Stufen der Entwicklung von Ökonomien:
Millar untersuchte, welche technologischen und ökonomischen Entwicklungen zu welchen Regierungsformen führen.

3. Sklaverei:
Mit zunehmender Technologisierung der Gesellschaft nimmt die Sklaverei ab.


Rezeption und Wirkung

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Das Werk von John Millar war sehr bedeutend. Durch seine Überlegungen konnte die moderne Soziologie vorangetrieben werden, wenn sie nicht sogar einen Teil zu ihrer Entwicklung beitgetragen haben. Millars Ideen und Gedanken waren Teil einer Bewegung der Aufklärung, der auch viele andere bedeutende Philosophen wie Locke, Berkley, Hobbes, sowie Descartes, Voltaire und Rousseau angehörten. Die Aufklärung war überall in Europa präsent.

Millars Werke können al solche bezeichnet werden, die die Publikation in einer freien Sozialwissenschaft eingeleitet haben. "Origin of Distician of Ranks" war eines der ersten Werke in einer moderneren, offeneren Zeit. Erst spät, als Werner Sombart Millars Buch in seine Überlegungen miteinbezog, wurden dessen Verdienste bewusst. Auch sein Einfluss auf das Rechtsverständnis, sowie politische, historische und soziale Entwicklungen zeigte erst später seine Früchte.

Als Professor an der University of Glasgow zog Millar die Studenten in seinen Bann. Einer der Studenten schrieb in einem Brief: "His eyes, his voice, his figure, were commanding, as if nature had made him for the purpose of giving dignity and fascinating to oral instuctio."


Literatur

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  • Lehmann (1960):
    "John Millar of Glasgow"
    Camebridge
  • Millar (1779):
    "Vom Ursprung des Unterschieds in den Rangordnungen und Ständen der Gesellschaft"

Mills, C. Wright

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Biographie in Daten

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Charles Wright Mills


  • Mills Charles Wright
  • geboren am 28. August 1916 in Waco, Texas;
  • gestorben am 20. März 1962 in Nyack, New York


Großeltern Mütterlicherseits

Großvater Braxton Bragg Wright, Viehzüchter

Großmutter Elizabeth Gallagher Wright, Tochter von irländischen Einwanderern

Vater Charles Grover Mills, Versicherungsvertreter

Mutter Frances Ursula Mills, geborene Wright und Hausfrau

Geschwister 1 Schwester

1 Ehe 1937 Dorothy Helen James, geschieden 1940

Kinder Pamella Mills, Lehrerin

2 Ehe 1941 neuerlich Dorothy Helen James, geschieden 1947

3 Ehe 1947 Ruth Harper, Statistikerin, geschieden 1959

Kinder Kathryn Mills, Verlagsangestellte

4 Ehe 1959 Yaroslava Surmach, Künstlerin und Fotografin,

Kinder Nik Mills

Nationalität Amerikaner

Religion römisch-katholisch, nicht praktizierend


  • 28.8.1916: Charles Wright Mills wurde als zweites von zwei Kindern in Waco, Texas geboren. Seine Kindheit und Jugend verbringt er in seinem Geburtsort, bis die Familie nach Dallas umzieht.
  • vor 1934: Beginn der eigentlichen Schullaufbahn an der Technical High School in Dallas. Auf dieser katholisch geprägten Schule soll Mills die Grundlagen für eine spätere Ausbildung zum Ingenieur erhalten.
  • 1934 - 1935: 1934 wechselt er zum Texas Agricultural and Mechanical College. Mills bleibt dort jedoch nur ein Jahr. Welche Umstände Mills veranlassten das Texas A&M zu verlassen, sind nicht genau bekannt. Vielleicht war er, mit der von den Eltern vorgesehenen sicheren Karriere nicht einverstanden.
  • 1935 - 1939: Im Herbst 1935 geht Mills an die University of Texas nach Austin. Unter David L. Miller (Philosophie), Clarence E. Ayres, früherer Mitarbeiter von Thorstein Velben (Ökonomie) und Warner E. Gettys (Soziologie) entwickelt sich Mills bald zu einem außergewöhnlichen Studenten. Den Marxismus lernt Mills erst durch Seminare von Edward Everett Hale kennen. In dieser Zeit beschäftigt er sich auch intensiv mit Max Weber.
  • 1938 – 1939: Politisch engagiert sich Mills an der University of Texas kaum, allerdings hat er 1 Jahr lang den studentischen Vorsitz der 'Southwest Social Science Association' inne.
  • 1939: Mills schließt mit einer Master-Arbeit über „Reflection, Behavior and Culture“ ab und erhält im Juni desselben Jahres das Zertifikat eines Bachelor und Master of Art.
  • 1939 – 1941: 1939 wechselt er zusammen mit seiner Frau Dorothy James, die er an der University of Texas kennen gelernt hat, an die University of Wisconsin. In Wisconsin lernt Mills den aus Deutschland geflüchteten Hans Heinrich Gerth kennen, der ihn in die Arbeiten von klassischen deutschen Soziologen, speziell Max Weber, einführt.
  • 1942: 1942 erlangte er mit seiner Doktorarbeit „A sociological account of pragmatism“ den PhD (Doctor of Philosophy). Die Doktorarbeit war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, weil die Kommunikation zwischen dem Doktorvater und dem Doktorrand nicht die Beste war.
  • 1941 - 1945: Aus gesundheitlichen Gründen wird Mills Ende 41 nicht zum Kriegsdienst nach Europa einberufen. Darum wechselt er Ende 1941 – Anfang 1942 als Associate-Professor of Sociology an die University of Maryland. Es ist Mills erste akademische Position und erstmals zeigt Mills auch politisches Interesse.
  • 1945 – 1962: 1945 wechselt Mills an die Colombia University in New York. Von 1945-1946 arbeitet Mills als Lecturer, von 1946-1950 als Assistant Professor, 1950-1956 als Associate Professor und von 1956-1962 dann als Full Professor of Sociology. In dieser Zeit schreibt und polemisiert Mills leidenschaftlich in New Yorker Magazinen wie dem Gewerkschaftsmagazin „The New Leader“, „The New Republic“, und „Politics“. Er wird auch zunehmend als Gastredner zu politischen Veranstaltungen eingeladen und organisiert selbst politische Diskussionen.
  • 1945 – 1948: Direktor der Labor Research Division des "Bureau of Applied Social" Research der Columbia University in New York City. Weiters nimmt er auch Angebote zur Auftragsforschung für die „United Automobile Workers“ der Gewerkschaftsorganisation CIO in Detroit sowie für das „New York State Department of Labor“ an.
  • 1953 – 1955: Mills tritt als Redner vor den verschiedensten Foren auf; unter anderem beim "Herald Tribune Forums" in New York, der "Couchiching Conference" in Toronto, vor Kadetten des Air War College in Alabama und vor Studenten der Wayne State University in Detroit.
  • 1956 – 1958: Nach seiner Ernennung zum Full–Professor an der University of Columbia, versucht Mills Abstand vom Universitätsleben zu gewinnen und begibt sich 1956 für einen längeren Aufenthalt nach Europa. Die Reise führt ihn nach England, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien und nach Polen, wo er Vorträge an verschiedenen Universitäten (Kopenhagen, Frankfurt, London) hält. 1958 kehrt Mills wieder in die USA zurück.
  • 1959 – 1960: Im Herbst 1959 nimmt Mills am Weltsoziologenkongress in Brasilien teil. Im darauf folgenden Frühjahr verbringt Mills mehrere Monate in Mexiko um dort mit lateinamerikanischen Intellektuellen zu diskutieren.
  • 1960 – 1962: Nach einem Herzinfarkt im Dezember 1960 folgt Mills dem Rat seines Arztes, eine Pause einzulegen, und reist abermals nach Europa, wo er mit dem VW Bus bis nach Moskau gelangt. Dort hofft Mills auf eine effektive Behandlung seiner Herzkrankheit, die leider ohne Erfolg bleibt. Im Januar 1962 kehrt Mills im schlechten Gesundheitszustand nach New York zurück.
  • 20.3.1962: Mills stirbt an einem weiteren Herzinfarkt in Nyack, New York.


Historischer Kontext

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Mills war ein Mann in Eile. Sein Privatleben war geprägt von vielen Affären. Mills hat Kindern aus drei Ehen. Sein Leben verlief somit überaus turbulent und ungeordnet. Aber auch sein Berufsleben war alles andere als gleichmäßig. Bereits in seiner Studienzeit galt Mills als ein sehr charismatischer Mensch, der antiautoritär und individualistisch war und oftmals den Anschein hinterließ, gegen sich selbst, jedem und alles zu kämpfen. Er hatte auch keine Scheu davor, Kritik an Professoren zu üben. Einen Theoretiker an der Wisconsin Universität bezeichnete er sogar einmal als „real fool“ (wirklicher Dummkopf). Später als Professor an der Columbia Universität war Mills isoliert und entfremdete sich immer mehr von seinen Kollegen. Zeitweise hoffte Mills auch auf seine Professur verzichten zu können und nur von seiner publizistischen Tätigkeiten leben zu können. Jedoch verhinderten Geldschwierigkeiten diesen Schritt und auch seine professionelle Isolation nahm dadurch weiter zu. Mills ungeliebte Columbia Professur veranlasste ihn auch nach Europa zu reisen. Schon während seiner Studienzeit in Wisconsin mit Hans Gerth, einem deutschen Emigranten, ist Mills Europa sehr nahe gekommen. Vor allem aber das von Franz Neumanns 1942 erschienene Buch „Behemoth“ über Herkunft und Struktur des Nationalsozialismus hat bei Mills nachgewirkt und ein besonderes Interesse für die deutsche Gesellschaft geweckt. Ein weiterer Grund für seine Reise war, dass er die Umbrüche in Europa, nach dem Krieg, hautnah miterleben wollte. Besonders interessierte er sich für die "Blockbildung", die den Kalten Krieg zufolge hatte. Die Stationen dieser Jahre zwischen 1956 und 1962 waren Kopenhagen, Innsbruck u.v.a., wo er als Gastdozent lehrte. Er reiste zuerst mit seiner ersten und dann mit seiner zweiten Frau per Motorrad, VW-Bus und dann sogar mit einer Isetta durch viele europäische Staaten. 1960 wird er von den Übersetzern seines Buches „The Power Elite“ in die damalige Sowjetunion eingeladen. Auf seiner Kubareise 1960 interviewte er Fidel Castro und Che Guevara, was für Mills eine Schlüsselerfahrung war. Noch im selben Jahr erschien sein Buch „Listen Yankee“, das er im Stile eines kubanischen Revolutionärs geschrieben hat und in dem er auf die nachteiligen Auswirkungen auf die antikubanische Ausgrenzungspolitik der USA eingeht. Dies brachte Mills auch eine FBI Akte ein. Generell schrieb Mills in dieser Zeit wie ein Besessener, wenn auch mit Pausen, in denen er sich, je nach Region, dem Bier oder dem Whiskey hingab, was seiner Gesundheit zunehmend zusetzte. Im März 1962 stirbt Mills in seinem neuen, selbst gebauten Haus in West-Nyack, New York.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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- Bereits in seiner Studienzeit an der University of Texas lernt Mills Karl Marx, in Seminaren von Edward Everett Hale, kennen und wird von Marx auch in weiterer Folge beeinflusst und geprägt. Zu jener Zeit wurde der Marxismus von vielen amerikanischen Soziologen ignoriert oder vernachlässigt, jedoch Mills war einer der wenigen, die sich bemühten den Marxismus und seine soziologischen Theorien am Leben zu halten. Allerdings las Mills erst Mitte der 50ziger Jahre Karl Marx, denn er konnte kein Deutsch und war somit auf sehr wenige englische Übersetzungen angewiesen. Mills selbst war kein Marxist. Während der Arbeit an seinem letzten Buch „The Marxist“ schrieb er; …..“ich war niemals so richtig emotional in den Marxismus oder Kommunismus involviert, habe also niemals dazu gehört, dennoch kenne ich das Zeug ziemlich gut. Aber abgesehen davon finde ich, dass ich auf seltsame Weise aufgeregt werde, wenn ich an diesen Dingen arbeite".

- Eine andere prägende Person für Mills war Max Weber, der einen überaus großen Einfluss auf ihn hatte. Mills und Hans Gerth veröffentlichten 1946 das Buch "From Max Weber: Essay in sociology", wo sie Arbeiten von Max Weber übersetzten. In späterer Folge ist in fast allen Schriften von Mills, ein Einfluss von Max Weber zu erkennen. Diese Beiden, Karl Marx und Max Weber, bezeichnete Mills auch als Helden.

- Durch die Kollaboration mit Hans Gerth, in der Mills viel über die neuen Mittelschichten im Deutschland der Weimarer Zeit, über ihre Orientierungslosigkeit bis hin zur Anfälligkeit für den Nationalsozialismus erfuhr, wurde sein Interesse an der deutschen Soziologie geweckt. Hans Gerth war für den jungen und wissbegierigen Mills so etwas wie eine wandelnde Bibliothek. Die engere Zusammenarbeit mit Gerth begann 1940/41 mit einem großen Projekt und zwar mit der Übersetzung der wichtigsten Texte Max Webers ins Englische, verbunden mit einer Umfangreichen Einführung. Die Arbeitsteilung bei der Übersetzung war von vornherein klar; Gerth übersetzte aus dem Deutschen, während Mills die Rohübersetzung in ein geschliffenes amerikanisches Englisch brachte.

- Zu anderen Zeitgenössischen Soziologen, wie Talcott Parson, Paul F. Lazersfeld oder Robert K. Merton, die damals die amerikanische Soziologie dominierten, hatte Mills teilweise eine sehr kritische Haltung. Persönlich wie intellektuell blieb Mills immer ein Außenseiter und er war sich dieser Tatsache auch bewusst.

- Prägend für seine soziologische, wie politische Haltung waren sicher auch seine vielen und ausgedehnten Reisen durch Europa und Lateinamerika, wo er eine etwas differenziertere Haltung gegenüber der amerikanischen Gesellschaft annahm.

Werke

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  • Gerth, Hans (translator), Mills, C. Wright (editor)
  • 1946 From Max Weber / Essays in Sociology
Mills, C. Wright
  • 1948 The New Men of Power / America´s Labor Leaders
Mills, C. Wright
  • 1951 White Collar / The American Middle Classes
Gerth, Hans & Mills, C. Wright
  • 1953 Character and Social Structure / The Psyhology of Social Institutions
Mills, C. Wright
  • 1956 The Power Elite
Mills, C. Wright
  • 1958 The Causes of World War Three
Mills, C. Wright
  • 1959 The Sociological Imagination
Mills, C. Wright
  • 1960 Listen Yankee / The Revolution in Cuba
Mills, C. Wright
  • 1962 The Marxists
POSTHUM
Mills, C. Wright
  • 1967 Power, Politics & People / The Collected Essay of C. Wright Mills
Kathryn & Pamela Mills (Töchter von Mills)
  • 2000 C. Wright Mills / Letters and Autobiographical Writings


Das Werk in Themen und Thesen

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Mills soziologisches Credo lautete; der Sozialwissenschafter ist dazu da, private Sorgen in öffentliche Angelegenheiten zu übersetzen. Besonders Der Zweite Weltkrieg hat für Mills gezeigt, welches Ausmaß private Sorgen erreichen können. Neben den üblichen privaten Problemen eines jeden (in denen sich der Gegenstand der Soziologie versteckt), wären also auch jene besonderen privaten Probleme zu betrachten, welche den Sozialwissenschaftler befallen, wenn er die akademischen Grenzen verlässt und politisch wird. Mit dem Buch „The Power Elite“ hat Mills diese Grenze überschritten und zugleich einen Nerv des massenkulturellen Bewusstseins berührt. Mills orientiert sich in diesem Buch auch ein wenig an Thorstein Velben, einem anderen „Maverick“ der Soziologie, der Ende des 19. Jahrhunderts eine vita experimentalis führte und daraus Einsichten über die soziale Rolle der Reichen, über das soziologische Handwerk, über Macht und Herrschaft jenseits des Vorstellungsvermögens von Universitätsgelehrten, gewinnen konnte.


In „The Power Elite“ beschreibt Mills wie F. D. Roosevelts Reformen und Planungsanstrengungen des Zweiten Weltkriegs, das traditionelle Etablishment durcheinander gewirbelt hatten. Er zeigt, wie die Reichen und Superreichen es lernten, in dieser neuen Welt der Massenmedien, des Aktieneigentums, der Werbung, des Massenkonsums sowie eines wachsenden Selbstbewusstseins der Mittelschichten, ihren Einfluss zu bewahren und zu mehren. Aber der nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Umbau der US-Gesellschaft brachte auch neue Formen der Macht und neue Privilegienstrukturen hervor, verkörpert durch eine noch weitgehend gesichtslose Konzern-Elite, die teilweise mit der traditionellen Geldelite zu einer neuen „upper class“ verschmolz. Der reorganisierte Reichtum, so Mills, erlaubte es, Einflussimpulse über das gesamte politische System in streng hierarchisch-autoritärer Manier zu verteilen und zudem die Exekutivmacht allmählich einem der Parteiendemokratie entrückten politischen Direktorat zuzuschanzen. Für Mills waren die drei Schlüsselpositionen dieser modernen Gesellschaft; Wirtschaft – Regierung – Militär, die ausschließlich von amerikanischen Eliten besetzt waren. Diese elitäre Führungsmacht wird von Generation zu Generation weiter gegeben und die Konzentration von Geldmacht hat, parallel zur Konzentration in der Wirtschaft, weiter zugenommen.


Ein weiteres wichtiges Werk von Mills war „The White Collar“, wo er die Formel für eine zentrale Sozialkategorie der Dienstleistungsgesellschaft in die Welt setzte. Eingangs beschäftigt sich Mills in dem Buch mit den alten Mittelschichten, denen die scheinbare Sicherheit ihrer Eigentumsverhältnisse und Überzeugungen mit dem Siegeszug der Shareholder Wirtschaft abhanden kommt. Die Welt der Unternehmen aber wandelt sich. Dadurch verändern sich auch die Arbeitsstrukturen und Berufsprofile und es entstehen neue Hierarchien, in denen Autorität gefiltert und als funktionale Macht im Top-Management verankert wird. Die herkömmlichen freien Berufe verfangen sich im Geflecht der Großorganisationen und der Bedarf an Experten für Organisation und Informationsverarbeitung sowie für Marketing und Verkauf wächst enorm. Die neue Machtpyramide beschert den Arbeiter und Angestellten auch neue Lebensstile und Lebensmilieus. In denselben Büros sieht man einerseits Aufsteiger, die in den oberen Etagen sitzen und andererseits fröhliche Roboter, die in den unteren Etagen sind. Mit der Automatisierung von Büros und der Arbeitsteilung werden Jobs zur reinen Routine, wobei intellektuelle Kapazitäten verloren gehen und nur mehr das leitende Personal das Attribut der Jobautonomie besitzt. Auch die Einkommensschere, von Managern und Angestellten geht immer weiter auseinander, was zu sozialen Konflikten führt.


Das Buch „The Sociological Imagination“ nimmt eine absolute Sonderstellung in der sozialwissenschaftlichen Fachliteratur ein und steht hinter Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft“ auf Platz 2 einer Liste der einflussreichsten soziologischen Werke der "International Sociological Association". Damit liegt das Buch noch vor soziologischen Klassikern, wie etwa Robert K. Mertons „Social Theory and Social Structure“ oder Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns „The Social Construction of Reality“. C. Wright Mills prägte in diesem Buch den Ausdruck der „sozialen Phantasie“ und meinte damit, dass viele Aspekte unseres privaten Lebens, von Kräften beeinflusst werden, auf die wir keinen Einfluss haben. Dazu gehören auch die Verhältnisse bei unserer Geburt, wie alt unsere Eltern sind, wie viele Geschwister wir haben und mit wie vielen anderen Individuen des gleichen Alters wir in der Schule und dann am Arbeitsplatz konkurrieren werden, ja, ob wir überhaupt geboren werden. Gemeint ist damit, dass wir unsere Erfahrungen im Kontext unserer Ereignisse in unserer sozialen Umwelt erleben und wir strukturelle Zusammenhänge und Muster wahrnehmen, die sich unserer individuellen Erfahrung alleine nicht erschließen. Soziologische Imagination ist der methodologische Zustand, in den es sich mit Hilfe von Theorie und einfallsreicher Empirie zu versetzen gilt, um Gesellschaft nicht nur zu erleiden, sondern von unten zu verändern. Soziologie muss es möglich machen, Probleme der eigenen Biographie als Produkte historischen Wandels und als Gelegenheiten zu gesellschaftlicher Aktivität zu begreifen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist kein intellektueller Aufwand zu groß und die Strukturen historischen Wandels müssen erforscht, die eigenen und die Erfahrungen anderer ausgewertet, die Daten und Tatsachen des Gesellschaftsprozesses gesammelt und interpretiert werden. „The Sociological Imagination“ ist auch eine Demonstration des Umgangs mit den Möglichkeiten der Theorietraditionen der Soziologie, wenngleich hier der Gestus des Suchenden und des pragmatisch Experimentierenden dominiert, dem Mills bis hin zu seinem letzten Werk, "The Marxists", treu geblieben ist. TSI von Mills ist im deutschsprachigen Raum großteils vernachlässigt worden, da es den einen zu wenig wissenschaftlich, den anderen zuwenig marxistisch war. Auch war die deutsche Übersetzung nicht sonderlich gelückt.


In den Jahren 1948 bis 1960 brachte Mills einige soziologische Werke heraus, in denen er die US-amerikanische Gesellschaftsordnung kritisierte. Besonders hervorzuheben sind hier die Werke „The Power Elite“, „The Causes of World War Three“ und „Listen Yankee“. Mills wandte sich vor allem gegen die Monopolisierung und Technisierung der Gesellschaft, die immer weniger Raum für demokratische Mitbestimmung zu lassen schien. In seinen Untersuchungen darüber, wie eine funktionierende Demokratie aussehen soll, führte Mills das Begriffspaar „public“ und „mass“ ein. Als „public“ beschreibt er die Öffentlichkeit, die aus der Interaktion von Menschen entsteht, die in der Demokratie in der Funktion von Parlamenten gipfelt. Im Gegensatz dazu stellt der Begriff „mass“ eine Öffentlichkeit dar, die von wenigen dominiert wird, und zum Verlust der geistigen und politischen Unabhängigkeit der Mehrheit der Menschen führt. Mills sah die US-amerikanische Gesellschaft zunehmend als eine "Mass Society" an, in der es eine wirkliche Demokratie nicht geben kann.

Rezeption und Wirkung

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C. Wright Mills hat in den 50er und 60er Jahren auch in Europa viele Soziologen prägend beeinflusst. Seit ein paar Jahren erleben seine Werke eine Renaissance. Weiteres Aufsehen erregten, im Jahr 2000, die von Mills Töchtern Kathryn und Pamela Mills herausgegebenen nachgelassenen Briefe und autobiographischen Aufzeichnungen, die sie in dem Buch „C. Wright Mills: Letters and Autobiographical Writings“ veröffentlichten. In vielen amerikanischen Zeitungen, von der „New York Times“ bis zu „New Left Review“ ist eine neue Welle der Mills–Rezeption und Diskussion zu beobachten.


Literatur

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  • H. J. Krysmanski
    "Soziologische Ausflüge in die Massenkultur - eine Erinnerung an C. Wright Mills aus Anlass des Todes von Pierre Bourdieu"
  • Andreas Hess
    "Die politische Soziologie von C. Wright Mills"
  • Todd Gitlin; C. Wright Mills
    Free Radical

Dieses Kapitel oder Buch ist derzeit nicht ausreichend mit Quellen belegt. Du kannst mithelfen, es zu verbessern, indem du Zitate, Referenzen und/oder Quellen einarbeitest.

Internetquellen

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Mises, Ludwig von

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Soziologische Klassiker/ Mises, Ludwig von

Münch, Richard

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Soziologische Klassiker/ Münch, Richard

Myrdal, Alva

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Soziologische Klassiker/ Myrdal, Alva

Nave-Herz, Rosemarie

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Soziologische Klassiker/ Nave-Herz, Rosemarie

Newcomb, Theodor M.

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Soziologische Klassiker/ Newcomb, Theodor M.

Nowotny, Helga

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Soziologische Klassiker/ Nowotny, Helga

Ogburn, William F.

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Soziologische Klassiker/ Ogburn, William F.

Opp, Karl Dieter

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Soziologische Klassiker/ Opp, Karl Dieter

Oppenheimer, Franz

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Soziologische Klassiker/ Oppenheimer, Franz

Pareto, Vilfredo

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Soziologische Klassiker/ Pareto, Vilfredo

Park, Robert Ezra

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Soziologische Klassiker/ Park, Robert Ezra

Parsons, Talcott

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Soziologische Klassiker/ Parsons, Talcott

Piaget, Jean

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Soziologische Klassiker/ Piaget, Jean

Plessner, Helmuth

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Soziologische Klassiker/ Plessner, Helmuth

Popitz, Heinrich

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Soziologische Klassiker/ Popitz, Heinrich

Portes, Alejandro

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Soziologische Klassiker/ Portes, Alejandro

Radcliffe-Brown, Alfred

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Soziologische Klassiker/ Radcliffe-Brown, Alfred

Ratzenhofer, Gustav

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Soziologische Klassiker/ Ratzenhofer, Gustav

Redfield, Robert

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Soziologische Klassiker/ Redfield, Robert

Riesman, David

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Soziologische Klassiker/ Riesman, David

Ritzer, Georg

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Soziologische Klassiker/ Ritzer, Georg

Sassen, Saskia

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Soziologische Klassiker/ Sassen, Saskia

Scheler, Max

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Soziologische Klassiker/ Scheler, Max

Schelsky, Helmut

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Soziologische Klassiker/ Schelsky, Helmut

Schütz, Alfred

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Soziologische Klassiker/ Schütz, Alfred

Sennett, Richard

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Soziologische Klassiker/ Sennett, Richard

Sherif, Muzafer

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Soziologische Klassiker/ Sherif, Muzafer

Simmel, Georg

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Soziologische Klassiker/ Simmel, Georg

Skinner, Burrhus F.

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Soziologische Klassiker/ Skinner, Burrhus F.

Smelser, Neil

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Soziologische Klassiker/ Smelser, Neil

Schmid, Michael

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Soziologische Klassiker/ Schmid, Michael

Sombart, Werner

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Soziologische Klassiker/ Sombart, Werner

Sorokin, Pitirim

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Soziologische Klassiker/ Sorokin, Pitirim

Spencer, Herbert

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Soziologische Klassiker/ Spencer, Herbert

Stark, Werner

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Soziologische Klassiker/ Stark, Werner

Steinberg, Stephen

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Soziologische Klassiker/ Steinberg, Stephen

Strauss, Anselm

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Soziologische Klassiker/ Strauss, Anselm

Sumner, William Graham

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Soziologische Klassiker/ Sumner, William Graham

Tarde, Gabriel

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Soziologische Klassiker/ Tarde, Gabriel

Tenbruck, Friedrich

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Soziologische Klassiker/ Tenbruck, Friedrich

Thomas, William I.

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Soziologische Klassiker/ Thomas, William I.

Thurnwald, Richard

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Soziologische Klassiker/ Thurnwald, Richard

Tönnies, Ferdinand

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Soziologische Klassiker/ Tönnies, Ferdinand

Touraine, Alain

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Soziologische Klassiker/ Touraine, Alain

Veblen, Thorstein

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Soziologische Klassiker/ Veblen, Thorstein

Vierkandt, Alfred

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Soziologische Klassiker/ Vierkandt, Alfred

van Gennep, Arnold

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Soziologische Klassiker/ van Gennep, Arnold

von Wiese, Leopold

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Soziologische Klassiker/ von Wiese, Leopold

Wallerstein, Immanuel

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Soziologische Klassiker/ Wallerstein, Immanuel

Ward, Lester Frank

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Soziologische Klassiker/ Ward, Lester Frank

Watson, John B.

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Soziologische Klassiker/ Watson, John B.

Webb, Beatrice

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Soziologische Klassiker/ Webb, Beatrice

Weber, Alfred

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Soziologische Klassiker/ Weber, Alfred

Weber, Max

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Soziologische Klassiker/ Weber, Max

Whyte, William F.

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Soziologische Klassiker/ Whyte, William F.

Wolff, Kurt H.

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Soziologische Klassiker/ Wolff, Kurt H.

Yinhe, Li

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Soziologische Klassiker/ Yinhe, Li

Znaniecki, Florian

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Soziologische Klassiker/ Znaniecki, Florian